Hinweise für den Lehrer

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Abitur 2008 Katholische Religion (Lehrer)
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Hinweise für den Lehrer
Die vorgelegte Prüfungsaufgabe besteht aus zwei Prüfungsarbeiten A und B.
Der Prüfungsteilnehmer hat davon eine Prüfungsaufgabe auszuwählen und vollständig zu
bearbeiten. Alle Prüfungsunterlagen sind geschlossen nach Ablauf der schriftlichen Prüfung
einzusammeln.
Als Hilfsmittel sind nur das Wörterbuch zur deutschen Rechtschreibung und eine Bibel
gestattet.
Die Prüfungsarbeit wird entsprechend dem nachfolgend ausgeführten Erwartungshorizont
bewertet.
Allgemeine Korrekturhinweise:
Der Grad der Erfüllung der im Erwartungshorizont aufgezeigten vielfältigen
Lösungsmöglichkeiten ergibt sich in Abgleichung mit dem Anspruch, den der Lehrer in der
Oberstufe an das Leistungsniveau seiner Lerngruppe stellte, bzw. auf Grund besonderer
Voraussetzungen der Grundkursteilnehmer stellen konnte.
Darüber hinaus ist in allen Teilbereichen auch jede abweichend akzentuierte Bearbeitung des
einzelnen Schülers zu akzeptieren, solange sie in einer logisch nachvollziehbaren Nähe zum
Thema liegt und in sich kohärent aufgebaut ist.
Die persönliche Einstellung des Schülers ist nicht Gegenstand der Zensierung.
In die Bewertung einzubeziehen sind Qualität und Quantität der dargelegten Kenntnisse, das
Differenzierungsniveau der Argumentation, die Anwendung fachspezifischer Terminologie
und Methodik sowie die Fähigkeit zum Strukturieren, Vergleichen, Schlussfolgern, Urteilen
und Werten komplexer Sachverhalte.
(Siehe Hinweise hierzu in den EPA-Ausführungen vom 1.12.1989)
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Erwartungshorizont A
Erwartungshorizont:
1. Stellen Sie die Hauptaussagen des Textes in eigenen Worten dar.
20 %
Anforderungsbereich I
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Zahrnt befundet ein Grundbedürfnis nach Religion als anthropologische Konstante,
aufweisbar in allen geschichtlichen Epochen. Kontingenz- und Leiderfahrungen
begründen für ihn eine menschliche Sehnsucht nach Rettung und Heil, die in eine
religiöse Gesamtdeutung des Lebens eingebettet ist. Der Kontrast der Existenz von
Religion einerseits und andererseits einer anthropologischen Bedürftigkeit durch die
Aporie einer Selbsterlösung sowie apokalyptische Ängste sind Zahrnt Hinweise auf
Gottes Präsenz in der Weltgeschichte. Nur er hat die Potenz, Ganzheit und Erlösung zu
bringen.
Unbefriedigt von der zu partikular und apersonal wirkenden neuzeitlichen Aufklärung,
aber auch vom Leit- und Trostangebot der christlichen Kirchen sind die Zeitgenossen bei
der Suche nach Lebenshilfe auf sich selbst zurückgeworfen. Diese Suche generiert nach
Zahrnt eine amorphe synkretistische Religiosität, die sich bei den Weltreligionen, diversen
esoterischen und mythischen Moden gleichermaßen bedient, ohne eine konturierte
Neureligion zu bilden oder auch nur auf inhaltliche Kompatibilität der individuell
ausgesuchten, bereits bestehenden Bruchstücke zu achten. Insofern konstatiert er zwar ein
Wiedererwachen von Religiosität, die jedoch aufgrund der anthropologischen
Eigenkompositionen säkularisierte Züge trägt.
2. Analysieren Sie die Gründe für das „Wiedererwachen“ von Religion und grenzen
Sie den synkretistischen vom christlichen Religionsbegriff ab.
