buchzusammenfassung

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ETHNOHISTORIE - K.Wernhart / W. Zips (Hrsg.) - Buchzusammenfassung
BUCHZUSAMMENFASSUNG
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01.2004
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ETHNOHISTORIE - K.Wernhart / W. Zips (Hrsg.) - Buchzusammenfassung
01.2004
ETHNOHISTORIE BUCHZUSAMMENFASSUNG:
THEORETISCHE POSITIONIERUNG UND WISSENSCHAFTSGESCHICHTE DER
ETHNOHISTORIE
1.Kapitel: Theoretisches und methodologische Grundlagen der Ethnohistorie
2.Kapitel: Von der Strukturgeschichte zum transkulturellen Forschungsansatz
ZUR METHODOLOGIE DER ETHNOHISTORIE
3.Kapitel: Quellengattungen und Nachbarwissenschaften der Ethnohistorie
4.Kapitel: Ethnoarchäologische Grundlagen kulturgeschichtlicher Forschung
5.Kapitel: Ethnos- Identität- Globalisierung
6.Kapitel: Ethnizität für die Praxis
7.Kapitel: Migrationsforschung und Ethnohistorie
8.Kapitel: Von der Feldforschung zur Felder-forschung
9.Kapitel: Erzählungen analysieren- Analysen erzählen
AUSGEWÄHLTE THEORIEANSÄTZE:
10.Kapitel: Vom Universalismus zur Differenz ( Feminismus und Kulturanthropologie)
11.Kapitel: Vom Wilderer zum Hasen (Postmoderne)
12.Kapitel: Entprovinzialisierung der Moderne (Habermas- Diskurstheorie)
13.Kapitel: „The good the bad and the ugly“ (Bourdieu)
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Kapitel 1:
EINFÜHRUNG IN DIE THEORETISCHE UND
METHODOLOGISCHEN GRUNDLAGEN DER ETHNOHISTORIE
1.) Einleitung und wissenschaftsgeschichtlicher Rückblick:
Grundsätzlich gilt: wegen Methodenpluralismus und einer Vielfalt unterschiedlicher (auseinander
gehend) theoretischer Ansätze ist eine exakte Definition von Ethnohistorie unbefriedigend.
IN DEN USA:
Begriff „ethnohistory“ :
wurde 1909 von Clark Wissler geprägt -> Suche nach ethnologischer Information in historischen
Dokumenten. Im Vordergrund stand die kulturelle Beschreibung ethnischer Einheiten anhand
historischer Schriftquellen in Verbindung mit archäologischen Daten. Seit den 60er vermehrt
Feldforschung.
Micro-History:
Untersuchung relativ kleiner regionaler Gruppen durch interpretativer Verfahren ->Interpretation
bezieht sich auf Feldforschung und historische Dokumente (Alltagsgeschichte)
Makro-History
(Strukturgeschichte)
Gab auch Unterscheidung zwischen Ethnohistory und folk-history
Ethnohistory = Anwendung historischer Methoden auf schriftlose Gesellschaften
Folk-history = Geschichtliches Bewusstsein der untersuchten Ethnien ist Forschungsschwerpunkt
IN FRANKREICH:
Ethnohistorie: (vgl. folk-history in USA) Geschichte kleiner lokaler ethnischer Einheiten, vor allem
Oraltradition ist wichtig (-> Kontrolle durch historische Dokumente)
Ethnologie historique: Konzentration auf schriftliche Quellen
Ethnologie diachronique und histoire culturelle:
Einfluss der École des Annales – Hinwendung zu einer Art « historischer Strukturalismus »
EXKURS: École des Annales
Zeitschrift annales d’histoire économique et sociale gegründet 1929
1.Generation : Lucien Febvre und Marc Bloch Forderung nach einer globalen, interdisziplinär
arbeitenden Geschichtsschreibung
2.Generation: Fernand Braudel, Ernst Labrousse + Nachfolger: Paradigmenwechsel zur historischen
Analyse sozialer Strukturen, quantifizierende Geschichtsschreibung (über lange Zeitabschnitte
hinweg)
3.Generation: Pionierarbeiten, z.B zu Kindheit, Geisteskrankheiten,…
Historische Anthropologie, Mikro- Historie, Geschichte der Mentalitäten, Alltagsgeschichte. Man
wollte quantifizierenden und strukturalistischen Reduktionen wieder entgehen.
Historische Ansätze bildeten in Frankreich Gegengewicht zum Strukturalismus, aber ohne zu starke
Polarisierung
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IN WIEN:
Ethnohistorie entstand in Wien in Ablehnung der Wiener Schule der Ethnologie (Pater Wilhelm
Schmidt und seine Monogenese, Monotheismus und Monogamie)- man wollte auf den Boden der
historischen Realität zurückkehren (Adam und Eva, Monogamie, alles andere verwerflich und vor
Gott Sündenfalls -> alle anderen Kulturen die dem nicht entsprechen sind fasch)
Der Begriff der Ethnohistorie:
-1932 von Fritz Röck geprägt (Röck stand im engem Kontakt zur 1931 gegründeten WAFAK
„Wiener Arbeitsgemeinschaft für Afrikanischer Kulturgeschichte“ auch Walter Hirschberg war Mitglied
-Schwerpunkt lag auf (schriftlichem) Quellenmaterial, das exakt datierbar war
-Nachteil: zu quellenpositivistisch, konnte auch die Quellenkritik nicht ausgleichen
Karl R. Wernhart öffnete ethnohistorischen Ansatz für sozialwissenschaftliche Orientierung: d.h
historische Prozesse sollen aus Vermittlung von Strukturen und sozialem Handeln der Menschen
(kulturelle Manifestationen) heraus verständlich gemacht werden.
Theoretische Ausgangspunkte sind:
-praxeologische Theorie (Pierre Bourdieu)
-kritische Diskurstheorie (Jürgen Habermas)
-feministischer Theorie/ Postmoderne Theorie
Methoden: historische Arbeitsweise (Quellenkritik, historische Einheit von Zeit und Raum) sowie
diskursive Methoden (z.B narratives Interview)
2.Konzept der Ethnohistorie und Kulturgeschichte
neben der Entwicklung der Ethnohistorie wurden auch theoretische und methodologische Grundlagen
reformuliert. Schwerpunkte: selektive Rezeption strukturgeschichtlicher Ansätze
„Konzept der Kulturgeschichte“ -> Möglichkeit zur Zusammenarbeit von Archäologie , Prähistorie &
Ethnohistorie um die Quellenlage bedingte zeitliche Einschränkung der Ethnohistorie zu überwinden.
Wichtig dabei ist: exakte historisch bzw. archäologisch datierbarer Zeitbegriff
Ethnohistorie in Wien:
Ist ein Teilbereich der Kulturgeschichte- interessiert sich für die jüngere Geschichte von
Gesellschaften. Zur Rekonstruktion benötigt man, schriftliche, bildliche, Quellen, Realien,
Oraltradition & kommunikative Forschungsmethoden => diese ermöglichen einen interpretativen
Zugang.
Man muss aber bedenken dass Quellen meist von europ. AutorInnen sind -> inkl. Ihrer ideologischen
Voraussetzungen & polit. Interessensabhängigkeit. Da benötigt es die Quellen und Ideologiekritik. So
können ethnohistorische Forschungsansätze auch bei der politischen Anthropologie,
Rechtsethnologie, Aktionsethnologie, Kulturökologie und vor allem Fragen des Kulturellenwandels
angewandt werden. Feldforschung ist sehr wichtig und auch diskursanalytische Verfahren sowie
literaturkritischer Untersuchungen.
In letzten Jahren sozialwissenschaftlicher Ansatz -> somit kann die Dynamik geschichtlicher
Prozesse aus historischen Praktiken der Subjekte in Bezug auf die politische Beziehungen und
ökonomischen Strukturen untersucht werden.
Ethnohistorie strebt an: Paradigmen der politischen Ökonomie und interpretative Ethnologie zu
verbinden -> durch historische Rekonstruktionen kann ein diachrones „dynamisches Geschichtsbild“
gewonnen werden. Vordergrund: historische Strukturbegriffe der auf Dynamik des historischen
Prozesses abstellt. Soziales Handeln der Subjekte wird miteinbezogen -> Kulturphänomene nicht als
von Akteuren losgelöste Phänomene.
3.Diskussion der Theorieansätze:
Vielschichtigkeit der Disziplin führt auch zur Verunsicherung (Infragestellen der Methoden)
An der Verunsicherung sind auch Angehörige der untersuchten Gruppen beteiligt. Ihre Kritik:
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Ungleiche Machtverteilung zw. Forschenden Subjekten und beforschten Objekten, exklusive Autorität
der sozialwissenschaftlichen Darstellung und Vertretung. Um die Kritik ernst zunehmen -> Abgehen
von hegemonialer anthropologischen Praxis Andere als geschichtslos, primitiv….zu bezeichnen.
Ö
visuelles Paradigma: Kultur wird unter Glassturz beobachtet, objektiviert, von Außen aus
method. Sicherer Distanz durchschaut.
Ö
Dabei kommt es zu 3. entscheidenden Verkürzungen:
1.)
alles was auf eine Lebenswelt in Form von Sozialem, politisch und ökonomischen Strukturen
einwirkt, bleibt ausgeschlossen
2.)
Verständnis der kulturellen und historischen Praxis: durch eingenommene Perspektive
erstarren Akteure zu Momentaufnahmen -> kommunikatives Handeln, symbolische Praktiken werden
ausgeblendet
3.)
Die objektives Haltung mit ihren empiristischen Voraussetzungen verhindert adäquate
Einschätzung von sozialwissenschaftlichen Sinnverstehen -> Teilnahme an
Kommunikationsprozessen bedeutet Dialog! (Habermas)
Um an Dialog teilnehmen zu können -> Aufnahme einer intersubjektiven Beziehung -> schließt
objektivierende Einstellung aus. Während Feldaufenthalt sind Forschende nicht nur Forschende
sondern komplex handelnde Personen. Zusammenleben während der Feldforschung erfordert
methodologisches Ersetzen des passiven Beobachtens durch Eingehen dialogischer Beziehungen.
In Ethnohistorie geht es nicht darum, Welt in eine objektive und subjektive Welt zu teilen -> sondern
Strukturen in historischen Dimensionen zu erfassen, reproduziert & verändert durch Handeln und
Denken der Akteure.
Geht um Untersuchung historischer Prozesse durch Dialektik von Handlungsbedarf und Praktiken der
Akteure ihrer jeweiligen Ausprägung in einer konkreten zeitl. Und räumlichen Dimension zu erfahren.
GESELLSCHAFTLICHE REALITÄT: Ist ein Wirkungsgeschehen in dem historische
Handlungsbedingungen, die sich als zusammenhängende soziale, ökonomische und politische
Struktur rekonstruieren lassen, durch das Handeln und Deuten der Akteure sowohl reproduziert als
auch verändert werden.
Um den symbolisch enkodierten Sinn der „Bestandteile einer Lebenswelt“ verstehen zu können,
müssen wir intersubjektive Beziehungen aufnehmen. Bedeutungen können nur von innen her
erschlossen werden. „Die Lebenswelt öffnet sich nur einem Subjekt, das von seiner Sprache- und
Handlungskompetenz Gebrauch macht „ (Habermas)
Schlüsselbegriff ethnohistorische Forschung : Struktur!
Strukturen sind nicht im Sinne des Strukturalismus zu verstehen, sondern in ihrer historischen
Dimension-> sie werden durch die kulturelle Anwendung der handelnden Subjekte gezeigt/vermittelt.
Gesellschaftliche Verhältnisse betrachtet. Die Menschen die in diesen Verhältnissen leben sind
Resultat und Voraussetzung ihrer reproduzierend und verändernden Tätigkeit. Menschen sind nicht
Eigentum von Strukturen , Strukturen werden erst durch die aneignende Tätigkeit der Menschen zur
sozialen Wirklichkeit. Im Mittelpunkt stehen die aktive Gestaltung und Reproduktion
gesellschaftlicher Verhältnisse durch die praktische Tätigkeit der Subjekte im
Handlungszusammenhang ethnischer und politischer Gemeinschaften.
KULTURELLE PRAXIS: Vollzieht sich unter Verwendung von Zeichen und Symbolsystemen, mit
denen Subjekte mit anderen Subjekten ihre Handlungspläne aufeinander abstimmen -> sie handeln
kommunikativ! Kommunikatives Handeln ist nicht nur Sprache oder Verständigungsprozess in der
auch Teilnahmen an Interaktionen …Kommunikative Handlungen lassen sich nicht
Interpretationsvorgänge beschränken -> bedeuten Vorgänge der sozialen Integration oder
Vergesellschaftlichung.
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BOURDIEU’S THEORIE DER PRAXIS:
Ist eine Analyse der Sozialstruktur anhand der Betrachtung kultureller Gewohnheiten und
symbolischer Ausdrucksform der Praxis konzipiert. Gesellschaftliche Welt ,für ihn, „akkumulierte
Geschichte“
Bourdieu formulierte eine Handlungstheorie -> symbolische Praktiken haben wirtschaftliche Wert und
bringen Nutzen => ÖKONOMISCHES KAPITAL
Demnach lassen sich symbolische Praktiken auch als Strategien in der Konkurrenz um die Stellung in
der Sozialhierarchie deuten.
Kapitel wird in unterschiedliche Formen unterschieden:
Sozialkapital: hauptsächlich Zugehörigkeit zu einer Gruppe
Kulturelles Kapital:
Gesamtkapital: dient der allgemeinen Sicherheit, beruht auf materiellen und/oder sozialen
Austauschbeziehungen. -> Deshalb ist der Soziale Raum kein herrschaftsfreies Terrain.
Symbolisches Kapital: Summe aller kultureller Anerkennung, die eine Gruppe od. Individuum durch
geschickte Verwendung des gesellschaftllichen Symbolsystems für sich gewinnen konnte.
Symbolische Konstruktionen sind als soziale Tätigkeiten zu begreifen in denen unterschiedliche
Macht und Gewaltverhältnisse wirksam werden => aus diesem Grund eignet sich die Theorie der
Praxis zur Untersuchung historischer Prozesse wobei Machtstrukturen und Handeln der Subjekte
nicht getrennt wird.
Man benötigt eine Theorie die den ständigen Widerstreit konkurrierender Interessen und
Machtansprüche gerecht werden kann. Frage von Herrschaft und Widerstand. Ähnlich wie
Machtstrukturen in Geschlechterbeziehungen -> durch feministische Theorie und Frauenforschung
wurden solche Fragen angeregt.
4. Bedeutung kommunikativer Forschung für die Ethnohistorie
In der Tradition der ethnographischen Feldforschung stand das visuelle Paradigma des Beobachtens
der Fremden im Vordergrund. Opferseite : (der objektivierenden Wissenschaftlichkeit) beobachtete
Subjekte.- Ihre Subjektivität verschwand hinter den Schablonen die die Wirklichkeit darstellen sollten.
Für die Ethnohistorie sind neben Archiv- Bibliotheksstudien kommunikative Forschungsmethoden
enorm wichtig. Quellenkritik kann zwar die Schriftstücke in einem bestimmten Kontext zu setzen um
ihn zu dekonstruieren, kann aber keinen Zugang zu Subjektivität verschaffen. Dazu braucht man
intersubjektive Beziehungen => Wechsel zu einem diskursiven Paradigma.
Hinter der Entscheidung für ein dialogisches Vorgehen steht nicht der Gedanke einer
Basisdemokratie , sondern die Einsicht, dass Subjekte nicht völlig von ihren gewohnheitsmäßig
erworbenen sozialen Orientierungen bestimmt werden -> handeln kompetent indem sie ihr Wissen in
den alltäglichen Handlungen reflexiv, methodisch und situationsbezogen gebrauchen. Orientierung ist
durch Sozialisation erworben (= Geschmack, Neigung, Grundüberzeugung etc) -> wirken handlungs
und denkorientiert -> können aber thematisiert und diskursiv behandelt werden. -> Handelnde
benutzen Wissen ihrer Lebenswelt nicht nur, sondern verändern und erneuern es gleichzeitig.
Statt der begrifflichen Erfassung von „ANDEREN“ könnte eine (selbst)reflexive Haltung, Offenheit in
der Begegnung und Respekt gegenüber dem Anderen treten. Statt die Anderen dem eigenem Begriff
unterzuordnen sollte man das kritische Potential einer Selbstreflexion nutzen.
