1 Stellungnahme zu Repaglinid: Den Beschluss des G-BA Glinide ab 01.07.2016 eine drastische Verordnungseinschränkung für Glinide durchzusetzen (Anlage 1), hatte zur Folge, dass Entscheidungsträger der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB), der Deutschen Diabetes Hilfe (DDH-M), der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG), von diabetesDE, dem Berufsverband der Niedergelassenen Diabetologen (BVND), dem Wissenschaftlichen Institut der Niedergelassenen Diabetologen (winDiab), dem Berufsverband Niedergelassener Diabetologen in Bayern (bndb) und der Deutschen Diabetes Stiftung DDS) am 26.01.2016 eine ausführliche Stellungnahme an Prof. Josef Hecken, Vorsitzender des G-BA geschickt haben, mit der Bitte den Beschluss des G-BA („Verordnungseinschränkung für Glinide“) zu revidieren (Anlage 2). Leider wurde der Brief nicht beantwortet. Daher möchten wir in ausführlicher wissenschaftlich begründeter Form unserer Forderung nochmals Nachdruck verleihen. Die vom G-BA angeführten Argumente ein aus dem Bestandsmarkt bewährtes Antidiabetikum nämlich Repaglinid mit einer für den Patienten mit Typ-2-Diabetes wesentlichen Verordnungseinschränkung zu versehen, können absolut nicht vollzogen werden. Die Verordnungseinschränkung sieht wie folgt aus: „ Ausgenommen ist die Behandlung von niereninsuffizienten Patienten mit einer Kreatinin-Clearance < 25 ml / min mit Repaglinid, soweit keine anderen oralen Antidiabetika in Frage kommen und eine Insulintherapie nicht angezeigt ist.“ In diesem Stadium einer chronischen Niereninsuffizienz kommt aber außer einer Repaglinid-Therapie nur noch eine Insulinbehandlung in Betracht. Alle anderen Antidiabetika sind bei einer eGFR von <25 ml/min. kontraindiziert. Unterzuckerungen: Ein wesentliches Argument für den Einsatz von Repaglinid ist die Vermeidung schwerer und protrahierter Unterzuckerungen, die bei den üblichen Sulfonylharnstoffen wie Glibenclamid und Glimepirid häufig beobachtet werden und zu schwerwiegenden Komplikationen führen können. 2 Das Problem von Unterzuckerungen (Hypoglykämien) bei Menschen mit Typ-2Diabetes wurde in früheren Jahren deutlich unterschätzt. Mit den großen randomisierten prospektiven kontrollierten Studien wie UKPDS, ADVANCE, ORIGIN, VADT und vor allem ACCORD sind Hypoglykämien nicht nur systematisch erfasst, sondern die möglichen Konsequenzen in den Mittelpunkt vieler Studien gerückt worden. Kurzfristige und langfristige z.T. schwerwiegende medizinische und psychosoziale Konsequenzen sind wissenschaftlich gut belegt und hier summarisch aufgelistet: Neben Insulinen führen vor allem die langwirkenden über die Niere ausgeschiedenen Sulfonylharnstoffe in Mono-oder Kombinationstherapien zu schweren Hypoglykämien. Bei fortgeschrittener Niereninsuffizienz sind Patienten daher besonders gefährdet schwere, lebensgefährliche Unterzuckerungen zu erleiden, nicht nur bei allen Formen der Insulintherapie, sondern eben besonders auch unter den üblichen langwirkenden schlecht steuerbaren Sulfonylharnstoffen (Glibenclamid und Glimepirid), die bei progredienter Niereninsuffizienz häufig nicht abgesetzt oder in der Dosierung nicht drastisch reduziert werden [Holstein]. Es zeigt sich, dass bei Diabetikern Hypoglykämien in mehr als 50% nicht erkannt oder falsch