Ein dicker Bauch riskiert Diabetes Seit Anfang 2008 liegen die ersten Zahlen der Nationalen Verzehrsstudie auf dem Tisch. Die neusten Daten für deutsche Erwachsene belegen, dass etwa 66 Prozent der Männer und 51 Prozent der Frauen ein zu hohes Gewicht mit sich herumtragen. Etwa jeder Fünfte gilt derzeit bereits als adipös, Tendenz steigend. Übergewicht geht mit einer Reihe gesundheitlich negativer Konsequenzen einher. Auffallend ist vor allem der enge Zusammenhang zwischen dem Körpergewicht und der Entstehung eines Typ 2 Diabetes. Im Vergleich zu schlanken Kontrollpersonen haben Männer und Frauen mit einem BMI 30 kg/m2 ein 40- bis 80-fach erhöhtes Diabetesrisiko. Etwa sieben Prozent der deutschen Bevölkerung haben einen Diabetes Typ 2, was damit die häufigste chronische Stoffwechselerkrankung im Erwachsenenalter ist. Die Häufigkeit nimmt vor allem nach dem vierzigsten Lebensjahr deutlich zu. Zudem muss man davon ausgehen, dass die Rate unentdeckter Diabetesfälle etwa noch einmal genauso hoch ist. Auf die Verteilung des Fettes kommt es an Eine besondere Bedeutung für Störungen im Glucosestoffwechsel kommt dabei dem Muster der Fettverteilung zu. Vor allem bei mäßigem Übergewicht (BMI zwischen 25 und 29,9 kg/m2) bestimmt die Fettverteilung maßgeblich das Risiko für Komplikationen. Dieses korreliert relativ gut mit der Größe der im und um den Bauch gelegenen Fettdepots. Dabei spricht man von dem so genannten männlichen oder auch androiden Fettverteilungstyp, der im Gegensatz zum gynoiden Birnentyp der Frau auch als Apfeltyp bekannt ist. Klinische Studien zeigen, dass ein erhöhter Bauchumfang eng mit den metabolischen (Blutzucker) und kardiovaskulären Komplikationen (Herzinfarkt und Schlaganfall) des Übergewichts verknüpft ist. Grund sind die besonderen metabolischen Eigenschaften der Fettzellen in diesem Bereich. So besitzen sie zum Beispiel eine höhere Kapazität, Fettsäuren freizusetzen. Dabei zeigt eine häufig zitierte Studie, dass die Herzinfarktrate bei einer Kombination aus Übergewicht und Diabetes besonders hoch ist. Die Bauchfettmasse lässt sich mit Hilfe des Taillenumfangs einfach erfassen und einem Risiko zuordnen. Bemerkenswert ist, dass der Taillenumfang unabhängig vom BMI als eigenständiger Risikofaktor für HerzKreislauf-Komplikationen und Stoffwechselstörungen anzusehen ist. Das bedeutet aber auch, dass selbst bei (noch) normalem BMI bereits ein erhöhtes Risiko vorliegen kann. Da Männer deutlich häufiger als Frauen ein abdominales Fettverteilungsmuster aufweisen, sind sie bei gleichem BMI auch stärker gefährdet als Frauen und bedürfen deutlich früher und intensivere Behandlungen. Diabetes – eine entzündliche Erkrankung? Das zentrale Merkmal von Störungen des Glucosestoffwechsels ist eine Insulinresistenz. Diese Resistenz bedeutet, dass Insulin unter anderem nicht mehr in der Lage ist, der Blutglucose den Übertritt in die Zellen zu ermöglichen. Dabei ist wiederum die Körperfettmasse ein starker Einflussfaktor (Prädiktor) für die Insulinresistenz. Der genaue Zusammenhang zwischen Übergewicht und Diabetes ist zwar bis heute unklar. Jedoch belegen neuere Untersuchungen, dass eine Aktivierung des Immunsystems eine zentrale Rolle zu spielen scheint. Eine Reihe von Studien zeigt einen deutlichen Zusammenhang zwischen Entzündungsmarkern im Blut und Glucosetoleranzstörungen. So