Zeit – ein überflüssiger Parameter der Relativitätstheorie Mathematische Skizzen einer Physik ohne Zeit in einer Welt des Lichts von Horst E. Lochner Dezember 2003 Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis 1. 1.1 1.2 Überblick Die Welt des Lichts Verzeichnis der Prinzipien 2. 2.1 2.2 2.3 Bewegung und Geschwindigkeit Kurven, Objekte, Ereignisse und Bewegung Maßeinheit und Berechnung der Geschwindigkeit Messung der Geschwindigkeit eines Objektes auf einem geraden Abschnitt seiner Kurve 3. 3.1 3.2 Gegeneinander gleichförmig bewegte Bezugssysteme Formale Beschreibung eines bewegten Bezugssystems Länge bewegter Strecken 4. 4.1 4.2 Transformationen Transformation von Koordinaten und der Länge von Signalwegen Doppler-Effekt 5. 5.1 5.2 Zusammengesetzte Geschwindigkeiten Geschwindigkeit in Richtung der Bewegung eines bewegten Bezugssystems Geschwindigkeit senkrecht zur Richtung der Bewegung eines bewegten Bezugssystems 6. 6.1 6.2 Beschleunigung Definition der Beschleunigung Beschleunigung in Richtung der Bewegung eines bewegten Bezugssystems 7. Masse 8. Impuls, Energie, Kraft, Arbeit und Potential 9. 9.1 9.2 Der freie Fall im Beschleunigungsfeld einer Masse Der freie Fall im Minkowski-Raum Der freie Fall im Schwarzschild-Raum 10. 10.1 10.2 10.3 Zeit Uhrenhypothese Zwillingsparadox Myonenparadox A. Litraturverzeichnis 1 1. Überblick 2 1. Überblick 1.1 Die Welt des Lichts Zeit konnte niemals wahrgenommen oder auf irgendeine Weise nachgewiesen werden. Dennoch spielt Zeit in fast jedem Versuch, unsere Welt zu verstehen und zu beschreiben, eine elementare Rolle. Leben ist an eine strenge Ordnung aufeinander folgender Vorgänge gebunden. Das direkte Erlebnis dieser Ordnung vermittelt ein tief verwurzeltes Zeitgefühl, das zur Annahme einer “a priori“ existierenden, ewigen absoluten Zeit führte. Diese Zeitauffassung hatte Konsequenzen, die den Ergebnissen einer genaueren Beobachtung des Lichts, seiner Entstehung und Ausbreitung, widersprachen. Wenn mit der Relativitätstheorie auch die Idee einer absoluten Zeit aufgegeben wurde, blieb doch die Zeit eine Basisgröße der Physik. Das Unbehagen bei dem Versuch, die naturwissenschaftliche Seite unserer Welt zu verstehen, wird gemildert, wenn die Zeit in physikalischen Theorien durch eine beobachtbare Größe ersetzt wird. Viele Erscheinungen in unserer Welt haben ihre Ursache in elektromagnetischen Eigenschaften der Materie; nicht nur Farben und Wärme, sondern auch alle Aggregatzustände der Materie, ihre chemischen Verbindungen usw werden von elektromagnetischen Zuständen und deren Veränderungen hervorgerufen. In der Quantenelektrodynamik deutet man heute die Wechselwirkung zwischen “echten“ Teilchen immer als durch Photonen vermittelt [4, Seite 721]. Die Entdeckung der kosmischen Hintergrundstrahlung passt zu der Erfahrung, dass jeder Teil der Welt, und sei er noch so klein, ein Abbild des ganzen Kosmos enthält. Wir erleben die Welt in ständiger Veränderung. Eine Form des Wandels ist Bewegung. Weil alle Dinge offensichtlich ununterbrochen von Licht umgeben und durch Licht miteinander verbunden sind, kommen wir zu der Vermutung, dass Licht die Quelle und Voraussetzung aller Bewegung ist. Eine Konsequenz dieser Hypothese ist, dass Bewegung mit dem Licht entstand und mit ihm endet. Zeit ist ein Parameter, der seinerseits von der Bewegung abgeleitet ist. So ist es nicht verwunderlich, dass wir Zeit nicht direkt wahrnehmen. Wegen der primären Bedeutung des Lichts erscheint es naheliegend, Bewegung in Bezug zum allgegenwärtigen Licht und dessen Schnelligkeit, die offenbar die absolute und obere Grenze für die Schnelligkeit jeder realen Bewegung bildet, zu beschreiben und zu messen. Wir führen die Schnelligkeit als neue physikalische Grundgröße ein und formulieren mit dieser die Relativitätstheorie ohne Verwendung eines Zeitbegriffs. Bekannte relativistische Phänomene wie das Zwillingsparadox und der Nachweis von Myonen der kosmische Strahlung auf der Erde finden so eine anschauliche Deutung. Aus der Allgemeinen Relativitätstheorie betrachten wir als Beispiel die SchwarzschildMetrik, die wichtigste spezielle Lösung der Einsteinschen Feldgleichungen. Eine Verfolgung der Lichtwege in dieser Metrik führt zu einer einfachen Erklärung, warum Uhren im Umfeld großer Massen langsamer gehen und ein freier Fall diese Verzögerung gerade wieder ausgleicht. 1. Überblick Wir streben eine axiomatische Darstellung an: Alle Aussagen, die nicht logisch ableitbar sind, werden als Voraussetzung des Kalküls – im Wesentlichen als Prinzipien – explizit erwähnt. Ohne Zeitbegriff erreichen wir eine erhebliche Reduzierung und Vereinfachung der Axiome, die der Relativitätstheorie zugrunde liegen. Die Geometrie des Raumes ist Lichtgeometrie im Sinne Reichenbachs [ 7 ] und sonst nichts. Insbesondere erübrigt sich die Definition “starrer Stäbe“ und eine axiomatische Behandlung einer darauf aufbauenden “Körpergeometrie“. In diesem Zusammenhang sei die erst 1983 vorgenommene Festlegung der Längeneinheit als Lichtweg erwähnt. Der prinzipielle Verzicht auf einen Zeitbegriff ändert nichts an der Bedeutung und dem Gebrauch immer genauerer Uhren in der Forschung wie im täglichen Leben. Zur Beschreibung von Bewegung und Kausalität jedoch ist Zeit nicht erforderlich. Die Vorstellung einer real existierenden Zeit erschwert das Verständnis relativistischer Phänomene und ist – ähnlich wie die Äther-Hypothese, die einst zur Erklärung der Lichtausbreitung unentbehrlich erschien – vollkommen überflüssig. 3 1. Überblick 4 1.2 Verzeichnis der Prinzipien 1. Prinzip der “Räumlichkeit von Objekten“ 2.2 2. Prinzip der “Signalbewegung“ 2.3 3. Prinzip der “Existenz von Signalen“ 2.6 – 2.8 4. Prinzip der “Euklidizität des Raumes“ 2.11 5. Prinzip der “maximalen Länge von Signalwegen“ 2.14 6. Prinzip von der “Gleichmäßigkeit der Bewegung“ 2.16 – 2.17 7. Prinzip der “Konstanz der Signalschnelligkeit“ 8. Prinzip der "Länge und Form von Signalwegen" 9. Prinzip der “wechselseitig gleichen Schnelligkeit” 2.18 3.9 – 3.10 3.15 10. Prinzip von der “Existenz und Relativität der Masse“ 7.1 – 7.3 11. Prinzip der “Impuls- und Energieerhaltung bewegter Masse“ 7.4 – 7.6 12. Prinzip von der “Beschleunigung im Minkowski-Raum“ 9.4 13. Prinzip des “Ereignisabstands im Schwarzschild-Raum" 9.12 2. Bewegung und Geschwindigkeit 5 2. Bewegung und Geschwindigkeit 2.1 Kurven, Objekte, Ereignisse und Bewegung Wir stellen uns reale Dinge – Gegenstände, Markierungen, Licht, ... – irgendwo im Universum in Bezug auf einen Beobachter vor, der keinerlei Veränderungen seines Bewegungszustandes spürt; er fühlt sich in Ruhe. Er sieht jede Erscheinung an einem festen Platz oder unterwegs längs einer gewissen Bahn, dem Lebensweg der Erscheinung. Der Beobachter erkennt an jeder Stelle der Bahn, an der sich die Erscheinung befindet, eine bestimmte Richtung der Bewegung. Keine Richtung kann durch spezielle Eigenschaften vor anderen Richtungen ausgezeichnet werden: Der Raum – eine Hilfsgröße zur Beschreibung von Abständen und Bewegung ohne eigene Bedeutung – erscheint isotrop. Von dieser idealisierten Welt entwerfen wir ein mathematisches Modell. Wir nehmen an, dass es zur Beschreibung der auf den Beobachter bezogenen Umgebung ein Koordinatensystem K mit einem Bezugspunkt 0 := (0, 0, 0) und Punkten x = (x1, x2, x3) gibt. Der Wertebereich jeder Komponente von x ist die Gesamtheit reeller Zahlen oder die Gesamtheit positiver reeller Zahlen einschließlich der Null. Alle Punkte von K sind gleichwertig: Jeder Punkt von K kann als Bezugspunkt 0 gewählt werden; bei der Wahl eines anderen Punktes aus K als Bezugspunkt bleiben alle im folgenden genannten Prinzipien uneingeschränkt gültig. Abbild einer Bahn sei eine stetige abgeschlossene Kurve S in K , für die es eine Darstellung x(s) in Abhängigkeit der Kurvenlänge s gibt. Die Länge der Kurve sei zwischen je zweien ihrer Punkte endlich. S kann einen endlichen Randpunkt xe := x(smax) haben. S sei überall bis auf xe einseitig differenzierbar, d. h. in jedem Punkt x(s) ≠ x(smax) existiert der Grenzwert positiver ∆s d1 (s) := dx ds := lim ∆s→ 0 x(s + ∆s) − x(s) ∆s . (2.1) d1 (s) ist Einheitsvektor in Richtung der Kurve S im Punkt x(s) . S hat also in jedem Punkt - außer dem Rand xe , falls er existiert - eine eindeutig bestimmte Richtung. Die Abbilder realer Dinge nennen wir “Objekte“ und stellen sie durch Großbuchstaben G , L , P , ... dar. 1. Prinzip der “Räumlichkeit von Objekten“ (2.2) Einem Objekt G kann in K genau 1 Punkt xG oder genau 1 Kurve SG mit den oben beschriebenen Eigenschaften zugeordnet werden. G befindet sich in xG oder auf der Kurve SG . Ist einem Objekt G die Kurve SG zugeordnet, sagen wir: “ G bewegt sich auf SG “. Licht ruht nie. Die Abbilder des Lichts sind im Modell Objekte besonderer Art. Wir nennen sie “Signale“ und kennzeichnen sie durch den Großbuchstaben L . 2. Bewegung und Geschwindigkeit 2. Prinzip der “Signalbewegung“ 6 (2.3) Jedem Signal ist eine Kurve zugeordnet. Bei der Betrachtung der Natur ist oft der Anfang des Geschehens unbekannt. Wir beginnen die Betrachtung eines Subjekts an einem mehr oder weniger zufälligen Punkt seiner Bahn und verfolgen ein Stück seines Weges. In unserem Modell ordnen wir dem Beginn der Betrachtung eines Objektes G im Punkt x0 den Parameterwert s = 0 zu. Die Feststellung, dass sich G nach einem Weg der Länge s in x(s) befindet, nennen wir Beobachtung G(x(s)) oder kurz G(s) . Der Kurvenabschnitt zwischen den Punkten x(s1) und x(s2) mit s1 < s2 hat die Länge s = s1 – s2 . Das Zusammentreffen der Objekte G1 , ... , Gn in einem Punkt entspricht der “objektiven Koinzidenz“ [7, Seite 13]. Wir nennen es Begegnung und notieren G1(s1) ⇔ ... ⇔ Gn(sn) . Von einem Ereignis sprechen wir, wenn mindestens eines der Objekte ein Signal ist, wenn also L(r) ⇔ G(s) ⇔ … (2.4) gilt, wobei wir für die Länge von Signalwegen den Buchstaben r verwenden. Die Beziehung (2.4) entspricht der Erfahrung, dass jeder Punkt der Welt in seiner Umgebung ein Bild der ganzen Welt enthält; jeder Punkt ist Ziel eines Stromes von Bildern aus allen Richtungen in jeder Entfernung. Daher ist jede Bewegung eine Folge von Ereignissen. Bewegung kam mit dem Licht in die Welt. Bewegung könnte im kleinsten unstetig sein, d.h. allen realen Dingen – dazu gehören auch Markierungen – können wir ein x aus K zuordnen, die Umkehrung wird aber nicht gelten. Die Punkte aus K entsprechen den “Realpunkten“ Reichenbachs [7, Seite 19]. In diesem Sinne setzt Gleichung (2.1) für jedem Punkt x(s) die Existenz von Realpunkten voraus, die x(s) “mit beliebiger Genauigkeit benachbart“ [7, Seite 31] sind. Die Beobachtung G(s) kann demnach als Ereignis G(s) ⇔ x ⇔ L(r) (2.5) interpretiert werden, wobei x einer Markierung entspricht. Licht bewegt sich auf allen Bahnen in jeder Richtung gleich schnell. Das bedeutet, dass zwei Photonen, die gemeinsam in einem Punkt des Raumes starten, auf beliebigen Bahnen auseinander laufen und sich irgendwo wieder treffen, im Treffpunkt ab dem gemeinsamen Startpunkt Wege der gleichen Länge zurückgelegt haben. Es gibt auch kein Ding, das schneller als Licht ist: Ein Ding, das mit Photonen mithalten kann, muss selbst Licht sein. Elektromagnetische Strahlung aus dem ganzen Universum erfüllt jedes seiner Teile. Alle ruhenden und bewegten realen Dinge werden unaufhörlich von Licht begleitet. Wir formalisieren diese Hypothesen im 3. Prinzip. Darin übernehmen Signale die Rolle von Photonen. 2. Bewegung und Geschwindigkeit 7 3. Prinzip der “Existenz von Signalen“ • Sei G ein beliebiges Objekt. Für je 2 Beobachtungen G(s1) und G(s2) mit s1 ≤ s2 gibt es ein Signal L mit einem Signalweg der minimalen Länge rm mit 0 ≤ rm < ∞ und den Ereignissen L(0) ⇔ G(s1) und L(rm) ⇔ G(s2) . Für alle r aus (0, rm) gibt es ein Signal Lr mit den Ereignissen L(0) ⇔ Lr(0) ⇔ G(s1) und Lr(r) ⇔ G(s) mit s1 < s < s2 . (2.6) • Für je 2 Punkte x1 ≠ x2 gibt es ein Signal L mit den Ereignissen L(0) ⇔ x1 und L(r) ⇔ x2 und minimalem r . Bei Vertauschung von x1 und x2 bleibt r erhalten. (2.7) • Die Signale L1 und L2 lassen sich unter der Bedingung L1(0) ⇔ x1 und L1(r1) ⇔ L2(0) und L2(r2) ⇔ x2 zu einem Signal L12 verbinden mit L12(0) ⇔ x1 und L12(r1 + r2) ⇔ x2 . (2.8) Wir definieren Punktabstände und Strecken: Definition des “Punktabstands“ (2.9) Die minimale Länge r eines Signalwegs zwischen den Punkten x1 und x2 nach dem 3. Prinzip (2.7) heißt “Punktabstand der Punkte ( x1 , x2 )“ . Durch das 3. Prinzip (2.7) werden Punktabstände durch die Länge von Signalwegen bestimmt. Deshalb können wir auf die Einführung “starrer Maßstäbe“ verzichten. Definition der “Strecke“ (2.10) Der Signalweg zwischen den Punkten x1 und x2 von der Länge r nach dem 3. Prinzip (2.7) heißt “Strecke [ x1 , x2 ]“ . Die im 3. Prinzip (2.7) definierte Strecke liegt im Allgemeinen nicht auf einer Geraden. Vor der Veröffentlichung der Allgemeinen Relativitätstheorie wurde angenommen, dass der Raum euklidisch ist und durch ein kartesisches Koordinatensystem beschrieben werden kann. Die Gesetze der Speziellen Relativitätstheorie basieren auf diesen Annahmen, die wir im 4. Prinzip niederlegen. 