METHODENKRITIK: Bewusstwerdung der politischen Bedingungen der Forschungen seitens der
Wissenschaft. => Historische Nahverhältnis zum Kolonialismus auch die Allgemeine Abhängigkeit der
Forschungspraxis von ökonomischen, politischen, sozialen und religiösen Kontexten.
Unterschiedliche Machtverhältnisse, kulturelle und historische Erfahrungen wirken sich auf alle
Ebenen des Beziehungsverhältnis zwischen Ethnologinnen und Bewohnerinnen aus.
MODI des Fremderlebens: siehe Begriffessammlung
Aufgrund der europäischen Expansion ( wie Kolonialismus, Orientalismus, Missionarismus,
ethnozentrischer Universalismus) sind gegenwärtige Beziehungen zwischen Angehörigen
unterschiedlicher Lebenswelten spannungsgeladen.
Fremdheit ist keine Eigenschaft sondern ein rationaler Begriff.
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Modi Fremderlebens
Kommunikative Forschung vermag ihre spezifische Qualität erst dann zum Tragen zu bringen, wenn
sie die Bedingung der intersubjektiven Verständigung transparent macht. Kann nur gelingen wenn
Vielzahl an Perspektiven nicht zu einer einzigen, durch methodische Verfahren autorisierten
Interpretation des Wissenschaftlers verschmelzen lassen. POLYPHONIE: meint mehr: das
Ausgegrenzte soll ans Licht gebracht werden und die Entstehungsbedingungen der Texte
(schriftliche, mündliche ) soll als interpretative Prozesse nachvollziehbar werden.
Welche Bedeutung haben dialogische Herangehensweisen für die theoretischen Grundlagen
der Ethnohistorie?
Im Dialog steckt ein kritisches Potential, um in reflexiver Form den Universalitätsansprüchen der
eurozentrischen Moderne entgegenzutreten. Lyotard nennt Ausschwitzt einen paradigmatischen
Namen für die Zerstörung des Projektes der Vernunft. ( Thema der Moderne: rettet die Vernunft!
Umso vernünftiger wir sind umso besser wird die Welt-> Ausschwitze weder aller Vernunft!)
Ethnohistorie bietet kritisches Medium der Erinnerung.
Ethnohistorie schreibt nicht an der EINEN Menschheitsgeschichte, sondern an Vielzahl, für deren
Differenzen und Wechselwirkungen unter Einbeziehung der eigenen Geschichte.
Eine so verstandene KS- Geschichte macht bewusst, dass das Deuten und Handeln der Akteure von
jeweiligen Kontext abhängt. Unterschiedliche historische Erfahrungen, soziale Lage und Stellung
sowie Geschlecht verschieben die Perspektive der Akteure auf die Geschichte. Modus der
Rekonstruktion: Deutungen der Akteure werden nicht von Handlungen und Handlungsbedingungen
abgekoppelt-> Einblick in die Veränderung der Strukturen durch praktische Aneignung.
Kommunikative Forschung soll nicht Zugang zu Standpunkt- und Interessensgebundenheiten von
Individuen und sozialen Gruppen herstellen sondern vielmehr geht es dabei um eine Rekonstruktion
des dialektischen Zusammenhangs von strukturierten Handlungsbedingungen und Praktiken.
Ö
Texte die durch teilnehmende Forschung entstanden sind, stellen Gemeinschaftsprodukt aus
wechselseitigen Verständigungsleistungen dar – gehen auf Einigungsprozeß des Konsens zurück. ->
Konsens aufgrund der Kapitalverteilung machtgeladen- Verhandlungen darüber können aber neu
aufgenommen werden.
5. Zielsetzung und Aufgaben, Ausblick
banales Postulat: Alle sozialen Gruppen dieser Welt haben „ihre Geschichte“. Ihre Subjekte haben
sie mitgestaltet, wenngleich nicht in völliger Autonomie.
Ziel und Aufgabe der Ethnohistorie: Wechselwirkung zwischen Geschichten zu fragen.
Allgemeine Aufgabe der Ethnologie: alle wichtigen sozialen Begriffe, wie Religion, Recht, Wirtschaft,
Gesellschaft und Rationalität etc zu „entprovinzialisieren“. Denn Begriffliche Trennung zwischen
Religion und Kulturen, Recht und Bräuchen, Rationalität und mythischen Denkweisen macht nur
evolutionistische Vorpositionierung erkennbar -> enthält hierarchische Unterscheidung in entwickelte
und primitive Gesellschaften. -> Deren Funktion ist die Herrstellung eines Führungs. Und
Herrschaftsanspruches. Ethnohistorische Forschung animiert kritische Fragen an Befürworter
universalistischer Geschichtsauffassungen mit empirischen Argumenten.
Zielsetzung der Ethnohistorie nicht darin erschöpft „modernes“ europäisches Weltverständnis
fragmentarischer Gegenbilder alternativer Sichtweisen entgegenzusetzen.
Erkenntnisinteresse auf die kulturelle und soziale Praxis der Akteure im historischen Kontext
gerichtet. Integrative Forschungsansätze sind notwendig.
KAPITEL 2:
VON DER STRUKTURGESCHICHTE ZUM TRANSKULTURELLEM
FORSCHUNGSANSATZ
TRANSKULTURELLER FORSCHUNGSANSATZ: Soll vernetzten und quer durch die Gesellschaft
und ihren kulturellen Manifestationen verlaufenden Strukturen, die das Endprodukt von spezieller in
Zeit und Raum stattgefundener geschichtlicher Entwicklungen darstellen, soll der transkulturellen
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Forschungsansatz nachgehen. Das Erarbeiten solcher dynamischen Strukturen bzw. Abläufe kann in
dialogischer Form mit Hilfe der Diskursanalyse und den narrativen Forschungsansatz erfolgen.
Ö
zukunftsorientierter Forschungsansatz, und auch zukunftsorientierter Forschungsauftrag ->
wirkt identitätsfördernd ( soziokulturelle und politische Wurzeln der jeweiligen Gesellschaft und das
Selbstverständnis von Geschichte wird miteinbezogen) und auch das gegenseitige Verständnis wird
unterstützt -> hilft kulturelle Barrieren zu überwinden.
Ö
So kann Ethnohistorie Beitrag zur Konfliktminimierung leisten.
Ö
Die Erarbeitung der jeweiligen historischen Hintergrundes und somit die Erstellung von der
Identität einer Gruppe ist vorrangig, bei der kulturellen Globalisierung der Gesellschaft in
multikultureller Form (Kulturgruppenexogamie)
Die Formativphase ( auf Gestaltung bezogen, gestaltend) der Ethnohistorie war durch
quellenpositivistische Interpretationen und Darstellungen charakterisiert -> nannte Walter Hirschberg
„historische Ethnographie“ ) => wird heute als historischer Partikularismus bezeichnet. -> Bedeutung
der Quellenkritik wurde erkannt, aber man klebte an den historisch-ethnographischen Fakten
kultureller Manifestationen (Faktengeschichte) und wollte mit der Interpretation nur die
Quellenaussage verfestigen.
Definition von Ethnohistorie seit 1970er folgende:
….Teilgebiet der regionalen Völkerkunde, mit besonderer Berücksichtigung schriftlicher Quellen,
Bildquellen, Oraltradition und Realien. Voraussetzung: Nutzung der Quellen und Quellensequenz
sowie Quellenkritik und auch die Beachtung der Interpretations- sowie Verstehenslehre. => auf diese
Weise versucht ein Ethnohistoriker zu einer Darstellung von Kulturabläufen zu kommen. Frage des
Kulturwandels, der angewandten Völkerkunde und der politischen Anthropologie spielen gr. Rolle.
Methoden: adäquate Anwendung von historischer Arbeitsweise mit genauem Zeitbegriff, Beachtung
der Quellenkritik und Quellensequenz unumgänglich, historische Einheit von Zeit und Raum gibt die
Grundkomponente ab.
Quellenkritik: Aufgabe das niedergelegte Quellenmaterial (meist von Europäern) einer kritischen
Durchleuchtung zu unterziehen. Bekannte Kriterien der inneren und äußeren Kritik sind
Verlässlichkeit und Gültigkeit -> damit eng verbunden ist der Ethnozentrismus. Berichte der Europäer
durch einseitige Anschauung gekennzeichnet-> urteilen nach eigenen Wertskala. Wertbegriff äußert
sich in Kulturäußerungen.
Unter Interpretationen versteht man die Auslegung der bereits nach Art und Charakter bestimmten
Quellen. Historische Interpretation: „Verstehen von Zeugnissen“ aufgrund der Regeln der
Hermeneutik (Auslegungskunst, Deutung) und das einordnen der Zeugnisse in einen
Zusammenhand.
Interpretationen: kein willkürliches erfundenes Hineinlegen von tieferen Sinn in Dinge, wo man nichts
hineinlegen kann. Gegenteil: unentbehrlicher Bestandteil unsereres Alltagslebens. Interpretation ist
etwas Subjektives und Objektives. Subjektiv : Interpretation besteht darin, dass wir uns
hineinversetzen können in das Leben der Beforschten, die Situation verstehen, und was sich der
physischen Wahrnehmung erschließt.
Objektivität: weil Inhalt des Verstehens am gegebenen Gegenstand auch von anderen Subjekten
nachvollzogen werden muss kann.
Quellengattungen und Quellenkritik für Ethnohistoriker von gleicher Art-> so ergibt sich bei der
Interpretation eine methodische Differenz.
Ethnohistorisches Material wird dann mit „Mitteln und Konzepten der Ethnologie“ ausgewertet bzw.
interpretiert.
Konzept der Kulturgeschichte: verknüpft Ethnohistorie und Ethnoarchäologie, und der Ur- und
Frühgeschichte unter Voraussetzung der Einheit von Zeit und Raum.
Aufgabe: anhand des im Raum fixierten Quellenmaterial als eine Kulturdarstellung bzw. einen
dynamisch verstandenen Kulturablauf von frühesten Daten bis zur Gegenwart in chronologischer
Abfolge zu erarbeiten. Geht wenn berichtgeschichtlich gesicherte Ethnien unmittelbar an
prähistorische- archäologische Schichtfolgen anschließen lassen -> hinabsteigen in tiefere historische
Horizonte. -> Einbeziehung der Linguistik, physischen Anthropologie bzw. Humanbiologie und
Botanik.
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STRUKTURBEGRIFF: analytisches Instrument der Sozialwissenschaften. Unterscheidung zwischen
strukturalistischem und sozioloigschem Strukturbegriff: ersterer ist ahistorische, zweiterer beinhaltet
zeitliche Dimension -> für Historiker verwendbar.
Strukturbegriff muss Zeit- Raumbezogenheit berücksichtigen- Struktur = Bezugssystem im Aufbau
der Gesamtheit eines Ethnos oder Gruppe und dessen/deren kulturellen Manifestationen.
Ethnohistorie emanzipiert sich wegen des Theorieverständnisses zu einer Strukturgeschichte mit
sozialwissenschaftlichem Ansatz.
Strukturgeschichte:
Aufgabe: konkret beobachten, festhalten und aus den Quellen festgehaltene kulturelle
Manifestationen von Personen nicht auf funktionalistische Ausführung einer dominanten Struktur zu
reduzieren sondern Mensch durch Einbezug ethnologischer Feldforschung und Erkenntnis
herausheben.
Geschichte läuft nicht nur in Strukturen ab, sondern drückt sich auch im individuellem Handeln aus
(von Individuen oder Gruppen). Einzelne Aussagen (narratives Interview) können kollektives
Bewusstsein einer Sozeität ausdrücken. -> Etablierung und Darstellung einer der kulturellen
Manifestationen des jeweiligen Ethnos. Strukturgeschichte läuft auf Metaebene ab, und ist deshalb
den Anforderungen des sozialwissenschaftlichen Ansatzes gerecht. Strukturgeschichte betont auch
diese Verbindung.
Strukturgeschichte scheint zu sein:
a.)
geschichtliche Betrachtungsweise, die auf alle Bereiche geschichtlicher Wirklichkeit
angewandt werden kann- Sozial sowie Politik
b.)
„Verhältnisse“ sowie „Zustände“ die überindividuelle Entwicklungen und Prozesse, weniger
die einzelnen Ereignisse und Personen im Vordergrund- lenkt Blick eher auf Bedingungen,
Spielräume und Möglichkeiten menschlichen Handelns in Geschichte als auf individuelle Motive,
Entscheidungen und Handlungen. Wirklichkeitsbereiche und Phänomene Gegenstand der
Forschung.
c.)
Erfassung übergreifender Zusammenhänge, auf gesamtgeschichtlichem Prozess in
synchronem und diachronem Zusammenhang.
PHASENKONZEPT: kann nur angewendet werden wenn in einem gewissen Zeitraum (Phase)
genügend zeitlich eng gestreute Quellen von einer bestimmten Sozietät verhanden sind. Phase stellt
in sich synchron einen Zeitraum auf den sich Bevölkerungsgruppen beziehen dar, auf den in
diachroner Abfolge die nächste synchrone Phase folgt. Ändern sich Strukturen stark setzt auch eine
neue Phase ein.
Auch Motive und Strukturen innerhalb einer Phase sollen herausgearbeitet werden.
Dialogische Öffnung der Ethnohistorie hat auch Gegeneffekt: die neuerliche Rückbesinnung auf den
kultur- und sozialanthropologischen Bereich – Schwerpunkt Geschichte und Gegenwart.
Kultur nicht veränderbar, sondern dynamischer Lernvorgang, fließt mit gesellschaftliche,
wirtschaftlichem und ethnisch-religiösem Wandel der Menschen mit.
Quellensequenz: kontinuierliche Abfolge von Quellen, die einen bestimmten Ethnos behandeln, um
zu Erkenntnis räumlich sowie zeitlich beschränkter kultureller Verhältnisse zu gelangen. Versucht
diachronem Zeitbegriff gerecht zu werden, bildet auch Nachweis für Kulturwandel oder
Kulturkonstanz.
Polyphonie:
Diskussion über die Bedeutung der Polyphonie: Grundprinzip sozialwissenschaftlicher und
historischer Forschung. Rezeption der Postmoderne hat Disziplin als „Anthropologie der
Begegnungen mit Anderen“ erscheinen lassen.
Kulturelle Manifestationen einer Sozietät werden durch ihre Glieder ausgedrückt und die vernetzten
Summen von Funktionen in der Gesellschaft bilden die Strukturen, die in Zeit und Raum festgelegt
sind und einem Wandlungsprozess durchmachen. (Anlehnung an Habitus- Konzept)
Habitus bei Bourdieu:
Bindeglied zwischen Gesellschaftsstruktur und Individuum
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Gleichsam soziale Vergangenheit wie aktuelle Praxis eines Trägers
Inkorporierte Struktur klassen- und klassifikationsspezifischer Handlungskompetenz und dabei
in jede Kommunikation eingebracht.
„leiblich gewordene Geschichte“
Produkt von Sozialisation, eingeimpft in den Instanzen (Alltagswelt, Schule, Familie, etc) einer
auf Hierarchie als dominantes Strukturierungs- und Differenzierungsprinzip beruhenden sozialen Welt
– dort werden dauerhafte und paradigmatische Beziehungen ausgebildet.
Einzelne Akteur nur Repräsentant einer Gruppe
Jede Handlung unterliegt denselben Klassifikations- bzw. Distinktsionsprozessen -> „jede
Einzelpraxis wird zur Metapher“
Habitus kontrolliert Geschmack, Neigung, die Fähigkeit zur materiellen und/oder
symbolischen Aneignung einer best. Klasse klassifizierter und klassifizierender Gegenstände und
Praktiken.
„Alle gesellschaftlichen und kulturellen Artikulationen sind bei ihm „habitualisierte“
Alltagshandlungen, kommunikative Akte werden dabei gleichfalls zu Handlungsgegenständen, zu
sprachlichen Kapitalien, sind quasi- ökonomischen Marktcharakter unterworfen und unterliegen der
Dynamik „linguistischer Märkte“ als Ausdruck und Rahmen der „Ökonomie praktischer Handlungen“.“
Linguistische Habitus -> mit Erwerb der Sprache -> Redewendungen
„Entwurf einer Theorie der Praxis“- zentrale Frage, wie die Akteure die gesellschaftliche Praxis, die in
ihnen involviert ist, wahrnehmen, erfahren und erkennen. -> Habitus und seine Theorie stellt „Theorie
der praktischen Erkenntnis der sozialen Welt“ dar.