interpretiert werden [Elliott]. Dies liegt z.T. an den Ko-Medikationen wie Psychopharmaka, Antihypertensiva und an der Multimorbidität dieser Patienten. Dabei unterscheidet sich die Prävalenz von schweren Hypoglykämien wesentlich zwischen RCTs und Real World Studien (RWD) [Elliot]: 3 Nicht-schwere Hypoglykämien sind wohl bei Typ-1- und Typ-2-Diabetikern wesentlich häufiger und unterliegen einer hohen Dunkelziffer, da diese in einem großen Prozentsatz vom Patienten nicht erkannt werden. [Kulzer, Schloot]. In einer Beobachtungsstudie bei mehr als 900.000 Patienten lag die Rate an schweren Hypoglykämien im Mittel bei 1,5 pro 100 Patientenjahren, sie war doppelt so hoch bei Diabetikern mit Depressionen, 5x höher bei niereninsuffizienten Diabetikern und 7x höher bei Herzinsuffizienz. Die Rate an Hypoglykämien war am höchsten bei Insulin-behandelten Diabetikern, gefolgt von den langwirkenden Sulfonylharnstoffen [Pathak]. In großen aktuellen deutschen Analysen zu Hypoglykämien (DPV – wiss Datenbank; großer Diabeteszentren), zeigten sich schwere Hypoglykämien unter SH-Therapie (nicht aufgeschlüsselt nach dem Wirkstoff) in 2,8% der Patienten (826/29.485 Patienten). Davon hatten 1,8% (n=531) ein Koma und 1,7% (n=501) mindestens eine Hospitalisierung. Die Ereignis-Raten für schwere Hypoglykämien betrugen für Insulin+SH 6,7/100 Patientenjahre, für SH+Insulin+andere orale Antidiabetika 4,9 und für SHs allein 3,8 [Schloot]. Leider wurden die Daten nicht getrennt nach den SHs und Repaglinid ausgewertet. Auch in dem Qualitätsbericht der KV Nordrhein finden sich keine Daten zu schweren Hypoglykämien und der Aufschlüsselung nach einzelnen SHs und Repaglinid. Wenn für Repaglinid auffällig häufiger schwere Hypoglykämien beobachtet worden wären, wäre dies sicherlich aufgefallen und berichtet worden. 4 In einer kürzlich erschienenen Publikation aus Dänemark wurden schwere Hypoglykämien bei Typ-2-Diabetikern unter verschiedenen Sulfonylharnstoffen und unter Repaglinid analysiert [Pilemann-Lyberg]. Die Inzidenz betrug 0,48 Episoden (Krankenhausaufenthalte) pro 100 Patientenjahre. Wesentliche Risikofaktoren waren alte Patienten mit verminderter Nahrungszufuhr, Alkoholkonsum, Begleitinfektionen, Niereninsuffizienz und Polypharmazie. Die überwiegende Anzahl schwerer Hypoglykämien war mit der Einnahme von Glibenclamid und Glimepirid assoziiert. Repaglinid spielte eine untergeordnete Rolle. 5 In einer großen retrospektiven Kohorten-Analyse von 1999-2010 vom Medical Expenditure Panel Survey erfolgte bei 13,5 Millionen Diabetikern eine Diabetesbedingte Krankenhauseinweisung. Während bei 23,2% (n=746.579 Patienten) in der Monotherapie-Kohorte mit Sulfonylhanrnstoffen (SU) eine Wiederaufnahme notwendig wurde, war dies bei den Diabetikern mit einer Monotherapie ohne Sulfonylharnstoffe (n=881.984) nur bei 16,1% der Fall. Die geschätzte Hazard Ratio einer Wiedereinweisung betrug für die SU-Kohorte 1,29 (95 % CI: 1.01–1.65; p= 0.04). Die Ausgaben betrugen bei Patienten mit SU $11.148 ± 1.558 verglichen mit Nicht-SUPatienten $7.673±763. Unter SU-Therapie war das Risiko einer Krankeneinweisung um ca. 30% höher und um ca. 45% teurer [Heaton PC et al]. Fazit: Hypoglykämien sind auch bei Menschen mit Typ-2-Diabetes nicht selten. Sie können zu erheblichen