4. Prinzip der “Euklidizität des Raumes“ Mit einer nach dem 3. Prinzip (2.7) festgelegten Einheitsstrecke zwischen zwei beliebig ausgewählten verschiedenen Punkten aus K , denen wir die Koordinaten 0 = (0, 0, 0) und x = (1, 0, 0) zuordnen, kann das Koordinatensystem so konstruiert werden, dass es 3-dimensional kartesisch wird. (2.11) 2. Bewegung und Geschwindigkeit 8 Im folgenden gehen wir davon aus, dass K das nach dem 4. Prinzip existierende kartesische Koordinatensystem ist und der Abstand der Punkte xn = ( x , x , x ) 1n (n = 1,2) 2n 3n durch r 2 = x 2 − x1 2 = ( x 12 − x 11 ) 2 + ( x 22 − x 21 ) 2 + ( x 32 − x 31 ) 2 (2.12) gegeben ist. Für den Abstand infinitesimal benachbarter Punkte gilt daher dr = dx . (2.13) Die Strecke [ x1 , x2 ] ist gerade und K euklidisch. Der Isotropie des Raumes entspricht, dass wir bei der Wahl des Ursprungs und der Richtung der Koordinatenachsen völlig frei waren. Signale haben eine weitere wichtige Eigenschaft: Ihre Wege sind stets länger als die Wege anderer Objekte, die sie begleiten. 5. Prinzip der “maximalen Länge von Signalwegen“ (2.14) Sei L ein Signal und G ein beliebiges Objekt mit L(0) ⇔ G(0) und L(r1) ⇔ G(r2) . Dann gilt: r 1 ≥ r 2 und r1 = r2 genau dann, wenn auch G ein Signal ist. Die letzte Aussage des 5. Prinzips entspricht dem Umlaufaxiom Reichenbachs [7, Seite 38]. Das 3. Prinzip (2.6) ordnet jedem inneren Punkt x(s1) der Kurve von G eine Signalschar { Lr : r aus (0, rm ] } zu. Alle Signale dieser Schar starten gemeinsam mit G in x(s1) . Jedes Lr trifft G nach einem Weg der Länge r in genau einem Punkt seiner Kurve. Mehrere dieser Signale können nach verschieden langen Wegen G im selben Punkt x(s) treffen. Der Weg, den die Signale nehmen, spielt aber wegen des 5. Prinzips (2.14) keine Rolle. Definition des “ruhenden Objekts“ (2.15) Wenn mehrere Signale, die gemeinsam im selben Punkt einer Kurve starten, nach verschieden langen Wegen ein Objekt G im selben Punkt x(s) treffen; so sagen wir “G ruht in x(s)“ . So wird durch das 3. Prinzip (2.6) für jede Kurve eine Funktion s = s(r) für r aus [0, rm] definiert. Wegen der Prinzipien 3 (2.8) und 5 (2.14) ist s(r) monoton. In (2.6) forderten wir für jeden Punkt der Kurve eines Objektes G die Existenz einer Signalschar, die von diesem Punk ausgeht. Dieses Modell entspricht der Erfahrung, dass ein Gegenstand in jedem Punkt seiner Bahn in der ganzen Umgebung zu sehen ist. Außerdem scheint die Änderung der Bewegung massebehafteter Gegenstände kontinuierlich zu verlaufen; denn abrupte Änderung führt zur Zerstörung. Wir bilden diese Eigenschaften im 6. Prinzip ab. 2. Bewegung und Geschwindigkeit 9 6. Prinzip von der “Gleichmäßigkeit der Bewegung“ Die durch (2.6) auf der Kurve eines Objektes G definierte Funktion s = s(r) ist in jedem inneren Punkt x(s) der Kurve 2 mal rechtsseitig differenzierbar: ds , s′(r) := dr (2.16) 2 s′′(r) := d s dr . 2 (2.17) “Rechtsseitig“ heißt, dass die Existenz der Ableitungen nur für positive Differentiale gefordert wird. Bemerkung zum 6. Prinzip • Die Annahme der rechtsseitigen Differenzierbarkeit entspricht der einseitigen Ausrichtung der zulässigen Kurven gemäß (2.1). Dahinter steht die Vorstellung, dass jede Bewegung eindeutig “vorwärts“ gerichtet ist. Wege werden länger oder enden, werden aber niemals kürzer. Reversible Vorgänge sind Illusion. 2.2 Maßeinheit und Berechnung der Geschwindigkeit Jeder Gegenstand hat an jedem Ort seiner Bahn eine bestimmte Geschwindigkeit. Die Schnelligkeit eines Gegenstandes hängt vom Bewegungszustand des Beobachters ab, die Schnelligkeit des Lichts ist dagegen eine absolute Größe. In unserem Modell geben wir Schnelligkeit in der Einheit “vel“ an. 7. Prinzip der “Konstanz der Signalschnelligkeit“ (2.18) Alle Signale haben dieselbe Schnelligkeit, die willkürlich mit c := 299792458 vel festgelegt wird. m ist. Durch diese sec Festlegung sind Signale wegen des 2. Prinzips (2.3) Prototypen für gleichmäßige Bewegung. Die Konstante c wurde so gewählt, dass 1 vel = 1 Geschwindigkeit beinhaltet Schnelligkeit und Richtung einer Bewegung. Die Richtung der Bewegung jedes Objektes in einem beliebigen Punkt der Kurve, auf dem sich das Objekt in K nach dem 1. Prinzip (2.2) bewegt, ist durch (2.1) gegeben. Wir bezeichnen im folgenden Geschwindigkeiten mit kursiven Buchstaben u , v , ... , verwenden den Begriff Geschwindigkeit jedoch auch synonym zu Schnelligkeit, schreiben dann aber u , v , ... . 2. Bewegung und Geschwindigkeit 10 Nun müssen wir festlegen, wie die Schnelligkeit eines beliebigen Objektes G im Punkt x ⇔ G(s) an c zu messen ist. Nach dem 3. Prinzip (2.6) gibt es für jedes ∆s > 0 für die Beobachtungen G(s) und G(s+ ∆s ) ein Signal L und ein minimales ∆r > 0 mit den Ereignissen G(s) ⇔ L(0) und G(s+ ∆s ) ⇔ L( ∆r ) . (2.19) Wir verstehen unter der Geschwindigkeit von G in G(s) folgenden Vektor: Definition der “Geschwindigkeit“ v(s) : = d1 (s) ⋅ (2.20) ds ⋅c dr mit dem Einheitsvektor d1(s) aus (2.1) und dem Differentialquotienten ds aus dr (2.16). Die Schnelligkeit der Bewegung ist durch v(s) = v(s) : = ds dr ⋅c (2.21) gegeben. Im Sinne der Definition (2.15) ruhen alle Punkte x aus K , wenn wir sie als Objekte betrachten, denen nach dem 1. Prinzip (2.2) der Punkt x zugeordnet ist; denn Signale, die in x gemeinsam starten, kehren nach verschieden langen Wegen zu x zurück. Deshalb heißt das durch K beschriebene Bezugssystem Inertialsystem. 2. Bewegung und Geschwindigkeit 11 2.3 Messung der Geschwindigkeit eines Objektes auf einem geraden Abschnitt seiner Kurve Sei G ein Objekt, dessen Kurve die Strecke S = [ x0 , xs ] von der Länge s > 0 enthält. Nach dem 3. Prinzip (2.6) gibt es ein Signal L1 und ein r1 mit den Ereignissen x0 ⇔ G(0) ⇔ L1(0) und xs ⇔ G(s) ⇔ L1(r1) (2.22) (s. Abbildung 2.1) . Die Ereignisse in (2.22) entsprechen den Ereignissen in (2.19), wenn wir dort s durch 0 , ∆s durch s und ∆r durch r1 ersetzen. Daher ist nach (2.20) und (2.21) v( x) = xs − x0 s s ⋅ r1 , ⋅c v= s r1 ⋅c (2.23) die mittlere Geschwindigkeit von G zwischen x0 und xs . In den folgenden Kapiteln benötigen wir eine Gleichung für die Geschwindigkeit, in der statt der Länge r1 des Signalweges von L1 ein geschlossener Signalweg verwendet wird. Wir verlängern das Signal L1 mit den Ereignissen aus (2.22) durch ein Signal L2 mit den Ereignissen xs ⇔ L1(r1) ⇔ L2(0) und x0 ⇔ L2(s) (2.24) nach dem 3. Prinzip (2.7) und verbinden beide Signale nach (2.8) zu einem Signal L12 mit geschlossener Kurve der Länge r := ( r1 + s ) und den Ereignissen x0 ⇔ L12(0) und xs ⇔ L12(r – s) und x0 ⇔ L12(r) (2.25) Damit erhalten wir die Gleichung (2.23) in der Schreibweise v( x) = xs − x0 s ⋅ s ⋅c r−s , v= s r−s ⋅c (2.26) für die mittlere Geschwindigkeit von G zwischen x0 und xs . L1 : L2 : G : x0 xs – Abbildung 2.1 – 3. Gegeneinander gleichförmig bewegte Bezugssysteme 12 3. Gegeneinander gleichförmig bewegte Bezugssysteme 3.1 Formale Beschreibung eines bewegten Bezugssystems Wir denken uns ein Objekt G , das kein Signal ist und dessen Kurve auf der x1-Achse in positiver Richtung läuft. Für die Punkte x = (x1, x2, x3) und xs = (x1+ s, x2, x3) , s > 0 (3.1) auf der zu G gehörenden Kurve aus K gibt es nach dem 3. Prinzip (2.6) ein Signal L und ein r > 0 mit den Ereignissen x ⇔ G(0) ⇔ L(0) und xs ⇔ G(s) ⇔ L(r) . (3.2) Der Einfachheit halber bezeichnen wir alle Signale mit “L“ und die zugehörigen Signalwege mit “r” , obwohl zu verschiedenen s verschiedene Signale mit unterschiedlich langen Signalwegen gehören. Nun verlangen wir, dass der Signalweg der Länge r in (3.2) proportional zum zugehörigen s ist, dass also das s Verhältnis auf der ganzen Kurve von G konstant bleibt. Weil G kein Signal r ist, ist nach dem 5. Prinzip (2.14) r > s . Daher gibt es ein v < c derart, dass s v = r c (3.3) ist. Nach (2.20) hat daher G in K in jedem Punkt seiner Kurve dieselbe Geschwindigkeit v in Richtung der positiven x1-Achse. Die Inertialsysteme verschiedener Beobachter, die sich relativ zueinander mit konstanter Geschwindigkeit auf geraden Bahnen bewegen, sind gleichwertig. Alle solche Beobachter sehen dieselben Dinge und dieselben Ereignisse, wenn auch die Bahnen der einzelnen Dinge sich jedem Beobachter unterschiedlich darstellen; Dinge, die der eine Beobachter in Bewegung sieht, erscheinen einem anderen in Ruhe usw. Nur das Licht ist nirgends in Ruhe. In hinreichend kleinen Räumen läuft es für alle Beobachter auf stückweise geraden Bahnen immer gleich schnell. In unserem Modell soll es daher für jedes der in K beschriebenen Objekte auch eine Beschreibung in einem anderen Koordinatensystem geben, das wir K nennen. 3. Gegeneinander gleichförmig bewegte Bezugssysteme 13 K habe folgende Eigenschaften: • Sei v eine bestimmte Geschwindigkeit, • Ein Objekt ruht in K , wenn seine Kurve in K parallel und gleichgerichtet zur x1-Achse verläuft und das Objekt auf dieser Kurve die Geschwindigkeit v hat. (3.4) • Jedem Objekt G , das in K ruht, ist in K eine gerade Kurve zugeordnet, die in Richtung der negativen x 1 -Achse verläuft. (3.5) v>0 . G hat in K konstante Geschwindigkeit. • Ereignisse von Objekten in K sind auch Ereignisse derselben Objekte in K . (3.6) • Alle Objekte erfüllen in K die Prinzipien 1 – 7 . (3.7) • Eine Einheitsstrecke auf der x1-Achse von K gemessen in K ist gleich einer Einheitsstrecke auf der x 1 -Achse von K gemessen in K . (3.8) Die Aussage (3.8) bedeutet, dass in K und K gleiche Maßstäbe verwendet werden [7, Seite 55, Definition 16]. Was unter der Länge einer bewegten Strecke zu verstehen ist, werden wir im folgenden Kapitel definieren. Das zu Anfang dieses Kapitels beschriebene Objekt G ruht nach (3.4) in K . Wir ordnen ihm entsprechend dem 1. Prinzip (2.2) in K den Punkt x :=( x 1 , x 2 , x 3 ) mit vorläufig noch unbestimmten Koordinaten zu. Als Bezugsobjekt in K wählen wir den Punkt x aus (3.1) der Kurve von G in K . x ist in K nach (3.5) eine gerade Kurve S zugeordnet. Den Nullpunkt der Parameterdarstellung x( s ) von S legen wir in den Punkt, in dem sich x und G berühren, also in K nach x(0) , d. h. x(0) ⇔ x . Um die Abhängigkeit der x -Koordinaten eines “Objektes” x auf seinem Weg durch K darstellen zu können, brauchen wir weitere Beziehungen zwischen den Koordinatensystemen K und K . 3. Gegeneinander gleichförmig bewegte Bezugssysteme 14 3.2 Länge bewegter Strecken Betrachten wir als nächstes die Länge von Signalwegen in beiden Systemen. Licht, das ein ruhender Beobachter B wahrnimmt, existiert auch für jeden anderen Beobachter, der sich mit konstanter Geschwindigkeit relativ zu B bewegt. Beide Beobachter erhalten aber für das Verhältnis der Längen zweier Lichtwege denselben Wert, wenn die Lichtwege im Bezugssystem eines Beobachters geschlossen sind. Wir verlangen eine entsprechende Eigenschaft von Signalen in unserem Modell. 8. Prinzip der "Länge und Form von Signalwegen" • • Ist das Kurvenstück eines Signals in K geschlossen und von der Länge r , so hat dieses Kurvenstück in K die Länge r r= . β (v) Wenn ein Signalweg in K gerade ist, so ist er auch in K gerade. (3.9) (3.10) Bemerkung zum 8. Prinzip • Wenn in einem Koordinatensystem Start und Endpunkt eines Signals zusammenfallen, markieren Start und Endpunkt im anderen Koordinatensystem eine zur Bewegungsrichtung ersteren Systems parallele Strecke. Nur in diesem Fall verlangen wir Proportionalität der Signalwege in beiden Koordinatensystemen gemäß (3.9), wobei der Proportionalitätsfaktor β (v) nur von der Schnelligkeit v , mit der die Systeme auseinanderlaufen, abhängt und keinem weiteren Parameter. Insbesondere ist β (v) vom Startpunkt, vom Verlauf und der Länge des Signalwegs unabhängig. Zur Vereinfachung schreiben wir im folgenden statt β(v) kurz β . Wir wollen die Geschwindigkeit v des Objektes x = (x1, x2, x3) in K ermitteln. Dazu betrachten das in Kapitel 2.3 beschriebene Verfahren zur Messung der Geschwindigkeit v von G in K und wenden es auf das Objekt x in K an. G sei ein Objekt, das in K konstante Geschwindigkeit v in Richtung der positiven der x1-Achse hat, und das in K nach Eigenschaft (3.4) in x ruht. Nach unseren Vereinbarungen im Kapitel 2.1 können wir wegen x ⇔ G das Objekt G durch das Objekt x ersetzen. Betrachten wir die Wege von L1 , L2 und G aus der Abbildung 2.1 in K : Dem Punkt x0 der Abbildung 2.1 entspricht hier das Objekt x : Die Messstrecke wird von den Objekten x und xs aus K begrenzt. Zu beiden Objekten gehört in K nach Eigenschaft (3.5) eine Parallele zur x 1 -Achse mit negativer Orientierung. Die Signale L1 und L2 , die in Abbildung 2.1 dargestellt und in Kapitel 2.3 beschrieben wurden, gibt es auch in K (s. Abbildung 3.1). Der Weg von L1 ist geschlossen mit Start und Ende in x , seine Länge sei r1 . Der Weg von L2 verläuft zwischen x und x1 , ist nach dem 8. Prinzip (3.10) gerade und habe die Länge r2 . In K sind die Wege von L2 und x identisch (s. Abbildung. 3.1). Die in K beobachteten Ereignisse (2.22) und (2.24) gibt es nach (3.6) auch in K . 