Die zukunftsweisenden Theorie und Methodenansätze der Ethnohistorie und der Kulturgeschichte
verwirklichen die transkulturelle Forschung am ehesten -> inkl. Die Erkenntnisse der
Strukturgeschichte und der Postmoderne -> versteht sich als kommunikativ konzipierte KSA.
Ethnologie und so auch Ethnohistorie sind als eine dem diskursiven Paradigma verpflichteten
Kommunikationswissenschaft aufzufassen. Arbeiten mit ksa Phänomenen oder kulturellen
Manifestationen von Sozietäten, arbeiten an ihren Interessen die sich an unterschiedliche soziale
Welten richten.
TRANSKULTURATION:
Reziproke und bilaterale Akkulturation
Drückt die verschiedenen Phasen des Übergangens von einer Kultur zur anderen aus
Bedeutet nicht nur „eine Kultur erhalten „ (Akkulturation) sondern auch Prozess der den Verlust einer
Kultur (Dekulturation ) involviert.
In so einem Prozess werden aber auch neue Kulturphänomene (Neokulturation) geschaffen.
bezeichnet den Prozess des Wandels, wie er sich druch Kontakt und gegenseitige
Beeinflussung aller beteiligten Kulturen gestaltet
die Vorsilbe trans bedeutet quer, hinüber drückt klar den Überganghaften Charakter aus,
sowohl die Übernahme von Elementen aus auch Veränderung der betroffenen Kultur
Kultur- und Sozialwandel macht Reziprozität des Wandels deutlich, Wandel vom
gegenseitigem Kulturkontakt hervorgerufen.
Transkulturation Ausschnitt aus Gesamtphänomen Wandel!
Durch Dialog wird eine Dauerreflexion des Fremderlebens notwendig.
Im Dialog muss seine eigene Position immer mitreflektiert werden. Ordnungsschemata von SChäffter
. Wichtig die eigene Verwurzelung in der eigenen Kultur sichtbar zu machen, bietet Möglichkeit die
eigene Bedingtheit von den gesellschaftlichen Normen zu erkennen.
Transkulturelle Kommunikation tritt in Erscheinung, wenn Phänomene von Sozietäten in
oszillierender Form quer durch die Gesellschaften (transkulturell) immer wieder gewechselt werden.
Identitätsbildende Parameter müssen zum tragen kommen.
Transkultureller Forschungsansatz besitzt im Rahmen der Ethnohistorie unter Einhaltung ihrer
theoretischen und methodologischen Voraussichten eine Zukunftsperspektive.
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KAPITEL 3:
QUELLEN
Quellenkritik, Oraltradition, Narratives Interview
ƒ
Ethnohistorie benützt verschiedene Quellen für ihre Analysen und Hinterfragungen, wie z.B
Bibliotheksrecherchen, Archivmaterialien, Narratives Interview und Oraltradition
ƒ
Die Quelleneinteilung oder Systematisierung bezieht sich auf die Quellen- Art
(Erscheinungsbild) – nicht auf den thematischen Inhalt
ƒ
Eine der Hauptaufgaben ist in erster Linie die Sammlung des Stoffes, dass heißt
Begebenheiten werden ein ihrer natürlichen (tatsächlichen) Form festgehalten. Weiters folgt die
Erkenntnis wie die gesammelten Tatsachen zusammenhängen.
ƒ
Bernheim definiert Quelle: „Material woraus unser Wissenschaft ihre Erkenntnis schöpft“
ƒ
Früher gab es eine Unterscheidung zwischen Primär und Sekundärquellen, die heute nicht
mehr aktuell ist.
PRIMÄRQUELLEN sind heute „authentische zeitgenössische Quellen“
SEKUNDÄRQUELLEN sind „abgeleitete Quellen“
ƒ
Bernheim unterteilt Quellengattungen in Überreste und Traditionen
ÜBERRESTE teilt er in „Überreste im engeren Sinn“ (= körperliche Reste, Sprachen, Zustände,
Institutionen, Produkten Geschäftsakten etc.) und in „Denkmäler“ (=Inschriften, Monumente,
Urkunden)
TRADITIONEN teilt er ebenfalls auf: 1.)bildliche (histor. Gemälde, bzw. Skulpturen)
2.)mündliche (Erzählungen, Sagen, Anekdoten,
Sprichwörter, und historische Lieder)
3.)schriftliche (Inschriften, Genealogien,
Kalender, Annalen, Chroniken, Biographien,
Memoiren etc.)
ƒ
1.)
2.)
3.)
4.)
5.)
6.)
7.)
8.)
9.)
Man kann aber die Quellengattungen der Ethnohistorie in 9 Gattungen unterteilen:
schriftliche
bildliche
kartographische
Flugschriften
Oraltradition
Narrative und biographische Interviews
Realien (ethnogr. Museumsmaterial)
Feldforschungsberichte
Online Ressourcen im www
1.SCHRIFTLICHE QUELLEN:
Grundsätzliche Unterscheidung in Publiziertes und unpubliziertes Material
PUBLIZIERTES Material:
alles veröffentlichte wie: Erlebnisberichte (eigene Anschauung und Beschreibung von ethnograph.
Details und somit eigene Darstellung- meistens unbeabsichtigt.), Reiseberichte, Tagbücher,
Bordbücher, Landeskunde, Monographien, Briefe)
-frühere Quellen des Entdeckungszeitalters für Ethnoh. Forschung wichtig (Veröffentlichte
Reisesammlungen, …)
Landeskunden: sind aus fremder Anschauung heraus bewusste Darstellungen von Zuständen, oder
Abläufen- besitzen wissenschafltichen Charakter (fassen ethnograph., geograph, ökonom,
naturkundl. Und historisches Zusammen.)
Trotz Trennung von Erlebnisberichten und Landeskunden, können die Quellen keinem genauem
Typus zugeschrieben werden.
Alle veröffentl. Authent. Berichte mit ethnographischem Inhalt dienen der Ethnohistorie. Forschung.
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UNPUBLIZIERTES Material:
=authentische, eventuell im Autograph, Manuskripte, aus Archiven oder Privatbesitz, Sammlungen.
Können Memoiren, Tagebücher, Bordbücher, Briefe, Urkunden oder Dekrete sein
Ohne mit Einbeziehung von Nachbardisziplinen wie Paläontologie, oder Aktenkunde, Chronologie,
etc.) ist die Aufarbeitung nicht möglich.
2. BILDQUELLEN:
Die Bildkunde hat die Aufgabe, das Wesen, die Entwicklung, die Bedeutung und die Verwertung(
sammeln oder erforschen) des Bildes als histor. Quelle Darzulegen.
Keyser teilt in 4 Gruppen:
1.)bildl. Darstellung von Personen, Orten, Ereignissen und Sachen
2.)flächige Bilder (Ölmalerei, Kupferstiche, Lithographien…)
3.)körperliche, plastische Werke (Skulpturen,…)
4.)Fotos und Film (durch deren unmittelbarer Bezug zur Wirklichkeit, eines der wichtigsten
Dokumentationsmittel) – Visual Anthropology
Wichtig ist das Unterscheiden zwischen Nachbildung und Fälschung
Wert der Bilder drückt sich durch die Umstände der Herstellung (wer, wann, wo), der Art der
Herstellung (wie), und der Darstellung und Inhalt aus.
Textillustrationen sind wegen der Mindestansprüche der Quellenauthenzität von Bildquellen zu
trennen.
Vorort gemaltes, gezeichnetes wie Skizzen von Reisenden (Bildquelle mit begleitendem Text) dienen
der Ethnohistorie sehr wohl als Quelle.
Film und Foto dienen vor allem der Rekonstruktion von lokalen Verhältnissen, ethnograph.
Historischen Fakten. Durch die Medien Film und Foto kann ein historisches Selbstverständnis
artikuliert werden.
3.KARTOGRAPHISCHE QUELLEN:
wenig beachtet- Karten
ursprüngliche Bedeutung der Karten im Sinne von Territorien aufzuzeigen
unberücksichtig blieb die Quelle Karte im Sinne von kartographischen Darstellungen.
Ogrissek: Unterschied zwischen Geschichtskarten (Sachverhalt der Geschichte ist ihr Inhalt) und
historischen Karten (sind in einem gewissen vergangenem Zeitraum entstanden)
Kartographische Publikationen besaßen neben ihrer Quellenfunktion auch eine Kontrollfunktion
(Geschichtliche neue Entdeckungen wurden in die Karten inkludiert)
Reine kartographische. Darstellungen gehören der Bildquelle an
Migrationsprozessen konnten anhand alter Karten verdeutlicht werden
Alte Globen nicht aktuell, hinken der Darstellung der Karten zeitlich nach -scheiden daher aus.
Wichtig für die Ethnohistorie ist der Inhalt der zeitgenössischen Karten.
4.FLUGSCHRIFTEN:
=nicht periodisch und in den Zeitabständen stark variierende gedruckte Einzelzeitungen. Dienen der
Verbreitung von Nachrichten, besonderen Ereignissen- Zweck Information sowie Unterhaltung.
Aussagen sind öffentlich, einseitig und richten sich an ein disperses Publikum. Flugschriften=
Sammelbegriff für alle Einzelzeitungen die ab dem 16 Jhd. Als Neue Zeitung, Berichte, Reaktionen
oder Beschreibungen gedruckt und verteilt wurden können Abbildungen und Karten enthalten.
5. ORALTRADITION
mündliche Überlieferung der Vergangenheit eines Ethnos oder Gruppe. In der Ethnographischen
Arbeit sind sie sehr wichtig . Durch die meist einseitige Angleichung eines Ethnos an einen anderen
(Kulturkontakt) und/oder die bewusst Herbeigeführte Angleichung einer Minderheit an eine Mehrheit,
ist die mündliche Überlieferung für die Ethnohistorische Forschung besonders wichtig. Bedeutende
Stellung in der Heuristik
Wichtig ist auch die Unterscheidung zwischen „Tradition aus erster Hand“ und „Tradition aus zweiter
Hand“. Die Tradition aus erster Hand entspricht der authentischeren
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Vausinas beschreibt den Ablauf, Am beginn steht der Protozeuge, der ein Ereignis oder Tatsache
wahrnimmt, der Bericht geht über Hörensagen weitergegeben bis zum Informant, der das
zeitgenössische Endprodukt an den Berichterstatter (Forscher, Wissenschaftler) übergibt. Der
schreibt es als erster nieder.
Die Übermittlungsart ist das Gesprochene Wort.
Die Quellenkritik ist hier wichtig, man sollte die Information im möglichst unverfälschten Zustand
erhalten. Kenntnis der Sprache und unumgänglich.
Die Kombination von oralem und schriftlich authentischem ist sinnvoll/wichtig,
AUS WERNHART: Ethnoarchäologische Grundlagen zur Oraltradition:
Im Bereich der Forschungsrichtung spielen Oraltradition und narratives Interview eine bedeutende
Rolle, denn dort wo schriftliches fehlt kann man anhand oraler Überlieferungen historische
Kenntnisse gewinnen. Die Oraltradition außereuropäischer Gebiete reicht häufig wieder in die
historische Tiefe zurück als die Schriftquellen der Europäer. Die mündlichen Überlieferungen
überbrücken die zeitliche Differenz von den Bodenfunden zu den Schriftquellen, sie können so zur
Interpretation von Bodenfunden herangezogen werden. (o-ton aus buch!)
6. NARRATIVE UND BIOGRAPHISCHE INTERVIEW
7.REALIEN
=ethnographische Objekte die sich in Sammlungen oder Museen befinden. Auch Ausgrabungen
gehören dazu. Ethnohistorie versucht den Realien chronologische exakte Anhaltspunkte (Alter)
zuzuweisen Problem: die datenmäßige Erfassung ermittelt das Jahr der Erwerbung jenes Objektes,
aber nicht wie alt ergologischen Stücke wirklich sind.
Annäherung an die Prähistorie. Die Querverbindung zu Nachbardisziplinen ist wichtig. Dieses
Fächerübergreifende Verfahren ist dann von Nöten, wenn sich geschichtlich gesicherte Ethnien in
Verbindung mit prähistorischen und ärcheologischen Funden bringen lassen. Dabei soll eine
Kontinuität entstehen. Da aber die Eigenständigkeit der einzelnen Disziplinen bewahrt werden soll, ist
das Ziel neue Gesichtspunkte zu erlangen, die dann zu einer Synthese führen sollen.
8.FELDFORSCHUNGSBERICHTE
Kremser
= schriftliche und audiovisuelle Dokumentation von Felduntersuchungen. Besitzen ihre Gültigkeit ab
dem Zeitpunkt ihrer Aufnahme. Stammen meist aus dem 19 – 20 Jahrhundert
Qualität einer Aufnahme sollte in jedem Fall der Quantität vorzuziehen sein.
Fischer/Zanolli: unterscheiden eine intentionale (vom Kulturträger selbst) und eine notative (vom
Ethnographen) Betrachtungsweise.
ETHNOSCIENCE: Versuch über Sprache (Bedeutung der Worte) die Etic’s (Kulturfreien Merkmale)
einer Gruppe zu erfassen. Ziel ist die Herausarbeitung der Emic’s (gebundene Merkmale) einer
Kultur. Somit lässt sich ein Verhaltens und Interpretationsunterschied erfassen.
9. ONLINE RESSOURCEN IM INTERNET
= neuer Handlungs- und Untersuchungsraum der Ethnologen. Ziel die Handlungsstrukturen und –
Praktiken zu erarbeiten (die eine online Kommunikation ausmachen), und die geschichtlichen Spuren
die die Online Kommunikation hinterlässt zu erarbeiten. Durch die neuen Möglichkeiten wie
Newsgroups, Mailingslists neue Formen der historisch relevanten Zeugnisse mit Datierung
entstanden. Bieten sich für die Ethnohistorie als Forschungsquelle an.
QUELLENKRITIK
Wird in eine äußere (formale) und in eine innere (inhaltliche) unterteilt. Wichtig ist das Augenmerk auf
Echtheit oder Fälschung der Quelle. Die Fragen nach der Entstehungszeit,- ort, und dem Urheber
sind auf jeden Fall zu stellen. Besteht eine Abhängigkeit zu anderen Quellen?
In der Quellensequenz wird das interpretierte Material zur Darstellung gebracht. Wichtig ist die
Kulturgeschichte und der Transkulturelle Ansatz.
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Hudson „folk history“ =die Geschichte wird aus den Augen der Betroffenen betrachtet. Führt zu einer
politisch ereignishistorischen Geschichte. Die Abgrenzung zur Geschichte wichtig.