medizinischen, psychosozialen und gesundheitsökonomischen Konsequenzen führen und sind wesentlicher Grund für NotfallHospitalisierungen älterer Menschen mit Diabetes [Budnitz, Holstein]. Individualisierte Therapie des Menschen mit Typ-2Diabetes Eine individualisierte Therapie wird seit Jahren von der Deutschen Diabetes Gesellschaft, in strukturierten Behandlungsprogrammen (DMPs), in der Nationalen VersorgungsLeitlinie Therapie des Typ-2-Diabetes (www.versorgungsleitlinien.de) und in den internationalen Leitlinien immer wieder betont. Die Individualisierung spielt bei den Insulintherapie-Strategien seit Jahren eine bedeutsame Rolle, um die Therapie an die Lebensgestaltung, Bedürfnisse, Wünsche (Patientenpräferenzen!) und Erfordernisse der Menschen mit Diabetes anzupassen. Damit ist nach einer entsprechenden Schulung des Patienten und seines sozialen Umfeldes eine flexiblere Lebensgestaltung im Beruf, der Freizeit, in Schule, Betrieb, im Urlaub, in Alten- und Pflegeheim etc. möglich. Bei der oralen antidiabetischen Therapie (OAD) wird die Behandlung zwar auch an Erfordernisse angepasst wie Multimorbidität, Kontraindikationen einzelner Wirkprinzipien berücksichtigt, aber eine größere Flexibiltät ist aus pharmakokinetischen und -dynamischen Gründen der vorrangig einzusetzenden Sulfonylharnstoffe (laut DMP) nicht möglich. Dies gilt insbesondere 6 für die bis zu 72 Stunden wirkenden Sulfonylharnstoffe Glibenclamid und Glimepirid. Repaglind dagegen ist ein sehr kurz wirkender [Landgraf] gut verträglicher(!) Insulinsekretionsförderer, der fast ausschließlich über die Galle eliminiert wird und daher bei jedem Grad einer Niereninsuffizienz eingesetzt werden kann [Hasslacher,Landgraf]. Seine blutzuckersenkende Potenz ist der der Sulfonylharnstoffe nicht unterlegen [Landgraf, Woerle]. Mit zunehmendem Alter nimmt die Nierenfunktion kontinuierlich ab, wie DMP-Daten aus Nordrhein 2015 zeigen: Daher sind ältere Menschen mit eingeschränkter Nierenfunktion besonders Hypoglykämie-gefährdet, weil sich die Nierenfunktion innerhalb kurzer Zeit aus hämodynamischen Gründen, durch Röntgenkontrastmittel, durch eine Vielzahl von Pharmaka (Analgetika, Antibiotika etc) und anderen Gründen wie Exsikkose drastisch verschlechtern kann ohne dass die antidiabetische Therapie adäquat angepasst wird oder adaptiert werden kann. Lebensqualität Mit Repaglinid ist eine flexible orale Therapie möglich, die nach entsprechender Schulung von vielen Patienten hoch geschätzt wird [Lauritzen, Landgraf]. Repaglinid wird jeweils zu einer Hauptmahlzeit eingenommen, wobei sich die Dosis nach der Größe und Zusammensetzung der Mahlzeit richtet. Wird eine Mahlzeit ausgelassen, nimmt der Patient kein Repaglinid zu diesem Zeitpunkt. Das zur vorausgegangenen Mahlzeit eingenommene Repaglinid ist dann bereits eliminiert und kann somit keine Unterzuckerung provozieren. Somit besteht kaum die Gefahr einer schweren Hypoglykämie wie dies gerade bei schlecht planbarem Tagesablauf unter den üblichen SHs immer wieder beobachtet wird [Landgraf, Nattrass]. Mit Repaglinid ist im Gegensatz zu den Sulfonylharnstoffen somit eine individualisierte den 7 Bedürfnissen und Wünschen des Menschen anpassbare Behandlung möglich. Bei der Bedeutung, die Hypoglykämien medizinisch, psychosozial, gesundheitsökonomisch