im Zyklus: “Experimental Gravitation”

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im Zyklus: “Experimental Gravitation”
Burkhard Zink
Theoretische Astrophysik
Universität Tübingen
Verschmelzung
von
Neutronensternen
Verschmelzung Schwarzer Löcher
Neutronenstern-Oszillationen
Gamma-ray bursts
Gravitationswellen sind Schwingungen
der Raumzeit selbst.
Ähnlich einem schwingenden elektrischen Dipol (der elektromagnetische
Wellen aussendet), regt schwingende
Materie, z.B. sich umkreisende Sterne,
Wellen im relativistischen Gravitationsfeld an.
Diese Wellen sind umso stärker, je “relativistischer” die Objekte
sind (hohe Geschwindigkeit, hohe Dichte).
Mehr Details zu Gravitationswellen und ihrer Messung gibt es
von Prof. Kokkotas in der letzten Vorlesung dieses Zyklus.
Schwarze Löcher sind die kompaktesten Objekte, die wir kennen.
Wenn zwei Schwarze Löcher verschmelzen, ist das eine starke
Quelle von Gravitationswellen.
Diese Wellen können im Prinzip mit entsprechenden Detektoren
(Michelson-Interferometer) auf der Erde gemessen werden. Da die
Quellen aber weit entfernt sind, ist das Signal hier sehr schwach!
Obwohl bereits Detektoren im Betrieb sind (LIGO in den USA,
GEO-600 in Deutschland, ...) sind noch keine Gravitationswellen
direkt nachgewiesen worden.
Neutronensterne sind ein Endstadium des
Lebens von massiven Sternen (über 8
Sonnenmassen).
Sie sind (wie Schwarze Löcher) ultrakompakt: In ihnen sind mehr als eine Sonnenmasse auf nur ca. 25 km Durchmesser
gepresst.
Materie unter solchen Dichten nimmt exotische Zustände an, die
wir unter Laborbedingungen nicht nachahmen können.
Daher sind Neutronensterne ein “Laboratorium” nicht nur für extreme
Raumzeitbedingungen, sondern auch für die Kernphysik.
Wie können wir den Kern von Neutronensternen beobachten?
Dazu kann man Seismologie benutzen,
d.h. man schliesst auf die innere Struktur
durch Beobachtung von Eigenmoden.
Diese Technik ist erfolgreich bei der Erde,
der Sonne und anderen Sternen verwendet worden. Aber wie
kann man die Eigenmoden bei Neutronensternen sehen?
Eine Option sind sog. giant flares, bei denen der Stern zu Schwingungen angeregt wird.
Eine andere: Gravitationswellen!
Ähnlich wie Schwarze Löcher können
auch Neutronensterne verschmelzen.
Da sie sehr kompakt sind, erzeugt
dieser Prozess ein starkes Gravitationswellensignal.
Auch hier besteht die Hoffnung, dass
wir mit Hilfe einer solchen Messung Aussagen über die innere
Struktur von Neutronensternen machen können.
Die Verschmelzung kann auch massive Mengen von Bindungsenergie freisetzen, die z.B. für die Erzeugung eines sog.
“Gamma-ray bursts” verwendet werden kann.
Gamma-ray bursts (GRB) sind
mysteriöse, äusserst energiereiche
Explosionen im Universum.
Ihre Quelle ist nicht geklärt, aber die
favorisierten Modelle enthalten alle
ultrakompakte Objekte, d.h.
Schwarze Löcher oder Neutronensterne.
Die Energie für die Explosion könnte aus der enormen Rotationsenergie dieser Objekte bezogen werden, oder aus der Bindungsenergie einer Akkretionsscheibe.
In jedem Fall ist die sog. “engine” der Bursts unsichtbar, und kann
wohl nur direkt mit Gravitationswellen untersucht werden.
Als “core collapse” bezeichnet man
die Implosion des Kerns eines sterbenden Sterns.
Dies ist der Geburtsprozess von
Neutronensternen. Zugleich wird
der Rest des Sterns in einer
massiven Explosion abgeworfen:
dies ist als Supernova zu beobachten.
Der neugeborene Neutronenstern
schwingt, und die hohe Neutrinoluminosität erzeugt starke Konvektion
in den äusseren Schichten des “Proto-Neutronensterns”. Diese
Prozesse könnten auch als Gravitationswellen beobachtet werden.
Alle beschriebenen Prozesse sind zunächst grobe Ideen, die
aufgrund der Population, Beobachtung, allgemeiner Einbeziehung von physikalischen Prozessen und des Energiebudgets
plausibel erscheinen.
Aber wir benötigen auch eine detaillierte
Modellierung dieser Objekte, um Beobachtungen interpretieren zu können. Das ist Aufgabe
der Theoretischen Astrophysik.
Die Modelle sind komplex: Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie, Fluiddynamik, Plasmaphysik, Kernphysik, Strahlungsphysik...
Wenn man nicht zu stark vereinfachenden Annahmen greifen will,
benutzt man heutzutage zur Modellierung Supercomputer.
Die Verwendung von Computersimulation zur astrophysikalischen
Modellierung bildet das Feld der Computational Astrophysics.
Im Allgemeinen umfasst dieses
Feld die ganze Astrophysik, d.h.
zumeist Objekte, die sich ohne
Weiteres mit Newtonscher Gravitation beschreiben lassen.
Wir richten unser Augenmerk
hier aber auf extrem relativistische Objekte.
Einsteins Feldgleichungen beschreiben
die Wechselwirkung zwischen dem
Gravitationsfeld (der Raumzeit) und
der Materie.
Diese Gleichungen sind sehr komplex
und enthalten Tausende von Termen.
Sie lassen sich per Hand nur in
einfachsten Fällen lösen.