KAPITEL 4:
ETHNOARCHÄOLOGISCHE GRUNDLAGEN
KULTURGESCHICHTLICHER FORSCHUNG
„Konzept der Kulturgeschichte“:
-
-
ermöglicht eine Zusammenarbeit von Archäologie, Prähistorie und Ethnohistorie um
die zeitliche Einschränkung der Ethnohistorie bedingt durch die Quellenlage zu
überwinden bzw. um Ethnohistorie in die historische Tiefe zu erstrecken
= Kombination Ethnohistorie und Ethnoarchäologie -> kann gemeinsam von der
Gegenwart ausgehend bis in archäologische Schichtenfolge kulturelle Manifestationen
von Ethnien zu verfolgen
Forschungsinteresse der Kulturgeschichte richtet sich auf Rekonstruktion
historischer Prozesse im datierbaren Zeitraum und lokalisierbaren Raum (Einheit von
Zeit und Raum) -> Konzept erhebt keine universalistischen Ansprüche und ist nicht
entwicklungsgeschichtlich, evolutionistisch orientiert
durch historische Rekonstruktion -> Gewinn eines diachronen „dynamischen
Geschichtsbild“ oder „Phasenkonzeptualisierung“ (siehe weiter unten) => lässt
synchrone Betrachtungsweisen im Rahmen von aufeinander folgenden Zeiträumen
(Phasen) zu
Grundbedingung des Konzepts: Verwendung eines relativen Zeitbegriffs bei
archäologischen Datierungen und eines exakt – historischen Zeitbegriffs
Anwendung des Konzepts nur wenn sich berichtgeschichtlich gesicherte Ethnien
unmittelbar an prähistorische archäologische Schichtenfolge anschließen lassen
Aufgabe: anhand des in Zeit und Raum fixierten Quellenmaterials ein
Kulturdarstellung, einen Kulturablauf anhand von fassbaren Ethnien zu geben, der von
den frühesten Daten bis in die Gegenwart reicht
Frühgeschichte: zeitliches Übergangsfeld zwischen Urgeschichte und Geschichte, in
welchem noch nicht ausreichend schriftliche Quellen da sind und zu derer Erforschung
vorwiegend archäologische Methoden angewendet werden
„Ethnoarchäologie“:
- Versuch auf der Grundlage von Archäologie und Ethnologie Brücke zu schlagen
zwischen Suche nach Einheit der Menschen in der Zeit und dem Wissen um die
Variabilität im Raum
- Forschungsrichtung innerhalb der historischen Ethnologie -> Schwerpunkt liegt auf
Archäologie
Archäologie: bestimmtes Forschungsverfahren, bestimmte Methode der
Quellenforschung zur Beantwortung historischer Fragen, die durch den Bezug auf die
Grundfrage nach dem vergangenen Kulturationsprozessen als historisch bewertet
wurden, qualifiziert sind
=> archäologische Position entspricht Grundkonzepten der Ethnohistorie -> somit
Verbindung der beiden in einem „Konzept der Kulturgeschichte“ möglich
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Zusammenarbeit nur möglich, wenn die genannten Disziplinen:
1) sich zur historischen Methode im engeren Sinn bekennen
2) sich zur Einheit von Zeit und Raum bekennen
3) sich zu einer exakten bzw. relativen Chronologie bekennen
im Vordergrund steht der historisierte Strukturbegriff:
-
-
stellt auf die Dynamik des historischen Prozesses ab => dadurch soziales Handeln
der Subjekte einbezogen, um Kulturveränderungsprozess nicht als von den Akteuren
losgelöstes Phänomen zu klassifizieren
besitzt Raum- und Zeitbezogenheit
dynamisches Prinzip dabei ist der individuelle und kollektive Habitus eines Ethnos
ist der Schlüsselbegriff ethnohistorischer Forschung
Strukturen werden nicht im Sinne des Strukturalismus verstanden, sondern in einer
historischen Dimension – vermittelt durch kulturelle Praxis deutender und handelnder
Subjekte
) kulturelle Praxis vollzieht sich bei Subjekten kommunikativ (durch Sprache) ->
kommunikatives Handeln geht über Verständigungsprozess hinaus -> impliziert
Teilnahme an Interaktion
) kommunikative Handlungen lassen sich nicht auf Interpretationsvorgänge
beschränken, sie bedeuten zugleich Vorgänge der sozialen Integration und der
Vergesellschaftung
Mensch ist nicht Eigentum der Strukturen – im Mittelpunkt des Interesses steht die
aktive Gestaltung und Reproduktion gesellschaftlicher Verhältnisse durch praktische
Tätigkeit der Subjekte
versteht Struktur als Bezugssystem im Aufbau der integralen Gesamtheit eines
Ethnos und dessen kultureller Manifestation
Strukturgeschichte
-
= Verbindung von Geschichte und Soziologie
Hauptanliegen = Abfolge und Ineinanderübergehen von Strukturen
ist die Geschichte in Strukturen von früh fassbaren und interpretierten Tatsachen bis
zur Gegenwart
mittels eines „Phasenkonzepts“ in Form einer „Metahistorie“ strukturierte Kulturdarstellung
verwirklichen:
„Phasenkonzept“ -> Anwendung nur dann, wenn:
-
in einem gewissen Zeitraum (Phase) genügend zeitlich eng gestreute Quellen von
einem Ethnos da sind
- kein starkes dynamisches Moment vorhanden ist
Metahistorie:
-
= eine über die Faktengeschichte erhabene Konzeption einer Darstellung
will aus dem in Zeit und Raum innerhalb einer Phase abgeleiteten Faktenmaterial
Strukturen ableiten und konstruieren, die für den Ethnos spezifisch sind
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in Ethnohistorie geht es darum Strukturen in ihrer historischen Dimension zu erfassen =>
durch einbeziehen von Strukturen (-> wirken auf Praktiken der Akteure) soll kulturalistischer
Rahmen (in dem die Subjekte scheinbar frei von Herrschaftsverhältnissen scheinen)
durchbrochen werden
„Kontinuitätsfrage“:
-
Kontinuität nach Bausinger = Kennmarke für lange ungebrochene Tradition
Kontinuitätsbegriff steht für den des Kulturablaufs
Kontinuität = Ausdruck für das Fortleben von Manifestationen (religiöse,
wirtschaftliche, soziokulturelle) über große Zeitdistanzen, auch wenn Quellensequenz
durch Lücken unterbrochen ist
„Kontinuitätsfrage“, d.h. Klammer zwischen Archäologie und Ethnohistorie zu finden =
Zentralpunkt der Kulturgeschichte
für Ethnohistorie und Kulturgeschichte 2 wissenschaftstheoretische Positionen:
1) praxeologische bzw. rationalistische
2) diskurstheoretisch – rekonstruktive
-> beide Forschungsrichtungen in Wien als Strukturgeschichte verstanden
„KONZEPT DER KULTURGESCHICHTE“
- ermöglicht eine Zusammenarbeit von Archäologie, Prähistorie und Ethnohistorie, um die zeitliche
Einschränkung der Ethnohistorie bedingt durch die Quellenlage zu überwinden, bzw. um
Ethnohistorie in die historische Tiefe zu erstrecken
- = Kombination Ethnohistorie und Ethnoarchäologie-> kann gemeinsam von der Gegenwart
ausgehend bis in die archäologische Schichtenfolge kulturelle Manifestationen von Ethnien zu
verfolgen
- Forschungsinteresse der Kulturgeschichte richtet sich auf Rekonstruktion historischer Prozesse im
datierbaren Zeitraum und lokalisierbaren Raum ( EINHEIT VON ZEIT UND RAUM) –> Konzept
erhebt keine universalistischen Ansprüche und ist nicht entwicklungsgeschichtlich, evolutionistisch
orientiert durch historische Rekonstruktion -> Gewinn eines diachronen „dynamischen
Geschichtsbild“ oder „Phasenkonzeptualisierung“ (siehe weiter unten)=> lässt synchrone
Betrachtungsweisen im Rahmen von aufeinander folgenden Zeiträumen (Phasen) zu
- Grundbedingungen des Konzeptes: Verwendung eines relativen Zeitbegriffs bei archäologischer
Datierung und eines exakten historischen Zeitbegriffs
- Anwendung des Konzeptes nur wenn sich berichtgeschichtlich gesicherte Ethnien unmittelbar an
prähistorische archäologische Schichtenfolge anschließen lassen
- Aufgabe: anhand des in Zeit und Raum fixierten Quellenmaterials eine Kulturdarstellung, einen
Kulturablauf anhand von fassbaren Ethnien zu geben, von frühesten Daten bis Gegenwart
Frühgeschichte:
Zeitliches Übergangsfest zwischen Urgeschichte und Geschichte, in welchem noch nicht ausreichend
schriftliche Quellen da sind und zu derer Erforschung vorwiegend archäologische Methoden
angewandt werden
ETHNOARCHÄOLOGIE:
-Versuch einer Grundlage von Archäologie und Ethnologie Brücke zu schlagen zwischen Suche nach
Einheit der Menschen in Zeit und dem Wissen um die Variabilität im Raum.
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- Forschungsrichtung innerhalb der historischen Ethnologie -> Schwerpunkt: Archäologie
ARCHÄOLOGIE:
Bestimmtes Forschungsverfahren, bestimmte Methode der Quellenforschung zur Beantwortung
historischer Fragen, die durch Bezug auf die Grundfrage nach dem vergangenen
Kulturationsprozessen als historisch bewertet werden, qualifiziert sind.
Ö
archäologische Position entspricht Grundkonzepten der Ethnohistorie -> somit Verbindung der
beiden in einem „Konzept der Kulturgeschichte“ möglich
Zusammenarbeit nur möglich, wenn die genannten Disziplinen:
1.)
sich zu historischen Methode im engeren Sinn bekennen
2.)
sich zu Einheit von Zeit und Raum bekennen
3.)
sich zu einer exakten bzw. relativen Chronologie bekennen.
Im Vordergrund steht der historische Strukturbegriff:
Stellt auf die Dynamik der historischen Prozesse ab => dadurch soziales Handeln der
Akteure der Subjekte einbezogen, um Kulturveränderungsprozess nicht als von den Akteuren
losgelöstes Phänomen zu klassifizieren
Besitzt Raum und Zeitbezogenheit
Dynamisches Prinzip dabei ist der individuelle und kollektive Habitus eines Ethnos
Schlüsselbegriff ethnohistorischer Forschung
Strukturen werden nicht im Sinne des Strukturalismus verstanden, sondern in einer
historischen Dimension – vermittelt durch kulturelle Praxis deutender und handelnder Subjekte
*kulturelle Praxis vollzieht sich bei Subjekten kommunikativ (Sprache) -> kommunikatives Handeln
geht über Verständigungsprozess hinaus -> Interaktionen
*kommunikative Handlungen lassen sich nicht auf Interpretationsvergänge beschränken, sie
bedeuten zugleich Vorgänge der sozialen Integration und der Vergesellschaftung
- Mensch ist nicht Eigentum von Strukturen – Mittelpunkt des Interesses steht die aktive
Gestaltung und Reproduktion gesellschaftlicher Verhältnisse durch praktische Tätigkeit der Subjekte
- versteht Struktur als Bezugssystem im Aufbau der Gesamtheit eines Ethnos und dessen
kultureller Manifestationen
Strukturgeschichte
Verbindung von Geschichte und Soziologie
Hauptanliegen = Abfolge und Ineinanderübergehen von Strukturen
Ist die Geschichte in Strukturen von früh fassbaren und interpretierten Tatsachen bis zu
Gegenwart
Mittels Phasenkonzept in Form von Metahistorie strukturierte Kulturdarstellung verwirklicht:
Phasenkonzept Anwendung nur dann, wenn
in einem gewissen Zeitraum (Phase) genügend zeitlich eng gestreute Quellen von einem
Ethnos vorhanden sind
kein starkes dynamisches Moment vorhanden ist
KAPITEL 5:
ETHNOS- IDENTITÄT – GLOBALISIERUNG
Ethnos, ethnische Einheit lässt sich durch ihr Selbstverständnis, welches als kulturelle
Identität verstanden wird, charakterisieren
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Ethnos und Identität stehen in engem vernetzten Zusammenhang. Beide drücken
Unterscheidung und Abgrenzung einer Bevölkerungsgruppe von der anderen aus und
manifestieren zugleich Zusammengehörigkeitsgefühle der jeweiligen Einheit.
Ethnos:
- darunter wurde zunächst „ethnische Einheit“ verstanden
- Begriff wurde von Shirokogoroff geprägt:
lt. Shirokogoroff besitzt Ethnos einen dynamischen Charakter und folgende konstituierende
Faktoren:
) Ähnlichkeit der kulturellen Adaption, der Sprache, Kontinuität als
Überzeugung und Überlieferung von Traditionen, Wir – Bewusstsein und
wechselseitige Identifikation,
) biologische Einheit durch endogame Weitergabe der Erbbedingungen
sowjetische Forscher betonen Objektivität der gemeinsamen Geschichte als Grundlage der
ethnischen Selbstzuschreibung gegenüber subjektivem Wir – Gefühl, welches zu
ethnozentrischer Segregation gegenüber „Fremdgruppen“ tendiert
lt. Barth erfolgt die ethnische Grenzziehung durch Selbstzuschreibung und
Fremdzuschreibung
Bromlej:
die wissenschaftstheoretische Forschungssituation der 1960/70 war durch einen
dialektischen Materialismus gekennzeichnet
- Ethnos ist eine vielschichtige Erschienung
- er unterscheidet zwischen „Ethnos“ und „ethno – sozialem Organismus“
- Ethnos ist eine historisch entstandene Vereinigung von Menschen, die über die
Gesamtheit stabiler Merkmale wie der Kultur, z.B.: Sprache und Psyche verfügen
- Ethnos existiert nicht außerhalb sozialer Institutionen, welche als seine
Strukturbildende Form auftreten – die Rolle sozialer Formen übernehmen soziale
Gemeinschaften wie Familie und Staat => aus dieser Symbiose entstehen spezifische
ethnosoziale Gebilde, also „ethnosoziale Organismen“
ethnosoziale Organismen:
-
verfügen über eine relative Selbstständigkeit, verfügen über ethnische
Gemeinschaft, territoriale, soziale und politische Gemeinsamkeit
die Grundkomponenten dieser Organismen sind ethnische und sozioökonomische
Faktoren, welche jeweils der politischen Form zugeordnet sind
die stabilisierenden Faktoren von Ethnos sind:
-
Kultur und Psyche
Endogamie
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Endogamie:
-
= die Eheschließung innerhalb der eigenen Gemeinschaft
Mischehen sind der Hauptfaktor für das Herausbilden neuer Ethnien
Endogamie ist ein Stabilisator, ein Schutzmechanismus für den Ethnos – ein
geschlossener Kreis von Heiratsverbindungen gewährleistet den Erhalt ethnisch
einheitlicher Familien
Endogamie dient als Faktor der kulturellen Abgrenzung
Endogamie ist nicht nur ein soziales, sondern auch ein biologisches Phänomen
als soziales Phänomen bildet Endogamie eine genetische Barriere des Ethnos,
welche bedingt, dass jeder Ethnos mit einer Population gekoppelt ist und in der
Population vollzieht sich die Reproduktion durch Vermittlung der genetischen
Informationen von Generation zu Generation
kurze Zusammenfassung:
- in der Sowjetunion unterschied man früher also zwischen „Ethnos“ und „ESO“,
wobei der Ethnos in seinem sozialen Kontakt verschiedenen politischen, sprich
gesellschaftlichen Gruppen angehören kann
- das Wechselspiel zwischen Ethnos und dem ESO sind die zur Stabilisation des
Ethnos beitragenden Faktoren zu sehen
- stabilisierende Bestandteile sind: Kultur, Psyche und Endogamie
- die Reproduktion des Ethnos vollzieht sich im ESO, d.h. der Ethnos selbst ist
„außerbiologisch“ organisiert, es zeichnen sich dennoch biologische Komponenten ab,
durch Endogamie und dem Reproduktionsfaktor
man kann Mühlmann Bromlej gegenüberstellen:
-
Mühlmanns Ansichten sind stark geprägt von soziologischen Gesichtspunkten
lt. Mühlmann ist der Ethnos die größte feststellbare souveräne Einheit und von den
betreffenden Menschen gewollt und bewusst
eine Ethnie kann nur empirisch festgestellt werden und zwar durch den Versuch des
Eindringens in die kollektive Verbundenheit, wobei die obere Grenze dieser kollektiven
Verbundenheit die Grenze zwischen Wir- und Sie – Gruppen darstellt
mit Ethnos sind spezifische kulturelle Manifestationen verbunden, welche zur
Scheidung der Wir- und Sie – Gruppen beitragen
Mensch und Kultur sind eine Einheit
- mehrere Menschen, die sich durch gleiche kulturelle Äußerungen zu einer Wir –
Gruppe bekennen, sind als Ethnos zu bezeichnen
- Ethnos ist keine abgeschlossene Einheit – sie steht mit anderen Gruppen in
Kontakt
- Ethnos und seine Manifestation bilden eine Einheit
- Ethnos ist eine Einheit, die Mensch und Kultur nicht trennt – Mensch und Kultur sind in
einem strukturalen, funktionalen Gefüge integriert
1971 „Ethnochange“
-
Begriff verwendet bei Kulturwandelerscheinungen - nicht nur bei kultureller
Veränderung eines Ethnos, sondern auch bei biologischen
