Eltern putzen Kinderzähne zm Nr. 17

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Prophylaxe
Ein Konzept für Kinder, die zur eigenen Zahnpflege noch zu klein sind
Eltern es aber lernen, wenn nicht vom
Zahnarzt oder seinen Prophylaxemitarbeiterinnen?
Eltern putzen Kinderzähne
„Mein dreijähriger Sprössling putzt sich schon ganz selbstständig die Zähne”
oder „Ich schicke meine fünfjährige Tochter abends zum Zähneputzen ins
Bad” – bei solchen Aussagen stolzer Eltern sollten beim Zahnarzt die Alarmglocken schrillen. Denn Kinder in diesem Alter sind noch zu klein, um sich effektiv selbst ihre Zähne zu putzen. Stattdessen gibt es ein angemessenes und
sehr einfaches pädagogisches Konzept. Es lautet: Eltern putzen Kinderzähne.
So wird es gemacht
Ein Kind ist auf Grund seiner motorischen
Entwicklung erst dann zu einer effektiven
Zahnpflege fähig, wenn es flüssig schreiben
kann, das heißt erst ab der zweiten beziehungsweise dritten Klasse. Bis zu diesem
Zeitpunkt ist es erforderlich, dass Eltern die
Zähne ihrer Kinder abends von allen Seiten
sauber putzen, da Plaquefreiheit eine
Grundvoraussetzung für mehr Zahngesundheit im Milch- und Wechselgebiss ist.
Doch weshalb fruchtet die Aufforderung
zum Nachputzen so wenig? Die Eltern verstehen beziehungsweise wissen möglicherweise gar nicht, wie sie dies tun sollen.
Vielleicht ist das Wort „nachputzen” selbst
der Grund – im Duden sucht man es vergeblich. Es ist ein zahnärztlicher Fachbegriff
wie Gingivitis oder Parodontitis und muss
vom Zahnarzt dem Laien erst übersetzt
werden. „Nachputzen” bedeutet, dass die
Eltern alle Zähne ihres Kindes abends von
allen Seiten sauber putzen. Dabei ist es
nicht wichtig, wirklich zeitlich „nach” dem
Kind zu putzen. Eltern können auch vorher
oder, wenn das Kind sehr müde ist, ganz
allein putzen.
Zahnärzte sollten wissen, dass „nachputzen” nicht automatisch mit einem eindeutigen Bild in unserem Gehirn verknüpft ist,
wie etwa Fahrrad fahren, schwimmen oder
joggen. Es empfiehlt sich, den Eltern zu helfen. Gemäß dem in der Individualprophylaxe gängigen Prinzip „Tell-Show-Do” kann
das Erklären nur der erste Schritt sein. Danach sollte der Zahnarzt den Eltern zeigen,
wie sie die Zähne ihrer Kleinen putzen und
unbedingt mit ihnen üben. Erst dann kann
man sicher sein, dass Eltern die Technik
zm 94, Nr. 17, 1. 9. 2004, (2204)
Foto: Thumeyer
Von allen Seiten sauber
Abb. 1: Der zahnlose Kieferdamm wird vorsichtig massiert.
Foto: Pompetzki
100
Abb. 2: Zähneputzen auf dem Wickeltisch
wirklich beherrschen. Denn Arbeiten in einem „fremden” Mund ist gar nicht so einfach. Das kann jeder Zahnarzt bestätigen.
Man muss es lernen. Von wem sollen die
Zahnpflege von Geburt an ist die wichtigste
Maßnahme von Eltern, damit die Zähne
ihrer Kinder gesund und schön bleiben. Wie
das geht, zeigen nachfolgende altersgemäße Tipps, die sich für Eltern im Alltag
bewährt haben.
■ Tipp 1: Eltern streichen zunächst über
den noch zahnlosen Kieferkamm und massieren ihn vorsichtig (Abb. 1). Man kann
fühlen, dass aus dem weichen Kieferkamm
beim Einschießen der Milchzähne eine
harte Zahnleiste wird. Eltern können die
Milchzähne wie „Perlen unter der Schleimhaut stehen sehen”. Ab dem ersten Milchzahn können Eltern so immer vor dem
Schlafengehen die Milchzähne ihres Kindes
mit einer Kinderzahnbürste und einem
Hauch Kinderzahnpasta putzen.
■ Tipp 2: Auf dem Wickeltisch beim Windeln wechseln (Abb. 2): Das Köpfchen des
Kindes wird durch ein Nestchen stabil gehalten, mit der freien Hand hält die Mutter
die Händchen ihres Kindes.
■ Tipp 3: Auf dem Schoß (Abb. 3): Der
Popo des Kindes wird so weit zum Bauch
gezogen, dass die Beinchen bequem rechts
und links strampeln können, ohne dass das
Baby sich wegstoßen kann; die freie Hand
kann die Ärmchen locker halten, im direkten Blickkontakt können Eltern und Kind
sich prima unterhalten und gleichzeitig die
Zähne putzen.