sind Signalmoleküle des Immunsystems wie die Zytokine Interleukin 6 (IL-6) oder der Tumor Nekrosefaktor alpha (TNF-) im Blut von Übergewichtigen messbar erhöht. Diese Veränderungen sind dabei charakteristisch für den Typ 2 Diabetiker; das heißt, beim Typ 1 Diabetes treten sie nicht auf. Weitere Entzündungsindikatoren können die Entstehung eines Typ 2 Diabetes mellitus relativ sicher vorhersagen. Dazu zählen erhöhte Spiegel weiterer Zytokine, aber auch eine vermehrte Leukozytenzahl, eine erhöhte Fibrinogenkonzentration oder ein erniedrigtes Serumalbumin. Je mehr dieser Entzündungsindikatoren über dem Durchschnitt liegen, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich ein Typ 2 Diabetes entwickelt. Das lässt sich aus einer großen epidemiologische Untersuchung im Raum Augsburg ableiten. Das Tückische bei allen diesen Veränderungen der Blutparameter ist, dass sie nicht mit den üblichen bekannten Entzündungszeichen einer Schwellung, Rötung, Überwärmung oder Schmerzen vergleichbar sind und deswegen unter Umständen lange Jahre nicht wahrgenommen werden. Vielmehr spricht man bei diesem dahinschwelenden Prozess von einer so genannten niedrig-gradigen oder auch subklinischen Entzündung. Die erhöhten Entzündungsparameter sollten dem Arzt zum Beispiel im Rahmen der regelmäßigen Gesundheitskontrolle auffallen. Daher sollten Übergewichtige regelmäßig zu dem von den Krankenkassen bezahlten Gesundheits-Check-up gehen. Fettgewebe produziert Botenstoffe Das Fettgewebe ist ein spezialisiertes Bindegewebe, das überwiegend aus Fettzellen (Adipozyten), aber auch aus Fibroblasten, Gefäßmuskel- und Endothelzellen sowie vereinzelten Immunzellen besteht. Ein normalgewichtiger Mann hat etwa 12-20 Prozent Fettgewebe, eine Frau 20-30 Prozent. Erst durch die Entwicklung des Fettgewebes und durch die Speicherung von Energie in Fettzellen, den Adipozyten, wurde es möglich, auch längere Hungerzeiten zu überstehen. Neben dieser Aufgabe maß man dem Fettgewebe lange Zeit nur ästhetischen Wert bei. Durch die Entdeckung des Sättigungshormons Leptin im Jahre 1994 wurde jedoch klar, dass die Fettzellen durch die Produktion von Proteinen unter anderem zur Regulation der Nahrungsaufnahme beitragen können. Mittlerweile sind eine Reihe von weiteren Faktoren identifiziert, die im Fettgewebe produziert werden. Darunter befindet sich eine Vielzahl von immunmodulatorischen Signalmolekülen wie Zytokinen und Chemokinen, die auf die Aktivierung von Immunzellen einen entscheidenden Einfluss ausüben (siehe Abbildung oben). Sie sind zum Beispiel auch dafür verantwortlich, Immunzellen wie Makrophagen oder T-Zellen zum Ort eines entzündlichen Geschehens zu locken, diese dort zu aktivieren, oder aber durch Bremsen einer Immunreaktion die Entzündung zu steuern. Immunzellen im Fettgewebe Wie zuvor erwähnt, befinden sich bereits im Fettgewebe Normalgewichtiger vereinzelt Immunzellen. Mittlerweile weiß man aber auch, dass ein starker Zusammenhang zwischen der Körperfettmasse und der Anzahl dieser Immunzellen im Fettgewebe besteht. Diese eingewanderten Zellen können sich in unterschiedlichen Aktivierungszuständen befinden. Während einige in einer ruhenden Form vorliegen, können andere auf bislang unbekannte Reize hin große Mengen weiterer Entzündungsfaktoren produzieren und einen Entzündungszustand initiieren