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der Kulturwandel, inklusive Ethnochange, und Werden eines Ethnos (=dynamischer
Prozess) ist eine nur in Raum und Zeit erfassbare Bewegung => das gleiche gilt für
eine Nationswerdung (=ethnogenetischer Prozess)
Ethnos und Nation:
- halten mittels zentrifugaler und zentripetaler Kräfte interethnische Gefüge
(=Handelsbeziehungen) aufrecht und
- schließen „Ethnochange“ (=kulturelle und biologische Veränderungen) mit ein
Theorie der limitischen Struktur:
- bedeutet nicht vom Territorialprinzip ausgehen => eine Grenze ist da, aber wie stellt
sie sich dar? => Prinzip/Theorie der limitischen Struktur:
limitische Struktur:
-
eine Grenze ist da, muss aber nicht am Boden markiert sein, sie ist bestimmt durch
den Menschen selbst, der Mensch wird zum Träger der „Grenzzeichen“ (z.B.:
Tätowierungen, Schmuck, Tracht…) => grenzt anderen gegenüber ab
- hängt eng mit „Nationalidee“ zusammen
- durch Entkolonialisierung und Entstehung der Nationalstaaten entstand neue
limitische Struktur -> diese ist gekennzeichnet dadurch, dass die ethnische Herkunft
unwichtig ist und sogar überwunden werden muss, wenn Etablierung der Herrschaft
„gewünscht“ ist
= das ganze ist ein Idealisierungsprozess, dessen Richtung aufsteigend ist von Ethnos
über Nation zum Nationalismus
Ethnogenese und Nationswerdung:
- Nationswerdung ist als ideologisch erkannter Vorgang zu sehen, eine
Parallelerscheinung von Ethnogenese, aber ein höherer Grad der Ideologisierung
(weil Ideologisierung nimmt vom Ethnos zur Nationalität zu) und Unterordnung der
Ethnien ist charakteristisch – erhebt machtpolitischen Anspruch
-
sind historische Prozesse und stellen historisch gewordene machtpolitische
Ansprüche dar, die zu Nivellierungstendenzen neigen
ethnische Interessen müssen bei Nationswerdung in den Hintergrund treten =>
Prozess der Nationswerdung ist ein gesellschaftspolitisch – ideologischer und gleicht
dem der Ethnogenese – findet jedoch auf einer höheren Ebene statt, eben auf einer
überethnischen
kulturelle Identität:
fälschlich verwendete Bezeichnung „ethnische Identität“ ist missverständlich und abzulehnen
=> Prozess der Entkulturation ist ein politischer
-
schließt gesellschaftspolitische Dimensionen mit ein
kulturelle Identität des Individuums entsteht aus dem Eingebundensein in die kulturelle
Identität eines Kollektivs und dem Bestreben nach Autonomiebewahrung der eigenen
Identität und zwar durch Abgrenzung gegenüber kulturellen Normen und Zwängen
des Kollektivs
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-
präsentiert sich als „gewordenes Produkt“ von Eigenverständnis und
–Darstellung -> historische Dimension
- eng mit Begriffsinhalt von Ethnizität verknüpft
dazu gibt es 2 Entgegengesetzte Ansätze:
1) nach der strukturellen (objektivistischen) Konzeption => Ethnizität beschränkt sich
auf die Ebene empirisch fassbarer Handlungsmuster, Institutionen und sozialer Rollen
einer bestimmten ethnischen Gruppierung
2) kognitive (subjektivistische) Ansätze => verengen den Begriff auf „ethnische Identität“
als Summe kollektiver Denkinhalte
ad 1) strukturelle Anschauung versucht demnach Ethnizität durch „Eigenschaften“ zu
definieren
ad 2) die kognitive Anschauung versucht dem nach Ethnizität durch „jeweilige
Anschauungen“ zu definieren
Barth:
-
Ethnizität kann nicht auf rein „objektive“ oder „subjektive“ Merkmale reduziert
werden
hat von Interaktion struktureller und kognitiver Faktoren auszugehen
Ethnizität umreißt Gesamtheit der Wesenszüge eines Ethnos -> „ethnische
Identität“ umreißt lediglich deren kognitiven Aspekt
Ethnizität als dynamischer „ethnosbezogener Handlungsprozess“ verstanden
neue Ethnizität nach Greverus:
-
aus kulturellen Loyalitätskonflikten, Kulturschock, soziokulturellem Stress oder
politischer Repression entstanden
als Verweigerungsstrategie angelegt oder als „Identitätsmanagement“ (spontan in
Form einer sozialen Beziehung) ablaufen
Globalisierung:
-
= Entstehung weltweiter Finanzmärkte für Wertpapiere, Geld- und Devisengeschäfte,
Kredite – begünstigt durch neue Informations- und Kommunikationstechniken
einschließlich Finanzinnovation
globale Vernetzung der Gesellschaft (Austausch kultureller Phänomene auf
unterschiedlichen Ebenen in realer und virtueller Form) im Vordergrund, die
dynamische, sich gegenseitig stimulierende Prozesse bewirkt und damit Strukturen
bildet => diese werden nicht nur durch Massentransportmittel in Wirklichkeit
ermöglicht und manifestieren sich u.a. in den Migrationsbewegungen von Gast- und
Kontraktarbeitern, sondern laufen auch in der virtuellen Welt der elektronischen
Medien ab => in diesem Zusammenhang „Cyber – Anthropology“ Eingang in
Ethnologie
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mit Entwicklung der modernen Kommunikationsgesellschaft geht wachsende Globalisierung
mit Problemlagen einher
lt. Münch sind 2 Problemlagen von Bedeutung:
1) die expandierende Weltwirtschaft und die steigenden Ansprüche der Weltbevölkerung
in den de Wohlstand der entwickelten Industriegesellschafen eingeschlossen zu
werden
2) Überflutung der Welt durch den Universalisierungsschub der westlichen Kultur und
dem Erwachen der regionalen Gesellschaft und deren Kulturen
=> Problemfelder schafften Konfliktzonen auf globaler Ebene der Weltgesellschaft
KAPITEL 6:
ETHNIZITÄT
In den letzten Jahren hat das Thema Ethnizität einige Modernisierungsschübe erlebt, (50 er, 60er,
80er)
DIE DREI BEREICHE DER ETHNIZITÄT:
1.)
Thema der Migration und Flüchtlingsbewegung. In mehrerer Hinsicht(Schengen, Binnenmarkt,
Osterweiterung) Thema ist bereits unauflöslich mit europäischen Integration verbunden
2.)
Nationales Selbstverständnis , ist ein besonderer Teilbereich der europäischen Integration,
erhält innerhalb der Integrationsprozesse für einen Kleinstaat neues Gewicht und führt zu verstärkten
öffentlichem Interesse an ethnischen und nationalen Fragen
3.)
Der „neue Exotismus“ stärkt das öffentliche Bedürfnis an Fragen der Ethnizität. Dies zeigt sich
im Ferntourismus, sowie in den interkulturellen Themen des Medien,- Kultur Filmbetriebens, im
Moment herrscht ein regelrechter Ethno – Boom (Restaurants, Geschäfte)
Alle drei Bereiche sind teilweise problematisch aber auch emanzipatorisch.
Ethnizität ist zur Jahrtausendwende zum Auftrag und Signal für die Ethnologie geworden. (Auftrag im
Sinne von an einer schon begonnen und somit schon vorstrukturierten Diskussion teilzunehmen.)
SIEBEN THESEN
1. These: Ethnizität bezeichnet das Verhältnis zwischen zwei oder mehreren Gruppen, die glauben,
dass sie bei kulturellen wichtigen Fragen anderer Meinung sind.
Ethnizität bezeichnet ein Verhältnis, ein Beziehungssystem von Menschen und Menschengruppen,
die sich und andere vorherrschende Meinungen teilen. Meinungen beziehen sich auf wirkliche oder
angenommene Unterschiede der Lebensweise oder des Weltbildes. Eigenzuschreibung = ethnische
Identität, Gruppen die sich selbst so nennen oder andere so nennen nennt man ethnische Gruppen.
Ethnische Identität und ethnische Gruppen sind Nebenbegriffe. Der Grundbegriff aber benötigt immer
das Fremde um sich selbst zu konstituieren. Wichtig ist also die Art und Weise wie soziale Grenzen
zwischen ethn. Gruppen gezogen werden. Alle ethn. Gruppen stehen zueinander in einem
Wechselverhältnis, kann harmonisch sein oder nicht. Hängt davon ab wie die Grenzen markiert
werden, sind sie durchlässig? oder dicht? Sind sie veränderbar? Frederik Barth hat das in den 60er
herausgearbeitet.
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2. These: So wieder jeder Mensch im Einzelnen, tendieren auch ethnische Gruppen einmal mehr und
einmal weniger zu Ethnozentrismus. (Ethnozentrismus ist manchmal unvermeidlich, selten aber
richtig)
Wie sich Gruppen von einander abgrenzen ist Ergebnis der gerade vorherrschenden Meinungen.
Diese stimmen nicht unbedingt mit Praktiken überein. So wie die Eigendarstellung wichtig ist zählen
aber andere Faktoren genauso. Meistens sind Fremdzuschreibungen viel relevanter als die gerade
vorherrschenden Eigenzuschreibungen.
Die Anderen, meist der Rest der Welt, wird meist als mittlere Kleingruppe zusammengeschmolzen,
seine eigene ethnische Gruppe wird dabei aufgebläht. Die Realität sieht anders aus. Ethnozentrismus
ist meist von vorneherein unrealistisch. Ethnizität wird meist von der Summe der
Fremdzuschreibungen geprägt nicht der Eigenzuschreibungen.
Beispiel: WASPS (White anglo saxo protestants) in Amerika, glauben dass ihnen die Führungsrolle
der Welt zusteht.
3. These:
„ethnisch“ ist nicht gleich „rassisch“ oder „völkisch“. Auf ethnische Unterschiede zu beharren führt
leicht zu Rassismus, ethnische Unterschiede zu ignorieren ebenso.
Ethnologie geht von der grundlegenden Einheit der Spezies humana aus. Interne Unterschiede
haben keine so große Bedeutung. Die Mehrheit der Ethnologen lehnt den Begriffe Rasse ab
(unwissenschaftlich). Die Verwendung der Begriffe „ethnisch, ethnische Identität“ soll nicht den
Begriff „Rasse“ ersetzen. Ethnisch im sinne von unabänderlich, unveränderlich, ewig kann leicht für
nationalistische und rassistische Projekte verwendet werden. (in stalinistischen und
nationalsozialistischen Diktaturen des 20 Jhd wurde nach unveränderlichen Gruppenmerkmalen von
Völkern gesucht)
Die Ethnologie begreift Ethnizität als ein Verhältnis von Gruppen aus dem sich ethnische
Eigenschaften, Identitäten sich herausbilden und auch wieder verändern. Beschreibt man andere
Gruppen als „so wie wir“, nimmt man ihnen das Recht auf Eigengestaltung ihrer Verhältnisse.
4.These:
Ethnizität ist nicht gleich Nation. Nationen sind politische Gemeinschaften, die dauerhaft im selben
Staatsverband leben oder leben wollen. Ethnizität jedoch überschreitet oft nationale und staatliche
Grenzen.
Der Nationsbegriff ist erst seit dem 19 Jhd. Von Europa aus durch den Kolonialismus in der Welt
verbreitet worden. Der Begriff Nation hat einen radikalen Bedeutungswandel. Antike Verwendung
„nascor“ im Sinne von geboren werden, unterscheidet sich schon stark von der mittelalterlichen
Verwendung im Sinne von Recht wie Geburtsrecht. (natio austriaca Gründungsdokument der Uni
Wien).
Überall in Europa gibt es Nationen, die unmarkierte ethnische Mehrheiten und markierte ethnische
Minderheiten umfassen. Die Minderheiten können sich auch Staats und Nationsgruppen zugehörig
fühlen, die wo anders die Mehrheit bilden. (slowakische Minderheit in Ungarn, slowenische in
Österreich, etc.)
5.These:
Ethnizität ist nicht gleich Kultur. Ethnizität als Beziehungsgeflecht aktualisiert bloß bestimmte
Aspekte der beteiligten Kulturen in diesem Wechselverhältnis und kombiniert mit Außeneinwirkung.
Kultur ist nach Tylor die Gesamtheit aller ideellen und materiellen Manifestationen einer Gesellschaft.
„Kultur im weiteren und im engeren Sinne“ geht auf Bourdieu und Leach zurück = Kultur längerfristig
gewachsene vorherrschende Weltbilde einer Gesellschaft und die daraus abgeleiteten Praktiken.
Für Ethnizität ist nie eine Gesamtheit der beteiligten Kulturen wichtig. Ethnizität ist dynamisch und
relational. Ethnizität umfasst bloß Teilelemente der Kulturen, dies verbindet sich mit
Fremdzuschreibungen und Praktiken.
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6.These:
Ethnizität verändert sich im Laufe der Zeit immer wieder, So ist es jetzt und bleibt es nicht.
These der einen reinen Urkultur ist nur dazu da manchmal den Verlust des angeblichen
Frühzustandes zu beklagen. Heterogenität ist der häufigste Normalzustand, Homogenität ist eher
eine Ausnahme. Politische, wirtschaftliche und soziale Faktoren beeinflussen und verändern immer
wieder aufs Neue.
7. These:
Ethnizität variiert je nach den Umständen, so wie es hier ist, ist es nur hier.
Ethnische Grenzen sind fast immer durchlässig und fließend. Kann dazu führen dass eine Person
einmal seine ethn. Identität leugnet und einmal besonders hervorhebt, sie kann auch ohne Belangen
für die Person sein. Die Meisten Ethnologen gehen von einer gr. Bandbreite der Umstände aus. Die
fließenden Grenzen fördern Übertritte, Assimilation, Grenzgängertum, und das Entstehen von neuen
hybriden Formen.
KAPITEL 7:
MIGRATIONSFORSCHUNG
Migration als Folge von komplexer, politischem ideologischer, sozialer und ökonomischer Prozesse.
Migration ist mit Ethnizität und nationaler Identität verknüpft.
Definition: Wanderung und Bewegung von Individuen oder Gruppen im geographischen oder
sozialem Raum. Verbunden mit einem Wohnsitzwechsel.
Genaue Definition von Migration lässt viele Erklärungsansätze zu. Es gibt zahlreiche Definitionen
von Migration, aber keine einheitliche Verwendung.
Migrationstheorien: verschiedene Kriterien: Dauer, Periodizität, Distanz, Geschwindigkeit, räumlicher
Verlauf, strukturelle Merkmale der Migranten, strukturelle Ursachen, persönliche Motive und
Auswirkungen im Herkunfts und Zielgebiet.
Bernhard Santel: für ihn handelt es sich Migration wenn eine Ortsveränderung mit einer zeitliche
Verweildauer gegeben ist. Für ihn steht der Wohnortwechsel im Vordergrund.
William Petersen unterscheidet zwei Arten von Wanderung:
1.)
die innerstaatliche Wanderung (frei und ungebunden)
2.)
internationale Wanderung über staatliche Grenzen hinweg (politisch – administrative
Reaktion, Migrant wird vom In- zum Ausländer)
Ursachen warum Menschen emigrieren sind unterschiedlich und vielfältig. Die Entscheidung ist rein
subjektiv und so für Außenstehende oft nicht verständlich.
Fluchtwanderung: bietet keine Entscheidungsalternative, Auslöser sind Gewalthandlung der
Vergangenheit der unmittelbaren Zukunft, die das Leben und oder Freiheit des Betroffenen bedrohen
und ihn somit zur Flucht drängen. Unmittelbar ausgeübte Gewaltanwendung = acute refugee und bei
zu erwartender = anticipatory refugee.
Plötzliche Kriege oder Naturkatastrophen= acute refugee situation , hier fliehen Menschen in Massen
und panikartig, sie fliehen nicht weil sie ein besseres Leben wollen und auch nicht ausschließlich vor
Bedingungen die die Genfer Flüchtlingskonvention zur Grundlage ihrer Definiten zu Flüchtlingen
macht. Plötzlich auftretende Bedrohung = man made causes (durch menschliches Verhalten
verursachte Gründe), beziehen sich auf eine einzelne Person oder Gruppe, aufgrund politischer,
„rassischen“, oder religiösen Gründen, oder „diffuser Gewalt“, wie etwas durch Bürgerkriege, zu
diesem Komplex zählen Zwangswanderungen, Fluchtbewegungen, Flucht aus politischen Gründen,
politische Emigration, Katastrophenflucht, Vertreibung, Rückführung, Evakuierung,
Zwangsumsiedlung, Verschleppung, Verdrängung und Ausweisung.
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natural disaster= natürliche Katastrophen, alle Formen von Naturkatastrophen, z.B Dürre,
Überschwemmung, Hungersnöte, Erdbeben, etc.
bei vorausgeplanter Flucht, anticipa, geht der eigentlichen Flucht Frustration und Bedrohung voraus.
Ein wahrer Entscheidungsprozess ist im eigentlichen Sinne nicht gegeben weil es keine Alternativen
gibt. Wird umso schwieriger umso stärker die Bindung an die Heimat ist.
Die Unterscheidung der auslösenden Faktoren ist in der Praxis nicht so einfach, sie überlagern sich.
