Bauchfett - Diabetesrisiko

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Medizin
Foto: L. Smokovski/Fotolia.com
Ein dicker Bauch
riskiert Diabetes
Thomas Skurk
Rund jeder Zweite mit starkem Übergewicht erkrankt
früher oder später an Typ 2
Diabetes. Für die Entstehung
der Zuckerkrankheit werden
immer häufiger entzündliche
Mechanismen diskutiert.
Denn das Fettgewebe setzt
eine Reihe von Botenstoffen
frei, die Entzündung fördern.
S
eit Anfang 2008 liegen die
ersten Zahlen der Nationalen Verzehrsstudie auf dem Tisch.
Die neusten Daten für deutsche
Erwachsene belegen, dass etwa
66 Prozent der Männer und 51
Prozent der Frauen ein zu hohes
Gewicht mit sich herumtragen.
Etwa jeder Fünfte gilt derzeit bereits als adipös, Tendenz steigend.
Übergewicht geht mit einer Reihe
gesundheitlich negativer Konsequenzen einher. Auffallend ist vor
allem der enge Zusammenhang
zwischen dem Körpergewicht und
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malem BMI bereits ein erhöhtes
Risiko vorliegen kann. Da Männer
deutlich häufiger als Frauen ein
abdominales Fettverteilungsmuster aufweisen, sind sie bei gleichem BMI auch stärker gefährdet
als Frauen und bedürfen deutlich
früher und intensivere Behandlungen.
Männer
> 94 cm
> 102 cm
Frauen
> 80 cm (mäßig erhöhtes Risiko > 2-fach)
> 88 cm (deutlich erhöhtes Risiko > 3- bis 4-fach)
der Entstehung eines Typ 2 Diabetes. Im Vergleich zu schlanken
Kontrollpersonen haben Männer
und Frauen mit einem BMI ≥ 30
kg/m2 ein 40- bis 80-fach erhöhtes Diabetesrisiko. Etwa sieben
Prozent der deutschen Bevölkerung haben einen Diabetes Typ 2,
was damit die häufigste chronische Stoffwechselerkrankung im
Erwachsenenalter ist. Die Häufigkeit nimmt vor allem nach dem
vierzigsten Lebensjahr deutlich
zu. Zudem muss man davon ausgehen, dass die Rate unentdeckter
Diabetesfälle etwa noch einmal
genauso hoch ist.
Auf die Verteilung des
Fettes kommt es an
Eine besondere Bedeutung für
Störungen im Glucosestoffwechsel kommt dabei dem Muster
der Fettverteilung zu. Vor allem
bei mäßigem Übergewicht (BMI
zwischen 25 und 29,9 kg/m2) bestimmt die Fettverteilung maßgeblich das Risiko für Komplikationen. Dieses korreliert relativ
gut mit der Größe der im und um
den Bauch gelegenen Fettdepots.
Dabei spricht man von dem so
genannten männlichen oder auch
androiden Fettverteilungstyp,
der im Gegensatz zum gynoiden Birnentyp der Frau auch als
Apfeltyp bekannt ist. Klinische
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Studien zeigen, dass ein erhöhter Bauchumfang eng mit den
metabolischen (Blutzucker) und
kardiovaskulären Komplikationen
(Herzinfarkt und Schlaganfall)
des Übergewichts verknüpft ist.
Grund sind die besonderen metabolischen Eigenschaften der Fettzellen
in diesem Bereich.
So besitzen sie zum
Beispiel eine höhere
Kapazität, Fettsäuren
freizusetzen.
Dabei zeigt eine häufig zitierte Studie, dass
die Herzinfarktrate bei
einer Kombination aus
Übergewicht und Diabetes besonders hoch
ist. Die Bauchfettmasse lässt sich mit Hilfe
des Taillenumfangs
einfach erfassen und
einem Risiko zuordnen (siehe Kasten
oben). Bemerkenswert
ist, dass der Taillenumfang unabhängig
vom BMI als eigenständiger Risikofaktor
für Herz-KreislaufKomplikationen und
Stoffwechselstörungen
anzusehen ist. Das bedeutet aber auch, dass
selbst bei (noch) nor-
Diabetes – eine entzündliche Erkrankung?
Das zentrale Merkmal von Störungen des Glucosestoffwechsels
ist eine Insulinresistenz. Diese
Resistenz bedeutet, dass Insulin
unter anderem nicht mehr in der
Lage ist, der Blutglucose den
Übertritt in die Zellen zu ermöglichen. Dabei ist wiederum die
Körperfettmasse ein starker Einflussfaktor (Prädiktor) für die Insulinresistenz. Der genaue Zusammenhang zwischen Übergewicht
und Diabetes ist zwar bis heute
Das Risiko für Typ 2 Diabetes, bei dem
oftmals Insulin gespritzt werden
muss, steigt mit dem Ausmaß der
Fettmasse am Bauch.