3. Gegeneinander gleichförmig bewegte Bezugssysteme 15 L1 L2 : : x : Strecke [ x , xs ] : x xs x xs x x1 xs x – Abbildung 3.1 – Sie lauten hier x(0) ⇔ L1(0) und xs ( s ) ⇔ x ⇔ L1( r1 ) (3.11) x( r2 ) ⇔ L2( r2 ) . (3.12) bzw. L1( r1 ) ⇔ L2(0) und Die Signale L1 und L2 lassen sich nach dem 3. Prinzip (2.8) zu einem neuen Signal L12 mit den Ereignissen x(0) ⇔ L12(0) und x( r2 ) ⇔ L12( r1 + r2 ) (3.13) verbinden. Ein Vergleich der Beziehungen (3.13) und (2.19) liefert nach (2.21) mit ds = r2 und dr = r1 + r2 v= r2 r1 + r2 ⋅c (3.14) als Geschwindigkeit von x zwischen x und x1 . Nach Eigenschaft (3.5) von K ist diese Geschwindigkeit auf dem ganzen Weg von x in K konstant. Die Gleichung (3.14) ist eine Rechenvorschrift, die es gestattet, aus Längenangaben von Signalwegen auf die Schnelligkeit eines Objektes in K zu schließen. Eine mathematische Beziehung zwischen Längen in K und K besteht nicht von vornherein. Mit der Erfahrung, dass Beobachter, die aneinander vorbeifahren, wechselseitig gleiche Schnelligkeit messen, begründen wir das folgende Prinzip in unserem Modell. 9. Prinzip der “wechselseitig gleichen Schnelligkeit” Hat ein in K ruhendes Objekt in K die Geschwindigkeit v und ein in K ruhendes Objekt in K die Geschwindigkeit v , so gilt v = −v . (3.15) 3. Gegeneinander gleichförmig bewegte Bezugssysteme 16 Eine direkte Konsequenz aus dem 9. Prinzip ist der Satz: • Verschiedene Objekte, die in einem System ruhen, haben im anderen System die gleiche Geschwindigkeit. (3.16) Denn falls die Objekte G1 und G2 , die in K ruhen, in K die Geschwindigkeiten v1 bzw v 2 haben und ein in K ruhendes Objekt, z. B. 0 , in K die Geschwindigkeit v hat, so gilt v1 = – v = v 2 . Wegen der Symmetrie von K und K im 9. Prinzip ist damit (3.16) bewiesen. Jetzt sind wir in der Lage, den Proportionalitätsfaktor β aus (3.9) zu bestimmen. Sehen wir uns dazu die Abbildungen 2.1 und 3.1 an. In K ist der Weg der Signale L1 und L2 zusammen genommen geschlossen (s. Abbildung 2.1) und hat die Länge r . In K verläuft dieser Weg von x weg zu x zurück und von dort bis x1 in der Gesamtlänge r := r1 + r2 (s. Abbildung 3.1). Nach dem 8. Prinzip (3.9) gilt also r= r . β In K ist der Signalweg von L1 geschlossen von der Länge r1 . Daher ist wegen Gleichung (3.9) und dem 9. Prinzip (3.15) r1 = (r − s ) ⋅ β . Aus (3.14) folgt nun wegen (3.15) v r − ( r − s )⋅ β = c r 2 =1− r −s 2 ⋅β r und wegen (2.26) v c β 2 = (1 − )⋅ r v v = (1 − )⋅(1 + ) c r −s c , also β= 1− v2 c 2 (3.17) . Nun sei S eine Strecke, die in K die Randpunkte x und xs habe und parallel zur x1-Achse verlaufe. Die Länge von S ist in K durch s = xs − x gegeben. In K ist S in Bewegung: Alle Punkte von S haben nach Eigenschaft (3.5) in K die Geschwindigkeit ( – v) . Was unter der Länge von S in K zu verstehen ist, ist nicht ohne weiteres klar. 3. Gegeneinander gleichförmig bewegte Bezugssysteme 17 Wir wollen eine Definition geben, die bei Übertragung in die Wirklichkeit zu brauchbaren Ergebnissen führt. Definition der “Länge einer bewegten Strecke“ Eine Strecke S mit den Randpunkten x und xs im Abstand s in K hat in K die Länge s , wenn folgendes gilt: • • Es gibt 2 Signale La und Le , deren Kurven mit den Ereignissen x ⇔ La(0) ⇔ x und x s ⇔ Le(0) ⇔ xs beginnen. (3.18) Die Signale La und Le treffen sich in der Mitte der Strecke S := [ x , x s ] : La( 21 ⋅ s ) ⇔ Le( 21 ⋅ s ) ⇔ 21 ⋅ ( x + x s ) . (3.19) Bemerkung zur Definition der Länge einer bewegten Strecke • Durch (3.19) wird die Länge einer bewegten Strecke durch die Länge von Signalwegen definiert. s ist der Abstand der Punkte ( x , x s ) im Sinne der Definition (2.9). Wegen der Euklidizität von K nach dem 4. Prinzip (2.11) ist s = xs − x analog zu (2.12) zu berechnen. Nun sei S Teil einer Kurve, die zu einem Objekt G gehört. G habe in K auf seiner ganzen Kurve die konstante, durch (2.26) gegebene Geschwindigkeit v , ruht also nach Eigenschaft (3.4) in K in einem Punkt x . Aus dem 9. Prinzip (3.15) folgt, dass alle Punkte von S in K dieselbe Geschwindigkeit ( –v ) haben, insbesondere also auch die Randpunkte x und xs . Die Geschwindigkeit von x haben wir in Gleichung (3.14) angegeben. Das Signal L2 lief in (3.12) durch die Ereignisse L2(0) ⇔ x ⇔ L1( r1 ) und L2( r2 ) ⇔ x1 (3.20) (s. Abbildung 3.1). Weil xs die Geschwindigkeit ( –v ) hat, muss es zwischen x , dem Schauplatz des Ereignisses L2(0) ⇔ x ⇔ xs(0) in K , und x1 einen xs ⇔ xs( s s ) mit s s aus Punkt xs geben, der durch die Begegnung v= ss r2 ⋅c festgelegt ist (s. Abbildung 3.2). s s = x s − x (3.21) ist der Abstand der Punkte xs und x . Nach dem 3. Prinzip (2.6) gibt es für das Objekt xs in K und die Beobachtungen xs(0) und xs( s s ) in K ein Signal Ls mit den Ereignissen Ls(0) ⇔ xs(0) ⇔ L2(0) ⇔ x und und den Weglängen s s und r2 aus (3.21). Ls( r2 ) ⇔ xs( s s ) ⇔ x s (3.22) 3. Gegeneinander gleichförmig bewegte Bezugssysteme 18 Betrachten wir die Strecke S := [ x1 , xs ] . Nach dem 3. Prinzip (2.7) gibt es ein Signal La mit den Ereignissen La(0) ⇔ x1 ⇔ L2( r2 ) ⇔ x( r2 ) wobei s := x1 − x s und La( s ) ⇔ xs , (3.23) die Länge von S ist, sowie ein Signal Le mit den Ereignissen Le(0) ⇔ xs ⇔ Ls( r2 ) ⇔ xs( s s ) Ls : L2 : La : xs : und Le( s ) ⇔ x1 . (3.24) Le : ss x1 xt xs x – Abbildung 3.2 – Nach dem 3. Prinzip (2.8) lassen sich die Signale L2 und La zu einem Signal L2a und ebenso Ls und Le zu einem Signal Lse verbinden; denn die Bedingungen x ⇔ L2(0) aus (3.22) und L2( r2 ) ⇔ La(0) , La( s ) ⇔ xs aus (3.23) sowie x ⇔ Ls(0) aus (3.22) und Ls( r2 ) ⇔ Le(0) , Le( s ) ⇔ x1 aus (3.24) sind erfüllt, so dass es die Ereignisse x ⇔ L2a(0) , xs ⇔ L2a( r2 + s ) und x ⇔ Lse(0) , x1 ⇔ Lse( r2 + s ) gibt. Weil die Signale L2a und Lse gemeinsam in x starten, ihre Kurven dieselbe Länge ( r2 + s ) haben und das letzte Stück beider Kurven die Strecke S ist, die aber entgegengesetzt durchlaufen wird, muss es auf der Strecke S einen Punkt xt geben, in dem sich die Signale begegnen (s. Abbildung 3.2). Sei s a := x1 − x t und s e := x s − x t . Dann gilt sa + se = s (3.25) und L2a(0) ⇔ Lse(0) und L2a( r2 + s a ) ⇔ Lse( r2 + s e ) . (3.26) 3. Gegeneinander gleichförmig bewegte Bezugssysteme 19 Wegen des 5. Prinzips (2.14) folgt aus (3.26) ( r2 + s a ) = ( r2 + s e ) , also wegen (3.25) s a = s e = 21 ⋅ s . (3.27) Die Beziehungen (3.23) und (3.24) entsprechen der Beziehung (3.18), die Beziehung (3.25) zeigt wegen (3.27), dass die Bedingung (3.19) aus der Definition der Länge einer bewegten Strecke erfüllt ist. Daher hat die Strecke S in K die Länge s . Aus der Abbildung 3.2 lesen wir s = x1 − x s = x1 − x – x s − x ab und erhalten daraus wegen (3.21) v s = r2 – s s = r2 ⋅ (1− ) . c r2 berechnen wir aus (3.14) unter Verwendung der Prinzipien 9 (3.15) und 8 (3.9) sowie der Gleichung (2.23) und erhalten r2 = s⋅ β v 1− c . Das wichtige Ergebnis ist, dass die Strecke S in K verkürzt erscheint: s = s⋅ β (3.28) Wir werden die physikalische Wirklichkeit der Längenkontraktion bewegter Strecken am Beispiel des Myonenzerfalls im letzten Kapitel belegen. 4. Transformationen 20 4. Transformationen 4.1 Transformation von Koordinaten und der Länge von Signalwegen Wir wollen die Abhängigkeit der Koordinaten eines ruhenden Objektes in einem Koordinatensystem von den wechselnden Koordinaten auf der Kurve dieses Objektes im anderen Koordinatensystem explizit darstellen. Dazu betrachten wir ein bestimmtes in K ruhendes Objekt x = ( x1 , x 2 , x 3 ) . Nach Eigenschaft (3.4) von K ist x in K eine zur x1-Achse parallele Gerade zugeordnet. Die x2- und x3-Koordinaten dieser Geraden sind zunächst unbestimmt, bleiben aber auf der ganzen Kurve von x in K fest. Der Nullpunkt in der Parameterdarstellung der Geraden sei durch die Begegnung x = (x1, x2, x3) ⇔ x (0) (4.1) derart festgelegt, dass die Strecke S0 := [(0, x2, x3) , x ] in K als bewegtes Bild der in K ruhenden Strecke S 0 := [ (0, x 2 , x 3 ) , x ] im Sinne der Definition der Länge einer bewegten Strecke (3.18) – (3.19) erscheint. Dann gilt nach (3.28) x1 = x1 . β (4.2) Um die Gleichungen für die Koordinatentransformationen zu vereinfachen, lassen wir die x1-Achse von K mit der x 1 -Achse von K zusammenfallen, d. h. ein Objekt liegt auf der x 1 -Achse von K genau dann, wenn es in K auf der x1-Achse liegt. Außerdem sollen beide Achsen gleichgerichtet sein: Das bedeutet, dass unter der Voraussetzung “Die Punkte x1 und x2 aus K und die Punkte x1 und x 2 aus K seien durch die Ereignisse L(0) ⇔ x1 (s) ⇔ x1 und L(r) ⇔ x 2 (s) ⇔ x2 mit beliebigem s und einem nach dem 3. Prinzip (2.6) zu s zugehörigen r verknüpft” folgende Äquivalenz bestehen soll: x11 > x12 gilt genau dann, wenn x 11 > x 12 zutrifft. Die Randpunkte x1 := (0, x 2 , x 3 ) und x 2 := x der Strecke S 0 mit ihrem Bild in K erfüllen mit s = 0 wegen (4.1) obige Voraussetzung. Daher vereinfacht sich Gleichung (4.2) zu x1 = x1 β . (4.3) Nun sei xs ⇔ x (s) , xs = (x1s, x2, x3) , x1s = x1 + s . (4.4) 4. Transformationen 21 Nach dem 3. Prinzip (2.6) gibt es für die Beobachtungen x (0) und x (s) ein Signal mit der Weglänge rs , die durch Gleichung (3.3) bestimmt ist. Wir lassen s und rs in Gleichung (4.3) einfließen und erhalten x1 = x1 + s − s β = x 1s − r s ⋅ v c β . (4.5) Weil Gleichung (4.5) für beliebige Werte von s gilt, können wir den Index s in (4.5) weglassen und erhalten die erste der gesuchten Koordinatentransformationen: x1 = x1 − r ⋅ v c . β (4.6) Die Abhängigkeit der x1-Koordinate eines in K ruhenden Objektes x = (x1, x2, x3) von den Punkten seiner Kurve in K folgern wir auf die gleiche x Art: Statt (4.3) bestimmen wir x1 = 1 und statt (4.5) β x1 = x1 − s + s β = x1s + r s ⋅ v c β aus der Begegnung x s ⇔ x( s ) , x s = ( x 1s , x 2 , x 3 ) , x1s = x1 – s , da ja die Kurve von x in K in Richtung der negativen x 1 -Achse verläuft. So erhalten wir die Transformationsgleichung x1 = x1 + r ⋅ v c . β (4.7) Wir fragen nach der Abhängigkeit der Länge eines in K gemessenen Signalweges von der entsprechenden Länge des Signalweges in K . Wir könnten das Verfahren, das zur Koordinatentransformation (4.6) führte, sinngemäß wiederholen, wobei wir aufgrund des 3. Prinzips (2.7) in den Gleichungen (4.3) – (4.5) die x1-Koordinaten durch Längen von Signalwegen ersetzten. Eine einfache Umformung der Gleichungen (4.6) und (4.7) führt jedoch zum selben Ziel: Gleichung (4.7) zeigt den Zusammenhang zwischen x 1 , r und x1 . Wir lösen (4.7) nach r auf, ersetzen x 1 durch (4.6) und erhalten r= r − x1 ⋅ β v c . (4.8) 4. Transformationen 22 Analog berechnen wir die Länge r eines Signalweges in K in Abhängigkeit von r und x 1 aus Gleichung (4.6) unter Verwendung von Gleichung (4.7): r= r + x1 ⋅ v c . β (4.9) Um die Transformationsgleichungen für die x 2 - und x 3 -Koordinaten explizit angeben zu können, müssen wir die Lage der x 2 - und x 3 -Achsen sowie den Ursprung von K relativ zu K vorgeben. In der Wahl der Ausrichtung der Achsen von K sind wir nach dem 4. Prinzip (2.11) frei. Die Beziehungen zwischen K und K werden offensichtlich am einfachsten, wenn einander entsprechende Achsen parallel und gleichgerichtet angenommen werden. Zur Festlegung des Ursprungs von K wählen wir für jedes Objekt x aus K eine Parameterdarstellung seiner Kurve in K , die in x beginnt, also x ⇔ x(0) mit der durch (4.3) gegebenen Beziehung zwischen der x1- und der x 1 -Koordinate. Die Parallelität einander entsprechender Achsen erreichen wir durch die Vorgabe xn = 0 ist äquivalent zu denn die Gesamtheit aller Punkte (4.10) x n = 0 (n = 2, 3) ; x = ( x1 , x 2 , x 3 ) mit x1 = x 2 = 0 ist die x 3 -Achse, die im Startpunkt von x in K bei der Begegnung x ⇔ x(0) x1 = 0 nach (4.3) und x2 = 0 nach (4.10) mit der x3-Achse von K zusammenfällt. Ebenso treffen sich die x 2 - und x2-Achsen bei s = 0 . wegen Die Koordinatenachsen von K bleiben auf ihrem ganzen Weg durch K parallel zu den entsprechenden Achsen von K . Was diese anschauliche Aussage bedeutet, besagt der folgende Satz: • Für je zwei Punkte x1 = (x11, x21, x31) und deren Begegnungen und x2 = (x12, x22, x32) aus K x ks = ( x 1ks , x 2ks , x 3ks ) ⇔ xk( s ) , (k = 1, 2) (4.11) in K für ein beliebiges s ≥ 0 gilt: Aus xn1 = xn2 folgt x n1s = x n2s (n = 1, 2, 3) . (4.12) Um dies zu zeigen, erinnern wir daran, dass die Kurven aller Punkte aus K in K nach Eigenschaft (3.5) von K Parallelen zur x 1 -Achse sind, d. h. die x 2 - und x 3 -Koordinaten jedes Punktes aus K bleiben in K fest; es gilt also (4.12) für n = 2 und n = 3 . Außerdem haben alle Punkte aus K in K auf ihren Kurven nach (3.16) gleiche und nach Eigenschaft (3.5) konstante Geschwindigkeit ( – v ). 