(z.B die Motive und der Entscheidungsprozeß eines vorausplanenden Flüchtlings unterscheiden sich
kaum von denen eines Arbeitsflüchtlings)
Forced migration = durch Gewalt und Verfolgung ausgelöste Migration
Voluntary migration = freiwillige Migration, z.B Arbeitsmigration
Bei der freiwilligen Migration sind vor allem ökonomische Motive der Auslöser, Lebensbedingungen,
Einkommen, Arbeitssituation, und individuelle Entfaltungsmöglichkeiten sollen verbessert werden.
Längerer Entscheidungsprozeß. Ist aber keine Migrationsautomatik vorhanden (im Zusammenhang
mit Wohlstandsgefälle). Um Migrationsströme auszulösen benötigt es Auslöser
Grundsätzliche Unterscheidung von:
- Migration im eigenem Land
- Migration in Nachbarländer
- internationale Migration (wie oben genannt politisch administrative Reaktion, Inländer wird zu
Ausländer)
Bei der illegalen Migration rückt die Wanderbewegung in die nähe einer kriminellen Tat. Die
Vereinten Nationen sprechen dann von irregulären Migration.
Schnittstellen und Interdependenzen:
Im Rahmen der neuen Evolutionstheorien wird den Migranten ein besonderer Stellenwert
zugeschrieben. Die biologischen Ansätze in diesen Theorien weisen den Migranten einen zentralen
Stellenwert bei der Entfaltung von Komplexität und Unterscheidung zu. (naturwissenschaftliche,
soziologische und historische Erkenntnisse, stützen dies Schlussfolgerung) Diese Betrachtungsweise
von Migration Conditio humana verdeckt, dass Migrationen große Einschnitte in den individuellen
Biographien sind.
Die Ethnohistorie versucht in die zeitliche und räumliche Tiefe von Migration vorzudringen. Sie geht
von der Annahme aus, dass es um gesetzmäßig ablaufende, wiederkehrende, dynamische Prozesse
geht. Historiker sprechen oft von der Universalgeschichte der Völkerwanderungen und Kriegen,
Flucht und Vertreibung
Vorurteile gegenüber aufzunehmenden wie „das Boot ist voll“ sind laut Hans Magnus Enzensberger
„demographische Bulimie“ weil einerseits Boot ist voll und andererseits Aussterben durch zu niedrige
Geburtenraten, Vergreisung und Entvölkerung.
In der Politikwissenschaft stehen Fragen der Multikulturalität und ihren Bezug zur nationalen
Integrationspolitik im Vordergrund. In der Ethnologie steht der soziokulturelle Aspekt von
Verfassungswirklichkeiten und die Untersuchung der kognitiven Eben der Sichtweise der Betroffenen
im Vordergrund. Internationale Wanderungen lassen sich unter der Berücksichtigung von Macht und
Legitimationsprozessen verstehen.
„ethnicity“ – beruft sich auf Gruppenunterschiede, hat seinen Ursprung in der europäischen
Geschichte des 19 Jahrhunderts. Ethnizität als Abgrenzung entstand erst durch den Territorialstaat
als politische Organisation, und seine Selbstbeschreibungsform als Nation.
Ursula Apitzsch bezeichnet Ethnizität als etwas Drittes nach Herkunfts und Aufnahmeland, es kann
eine Voraussetzung für Gruppensolidarität sein, aber auch für Gruppendiskriminierung.
ARBEIT DES ETHNOHISTORIKERS
Der Ethnohistoriker beschäftigt sich nicht nur mit der Mobilität von Kulturphänomenen sondern mit
der Untersuchung von Veränderung der Wahrnehmung der Migranten in Bezug auf ihre Identität,
Verhaltensmusterns und somit kulturverändernde Faktoren. Die prozessualen Entwicklungen werden
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besonders beachtet. Er beobachtet aktive Gestaltung und Reproduktion gesellschaftlicher
Verhältnisse durch die Aktivität des Subjektes im Handlungsraum ethnischer Gemeinschaften.
Grenzen als physisches Hindernis und als Rollenzuweisung sowie die Rekonstituierung der Identität
des Migranten im neuem Umfeld. Die Metapher der Grenze ist auf viele soziale Sachverhalte
anwendbar, wenn man davon ausgeht, dass jede Gruppe eine Grenzen umgibt.
Sieht man die Grenze als definierenden Faktor so gibt es 4 Eigenschaften:
1.)
Kriterien der Eingrenzung
2.)
Kriterien der Ausgrenzung
3.)
Kriterien der Separation
4.)
Kriterien der Kommunalität
DIFFUSION UND GLOBALISIERUNG:
Zwei Begriffe : Grenzkonstitution und Grenzübergang
Konzept der offenen bzw. Geschlossenen Gesellschaft = Metaphern in Verbindung mit Migration->
Außengrenzen nationalstaatlicher Gesellschaften , und auch die Bereitschaft gesellschaftliche
Institutionen und Rahmenbedingungen für die Integration zu schaffen.
Bedeutet also die Reaktionsmöglichkeiten der Gesellschaft auf die Veränderung – Max Weber.
Die Darstellung sozialer Grenzstrukturen findet seinen Ausdruck in der Form des „FREMDEN“
(primär der Arbeitsmigrant und Flüchtling gemeint).Für beide gelten Elemente der Globalisierung
(grenzüberschreitender Akt der Wanderung, Länder und Weltregionen werden verbunden,
Verknüpfungsstrukturen zwischen Herkunftsland und Zielort) und Fragmentierung (die Ankunft im
Zielland lässt sich als Gewahrwerden eines Unterschiedes zur Mehrheit und einer Gemeinsamkeit mit
anderen Migranten interpretieren). Die politische und soziale Verortung des Fremden rekonstituiert
sich über Ethnizität.
FREMDHEIT als eine sich selbst herausfordernde Erfahrung ist ein Beziehungsmuster, welches sich
durch Nähe intensiviert. Sie ist ein historisch gebundenes Phänomen, das durch die persönliche und
soziale Identität erst die Fremdartigkeit des Anderen hervorruft.
Die Rolle der Nationalität, bzw. nationalen Identität artikuliert das „wir Gefühl“.
Ethnizität als moderne Form der Abgrenzung entsteht erst im Bezug auf den Territorialstaat als
politische Organisationseinheit.
DIFFUSION, MIGRATIONSTHEORIEN und einige TERMINI
(ab da von der anderen Zusammenfassung übernommen, weil gut zusammengefasst)
Jean Francois Lafiteau (Jesuitenpater) ist der Begründer der Migrationstheorie im ethnologischem
Kontext. Formulierte die Lehre von der einmaligen Entstehung des Kulturelements und seiner
Verbreitung durch Wanderung oder kulturgeschichtliche Entlehnung.
Friedrich Ratzel – diffusionistische Theorie: die Lehre von den menschlichen Kulturgesellschaften in
ihren räumlich gebundenen Nebeneinander und in ihrer Dynamik durch wechselseitige
Beeinflussung, Wanderungen und Überschichtungen.
Leo Frobenius – Kulturkreislehre: Nicht bloß einzelne Elemente, sondern Kulturen als Ganze
hängen zusammen. Kultur als etwas organisch Selbstständiges >> Beziehungsforschung.
Diffusionismus:
Heine- Geldern – Stimulusdiffusion: Idee- bzw. Anregungsverbreitung, breiten Raum bei der
Formulierung seiner Thesen zu migrationsspezifischen Fragestellungen eingeräumt. Zentralies
Thema Wanderungen.
Heute: interdisziplinäre Zusammenarbeit.
Bei der Untersuchung historischer Prozesse können (Macht-) Strukturen und Handeln der Subjekte
nicht auseinanderdividiert werden. In der ethnohistorischen Forschung v.a. Dokumentation von
auslösenden Faktoren in ihrer historischen Genese. Modelle der Migragionssoziologie (Chicagoer
Schule S. 127).
Emile Durkheim: soziale Migration als Faktor, der traditionelle Gemeinschaften erodiert und zu
anomischen Entscheidungen führt.
Hans Joachim Hoffmann – Nowotny (1970): Migration als Reaktion auf die ungleiche Verteilung
von Macht und Prestige zwischen und innerhalb von Gesellschaften.
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Hartmut Esser – Handlungstheoretischer Ansatz: push- und pull Faktoren als individuelle
Entscheidungskriterien.
Dynamiken der globalen Entwicklung >> neue Termini.
Schub- und Sogfaktoren (push and pull). Unterscheidungsmerkmal ist der Grad des Zwangs:
Sogfunktionen bieten etwas an, Schubfunktionen zwingen Menschen zur Wanderung (Bedrohung,
Gewalt).
Die Ehtnohistorie untersucht die historische Verortung von Flucht und Migration, u.a. durch
Aufdeckung kolonialer Einflüsse auf autochtone Bevölkerungen und von Veränderungen an
ethnischer Zusammensetzung in kolonisierten Gebieten.
Brain drain und brain waste: Ost- Welt und Nord- Süd Migration. Brain drain = Abwanderung von
geistig und technologisch qualifizierten Potentials; Brain waste = Verschwendung von geistigen
Potential und Qualifikationen in Aufnahmestaaten.
Migration systems: Wanderungen als Verknüpfung von Räumen >> Interaktionen >> Strukturen von
Strömen und Gegenströmen.
Remittances: die an die Daheimgebliebenen regelmäßig überwiesenen Geld- und Sachwerte,
Phänomen der Rückwanderung >> Problem der Reintegration.
ARTIKEL 8:
VON DER FELDFORSCHUNG ZUR FELDERFORSCHUNG
Anthropologisches Wissen hat seinen Ursprung im „Feld“. = Begegnung zwischen den Menschen
.Diese Begegnung findet aber unter bestimmten historischen und soziokulturellen
Rahmenbedingungen statt. Der Begriff Feld hat sich im Laufe der Zeit verändert.
Zur Veranschaulichung : vier anthropologischen Perspektiven
E
F
Dieses Modell beinhaltet vier Beziehungsverhältnisse. E = Ego, F = Feld
-
Wie sehe ich mich selbst ?- Selbstwahrnehmung des Ethnographen
Wie sehe ich die Anderen ?- Fremdwahrnehmung des Ethnographen
Wie sieht der Andere sich selbst ?- Selbstwahrnehmung des Fremden
Wie sieht der Andere mich? Fremdwahrnehmung des Fremden
Diese wichtigen Hauptfragen, die heute selbstverständlich sind, wurden nicht immer beachtet.
Anhand des zeitlichen Kontextes lässt sich der Bewusstseinswandel beleuchten.
1. Zeitlicher Kontext:
Mehrere Versuche die anthropologische Feldforschung in min. 3 Phasen zu teilen:
Marilyn Strathern: Prämodern (bis 1921) – modern (1922-1974) – postmodern (seit 1975)
Andrea Lissner- Espe: enzyklopädische Ära (bis 1921) – positivistische Ära ( 1922- 1968) – die
reflexive Ära (seit 1969)
die enzyklopädische Ära (ernst genommen wird nur das Fremde)
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Erste Phase der „Veranda und Lehnstuhl- Anthropologen“, Ziel soviel wie möglich Informationen über
das Aussterben und die von Europäisierung bedrohten „Naturvölker“ zusammenzutragen. Augemerk
der Wissenschafter auf das was praktiziert wurde.
Kein Augenmerk darauf wie die Informationen gesammelt wurden.
Anthropologen kannten Kulturen meist nur aus zweiter Hand. Reisende, Missionare und
Kolonialbeamte beobachteten für sie. Anleitung für die Kunst des Beobachtens 1874 „notes and
queries on anthropoglogy , fort he use of travellers and reidents ind uncivilized Lands“
- war für Amateur Ethnographen bestimmt, die die Materialien an die akademischen Ethnologen
lieferten. Wissenschaft bedeutet damals die reine Analyse des Materials. Forscher = intellektuell
Schaffende. Daten sammeln galt als minderwertig.
positivistische Ära (das Fremde wird untersucht, die Anwesenheit des Ethnographen
reflektiert mit)
Anfang durch Malinowski, er setzte durch dass auch in der Ethnologie die Datensammlung ernst
genommen wurde. Gilt auch als Begründer der Stationären Feldforschung und der teilnehmenden
Beobachtung. War aber nicht der Einzige, machte es aber durch seine „Argonauten des westlichen
Pazifiks“ publik. War nicht ein Begründer sondern ein Verkünder. Prägte das Genre der Gr.
Monographien, =Abbild einer Kultur, man versucht eine Kultur als Ganzes zu erfassen. Er erkannte
die Bedeutung der Anwesenheit des Ethnographen, als Teil des Feldes, die Geschichte der
untersuchten Gesellschaft, und die aktuelle Situation (Kolonialherrschaft) nicht an. Kam erst nach
seiner Ära.
Führte aber die Person des professionellen Feldforschers ein, drei Grundbedingungen:
1.)
Figur des Feldforschers wird als Teil des Feldes wahrgenommen
2.)
Akteure mussten in ihrem Mensch- Sein akzeptiert werden
3.)
Der Ethnograph benötigt eine institutionalisierte instrumentelle Haltung
Malinowski führte sich selbst als Person des Messinstrumentes in die Kultur ein, und konstruierte
damit die Figur des Anderen und die Figur des Feldforschers. Führte die Zweiteilung in Beobachter
und Beobachteten ein. Effekt dieser Trennung Leser bekommt das Gefühl er verstehe die fremde
Kultur besser, Instrument zur Überwindung des Fremdheitsgefühles. Welt wird zweigeteilt, wir uns
sie.
Bei Malinowski rückt das Andersartige in den Mittelpunkt des Interesses (anstatt des Exotischen).
Malinowski führte die Figur des Forschers primär als Gegenspieler zum Missionar ein. Schrieb in der
Ich-Form um sie zu objektivieren.
die reflexive Ära (wahrgenommen werden die Beziehungen zw. E und F und beide Positionen
reflektieren mit)
Reichte bis in die Gegenwart hinein, den Forscher in die Untersuchungseinheit mit einzubeziehen.
Forscher musste sich als eigene Person des Untersuchungsgegenstandes auffassen. Widersprach
der klassischen Form von Wissenschaft (Subjekt und Objekt werden getrennt voneinander
verstanden)
Die reflexive Position des Forschers wurde anerkannt. Entstand eine Flut persönlichen Berichten.
Feldforschungsprozess wurde zum zentralem Thema des Faches. War Anstoß zu einer neuen
literarischen Gattung ethnographische Autobiographien. Forscher präsentiert sich selbst vor allem als
Mensch, er kann beschreiben wie schwer oder leicht ihm die Feldforschung gefallen ist, etc. Solche
Bekenntnisse liefern ein komplettes Bild vom Forschungsprozess, die Untersuchung lässt sich
leichter nachvollziehen, und somit steigt der wissenschaftliche Wert der Analyse.
Grundstein für die reflexive Haltung in der Ethnologie wurde in den 60er Jahren gelegt, Extremform in
den 80er- das tatsächliche Leben der Mitglieder einer Kultur steht im Hintergrund im Vordergrund
steht der ethnographische Text, der zum Forschungsgegenstand wird.
Cyberhistorische Präliminarien
Zusätzlich zu den 3 Bereichen. Ethnography of science, immer mehr Bedeutung, cyberspace wird
von immer mehr Menschen genutzt und besiedelt, und sind bereits zum Forschungsgegenstand der
cyberAnthropology geworden. Feldforschung im CyberSpace ist die logische Konsequenzen dieses
seit Jahrzehnten Zielgerichteten Paradigmenwandels der Ent- Territorialisierung von Kultur angesagt.
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2.
RÄUMLICHE KONTEXTE
Feldforschung ist die Hauptmethode der Datengewinnung in der Ethnologie.
Was als „Feld“ verstanden wird hängt nicht nur von den jeweils vorherrschenden Sichtweisen des
Forschungsgegenstandes ab, sondern auch von der Beschaffenheit der zu untersuchenden
Kultur/Gesellschaft
Aufgrund der globalen gesellschaftlichen Veränderungen in den vergangenen Jahrzehnten lassen
sich 3 grundlegende soziokulturelle und räumliche Kontexte für die ethnologische Felderfoschung
identifizieren:
1.)Indigene Lokalkulturen (full time face to face communities)
2.) Diaspora Kulturen (part time face to face communities)
3,) DigitagleDiaspora (no more face to face communities)
Jedes der 3 Konzepte erfordert unterschiedliche Strategien des Zugangs und des Wissenserwerbes.
2.1 Indigene Lokalkulturen ( full time face to face communities)
menschliche Gemeinschaften und Individuen die nach wie vor in relativ klar definierten
geographischen Räumen leben. Werden mehr oder weniger als einheitliche ethnische Gruppe
verstanden. Ihr Lebensraum bildet das eigentliche Terrain für viele Generationen von Feldforschern.
