Kosmische Klänge von Neutronensternen Cosmic vibrations from

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Jahrbuch 2012/2013 | Bausw ein, Andreas | Kosmische Klänge von Neutronensternen
Kosmische Klänge von Neutronensternen
Cosmic vibrations from neutron stars
Bausw ein, Andreas
Max-Planck-Institut für Astrophysik, Garching
Korrespondierender Autor
E-Mail: abausw [email protected]
Zusammenfassung
Bei der Kollision von Neutronensternen, den extrem kompakten Überresten ausgebrannter und kollabierter
Sterne, entsteht aus zw ei leichten Sternen ein schw erer. Das neu geborene Schw ergew icht vibriert heftig und
sendet dabei charakteristische Raumzeit-Schw ingungen aus. Modellrechnungen am Max-Planck-Institut für
Astrophysik zeigen nun, w ie solche Signale genutzt w erden können, um die Größe von Neutronensternen zu
bestimmen und damit mehr über das exotische Innenleben dieser Objekte zu erfahren.
Summary
In the collision of neutron stars, the extremely compact remnants of evolved and collapsed stars, tw o light
stars merge to one massive star. The new ly-born heavyw eight vibrates, sending out characteristic w aves in
space-time. Model calculations at the Max Planck Institute for Astrophysics now show how such signals can be
used to determine the size of neutron stars and how w e can learn more about the interior of these exotic
objects.
Jeder kann aus Kilometern Entfernung am Klang von Kirchenglocken erkennen, ob es sich um das Geläut einer
mächtigen Kathedrale oder das einer kleinen Kapelle handelt. Auch ohne die Glocke zu sehen, w eiß man, ein
kleines Glöckchen hat einen hellen Klang w ährend ein tonnenschw erer Stahlguß tiefe Töne erzeugt. Und selbst
w enn die Glocken gleich schw er sind, entscheiden Form und Material noch über die Tonhöhe.
© 2013 Max-Planck-Gesellschaft
w w w .mpg.de
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A bb. 1: Lufta nsicht de s LIGO Gra vita tionswe lle nde te k tors in
Livingston, USA. Die zwe i Me ss-Arm e , in de ne n sta rk e La se r
a rbe ite n, e rste ck e n sich übe r e ine Lä nge von 4 k m . C re dit:
LIGO La bora tory
© Ma x -P la nck -Institut für Astrophysik
Einen ähnlichen Zusammenhang zw ischen Größe und Tonhöhe haben nun W issenschaftler vom Max-PlanckInstitut für Astrophysik (MPA) für w eit entfernte Neutronensterne gefunden [1,2]. Und w ie bei Kirchenglocken
w ollen die Forscher die Tonhöhe nutzen, um die Radien und die Zusammensetzung von Neutronensternen zu
ermitteln. W ie eine angeschlagene Glocke Schallw ellen in der Luft anregt, so erzeugen Vibrationen von
Neutronensternen Schw ingungen in der Raumzeit, die sich mit Lichtgeschw indigkeit vom Ursprungsort
ausbreiten.
Diese
Gravitationsw ellen
w urden
schon
von
Einstein
im
Rahmen
seiner
Allgemeinen
Relativitätstheorie vorausgesagt, und W issenschaftler hoffen in den kommenden Jahren mithilfe aufw endiger
Experimente die w inzigen Erschütterungen der Raumzeit „hören“ zu können (Abb. 1).
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A bb. 2: Ve rschie de ne Ze itpunk te be i de r Kollision zwe ie r sich
um k re ise nde r Ne utrone nste rne . Die im C om pute r sim ulie rte
Entwick lung da ue rt nur rund 0,03 Se k unde n. Die be ide n
Ste rne la ufe n ge ge n de n Uhrze ige rsinn a uf Kre isba hne n
um e ina nde r (obe n link s) und nä he rn sich da be i im m e r we ite r
a n (obe n re chts). Schlie ßlich stoße n sie zusa m m e n (Mitte
link s), ve rschm e lze n m ite ina nde r (Mitte re chts) und bilde n
e ine n dichte n, supe rschwe re n Ne utrone nste rn (unte n). Sta rk e
Schwingunge n de s ne u e ntsta nde ne n Ne utrone nste rns sind a ls
De form a tione n e inm a l in O st-W e st-R ichtung und e inm a l in
Nord-Süd-R ichtung e rk e nnba r (unte n link s und re chts).
(Sim ula tion: Andre a s Ba uswe in a nd H.-Thom a s Ja nk a /MP A)
© Ma x -P la nck -Institut für Astrophysik
Doch w ie soll man Neutronensterne in Schw ingungen versetzen? Dazu brauchen Forscher vor allem Geduld.