Foto: AOK-Mediendienst
Risiko für metabolische Komplikationen anhand des Taillenumfangs
Fettstoffwechsel
- LPL, ApoE
Energiestoffwechsel
- Fettsäuren, Glycerin
Entzündung
- Zytokine, Chemokine
Blutdruck
- Angiotensinogen, Endothelin
Sättigung
- Leptin, Interleukin-6
Gerinnung
- PAI-1, tPA, tf, PG
Hormone
- Östrogen
Die Fettzelle ist eine überaus stoffwechselaktive Zelle, die längst
nicht nur Fett speichern kann. Die Abbildung zeigt, welche Substanzen die Fettzelle bildet und damit den Stoffwechsel beeinflusst.
unklar. Jedoch belegen neuere
Untersuchungen, dass eine Aktivierung des Immunsystems eine
zentrale Rolle zu spielen scheint.
Eine Reihe von Studien zeigt
einen deutlichen Zusammenhang
zwischen Entzündungsmarkern im
Blut und Glucosetoleranzstörungen. So sind Signalmoleküle des
Immunsystems wie die Zytokine
Interleukin 6 (IL-6) oder der Tumor Nekrosefaktor alpha (TNFα) im Blut von Übergewichtigen
messbar erhöht. Diese Veränderungen sind dabei charakteristisch
für den Typ 2 Diabetiker; das
heißt, beim Typ 1 Diabetes treten
sie nicht auf.
Weitere Entzündungsindikatoren
können die Entstehung eines Typ
2 Diabetes mellitus relativ sicher
vorhersagen. Dazu zählen erhöhte
Spiegel weiterer Zytokine, aber
auch eine vermehrte Leukozytenzahl, eine erhöhte Fibrinogenkonzentration oder ein erniedrigtes
Serumalbumin. Je mehr dieser
Entzündungsindikatoren über dem
Durchschnitt liegen, desto höher
ist die Wahrscheinlichkeit, dass
sich ein Typ 2 Diabetes entwickelt. Das lässt sich aus einer
großen epidemiologische Un-
tersuchung im Raum Augsburg
ableiten. Das Tückische bei allen
diesen Veränderungen der Blutparameter ist, dass sie nicht mit
den üblichen bekannten Entzündungszeichen einer Schwellung,
Rötung, Überwärmung oder
Schmerzen vergleichbar sind
und deswegen unter Umständen
lange Jahre nicht wahrgenommen
werden. Vielmehr spricht man bei
diesem dahinschwelenden Prozess
von einer so genannten niedriggradigen oder auch subklinischen
Entzündung. Die erhöhten Entzündungsparameter sollten dem
Arzt zum Beispiel im Rahmen der
regelmäßigen Gesundheitskontrolle auffallen. Daher sollten Übergewichtige regelmäßig zu dem
von den Krankenkassen bezahlten
Gesundheits-Check-up gehen.
Fettgewebe produziert
Botenstoffe
Das Fettgewebe ist ein spezialisiertes Bindegewebe, das überwiegend aus Fettzellen (Adipozyten), aber auch aus Fibroblasten,
Gefäßmuskel- und Endothelzellen
sowie vereinzelten Immunzellen
besteht. Ein normalgewichtiger
Mann hat etwa 12-20 Prozent
Fettgewebe, eine Frau 20-30 Prozent. Erst durch die Entwicklung
des Fettgewebes und durch die
Speicherung von Energie in Fettzellen, den Adipozyten, wurde es
möglich, auch längere Hungerzeiten zu überstehen. Neben dieser
Aufgabe maß man dem Fettgewebe lange Zeit nur ästhetischen
Wert bei. Durch die Entdeckung
des Sättigungshormons Leptin
im Jahre 1994 wurde jedoch klar,
dass die Fettzellen durch die Produktion von Proteinen unter anderem zur Regulation der Nahrungsaufnahme beitragen können.
Mittlerweile sind eine Reihe von
weiteren Faktoren identifiziert, die
im Fettgewebe produziert werden.
Darunter befindet sich eine Vielzahl von immunmodulatorischen
Signalmolekülen wie Zytokinen
und Chemokinen, die auf die
Aktivierung von Immunzellen
einen entscheidenden Einfluss
ausüben (siehe Abbildung oben).
Sie sind zum Beispiel auch dafür
verantwortlich, Immunzellen wie
Makrophagen oder T-Zellen zum
Ort eines entzündlichen Geschehens zu locken, diese dort zu aktivieren, oder aber durch Bremsen
einer Immunreaktion die Entzündung zu steuern.
Immunzellen
im Fettgewebe
Wie zuvor erwähnt, befinden sich
bereits im Fettgewebe Normalgewichtiger vereinzelt Immunzellen.
Mittlerweile weiß man aber auch,
dass ein starker Zusammenhang
zwischen der Körperfettmasse
und der Anzahl dieser Immunzellen im Fettgewebe besteht.
Diese eingewanderten Zellen
können sich in unterschiedlichen
Aktivierungszuständen befinden.
Während einige in einer ruhenden
Form vorliegen, können andere
auf bislang unbekannte Reize hin
große Mengen weiterer Entzündungsfaktoren produzieren und
einen Entzündungszustand initiieren oder aufrechterhalten. Auf
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Fettzelle =
Entzündungszelle?
