Schwarze Löcher – Monster im All Jörn Wilms Dr. Karl Remeis-Sternwarte, Bamberg, & ECAP http://pulsar.sternwarte.uni-erlangen.de/wilms Black Hole Universe Inhalt 2 • Schwarze Löcher – prä-Einstein – post-Einstein • Galaktische Schwarze Löcher – weiße Zwerge, Neutronensterne, Schwarze Löcher – Akkretion – Stellare Schwarze Löcher • Das Zentrum der Milchstraße – . . . ein 106 M schwarzes Loch! • Supermassive Schwarze Löcher im Universum – Aktive Galaxien: 106...8 M Schwarze Löcher in den Zentren anderer Galaxien • Zusammenfassung Inhalt 1 prä-Einstein 3 Rev. John Michell: Phil. Trans. R. Soc. London, 74, 35–57 (1784): Über die Möglichkeit, die Entfernung, Größe usw. der Fixsterne zu bestimmen, als Ergebnis der Verringerung der Geschwindigkeit ihres Lichts, sollte eine solche Verringerung in einem von ihnen gefunden werden, und daß solche Daten von Beobachtungen gewonnen werden sollten, wie es notwendig wäre, um dieses Ziel zu erreichen. Schwarze Löcher 1 prä-Einstein 3 Rev. John Michell: Phil. Trans. R. Soc. London, 74, 35–57 (1784): . . . sollte der Halbmesser einer Kugel mit der gleichen Dichte wie der der Sonne den der Sonne um ein Verhältnis von 500 zu 1 übersteigen, . . . dann würde alles von einem solchen Körper emittierte Licht zu ihm aufgrund der Gravitation zurückkehren. Schwarze Löcher 2 Einstein 4 Spezielle Relativitätstheorie (1905): • in allen Bezugssystemen hat die Lichtgeschwindigkeit c den gleichen Wert • Beobachter mit konstanter Geschwindigkeit messen die gleichen physikalischen Gesetze Daraus folgt: =⇒ Raum und Zeit sind relativ (“4D-Raumzeit”) =⇒ E = mc 2 (“Masse äquivalent zu Energie”) Albert Einstein (1879–1955) Schwarze Löcher 3 Einstein 4 Allgemeine Relativitätstheorie (1916): • Masse krümmt den Raum (“Metrik”) Albert Einstein (1879–1955) Schwarze Löcher 4 Einstein 4 Allgemeine Relativitätstheorie (1916): • Masse krümmt den Raum (“Metrik”) • Licht bewegt sich durch gekrümmten Raum Albert Einstein (1879–1955) Schwarze Löcher 5 Was sind schwarze Löcher? 5 Apfel nach oben geworfen: Gesamtenergie: E = Epot + Ekin Epot = −G MErdemApfel rErde potentielle Energie Schwarze Löcher 1 Ekin = mApfelv 2 2 kinetische Energie 6 Was sind schwarze Löcher? 5 Apfel nach oben geworfen: Gesamtenergie: E = Epot + Ekin Epot = −G MErdemApfel rErde 1 Ekin = mApfelv 2 2 kinetische Energie potentielle Energie Apfel kann dann Erde verlassen, wenn E > 0, d.h. für s v ≥ vEntweich = Schwarze Löcher 2GMErde rErde 7 Was sind schwarze Löcher? 5 Apfel nach oben geworfen: Gesamtenergie: E = Epot + Ekin Epot = −G MErdemApfel rErde 1 Ekin = mApfelv 2 2 kinetische Energie potentielle Energie Apfel kann dann Erde verlassen, wenn E > 0, d.h. für s v ≥ vEntweich = 2GMErde rErde Erde: MErde = 5 × 1024 kg, rErde = 6378 km, vEntweich, Erde = 11.2 km s−1 Schwarze Löcher 8 Was sind schwarze Löcher? 