Hier wurde das klassische Konzept der stationären Feldforschung entwickelt.
Dies „Feld“ war meist weit weg, oft durch gewisse historisch bedingte Abgeschiedenheit
gekennzeichnet. Feldforschungstil: meist langer Aufenthalt, Untersuchung der natürlichen
Lebenssituation, möglichst wenig Einflussnahme. =klassische anthropologische
Feldforschungsituation.
2.2 Diaspora Kulturen (part time face to face communities)
Nicht nur Menschen sondern auch Kulturen bewegen sich, es kommt zunehmend zu Diaspora
Situationen. Die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen haben sich in den letzten Jahrzehnten
geändert, neue Transport und Kommunikationstheorien haben sich entwickelt. Führt dazu dass nicht
mehr alle Angehörigen einer ethnischen Gruppierung das gleiche Territorium bewohnen, weil
Migrationen, Flüchtlingsströme, Ferntourismus,…
Im Zuge der Globalisierung durchdringen Kulturen einander. Die ursprünglichen begrenzten
kulturellen Landschaften (cultural landscaps) transformieren zu globalen ethnoscaps.
„Feld“ im Singular gibt es nur noch selten, heutzutage setzt man sich sein Feld zusammen.
2.3 Digital Diaspora (no more face to face communities)
der virtuelle Raum gilt mittlerweile als der 6 Kontinent, es führt zur Ent- Territorialisierung von Mensch
und Kultur. Er stellt ein neues Aktionsfeld dar. Wird zunehmend besiedelt.
Es eröffnet sich eine neues Forschungsfeld.
CONCLUSIO:
Entwicklung von FELDFORSCHUNG zur FELDERFORSCHUNG lässt sich im Wesentlichen an drei
Punkten festmachen.
1.)
Die Erweiterung der einseitigen Wahrnehmung des Fremden hin zu einem selbstreflexiven
und zirkuläre Wahrnehmungsprozess des Beziehungsverhältnisses zwischen einzelnen Akteuren.verbunden mit der Veränderung des Forschungsgegenstandes von Objekt zur Wahrnehmung der
Beziehung zwischen Subjekten.
2.)
Der „Feld“- Begriff verschob sich vom territorialem Raum zum sozialem Raum. Miteinbezogen
war dabei der Feldforscher. Von der lokale Kultur als Ganzes zur kleineren sozialen Einheit.
3.)
Ablösung der Beobachtungsorientierten Feldforschungsparpadigmas vom Malinowski durch
das diskursive Feldforschungsparadigma der Postmoderne, wie auch der CyberKultur.
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KAPITEL 9:
ERZÄHLUNGEN ANALYSIEREN – ANALYSEN ERZÄHLEN
Mitte 80er nachhaltige Wende in KSA: Kritik am Strukturfunktionalismus und div. Varianten des
Strukturalismus. Gründete am objektivistischen Verständnis von Struktur-> Dualismus von Objekt und
Subjekt: Struktur gehört zu objektiven Seite und Handeln und Deuten zur subjektiven. Einsicht:
Strukturen stellen sich nicht aus sich selbst sondern aus der Tätigkeit der „gesellschaftlichen
Subjekte“ heraus. Menschen machen ihre eigene Geschichte…
Pierre Bourdieu lieferte dazu Schlüsselbegriffe: Habitus, Feld, Praktik, symbolisches Kapital =>
begrifflich- theoretisches Werkzeug (= tool kits) durch die kann die Tätigkeit der Individuen (ihre
Praktiken) empirisch erfasst werden. Schlüsselbegriff: Praktik => praxeologischer Modus.
Î Handelnde strukturieren ihre Verhältnisse durch ihr Handeln
Î Struktur erscheint nicht mehr nur als einschränkend, zwingend und heteronom
Î Struktur ermöglicht auch das aufeinander bezogene handeln von Individuen und
Gruppen und ihrem Wissen davon
Î Nicht jeder einzelne, aber auch nicht anonyme Kräfte erschaffen und reproduzieren die
Welt, sondern strukturierte Individuen, die in strukturierte Bedingungen interagieren.
Î Durch die Neuerfassung des Begriffs verlor das Strukturelle jene Starrheit und
Dinglichkeit
Î Die Strukturen einer Lebenswelt erscheinen im praxeologischen Modell des Sozialen
dynamisch und in Bewegung gehalten durch das Handeln, deuten und Wissen. => durch
die Praktiken der Akteure. Strukturen und Prozess sind in dieser Sicht nicht mehr zwei
unterschiedliche von einander getrennte Grundkategorien. Prozesse gewinnen Kontur
druch Betrachtung des Forschers von Strukturen in Veränderung.
Î Besonderer Aufmerksamkeit wird dem „alltäglichem Handeln“ zuteil. Im Alltag
konstituiert sich der Habitus der Akteure, und im Alltag erfolgt die Strukturierung der
Verhältnisse durch das Handeln und Deuten. Das alltägliche Handeln ist aber an Raum
und Zeit und politischen, sozialen und kulturellen Herrschaften situiert. Es gibt keinen
Alltag ohne Macht und Herrschaft und diese sind überall wo Menschen interagieren.
Î Menschen werden sprachlich in eine strukturierte Sprache sozialisiert und treten in
eine strukturierte Welt der Bilder und Medien ein. Wir verinnerlichen Strukturen und
äußern sie wieder durch unser handeln.
Î KURZ: Die Akteure strukturieren die gesellschaftlichen Verhältnisse durch die
Interaktion und werden zugleich selbst durch die Regeln der Interaktion, durch die
Verhältnisse, Beziehungen strukturiert, in denen sie tätig sind.
Î „blindes Handeln“ gibt es immer, ändert aber nichts
Î Unseren Entscheidungen geht immer eine Entscheidungsfindung voraus, in deren
Verlauf sich in der Regel einer Mehrzahl von differenten Deutungen und Meinungen
gegenüber sehen. Wir interpretieren und orientieren und dabei an Sitte etc.
Das Praxeologische Paradigma räumt dem Handeln und Deuten der einzelnen einen anderen Status
ein. Strukturen sind in diesem Paradigma nur außerhalb des einzelnen, strukturiert sind auch die
Verhältnisse, die die einzelnen zueinander eingehen, mit unterschiedlicher Macht zueinander. KURZ:
Die einzelnen, oder genauer Interagierenden Gruppen von einzelnen sind in ihren Praktiken
strukturiert und erzeugen über ihre interaktiven Praktiken jene Struktur in den Handlungsfeldern
einer Gesellschaft in welchen sie jeweils tätig sind.
Im praxeologischem Paradigma interessiert nicht nur das Häufige, sondern auch das Seltene, nicht
nur das Typische sondern auch das untypische,… Nicht mehr nur um der Besonderheit und
Erhabenheit oder der Entsetzlichkeit sondern um es als Spur und Ausdruck gesellschaftlicher
Strukturen und Prozesse zu lesen.
Für die SKW folgt daraus, Methoden und Techniken zu entwickeln und anzuwenden, die geeignet
sind die sozialen Logiken der Handelnden empirisch zu rekonstruieren, was nur mittels der Analyse
und der Interpretation ihrer diversen Äußerungen bewerkstelligt werden kann. Aussagen der Akteure
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sollen nicht mehr bloß selektiv ausgewertet werden, sondern das Handeln und die Perspektive der
Akteure soll insgesamt interpretiert und analysiert werden, denn sie konstituieren die soziale Welt.
Praxeologische Wende auch Art linguistic turn. Verfeinerung der Methoden des erforschten
Gespräches („Interview“) und der Textanalyse-> Theoriebildende Rekonstruktion von strukturierten
Praktiken und praktizierten Strukturen.
Historische – empirische Sozial und Kulturwissenschaften sind fundamental auf der Verstehen der
Äußerungen der handelnden angewiesen.
Die Grenzen der älteren Hermeneutik sind überschritten => Interpretation und Analyse ->
Textanalyse.
Die für den Forscher geeignetste Methode ist das narrative oder lebensgeschichtliche Interview
Ö es werden Erzählungen produziert, über bestimmte Thematiken oder über die eigene
Geschichte
Das Narrative Interview
-
-
-
-
ein sozialwissenschaftliches Erhebungsverfahren
PHASEN des narrativen Interviews:
• Vorstellung des Forschers, Gesprächsvereinbarung und Regieanweisung
• Einladung zur/und Eingangserzählung
• Immanentes (rückgreiffendes Nachfragen)
• Examentes Nachfragen
• Eventuell: Rekonstruktion von Routinen
• Eventuell: Reasoning
• Nachgespräche und Verabschiedung
Hauptteil eines narrativen Interviews besteht aus der Erzählung von Selbsterlebten Ereignissen
des Informanten
Aufgabe des Interviewers den Informanten dazu bewegen, die Geschichte , des in Frage
stehenden Gegenstandsbereiches als eine zusammenhängende Geschichte aller relevanten
Ereignisse von Anfang bis Ende zu erzählen. Dies ist für den Forscher die erste gr.
Schwierigkeit. Anfangsfrage benötigt „Fingerspitzengefühl“
Stehgreif Geschichten sind spontane Erzählungen, ohne Vorbereitung oder auch keine
standardisierte Versionen
Kern des Interviews: Erzählung der Geschichte eines Ereigniszusammenhangs
InteviewparterIn muss zumindest Teil selbst erlebt haben.
dominante Darstellungsform ist dabei die Erzählung einer Geschichte, wobei der
Entwicklungsprozess des Erzählgegenstandes dargestellt wird. In solchen Geschichten wird die
Vergangenheit rekonstruiert und in einen Zusammenhang gebracht. (ethnohistorisch)
Das Erzählen im Narrativen Interview selbst ist eine Form des sozialen Handelns: Serie von
Entscheidungen zwischen Erzähl-Optionen, getroffen in der Interaktion des dialogischen (oder
trialog.) Gesprächs. Erzähler präsentiert eine Serie von Entscheidungen auf der
Handlungsebene des Erzählers, die mit einer Serie von Entscheidungen auf der Ebene des
erzählten Geschehens korreliert
zunächst wird die Ausgangsposition geschildert „wie alles anfing“
argumentative Darstellungen von Eigentheorien sollen einen Zusammenhang erklärend
herstellen („Warum sie damals ging, weiß ich bis heute nicht. Ich kann es mir nur so
erklären,…“)
Beschreibungen dienen dazu Zustände, Situationen, typische Verfahrensweisen darzustellen.
Beschreibungen können sich auf innere Zustände beziehen („plötzlich bekam ich solche
Angst…“)
können sich aber auch auf äußere Begebenheiten beziehen, wenn Erzähler meint Interviewer
kann das nicht wissen und es ist wichtig um alles in einen Zusammenhang bringen zu können
(„das war damals auf den Phillipienen total üblich, dass….“)
Jede Erzählung und jeder Text ist eine Präsentation mit symbolischen Mitteln und enthält eine
Serie von Interpretationen
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Narrationen enthalten 3 wesentliche Darstellungsformen: Erzählungen, Beschreibungen und
Argumentationen
Gegenstand von narrativen Interviews sind immer zusammenhängende Geschehen, mit
Abfolgen von Ereignissen, die die Geschichte eines Ereignisträgers ausmachen, kann aber
auch Lebensgeschichte sein, etc
-
Phasen des Interviews:
-
-
-
Interviewbeginn: anders als bei den anderen Interviewarten strukturiert sich das narrative
Interview nicht durch ein Spiel von Frage und Antwort
Erzähler wird der Interviewpartner, er erzählt ungestört
Es wird ihm zeitlich und inhaltlich genügend Raum gegeben
Interviewer wird währenddessen zum Zuhörer
1. Aufgabe des Interviewers: Interviewpartner zu finden und ihn dazu bewegen seine
Geschichte zu erzählen (Anwerbungsphase)
2. Aufgabe: Interviewpartner über die Besonderheiten des narrativen Interviews zu
informieren
3. Aufgabe: Bitte um Erzählung und erklären was mit Erzählung oder Geschichte gemeint ist
(„Erzählen sie mir bitte wie sie in diesem Dorf aufgewachsen sind,…“)
es können noch Regieanweisungen hinzugefügt werden wie „erzählen sie bitte alle Details“
Wenn Interviewer das Gefühl hat Interviewpartner hat verstanden was gemeint ist, dann folg
die Redeübergabe, bittet den Interviewpartner zu beginnen (Einstiegsphase)
Wenn der Interviewpartner die Aufgabe übernimmt, dann beginnt die Phase der
Haupterzählung , Es soll dem Erzähler frei gelassen werden die Haupt- oder Großerzählung
(d.h. die Gesamtkomposition von Geschichten, Beschreibungen, Bewertungen,
Argumentationen, etc) zu gestalten
Interviewer nur mehr Zuhörer, soll versuchen sich in die Geschichte hineinzuhören,
Perspektive des Erzählers zu verstehen, und dieses Verstehen auch kommunizieren „hmm“
„aha“, er muss also methodisch reflektieren, Fragen werden für später notiert
So bekommt Erzähler das Gefühl, dass alles ok ist und er ungestört weiter reden kann
Gibt 3 Arten von Erzählzwängen:
a.)Detailierungszwang
b.)Kondensierungszwang
c.)Gestaltungszwang
schließt der Erzähler die Eingangserzählung ab dann, kommt die Phase des immanenten
Nachfragens, verbunden mit einer weiteren Erzählaufforderung
(„sie haben erzählt, dass…“, „wollen sie darüber mehr erzählen“?)
Gelegentlich kann vereinbart werden, dass Bildmaterial oder schriftliche Dokumente
irgendwelcher Art betrachtet werden. Dies löst meistens weitere Erinnerungen bei den
Erzählenden aus
Kommt er zu einem Ende, wird das meistens mit einem Koda deutlich gemacht („ja das war
es im großen und ganzen…“)
Interviewer ist wieder an der Reihe
Beginn der Nachfragephase: unklar gebliebene Erzählpassagen werden präzisiert
Bilanzierungsphase beginnt: hier kann auch Interviewpartner Fragen stellen, nach „Sinn“ des
ganzen fragen
Probleme der Interviewführung im narrativen Interview
- Übernahme der Rolle des Erzählers ist für Interviewpartner ungewohnt, da man an ein
Wechselspiel von Fragen gewohnt ist.
- Die Stimmung zwischen den beiden sollte gut sein, damit der Interviewpartner auftaut und das
Gefühl für eine ausschweifende Erzählung in Ordnung ist
- Häufiger Interviewfehler: nicht nach der Erzählung einer Geschichte von Ereignisse zu fragen
sondern nach Motiven, Zuständen, Routinen, zu fragen die nicht durch Erzählungen sondern
Beschreibungen und/oder Argumentationen dargestellt werden können. („möchte sie mir bitte
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erzählen warum,…“) In solchen Fällen versteht der Interviewpartner nicht recht, dass von ihm
eine Erzählung verlangt wird.
Während der Haupterzählung sollte der Interviewer keine Fragen stellen
Struktur und Anwendung des narrativen Interviews
- narrative Darstellungen zeichnen sich nicht nur inhaltlich aus, sondern auch durch
Textstruktur, etc. Eigenheiten zu finden kann Aufschluss über Erzählqualitäten geben
- Durch Textstruktur wird der Bezug des Erzählers zum Geschehenen deutlich
- Vergleiche von Ergebnissen der formalen und inhaltlichen Textstruktur und den Eigentheorien
des Interviewpartners, mit denen der Erzähler sich selbst den Fortgang der Geschichte
erklärt, zeigt meist, dass die Menschen sehr viel mehr von ihrem Leben wissen und darstellen
können, als sie in ihren Theorien über sich selbst in ihrem Leben aufgenommen haben
- Das narrative Interview liefert so reichhaltige Daten als Befragungsformen, die ausschließlich
an die Alltagstheorien der Befragten gebundenes Wissen erheben
TEXTANALYSE
-
Transkription der Tonbandaufnahmen oder der Videobänder: schreibe auf was du hörst! Auch
Intonationen, Klangfärbungen, Mimik und Gestik des Sprechers
Verschriftlichung ist unverzichtbar
Texte die aus Verschriftlichungen von mündlichen Erzählungen entstanden sind, zählen als
Quelle, werden zum Zweck der Überlieferung produziert.
