Zwei supermassenreiche Schwarze Löcher: Finstere Zwillinge Animation einer Verschmelzung: Zwei supermassereiche Schwarze Löcher kurz vor der Kollision – Dauer circa eine Million Jahre. (Foto: NASA/CXC/A. Hobart) In den Zentren einiger fernen Galaxien umkreisen sich zwei supermassereiche Schwarze Löcher. Wenn sie miteinander verschmelzen, wird die Raumzeit erschüttert. Es ist der größte anzunehmende Unfall im Universum: Zwei Schwarze Löcher, jedes mit vielen Millionen Sonnenmassen, kollidieren und verschmelzen miteinander. Die hierbei freigesetzte Energie übersteigt alle Vorstellungen. Und doch können heutige Astronomen nichts davon bemerken, denn keine elektromagnetische Strahlung zeugt davon. Nur Gravitationswellen durcheilen den Raum mit Lichtgeschwindigkeit und krümmen ihn wie Kräuselungen auf der Oberfläche eines Teichs. Im kommenden Jahrzehnt wollen Astronomen erstmals solche Ereignisse mit einem im Weltraum stationierten Detektorsystem namens New Gravitational Wave Observatory (NGO) der Europäischen Raumfahrtagentur ESA nachweisen. Fast jede Galaxie birgt in ihrem Zentrum ein supermassereiches Schwarzes Loch, das zwischen einer Million und zehn Milliarden Mal so viel Materie enthält wie unsere Sonne. Wenn zwei Galaxien zusammenstoßen und sich vereinigen, müssten demnach in der neu entstandenen Riesengalaxie zunächst einmal zwei Schwarze Löcher existieren. Im jungen Universum, als die Galaxien noch enger beisammen waren als heute, kam es häufig zu solchen Kollisionen. Ein Schwarzes Loch selbst ist unsichtbar. Doch oft ist es von einer heißen Gasscheibe umgeben, die intensiv leuchtet und den finsteren Giganten verrät. Der erste Fund eines doppelten Schwarzen Lochs gelang 2002 einem Team um Stefanie Komossa und Günther Hasinger, die damals beide am Max-Planck-Institut für Extraterrestrische Physik in Garching forschten. Mit dem Röntgen-Weltraumteleskop Chandra entdeckten sie in der 400 Millionen Lichtjahre entfernten Galaxie NGC 6240 zwei aktive Zentren im Abstand von etwa 3000 Lichtjahren. Die Chandra-Aufnahme gilt heute als Ikone dieses Forschungsgebiets. Amerikanische Astronomen um Andrew Ptak vom Goddard Space Flight Center der NASA wurden Anfang 2015 mit einem anderen Röntgenspäher namens NuSTAR fündig. Im Zentrum der 134 Millionen Lichtjahre fernen Galaxie Arp 299 stießen sie auf zwei supermassereiche Schwarze Löcher mit einem Abstand von 14 000 Lichtjahren. Doch Beispiele wie Arp 299 und NGC 6240 sind selten. Sie bieten eine Art Schnappschuss vom Frühstadium der Kollision supermassereicher Schwarzer Löcher. Seit Längerem sind Astronomen auf der Suche nach engen Paaren, die weniger als ein paar Lichtjahre Abstand haben und damit kurz vor dem Verschmelzen sind. Wenn zwei Galaxien zusammenstoßen, stürzen die beiden zentralen Schwarzen Löcher wie Billardkugeln durch sie hindurch und schleudern Sterne und Gas umher. Bei diesem kosmischen Spiel verlieren sie an Bewegungsenergie. Sie werden langsamer, umkreisen sich und nähern sich einander auf einer immer enger werdenden Spiralbahn. Wenn sie nur noch wenige Lichtjahre voneinander getrennt sind, haben sie alle Sterne in der Umgebung fortgeschleudert. Dann wird es schwierig für die beiden Riesen, noch kinetische Energie abzugeben. Daher können sie sich Jahrmilliarden lang umkreisen. Erst wenn sie weniger als einige Hundertstel Lichtjahre voneinander entfernt sind, beginnen sie, Gravitationswellen abzustrahlen. Dadurch spiralisieren sie wieder aufeinander zu, bis sie schließlich verschmelzen. Solche Prozesse im Rahmen der Allgemeinen Relativitätstheorie