5 Apfel nach oben geworfen: Gesamtenergie: E = Epot + Ekin Epot = −G MErdemApfel rErde 1 Ekin = mApfelv 2 2 kinetische Energie potentielle Energie Apfel kann dann Erde verlassen, wenn E > 0, d.h. für s v ≥ vEntweich = 2GMErde rErde Sonne: M = 2 × 1030 kg, r = 695500 km, vEntweich, = 620 km s−1 Schwarze Löcher 9 5 Was sind schwarze Löcher? Apfel nach oben geworfen: Gesamtenergie: E = Epot + Ekin Epot = −G MErdemApfel rErde 1 Ekin = mApfelv 2 2 kinetische Energie potentielle Energie Apfel kann dann Erde verlassen, wenn E > 0, d.h. für s v ≥ vEntweich = 2GMErde rErde Schwarzes Loch: vEntweich ≥ c =⇒ R ≤ Schwarze Löcher 2GM c2 M ∼ . 3 km M 10 Schwarze Löcher sind sehr einfache physikalische Objekte, bestimmt durch • Masse • (Ladung) • Drehimpuls Es ist schwarz und sieht aus wie ein Loch. Ich würde sagen, es ist ein Schwarzes Loch Kompakte Objekte 8 Sterne beenden ihr Leben als eines von drei Arten kompakter Objekte: Stellare Schwarze Löcher 2 Kompakte Objekte 8 Sterne beenden ihr Leben als eines von drei Arten kompakter Objekte: Weißer Zwerg: ρ ∼ 105 ... 106 g cm−3, R ∼ R , Gleichgewicht zwischen Gravi♁ tation und Gas durch Druck ([relativistisch] entarteter) Elektronen, M < 1.44 M (Chandrasekhar-Grenze; 1931). Stellare Schwarze Löcher 3 Kompakte Objekte 8 Sterne beenden ihr Leben als eines von drei Arten kompakter Objekte: Weißer Zwerg: ρ ∼ 105 ... 106 g cm−3, R ∼ R , Gleichgewicht zwischen Gravi♁ tation und Gas durch Druck ([relativistisch] entarteter) Elektronen, M < 1.44 M (Chandrasekhar-Grenze; 1931). Neutronenstern: ρ ∼ 1013 ... 1016 g cm−3, R ∼ 10 km, bei dieser Dichte inv. β -Zerfall (p + e− → n), d.h. Stern hat hohen Neutronenanteil. 1.44 M < M . 3 M (Oppenheimer-Volkoff Grenze; 1939). Stellare Schwarze Löcher 4 Kompakte Objekte 8 Sterne beenden ihr Leben als eines von drei Arten kompakter Objekte: Weißer Zwerg: ρ ∼ 105 ... 106 g cm−3, R ∼ R , Gleichgewicht zwischen Gravi♁ tation und Gas durch Druck ([relativistisch] entarteter) Elektronen, M < 1.44 M (Chandrasekhar-Grenze; 1931). Neutronenstern: ρ ∼ 1013 ... 1016 g cm−3, R ∼ 10 km, bei dieser Dichte inv. β -Zerfall (p + e− → n), d.h. Stern hat hohen Neutronenanteil. 1.44 M < M . 3 M (Oppenheimer-Volkoff Grenze; 1939). Schwarzes Loch: Für M & 3 M. kein stabiler Zustand bekannt =⇒ Stern fällt vollständig in sich zusammen =⇒ Schwarzes Loch Ereignishorizont bei RS = 3(M/M) km Stellare Schwarze Löcher 5 Kompakte Objekte 8 Sterne beenden ihr Leben als eines von drei Arten kompakter Objekte: Weißer Zwerg: ρ ∼ 105 ... 106 g cm−3, R ∼ R , Gleichgewicht zwischen Gravi♁ tation und Gas durch Druck ([relativistisch] entarteter) Elektronen, M < 1.44 M (Chandrasekhar-Grenze; 1931). Neutronenstern: ρ ∼ 1013 ... 1016 g cm−3, R ∼ 10 km, bei dieser Dichte inv. β -Zerfall (p + e− → n), d.h. Stern hat hohen Neutronenanteil. 1.44 M < M . 