Medikamentenabhäng igkeit und ihre Folgen 27.03.2012 – „Treffpunkt: Frauen und Sucht“ Suchtmedizinische Ambulanz – Haus 42 Arzthelferinnen: A. Seidler S. Delandmeter Ärztliche Besetzung: PD Dr. Reymann Oberärztin M. van de Kamp R. Merx B. Makil-Kirnapci Behandlungsangebote der Suchtmedizinischen Ambulanz Weiterführende suchtmedizinische Behandlungen nach erfolgter Entzugsbehandlung: Ambulante Ausbauphase illegal Ambulante Ausbauphase legal (2 Gruppenangebote) Fortlaufende suchtmedizinische Behandlung chronisch und mehrfach beeinträchtigter Patienten Fortlaufende unterstützende Behandlung mit Anticravingsubstanzen Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie im Einzelund Gruppensetting Behandlungsangebote der Suchtmedizinischen Ambulanz Eigenständige suchtmedizinische Behandlungen: Ambulante Cannabisgruppe Rauchfreigruppe Ambulante Opiatsubstitution in Dortmund und in Lünen Behandlung mit dem Opiatantagonisten Naltrexon Ambulanter qualifizierter Opiatentzug Ambulanter Alkohol- und Medikamentenentzug Schlagzeilen Tablettenabhängigkeit - die heimliche Sucht Tablettenabhängigkeit dominiert Tablettenabhängigkeit durch Verschreibungswut der Ärzte 1,9 Millionen Deutsche tablettenabhängig Zahlen zur Arzneimittelabhängigkeit Ca. 1,4 – 1,5 Millionen Menschen sind abhängig von Medikamenten mit Abhängigkeitspotential (Quelle: DHS) davon ca. 1,1 – 1,2 Millionen Benzodiazepinabhängige weitere 300.000- 400.000 Patienten sind von anderen Arzneimitteln abhängig - Andere Schätzungen gehen von 1,9 Millionen Abhängigen aus (Soyka, 2005) Quelle: http://www.dhs.dedatenfakten/medikamente.html Sedativa/Hypnotika, die in der suchtmedizinischen Ambulanz eine Rolle spielen Benzodiazepine Non-Benzodiazepinhypnotika (Zopiclon, Zolpidem, Zaleplon) Chloralhydrat Clomethiazol Benzodiazepine Alprazolam (Cassadan, Tafil) Bromazepam (Bromazanil, Durazanil, Gityl, Lexotanil, Normoc) Clonazepam (Rivotril) Diazpeam (Valium, Faustan, Lamra) Dikaliumclorazepat (Tranxilium) Lorazepam (Tavor, Tolid) Oxazepam (Adumbran, Durazepam) und viele andere mehr … Benzodiazepine - die am häufigsten verordneten Substanzen aus der Gruppe der Sedativa/Hypnotika Wirkung: Angstlösend - Schlafanstoßend Entspannung der Muskulatur - Wirksamkeit bei epileptischen Krampfanfällen - Amnesie bewirkend Klinischer Einsatz: Angsterkrankungen, Erregungsszustände Schlafstörungen Muskelspasmen, Erkrankungen die mit einem erhöhtem Muskeltonus einhergehen Epilepsie, Alkohol- und Benzodiazepinentzug Vor einem medizinischem Eingriff Vorteile von Benzodiazepinen Gut verträglich Sicher Schnell wirksam, effektiv zuverlässige Wirkung Wichtiges Notfallmedikament Vermeintliche Vorteile von Benzodiazepinen gegenüber anderen psychoptropen Substanzen Legal Zumeist vom Arzt verordnet Man hat ,,keine Fahne“ Über lange Zeit keine körperlichen Folgeschäden Keine äußerliche Stigmatisierung Keine Laborwerte als Marker Gesellschaftlich akzeptiert oder ignoriert Zumeist kein sozialer Abstieg Vermeintlicher Garant für die gesellschaftliche Funktionsfähigkeit NonBenzodiazepinhypnotika Zopiclon (Ximovan, Optidorm, Zop, …) Zolpidem (Bikalm, Stilnox, Zoldem, Zolpinox, …) Zaleplon (Sonata) Zopiclon, Zolpidem, Zaleplon Wirkung Schlafanstoßend Gesamtschlafzeit verlängert Klinischer Einsatz Ein- und Durchschlafstörung en Abhängigkeitsrisiko von NonBenzodiazepinhypnotika im Vergleich zu Benzodiazepinen Sehr viel geringer, es besteht aber grundsätzlich die Gefahr der Abhängigkeitsentwicklung Hauptwirkort von Hypnotika – der GABA A-Rezeptor Quelle: http://www.niaaa.nih.gov/Resources/GraphicsGallery/Neuroscience/Pages/gaba_receptor.aspx Nebenwirkungsprofil von Benzodiazepinen und Non-Benzodiazepinhypnotika Abhängigkeitsrisiko