im Computer zu simulieren, ist außerordentlich schwierig. Und es ist nicht klar, ob dabei alle physikalischen Vorgänge ausreichend genau berücksichtigt werden. Theoretische Überlegungen reichen also nicht aus, sondern man braucht astronomische Beobachtungen. Allerdings sind enge Partner Schwarzer Löcher selbst mit den besten Teleskopen nicht getrennt nachweisbar. Ihre Existenz muss deshalb auf indirekte Weise erschlossen werden. Auf Zickzackkurs im All Das ist das Spezialgebiet von Silke Britzen vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn. Sie beobachtet Quasare, also extrem leuchtkräftige Galaxienzentren, die eng gebündelte Gasstrahlen – sogenannte Jets – weit hinaus ins All schießen. Dabei fiel ihr auf, dass Verdichtungen darin – sogenannte Knoten – manchmal nicht der Hauptrichtung der Jets folgen, sondern vielmehr einen Zickzackkurs nehmen. Die Ursache hierfür vermutet sie in der Jet-Entstehung. „Am Fußpunkt des Jets wackelt irgendetwas", sagt Britzen. Dieses Wackeln könnte seine Ursache darin haben, dass sich zwei Schwarze Löcher in geringem Abstand umkreisen, was die Gasscheibe mindestens eines Partners zum Schwingen bringt. Silke Britzen studierte die teilweise mehrere Jahrzehnte umfassenden Beobachtungsdaten von Jets. So große Zeiträume sind nötig, um die Bewegungen der Jet-Knoten in den teils Milliarden von Lichtjahren entfernten Quasaren nachzuweisen. Dabei stieß sie auf zyklische Variationen bei der Bewegung der Knoten. Ihre Vermutung: Hier könnte sich die Umlaufperiode von zwei Schwarzen Löchern widerspiegeln. Silke Britzen arbeitet mit Theoretikern wie Jacques Roland vom Astrophysikalischen Institut in Paris zusammen, der die Beobachtungsdaten mit Computermodellen simuliert. Und der stellte tatsächlich fest, dass die Annahme zweier sich umkreisender Schwarzer Löcher am besten zu den Messwerten passt. Er konnte die Abstände in bislang fünf Fällen bestimmen: Sie betragen nur wenige Lichtjahre. Bei einem der Paare sind es sogar bloß 0,04 Lichtjahre, also zwei Lichtwochen – das ist kosmisch gesehen ein geradezu winziger Abstand für solche Giganten. Doppel-Schwarze-Löcher können sich auch anders bemerkbar machen – nämlich durch regelmäßige Helligkeitsausbrüche der sie umgebenden Gasscheibe. Wegweisend waren hier die Untersuchungen des Quasars OJ 287 von Mauri Valtonen an der finnischen Universität Turku. „Das ist gewissermaßen der Rosetta-Stein in diesem Forschungsgebiet", sagt Silke Britzen. OJ 287 ist trotz seiner immensen Entfernung von 3,5 Milliarden Lichtjahren im Bereich des sichtbaren Lichts zu beobachten. Deshalb fiel er Astronomen schon 1887 auf, galt damals aber noch als variabler Stern. Als Valtonen die verfügbaren Messdaten analysierte, stellte er fest, dass OJ 287 regelmäßig wiederkehrende Helligkeitsausbrüche mit einer Periode von zwölf Jahren aufweist. Nach eingehender Analyse aller Daten fand der Astronom als bestes Modell ein Doppelsystem, bestehend aus zwei supermassereichen Schwarzen Löchern von jeweils 18 Milliarden und „nur" 140 Millionen Sonnenmassen. Der kleinere Körper bewegt sich offenbar auf einer stark elliptischen Bahn um den Hauptkörper. Alle zwölf Jahre kommt er in dessen Nähe und durchstößt dann zweimal die Gasscheibe um das supermassereiche Schwarze Loch. Bei diesen Passagen wird Scheibengas aufgewirbelt, das sich auf mehrere Hunderttausend Grad erhitzt und intensiv leuchtet. Das erklärt die periodischen Helligkeitsausbrüche (siehe Kasten linke Seite: „Der Tanz des schwarzen Paars"). „Kein anderes bekanntes System strahlt so viel Energie in Form von