30 %
Anforderungsbereich II
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Anthropologische Voraussetzungen für das „Wiedererwachen von Religion“ sind nach
Zahrnt das „unheilbare“ Grundbedürfnis nach Religion als übergeordnetem Sinnangebot
sowie die Kontinuität von erschütternden, angstbesetzten Leiderfahrungen, welche die
Hoffnung auf Heil und Ganzwerden lebendig halten. In Verbindung mit der reflektierten
Erfahrung, dass der Mensch dies nicht aus eigener Kraft – auch nicht im moralischen
Segment und nicht in gemeinschaftlich-gesellschaftlicher Anstrengung – herstellen kann,
muss das Rettungsangebot von diesem Ganzen her, von der „Quelle des Lebens“, also
Gott, ausgehen, um wirksam zu sein.
Nach Zahrnts These konnten die christlichen Kirchen aktuell „Wegweisung“ und „Trost“
innerhalb einer bedrohlich sich verändernden Umwelt nicht in entsprechender Weise
makeln, so dass ein Vakuum, ein Platzhalter für Religiöses entsteht, den die Zeitgenossen
daher anders zu füllen versuchten.
Letztlich läuft der Text darauf hinaus, dass die vom Nichtbeistand der christlichen
Kirchen in schwieriger Zeit Enttäuschten sich für ihr unabweisbares Bedürfnis nach
Religion und zur metaphysischen Angstbekämpfung selbst individuell neue religiöse
Akzente setzten, wobei sie sich im Baukastensystem bei alten und neuen
(nichtchristlichen) Kulten bedienten.
Unter der Prämisse, dass Heil und Ganzes wiederum nur vom Ganzen angeboten und
nicht der Mensch einen Gott schaffen kann, der ihm dann ein Rettungsangebot machen
könnte, macht dieser synkretistische Selbstbedienungsakt keinen Sinn und bleibt lediglich
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ein Versuch, von Zahrnt als „freischweifende Religiosität“ bzw. “Neue Religiosität“
umschrieben.
Auch die zweite mögliche beerbbare Großdeutung, die neuzeitliche Aufklärung, konnte –
naturgemäß – das oben beschriebene transzendente Grundbedürfnis nicht befriedigen, da
sie in den historisch eingeschlagenen faktengeprägten und oft zu partikularen
Forschungsrichtungen nicht genügend die spiritueller ausgerichteten „Lebensfragen, die
auf das Ganze gehen und die Person betreffen“ klären konnte. Zwar machte sie den
modernen Menschen so selbstbewusst, dass er das „Sapere aude!“ in einen selbständigen
Wahlakt auf religiösem Gebiet umsetzen konnte. Doch geschieht dies in Zahrnts
historischem Kontext um 1989 nicht hinterfragend im Blick darauf, ob eine neue Bindung
an eine andere Religion tragfähiger sein könnte, sondern folgt einem imperativfreien,
nicht anstrengungsbereiten Wie-es-uns-gefällt-Prinzip, das synkretistisch bedingte innere
logische Brüche des individuellen Puzzles nicht zurückweist und sich hierin beinahe vorreligiös unkritisch oder irrational erweist.
Kontrastierend fordert der monotheistisch-jüdisch-christliche Glaube die Anerkennung der
und die Bindung an die Existenz eines Gottes mit personalen Zügen - biblisch
beispielsweise im AT im ersten Teil des Dekalogs niedergelegt - und aus dieser
konturierten, ganzheitlichen und unteilbaren Bindung folgen unverzichtbar gegenseitige
Ansprüche, deren menschlichen Teil die Glaubenden in Alltag und Kult umzusetzen
suchen und deren göttlichen Spuren sie sich spirituell zu nähern versuchen. Mit Jesus
Christus ergibt sich im NT die Auferstehungshoffnung als konkurrenzlose Rettungszusage
sowie das dreifache Liebesgebot als testamentarischer Imperativ.
3. Überprüfen Sie anhand des engen und weiten Religionsbegriffs, welche Folgen
synkretistische Tendenzen für den Wahrheitsanspruch des Christentums hätten.