und volkswirtschaftlich spielen, ist jede Vermeidung von schweren aber auch leichten Unterzuckerungen mit einer gesteigerten Lebensqualität und Arbeitsfähigkeit des Betroffenen und seines sozialen Umfeldes verbunden, wie die kürzlich publizierte DAWN Studie der IDF zeigen konnte [Kulzer]. Die flexible OADBehandlung mit Repaglinid hat im Gegensatz zu der Therapie mit Glibenclamid und Glimepirid den weiteren Vorteil, dass Menschen mit grenzwertiger Nierenfunktion unter Bedingungen einer akuten oder subakuten Verschlechterung ihrer Nierenfunktion (s.o.) gefahrlos ihre Repaglinidtherapie fortführen können [Hasslacher]. Klinische Endpunkte Der Einsatz der etablierten Substanzgruppen Metformin und Sulfonylharnstoffe wird immer begründet mit dem Vorhandensein von Nachweisen positiver klinischer Endpunkte. Dies war auch der Grund diese Substanzen für die vorrangige Therapie bei den strukturierten Behandlungsprogrammen vorzuschreiben. Bei den meisten anderen Antidiabetika einschließlich Repaglinid sollen entsprechende Nachweise für einen positiven Effekt auf harte klinische Endpunkte fehlen. Die Aussagen zu Metformin und Glibenclamid beziehen sich aber ausschließlich auf Daten der UKPDS. In der UKPDS wurde der Effekt einer „intensivierten“ im Vergleich zu einer „konventionellen“ Therapie des Typ-2-Diabetes mellitus untersucht. Die Patienten wurden in eine der beiden Untersuchungsgruppen, aber nicht in verschiedene Medikamentengruppen randomisiert. In der Nationalen VersorgungsLeitlinie zur Therapie des Typ-2-Diabetes wird ausführlich auf die mangelnde wissenschaftliche Belastbarkeit der UKPDS im Sinne evidenz-basierter Medizin hinsichtlich der positiven Aussagen zu den harten Endpunkten von Metformin und den Sulfonylharnstoffen Stellung genommen (www.leitlinien.de). Bereits in der Navigator Studie einer RCT bei prädiabetischen Menschen (n=9.306) fand sich unter Nateglinide kein negativer Effekt auf kardiovaskuläre Endpunkte in dem Beobachtungszeitraum von 5 Jahren. In einer großen dänischen Registerstudie [Schramm] zwischen 1997 und 2006 wurden 107.806 Personen mit Diabetes im Mittel über 3,3 Jahre verfolgt. Im Vergleich zu Menschen unter Metformintherapie war die Hazard Ratio (CI: 95%) für 8 Glimepirid 1.32 (1.24-1.40), Glibenclamid 1.19 (1.11-1.28) und Glipizid 1.27 (1.171.38) für Gesamtmortalität bei Menschen ohne früherem Herzinfarkt signifikant erhöht. Die korrespondierenden Ergebnisse für Patienten mit vorausgegangenem Myokardinfarkt waren wie folgt: Glimepirid: 1.30 (1.11-1.44), Glibenclamid: 1.47 (1.22-1.76), und Glipizid: 1.53 (1.23-1.89). Die Ergebnisse für Gliclazid: 1.05 (0.941.16) und 0.90 (0.68-1.20)], sowie für Repaglinid: 0.97 (0.81-1.15) und 1.29 (0.861.94) waren statistisch nicht signifikant unterschiedlich von Metformin. Die Ergebnisse waren für kardiovaskuläre Mortalität und den Composite Endpunkt (Myokardinfarkt, Schlaganfall, und kardiovaskuläre Mortalität) ähnlich. In einer nationalen Dänischen Registerstudie mit 56.827 Patienten ohne Schlaganfall oder Myokardinfarkt wurde die Rate von Gesamtmortalität, kardiovaskulärer Mortalität oder die Kombination aus Myokardinfarkt, Schlaganfall oder kardiovaskulärer Mortalität bei Kombinationstherapien von Metformin mit verschiedenen Sulfonylharnstoffen getestet [Mogensen]. Die Inzidenzraten für Mortalität waren wie folgt: Metformin plus: 15.4 (Repaglinid), 28.1 (Glipizide), 23.7 (Glibenclamid), 21.1 (Gliclazid), 20.7 (Glimepirid) Tode pro 1000 Personenjahre. In einer adjustierten Analyse war das Mortalitäts-Risiko für Nutzer von Gliclazid + Metformin (RR = 1.01 [0.88–1.15]), Repaglinid + Metformin (RR = 0.81 [0.62–1.05]), Glibenclamid + Metformin (RR = 0.98 [0.87–1.10]). Eine kürzlich publizierte Analyse hat gezeigt, dass Glimepirid mit einem geringeren Risiko für kardiovaskuläre und Gesamtmortalität verbunden ist als mit Glibenclamid [Simpson]. Zahlreiche Meta-Analysen der letzten Jahre weisen darauf hin, dass Sulfonylharnstoffe ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Endpunkte einschließlich Mortalität zeigen [Forst, Monami, Phung]. Alle Meta-Analysen sind in ihren Aussagen jedoch wegen der großen Heterogenität der meist nicht-randomisierten Studien begrenzt. Selbst in der publizierten Cochrane Analyse [Hemmingsen] kamen die Autoren zu dem Schluss, dass die verfügbaren Daten zu gering und inkonsistent sind um eine belastbare Evidenz für Nutzen oder Schaden einer Sulfonylharnstoff-Therapie in Bezug patienten-relevanter Endpunkte zu ziehen. Die Schlussfolgerung aus allen Studien ist, dass RCTs notwendig wären um definitiv den Nutzen der SHs auf klinisch relevante Endpunkte zu beweisen. Diese RCTs wird es weder für SHs noch für Repaglinid geben, so dass auf die bestverfügbare Evidenz zurückgegriffen werden muss! 9 In einer großen Kohortenstudie zeigte die Kombination von Sulfonylharnstoffen mit Metformin eine höheres Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse [Evans] und in der Meta-Analyse [Rao] über die Kombination von Metformin und Sulfonylharnstoffen war für die Gesamtmortalität das relative Risiko (RR) bei 1,19 (0,88-1,62), für die kardiovaskuläre Mortalität 1,29 (0,73-2,27) und 1,43 (1,10-1,85) für Composite Endpunkt (kardiovaskuläre Hospitalisierung oder Mortalität). Auch die Kombination von Sulfonylharnstoffen mit Insulin zeigte eine höhere Mortalitätsrate als die Kombination Metformin und Insulin [Mogensen]. Eine Kombination von Metformin mit einem DPP-4-Inhibitor dagegen war mit einem deutlich geringeren Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse und Gesamtmortalität verbunden als die Kombination mit einem Sulfonylharnstoff [Azoulay, Morgan]. Fazit: Für die derzeit in Deutschland meist verwendeten und vorrangig einzusetzenden Sulfonylharnstoffe Glibenclamid und Glimepirid (DMPs) gibt es keine belastbaren Belege in Hinblick auf günstige Einflüsse auf klinisch relevante Endpunkte. Die meisten Analysen zeigen eher das Gegenteil nämlich ungünstige kardiovaskuläre Endpunkte unter SH-Therapie. Für Repaglinid fehlen ebenfalls RCTs mit relevanten klinischen Endpunkten, aber die verfügbare Evidenz zeigt keine negativen Daten zu kardiovaskulären Endpunkten. Gesundökonomische Aspekte Die Tagestherapiekosten betragen für Glibenclamid (2x3,5 mg; 120 Tabl. Packung) 0,22 €, für Glimeprid (1x3 mg; 120 Tabl.Packung) 0,19 € und für Repaglinid (3x2 mg; 120 Tabl. Packung) 0,78 €. Die Rate von schweren Unterzuckerungen ist insbesondere bei älteren Menschen mit Niereninsuffizienz (ab CKD Stadium 3: eGFR <60 ml/min.) bei den langwirkenden Sulfonylharnstoffen hoch (s.o.). Für Repaglinid sind diese bei entsprechender Schulung einer flexiblen oralen Antidiabetika-Therapie deutlich niedriger. Die Kosten für eine Hypoglykämie sind beträchtlich [Hammer et al]: 10 Plädoyer für Repaglinid 1. Repaglinid ist ein hochpotentes blutzuckersenkendes Medikament mit einem geringen Nebenwirkungsprofil. 