4. Transformationen 23 Für einen beliebigen Weg der Länge s > 0 mit den Begegnungen von x1 und x2 aus (4.11) gibt es nach dem 3. Prinzip (2.6) und Gleichung (2.23) ein r > 0 , das wir zur Berechnung von x 11s und x 12s nach (4.7) heranziehen, um zu erkennen, dass (4.12) auch für n = 1 zutrifft. Nach (4.12) behalten zwei Punkte, die in K in einer Koordinate übereinstimmen, die Gleichheit in dieser Koordinate nach jeweils gleichen Wegen in K bei. Die Gleichrichtung der 2. und 3. Achse sichert die Festlegung: xn > 0 (4.13) x n > 0 (n = 2, 3) . ist äquivalent zu Nach diesen Vereinbarungen betrachten wir die Punkte x00 = (x1 ,0 ,0) , xsr = (x1 + s ,x2 , x3) , x2s0 = (x1 + 2 ⋅ s ,0 ,0) . x1 sei beliebig, (4.14) x 2 2 + x 3 2 > 0 . s sei mit x2 und x3 durch die Beziehung (4.15) x 2 2 + x 3 2 = r 2 – s2 verbunden, wobei r durch die vorgegebene Geschwindigkeit v eines in K ruhenden Objektes aus r = s⋅ c v (4.16) bestimmt werde (s. Abbildung 4.1). Zu den Punkten in (4.14) gibt es nach dem 3. Prinzip (2.7) und (2.8) ein Signal L mit den Ereignissen (4.17) L(0) ⇔ x00 , L(r) ⇔ xsr , L( 2 ⋅ r ) ⇔ x2s0 . Nun betrachten wir in K das Objekt x 00 , das in K die Geschwindigkeit v hat und in K durch die Ereignisse L(0) ⇔ x 00 ⇔ x00(0) ausgezeichnet ist. Hierin ist s = s⋅ β und L( 2⋅ r ) ⇔ x 00 ⇔ x2s0 ( 2⋅ s ) ; denn die Strecke [ x00 , x2s0 ] hat in K als bewegte Strecke nach (3.28) die Länge 2 ⋅ s = 2 ⋅ s ⋅ β ist r = r ⋅β ; . Nach dem 8. Prinzip (3.9) (4.18) denn der Weg von L von x 00 nach x sr und zurück zu x 00 ist in K geschlossen. Er entspricht in K dem Weg von x00 über xsr nach x2s0 (s. Abbildung 4.1). In K gehört zu jedem der Punkte aus (4.14) nach Eigenschaft (3.5) von K eine zur x 1 -Achse parallele Gerade (s. Abbildung 4.1). Die Objekte x 00 , x sr und x 2s0 werden durch die Ereignisse L(0) ⇔ x00(0) ⇔ x 00 , L( r ) ⇔ xsr( s ) ⇔ x sr L( 2⋅ r ) ⇔ x2s0 ( 2⋅ s ) ⇔ x 2s0 , (4.19) 4. Transformationen 24 festgelegt. Sie haben nach (4.6) wegen der Beziehungen (4.10), (4.16) und (4.17) die Koordinaten x 1 v x00 = 1 , 0 , 0 , xsr = ⋅ (x 1 + s − r ⋅ ) , x 2 , x 3 und c β β 1 v x2s0 = ⋅(x1 + 2 ⋅ s − 2 ⋅ r ⋅ ) , 0 , 0 = x00 . c β K K x sr xsr xsr xsr : x00 : L: x00 x00 xs0 x2s0 x00 x 00 x2s0 x2s0 – Abbildung 4.1 – x1 = Die x 1 -Koordinate ist also bei allen drei Punkten x1 β . Daher lesen wir aus den Ereignissen (4.19) ab, dass L in K senkrecht zwischen x 00 und x sr verläuft, woraus die Beziehung 2 2 r = x2 + x3 2 (4.20) folgt. Wegen (4.15), (4.16), (4.18) und (4.20) gilt 2 2 2 2 x 2 2 + x 3 2 = r 2 − s 2 = r 2 ⋅ (1 − v ) = r ⋅ β 2 = x 2 + x 3 . 2 2 c β (4.21) Der Abstand eines Objektes von der x1-Achse in K ist gleich seinem Abstand von der x 1 -Achse in K . Wir betrachten die Punkte x := (x1 ,x2 , x3) und x1 := (x1 ,a , 0) mit Für x3 = 0 gilt nach (4.10) (4.22) x 3 = 0 . So erhalten wir aus (4.21) wegen (4.13) x 2 = x2 , falls ist. Nun sei x22 + x32 = a2 . x 3 = x3 = 0 (4.23) x 3 ≠ 0 . Nach dem 3. Prinzip (2.7) und (2.8) gibt es ein Signal L , das von x nach x1 und zurück zu x läuft. 4. Transformationen 25 L(0) ⇔ x , L(r1) ⇔ x1 L erzeugt in K die Ereignisse L( 2⋅ r ) ⇔ x und r1 := x − x1 mit (4.24) und in K auf den parallelen Geraden von x und x1 die Ereignisse L(0) ⇔ x(0) ⇔ x , L( r1 ) ⇔ x1( s1 ) ⇔ x1s L( 2 ⋅ r1 ) ⇔ x( 2 ⋅ s1 ) . , (4.25) Hierin ist x := ( x 1 , x 2 , x 3 ) , r1 = r1 β , s1 = r1 ⋅ v c (4.26) nach dem 8. Prinzip (3.9) und Gleichung (2.23) in Verbindung mit dem 9. Prinzip (3.15). Die Koordinaten von x1s sind wegen (4.23) (4.27) x1s = ( x 11s , a , 0 ) , wobei x 11s aus (4.6) berechnet werden kann. Wir kehren zur Kurve des Objektes x in K zurück: Zu einem Weg von L der Länge r1 gehört der Weg von x der Länge s1 aus (4.26). Mit s1 wird durch die Begegnung (4.28) x( s1 ) ⇔ x s = ( x 1s , x 2 , x 3 ) ein Objekt x s definiert. Die Punkte x und x1 aus (4.22) sind in der x1-Koordinate gleich. Weil die Begegnungen x1( s1 ) ⇔ x1s aus (4.25) und x( s1 ) ⇔ x s aus (4.28) den Begegnungen in (4.11) entsprechen, schließen wir nach (4.12), dass auch x s und x1s in der x1 -Koordinate gleich sind: x1s = x11s . Daher hat das Dreieck der Objekte x , x s und x1s bei x s einen rechten Winkel: x s − x1s 2 = x − x1s Aus den Ereignissen (4.25) schließen wir 2 – x − xs x − x1s 2 2 . (4.29) 2 . = r1 Die Begegnungen (4.25) und (4.28) ergeben durch Vergleich der Koordinaten von x in (4.26) und x s : Die Differenz der x 1 -Koordinaten von x und x s beträgt s1 . 2 2 Deshalb gilt wegen gleicher x 2 - und x 3 -Koordinaten x − x s = s1 . Aufgrund der beiden letzten Gleichungen erhalten wir aus (4.29) mit (4.26) und (4.24) x s − x1s 2 2 2 2 = r 1 − s1 = r 1 ⋅ β 2 = r12 = x − x1 2 . Für die Koordinaten aus (4.28), (4.27) und (4.22) bedeutet das ( a − x 2 )2 + x 3 Mit (4.21) und (4.23) folgt daraus sofort 2 = (a − x 2) 2 + x 3 2 x2 = x2 . für beliebige x3 . 4. Transformationen 26 Analog erhalten wir x 3 = x 3 für beliebige x2 und fassen diese Resultate in den gesuchten Transformationsgleichungen zusammen: x2 = x2 (4.30) x3 = x3 ; 4.2 Doppler-Effekt Lichtwellen stellen wir in unserem Modell als gerade Stücke einer Signalkurve dar. Ein Signal L laufe von x1 = ( x 1 ,0 ,0 ) nach 0 = (0 ,0 ,0 ) . Das Kurvenstück dort die Länge ( x1 , 0 ) λ = x1 entspreche der Wellenlänge von L in K und hat . In K gibt es die Ereignisse x1 := (x1 ,0 , 0) ⇔ L(0) ⇔ x1 (0) und 0 ⇔ L(r) , wobei r die Länge des Signalwegs in K ist und nach (4.9) mit r= λ + x1 ⋅ r = λ (4.31) den Wert v c β annimmt. Wir deuten x1 als Sender und 0 als Empfänger von L . x1 > 0 λ = x1 bedeutet, dass sich der Sender vom Empfänger entfernt. In diesem Fall ist und die Länge des Signalwegs in K 1+ λr := β v c ⋅λ . (4.32) Die Wellenlänge erscheint also gedehnt, wenn Sender und Empfänger auseinander laufen, d. h. der Empfänger sieht die Wellenlänge “rotverschoben“. x1 < 0 Jetzt ist bedeutet, dass der Sender in K dem Empfänger in K näher kommt. λ = − x 1 , also 1− λb := β v c ⋅λ . Die Wellenlänge erscheint in K gestaucht; der Empfänger sieht sie “blauverschoben“. Die durch die Gleichungen (4.32) und (4.33) beschriebene Verzerrung der Wellenlänge bewegter Sender heißt “Doppler-Effekt“. (4.33) 5. Zusammengesetzte Geschwindigkeiten 27 5. Zusammengesetzte Geschwindigkeiten 5.1 Geschwindigkeit in Richtung der Bewegung eines bewegten Bezugssystems Wir betrachten zwei Objekte GE und GF , die sich in K , wie in der Abbildung 5.1 dargestellt, mit vorgegebenen Schnelligkeiten v (GE) und u (GF) bewegen. LE : GE : LF GF x1 x2 e f x3 – Abbildung 5.1 – Die Strecke [ x2 , x1 ] sei vorgegebener Teil der Kurve von GE , die Strecke [ x2 , x3 ] Teil der Kurve von GF mit zunächst unbestimmtem Ende x3 . Für jede dieser Strecken gibt es nach dem 3. Prinzip (2.6) – (2.8) ein Signal LE bzw LF mit den der Beziehung (2.25) entsprechenden Ereignissen • von LE : LE (0) ⇔ x2 , LE (r – e) ⇔ x1 • von LF : LF (0) ⇔ x2 , LF (r – f) ⇔ x3 , LF (r) ⇔ x2 • sowie LE (0) ⇔ LF (0) ⇔ x2 , , LE (r) ⇔ x2 (5.1) LE (r) ⇔ LF (r) ⇔ x2 gemäß Abbildung 5.1, wobei x3 so bestimmt wird, dass die Ereignisse der letzten Zeile von (5.1) eintreten. Damit erhalten wir nach (2.26) für GE die Schnelligkeit v= e r−e ⋅c (5.2) und für GF die Schnelligkeit u= f r−f ⋅c . (5.3) Wir nehmen an, dass die Geschwindigkeiten der Objekte GE und GF auf ihren Kurven konstant sind. In K werde dem 1. Prinzip (2.2) entsprechend dem Objekt GE der Punkt x1 zugeordnet, d . h. GE ruht in x1 . Hier erscheint der oben beschriebene Versuch in etwa – d. h. ohne Maßstabtreue – wie in Abbildung 5.2 dargestellt: 5. Zusammengesetzte Geschwindigkeiten 28 LE : x2 : LF : GF : se x1 sf x2 x3 – Abbildung 5.2 – Nun fragen wir nach der Geschwindigkeit uF := (uF ,0 ,0) von GF in Richtung der x1-Achse in K in der Versuchsanordnung der Abbildung 5.2. Die Eigenschaften (3.4) – (3.8), die wir für K formulierten, gelten hier für K : In allen Aussagen ist K durch K , K durch K und v durch ( –v ) zu ersetzen. Nach Eigenschaft (3.6) gibt es die Ereignisse aus (5.1) auch in K : • LE (0) ⇔ x2 (0) ⇔ x1 , LE (rE) ⇔ x1 ⇔ x1 , LE (rE + se) ⇔ x2 (se) ⇔ x2 • LF (0) ⇔ x2 (0) ⇔ x1 , LF (rF) ⇔ x3 (sf) ⇔ x3 , (5.4) LF (rF + sf) ⇔ x2 (se) ⇔ x2 • sowie LE (0) ⇔ LF (0) ⇔ x1 , LE (rE + se) ⇔ LF (rF + sf) ⇔ x2 mit zunächst unbekannten Längen der Signalwege. Aus den Ereignissen (5.4) berechnen wir die Schnelligkeit von GF in K nach (2.23) mit s = se + sf und r1 = rF : uF = se + s f rF ⋅c . Bemerkung • Wir erinnern daran, dass die Strecken [ x1, x2 ] und [ x2, x3 ] nach Definition (2.10) “extremale“ Signalwege sind. In der Gleichung für die zusammengesetzte Schnelligkeit uF kommen neben c nur Signalwege vor. Für die weitere Ableitung ist die Definition der Strecke (2.10) als Länge eines Signalwegs wesentlich; denn für die Länge von Signalwegen gilt in gleichförmig gegeneinander bewegten Bezugssystemen das 8. Prinzip (3.9) und der DopplerEffekt. Beides verwenden wir im Folgenden. Wir werden die Abhängigkeit der Weglängen se , sf und rF von e , f und r aus der Versuchsanordnung der Abbildung 5.1 in K ableiten. Weil sich der “Sender” x2 von x1 entfernt, können wir Gleichung (4.32) mit λ = e anwenden: 1+ se = β v c ⋅e . 5. Zusammengesetzte Geschwindigkeiten 29 Andererseits kommt x2 dem Punkt x3 entgegen; daher gilt Gleichung (4.33) mit λ = f , also v 1− c ⋅f . s = f β rF erhalten wir aus der Überlegung, dass der Signalweg von LF von x1 über x3 r nach x2 in K geschlossen ist, woraus nach dem 8. Prinzip (3.9) rF = − s f β folgt. Wir fassen alle diese Ergebnisse zusammen und erhalten (1 − uF = v v ) ⋅ f + (1 + )⋅ e c c ⋅c v (r − f ) + ⋅f c f ⋅c r ⋅ v − f ⋅ v + f ⋅c r −f = = v v f (r − f ) + ⋅f 1+ ⋅ ⋅c 2 r −f c c v + , also wegen (5.3) uF = v + u v ⋅u 1+ c2 , das Additionstheorem für Geschwindigkeiten der Speziellen Relativitätstheorie. (5.5) 5. Zusammengesetzte Geschwindigkeiten 30 5.2 Geschwindigkeit senkrecht zur Richtung der Bewegung eines bewegten Bezugssystems Wir betrachten in K ein Objekt G , das kein Signal ist. Die Kurve des Objektes verlaufe auf der x 2 -Achse und enthalte die Strecke [ 0 , xg ] mit 0 =(0, 0, 0) , xg =(0, g, 0) und g > 0 . Die Geschwindigkeit von G sei in jedem Punkt dieser Strecke konstant und gleich u = (0, u , 0) mit u >0 (s. Abbildung 5.3). x2 xf G: L: Abstand : xg f g x1 0 – Abbildung 5.3 – Nach dem 3. Prinzip (2.6) gibt es ein Signal L mit den Ereignissen L (0) ⇔ G(0) ⇔ 0 und L ( 2 ⋅ f − g ) ⇔ G(g) ⇔ xg (5.6) , wobei f > g ist. Sei xf := (0, f, 0) (s. Abbildung 5.3). Das 3. Prinzip beschert uns in den Beziehungen (2.7) und (2.8) ein Signal L mit den Ereignissen L(0) ⇔ L (0) ⇔ G(0) ⇔ 0 , L(f) ⇔ xf , L( 2 ⋅ f − g ) ⇔ x g , L( 2 ⋅ f ) ⇔ 0 , (5.7) woraus wegen (5.6) G(g) ⇔ L( 2 ⋅ f − g ) folgt. Nach (2.26) hat daher G in K die Schnelligkeit u= g 2⋅f − g ⋅c . Wir fragen nach der Geschwindigkeit u := (v, u 2 , 0) von G in K . Wie die Kurven der Abbildung 5.3 in K aussehen, zeigt Abbildung 5.4 : (5.8) 5. Zusammengesetzte Geschwindigkeiten 31 x2 xf G: L: Abstand : 1 2 ⋅r f xg g′ s g 0 x0 x1 – Abbildung 5.4 – In K haben die Punkte 0 , xg und xf nach der Eigenschaft (3.4) von K Kurven, die parallel zur x1-Achse laufen, und in jedem Punkt dieser Kurven die konstante Schnelligkeit v . Nach Eigenschaft (3.6) gibt es in K die (5.7) entsprechenden Ereignisse L(0) ⇔ G(0) ⇔ 0 (0) ⇔ 0 , L( 21 ⋅ r ) ⇔ xf ⇔ xf , L( r − g′ ) ⇔ xg ⇔ xg ⇔ G(s) , L(r) ⇔ 0 (x10) ⇔ x0 =(x10, 0, 0) (5.9) mit den Weglängen r , s und g′ , die wir aus g und f in K bestimmen wollen. Zunächst überlegen wir, welchen Weg L in K nehmen muss. Nach (4.30) ist xf = (x1f, f, 0) . Der kürzeste Weg in K von 0 nach x0 , der die Parallele zur x1-Achse im Abstand f , auf der xf liegt, berührt, ist wegen des 4. Prinzips (2.11) eindeutig und hat die Länge x 10 2 + 4 ⋅ f r0 := 2 . Nach dem 8. Prinzip (3.9) ist 2⋅ f = r ⋅ β . (5.10) Aus den Ereignissen (5.9) lesen wir die Geschwindigkeit v= x 10 ⋅c r (5.11) von 0 in K ab und erhalten mit (5.10) 4 ⋅ f 2 = r 2 − x10 2 , also r0 = r . Daher läuft L in K so, wie in Abbildung 5.4 dargestellt. Aus den Ereignissen (5.9) erhalten wir nach (2.23) für die Schnelligkeit von G in K u= s r − g′ ⋅c . (5.12) 5. Zusammengesetzte Geschwindigkeiten 32 xg = (x1g, g , 0) . Dann ist s = x 1g 2 + g2 die Länge des Weges von G in K zwischen 0 und xg . Aus Abbildung 5.4 lesen wir Sei g′ r = g 2⋅f und (x 10 − x 1g ) 2 = g′ 2 − g 2 ab und erhalten aus (5.10), (5.11) und den letzten beiden Gleichungen x1g = 2⋅ f − g v ⋅ β c . Mit diesen Ergebnissen führt (5.12) zu u= Andererseits ist u = von (5.8) 2 v + u2 2 v 2 c 2 + β2 (2 ⋅ f − g) 2 2 ⋅g ⋅ c (5.13) . . Ein Vergleich mit (5.13) liefert unter Beachtung u2 = u⋅ β (5.14) . Wenn andererseits ein Objekt G in K die Geschwindigkeit u := (v, u 2 , 0) hat – z. B. zwischen 0 und xg , wie in Abbildung 5.4 dargestellt – , so kann seine Geschwindigkeit u in K in Richtung der x 3 -Achse keinen Betrag haben, weil die dritte Koordinate aller Punkte der Kurve des Objektes sowohl in K als auch wegen (4.30) in K denselben Wert 0 hat. Die senkrechte Projektion von G auf die x1 -Achse führt zu einem Objekt P , das auf jedem Punkt seiner Kurve, der x1 -Achse, die Geschwindigeit v = (v, 0, 0) hat. Weil K nach seiner Eigenschaft (3.4) durch die Gesamtheit aller Objekte aus K mit genau dieser Geschwindigkeit definiert ist, ruht P in K . P ist auch in K der “Schatten von G ” auf der x 1 -Achse; denn die x 1 -Koordinate jedes Punktes der Kurve von G in K ist konstant, weil x 1 nach (4.6) von x2 und x3 unabhängig ist und die Objekte G und P in K in Richtung der x1-Achse dieselbe Schnelligkeit v haben. Daher ist die Geschwindigkeit von G in Richtung der x 1 -Achse wie die von P gleich 0 . Aus (5.14) folgt, dass die