3 M (Oppenheimer-Volkoff Grenze; 1939). Schwarzes Loch: Für M & 3 M. kein stabiler Zustand bekannt =⇒ Stern fällt vollständig in sich zusammen =⇒ Schwarzes Loch Ereignishorizont bei RS = 3(M/M) km Entdeckung eines kompakten Objekts mit M > 3 M =⇒ Schwarzlochkandidat Stellare Schwarze Löcher 6 Akkretion 9 Astrophysikalische Energiequellen: 1. Kernfusion Typische Reaktionen à la 4p −→ 4He + ∆mc 2 Freiwerdende Energie: Kernfusion erzeugt ∼6 × 1018 erg g−1 = 6 × 1011 J g−1 (∆Enuc ∼ 0.007mpc 2) Stellare Schwarze Löcher 7 Akkretion 9 Astrophysikalische Energiequellen: 1. Kernfusion Typische Reaktionen à la 4p −→ 4He + ∆mc 2 Freiwerdende Energie: Kernfusion erzeugt ∼6 × 1018 erg g−1 = 6 × 1011 J g−1 (∆Enuc ∼ 0.007mpc 2) Stellare Schwarze Löcher 2. Gravitation Akkretion von Masse m von ∞ nach RS auf Schwarzes Loch M liefert GMm 2GM ∆Eacc = wo RS = RS c2 Akkretion erzeugt ∼1020 erg g−1 = 1013 J g−1 (∆Eacc ∼ 0.1 mpc 2) 8 Akkretion 9 Astrophysikalische Energiequellen: 1. Kernfusion Typische Reaktionen à la 4p −→ 4He + ∆mc 2 Freiwerdende Energie: Kernfusion erzeugt ∼6 × 1018 erg g−1 = 6 × 1011 J g−1 (∆Enuc ∼ 0.007mpc 2) 2. Gravitation Akkretion von Masse m von ∞ nach RS auf Schwarzes Loch M liefert GMm 2GM ∆Eacc = wo RS = RS c2 Akkretion erzeugt ∼1020 erg g−1 = 1013 J g−1 (∆Eacc ∼ 0.1 mpc 2) =⇒ Akkretion von Material ist die effizienteste astrophysikalische Energiequelle. . . . daher sind akkretierende Objekte auch die leuchtkräftigsten im ganzen Universum. Stellare Schwarze Löcher 9 Material fließt von normalem Stern über inneren Lagrangepunkt, L1, auf kompaktes Objekt =⇒ Ausbildung einer Akkretionsscheibe, mit Temperatur ∼ 107 K =⇒ Röntgen- und Gammastrahlung. Röntgenastronomie XMM-Newton (ESA): gestartet 1999 Dec 10 Chandra (NASA): gestartet 1999 Jul 23 Röntgenastronomie XMM-Newton (ESA): gestartet 1999 Dec 10 Chandra (NASA): gestartet 1999 Jul 23 Weitere Satelliten: International Gamma-Ray Laboratory (INTEGRAL; ESA), Swift (USA), High Energy Transient Explorer (HETE-2; USA), Fermi (USA), High Energy Solar Spectroscopic Imager Spacecraft (RHESSI; USA), Suzaku (Japan, USA), AGILE (Italien), MAXI (Japan). Akkretion 13 Orosz, 2011, priv. Mitt. Stellare Schwarze Löcher 13 14 RXTE ASM Count Rate Variabilität 5 4 3 2 1 0 80 60 40 20 0 60 40 20 0 50000 2000 2005 2010 LMC X−3 Cyg X−1 GX 339−4 51000 52000 53000 MJD 54000 55000 Galaktische Schwarze Löcher zeigen Variabilität auf allen Zeitskalen! Stellare Schwarze Löcher 14 c J. Wilms Infrarot: Staub in MW wird durchlässig! 