„Botschaft der Kinder verstehen“ K R E U Z TA L Gesprächsforum der Schulen behandelte „Herausforderndes Verhalten“ Wenn Kinder sich „herausfordernd“ verhalten, geraten Eltern und auch Pädagogen nicht selten an ihre Grenzen – und brauchen ebenso Hilfen wie der Nachwuchs. Dieses Problems nimmt sich der „Kreuztaler Dialog“ nun an. Foto: dpa Netzwerkarbeit beim „Kreuztaler Dialog“: Ein Beratungsführer soll Eltern und Lehrern niederschwellige Hilfe anbieten. nja t „Kinder verhalten sich immer sinnvoll – auch jene, die uns herausfordern. Das war für mich eine der wichtigsten Aussagen unseres Treffens.“ Claudia Gawrosch, Leiterin der BodelschwinghGrundschule Buschhütten, ist zufrieden mit dem Verlauf des jüngsten „Kreuztaler Dialogs“ (siehe auch Informationskasten). Am Dienstag hatte das Gesprächsforum der Schulen in Kreuztal und Hilchenbach zu einem Austausch eingeladen, dessen Thema – „Herausforderndes Verhalten – Prävention und Umgang“ – wohl jeder Lehrerin und jedem Lehrer aus dem Alltag bekannt ist. Die Symptome sind vielfältig, reichen von Hyperaktivität über Wutausbrüche bis hin zu Raufereien und Bedrohungsszenarien, aber auch Abgrenzung. „Wir wollen mehr darüber verstehen“ fasste Moderatorin Susanne Merkelbach vom Vorbereitungsteam für ihre Kolleginnen und Kollegen zusammen. „Wie begegnen wir Kindern, die ein solches herausforderndes Verhalten zeigen? Was steckt dahinter? Was wollen die Kinder damit ausdrücken? Wir sollten die Botschaft der Kinder verstehen!“ Ziel des Dialogs sei es auch, so Claudia Gawrosch, ein Netzwerk aufzubauen, das den Kindern, Eltern, aber auch den Pädagogen niederschwellige Hilfsangebote unterbreitet, denn, so weiß sie aus eigener Erfahrung: Wenn auch nur ein verhaltensauffälliges Kind in einer Klasse sitzt, „kann das dazu führen, dass alle anderen Kinder davon beeinflusst werden, das Lernen schwierig wird“. Eingeladen hatte das Gesprächsforum neben Lehrern aller Schulen der beiden Kommunen auch Vertreterinnen und Vertreter unterschiedlicher Beratungsstellen in der Region, die sich vorstellten. Es handele sich um ein Thema, das die Schulen und somit die Pädagoginnen und Pädagogen zunehmend beschäftige und vor besondere Herausforderungen stelle – gerade auch mit Blick auf die geplante Inklusion, sagte Kreuztals Schuldezernent Dieter Loske im großen Saal der Weißen Villa. Es sei ein Thema, das verunsichere und auch ratlos mache – und, das stellte sich im Verlauf des Informationsaustauschs heraus, viele unterschiedliche Facetten hat. Was von der Vorbereitungsgruppe „herausforderndes Verhalten“ genannt wurde, sei auch unter dem Terminus „oppositionell-aggressives Verhalten“ be- kannt, erläuterte Dipl.-Psychologe Dr. Thomas Strack, leitender Psychologe der DRK-Kinderklinik Siegen. Er gab Einblicke in Forschungsergebnisse, benannte unterschiedliche Risikofaktoren, die zu diesem Verhalten führen können, und berichtete von seiner Arbeit mit entsprechend auffällig gewordenen Kindern und Jugendlichen. Selten liege eine psychiatrische Störung vor, meist handele es sich um Interaktionsprobleme. Dabei reagierten die Kinder z. B. auf Mangel an liebevoller Zuwendung, hohen Erwartungsdruck der Eltern oder auch inkonsequentes, nicht vorhersehbares Verhalten der Erwachsenen. Geringes Selbstwertgefühl werde durch „demonstrative Coolness“ überspielt. Ein Beispiel: Adäquates Benehmen werde nicht wahrgenommen oder honoriert, der Papa kümmere sich erst um das Kind, wenn die Schule zu Hause anrufe und sage: „Es brennt.“ Oder: Ein Kind schreie, bis es endlich seinen Willen bekomme – eigentlich unerwünschtes Verhalten werde also belohnt. Auch dies könne von Relevanz für das Entstehen von herausforderndem Verhalten sein, das die Kinder in ihrer Entwicklung behindere – und Eltern und Lehrer an ihre Grenzen bringen könne. Ein präventiver Ansatz, so Dr. Strack: „Positives muss Negatives verdrängen.“ Eltern und auch Lehrer müssten aber auch den Zusammenhang ihres eigenen Verhaltens und des Verhaltens der Kinder ergründen. Eltern, so der Psychologe, wollten meist ein „Wundermittel, um den Flächenbrand zu löschen“. Das funktioniere nicht. Notwendig sei ein „Schritt zurück“, um das „Warum“ des Verhaltens zu erkennen und somit den Lösungsweg zu beschreiten. „Elternhaus und Schule müssen an einen Tisch“, müssten ergründen: Was sagt uns das Kind mit seinem Verhalten, und wer kann helfen“, resümierte Claudia Gawrosch im SZ-Gespräch. Wichtig sei auch die Erkenntnis: Auch Lehrer brauchen Beratung. Sie gerieten nicht selten selbst an ihre Grenzen, fühlten sich in ihrer Hilfslosigkeit als „schlechte Pädagogen“.