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30 %
Eine Religion ist die Sinngebung durch eine kollektive metaphysische Bindung. Der auf
das Individuum bezogene Religionsbegriff leitet sich etymologisch aus zwei Quellen her,
die unterschiedliche Aspekte herausstellen. Die mittelalterliche Variante, „religere“,
bedeutet übersetzt etwa „einen Kult sorgsam beachten“ und bietet im Wortsinne ein
weiteres Deutungsfeld - auch wenn im historischen Entstehungszusammenhang eher die
korrekte kultische Pflichterfüllung von abergläubischen Tendenzen nach bereits
getroffener Bindung an Gott abgegrenzt wurde. Die modernere Variante, „religare“,
„wieder verbinden“, zielt mehr auf die gefühlsmäßige (An-)Bindung an einen personalen
Gott, die Rückbindung an ein größeres Ganzes. Darin ist dieser der engere
Religionsbegriff, denn er inkludiert ein dialogisches Verhältnis Gott-Mensch, während ein
weiter Religionsbegriff auch ohne ein solches auskommt, wörtlich genommen sogar ohne
Gott.
In diesem weiteren Sinne ist auch der von Zahrnt skizzierte synkretistische Esoteriker
religiös, doch er könnte sich nicht als Anhänger des Christentums betrachten, da dieses
den oben ausgeführten Ausschließlichkeitsanspruch stellt. Bereits im AT ist es den
Anhängers Jahwes untersagt, das menschengemachte Goldene Kalb anzubeten. Ein von
Menschen erschaffener Gott ist nicht Gott, ist nicht ganz, ist nicht wahr, sondern ist, wie
der Religionskritiker Ludwig Feuerbach konstatiert, nur ein Wunschbild, auch wenn um
es herum ein umfassender Kult realisiert wird.
Teils ist Zahrnt dieser Argumentation selbst nahe, wenn er in einem Zirkelschluss
feststellt: „Das Vorhandensein von >>Religion<< erscheint als ein Beweis dafür, dass ...
in den Menschen ein Hunger vorhanden ist, ... dass nur die Quelle des Lebens selbst
diesen Lebenshunger zu stillen vermag; dass sich im Lauf der Weltgeschichte darum
Gottes Lebenslauf verbirgt ... .“
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„Religare“, religiöse Bindung im engeren Sinne ist nur möglich, wenn die Existenz Gottes
vorausgeht, und sein Erlösungsversprechen kann nur eingelöst werden, wenn die GottMensch-Bindung mit allen Implikationen vollzogen wird. Nur wenn Gott wahr ist, also
außerhalb der Sehnsüchte der Menschen existiert, kann er auch substantiell trösten. Tut er
das, ist er einem Baukastenprinzip jedoch entzogen. Seine Offenbarung ist erst der
Anstoß, auf den hin der Mensch Gottes Angebot beantworten und sich seiner Gnade
öffnen kann. Die Reihenfolge des Seins von Gott und Mensch ist nicht umkehrbar, ohne
dass das Christentum sich per definitionem auflöst.
Zusammengefasst: ein enger Religionsbegriff wird durch den Supermarkt der Religionen
nicht bedient, und ein weiter Religionsbegriff erschafft nicht aus Teilen ein wahres
göttliches Ganzes, kann also auch nicht dessen Trostpotenzial in Anspruch nehmen.
Insofern bietet der synkretistische Weg für einen Christen keinen legitimen Ausweg aus
einer Enttäuschung über die kirchlichen Offerten. Die Freiheit, Gott oder der Kirche den
Rücken zu kehren, ist hiervon unberührt.
Entwerfen Sie begründete Lösungsansätze für das Problem.
20 %
Anforderungsbereich III
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Aufgrund der auf kreative Lösungen abhebenden Zielstellung der Aufgabe ist der Schüler
nicht auf bestimmte Argumentationswege festgelegt, sodass hier nur Beispiele angerissen
werden können. Bewertungsgrundlage sind eine komplexe und stringente Beweisführung,
sprachlich angemessen präsentiert, erkennbare Nähe zur Problemstellung des Textes bei
gleichzeitigem weitem Horizont der Betrachtung, Betreten der Metaebene und
Einbeziehung theologischer Erkenntnisse aus dem Unterricht.
Insofern sich das Ausweichen auf Teile anderer Kulte bei gefühlter Inkongruenz von
Leben und Glauben als nicht mit dem Christentum kompatibel erwiesen hat, sind mehrere
Lösungen möglich.
Zum einen ist es denkbar, das Christentum zu verlassen und sich ausschließlich einer der
anderen Religionen zu widmen, was jedoch unter Umständen Inkulturationsprobleme für
den anscheinend im Text mitgedachten Mitteleuropäer nach sich zieht.