2MASS: 3 IR Bänder: J (1.25 µm), H (1.65 µm), Ks (2.17µm) 2MASS: Innere 60◦ × 45◦ Der innere Parsec: Zentraler Sternhaufen Spitzer telescope: NASA/JPL/S. Stolovy Das galaktische Zentrum 20 Zentrum von Sgr A enthält massereichen und dichten Sternhaufen (> 106 M pc−3, vgl. Sonnenumgebung: 0.1 M pc−3) 6 1 Lichtjahr 1994 Genzel/Eckart 1996 Genzel/Eckart 2000 Genzel/Eckart Der innere Parsec: Massenbestimmung Ghez et al. (2005) 26 Schödel et al. (2002) Massenbestimmung: 3. Kepler’sches Gesetz: a = 5.5 Lichttage P = 15.2 Jahre Das galaktische Zentrum =⇒ P2 4π 2 = 3 a G(m∗ + MBH) 12 26 Der innere Parsec: Massenbestimmung Ghez et al. (2005) Schödel et al. (2002) Im Zentrum der Milchstraße befindet sich ein schwarzes Loch mit MBH = (3.7 ± 0.2) × 106 M Wolke wird 2013 Flare erzeugen Das galaktische Zentrum 13 NGC 3783: lineare Intensitätsskala NGC 3783: lineare Intensitätsskala logarithmische Intensitätsskala NGC 3783: lineare Intensitätsskala logarithmische Intensitätsskala Aktive galaktische Kerne (active galactic nuclei; AGN): supermassive Schwarze Löcher (M ∼ 106...8 M), die 1 ... 2 M/Jahr akkretieren =⇒ Leuchtkraft ∼ 1010 L (vergleichbar mit Galaxienleuchtkraft) J. Bergeron, Sky&Telescope TANAMI: NASA-GSFC, U Würzburg, U Erlangen, U Maryland, MPIfR, U Washington, U Perugia, U Valencia. . . -60 -40 -20 α [r g] 0 20 40 60 -10 40 20 β [r g] 0 10 10 10 0 0 0 -20 -40 1.4 -0.3 1.3 1.2 -0.2 E/E e 1.1 1 0.9 0.8 -0.1 0.0 0.1 0.2 Redshift z 0.6 0.5 0.4 -10 0 1.0 Nahe am Schwarzen Loch: extreme relativistische Effekte 10 νFν [10−12 × ergs s−1 cm−2 ] (a) Ratio Rev. 1971-1974 0.1 (b) Single Refl. (b) Single Refl. (c) Double Refl. (c) Double Refl. (d) Double Refl. + Wind (d) Double Refl. + Wind 1 0.5 1.5 Ratio (a) 1 0.01 1.5 1 0.5 1.5 Ratio Rev. 1491-1494 1 0.5 0.5 1 2 Energy [keV] 5 10 0.5 1 2 Energy [keV] 5 10 Dauser et al., 2012 Beobachtungen verbreiterter Emissionslinien sind Evidenz für relativistische Geschwindigkeiten (>100000 km s−1) und starke Raumkrümmung. Frühes Universum: “Baby-Galaxien” Chandra Deep Field South: 1 Msec (10.8 Tage) Beobachtung im Röntgenbereich in einer Region im Sternbild Fornax =⇒ Alle Objekte sind supermassive Schwarze Löcher! Maßstab: 150 × 150 ; courtesy NASA/JHU/AUI/R.Giacconi et al. =⇒ Spectr-RG: • Röntgendurchmusterung • • • • Spectrum-X-Γ des gesamten Himmels (4 Jahre) mit weitem Abstand empfindlichste Suche nach schwarzen Löchern Russischer Satellitenbus Experimente: – eROSITA: MPE, IAA Tübingen, Potsdam, Hamburg, ErlangenNürnberg, Industrie (∼50 Mio Euro) – ART-XC: Roscosmos Start: 2014, Laufzeit >7 Jahre Zusammenfassung 44 • Schwarze Löcher sind einfache Objekte: M , J (und Q ) • Wir kennen verschiedene Arten schwarzer Löcher: – Stellare (galaktische) schwarze Löcher (M ∼ 10 M) – Zentren normaler Galaxien (M ∼ 106 M) – Zentren aktiver Galaxien (M ∼ 106. . . 108 M) • Astrophysikalische Methoden erlauben es, das Verhalten von Materie unter extremsten Bedingungen zu studieren. • Schwarze Löcher kommen im ganzen Universum vor Zusammenfassung 1 Urplötzlich verwandelte sich aufgrund noch nicht voll− ständig verstandener Ursachen das Apartment von Darren Belsky in das Zentrum eines schwarzen Lochs. c FARWORKS, Inc., reprinted without permission for scientific and educational purposes