Gravitationswellen ab wie OJ 287", sagt Valtonen. „Sie ist vergleichbar mit der gesamten Emission elektromagnetischer Strahlung des Quasars vom Radio- bis zum Röntgenbereich." In etwa 10 000 Jahren könnten die beiden Schwarzen Löcher sich so weit angenähert haben, dass sie miteinander verschmelzen. Von Gezeitenkräften zerrissen Mithilfe von Gasscheiben und Jets lassen sich nur Doppelsysteme finden, die aktiv sind. Theoretischen Überlegungen zufolge muss es jedoch viele inaktive Schwarze Löcher ohne Jets und leuchtende Scheiben geben. Stefanie Komossa, die mittlerweile am Bonner MaxPlanck-Institut forscht, hat sich vorgenommen, diese verborgenen Himmelskörper aufzuspüren. Bereits vor einigen Jahren sorgte die Astrophysikerin mit einer Entdeckung für Aufsehen: Im Röntgenbereich beobachtete sie im Zentrum einer bis dahin ruhigen Galaxie einen Ausbruch, der langsam wieder abklang. Die Helligkeitsentwicklung verlief genau so, wie sie Theoretiker für das Verschlucken eines Sterns berechnet hatten: Wenn ein Stern einem supermassereichen Schwarzen Loch zu nahe kommt, wird er von den enormen Gezeitenkräften zerrissen. Das Gas erhitzt sich und leuchtet hell auf, bevor es auf Nimmerwiedersehen im Schwarzen Loch verschwindet. Im vergangenen Jahr kam es noch besser: Mit dem europäischen RöntgenWeltraumteleskop XMM-Newton spürten Komossa und ihre Kollegen ein ganz ähnliches Ereignis in der rund zwei Milliarden Lichtjahre entfernten Galaxie SDSS J120136.02+300305.5 auf. Der Röntgenausbruch wurde zunächst – wie erwartet – immer schwächer und ließ sich nach vier Wochen nicht mehr nachweisen. Doch elf Tage später tauchte er von Neuem auf, wurde heller und fiel anschließend auf dieselbe charakteristische Weise wieder ab wie zuvor. Dieser Doppelausbruch war ein Hinweis auf ein zweites Schwarzes Loch, das an der Sternenmahlzeit teilgenommen hatte. Komossas Kollege Fukun Liu hat diesen Vorgang mit Modellrechnungen simuliert. Demnach umkreisen sich in SDSS J120136.02+300305.5 zwei Schwarze Löcher in einem Abstand von bloß 17 Lichtstunden. Das entspricht gerade mal der Ausdehnung unseres Sonnensystems. Und das heißt: Dieses Paar müsste Gravitationswellen abstrahlen und sich auf einer spiralförmigen Bahn immer näher kommen. In zwei Millionen Jahren sollten die beiden Partner zu einem einzigen Schwarzen Loch verschmelzen. Für die künftige Suche nach Gravitationswellen der Kollisionen supermassereicher Schwarzer Löcher sind die neuen Erkenntnisse sehr wichtig. Schließlich wollen die Physiker wissen, wie groß die Chancen sind, überhaupt ein solches Ereignis zu messen – das ein Beben der Raumzeit auslösen würde, wie es Einstein formulierte. Nach einer Studie mit dem Weltraumteleskop Hubble kam Jennifer Lotz vom Space Telescope Science Institute in Baltimore 2011 zu dem Ergebnis, dass große Galaxien wie die Milchstraße in den letzten neun Milliarden Jahren im Durchschnitt einmal mit einer vergleichbar großen Galaxie verschmolzen sind. Zu Kollisionen mit Zwerggalaxien kam es rund drei Mal so oft. Im jungen Universum geschah das wesentlich häufiger. Allerdings lässt sich die Kollisionsrate derzeit nicht durch Beobachtungen ermitteln. Die indirekte Entdeckung enger Paare von Schwarzen Löchern ist stark vom Zufall abhängig, weil sich nicht vorhersehen lässt, wann und wo ein Stern verschluckt wird. Stefanie Komossa tüftelt daher an cleveren Suchstrategien. Sie ist überzeugt, dass es im Gegensatz zu theoretischen Vorhersagen viele enge Doppelsysteme gibt. Und das wäre eine gute Nachricht für die Gravitations- wellen-Astronomie der Zukunft.