Geschwindigkeitskomponente von u in Richtung der u x 2 -Achse gleich u = 2 sein muss. Damit haben wir gezeigt: β u = (0, u , 0) in K Die Geschwindigkeit ist äquivalent zu der Geschwindigkeit u = (v, u ⋅ β , 0) in K . (5.15) 6. Beschleunigung 33 6. Beschleunigung 6.1 Definition der Beschleunigung Wir suchen ein Maß für die Änderung der Geschwindigkeit. Einem Objekt G sei die Kurve S in der Parameterdarstellung x(s(r)) zugeordnet. Seine Geschwindigkeit in x(s) sei durch v(s) = ( v1(s(r)), v2(s(r)), v3(s(r)) ) gegeben. Die Komponenten vn(s(r)) sind nach dem 6. Prinzip (2.17) nach r differenzierbar. Definition der “Beschleunigung“ a( x) : = Die Dimension der Beschleunigung ist dv dr ⋅c = d d1 (s) ds ds ⋅ dr ⋅ v ⋅ c + d1 (s) ⋅ vel m dv dr ⋅c (6.1) 2 . Aus (2.20) und (2.21) folgt d d1 (s) 2 dv ds dv ⋅ ⋅c = ⋅ v + d1 (s) ⋅ ⋅ v ds dr ds ds . Dies ist in Übereinstimmung mit der üblichen Darstellung der Beschleunigung [9, Seite 46] die Zerlegung der Beschleunigung in einen zu S senkrechten Teil d d1 (s) ds ⋅v2 und einen zu S tangentialen Teil d1 (s) ⋅ dv ⋅v ds , da d1 (s) ja Einheitsvektor in Bahnrichtung ist. Der Betrag des tangentialen Teils der Beschleunigung ist gegeben durch a(s) := dv ⋅v ds . (6.2) Damit können wir die Definitionsgleichung (6.1) in der Form a( x) = schreiben. d d1 (s) ds ⋅ v 2 + d1 (s) ⋅ a(s) (6.3) 6. Beschleunigung 34 Beispiel 6.1: Konstante Bahnbeschleunigung Die Kurve S eines Objektes G sei durch x(s) = (x0 – s, 0, 0) gegeben. In x(s) wirke die konstante Bahnbeschleunigung a(s) = g in Richtung der negativen x1-Achse. Die Anfangsgeschwindigkeit von G in x(0) sei v0 = – (v0, 0, 0) . Gesucht ist die Geschwindigkeit v1 = – (v1, 0, 0) von G in x(s1) . d d1 (s) Aus (6.2) und (6.3) folgt wegen d1 (s) = (−1, 0, 0) und = (0, 0, 0) : ds dv a(x(s)) = – (g, 0, 0) = − ( v(s)⋅ , 0, 0) ds und daraus : s1 v1 ∫0 g ds = ∫ v dv , g ⋅ s1 = 1 ⋅ ( v 12 − v 0 2 ) 2 v0 . Hieraus erhalten wir das bekannte Gesetz für den “freien Fall“: v = 2 ⋅ g ⋅ s1 + v 0 2 1 (6.4) Diese Gleichung zeigt, dass reale Beschleunigungsfelder keine konstante Bahnbeschleunigung bewirken können, weil dann die Geschwindigkeit v 1 bei beliebiger Anfangsgeschwindigkeit v 0 mit zunehmender Weglänge s1 über c hinaus wachsen würde. Beispiel 6.2: Konstante Radialbeschleunigung Ein Objekt G bewege sich mit konstanter Schnelligkeit v auf einer Kreisbahn K mit dem Radius k in der x1 - x 2 -Ebene um 0 entgegen dem Uhrzeigersinn. In x = (k, 0, 0) sei der Startpunkt s = 0 . Dann ist s k s k s k s k x(s) = k ⋅ (cos , sin , 0) , d1 (s) = (−sin , cos , 0) , a(s) = d d1 (s) ds 1 k s k dv ⋅v = 0 , ds s k = − ⋅ (cos , sin , 0) . Daher ist nach (6.3) G in jedem Punkt x = ( x1 , x 2 , 0 ) 0 beschleunigt: a(x) = − v2 k 2 x . auf K radial in Richtung 6. Beschleunigung 35 6.2 Beschleunigung in Richtung der Bewegung eines bewegten Bezugssystems Bekanntlich bewirkt nur der tangentiale Teil der Beschleunigung eine Änderung der Schnelligkeit von Objekten. Ein Objekt G habe in x(s) die Schnelligkeit v . Wir legen K so, dass der Richtungsvektor d1(s) von G in x(s) in Richtung der positiven x1-Achse zeigt. Dann gilt für ein infinitesimales Stück der Kurve von G in K nach der Eigenschaft (3.4) von K : G ruht in K , d. h. G hat in einem Punkt x aus K bei der Begegnung G(s) ⇔ x(s) ⇔ x die Geschwindigkeit 0 . Die Kurve von G laufe in K von x in Richtung der positiven x 1 -Achse nach ; der Einheitsvektor d1 (s) hat also dieselbe Richtung wie v . In x1 ds habe G die Schnelligkeit dv = ⋅ c mit der Länge dr des Weges eines dr Signals aufgrund des 3. Prinzips (2.6). Weil G in x die Geschwindigkeit 0 hat, ist die Beschleunigung von G in x nach (6.3) durch x1 : = x + d s a( x) := d1 (s) ⋅ a ( x ) mit a ( x ) := dv ⋅c dr (6.5) gegeben. In K beträgt der Schnelligkeitszuwachs von G zwischen x(s) und x(s+ds) wegen (5.5) mit u = dv v ⋅ dv + dv v − v ⋅ 1+ 2 β 2 ⋅ dv v + dv c dv = v(s+ds) – v(s) = −v= = . v ⋅ dv v ⋅ dv v ⋅ dv 1+ 1+ 1+ 2 2 c c c2 Das 8. Prinzip (3.9) liefert in K wegen dr = β ⋅ dr a( x ) = dv dr ⋅c = . So finden wir für die Beschleunigung von G dv dr dv ⋅ ⋅ ⋅ c = β 2 ⋅ β ⋅ a( x ) dv dr dr die bekannte Beziehung [4, Seite 846] a( x ) = β 3 ⋅ a( x ) . (6.6) 6. Beschleunigung 36 Beispiel 6.3: Variable Bahnbeschleunigung Wir kommen auf das Beispiel 6.1 zurück: Die Kurve S des Objektes G sei durch x(s) = (x0 – s, 0, 0) mit x0 > s > 0 gegeben. In x(s) habe G die Schnelligkeit v = v(s) und in K (s) bei der Begegnung G ⇔ x ⇔ x(s) die Schnelligkeit 0 . K (s) betrachten wir nur jeweils in einer infinitesimalen Umgebung von x . Wir nehmen hier an, dass G in x aus K (s) eine Beschleunigung erfährt, die von x in Richtung 0 wirkt und umgekehrt proportional zum Quadrat des Abstands von 0 ist: Es sei mit ρ := x k a( x) = − ( ρ 2 ,0,0 ) , wobei k eine positive Konstante der Dimension vel 2 ⋅ m sein soll. Wir suchen wieder die Geschwindigkeit v1 = – (v(s1), 0, 0) von G in x(s1) = (x1, 0, 0) mit x1 = x0 – s1 und 0 < s1 < x0 . Für s < x0 folgt aus (6.6) mit (3.28) und (6.2) a( x(s)) = β 3 k ρ mit 2 = β3 k ρ 2 ⋅β 2 k =β ρ2 = β k = v(s) ⋅ ( x 0 − s)2 dv = a(s) ds (6.7) ρ := x0 – s , also s1 ∫ v( s1) k 0 ( x 0 − s) Daraus erhalten wir mit β 0 := 1 − ds = 2 v dv β v(0) ∫ . v(0) 2 c 2 2 k s1 = v( s1) = c ⋅ 1 − β − ⋅ 0 2 x ⋅( x + s ) 1 1 1 c v(0) 2 + 2 ⋅ β 0 ⋅ k x 1⋅ ( x 1 + s1 ) ⋅ s1 − ... . (6.8) wird, so können wir auf dem ganzen Kurvenstück von x(0) bis k x(s1) die Beschleunigung g := β 0 ⋅ als konstant ansehen. Nehmen wir x12 darüber hinaus v(0) << c an, so erhalten wir in Übereinstimmung mit (6.4) Wenn s1 << x 1 v( s1) ≈ 2 ⋅ g ⋅ s1 + v(0) 2 . 7. Masse 37 7. Masse In unserem Modell kann ein Objekt eine eindeutige Masse m haben. m ist eine skalare Größe in der Einheit kg . Die Masseneinheit wird durch ein “Normalobjekt“ mit der Masse mN = 1 kg festgelegt. Definition der “Massengleichheit“ Zwei Objekte G1 und G2 haben gleiche Masse m1 = m2 , wenn es in einem Inertialsystem die Begegnung G1(s1) ⇔ G2(s2) und • G1 in G1(s1) ruht und in G1(s1 + ds) gibt die Geschwindigkeit v hat, während • G2 in G2(s2 – ds) die Geschwindigkeit v hat und in G2(s2) ruht. In dieser Definition bilden die Objekte G1 und G2 das Verhalten von Gegenständen bei einem idealisierten “elastischen zentralen Stoß“ in unserer idealisierten Welt nach. Deshalb sprechen wir im Folgenden vom “elastischen Stoß“ der Objekte. Wenn ein Objekt ruht, hat es die Ruhemasse m := m(0) . Aus der Definition der Massengleichheit lässt sich ausgehend vom Normalobjekt eine Messvorschrift für beliebige Ruhemassen ableiten, wenn wir annehmen, dass die Masse folgende Eigenschaften hat: 10. Prinzip von der “Existenz und Relativität der Masse“ Für jede Zahl k>0 gibt es ein Objekt mit der Ruhemasse m := m(0) = k kg . (7.1) (7.2) Die Ruhemasse ist vom Bezugssystem unabhängig. Jedes Objekt mit der Masse m kann auf jede Geschwindigkeit v ( 0 ≤ v < c ) beschleunigt werden. Seine Masse m(v) ist nur von seiner Ruhemasse und seiner Schnelligkeit v abhängig: m(v) ist in v stetig; 0 < m(v) < ∞ . (7.3) Das 10. Prinzip (7.3) deutet die Abhängigkeit der Masse eines Objektes von dem Bezugssystem an, in dem seine Masse gemessen wird. Um die Abhängigkeit m(v) explizit zu bestimmen, verwenden wir ein bekanntes Verfahren, das die Energie- und Impulserhaltung beim elastischen Stoß in jedem Bezugssystem voraussetzt. Wir formulieren die Gültigkeit dieser Voraussetzungen im 11. Prinzip: Dieses Prinzip bildet einen elastischen Stoß aus der Sicht verschiedener Inertialsysteme ab, indem Massen und Geschwindigkeiten von Objekten in beiden Systemen vor ihrer Begegnung bestimmte Beziehungen zwischen Massen und Geschwindigkeiten nach ihrer Begegnung zur Folge haben. 7. Masse 38 11. Prinzip der “Impuls- und Energieerhaltung bewegter Masse“ In der Nähe der Begegnung G1(0) ⇔ G2(0) der Objekte G1 mit der Ruhemasse m1 und G2 mit der Ruhemasse m2 werden in K die Geschwindigkeiten v1 von G1( – ds) , v3 von G1(ds) v2 von G2( – ds) , v4 von G2(ds) und in K die Geschwindigkeiten v1 von G1( − d s ) , v3 von G1( d s ) v2 von G2( − d s ) , v4 von G2( d s ) gemessen. Wenn die zugehörigen Schnelligkeiten durch v1 + v 2 = v 3 + v 4 und v1 + v 2 = v 3 + v 4 (7.4) verknüpft sind und für die Massen in K die Beziehung m1(v 1 ) ⋅ v1 + m 2 (v 2 ) ⋅ v2 = m1(v 3 ) ⋅ v3 + m 2 (v 4 ) ⋅ v4 (7.5) erfüllt ist, dann gilt in K m1( v 1 ) ⋅ v1 + m 2 ( v 2 ) ⋅ v2 = m1( v 3 ) ⋅ v3 + m 2 ( v 4 ) ⋅ v4 . (7.6) Wir werden zeigen, dass aus den Prinzipien 10 und 11 der Masse m(v) = m (7.7) β folgt. Erläuterung zum 11. Prinzip • Die Abbildungen 7.1 und 7.2 stellen einen elastischen Stoß in K bzw K dar, der die Bedingungen in (7.4) erfüllt. Das Verhalten der Objekte G1 und G2 in diesen Abbildungen veranschaulicht die Energieerhaltung vor und nach einem elastischen Stoß. Die Gleichungen (7.5) und (7.6) bilden die Impulserhaltung unserer Welt in K (s. Abbildung 7.1) und in K (s. Abbildung 7.2) nach. Wenn bei einem unelastischen Stoß, bei dem (7.4) nicht gilt, der Gesamtimpuls beim Stoß gemäß (7.5) in K erhalten bleibt, wird (7.6) in K im allgemeinen nicht gelten; der Gesamtimpuls ist nicht “translationsinvariant“. Beweis von (7.7) Wir betrachten zwei Objekte mit den beliebigen Massen m1 und m2 . Wenn wir zunächst m1 = m2 ausschließen, können wir o. B. d. A. m1 < m2 annehmen. Wegen der Stetigkeit von m(u) in u = 0 nach dem 10. Prinzip (7.3) gibt es ein v1 > 0 und eine obere Schranke M für m2(u) derart, dass gilt m1(v1) < m2(v1) und m2(u) < M für alle u mit 0 ≤ u ≤ v1 . 7. Masse 39 v1 v3 K: G1 : G2 : u x1 u v2 v4 v v – Abbildung 7.1 – −v −v v3 v1 u⋅ β x1 K : G1 : u G2 : β v2 v4 – Abbildung 7.2 – Daraus folgt lim m 2 (u) ⋅ u = 0 . Daher gibt es ein v2 < v1 , das u→0 m1(v 1 ) ⋅ v 1 = m 2 (v 2 ) ⋅ v 2 (7.8) erfüllt. Auch für m1 = m2 gibt es Schnelligkeiten, die (7.8) erfüllen, nämlich v2 = v1 . Wir können also für beliebige Massen m1 und m2 geeignete Schnelligkeiten v1 und v2 für die Gültigkeit von (7.8) finden. Mit v1 = (0 , v 1, 0) , v2 = (0 ,−v 2 , 0) , v3 = − v1 , v4 = − v2 und den gemäß (5.15) transformierten Geschwindigkeiten v1 = ( −v , v 1 ⋅ β , 0) v3 = ( −v ,−v 1 ⋅ β , 0) v2 = ( −v ,−v 2 ⋅ β , 0) , , v4 = ( − v , v 2 ⋅ β , 0) , ist (7.4) und wegen (7.8) auch (7.5) erfüllt. Daher gilt nach dem 11. Prinzip auch (7.6). 7. Masse 40 Aus der x 2 -Komponente dieser Gleichung schließen wir m1 ( v 1 ) ⋅ v 1 ⋅ β = m 2 ( v 2 ) ⋅ v 2 ⋅ β . Zusammen mit (7.8) folgt daraus m1( v 1 ) m1(v 1 ) Da v2 ≤ v1 v2 → 0 = m2 (v 2 ) . m 2 (v 2 ) (7.9) war und v 1 beliebig klein werden darf, geht mit und vn → v v1 → 0 auch (n=1,2) . Gleichung (7.9) führt daher im Grenzwert zu m1(v) m1 für beliebige m1 und m2 . g(v) := m(v) m = m 2 (v) (7.10) m2 ist offenbar von m unabhängig. Also können wir m(v) = m ⋅ g(v) (7.11) schreiben. Nun geben wir u > 0 vor. In K sei v1 = (0 ,−u, 0) , v3 = (0 , u , 0) , v2 = (v , u, 0) , v4 = (v ,−u , 0) , wie in Abbildung 7.1 dargestellt. v1 = ( −v ,−u ⋅ β , 0) , v3 = ( −v , u ⋅ β , 0) , u v2 = (0 , , 0) , v4 = (0 ,− β u β , 0) sind die gemäß (5.15) transformierten Geschwindigkeiten in K (s. Abbildung 7.2). Diese Geschwindigkeiten erfüllen (7.4). Für eine beliebige Masse m1 garantiert das 10. Prinzip (7.1) die Existenz einer Masse m 2 := m1(u) g(v 2 ) , für die wegen (7.11) m 2 ⋅ g(v 2 ) = m 2 (v 2 ) = m1(u) (7.12) gilt. Diese Geschwindigkeiten und Massen erfüllen (7.5), also nach dem 11. Prinzip auch (7.6). Die x 2 -Komponente von (7.6) lautet hier − m1 ( v 1 ) ⋅ u ⋅ β + m 2 ( v 2 ) ⋅ u β = m1( v 1 ) ⋅ u ⋅ β − m 2 ( v 2 ) ⋅ u β , also m 2 ( v 2 ) = m1( v 1 ) ⋅ β 2 . (7.13) 7. Masse Wir können u beliebig klein vorgeben. Aus v1 → 0 , v2 → v 41 u→ 0 , v1 → v folgt , v2 → 0 . Die Gleichungen (7.12) und (7.13) konvergieren zu m2(v) = m1 und m2 = m1(v) ⋅ β 2 Andererseits ist nach (7.10) m 2 = m1 ⋅ m 2 (v) , m1(v) also wegen (7.14) m1(v) = Da m1 beliebig war, ist (7.7) bewiesen. m1 β . . (7.14) 8. Impuls, Energie, Kraft, Arbeit und Potential 42 8. Impuls, Energie, Kraft, Arbeit und Potential In diesem Kapitel führen wir die wichtigsten physikalischen Größen, die mit der Geschwindigkeit verknüpft sind, als Definitionen ein und leiten daraus die bekanntesten Beziehungen zwischen diesen Größen ab. Definition des “Impulses“ Der Impuls eines Objektes mit der Ruhemasse m und der Geschwindigkeit v ist p := m(v) ⋅ v . p ist ein Vektor in Richtung v mit dem Betrag p(v) = m(v) ⋅ v . Die Dimension des Impulses ist kg⋅ vel . Aus (7.7) folgt c 2 ⋅ m 2 = c 2 ⋅ m 2 (u) − p 2 (u) . Da c nach dem 7. Prinzip (2.18) sowie der Eigenschaft (3.7) von K in allen Bezugssystemen gleich groß ist und auch m nach dem 10. Prinzip (7.2) vom Bezugssystem unabhängig ist, gilt mit p(u) := ( p1 , p 2 , p 3 ) p(u) := ( p1 , p 2 , p 3 ) in K und 2 2 in K 2 p12 + p 2 2 + p 3 2 − c 2 ⋅ m 2 (u) = p1 + p 2 + p 3 − c 2 ⋅ m 2 (u) (8.1) für jede Masse m und beliebige Geschwindigkeiten u < c in K und deren transformierte u in K . Wie von Minkowski [6, Seite 75 - 86] eingeführt, schreiben wir p n = gn ( p1 , p 2 , p 3 , i ⋅ c ⋅ m(u), v ) (n=1, 2, 3) (8.2) i ⋅ c ⋅ m(u) = g 4 ( p1 , p 2 , p 3 , i ⋅ c ⋅ m(u), v ) und nehmen