2. Weder für die Sulfonylharnstoffe (SHs) noch für Repaglinid gibt es belastbare Outcome-Studien. Daher Repaglinid weitgehend aus dem Repertoire der OADs zu streichen, entbehrt jeder Evidenz. Die für Repaglinid geforderten RCTs gibt es auch nicht für einen Sulfonylharnstoff! 3. Meta-Analysen lassen vermuten, dass SHs eher ungünstige, Repaglinid eher günstige/neutrale Einflüsse auf kardiovaskuläre Endpunkte aufweisen. 4. Repaglinid hat pharmakokinetische- und dynamische Eigenschaften, die es erlauben diese Substanz bei jedem Grad einer Nierenfunktionsstörung einzusetzen. Keine Dosisadaptierung oder Kontraindikationen ab einer bestimmten eGFR. Es ist daher nicht nachvollziehbar, warum eine Repaglinid-Therapie nur noch auf Patienten mit einer eGFR <25 ml/min. beschränkt sein soll. Dieser Beschluss ist ebenfalls nicht begründbar, zumal kein Argument vorliegt, warum gerade eine eGFR von <25 ml/min. festgelegt wurde. 5. Eine flexible orale Therapie die Insulinsekretionsförderer beinhaltet, ist nur mit Repaglinid möglich. Bei vielen Patienten mit einem Typ-2Diabetes ist diese Möglichkeit daher eine echte Bereicherung der 11 Therapieoptionen nicht nur für jüngere Menschen mit der Notwendigkeit nicht planbarer Tätigkeiten und Aufgaben im Beruf und der Freizeit, sondern insbesondere auch für ältere Menschen mit unvorhersehbaren psychosozialen und medizinischen Problemen und der damit verbundenen hochgradigen Gefahr schwerer Unterzuckerungen (insbesondere unter den langwirkenden SHs!) und teurer Krankenhauseinweisungen. 6. Daten und langjährige Erfahrungen von Patienten und Therapeuten zeigen, dass unter Repaglinid eine hohe Therapiezufriedenheit und – sicherheit, sowie -adhärenz besteht. 7. Die Tagestherapiekosten sind für Repaglinid etwas höher, bewegen sich aber in einem Bereich deutlich unter einem Euro. Bei den genannten Vorteilen besteht daher eine hohe Nutzen-Kosten-Relation. 8. Der Patient sollte im Mittelpunkt unserer Bemühungen stehen und Patientenpräferenzen berücksichtigt werden. Das ist nicht nur Richtschnur aus medizinischerund ethischer, sondern auch aus politischer Sicht! 9. Die Verordnungseinschränkung von Repaglinid ist daher völlig unbegründet und soll revidiert werden. Literatur 1. Azoulay L et al. Combination therapy with sulfonylureas and metformin and the prevention of death in type 2 diabetes: a nested case-control study. Pharmacoepidemiol Drug Saf 2010;19(4):335-42 2. Budnitz DS et al. Emergency hospitalizations for adverse drug events in older Americans.N Engl J Med. 2011;365(21):2002-12 3. Elliott L et al. Hypoglycemia Event Rates: A Comparison Between Real-World Data and Randomized Controlled Trial Populations in Insulin-Treated Diabetes. Diabetes Ther. 2016 Feb 17. [Epub ahead of print] 4. Evans JM et al. Risk of mortality and adverse cardiovascular outcomes in type 2 diabetes: a comparison of patients treated with sulfonylureas and metformin. Diabetologia 2006;49(5):930-6 