Zum anderen wäre ein Ziel, den im engeren Religionsbegriff gemeinten Glauben wieder
verständlich und damit attraktiv zu machen, das Alte neu zu sagen, ohne die Substanz
aufzugeben, quasi die Ansprache zu reformieren, um das Zielpublikum zu erreichen. Dazu
gehört auch das Ziel, sinnentleerte, verselbständigte Rituale als bloße Folklore zu
entlarven
und
von
relevanten
Grundlagen
zu
unterscheiden.
Schwerpunkt der Betrachtung kann beispielsweise sein, das zitierte „apokalyptische
Szenario“ in der Welt durch gemeinsame praktische Verbesserungen und gerechtere
Lastenverteilung zu einer weniger angstinduzierenden Wirklichkeit werden zu lassen.
Eine Aufgabe könnte auch sein, das latent angesprochene Theodizeeproblem näher zu
beleuchten
und
zum
Leid
in
der
Welt
Stellung
zu
beziehen.
Darüber hinaus wäre es sinnvoll, den Ursprung von Religion nicht auf negative
Kontingenzerfahrungen allein zu beziehen, sondern auch Raum für die Verkündigung des
Frohen der Botschaft zu geben.
Wenn das Wiedererwachen des Bedürfnisses nach Religion konstatierbar ist – so
bezeichneten sich etwa als Ergebnis des Internationalen Religionsmonitors 2008 der
Bertelsmann-Stiftung insgesamt 70 % der Deutschen als religiös – bietet sich die Chance,
an das teils amorphe Bedürfnis anzuknüpfen, z. B. über Symbole und Liturgieangebote,
um eine Rekonturierung zu fördern.
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Die Schüler könnten besondere verbindende biografische Ansätze vorstellen wie das
ökumenische Anliegen Roger Schutz’ oder das Lebensprinzip der Kleinen Brüder und
Schwestern von Charles de Foucauld, die das Leben der Armen und Leidenden besonders
in den Blick nehmen.
Denkbar ist auch eine Forderung, in dieser Zeit nicht nur der Globalisierung von
Kommerz und beschleunigter Kommunikationstechnologie zu folgen, sondern auch
globaler inhaltlicher Deutungsvermittlung und Bindungsfähigkeit an Religion wieder
mehr Raum zu geben - ohne fundamentalistisch zu werden.
Als “Dritter Weg“ wäre die Förderung des Dialogs der Religionen zu nennen, die
theoretische Unvereinbarkeit der Modelle dabei zunächst aushaltend in der Intention, in
der Praxis erste gemeinsame Schritte zu unternehmen.
Weitere Schwerpunkte sind wählbar.
Setzt der Schüler andere, doch ebenso sinnvolle, an Fragestellungen und Text
anknüpfende und ihn fundiert auswertende Akzente, können diese Teile des
Erwartungshorizontes ersetzen. Die methodischen und inhaltlichen Vorkenntnisse der
individuellen Lerngruppe sind bei der Bewertung mit einzubeziehen.
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Erwartungshorizont B
1. Geben Sie die Argumentation des Textes mit eigenen Worten wieder.
20 %
Anforderungsbereich I
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Die menschliche Natur ist zu schützen gegen gegenwärtige Entwicklungen und
Techniken, die den Menschen zu einem fremdbestimmten Produkt degradieren.
Die Ablösung vom christlichen Menschenbild (Mensch als Schöpfung Gottes) gibt den
Menschen der Willkür anderer Menschen preis: in der jüngeren Vergangenheit totalitären
Ideologien, in der Gegenwart den Möglichkeiten reproduktionsbiologischer Technik.
Es ist eine Grenze einzuhalten, die die Fortentwicklung und Verwirklichung solcher
Tendenzen verhindert.
Dabei ist nicht gegen die Vernunft zu handeln, sondern vielmehr mit Vernunft gegen eine
einseitig technisch-materialistische Sicht der Vernunft.
Unantastbarkeit des menschlichen Lebens garantiert nur die Betonung des steten
Rückbezuges des menschlichen Lebens auf Gott, den Schöpfer.
