Datum: Linz, 19. 01. 2011 Thema: Vom Immunsystem angegriffen Autoimmunerkrankungen: Ursachen, Symptome, Behandlungen Referenten: OÄ Dr. Andrea Trenkler 3. Interne Abteilung, KH der Elisabethinen Linz OA Dr. Rudolf Schwarz Interne Abteilung, LFKK Linz Text von OÄ Dr. Andrea Trenkler Autoimmunerkrankungen – was ist das? Autoimmunerkrankung ist der Überbegriff für Erkrankungen, deren Ursache eine überschießende Reaktion des Immunsystems gegen körpereigene Strukturen (auto = selbst) ist. Das Immunsystem erkennt körpereigenes Gewebe irrtümlich als fremd an. Dadurch kommt es zu schweren Entzündungsreaktionen, die zu Schäden an unterschiedlichen Organen bzw. Organsystemen führen. Wie und warum es zu dieser Fehlprogrammierung kommt, ist bis heute noch nicht endgültig geklärt. Aktuell wird davon ausgegangen, dass es eine genetische Veranlagung für diese Erkrankungen gibt und bestimmte äußere Einflüsse wie Infektionen durch Bakterien, Viren oder Umweltbelastungen letztlich für den Krankheitsausbruch sorgen. Die Zahl der Menschen, die an einer Autoimmunerkrankung leiden, nimmt zu. In den Industrieländern sind etwa 5% betroffen, wobei der überwiegende Teil Frauen sind. Dies lässt vermuten, dass auch zusätzlich hormonelle Faktoren eine Rolle spielen. Welche Organe können betroffen sein? Grundsätzlich kann fast jedes Körperorgan betroffen sein. So gibt es Krankheitsbilder wo der Befall von Leber, Schilddrüse, Niere, Haut oder Nervensystem im Vordergrund steht. Auch Blutgefäße (Vaskulitis), das Bindegewebe (Kollagenosen) oder die Gelenke (spezielle Formen von „Rheuma“) sind oftmals betroffen. Die rheumatoide Arthritis (chronische Polyarthritis) Die rheumatoide Arthitis ist die häufigste entzündliche Gelenkserkrankung. Ort des entzündlichen Geschehens ist die Gelenksinnenhaut. Ein noch unbekannter Auslöser aktiviert verschiedene Zellen des Immunsystems wie Makrophagen (=Freßzellen) und Lymphozyten, die dann in die Gelenksinnenhaut einwandern. Diese fehlgeleiteten Immunzellen bilden Antikörper (körpereigene Abwehrstoffe) gegen die Gelenksinnenhaut . Diese setzten einen Entzündungsprozess in gang, der sich selbst unterhält. Entzündliche Flüssigkeit sammelt sich an, das Gelenk schwillt und schmerzt. Die Gelenksinnenhaut beginnt zu wuchern und kann mit der Zeit auch das umliegende Gewebe (Gelenkkapsel, Knorpel, Knochen) angreifen, was letztlich zur Gelenkzerstörung und zum Funktionsverlust führt. Es entwickeln sich Fehlstellungen, die zu Bewegungseinschränkung und zunehmender Behinderung im Alltag führen. Das hat tiefgreifende Auswirkungen auf das Berufs- und Privatleben. Eine nachhaltige Verminderung der Lebensqualität, sozialer Rückzug und gravierende Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit sind die Folge. Das wiederum zieht häufige Krankenstände, Arbeitsunfähigkeit und Frühpensionierungen infolge Invalidität nach sich, wodurch große volkswirtschaftliche Kosten entstehen. Auch die Lebenserwartung von Patienten mit rheumatoider Arthritis ist verkürzt. Das Ziel aller Therapien ist es, irrreversible Gelenkschäden möglichst lange hinauszuzögern oder überhaupt zu verhindern. Damit dies gelingen kann, ist eine frühe Diagnosestellung und eine rasche Therapieeinleitung ganz entscheidend! Je nach Krankheitsstärke und Verlauf gelangen unterschiedliche Medikamente zum Einsatz. Neben den altbekannten Kortisonpräparaten und anderen Therapeutikern, die langfristig den Verlauf einer rheumatischen Erkrankung am Fortschreiten hindern können (=Basistherapeutika) sind es vor allem neue gentechnologisch hergestellte Substanzen, die sogenannten Biologika, mit denen es vielfach gelingt die Krankheit zum Stillstand zu bringen und Knochenzerstörung zu verhindern. Sie greifen gezielt in den Krankheitsprozess ein, indem sie entweder die entzündungsfördernden Botenstoffe ausschalten oder direkt die Aktivierung der Immunzellen selbst bremsen. In allen Stadien der Erkrankung sind aber auch nicht medikamentöse Maßnahmen wie Krankengymnastik, Bewegungstherapie, physikalische Therapie und Ergotherapie nützlich und sinnvoll! Kollagenosen Neben der chronischen Polyarthritis sind rheumatische Beschwerden oft das erste Krankheitszeichen einer Gruppe klassischer Autoimmunerkrankungen die als Kollagenosen bezeichnet werden. Es handelt sich hier um entzündliche Bindegewebserkrankungen. Da Bindegewebe fast überall im Körper vorkommt, ist ihr Erscheinungsbild sehr unterschiedlich. Verlauf und Prognose werden vom Ausmaß der Organbeteiligung bestimmt. Da auch die Symptome anfangs sehr unspezifisch sind, ist die Früherkennung und Diagnose oft schwierig und langwierig. Der Beginn ist meist schleichend mit Allgemeinsymptomen wie Müdigkeit, Abgeschlagenheit, leichte Fieberschübe, untypische Hautveränderungen, Muskel- und Gelenksbeschwerden. Zeigen die angegebenen Beschwerden mit der körperlichen Untersuchung Hinweise dafür, werden entsprechende Labor- und bildgebende Untersuchungen angeschlossen. Insbesonders wird nach Autoantikörpern gesucht, die bei einzelnen Kollagenosen in bestimmtem Muster auftreten können. Es sei an dieser Stelle aber darauf hingewiesen, dass Laborwerte die Erkennung der Krankheit lediglich unterstützen und keinesfalls als alleiniger Parameter zur Entscheidung der Therapiebedürftigkeit herangezogen werden dürfen. Erst in Zusammenschau vieler Einzelbefunde kann die Diagnose gestellt werden. Wesentliches Behandlungsziel bei diesen Erkrankungen ist die Vermeidung irreversibler Organschäden. Nach wie vor ist Kortison aufgrund seiner raschen und effizienten Wirkung eines der wichtigsten Medikamente in der Behandlung der Kollagenosen. Daneben gibt es eine Vielzahl von Medikamenten, die die Immunabwehr unterdrücken. Wenngleich diese Erkrankungen nicht heilbar sind, so hat sich aufgrund der Fortschritte im Bereich der Diagnose und Therapie die Prognose bei einigen dieser Erkrankungen entscheidend verbessert. Weitere Informationen: OA Dr. Andrea Trenkler Fachärztin für Innere Medizin (Zusatzfacharztausbildung für Nephrologie und Rheumatologie) KH der Elisabethinen, Linz, III. Interne Abt. für Nieren- und Hochdruckkrankheiten, Transplantation und Rheumatologie Fadingerstraße 1, 4010 Linz Tel: 0732 / 7676 - 4340 E-Mail: [email protected]