Wie beschrieben, besteht das
Fettgewebe aus unterschiedlichen Zellpopulationen. Fettzellen
können als eine primitive
Immunzelle aufgefasst
werden, da sie eine Reihe
ähnlicher Eigenschaften besitzen. So können
Fettzellen unter KulturbeNach dem Studium der
dingungen zum Beispiel
Humanmedizin war Dr. med.
Bakterien aufnehmen, wie
Thomas Skurk, Jg. 1970,
es auch Fresszellen des
zunächst als Assistenzarzt am
Immunsystems tun. Einen
Deutschen Diabetes-Zentrum
entscheidenden Einfluss
in Düsseldorf beschäftigt. Im
auf ihre Fähigkeit, imMai 2003 wechselte er als
munmodulatorische Faktoren zu produzieren und
wissenschaftlicher Mitarbeiter
in die Zirkulation abzugeund Studienarzt an das Else
ben, hat dabei die Größe
Kröner-Fesenius-Zentrum für
einer Fettzelle. So besitErnährungsmedizin an der
zen vergrößerte Fettzellen
TU München in Weihensteeine höhere Kapazität,
phan. Seine wissenschaftentzündungsfördernde
lichen Schwerpunkte liegen
Faktoren zu bilden, wähim Bereich der Biologie des
rend sie vergleichsweise
menschlichen Fettgewebes
weniger entzündungshemund der metabolischen Kommende Faktoren herstelplikationen der Adipositas.
len. Fettzellen scheinen
also durch die Freisetzung
von entzündungsfördernden Substanzen eine Entzündungsreaktion
in Gang zu setzen, indem sie über
das Blut und/oder die Lymphe
Immunzellen aktivieren. Aus welchem Grund sie es tun, ist bislang
noch ungeklärt.
Eine attraktive Hypothese ist, dass
vergrößerte Fettzellen gestresster
sind als kleine. Damit sich das
Fettgewebe regenerieren kann,
braucht es kleinere, insulin-sensitive Zellen. Um diesen Vorgang
einzuleiten, sterben die großen
Zellen ab, das heißt sie gehen in
Nekrose. Dabei setzen sie Sekretionsprodukte frei und zeigen
so ihren eigenen Untergang an.
Durch diese Produktion entzünd-
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licher Signalmoleküle werden
Immunzellen in das Fettgewebe
gelockt, um die untergegangenen
Zellen abzuräumen. Möglicherweise führen aber die Lock- und
Botenstoffe als Nebeneffekt nun
auch direkt oder indirekt zu einer
Insulinresistenz.
Ernährungstherapie
gegen die Entzündung
In verschiedenen Studien werden
positive Effekte einzelner Nahrungsinhaltsstoffe, beispielsweise Ballaststoffe und Omega-3Fettsäuren, auf unterschiedliche
Entzündungsparameter gezeigt.
Jedoch ist langfristig nur eine
Gewichtsreduktion in der Lage,
gramm in der Lage, die Größe
der Fettzellen zu reduzieren.
Möglicherweise erklärt das den
Effekt, dass eine Gewichtsreduktion das Fortschreiten des Diabetes
verzögert. Immerhin konnte die
Fettzellgröße als ein unabhängiger
Risikofaktor für die Entwicklung
eines Typ 2 Diabetes identifiziert
werden. Eine Gewichtsreduktion
in Kombination mit moderater
Steigerung der Alltagsaktivität ist
darüber hinaus in der Lage, eine
diabetische Stoffwechsellage zu
normalisieren.
Um die Entstehung der Zuckerkrankheit zu vermeiden und
anderen gesundheitlichen Komplikationen vorzubeugen, sollFoto: Stihl024/Pixelio.de
welchem Wege die Immunzellen
in das Fettgewebe gelockt werden,
ist derzeit Gegenstand intensiver
Forschung.
Wenn die Waage zu viel Körpergewicht anzeigt, sollte man aktiv
werden. Denn Übergewicht erhöht das Risiko für Typ 2 Diabetes.
die entzündlichen Komplikationen
und damit die Folgeerkrankungen
der Adipositas zu vermindern.
Zahlreiche Studien belegen, dass
bereits eine moderate Senkung
des Körpergewichts um fünf bis
zehn Prozent zu einer deutlichen
Verbesserung von Stoffwechselstörungen führt. Dabei scheint
ausnahmsweise der Grundsatz zu
gelten, je mehr, desto besser. Eine
Kost, die leicht unter dem Energiebedarf liegt, ist zudem in Kombination mit einem Trainingspro-
te Übergewicht also tunlichst
vermieden werden. Insbesondere Männer sollten darauf achten, dass sich aus einem kleinen
Bauchansatz nicht ein riskantes,
stoffwechselaktives Polster entwickelt.
Anschrift des Verfassers:
Dr. med. Thomas Skurk
Else Kröner-Fresenius-Zentrum für
Ernährungsmedizin, Am Forum 5,
D-85350 Freising-Weihenstephan
www.ernaehrungsmedizin.de
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