2. Setzen Sie die Argumentation des Textes in Beziehung zu den Grundaussagen
des christlichen Menschenbildes.
40 %
Anforderungsbereich II
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Grundaussagen des christlichen Menschenbildes:
Wesentliche Grundlagen des biblischen Menschenbildes der jüdisch-christlichen Tradition
sind die Texte der Bibel, vor allem die sog. “Schöpfungsberichte” Genesis 1,1-2,4a bzw.
Genesis 2,4b-3. Zu berücksichtigen ist ebenfalls die Offenbarung Gottes in der
Geschichte, in der er sich als mit den Menschen solidarisch zeigt und auf der Seite der
Schwachen und Unterdrückten in die Geschichte durch menschliche Vermittlung
korrigierend eingreift.
Aus christlicher Sicht sind neben den Bezugstexten im Alten Testament die zentralen
Aussagen Jesu von Nazareth zur menschlichen Existenz normierend (vgl. etwa
Bergpredigt, Gleichnisse einerseits, Zeichenhandlungen wie z. B. sog. ‘Heilungswunder’
andererseits). Hinzu kommt die Beobachtung seiner paradigmatisch verstandenen
Biografie (sog. ‘Proexistenz’).
Einige wesentliche Aspekte des christlichen Menschenbildes in Kürze:
a) Der Mensch ist individuell von Gott gewollt und dessen Geschöpf.
b) Der Mensch ist eine Einheit von Körper, Geist und Seele.
c) Der Mensch ist Abbild und Ebenbild Gottes.
d) Der Mensch ist von Gott mit Freiheit und Vernunft begabt und damit fähig zur
Kreativität.
e) Diese Fähigkeit verleiht ihm in der Schöpfung einen besonderen Rang, er ist fähig zur
Selbstreflexion, Selbstüberschreitung und planender Vorausschau.
f) Diese Begabung macht ihn zum Partner Gottes im Umgang mit der Schöpfung und der
Geschichte.
g) Damit ist der Mensch in der Pflicht, seine Umwelt im sozialen und ökologischen Sinn
nachhaltig positiv zu gestalten.
h) Die Verfügbarkeit jeglichen menschlichen Lebens kommt alleine Gott zu.
Lebensanfang und -ende stehen allein in seiner Hand.
i) Der Mensch ist von Anfang an nur im Zusammenspiel der Geschlechter in
gleichberechtigter Gemeinschaft zu voller Selbstverwirklichung in der Lage.
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j) Vor dem Hintergrund der Botschaft und des Schicksals Jesu wird deutlich, dass der
Mensch berufen ist, sich um das Reich Gottes zu bemühen und seine Vollendung im
ewigen Leben finden wird.
k) Bei allen den Menschen auszeichnenden Attributen neigt er fortwährend zur Abkehr
von Gott und bleibt der Sünde verhaftet. Erlösung davon erfährt er allein bei Gott.
l) Aus den Einzelaspekten folgt die Betonung der Menschenwürde und Personenwürde
sowie das Gebot, diese zu schützen und zu bewahren.
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Die im Text von Notker Wolf kritisch umrissenen Phänomene sind daher abzulehnen. Die
Verfügbarkeit menschlichen Lebens durch andere Menschen kennzeichnet den Abfall
vom Horizont nicht nur des christlichen, sondern auch jüdischen (und muslimischen)
Menschenbildes.
Die vermeintlichen Errungenschaften einer technischen Erzeugung oder pränatalen
Manipulation menschlichen Lebens sind daher besonders abzulehnen, wenn sie die
Gottbezüglichkeit oder die Würde des Menschen verletzen und zwar um der Freiheit des
Menschen willen.
Der anthropologische Status normiert Dasein und Lebensgestaltung in ethischer Weise.
3. Entwickeln Sie Perspektiven, wie den im Text umrissenen ethischen
Problemen unserer Gesellschaft aus biblisch-christlicher Sicht zu
begegnen wäre (Konzepte, Ideen, Pläne...).
