Prophylaxe Ein Konzept für Kinder, die zur eigenen Zahnpflege noch zu klein sind Eltern es aber lernen, wenn nicht vom Zahnarzt oder seinen Prophylaxemitarbeiterinnen? Eltern putzen Kinderzähne „Mein dreijähriger Sprössling putzt sich schon ganz selbstständig die Zähne” oder „Ich schicke meine fünfjährige Tochter abends zum Zähneputzen ins Bad” – bei solchen Aussagen stolzer Eltern sollten beim Zahnarzt die Alarmglocken schrillen. Denn Kinder in diesem Alter sind noch zu klein, um sich effektiv selbst ihre Zähne zu putzen. Stattdessen gibt es ein angemessenes und sehr einfaches pädagogisches Konzept. Es lautet: Eltern putzen Kinderzähne. So wird es gemacht Ein Kind ist auf Grund seiner motorischen Entwicklung erst dann zu einer effektiven Zahnpflege fähig, wenn es flüssig schreiben kann, das heißt erst ab der zweiten beziehungsweise dritten Klasse. Bis zu diesem Zeitpunkt ist es erforderlich, dass Eltern die Zähne ihrer Kinder abends von allen Seiten sauber putzen, da Plaquefreiheit eine Grundvoraussetzung für mehr Zahngesundheit im Milch- und Wechselgebiss ist. Doch weshalb fruchtet die Aufforderung zum Nachputzen so wenig? Die Eltern verstehen beziehungsweise wissen möglicherweise gar nicht, wie sie dies tun sollen. Vielleicht ist das Wort „nachputzen” selbst der Grund – im Duden sucht man es vergeblich. Es ist ein zahnärztlicher Fachbegriff wie Gingivitis oder Parodontitis und muss vom Zahnarzt dem Laien erst übersetzt werden. „Nachputzen” bedeutet, dass die Eltern alle Zähne ihres Kindes abends von allen Seiten sauber putzen. Dabei ist es nicht wichtig, wirklich zeitlich „nach” dem Kind zu putzen. Eltern können auch vorher oder, wenn das Kind sehr müde ist, ganz allein putzen. Zahnärzte sollten wissen, dass „nachputzen” nicht automatisch mit einem eindeutigen Bild in unserem Gehirn verknüpft ist, wie etwa Fahrrad fahren, schwimmen oder joggen. Es empfiehlt sich, den Eltern zu helfen. Gemäß dem in der Individualprophylaxe gängigen Prinzip „Tell-Show-Do” kann das Erklären nur der erste Schritt sein. Danach sollte der Zahnarzt den Eltern zeigen, wie sie die Zähne ihrer Kleinen putzen und unbedingt mit ihnen üben. Erst dann kann man sicher sein, dass Eltern die Technik zm 94, Nr. 17, 1. 9. 2004, (2204) Foto: Thumeyer Von allen Seiten sauber Abb. 1: Der zahnlose Kieferdamm wird vorsichtig massiert. Foto: Pompetzki 100 Abb. 2: Zähneputzen auf dem Wickeltisch wirklich beherrschen. Denn Arbeiten in einem „fremden” Mund ist gar nicht so einfach. Das kann jeder Zahnarzt bestätigen. Man muss es lernen. Von wem sollen die Zahnpflege von Geburt an ist die wichtigste Maßnahme von Eltern, damit die Zähne ihrer Kinder gesund und schön bleiben. Wie das geht, zeigen nachfolgende altersgemäße Tipps, die sich für Eltern im Alltag bewährt haben. ■ Tipp 1: Eltern streichen zunächst über den noch zahnlosen Kieferkamm und massieren ihn vorsichtig (Abb. 1). Man kann fühlen, dass aus dem weichen Kieferkamm beim Einschießen der Milchzähne eine harte Zahnleiste wird. Eltern können die Milchzähne wie „Perlen unter der Schleimhaut stehen sehen”. Ab dem ersten Milchzahn können Eltern so immer vor dem Schlafengehen die Milchzähne ihres Kindes mit einer Kinderzahnbürste und einem Hauch Kinderzahnpasta putzen. ■ Tipp 2: Auf dem Wickeltisch beim Windeln wechseln (Abb. 2): Das Köpfchen des Kindes wird durch ein Nestchen stabil gehalten, mit der freien Hand hält die Mutter die Händchen ihres Kindes. ■ Tipp 3: Auf dem Schoß (Abb. 3): Der Popo des Kindes wird so weit zum Bauch gezogen, dass die Beinchen bequem rechts und links strampeln können, ohne dass das Baby sich wegstoßen