an, dass die Funktionen gn (n=1 – 4) in allen Komponenten beliebig oft differenzierbar sind. Daraus folgt bekanntlich [2, Seite 10 - 11] , dass (8.2) die Form ξ = Bξ annimmt, wobei ξ = ( p1 , p 2 , p 3 , i ⋅ c ⋅ m(u) ) und ξ = ( p1 , p 2 , p 3 , i ⋅ c ⋅ m(u) ) bedeutet und B eine orthonormierte Matrix bezeichnet. Die Komponenten dieser Matrix sind nur von v abhängig und lassen sich einfach durch die Wahl spezieller Geschwindigkeiten in K (z. B. u1 = (0 , 0 , 0) , u2 = (0 , u , 0) , ... ) und deren transformierte in K berechnen. So erhalten wir die Transformationsgleichungen p1 = p1 − m(u) ⋅ v β m(u) − p1 ⋅ , p 2 = p 2 , p 3 = p 3 , m(u) = für den Impuls und die Masse in K , wobei u := ( u1 , u 2 , u3 ) mit u = u und p n := un ⋅ m(u) bedeutet. zu u := ( u1 , u 2 , u 3 ) β mit in K transformiert wird und v c 2 (8.3) u = u in K p n := un ⋅ m(u) 8. Impuls, Energie, Kraft, Arbeit und Potential 43 Wir zitieren [1, Seite 219] die relativistische Definition der “Energie“ Ein Objekt mit der Ruhemasse m und der Schnelligkeit v hat die Energie W(v) := m(v) ⋅ c 2 (8.4) Danach ist Energie eine positive skalare Größe der Dimension kg ⋅ vel 2 massebehafteter Objekte. Die Energie von Signalen behandeln in Kapitel 9. Die Gleichung (8.4) wird als Funktion des Impulses in der Form W(v) = c ⋅ m 2 ⋅ c 2 + p 2 (8.5) als “relativistischer Energiesatz“ bezeichnet [4, Seite 848] . Die Reihenentwicklung von (8.4) liefert in dem von v abhängigen Teil die kinetische Energie [4, Seite 847] : Definition der “kinetischen Energie“ Ein Objekt mit der Ruhemasse m und der Schnelligkeit v hat die kinetische Energie Wk (v) := 1 2 ⋅m ⋅ v 2 ⋅ ( 1+ 3v 2 4c 2 + ... ) . Anders geschrieben ist Wk (v) = W(v) − W(0) . Die Kraft, die auf ein Objekt G in x wirkt, definieren wir durch das Produkt aus der Ruhemasse und der Beschleunigung (6.5): Definition der “Kraft“ F ( x ) := m ⋅ a ( x ) (8.6) 2 vel Die Dimension der Kraft ist kg ⋅ . Den Zusammenhang zwischen der in K m effektiv beobachteten Beschleunigung und der Beschleunigung des in x auf Ruhe transformierten Objektes G zeigt Gleichung (6.6). Für die Kraft bedeutet das F ( x) = m β mit dem Betrag F( x ) = m β 3 3 ⋅ a( x ) (8.7) ⋅ a( x ) . Damit ist Kraft eine vektorielle Größe, deren Richtung in jedem Punkt x durch die Richtung der Beschleunigung in x gegeben ist. 8. Impuls, Energie, Kraft, Arbeit und Potential 44 Arbeit ist das Weg-Integral der Kraft. Sei S eine Kurve mit den in Kapitel 2.1 beschriebenen Eigenschaften. Definition der “Arbeit“ Die Arbeit längs der Kurve S vom Startpunkt x(s0) bis zum Endpunkt x(s) ist gegeben durch s W(s 0 , s) := ∫ F( x(s)) ⋅ cos ( F ( x(s)) , d1 (s) ) ds . s0 (8.8) Danach ist Arbeit eine skalare Größe der gleichen Dimension kg ⋅ vel 2 wie Energie. Ihr Wert wird nur von dem Anteil der Kraft beeinflusst, der tangential zur Kurve S wirkt. Bei frei beweglichen Objekten erhöht genau dieser Anteil ihre Schnelligkeit. Um ein Objekt mit der Masse m in einem “konservativen Beschleunigungsfeld“ – das ist ein Bereich, in dem die Beschleunigung ggf von Punkt zu Punkt stetig wechselt, in jedem Punkt aber fest bleibt – von der Schnelligkeit v0 in x(s0) auf v in x(s) zu beschleunigen, ist nach (8.7) und (8.8) wegen (6.2) die Arbeit s 2 u W(s 0 , s) = m ⋅ ∫ 1− s0 c 2 = m⋅c ⋅ 2 −1,5 2 1− v c2 ⋅u⋅ − 0,5 du ⋅ ds ds v 2 − 1− 0 c2 − 0,5 = Wk (v) − Wk (v 0 ) (8.9) erforderlich. Arbeit ist also die Differenz von kinetischen Energien zwischen Ziel und Start und daher unabhängig vom Weg selbst. Mit (8.9) können wir die potentielle Energie eines Objektes, das in jedem Punkt x die Beschleunigung a(x) aus (6.6) erfährt, definieren: Sei x(s) die differenzierbare Parameterdarstellung der Kurve eines Objektes mit der Ruhemasse m , x1 := x(s1) ein fester Punkt dieser Kurve, in dem das Objekt die Schnelligkeit v1 habe. Die Beschleunigung, die das Objekt in jedem Punkt seiner Kurve erfährt, sei nur von x abhängig. Definition der “potentiellen Energie“ Die potentielle Energie eines Objektes in x bezogen auf x1 ist gegeben durch Wp(x, x1) := W(s, s1) . (8.10) Durch (8.10) wird potentielle Energie gemäß (8.9) mit Arbeit gleichgesetzt, die auf der Kurve ab x bis x1 erbracht würde. 8. Impuls, Energie, Kraft, Arbeit und Potential 45 Wenn die Kurve eines Objektes durch ein konservatives Beschleunigungsfeld läuft, so folgt die Konstanz der Summe aus kinetischer und potentieller Energie des Objektes in jedem Punkt x(s) seiner Kurve aus der Unabhängigkeit der Arbeit vom Weg in diesem Bereich; denn nach (8.10) und (8.9) ist diese Summe Wk (v(s)) + Wp ( x(s), x1 ) = Wk (v) + Wk (v 1 ) − Wk (v) = Wk (v 1 ) (8.11) nur abhängig von der Schnelligkeit des Objektes in x1 , d. h. unabhängig von s und v(s) . Üblicherweise wird die potentielle Energie auf den unendlich fernen Punkt normiert. Das Verhältnis von potentieller Energie zur Masse eines Objektes, das “Potential“, ist in konservativen Beschleunigungsfeldern nur noch ortsabhängig. Definition des “Potentials“ In einem konservativen zentralsymmetrischen Beschleunigungsfeld ist das Potential gegeben durch W( x , ∞ ) U( x ) := . m (8.12) 9. Der freie Fall im Beschleunigungsfeld einer Masse 46 9. Der freie Fall im Beschleunigungsfeld einer Masse Wir beschreiben den Abstand zweier Ereignisse ohne Verwendung eines Zeitbegriffs auf der Grundlage unserer Hypothese der “Omnipräsenz des Lichts als Voraussetzung jeder Bewegung“. Damit wird der Ereignisabstand eine anschauliche Größe. Im 12. Prinzip verlangen wir die Gleichheit von Trägheitsbeschleunigung und Schwerebeschleunigung in den “Minkowski-Räumen“ E := {r , x } und E := { r , x } und leiten daraus die Gleichung für die Geschwindigkeit frei fallender Objekte und die Potentialgleichung in diesen Räumen ab. Nach der Allgemeinen Relativitätstheorie bestimmt die Massenverteilung im Raum die Metrik des umgebenden Ereignisraums. Durch eine zentralsymmetrische statische Massenverteilung erhält der Ereignisraum E = {r , x } “Schwarzschild-Metrik“. Einen Ereignisraum mit dieser Metrik, die wir im 13. Prinzip angeben, nennen wir “Schwarzschild-Raum“. Im Schwarzschild-Raum ist der 3-dimensionale Raum nicht mehr euklidisch. Darüber hinaus bestimmt in solchen Räumen die freie Bewegung eines Objektes längs einer geodätischen Linie seine Geschwindigkeit und Beschleunigung. Das 13. Prinzip ersetzt damit im Schwarzschild-Raum das 4. und das 12. Prinzip des Minkowski-Raums. Am Beispiel des Schwarzschild-Raums demonstrieren wir den Einfluss der Quellmasse auf die Länge der Signalwege. Aus deren Verzerrung schließen wir auf einen interessanten Aspekt der Äquivalenz von Masse und Energie. 9. Der freie Fall im Beschleunigungsfeld einer Masse 47 9.1 Der freie Fall im Minkowski-Raum Als “Ereignisraum“ E bezeichnen wir den 4-dimensionalen Raum E := {r , x } mit Lichtwegen r ≥ 0 und x aus K . Definition des “Ereignisabstands im Minkowski-Raum“ Der Abstand der Ereignisse L(0) ⇔ G(x) und L(dr) ⇔ G(x + dx) in den Punkten x und x + dx ist gegeben durch de 2 := dr 2 − dx 2 (9.1) . Der Ereignisabstand de ist kein totales Differential. Vielmehr kommt in (9.1) zum Ausdruck, dass Ereignisabständen, d. h. der Verbindung von Raumpunkten durch Signale, besondere physikalische Bedeutung zukommt. Das entspricht der Erfahrung, dass in jedem noch so kleinen Bereich der Welt die ganze Welt – und nicht nur eine infinitesimale Umgebung – zu “sehen“ ist; jeder Teil der Welt ist mit der ganzen Welt durch Licht verbunden. Die Kommunikation eines Objektes mit seiner Umgebung geschieht i. a. nicht nur direkt ( de = 0 ), sondern auch in Reflexionen ( de 2 > 0 ) . Negative “raumartige“ Ereignisabstände entsprechen Vermutungen über entfernte Ereignisse, auf die wir im Rahmen dieser Arbeit nicht weiter eingehen. Der Ereignisabstand ist invariant, d. h. unabhängig davon, ob G in seiner Umgebung ruht oder in gleichförmiger Bewegung ist; denn aus den Transformationsgleichungen (4.6) – (4.9) folgt de 2 = d r 2 − d x 2 1 − dx 2 2 − dx 2 3 . (9.2) Die Ereignisräume E := {r , x } und E := { r , x } haben dieselbe durch (9.1) bzw (9.2) beschriebene “Minkowski-Metrik“. Man kann zeigen, dass diese Räume “flach“ sind, d. h. dass die kürzeste Verbindung zweier Ereignisse immer eine Gerade ist. Ereignisabstände im Minkowski-Raum sind unabhängig von Massen im Raum; der Raum erscheint “absolut“. Newton setzte in den absoluten Raum Massen und fand zwischen diesen eine anziehende Eigenschaft, die “Gravitation“. Die Wirkung der Gravitation im Raum ist unauflösbar. Deshalb kann man in einem Raum, in dem eine zentrale statische Masse groß gegenüber allen Massen ihrer Umgebung ist, die Gravitation als eine Eigenschaft des Raumes auffassen. Im folgenden gehen wir von einer im Koordinatenursprung ruhenden zentralsymmetrischen Quellmasse mQ aus und untersuchen radiale Bewegungen. Um die Veränderung der Eigenschaften des Raumes um mQ zu verdeutlichen, verstecken wir die Quellmasse mQ im “Schwarzschild-Radius“ sR . Definition des “Schwarzschild-Radius“ sR := γ ⋅m c Hierin ist γ die “Gravitationskonstante“. 2 Q (9.3) 9. Der freie Fall im Beschleunigungsfeld einer Masse 48 Wir nehmen an, dass die Beschleunigung, die ein subjektiv ruhendes Objekt im Umfeld der zentralen Quellmasse erfährt, durch das folgende Prinzip gegeben ist. Dabei legen wir der Einfachheit halber die x1-Achse in Richtung der Beschleunigung und schreiben statt x1 den Buchstaben ρ . 12. Prinzip von der “Beschleunigung im Minkowski-Raum“ Ein in x = ( ρ , 0, 0 ) aus K mit x > sR das kein Signal ist, erfährt die Beschleunigung a( x) = − ( c 2 ⋅ sR ρ 2 ,0,0 ) ruhendes Objekt G , (9.4) . Bemerkungen zum 12. Prinzip • Die Aussage, dass G in K ruht, d. h. gegenüber K die Geschwindigkeit v hat, gilt nur infinitesimal – d. h. solange G in K ungefähr die Geschwindigkeit v hat – , weil G der Beschleunigung (9.4) ausgesetzt ist. K ist ein “lokales Inertialsystem“. • Weil G subjektiv ruht, bleibt seine Masse subjektiv konstant. Diese Ruhemasse erfährt die Schwerebeschleunigung der rechten Seite der Gleichung (9.4) im Beschleunigungsfeld der zentralen Masse mQ . Die linke Seite der Gleichung (9.4) beschreibt die Beschleunigung einer “trägen Masse“. Die Gleichung (9.4) postuliert also die Gleichheit von schwerer und träger Ruhemasse im zentralsymmetrischen Beschleunigungsfeld. Deshalb kann auf eine Unterscheidung zwischen schwerer und träger Ruhemasse verzichtet werden. (9.5) Definition des “freien Falls im Minkowski-Raum“ Ein Objekt befindet sich im “freien Fall“, wenn seine Beschleunigung durch das Beschleunigungsfeld der zentralen Masse gegeben ist. In K falle ein Objekt G frei von x(0) = ( ρ 0 ,0 ,0 ) in Richtung 0 , dem Zentrum der Quellmasse mQ in K . Nach (6.7) beträgt die durch (9.4) in K postulierte Beschleunigung in K im Kurvenpunkt x(s) = ( ρ 0 – s ,0 ,0 ) a(s) = − 1− v 0 (s) c 2 2 ⋅ c 2 ⋅ sR (ρ 0 − s) 2 ( ρ 0 > s , ( ρ 0 – s) > sR ) . (9.6) Die Beschleunigung nimmt in K mit wachsendem v ab. Wir werden zeigen, dass die Kurve von G in K vor dem Schwarzschild-Radius um 0 endet. Nach (6.8) kennen wir mit k = c 2 ⋅ sR , s1 = s , x1 = ρ und x1 + s1= ρ 0 die Geschwindigkeit v0(s) , die G in x(s) erreicht : s ⋅s V0(s) = c ⋅ 1 − β − R 0 ρ ⋅ρ 0 2 (9.7) 9. Der freie Fall im Beschleunigungsfeld einer Masse mit der Anfangsgeschwindigkeit v0(0) in ρ 0 , die in β 49 gemeint ist. Wenn wir die 0 Anfangsgeschwindigkeit v0(0) = 0 in ρ 0 annehmen und ρ 0 → ∞ und s → ∞ laufen lassen und zwar derart, dass die Differenz ρ = ρ 0 – s fest bleibt, erhalten wir als Geschwindigkeit v1( ρ ) von G in ρ s v1( ρ ) = c ⋅ 1 − 1− R ρ 2 , (9.8) woraus ρ > sR (9.9) abzulesen ist, was in (9.6) vorausgesetzt wurde; denn G würde in ρ = sR die Schnelligkeit von Signalen erreichen, was nach dem 5. Prinzip (2.14) ausgeschlossen ist, weil G kein Signal ist. Mit der Geschwindigkeit (9.8) erhalten wir nach der Definition (8.10) aus (8.9) die potentielle Energie des Objektes im Punkt x = ( ρ , 0, 0 ) bezogen auf den unendlich fernen Punkt seiner Kurve, in dem seine Schnelligkeit 0 ist: v ( ρ )2 2 Wp(x, ∞ ) = W( ρ , ∞ ) = m ⋅ c ⋅ 1− 1− 1 c2 − 0,5 = − m ⋅ c 2 ⋅ sR ρ − sR Nach Definition (8.12) beträgt das Potential im Abstand U1(x) = 1 ⋅ W( ρ , ∞ ) = − c 2 ⋅ sR m ρ − sR . (9.10) x = ρ > sR vom Zentrum . (9.11) 9. Der freie Fall im Beschleunigungsfeld einer Masse 50 9.2 Der freie Fall im Schwarzschild-Raum Wir betrachten den Ereignisraum E = {r , x } unter dem Einfluss eines Objektes mit der Quellmasse mQ im Ursprung eines Kugelkoordinatensystems mit der Darstellung der Punkte x = x ( ρ , θ , ϕ ) , wobei ρ θ und ϕ der Abstand vom Koordinatenursprung 0 und die üblichen Winkelkoordinaten seien. Die Längen von Signalwegen bezeichnen wir weiterhin mit r . Die Quellmasse wird zentralsymmetrisch und statisch angenommen. Wir vereinbaren 2 ⋅ sR B( ρ ) := 1 − ρ mit dem Schwarzschild-Radius sR aus (9.3). 