Bald wollen die Kinder selbst putzen, denn
Zähneputzen macht Spaß und ist interessant, zum Beispiel morgens nach dem Frühstück. Zusätzlich putzen die Eltern jeden
Abend vor dem Schlafengehen alle Zähne
ihres Kindes mit einer Kinderzahnbürste
und Kinderzahnpasta von allen Seiten sauber – entsprechend den Fluoridierungsempfehlungen der Deutschen Gesellschaft
für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde
(DGZMK): Die DGZMK empfiehlt ab dem
zweiten Geburtstag, zweimal täglich die
Zähne mit einer höchstens erbsengroßen
Menge Kinderzahnpasta (maximal 500
Abb. 3: Zähneputzen auf dem Schoß
der Eltern
Abb. 4: Zahnpflege im Bett
Kind und die Mutter sitzen sich bequem gegenüber.
■ Tipp 6: Phasenweise wehren
sich Kinder gegen die Zahnpflege.
Abhilfe schafft dann, von einem
Tagesereignis zu erzählen oder die
Aufmerksamkeit des Kindes auf bekannte Personen, Tiere oder Spielsachen zu lenken. Das Thema Zähneputzen wird gar nicht angesprochen, sondern es „passiert einfach
nebenbei” – warum nicht einmal
vor dem Fernseher (Abb. 6) oder
beim Spielen?
Oft hilft das Personalisieren von Zähnen und
Zahnbelag im elterlichen Gespräch mit dem
Kind – etwa nach folgenden Beispielen:
„Deine Zähne rufen: Wir wollen sauber sein
und strahlen! Wir wollen geputzt werden!”
oder „Jetzt jagen wir die ganze Karies-Bande
(Zahnteufel, Zahnmonster) raus aus deinem
Mund!” oder „Da hinten versteckt sich einer, den haben wir gleich. Weg vom Zahn,
raus aus dem Mund!” Abwechslung bringt
neuen Spaß am Zähneputzen, dazu
gehören das Anfärben der Zahnbeläge beim
älteren Kind, eine neue Zahnbürste, selbst
Zahnpasta aussuchen und vieles mehr.
Abb. 5: Zähneputzen beim älteren Kind – bequem für beide
zm-Info
Foto: Hensen
Fotos: Thumeyer
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Materialien zum Thema
ppm Fluorid) zu putzen. Bis zum zweiten
Geburtstag ist es ausreichend, einmal täglich zu putzen.
■ Tipp 4: Schön kuschelig und bequem für
Mutter und Kind ist die Zahnpflege im Bettchen als Teil des abendlichen Rituals (Abb.
5): Waschen – Schlafanzug anziehen –
Zähne putzen – Geschichte vorlesen – einschlafen. Egal, ob Kinder bei der Zahnpflege liegen, sitzen oder leicht aufrecht im
Arm gehalten werden, sie verschlucken im
Kleinkind- und Kindergartenalter sowieso
die Zahnpasta. Sie können altersgemäß
noch nicht kontrolliert ausspucken – so
wird oft erst geschluckt und dann ausgespuckt.
■ Tipp 5: Zusätzliches Putzen beim fünfbis siebenjährigen Kind abends im Bad: Das
Einen doppelseitigen Flyer „Eltern putzen
Kinderzähne” in deutsch, türkisch und
russisch zur Beratung von Eltern ist unter
■ http://www.jugendzahnpflege.hzn.de
(Aktuelles und Medien) aus dem Internet
herunterzuladen.
■ Gegen einen mit 1,44 Euro frankierten
und adressierten Din-A-4 Rückumschlag
kann man zehn Exemplare in Deutsch bei
der Landesarbeitsgemeinschaft Jugendzahnpflege in Hessen, Rhonestraße 4,
60528 Frankfurt anfordern. Die beigelegte CD-ROM „Schriftliche Informationen für Eltern” enthält neben dem Flyer
in deutscher Sprache auch die türkische
und russische Version, sowie eine Vielzahl
weiterer Elterninfos in 13 Sprachen. thu
Abb. 6: Zahnpflege beim Fernsehen
Wichtig ist, dass Eltern niemals ihr Kind
unter Androhung von Strafen oder gar dem
Zahnarztbesuch zum Zähneputzen zwingen. Stattdessen empfiehlt es sich, die oben
genannten Tipps anzuwenden und Wert
auf die Freude beim Zähneputzen zu legen.
Dr. Andrea Thumeyer
Vorsitzendes der Landesarbeitsgemeinschaft
Jugendzahnpflege in Hessen (LAGH)
Wiesenstr. 31
65187 Wiesbaden
zm 94, Nr. 17, 1. 9. 2004, (2205)
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