Um komplexe Phänomene zu untersuchen, brauchen wir
wiederum Simulationen auf Computern. Das ist das Feld der
“Numerical Relativity”.
Prinzipiell kann man die Einsteinschen Feldgleichungen in eine Evolutionsform bringen, bei
denen sie ein Anfangswertproblem beschreiben.
Das Problem ist damit ähnlich der Beschreibung
(beispielsweise) einer Meeresströmung von
bestimmten gemessenen Anfangsdaten.
Obwohl Schwarze Löcher exotische Eigenschaften haben, sind sie vergleichsweise einfache
Lösungen der Einsteinschen Feldgleichungen.
Trotzdem hat ihre numerische Simulation lange massive Probleme
aufgeworfen. Diese Probleme sind nun gelöst.
Zeitliche Ableitung
Räumliche Ableitung
Diskretisierung:
Abbildung auf
Gitter
Lösung der Zeitentwicklung
“Zeitliche” Ableitung “Räumliche” Ableitung
(“BSSN”-Form der Einsteinschen
Feldgleichungen)
Diskretisierung
Anfangsdaten: Für viele interessante Modelle sind keine
analytischen Lösungen vorhanden, und Beobachtungen liegen
nicht vor. Die Daten müssen ebenfalls numerisch erzeugt werden.
Rechenzeit: Die Gleichungen enthalten Tausende Terme, und
es müssen pro Gitterpunkt ebenso viele Rechenoperationen durchgeführt werden.
Stabilität: Die Gleichungen sind hochgradig
nichtlinear, und damit kann die diskrete
Lösung instabil sein. Fortgeschrittene
numerische Analyse ist erforderlich.
Komplexität: Die resultierenden Codes
sind komplexe Softwaresysteme.
Schwarze Löcher erfordern “nur”
die Lösung der Feldgleichungen im
Vakuum.
Viele Quellen aber erfordern auch die
Modellierung von Materie unter
relativistischen Bedingungen. Eine
zugehörige Beschreibung ist die
Relativistische Hydrodynamik.
Dies ist eine Erweiterung der klassischen Computational Fluid
Dynamics (CFD) auf relativistische Materie, z.B. in Neutronensternen, oder Akkretionsscheiben nahe Schwarzen Löchern.
Die Gleichungen sind erheblich komplexer als die klassischen
Euler- oder Navier-Stokes-Gleichungen.
Die Lösung von Einsteins Feldgleichungen, plus Relativistischer
Hydrodynamik, plus ggf. weiterer
physikalischer Effekte, erfordert
hochkomplexe Software und Algorithmen.
CoCoNuT-Code
CACTUS
Als Forschungsfeld ist es eine Kombination
aus Theoretischer Physik und Ingenieurswissenschaften. Die
Technologie (Algorithmen, Software Engineering, HardwareArchitekturen) spielt eine grosse Rolle in der Praxis.
Es haben sich in der Community eine Reihe von erfolgreichen
Software-Infrastrukturen etabliert, z.B. CACTUS und der CoCoNuTCode. Diese erlauben kollaborative Entwicklung von immer weiter
verfeinerten Modellen.
Zwei Schwarze Löcher
werden als sog.
moving punctures
(Punktsingularitäten)
auf einem Gitter
modelliert.
Durch Emission von
Gravitationswellen
wird ihr Orbit kompakter, und sie
verschmelzen schliesslich.
(Albert-Einstein-Institut, Golm)
Eine weitere Simulation
mit zwei Schwarzen Löchern.
Hier: mit einer Nahbetrachtung des
Verschmelzungsprozesses.
Gravitationswellensignal aus
der Simulation
Simulation eines sog.
inertial modes in einem
Neutronenstern.
Die Pfeile deuten die
Geschwindigkeit des
dichten Materials
während der Schwingung an.
Die Simulation findet
im rotierenden Bezugssystem des Sterns
statt.
(Theoretische Astrophysik,
Universität Tübingen)
Spektren von Simulationen
von NeutronensternOszillationen.
Die Neutronensterne bilden
eine Sequenz von nichtrotierenden zu schnell
rotierenden Modellen.
(Theoretische Astrophysik,
Universität Tübingen)
Das Schwingungsspektrum
zeigt eine Aufspaltung.
Vor allem der linke Ast
ist für die zukünftige
Beoachtung wichtig.
Dieses Beispiel zeigt
den Orbit und die
Verschmelzung
von zwei Neutronensternen.
Bei der Kollision entsteht ein kurzlebiger,
sehr massiver Neutronenstern, der kurz
darauf zu einem
Schwarzen Loch
kollabiert.
(Albert-Einstein-Institut, Golm)
Vortizität
Dichte (Äquatorialebene)
Ein Modell für Gamma-Ray
Bursts ist der Collapsar:
Der Kern eines sterbenden
Sterns verwandelt sich
durch Gravitationskollaps
in ein Schwarzes Loch.
Das verbleibende stellare
Material bildet eine massive
Akkretionsscheibe um das
Schwarze Loch.
Die Akkretion transportiert Bindungsenergie in einen outflow, der
vermutlich magnetisch kollimiert durch die Sternoberfläche bricht.
(Max-Planck-Institut für Astrophysik, Garching)
Die numerical relativity befasst sich
mit Computersimulationen von
extrem kompakten astrophysikalischen
Objekten, vor allem Schwarzen Löchern
und Neutronensternen.
Zu diesem Zweck müssen die Einsteinschen
Feldgleichungen (und andere, wie z.B.
Hydrodynamik) diskretisiert werden.
Diese Simulationen erlauben die Modellierung dieser Objekte, und die Vorhersage von Gravitationswellen.
Damit unterstützt die numerical relativity
astrophysikalische Modellbildung und
zukünftige Beobachtungen.
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