Denn viele Neutronensterne kreisen in Doppelsternsystemen umeinander, w obei sie sich im Laufe von einigen
100 Millionen Jahren immer w eiter annähern. Schließlich kollidieren die nur w enige zehn Kilometer großen
Sterne und formen einen einzelnen, deutlich schw ereren Stern (Abb. 2). Durch die Kollision w erden starke
Schw ingungen in dem neu entstandenen Neutronenstern angeregt, die messbare Gravitationsw ellen
aussenden. Da es Vorhersagen zufolge eine große Zahl solcher Doppelsternsysteme in den Galaxien der
kosmischen Nachbarschaft unserer Milchstraße geben sollte, stehen die Chancen nicht schlecht in naher
Zukunft Zeuge einer solchen Sternverschmelzung zu w erden.
Die neueste Generation von Gravitationsw ellen-Detektoren w ird Tausende Galaxien gleichzeitig überw achen
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können. Ereignet sich w ie vermutet alle 10.000 bis 100.000 Jahre eine Kollision in jeder Galaxie, w ird sie den
superempfindlichen Antennen nicht entgehen. Die W issenschaftler vom MPA untersuchten nun mithilfe von
Computersimulationen, w ie
die
„Tonhöhe“
der ausgesandten Gravitationsw ellen von der Größe
der
Neutronensterne abhängt. Der Sterndurchmesser steht dabei in engem Zusammenhang mit dem inneren
Aufbau und den Eigenschaften von Neutronensternmaterie. Da letztere nicht gut bekannt sind, benutzten die
Forscher für ihre Rechnungen viele verschiedene Vorschläge für die Materieeigenschaften und bestimmten den
entsprechenden Klang der Kollisionen. Dabei variierte die Tonhöhe zw ischen dem dreigestrichenen b und dem
viergestrichen b. W ie erw artet erzeugen kleine Sterne hohe Töne, w ährend ausgedehntere Objekte einen
tieferen Klang hervorbringen (Abb. 3).
A bb. 3: Zusa m m e nha ng zwische n de r Tonhöhe (Fre que nz)
von Gra vita tionswe lle n und de m R a dius von
Ne utrone nste rne n. Die Tonhöhe e rstre ck t sich übe r unge fä hr
e ine O k ta ve . Misst m a n die Tonhöhe m it e ine m
Gra vita tionswe lle n-De te k tor (Abb. 2), so k a nn m a n de n
R a dius von Ne utrone nste rne n be stim m e n.
© Ma x -P la nck -Institut für Astrophysik
Die Rechnungen der W issenschaftler eröffnen nun die fantastische Möglichkeit, die Größe eines Objekts, das
sich viele Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt befindet, auf w enige 100 Meter genau zu bestimmen.
W ichtig dabei ist ein genaueres Verständnis der Schw ingungszutände, die bei der Neutronensternkollission
angeregt w erden [3]. Die
neuen Ergebnisse
sind
besonders
deshalb
spannend, w eil es
sich bei
Neutronensternen um äußerst extreme Objekte handelt. Bei Durchmessern von 20 bis 30 Kilometern ist dabei
die eineinhalb bis zw eifache Masse der Sonne auf Dichten jenseits von der in Atomkernen zusammengepresst.
Entsprechende Bedingungen können in keinem irdischen Labor erzeugt und untersucht w erden. Und doch ist
Materie bei solchen Dichten für viele Forscher von besonderem Interesse. In derart extremen Umgebungen
treten
fundamentale
Prozesse
der
Kern-
und
Teilchenphysik
in
Erscheinung,
w ie
zum
Beispiel
W echselw irkungen zw ischen Elementarteilchen, und bestimmen die Eigenschaften der Neutronensternmaterie.
Auf diese W eise erlaubt die Beobachtung der Signale w eit entfernter astronomischer Objekte
Literaturhinweise
© 2013 Max-Planck-Gesellschaft
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[1] Bauswein, A.; Janka, H.-T.
Measuring neutron-star properties via gravitational waves from neutron-star mergers
Physical Review Letters 108, 011101 (2012)
[2] Stergioulas, N.; Bauswein, A.; Zagkouris, K.; Janka, H.-T.
Gravitational waves and non-axisymmetric oscillation modes in mergers of compact object binaries
Monthly Notices of the Royal Astronomical Society 418, 427-436 (2011)
[3] Bauswein, A.; Janka, H.-T.; Hebeler, K.; Schwenk, A.
Equation-of-state dependence of the gravitational-wave signal from the ring-down phase of neutron-star
mergers
Physical Review D 86, 063001 (2012)
© 2013 Max-Planck-Gesellschaft
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