Absetzproblematik Müdigkeit Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen Reaktionsvermögen (Fahrtauglichkeit!) Verwaschene Sprache Gangunsicherheit bis zum motorischen Kontrollverlust Sturzgefahr Schwindel Übelkeit Kopfschmerzen Menstruationsstörungen Libidominderung Anterograde Amnesie Paradoxe Wirkung Blutdruckabfall Atemdepression Appetitminderung Adynamie, Gleichgültigkeit Absetzproblematik Rebound-Phänomen Nach Absetzen verstärktes Auftreten der ursprünglichen Krankheitssymptome, wie Angst, Unruhe, Schlafstörungen Entzugssymptome Vor Verordnung der Medikation nicht vorhanden Treten nach Absetzen auf, teilweise deutlich zeitversetzt – je nach Halbwertszeit des Präparates Entzugssymptome Schlafstörungen Angstzustände Unruhe Leichte Reizbarkeit Kopfschmerzen Tremor Übelkeit Konzentrationsstörungen Depression Entzugskrampfanfälle Delir Gedächtnisstörungen Muskelzuckungen Herzrasen Schwächegefühl Schwitzen Schwindel Benommenheit Appetitlosigkeit Störungen der Sinne: wie Metallgeschmack, besondere Empfindlichkeit gegenüber Schall, Lichtscheu Depersonalisationserleben Nach ICD 10 liegt eine Abhängigkeit dann vor, wenn innerhalb eines Einjahreszeitraums immer wieder oder dauerhaft während eines Einmonatszeitraums mindestens 3 der nachfolgenden Kriterien erfüllt sind: starker Wunsch/Zwang, die Substanz zu konsumieren Kontrollverlust Entzugssymptome Toleranzbildung/Dosissteigerung Vernachlässigung anderer Interessen Konsum trotz negativer Folgen Abhängigkeitsrisiko erhöht bei Vorbestehender Abhängigkeitserkrankung - Chronischen Einschlafstörungen - Chronisch körperlich kranken Personen Chronischem Schmerzsyndrom - affektiven Störungen - Abhängigkeitsrisiko steigt mit - - - der Dosis des jeweiligen Präparates der Einnahmedauer sinkender Halbwertszeit des jeweiligen Präparates unkontrolliertem, nichtmedizinischem Gebrauch Bestehen einer weiteren Abhängigkeitserkrankung Regeln bei der Verordnung von Sedativa Strenge Überprüfung der Notwendigkeit Gibt es alternative Medikamente? Besteht eine bekannte Abhängigkeitserkrankung – dann i.D. R. kein ambulanter Einsatz Ärztliche Dosisempfehlung beachten Kein abruptes Absetzen Fallbeispiel Nr. 1 Nach dem Tod ihres Mannes lebt die 63jährige Helga G. alleine in ihrer Wohnung. Ihre erwachsenen Kinder sind froh, dass die Mutter so gut alleine zurechtkommt. Tatsächlich fühlt sich Helga oft einsam und vermisst ihren Partner sehr. Sie entwickelt zunehmend Ein- und Durchschlafstörungen, fühlt sich oft wie zerschlagen. Sie vertraut sich ihrem Hausarzt an, der ihr 3-6 mg Bromazepam bei Bedarf verordnet. Die Medikation hat durchgreifenden Erfolg, Helga kann wieder schlafen, grübelt weniger. Sie hält sich strikt an die ärztliche Verordnung und nimmt nie mehr als 3 mg/Tag ein. Sie fällt aus allen Wolken, als ihre Nachbarin sie auf das Abhängigkeitspotential des Präparates aufmerksam macht. Fest entschlossen zu beweisen, dass sie nicht abhängig ist, setzt sie das Präparat umgehend ab. In Folge dessen treten eine massive innere Unruhe, Ängste, Zittern und die längst überwunden geglaubte Schlafstörung mit voller Wucht wieder auf. Fallbeispiel Nr.2 Der 54jährige Martin hat sich nach langer Zeit eingestanden, dass er alkoholabhängig ist. Er entschließt sich zu einer Entzugsbehandlung in einer internistischen Abteilung. Er erhält zur medikamentösen Unterstützung des Entzuges Diazepam. Martin ist erstaunt, wie gut dieses Medikament gegen die Entzugssymptome hilft. Wieder zu Hause hat Martin in verschiedenen schwierigen Situation wieder Suchtdruck und fühlt sich oft unruhig und angespannt. Er entschließt sich mit seinem Hausarzt zu sprechen. Nach einem kurzen Gespräch erhält Martin ein Rezept für