12 5. Forst T et al. Association of sulphonylurea treatment with all-cause and cardiovascular mortality: a systematic review and meta-analysis of observational studies. Diab Vasc Dis Res. 2013 Jul;10(4):302-14 6. Hammer et al. Costs of managing severe hypoglycaemia in three European countries.J Med Econ. 2009;12(4):281-90 7. Hasslacher C for the Multinational Repaglinide Renal Study Group. Safety and efficacy of repaglinide in type 2 diabetic patients with and without impaired renal function. 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Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) entschied am Donnerstag in Berlin, die bereits im Jahr 2010 beschlossene, zunächst jedoch vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) beanstandete Verordnungseinschränkung durch Veröffentlichung des Beschlusses im Bundesanzeiger zum 1. Juli 2016 in Kraft zu setzen. Glinide sind orale Antidiabetika, die zur Behandlung des Diabetes mellitus Typ 2 verordnet werden. Der G-BA hatte am 17. Juni 2010 eine Verordnungs-einschränkung beschlossen, da der therapeutische Nutzen dieser Wirkstoffgruppe nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse nicht als nachgewiesen angesehen werden konnte. Das BMG beanstandete den Beschluss, wogegen der G-BA klagte. Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg stellte in seinem inzwischen rechtskräftigen Urteil vom 27. Mai 2015 fest, dass die vom BMG verfügte Beanstandung rechtswidrig war und hob diese auf. Somit kann der G-BA-Beschluss im Bundesanzeiger veröffentlicht werden und zum 1. Juli 2016 in Kraft treten. „An der Daten- und Erkenntnislage hat sich seit dem Beschluss im Jahr 2010 nichts geändert. Bis heute liegen dem G-BA keine wissenschaftlich einwandfrei geführten klinischen Studien mit patientenrelevanten Endpunkten vor, anhand derer der therapeutische Nutzen beziehungsweise die Zweckmäßigkeit dieser – immerhin seit nun 15 Jahren auf dem Markt befindlichen – Wirkstoffgruppe hätte nachgewiesen werden können,“ sagte der unparteiische Vorsitzende des G-BA, Prof. Josef Hecken. „Für die Glinide liegen zu den patientenrelevanten Endpunkten wie Mortalität, diabetische Folgekomplikationen und gesundheitsbezogene Lebensqualität keine relevanten Studien vor. Es sind ausschließlich Kurzzeitstudien vorhanden. Zudem ist keine der bisher vorliegenden Studien darauf ausgelegt, einen Nutzen der Glinide bei der Vermeidung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen nachzuweisen oder das Schadenspotenzial hinsichtlich kardiovaskulärer Risiken zu untersuchen“, 15 so Hecken weiter. Nach einer Änderung der gesetzlichen Grundlage zum 1. Januar 2011 hatte der G-BA im Januar 2014 ein weiteres Verfahren zur Bewertung der Zweckmäßigkeit der Glinide eröffnet und von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, ergänzende versorgungsrelevante Studien für die Wirkstoffe Nateglinid und Repaglinid einzufordern. Nach Ablauf der Frist von einem Jahr hatte kein pharmazeutischer Unternehmer nachgewiesen, dass mit einer Studie begonnen wurde. Auch in dem daraufhin im März 2015 eingeleiteten Stellungnahmeverfahren zur Verordnungseinschränkung der Glinide wurden keine Studien zu patientenrelevanten Endpunkten vorgelegt.“ 16 Anlage 2 Brief an Prof. Josef Hecken vom 26.01.2016