kann; die freie Hand kann die Ärmchen locker halten, im direkten Blickkontakt können Eltern und Kind sich prima unterhalten und gleichzeitig die Zähne putzen. Bald wollen die Kinder selbst putzen, denn Zähneputzen macht Spaß und ist interessant, zum Beispiel morgens nach dem Frühstück. Zusätzlich putzen die Eltern jeden Abend vor dem Schlafengehen alle Zähne ihres Kindes mit einer Kinderzahnbürste und Kinderzahnpasta von allen Seiten sauber – entsprechend den Fluoridierungsempfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK): Die DGZMK empfiehlt ab dem zweiten Geburtstag, zweimal täglich die Zähne mit einer höchstens erbsengroßen Menge Kinderzahnpasta (maximal 500 Abb. 3: Zähneputzen auf dem Schoß der Eltern Abb. 4: Zahnpflege im Bett Kind und die Mutter sitzen sich bequem gegenüber. ■ Tipp 6: Phasenweise wehren sich Kinder gegen die Zahnpflege. Abhilfe schafft dann, von einem Tagesereignis zu erzählen oder die Aufmerksamkeit des Kindes auf bekannte Personen, Tiere oder Spielsachen zu lenken. Das Thema Zähneputzen wird gar nicht angesprochen, sondern es „passiert einfach nebenbei” – warum nicht einmal vor dem Fernseher (Abb. 6) oder beim Spielen? Oft hilft das Personalisieren von Zähnen und Zahnbelag im elterlichen Gespräch mit dem Kind – etwa nach folgenden Beispielen: „Deine Zähne rufen: Wir wollen sauber sein und strahlen! Wir wollen geputzt werden!” oder „Jetzt jagen wir die ganze Karies-Bande (Zahnteufel, Zahnmonster) raus aus deinem Mund!” oder „Da hinten versteckt sich einer, den haben wir gleich. Weg vom Zahn, raus aus dem Mund!” Abwechslung bringt neuen Spaß am Zähneputzen, dazu gehören das Anfärben der Zahnbeläge beim älteren Kind, eine neue Zahnbürste, selbst Zahnpasta aussuchen und vieles mehr. Abb. 5: Zähneputzen beim älteren Kind – bequem für beide zm-Info Foto: Hensen Fotos: Thumeyer 101 Materialien zum Thema ppm Fluorid) zu putzen. Bis zum zweiten Geburtstag ist es ausreichend, einmal täglich zu putzen. ■ Tipp 4: Schön kuschelig und bequem für Mutter und Kind ist die Zahnpflege im Bettchen als Teil des abendlichen Rituals (Abb. 5): Waschen – Schlafanzug anziehen – Zähne putzen – Geschichte vorlesen – einschlafen. Egal, ob Kinder bei der Zahnpflege liegen, sitzen oder leicht aufrecht im Arm gehalten werden, sie verschlucken im Kleinkind- und Kindergartenalter sowieso die Zahnpasta. Sie können altersgemäß noch nicht kontrolliert ausspucken – so wird oft erst geschluckt und dann ausgespuckt. ■ Tipp 5: Zusätzliches Putzen beim fünfbis siebenjährigen Kind abends im Bad: Das Einen doppelseitigen Flyer „Eltern putzen Kinderzähne” in deutsch, türkisch und russisch zur Beratung von Eltern ist unter ■ http://www.jugendzahnpflege.hzn.de (Aktuelles und Medien) aus dem Internet herunterzuladen. ■ Gegen einen mit 1,44 Euro frankierten und adressierten Din-A-4 Rückumschlag kann man zehn Exemplare in Deutsch bei der Landesarbeitsgemeinschaft Jugendzahnpflege in Hessen, Rhonestraße 4, 60528 Frankfurt anfordern. Die beigelegte CD-ROM „Schriftliche Informationen für Eltern” enthält neben dem Flyer in deutscher Sprache auch die türkische und russische Version, sowie eine Vielzahl weiterer Elterninfos in 13 Sprachen. thu Abb. 6: Zahnpflege beim Fernsehen Wichtig ist, dass Eltern niemals ihr Kind unter Androhung von Strafen oder gar dem Zahnarztbesuch zum Zähneputzen zwingen. Stattdessen empfiehlt es sich, die oben genannten Tipps anzuwenden und Wert auf die Freude beim Zähneputzen zu legen. Dr. Andrea Thumeyer Vorsitzendes der Landesarbeitsgemeinschaft Jugendzahnpflege in Hessen (LAGH) Wiesenstr. 31 65187 Wiesbaden zm 94, Nr. 17, 1. 9. 2004, (2205)