Tavor. Unter Tavor geht es ihm nach kurzer Zeit wieder besser. Martin hat kein Verlangen mehr nach Alkohol - allerdings benötigt Martin in letzter Zeit immer mehr von dem Präparat. Als sein Hausarzt irgendwann nicht mehr bereit ist, immer höhere Dosen zu rezeptieren, sucht Martin mehrere andere Praxen auf. Unproblematisch und rasch werden dort die entsprechenden Rezepte ausgestellt. Martins Familie ist stolz darauf, wie erfolgreich er seine Alkoholabhängigkeit überwunden hat. ??? Behandlung Die Entzugsbehandlung (ambulant oder stationär) erfolgt mit einem Benzodiazepin, welches schrittweise reduziert wird Ggf. ist der gleichzeitige Einsatz anderer Medikamente erforderlich Ggf. erfolgt eine Mitbehandlung anderer psychiatrischer Erkrankungen Niedrig-Dosis-Abhängigkeit = low-dose dependence = therapeutic-dose dependence - - Langzeiteinnahme (oft über Jahre) einer üblichen therapeutischen Dosis zumeist ohne Dosissteigerung Betroffen ist die Mehrzahl der Patienten Entzugssymptome nach sofortigem Absetzen sind möglich Analgetika In therapeutischer Dosierung Verringerung/Unterdrückung der Schmerzwahrnehmung Arzneimittelgruppe, die in Deutschland am häufigsten verordnet wird 2006: 67 Millionen Verordnungen; 2 Milliarden Umsatz (Arzneiverordnungsreport 2007) Analgetika Nichtopioid-Analgetika: periphere und zentrale Wirkung, meistens zusätzlich entzündungshemmend, fiebersenkend Opioid-Analgetika: überwiegend zentrale Wirkung Opioid-Analgetika: Opioide, die der BetäubungsmittelVerschreibungsverordnung (BtmVV) unterworfen sind Opioide, die nicht der BtmVV unterworfen sind Fentanyl Dihydrocodein/Codein Buprenorphin Tilidin +Naloxon Morphin Tramadol Methadon, Polamidon Codein Wirkweise der Opioide/Opiate Vermittelt über verschiedene Rezeptoren (µ1, µ2, κ, δ, nicht identifizierter Rezeptor) Analgesie, Euphorie, Atemdepression,Miosis (enge Pupillen), Verstopfung, Übelkeit, Erbrechen, Sedierung Rausch durch Opiode Euphorie, Bewusstseinsstörungen, motrische Hemmung Selten bei analgetischen Dosen Opioide als Anagetika eingesetzt können in die Sucht führen, aber nur ein geringer Teil der Schmerzpatienten werden abhängig von Oipiden (5-6 %) Opioide Entzugssyndrom Weite Pupillen, Gänsehaut, Kältegefühl, Tränenfluss, Gähnen, Schwitzen, diffuse Knochen- oder Leibschmerzen, Durchfall, MagenDarm-Krämpfe, Zittern, Husten, Anstieg von Puls und Blutdruck, Schlaflosigkeit, Dysphorie, ... Behandlung des OpioidEntzugssyndroms Opioidgestützte Therapie Verabreichung und allmähliche Reduktion Opiatagonisten (Methadon, Polamidon, Buprenorphin) Nichtopioidgestützte Therapie Clonidin (hemmt die zentrale noradrenerge Hyperaktivität) Symptomatische Therapie Schädlicher Gebrauch von nichtabhängigkeitserzeugenden Substanzen (F55.2) Einnahme von Substanzen, die letztlich zu körperlichen Schäden führt keine medizinische Notwendigkeit bzw. werden die Substanzen häufiger oder in höherer Dosierungen als empfohlen eingenommen der Versuch, dem Konsum dieser Substanzen entgegen zu steuern, stößt oft auf den Widerstand des Patienten Keine Abhängigkeit, keine Entzugssymptome Nichtopioid-Analgetika: COXCOX- 2-selektive nicht steroidale Antiphlogistika NichtopioidNichtopioidAnalgetika ohne antiphlogistische und antipyretische Wirkung NichtopioidNichtopioidAnalgetika ohne antiphlogistische und antipyretische Wirkung Acetylsalic Celecoxib ylsäure Paracetamol Nefopam Ibuprofen Metamizol Flupirtin Diclofenac COXCOX- 2-selektive nicht steroidale Antiphlogistika Parecoxib Komplikationen NichtopioidAnalgetika: Geschwüre, Blutungen, Perforationen im Magen-Darm-Trakt Medikamenteninduzierter Dauerkopfschmerz Nierenschäden Leberschäden Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!