40 %
Anforderungsbereich III
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Christliche ethische Postulate werden oft als Begrenzung der technischen und
wissenschaftlichen Möglichkeiten des Menschen verstanden, etwa die deutliche
Ablehnung der Reproduktion und Manipulation des menschlichen Genoms. Gegen solche
Kritik wäre deutlicher der positive Gehalt dieses Standpunktes zu vertreten, der auf eine
Verteidigung des menschlichen Individuums abzielt.
Gegen Tendenzen zur Objektivierung des Menschen ist aus biblischer Sicht Kritik zu
üben, um die freie Selbstbestimmung der Person in Rückbindung zum Schöpfer zu
gewährleisten.
Gegen ein einseitig technisch-naturwissenschaftliches Menschenbild ist die
Ganzheitlichkeit des Menschen zu betonen und ernst zu nehmen.
Emotionale Erlebnisse sind in ihrer Bedeutung im gegenwärtigen gesellschaftlichen
Diskurs stärker ernst zu nehmen und im öffentlichen Menschenbild zu integrieren.
Um Subjektivität und Willkür auszuschließen, ist die Zusammenarbeit mit Psychologie
und Soziologie dringend geboten.
Um eine der Vernunft standhaltende Sicht der Weltwirklichkeit einzunehmen, ist der
Dialog mit den Natur- und Humanwissenschaften dringend zu fördern.
Konkrete Formen und Chancen zur Affirmation des biblisch-christlichen Menschenbildes:
a) Veranstaltungen im Dialog mit den Naturwissenschaften: Gesprächsgruppen,
Symposien, Diskussionen, gemeinsame Forschungsarbeiten und Publikationen,
intensives Bemühen um den Verständnishorizont der Gesprächspartner.
b) Gemeinsames Bemühen um das Bild vom Menschen und dessen Lebensbewältigung
mit den Humanwissenschaften Psychologie und Soziologie (auch hier Austausch auf
unterschiedlichen Ebene, konkrete Formen der Zusammenarbeit im Bereich der
Pädagogik, der Lebensberatung und Therapie).
c) Zusammenarbeit mit darstellender Kunst, Musik und Literatur als Ausdruck der
Ganzheitlichkeit des Menschen (Ausstellungen, Konzerte, Vernissagen, filmische
Umsetzungen etc.) und deren Institutionen (Theater, Orchester, Chöre, Musikern,
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Filmschaffenden, Literaten etc.). Formen: Besuche von Aufführungen, Austausch,
Werkstattgespräche, eigene kreative Versuche ganzheitlicher Darstellung.
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Lebenspraktisch ist gemäß des Beispiels und der Forderung Jesu Menschen in besonderer
Krisensituation beizustehen, um ihre Würde zu schützen und zu verteidigen. Im Umgang
mit Kranken, Behinderten, mit sozial Randständigen und verarmten Menschen müssen
sich die Postulate christlichen Menschenbildes verwirklichen.
Gegen alle Tendenzen einer Gesellschaft, Unrecht zu dulden oder gar zu schaffen, steht
die biblisch begründete Gerechtigkeit, die zu konkreter Hilfe aufruft. Schwaches, krankes,
eingeschränktes und noch ungeborenes menschliches Leben verfügt über denselben Wert
und hat Anspruch auf den Schutz durch die Gesellschaft.
In Deutschland nehmen die christlichen Kirchen diese Verantwortung durch soziales
Engagement in Kooperation mit dem Staat wahr durch die Bewirtschaftung christlicher
Kindergärten, Schulen, Hochschulen, Bildungshäuser, Krankenhäuser, Pflegeheime,
Sozialstationen, Hospize.
Internationale Solidarität mit den Menschen in global benachteiligten Ländern üben die
Kirchen durch Hilfswerke (Misereor, Missio, Adveniat, Renovabis, Brot für die Welt) und
Entwicklungshilfe durch Laien, Orden und Kleriker.
Daher ist die enge Verzahnung der Lehre und Apologie des christlichen Menschenbildes
und deren praktische Beobachtung zu betonen.
Setzt der Schüler andere, doch ebenso sinnvolle, an Fragestellungen und Text
anknüpfende und ihn fundiert auswertende Akzente, können diese Teile des
Erwartungshorizontes ersetzen. Die methodischen und inhaltlichen Vorkenntnisse der
individuellen Lerngruppe sind bei der Bewertung mit einzubeziehen.
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