oder aufrechterhalten. Auf welchem Wege die Immunzellen in das Fettgewebe gelockt werden, ist derzeit Gegenstand intensiver Forschung. Fettzelle = Entzündungszelle? Wie beschrieben, besteht das Fettgewebe aus unterschiedlichen Zellpopulationen. Fettzellen können als eine primitive Immunzelle aufgefasst werden, da sie eine Reihe ähnlicher Eigenschaften besitzen. So können Fettzellen unter Kulturbedingungen zum Beispiel Bakterien aufnehmen, wie es auch Fresszellen des Immunsystems tun. Einen entscheidenden Einfluss auf ihre Fähigkeit, immunmodulatorische Faktoren zu produzieren und in die Zirkulation abzugeben, hat dabei die Größe einer Fettzelle. So besitzen vergrößerte Fettzellen eine höhere Kapazität, entzündungsfördernde Faktoren zu bilden, während sie vergleichsweise weniger entzündungshemmende Faktoren herstellen. Fettzellen scheinen also durch die Freisetzung von entzündungsfördernden Substanzen eine Entzündungsreaktion in Gang zu setzen, indem sie über das Blut und/oder die Lymphe Immunzellen aktivieren. Aus welchem Grund sie es tun, ist bislang noch ungeklärt. Eine attraktive Hypothese ist, dass vergrößerte Fettzellen gestresster sind als kleine. Damit sich das Fettgewebe regenerieren kann, braucht es kleinere, insulinsensitive Zellen. Um diesen Vorgang einzuleiten, sterben die großen Zellen ab, das heißt sie gehen in Nekrose. Dabei setzen sie Sekretionsprodukte frei und zeigen so ihren eigenen Untergang an. Durch diese Produktion entzündlicher Signalmoleküle werden Immunzellen in das Fettgewebe gelockt, um die untergegangenen Zellen abzuräumen. Möglicherweise führen aber die Lock- und Botenstoffe als Nebeneffekt nun auch direkt oder indirekt zu einer Insulinresistenz. Ernährungstherapie gegen die Entzündung In verschiedenen Studien werden positive Effekte einzelner Nahrungsinhaltsstoffe, beispielsweise Ballaststoffe und Omega-3-Fettsäuren, auf unterschiedliche Entzündungsparameter gezeigt. Jedoch ist langfristig nur eine Gewichtsreduktion in der Lage, die entzündlichen Komplikationen und damit die Folgeerkrankungen der Adipositas zu vermindern. Zahlreiche Studien belegen, dass bereits eine moderate Senkung des Körpergewichts um fünf bis zehn Prozent zu einer deutlichen Verbesserung von Stoffwechselstörungen führt. Dabei scheint ausnahmsweise der Grundsatz zu gelten, je mehr, desto besser. Eine Kost, die leicht unter dem Energiebedarf liegt, ist zudem in Kombination mit einem Trainingsprogramm in der Lage, die Größe der Fettzellen zu reduzieren. Möglicherweise erklärt das den Effekt, dass eine Gewichtsreduktion das Fortschreiten des Diabetes verzögert. Immerhin konnte die Fettzellgröße als ein unabhängiger Risikofaktor für die Entwicklung eines Typ 2 Diabetes identifiziert werden. Eine Gewichtsreduktion in Kombination mit moderater Steigerung der Alltagsaktivität ist darüber hinaus in der Lage, eine diabetische Stoffwechsellage zu normalisieren. Um die Entstehung der Zuckerkrankheit zu vermeiden und anderen gesundheitlichen Komplikationen vorzubeugen, sollte Übergewicht also tunlichst vermieden werden. Insbesondere Männer sollten darauf achten, dass sich aus einem kleinen Bauchansatz nicht ein riskantes, stoffwechselaktives Polster entwickelt. (Quelle: Skurk T. Ein dicker Bauch riskiert Diabetes. UGB-Forum 3, S 117-120, 2008, Foto: DAK/Hanuschke + Schneider)