13. Prinzip des “Ereignisabstands im Schwarzschild-Raum" G sei ein beliebiges Objekt, auf dessen Kurve die Punkte x ( x > 2 ⋅ s R ) und x + dx ( x + dx > 2 ⋅ s R ) liegen. L(0) ⇔ G(x) und L(dr) ⇔ G( x + dx ) seien zwei infinitesimal benachbarte Ereignisse von G aus E . Der Ereignisabstand de ist gegeben durch de 2 = B ⋅ dr 2 − 1 ⋅ dρ 2 − ρ 2 dθ 2 − ρ 2 ⋅ sin 2 θ ⋅ dϕ 2 B . (9.12) Bemerkung zum 13. Prinzip • Die Gleichung (9.12) beschreibt den Abstand infinitesimal benachbarter Ereignisse in der “Schwarzschild-Metrik“, einer Lösung der Einsteinschen Feldgleichungen für den Fall eines Raumes, der von einer zentralsymmetrischen statischen Quellmasse geprägt wird. Auf der Grundlage dieser Metrik wird u. a. die beobachtete Ablenkung des Lichts in Sonnennähe verständlich. Die Ergebnisse derartiger Experimente rechtfertigen die Annahme des 13. Prinzips. Wegen der Bedeutung des 13. Prinzips für die Geometrie des Raumes und die Metrik der Signalwege müssen wir prüfen, ob und wie weit die Gültigkeit der übrigen Prinzipien eingeschränkt oder aufgehoben werden muss. Auch sind bestimmte Definitionen der Schwarzschild-Metrik entsprechend zu interpretieren. Bemerkungen zu den Prinzipien und Definitionen im Schwarzschild-Raum • Die Prinzipien 1 (2.2) und 2 (2.3) bleiben unberührt. • In den Prinzipien 3 (2.7), 4 (2.11) und 5 (2.14) steckt die Minkowski-Metrik; denn aus (2.13) folgt für den Abstand infinitesimal benachbarter Punkte auf der Kurve eines Signals der Ereignisabstand de 2 = dr 2 − dx 2 = 0 . Deshalb müssen diese Prinzpien an die Schwarzschild-Metrik angepasst oder ganz aufgegeben werden. Wir kommen zu brauchbaren Ergebnissen, wenn das 4. Prinzip (2.11) ersatzlos entfällt. Die Prinzipien 3 (2.6 – 2.8) und 5 (2.14) bleiben weiterhin gültig; 9. Der freie Fall im Beschleunigungsfeld einer Masse 51 denn auch im Schwarzschild-Raum werden alle Objekte von Signalen begleitet. Beim 3. Prinzip (2.7) ist lediglich zu bedenken, dass im Schwarzschild-Raum die Länge des Signalwegs zwischen zwei Punkten und der Abstand dieser Punkte gemäß Definition (2.9) nicht mehr vom Abstand zum Zentrum unabhängig ist. Beispielsweise beträgt die minimale Länge dr ′ eines Signalwegs zwischen infinitesimal benachbarten Punkten auf einer Radialen nach der Metrik (9.12) für de = 0 dr ′ = B(ρ(r)) ⋅ dr = dρ B(ρ) = dρ′ (9.13) , während ein frei fallender Beobachter dr = dρ misst; der Punktabstand erscheint dem weit vom Zentrum entfernten Beobachter verkürzt. Der Abstand zwischen den Punkten x0 = ( ρ 0 , θ, ϕ ) und x1 = ( ρ1 , θ, ϕ ) mit den zugehörigen Ereignissen L(0) ⇔ x0 beträgt nach Definition (2.9) und L(r) ⇔ x1 bei minimalem r r r ′ = ∫ B(ρ(r ′)) ⋅ dr ′ < r . Wenn andererseits ein 0 gerader Stab zwischen den Punkten x0 und x1 mit ρ 0 > ρ1 für einen im Abstand ρ 0 vom Zentrum ruhenden Beobachter die Länge ρ = ( ρ 0 – ρ1 ) hat, so hat er für den weit vom Zentrum entfernten Beobachter die Länge ρ0 1 ρ′ = ∫ ⋅ dρ′ > ρ ; er erscheint gedehnt. Äquidistante Punktabstände ′ B( ) ρ ρ1 können hiermit wegen (9.13) der Definition (2.9) entsprechend konstruiert werden, so dass auch im Schwarzschild-Raum Ortskoordinaten ohne starre Maßstäbe gebildet werden können. Das entstehende Koordinatensystem ist nicht mehr kartesisch. • Die Verzerrung der Weglängen durch das 13. Prinzip ist bei den Definitionen der Geschwindigkeit (2.20) und Schnelligkeit (2.21) einer Bewegung zu beachten: ds ist ein gedehntes Kurvenelement, dr ein verkürzter Lichtweg. • Die Prinzipien 6 (2.16 – 2.17) und 7 (2.18) bleiben unverändert gültig. • Die Prinzipien 8 (3.9), 9 (3.15), 10 (7.1 – 7.3) und 11 (7.4 – 7.6) gelten nur in lokalen Inertialsystemen, d. h. so weit die Schnelligkeit der betrachteten Objekte auf den jeweils relevanten Kurvenstücken als konstant angesehen werden kann, also in infinitesimalen Umgebungen der Objekte. Im 11. Prinzip werden ohnehin nur solche Umgebungen betrachtet. • Das 12. Prinzip (9.4) entfällt; denn die Beschleunigung durch eine zentrale Masse, die dort für frei fallende Objekte gefordert werden musste, erfahren im Schwarzschild-Raum alle frei fallenden Objekte aufgrund der SchwarzschildMetrik (9.12) ohne zusätzliche Annahmen, was wir im Folgenden zeigen werden. In der Gleichung (9.12) werden Masse, die im Schwarzschild-Radius steckt, Signalwege und Abstände von Objekten miteinander verknüpft. Es zeigt sich, dass keiner dieser 3 Aspekte der Realität isoliert betrachtet werden kann. Der 3-dimensionale Unterraum aller Punkte x des Schwarzschild-Raums heißt “Gravitationsfeld“ im Unterschied zum “Beschleunigungsfeld“, dem entsprechenden Begriff des Minkowski-Raums. 9. Der freie Fall im Beschleunigungsfeld einer Masse 52 Aus den infinitesimalen Ereignisabständen lässt sich durch Integration ein Ereignisabstand zwischen beliebigen Ereignissen des Ereignisraums gewinnen: e2 e= ∫ de (9.14) e1 ist ein Funktional des (stetig differenzierbaren) Weges im Ereignisraum E zwischen den vorgegebenen Ereignissen e1 und e2 , dessen Minimum einen wohldefinierten Wert hat. Definition der “Geodäte“ (9.15) Ein Weg, der das Integral (9.14) minimiert, heißt “kürzester Weg“ oder “Geodäte“ zwischen den Ereignissen e1 und e2 . Definition des “freien Falls im Schwarzschild-Raum“ (9.16) Ein Objekt befindet sich im “freien Fall“, wenn seine Kurve auf einer Geodäten des Ereignisraums liegt. Bemerkung zur Definition (9.16) • Mit dieser Definition werden “freier Fall“ eines Objektes und “Bewegung auf einer Geodäten“ gleichgesetzt. Wir werden zeigen, dass die Beschleunigung eines frei fallenden Objektes im Schwarzschild-Raum allein von dem Gravitationsfeld bestimmt wird, das die Metrik (9.12) des Raumes erzeugt. Deshalb sind die Definitionen (9.5) und (9.16) im Schwarzschild-Raum äquivalent. Wir beginnen mit der Berechnung der Geschwindigkeit eines Objektes, das sich auf einer radialen Geodäte des Ereignisraum E bewegt. Dazu übertragen wir einen in der Literatur üblichen Gedankengang [5, Seite 286 ff] in unsere Betrachtungsweise. Die Gleichungen für Bewegungen längs radialer Geodäten sind einfacher als die allgemeinen Geodätengleichungen. Die Beteiligung von Signalen und ihren Lichtwegen an allen Ereignissen wird aber an diesem Beispiel besonders deutlich. Für radiale Kurven wird dθ = dϕ = 0 . Für Objekte, die kein Signal sind, ist de > 0 . Für solche Objekte können wir daher aus (9.12) die formal einfache Beziehung 2 2 1 dρ dr = 1 E := B ⋅ − ⋅ B de de (9.17) für Abstände infinitesimal benachbarter Ereignisse ableiten. Hierin seien r und ρ Funktionen des kürzesten Abstands e zwischen einem festen Ereignis e1 und einem variablen Ereignis e2 aus E : r = r(e) und ρ = ρ(e) , wobei e2 e= ∫ E de e1 die Integration von (9.14) auf geodätische Linien beschränkt. (9.18) 9. Der freie Fall im Beschleunigungsfeld einer Masse 53 dr r& := folgt aus (9.18) für die Geodäten zwischen den de Ereignissen e1 und e2 wegen (9.17) die Eulersche Gleichung für r [8, Seite 200] Mit dem Symbol dE d dE = . dr de dr& (9.19) Die Eulersche Gleichung für ρ benötigen wir nicht. Da E aus (9.17) von r dE unabhängig ist, ist = 0 . Aus (9.19) und (9.17) folgt mit der noch dr unbestimmten Integrationskonstanten d dE = 2 ⋅ d = 2 ⋅B ⋅ r& . dr& Es ist d ≠ 0 ; denn aus d=0 r& = 0 folgte d r& = B im Widerspruch zu (9.17). Also ist de B = dr d bzw . (9.20) und wegen (9.17) 2 dρ 2 2 2 = B ⋅r& − B = d − B de . (9.21) In (2.21) definierten wir die Schnelligkeit eines Objektes als Verhältnis des Abschnitts seiner Kurve zum Kurvenabschnitt des begleitenden Signals zwischen 2 Ereignissen, multipliziert mit c . Gleichung (9.12) beschreibt den Abstand solcher infinitesimal benachbarten Ereignisse, zwischen denen B als konstant gelten kann. Aus de = 0 folgt sofort v( ρ ) = c ; das Objekt ist nach dem 5. Prinzip (2.14) ein Signal. Für andere Objekte beträgt die radiale Schnelligkeit im Gravitationsfeld v 0 ( ρ ) := c ⋅ dρ c dρ de B ⋅ dr = ⋅ ⋅ . (9.22) B de dr Die Integrationskonstante d in (9.20) bestimmen wir aus der Anfangsgeschwindigkeit v 0 ( ρ 0 ) in ρ 0 : Aus (9.22), (9.20) und (9.21) folgt dρ B d = (ρ0 ) = v 0 (ρ0 ) ⋅ 0 ⋅ de c B0 d2 − B 0 mit B 0 := B(ρ 0 ) , also B0 d2 = 1− v 2 (ρ ) 0 c . (9.23) 0 2 Setzen wir (9.21), (9.20) und (9.23) in (9.22) ein, erhalten wir die gesuchte radiale Geschwindigkeit unter der Anfangsbedingung v 0 ( ρ 0 ) : 9. Der freie Fall im Beschleunigungsfeld einer Masse v2 B v0 (ρ ) = c ⋅ 1 − ⋅ (1 − 0 ) B c2 0 . 54 (9.24) Die Grenzschnelligkeit c wird unabhängig von Startpunkt und Anfangsgeschwindigkeit in ρ = 2 ⋅ sR erreicht. Setzen wir die Anfangsgeschwindigkeit v 0 ( ρ 0 ) = 0 und lassen ρ 0 → ∞ laufen, so erhalten wir die Geschwindigkeit v( ρ ) eines aus weiter Entfernung frei fallenden Objektes im Abstand ρ vom Zentrum des Gravitationsfeldes: v( ρ ) = c ⋅ 2 ⋅ sR ρ . (9.25) Aus der Minkowski-Metrik (9.1) folgt ohne weitere Annahmen nach dem soeben angewendeten Verfahren konstante radiale Geschwindigkeit. Durch Hinzufügen des 12. Prinzips (9.4), das den Einfluss der zentralen Quellmasse auf den flachen Raum beschreibt, erhielten wir in (9.8) die Geschwindigkeit v 1( ρ ) < v( ρ ) aus (9.25). Deshalb wird die Grenzschnelligkeit c unter der Voraussetzung der SchwarzschildMetrik (9.12) auf einem größeren Radius um die Quellmasse erreicht als nach dem 12. Prinzip (9.4) im flachen Raum. Die Beschleunigung ist nach Definition (6.2) durch a( ρ ) = s dv ⋅ v = − c 2 ⋅ R2 dρ ρ (9.26) gegeben. Diese ist formal gleich der lokalen Beschleunigung des 12. Prinzips (9.4) im Minkowski-Raum K , in dem das Objekt G ruht. Die Abstände vom Objekt Q mit der Quellmasse mQ haben aber unterschiedliche Bedeutung: In K fällt Q auf G zu; der Abstand dieser beiden Objekte ist in K eine bewegte Strecke der Länge ρ = β (v) ⋅ ρ nach (3.28), wobei ρ der Abstand von G und Q in K ist. In K erfährt G nach (9.6) in ρ die Beschleunigung a1( ρ ) := − β (v) ⋅ c 2 ⋅ sR ρ2 . Diese Beschleunigung ist mit (9.26) vergleichbar, weil in beiden Fällen G frei auf Q fällt. Im flachen Ereignisraum ist die Länge eines Maßstabs auf einer radialen Kurve von der Nähe zur Quellmasse unabhängig. Im Schwarzschild-Raum erscheint ein Maßstab auf einer radialen Geodäte mit zunehmender Nähe zur Quellmasse einem weit entfernten Beobachter gedehnt; die Kurve, auf der die Beschleunigung (9.26) wirkt, wird mit der Annäherung an das Zentrum derart gedehnt, dass der Abstand ρ = 2 ⋅ sR trotz wachsender Beschleunigung unerreichbar bleibt. Wir berechnen noch das Potential im Schwarzschild-Raum. Nach der Definition des Potentials (8.12) erhalten wir mit der Geschwindigkeit aus (9.25), der Beschleunigung aus (9.26), der Kraft (8.7) und den Definitionen der Arbeit (8.8) und der potentiellen Energie (8.10) das Potential 9. Der freie Fall im Beschleunigungsfeld einer Masse 1 1 m 2 U( ρ ) = ⋅ W( ρ, ∞ ) = ⋅ ∫ 3 ⋅ a(s) ⋅ ds = c ⋅ 1 − m m ρ β ∞ 55 1 2 ⋅ sR 1− ρ (9.27) ρ = 2 ⋅ sR . und finden auch hier eine Singularität bei Die Summe aus kinetischer und potentieller Energie eines aus unendlicher Entfernung frei fallenden Objektes ist konstant gleich Null. Die Geschwindigkeit und alle davon abhängigen physikalischen Größen sind im Schwarzschild-Raum mit wachsendem Abstand der Objekte von der Quellmasse im Zentrum asymptotisch gleich den entsprechenden Größen im Minkowski-Raum. Besondere Bedeutung kommt der Verzerrung von Signalen im Schwarzschild-Raum zu. Wir denken uns drei ruhende Beobachter, die in unterschiedlichen Abständen von der Quellmasse einen geschlossenen Signalweg sehen: • • in sehr weiter Entfernung; S ∞ in x ∞ = (∞, θ, ϕ) S0 in x0 = ( ρ 0 , θ, ϕ ) ; bei S0 beginne ein Objekt G seinen freien Fall mit der Anfangsgeschwindigkeit • S in x = ( ρ, θ, ϕ ) mit v 0 (ρ 0 ) = 0 ; 2 ⋅ sR < ρ ≤ ρ 0 . Wenn G bei S vorbeikommt, erscheint der geschlossene Signalweg • dem Beobachter S in den Ereignissen G(0) ⇔ L (rρ ) ⇔ ( ρ, θ, ϕ ) und L (rρ + drρ ) ⇔ ( ρ, θ, ϕ ) im Ereignisabstand • de ρ2 = drρ2 (9.28) , dem Objekt G in den Ereignissen S(0) ⇔ L (rρ′ ) ⇔ ( ρ′, θ, ϕ ) und L ( rρ′ + drρ′ ) ⇔ ( ρ′ + dρ′ρ , θ, ϕ ) im Ereignisabstand de′ρ2 2 = drρ′ − (9.29) dρ′ρ2 gemessen mit den lokalen Maßstäben bei S bzw G . Wir halten drρ so klein, dass die Geschwindigkeit v 0 (ρ) von G auf seinem Weg dρ′ρ als konstant gelten kann. Aus (9.24) kennen wir v 0 (ρ ) = c ⋅ 1 − B(ρ) B(ρ 0 ) , β 0 := 1− v 02 c 2 = B(ρ) B(ρ 0 ) . (9.30) Die Beziehung zwischen den infinitesimalen Abschnitten drρ und drρ′ der Wege von L , drρ′ = 1 ⋅ drρ β0 , (9.31) erhalten wir aus (3.9). Nach der Metrik (9.12), die die Ereignisabstände an den Orten aller drei Beobachter beschreibt, gilt für S wegen dρ ρ = 0 9. Der freie Fall im Beschleunigungsfeld einer Masse de 2 = B ⋅ dr 2 = drρ2 = de ρ2 56 (9.32) und für G bei seiner Berührung mit S wegen (9.31) und (9.30) drρ′ = B ⋅ dr = B(ρ 0 ) ⋅ dr β0 . (9.33) Gleichung (9.33) zeigt, dass dem Abschnitt eines Lichtweges, der für den Beobachter S ∞ die Länge dr hat, aus der Sicht des frei fallenden Objektes G die Länge drρ′ zukommt, die unabhängig von der Position auf seiner Kurve ist. Fassen wir die Signalkurvenabschnitte in (9.33) als Wellenlängen des Signals auf, so bedeutet das: Ein Signal, das aus großer Entfernung vom Beobachter S ∞ mit der Wellenlänge λ = dr radial zum Zentrum gesendet wird, hat bei S0 die Wellenlänge λ0 = B(ρ 0 ) ⋅ λ . (9.34) Wenn dieses Signal das Objekt G ab S0 auf seinem freien Fall begleitet, bleibt für G die Wellenlänge konstant gleich λ 0 . Die kontrahierende Wirkung der Quellmasse auf die Signalkurvenlänge wird für Objekte gerade kompensiert, sobald sie frei fallen. Betrachten wir die Änderung der Wellenlänge von Signalen im Schwarzschild-Raum unter dem Gesichtspunkt der Signalenergie nach dem bekannten Prinzip, dass jedem Signal L eine ortsabhängige Wellenlänge λ( x ) zugeordnet ist und seine Energie in weiter Entfernung vom Massenzentrum bei der Wellenlänge λ(∞ ) = λ W L (λ ) := h ⋅c λ mit der Planck-Konstanten h beträgt. Mit Gleichung (9.32) ergänzt um Wellenlängen λ ρ := drρ = B ⋅ dr = B ⋅ λ erhalten wir für die Energie von L im Abstand ρ W L (λ ρ ) = h⋅c B ⋅λ = 1 B ⋅ W L (λ ) . Damit hat die Energie eines von S ∞ radial zum Zentrum gesendeten Signals auf der Höhe ρ im selben Verhältnis zugenommen wie die Masse eines ab S ∞ bis zum Abstand ρ radial frei fallenden Objektes, das dort die Geschwindigkeit v( ρ ) aus (9.25) hat; denn mit dieser Geschwindigkeit ist β = B . Aus der Sicht des frei fallenden Objektes bleibt seine Masse wie die Energie begleitender Signale konstant. Im Schwarzschild-Raum finden wir eine Bestätigung der Hypothese, dass Materie und Licht nur verschiedene Formen desselben Stoffs, der Energie, sind. Unterstellen wir einmal, dass die Wandlung von einer Energieform in die andere ohne Gewinn oder Verlust in folgendem theoretischen Prozess möglich wäre: Auf der Höhe ρ wird die Masse eines ab S ∞ frei fallenden Objektes in Licht gleicher Energie umgesetzt, zu S ∞ zurückgestrahlt und dort wieder in Masse umgewandelt. Es ist klar, dass das Objekt dann wieder dieselbe Masse hat wie beim Start seiner Reise. 9. Der freie Fall im Beschleunigungsfeld einer Masse 57 Im Minkowski-Raum hätte dieser Prozess die Masse bei der Rückkehr zu S ∞ vergrößert, weil die Masse infolge erhöhter Geschwindigkeit auf der Höhe ρ zugenommen hat, die Wellenlänge aber dieselbe ist wie bei S ∞ . In diesem Fall wäre die Frage, ob das 12. oder 13. Prinzip der Realität besser entspricht, zugunsten des 13. Prinzips entschieden: Der Raum um eine zentralsymmetrische Masse hat – zumindest näherungsweise – Schwarzschild-Metrik. 10. Zeit 58 10. Zeit 10.1 Uhrenhypothese Die Uhrenhypothese [5, Seite 104] lautet: “Eine beliebig bewegte Normaluhr zeigt die Eigenzeit dτ := dr c an.“ (10.1) Dabei weist “beliebig bewegt“ auf einen eindeutig bestimmten Ereignisraum hin, in dem die Uhr ruht; denn Zeit ist nur das, was eine Uhr am Ort des Geschehens anzeigt. Für Ereignisse dieses Ereignisraumes am Ort der Uhr heißt das dx = 0 . Damit durchlaufen Signale am Ort der Uhr einen geschlossenen Lichtweg; in Übereinstimmung mit der Definition (2.15) ist die Uhr ein “ruhendes Objekt“. Für den Ereignisabstand (9.1) bedeutet die Ruhe der Uhr de = dr , für den Ereignisabstand (9.12) de = B ⋅ dr . Nach dem 5. Prinzip (2.14) folgt für Signale de = 0 ; eine Eigenzeit ist für Signale nicht definierbar. Die Uhrenhypothese (10.1) erhält erst einen Sinn, wenn der Begriff “Normaluhr“ präzisiert wird. Wir sprechen von einer “digitalen Normaluhr“, wenn Signale, die mit einem periodischen Ereignis starten, immer gemeinsam mit dem nächsten dieser periodischen Ereignisse bei der Uhr nach jeweils derselben Länge des Signalwegs eintreffen. Jede “analoge Normaluhr“ lässt sich als digitale Normaluhr interpretieren: Zwischen Start und Rückkehr eines periodischen Signals von fester Weglänge zur Zeigerspitze einer Uhr, die den Ort des Geschehens bestimmt, bewegt sich eine Skala unter der Zeigerspitze von einer Einheitsmarkierung zur nächsten. Beispiel: • Ein Beobachter S ∞ in sehr weiter Entfernung von einer Quellmasse eiche eine analoge Uhr durch ein kontinuierliches Signal mit der konstanten, relativ kleinen Wellenlänge λ . Er schickt ein weiteres Signal mit ebendieser Wellenlänge an einen Beobachter S0 im Abstand ρ 0 von der Quellmasse. Die Wellenlänge λ 0 , die S0 empfängt, zeigt Gleichung (9.34). S0 verwende eine Uhr von derselben Bauart wie die Uhr von S ∞ : Die Skalen beider Uhren sind gleich und haben dieselbe Schnelligkeit vS bezogen auf den fest montierten λ Zeiger. Rückt die Skala bei S ∞ um die “Zeit“ s ∞ := ⋅ vS vor, so ist sie bei c λ S0 um s 0 := 0 ⋅ vS vorgerückt. Aus (9.34) folgt s 0 < s ∞ : Die Uhr bei S0 c geht nach. Mit (9.33) belegen wir, dass die Uhr eines ab S0 frei fallenden Objektes im Schwarzschild-Raum dieselbe Zeit anzeigt wie die Uhr bei S0 . Zur Definition der Eigenzeit wird in der Uhrenhypothese (10.1) ein physikalisch relevanter Lichtweg linear transformiert. So entsteht ein vom Licht entkoppelter Parameter, der sich unserer Anschauung entzieht. Das Festhalten an der Vorstellung einer real existierenden Zeit erschwert die Einsicht in die Relativität unserer unmittelbaren Erfahrungen von Raum, Materie und dem Lauf von Uhren. 10. Zeit 59 Zwei Beispiele sollen das verdeutlichen: Die berühmten Paradoxien – das Zwillingsparadox und das Myonenparadox – erhalten bei einer Beschreibung ohne Zeit im Rahmen der Speziellen Relativitätstheorie eine anschauliche Deutung. 10.2 Zwillingsparadox In K gebe es einen Sender S , in K einen Sender S . Beide Sender erzeugen Wellen von der Wellenlänge λ . In K zähle der Empfänger E(S,K) die Wellen von S und der Empfänger E( S, K ) die Wellen von S . E( S, K ) und E( S, K ) seien entsprechende Empfänger in K . E(S,K) und E( S, K ) sind – wenn wir das Vorbeilaufen einer Welle der Länge λ als “Zeiteinheit“ festlegen – digitale Normaluhren in K bzw K zur Messung der jeweiligen “Eigenzeit“. Die Schreibweise empfangen hat. “E(s,k) = n“ bedeutet, dass der Empfänger E(s,k) n Wellen K entferne sich von K mit der Geschwindigkeit v = (v, 0, 0) . Bei der Begegnung S(0) ⇔ S ( 0 ) sollen auch die Empfänger hinreichend nah beieinander liegen und E(s,k) = 0 zeigen. Nach Kapitel 4.2 ist in jedem System die Wellenlänge des anderen Systems rotverschoben von der Länge λr aus (4.32). Nachdem der Empfänger E( S, K ) n Wellen empfangen hat, kehrt er samt dem Sender S und dem Empfänger E( S, K ) abrupt um. Nun hat K gegenüber K die Geschwindigkeit ( – v ) . Nach Kapitel 4.2 sendet S daher für E( S, K ) ab sofort blauverschobene (“blaue“) Wellen von der Länge λb aus (4.33). Bei der erneuten Begegnung S(0) ⇔ S ( 0 ) zeigt die Eigenzeituhr von K (10.2) E( S , K ) = 2 ⋅ n Zeiteinheiten an: E( S, K ) hat einen Lichtweg der Länge 2 ⋅n ⋅ λ gemessen. Auch E( S, K ) hat 2⋅ n Wellen von S empfangen, und zwar n rote und n blaue, und hat damit zwischen Abfahrt und Rückkehr von S einen Lichtweg der Länge n ⋅ ( λr + λb ) = 2⋅n β ⋅λ gemessen. Die Eigenzeituhr von K zeigt dann also E( S , K ) = Zeiteinheiten an. 2 ⋅n β (10.3) 10. Zeit 60 Nebenbei bemerken wir, dass der Empfänger E( S, K ) dieselbe Länge 2 ⋅n ⋅ λ des Lichtweges wie der Empfänger E( S, K ) gemessen hat: Bis zu seiner Umkehr empfing E( S, K ) n r := β λ ⋅n = ⋅n v λr 1+ c rote Wellen, von da an bis zur Ankunft in 0 wegen (10.3) nb 2⋅n = − nr β = n⋅ v v 2 2 ⋅ 1+ − β 1+ c = n⋅ c v β β ⋅ 1+ c blaue Wellen. Das entspricht einem Lichtweg der Länge 1+ n r ⋅ λr + n b ⋅ λ b = n ⋅ λ + n ⋅ β v v 1− c ⋅ c ⋅ λ = 2 ⋅n ⋅ λ β . Nun stellen wir uns vor, dass bei der Begegnung der Sender S(0) ⇔ S ( 0 ) zwei Kinder Z1 und Z2 geboren werden, Z1 in K und Z2 in K , die sich sofort mit der Schnelligkeit v trennen und im Laufe ihres Lebens wiedersehen. In der Literatur wird das unterschiedliche Alter der Kinder bei ihrem Wiedersehen bisweilen mit der Beschleunigung begründet, die ja mindestens eines der beiden beim Start und bei Beginn der Rückreise erfahren haben muss [3, Seite 19 und 44]. Diese Argumentation ist nicht stichhaltig: In unserem Beispiel wird keines der Kinder bei der Geburt beschleunigt, und den Weg bei der Rückkehr bis zum Erreichen der Geschwindigkeit ( – v ) kann man sich, gemessen an der Weglänge der gesamten Reise, vernachlässigbar klein vorstellen. Erklärungen, die die Beschleunigung zur Begründung des unterschiedlichen Alterns heranziehen, führen dazu, dass der reisende Zwilling für einen bestimmten Zeitabschnitt auf der Weltlinie des zu Hause gebliebenen keine physikalische Erklärung findet [5, Seite 52] oder dass bei der Umkehr des reisenden Zwillings der andere sprunghaft “nachaltern“ müsste. Nach unserer Vorstellung gibt es solche Probleme nicht. Die Existenz von Signalen ist physikalische Notwendigkeit für die Bewegung der Kinder und unabhängig davon, ob die Signale zum Betrieb von Uhren verwendet werden oder nicht. Es ist auch gleichgültig, ob eines der Kinder bei Beginn der Reise beschleunigt wird. Sobald die Kinder mit der Schnelligkeit v auseinanderstreben, legen wir willkürlich Z1 auf K und Z2 auf K . Wegen der Rotverschiebung der Wellen des jeweils anderen Systems empfängt die “Uhr“ E( S, K ) in K weniger Wellen als E(S,K) , in K zählt E( S, K ) weniger Wellen als E( S, K ) . Nun ändere eines der Kinder seine Geschwindigkeit abrupt derart, dass sich die beiden mit der Schnelligkeit v näher kommen. Ist dies z. B. Z2 , so läuft E( S, K ) ab sofort schneller als E( S, K ) . Diese Veränderung ist aber nur in K zu beobachten, also bei dem Kind, das die Rückkehr einleitete. Wenn sich die Kinder wieder treffen, zeigt der Vergleich der Eigenzeituhren E( S, K ) und E(S,K) nach (10.2) und (10.3), dass E( S, K ) weniger Zeiteinheiten gezählt hat, 10. Zeit 61 also langsamer lief, als E(S,K) : Das “aktive“ Kind, das die Rückkehr einleitete, ist jünger geblieben. Die Asymmetrie des “Zwillingsexperiments“ liegt in der Sicht der Teststrecke: Wenn z. B. der Zwilling Z1 auf der Erde bleibt und Z2 zu einem Stern hin- und zurückreist, so ruht die Strecke zwischen der Erde und dem Stern aus der Sicht von Z1 , während sie aber an Z2 auf der Hin- und Rückreise mit hoher Schnelligkeit vorbei läuft und daher für ihn relativistisch verkürzt ist. Nach dem 9. Prinzip (3.15) sind die wechselseitigen Schnelligkeiten gleich, so dass Z2 , der den kürzeren Weg der Reise sieht, beim Wiedersehen jünger ist. 10.3 Myonenparadox Myonen der kosmischen Strahlung haben eine Halbwertzeit von 2,2 ⋅10 − 6 Sekunden. Sie entstehen vorwiegend an der oberen Grenze der Troposhäre in etwa d = 12000 m Höhe. Auf der Erdoberfläche treffen ca N = 5 Myonen pro Sekunde und cm 2 mit einer Energie von rund 1,5 GeV ein. Das ist ungefähr das 15-fache ihrer Ruheenergie von 105,66 MeV [4, Seite 707]. Nach (7.7) erhalten wir aus dem 1 und daraus v = 0,9977753 ⋅ c für die Verhältnis dieser Massen β = 15 Schnelligkeit der Myonen. Ihre Halbwertzeit bedeutet, dass von einer Gesamtheit von Myonen, bei denen ein Signal startet, nur noch etwa die Hälfte existiert, wenn das Signal nach einem Weg von 660 m Länge wieder eintrifft. Die Erde, die sich nach dem 9. Prinzip (3.15) den Myonen mit derselben Schnelligkeit v nähert, ist den Myonen während der Abwesenheit des Signals um s = 658,53 m näher gekommen. Der Abstand zwischen der Erdoberfläche und der oberen Grenze der Troposhäre erscheint den Myonen entsprechend (3.28) auf (10.4) d = d⋅ β verkürzt: Die Erdoberfläche muss nur d = 800 m zurücklegen, um die Myonen zu erreichen. Wenn das geschieht, sind von den anfänglich N0 Myonen noch N übrig. N0 = N ⋅ 2 d/ s = 11,6 (10.5) Myonen entstehen also am oberen Rand der Troposhäre pro Sekunde und cm 2 . Dieser Wert entspricht der Beobachtung und bestätigt die Realität der Längenkontraktion nach (3.28) bei gleichförmig zueinander bewegten Inertialsystemen. Ein unrealistisches Ergebnis erhält man, wenn man in (10.5) d durch d ersetzt und s unverändert lässt. Dieser scheinbare Widerspruch wird üblicherweise durch die Annahme einer “Zeitdehnung“ behoben. Zeitdehnung ist äquivalent zur d , die die Erde braucht, um die Myonen zu Längenkontraktion; denn die Zeit v d d erreichen, erscheint uns nach (10.4) auf gedehnt. = v v⋅β A. Literaturverzeichnis A. Literaturverzeichnis [1] K. Dransfeld / P. Kienle / H. Vonach Physik I , Newtonsche und relativistische Mechanik (1996, 7. Auflage) R. Oldenbourg Verlag München Wien 1996 [2] Albert Einstein Grundzüge der Relativitätstheorie (1970, 2. Auflage) Akademie-Verlag Berlin [3] Torsten Fließbach Allgemeine Relativitätstheorie (3. Auflage) Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg – Berlin, 1998 [4] Christian Gerthsen, Helmut Vogel Gerthsen Physik (1995, 18. Auflage) Springer Verlag Berlin Heidelberg [5] Hubert Goenner Einführung in die spezielle und allgemeine Relativitätstheorie Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg – Berlin – Oxford, 1996 [6] Hermann Minkowski Raum und Zeit Jahresbericht der Deutschen Mathematischen Vereinigung, 1909 Band 18 Verlag von B. G. Teubner [7] Hans Reichenbach Axiomatik der relativistischen Raum-Zeit-Lehre Die Wissenschaft, Band 72 Friedr. Vieweg & Sohn, Braunschweig 1924, Nachdruck 1965 [8] W. I. Smirnow Lehrgang der höheren Mathematik, Teil IV VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin 1958 [9] Dr. Siegfried Valentiner Vektoren und Matrizen, Sammlung Göschen Band 354/354a (1960, 2. Auflage) Walter de Gruyter & Co, Berlin 1960 62