Unterschied zu schon überlieferten Texten, ausgedrückte Wahrnehmung und Erinnerung mit
ihren Trägern lebt mit, und werden erst im Akt der Tonband oder Videoaufzeichnung
gebunden
2 Arten von Textanalysen:
a.) Textreduzierendes Verfahren
b.) sequentielles Verfahren
ad. A.) Textreduzierende Verfahren zerschneiden den Text, wählen bestimmte Teile des
Textes zur Interpretation aus, die anderen Teile fallen weg
ist ein klassisches Verfahren der soziologischen Inhaltsanalyse
kann qualitativ und/oder quantitativ durchgeführt werden
ad. B.) für historisch- empirisch arbeitende Sozial- und KulturwissenschafterInnen, nimmt den
Aufwand auf einen Forschungsökonom. zurück, ohne an Präzision und Kontrolliertheit zu
verlieren
-
zwei basale Anforderungen an die Textanalyse:
1.)sie muss den Lebensprozess (bzw. den interessierenden Lebensabschnitt) in seiner
äußerlichen Ereignishaftigkeit und in seiner innerlichen Erfahrungs-, Erlebnis-, und
Wissensaufschichtung rekonstruieren.
2.)Textanalyse muss den aus der Retrospektive zwangsläufig entstehenden teleologischen
und finalen, d.h auf das bekannte Ende der Entwicklung ausgerichteten Charakter der
Erzählung hypothetisch in einen Lebensweg mit offenen Optionen zurückwandeln.
1. Schritt in der Textanalyse: Auf welchen Ort, auf welchen Zeitraum oder Zeitpunkt, auf
welche Person, auf welches Geschehen, auf welche Situation bezieht sich die erste
Sequenz? Auf die Frage antwortet die „pragmatische Interpretation“. Ich frage „was will
uns der Erzähler mitteilen?“, wir finden die Antwort indem wir die Textsequenz
paraphrasieren. Ich bleibe auf der Ebene des manifesten
2. Schritt in der Textanalyse: ich frage nach dem historischen (zeitlich, örtlich, funktionell,
usw.) Bedingungen , worüber erzählt wird. Darauf antwortet die 2Interpretation nach den
Bedingungen“ Ich frage: welche Handlungsbedingungen (Orte, Personen, Verhältnisse,
etc.) führt der Erzähler als Bedingung ein=
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3. Schritt in der Textanalyse: Gedankenexperimentell den weiteren Handlungsspielraum des
Akteurs ausloten. Wie könnte sein leben weitergehen? (Handlungsspielraum) wie könnte
er weitererzählen? (Erzählspielraum)
ALLES AUF EIN HYPOTHESENBLATT EINTRAGEN!
4. Frage nachdem inneren Erleben des erzählten Geschehens >> psychologische Interpretation.
Reflexion der Ich- Doppelung des Erzählers (Erzähler oder historischer Akteur). Regel:
Anhaltspunkt im Text finden. Kontextwissen heranziehen.
5. Prüfen. Ob die Textstelle die Frage nach einer in ihr ausgedrückten Idee, nach einem in ihr
ausgedrückten oder wirksamen Ideologie oder nach einer Ideologie zweckmäßig erscheinen
lässt. Frage: Woher kommt diese Idee? Wie kam sie „in“ den Akteur bzw. zur jeweils
besprochenen Personengruppe.
Decke die nächste Textsequenz auf: Beginnen des Verfahrens in der beschriebenen Abfolge der
Fragen von neuen Bestätigungen, Falsifizierungen
PROBLEME UND FORMEN DER DARSTELLUNG
(S. 163, ich lasse die genauen Beispiele bewusst weg, bitter selber nachlesen)
Erklärende Erzählung: hermeneutisch (Interpretationsverfahren zur Erschließung von Bedeutung und
Sinn), analytisch (alle Operationen, die über den gemeinsamen Sinn der Akteure hinausgreifen),
dialektisch (alle Denkoperationen, mit denen wir die Veränderung der allgemeinen historischsozialen Verhältnisse mit den Praktiken und Erfahrungen der Akteure in Beziehung setzen).
Möglichkeit einzelne oder mehrere Fälle im Vergleich zu präsentieren.
Mehrere Fälle >> „unsystematische Typologie“
Einzelfälle >> Aufsatz
Falldarstellung „Hitlerjungen aus gutem Haus“. Konzentration auf Logiken der Falldarstellung und
Theorienbildung. S. 164 – 170
- Anweisung an die Leserschaft, sich im Ort und Zeit des Geschehens zu versetzen.. Theoretische
Deutungen zum Inneren Erleben der Verständnisse seitens der Akteure anbieten.
- Wiederholt Kontextwissen anbieten, um die Handlungsbedingungen der Personen erklärend zu
präsentieren >> Formulierung einer ersten Hypothese (bezieht sich auf den Sozialisationsprozess
und die Internalisierung bestimmter ideologischer Elemente durch den Akteur – bis zum erreichten
Zeitpunkt des Lebenslaufs.)
- In der Darstellung wird erzählend erklärt, wie sich Ideen, Handlungen, etc. in die Persönlichkeit
einschreiben >> Ausprägung des Habitus der Person.
- Weiteres Darstellen der Lebensgeschichte >> 2. Hypothese.
- Erzählung „prägender“ Erlebnisse.
- Die erzählende Darstellung endet mit der Erklärung einer folgenreichen Entscheidung des Akteurs.
- Letzter Abschnitt: einzelne Aspekte des Falls werden aufgegriffen und auf einer höheren
Abstraktionsebene diskutiert: - narrative Prinzipien (leiten Komposition der
Großerzählung
- praktische Prinzipien (die in der Lebensgeschichte wirksam gewesen sein dürften)
= müssen strikt unterschieden werden!
- Unter Rückgriff auf die präsentierte Erzählung wird nun explizit, wo die aktiven Anteile des Akteurs
liegen. Die Prinzipien der Erzählung (was und wie der Erzähler erzählt) verweisen auf die
vergangenen Prozesse der Aneignung und der Ausbildung eines spezifischen Welt- und
Menschenbildes (Allegorisierung, Typisierung, Homologisierung).
- Weitere Thesen beziehen sich auf die „appeleavistischen Bezeichnung“ von Personen und
Personengruppen, in denen Ideologeme der Zeit widergespiegelt sind und auf die Körperpraxis.
- Darstellung schließt mit These, die jene zentrale Fragestellung praxeologischer Sozial- und
Kulturwissenschaften noch einmal ausdrücklich aufgreift.
Allgemein: Emische und ethische Perspektiven werden in dieser Darstellungsform wiederholt
abwechselnd eingenommen, ohne eine der beiden auf Kosten der anderen zu privilegieren oder
auszublenden. Dennoch ist evident, dass das gewonnene Wissen über die beschreibende
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Verkoppelung des alltagweltliche Wissen, das der Erzähler über sich und seine Welt präsentiert,
hinausgeht. Dem Erklärenden Wissen fügt sich theoretisches Wissen hinzu.
KAPITEL 10:
VOM UNIVERSALISMUS ZUR DIFFERENZ
Feminismus und Kulturanthropologie
Feministische Forschungsansätze haben nicht nur zu neuen frauenspezifischen Fragestellungen
geführt sondern auch die Disziplin revolutioniert. -> im deutschsprachigem Raum aber nur zögerlich
und mit Verspätung.
Der akademisch Feminismus bildete stets ein interdisziplinäres Projekt das sich in der ersten Phase
eng an den politischen Forderungen der Frauenbewegung orientierte.
Zu Beginn zunächst 3 wichtige Forschungsprojekte:
1.)
„Große Frauen“ man schreibt eine Gegengeschichte, in der auch die Frauen
vorkommen, da sonst die Geschichtsschreibung eine halbe ist
2.)
„die Frauen als Opfer“ Projekt in einer als frauenfeindlich interpretierten Geschichte
3.)
„der Beitrag der Frau zur sozialen/kulturellen Evolution“- Die Frau wird in die
Entwicklungsgeschichte miteinbezogen, in sozialen, kulturellen und politischen Prozessen
…wie die Revision der Rolle von Frauen in „nichtwestlichen Gesellschaften“ und im universalistischen
westlichen Geschichtsmythos. D.h es wird dekonstruiert und damit die Sichtweise außereuropäischer
Frauen miteinbezogen und damit werden kulturelle Zusammenhänge erfasst.
Ad. Dekonstruktion:
Wird im normalen Sprachgebrauch verwendet, meist nicht im Derrida’schen Sinn, sondern eher in
Richtung „aufdröseln“ von Machtstrukturen; etw. konstruieren, heisst etwas erschaffen, etwas
dekonstruieren ist ein Bedeutungsgebilde wieder zu zerlegen , um es ev. Zum Teil wieder neu
zusammenzusetzen, damit es was Neues ergibt -> Derrida) Wird Dekonstruktion im Sinne
feministischer Theorie verwendet, meint es: Dass man sich diesen Theorie über Frauen und Männer,
die Geschichtsschreibung die nur linear verläuft zu reflektieren und auf Fehler hin zu prüfen.
Feministische Ethnohistory:
Anstösse zur Entwicklung einer feministischen Wissenschaft in USA durch politische Diskussion ->
universelle Unterdrückung -> symbolische Ordnung der Oppositon (Frau/Mann,…)
Die feministische Ethnohistorie wehrt sich gegen die universelle Unterdrückung der Frau
Elenor Leacock stellt sich gegen die Dichotomien /Gegensatzpaare
Sie sagt: Geschlecht ist nur ein Produkt sozialer Verhältnisse, war eine der ersten die dies in ihre
Forschung miteinbezogen, hiermit auch die Trennung von Sex und GEnder.
KAPITEL 11:
VOM WILDERER ZUM HASEN
Zur Rezeption der Postmoderne in der Ethnohistorie
1.Einleitung
Jomo Kenyatta (der brennende Speer)- berühmter Professor der Sozialanthropologie. Schüler
Malinowskis. Vor seiner Zeit konnten nur weißen Männer die afrikanische Ethnologie schreiben. Es
wurde behauptet, dass Afrikaner nicht in der Lage sind sich selbst zu beschreiben. Sie seien
unterentwickelt und unfähig. Buch: Facing mount Kenia- beschreibt er „seine“ Gikuyu. Diese Buch ist
ein sehr frühes Beispiel für eine „neue“ experimentelle oder auch postmoderne Ethnographie.
Jahrhunderte lang beschrieben westliche Wissenschafter den „Rest der Welt“ – gab keine
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Einspruchsmacht der unfreiwillig Repräsentierten- ein Afrikaner durfte erst durch eine universitäre
Legitimation (Titel) über einen anderen Afrikaner schreiben. Akademischer „Würden“ regelten als
(Machtgeladenes) symbolisches Kapital den Zugang zum Markt der öffentlichen Meinung. Für die
westliche Wissenschaft gab es keine Grenzen.
2. Objekte der Beobachtung „schreiben zurück“
Anthropologie hatte bedeutende Rolle in diesem einseitige Diskurs der Moderne. Begriff
„Wissenschaft vom Menschen“ – reduziert auf den unbekannten Teil der Menschheit- ausgehend
vom westlichen Wissensstand. Bessere Beherrschbarkeit setzt besseres Wissen über die „wilden
Völker“ voraus
darin lag Grundbedingung für die Aneignung der Welt durch Europa -> Kolonisation
Malinowskis programmatische Selbstlegitimation offenbart die bestimmenden Elemente der
modernen Anthropologie. Behauptung Objekte können nicht Zurückschreiben, beruht darauf, dass
die wissenschaftliche Autorität, die hierarchische Beziehung zu den Objekten der ethnographischen
Beobachtung, die hegemoniale Verantwortung für koloniale Interessen und der zivilisatorische
Auftrag. Ethnologie war eine Einbahnstraße.
Solange die Objekte der Beobachtung ihre Gegenperspektive nicht veröffentlichen konnten, blieb die
Parteilichkeit unhinterfragt. Statt dialogischer Feldarbeit entstanden Monologe -> diese waren mehr
oder weniger im Einklang mit den europäischen Herrschaftsmonopol. –
Die grundsätzlichen Verbesserbarkeit des Kolonialismus zeigte einen Grundzug der kolonialen
Anthropologie -> Ausdruck des eurozentrischen (Selbstverständnisses) der Moderne. Mit dieser
instrumentellen oder funktionalistische Vernunft waren die Ansprüche der Entrechteten inkompatibel.
Nur die die eine höhere Bildung hatte, durften ihre Stimme erheben.
Mit der formalen Unabhängigkeit der ehemaligen Kolonien änderten sich die politischen
Rahmenbedingungen für die ethnographische Anthropologie grundlegend. Sie mussten
Forschungsaufenthalte begründen. Ganze Disziplin war am Prüfstand.
Insofern war die postmoderne Kritik eine Reaktion auf die postkolonialen Bedingungen. Richtete sich
gegen die kolonialen Repräsentationsformen und deren wissenschaftliche Methodologie.
Den einseitigen Portraits ahistorische Anderer wurde mit einem Konzept des radikalen Pluralismus
begegnet. Der paradigmatische Wandel ist also nicht eigenständig erfolgt. Ende des Kolonialismus =
Vorbedingung für Postmoderne.
Postmoderne Ansätze zeigen von nachhaltigen Einsichten. Erst als der Hase zum Wilderer wurde,
entdeckte der Ethnographische Wilderer seine „hasenartigen Eigenschaften“ und beginnt auf das
Wechselseitige Verstehen und Verständnis umzusteigen.
Harmonie wird neu bestimmt: nur was von allen Seiten als Harmonisch bezeichnet wird, hat ein
ethisches Recht auf Geltung.
DEKONSTRUKTION
Neue Schlagworte: Dialog, Kooperation, friedvolle Koexistenz, pluralistische Harmonie, polyphone
Repräsentation, neutralisierte Differenzen,…. All das sind Elemente des Diskurses der Postmoderne.
Als habitualisierte Wahrnehmungs- Deutungs- und Handlungsweise strukturiert die „vergessene
Geschichte“ der kolonialen Beziehungen weiterhin die anthropologische Praxis des ethnographischen
Schreibens.
3. Zur beschränkten Rezeptionsfähigkeit postmoderner Überlegungen in der Ethnohistorie
Im Kern ist die postmoderne Bewegung eine machtkritische Auseinandersetzung-> vor allem mit der
Disziplin selbst. Kritik wird weitgehend zur Selbstkritik. Ihr eigentliches Feld sind die
ethnographischen Texte und nur indirekt die deren Koloniale Kontexte.
Kritiker der postmodernen Anthropologie sehen in den experimentellen Entwürfen nur
„Neuerfindungen“, man könnte auch Plagiat der feministischen Theoriebildung in den 1950er Jahren.
Die einsichten der postmodernen Anthropologen sind gar nicht so neu, dazu gehören die
Erkenntnisse, dass sich Kultur aus umstrittenen Bedeutungssystemen zusammensetzt, Sprache und
Politik untrennbar miteinander verbunden sind und die Konstruktion des Anderen Ausdruck und
Folge von Herrschaftsverhältnissen beinhaltet.
Verständnis von Ethnohistorie hat eine Art „dezentrierte Weltgeschichte“. So wie Postmoderne
erkennt die Konzeption der Ethnohistorie in der Geschichtsschreibung und Anthropologie einen
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Ausdruck von Macht, der im Zusammentreffen von Autorschaft und Autorität literaturkritisch
analysierbar ist.
Ö zweifellos haben die postmodernen Herausforderungen zur selbstkritischen Reflexion geführt.
Ö Die postmoderne Wandlung vom Wilderer zum Hasen lässt sich daher als gegenteilige
Reaktion auf koloniale Forschungsbeziehung verstehen. Die Asymmetrien in der
Weltgemeinschaft haben in postkolonialen Strukturen nur neue Gestalt angenommen und
bedürfen einer rationalen Revision (=Nachprüfung, nochmalige Durchsicht!). Dazu kann eine
diskurstheoretische und praxeologisch reformierte Ethnohistorie entscheidend beitragen.
KAPITEL 12:
ENTPROVINZIALISIERUNG DER MODERNE
Überlegung zur globalen Entfaltung der Diskurstheorie in der Ethnohistorie
1. Einleitung:
Die postmoderne Reflexion hinsichtlich der unhinterfragten Machtbeziehung in der anthropologischen
Forschung als eine Art Bewusstwerdungsprozess. Die entsprechenden Einsichten betreffen vor allem
die einseitige Machtverteilung in der Forschungspraxis, die sich schon sprachlich gesehen im Begriff
„Feldforschung“ (= objektivistische Umdeutung der kommunikativen Forschung als „Reise ins Feld“)
äußerte. Weiters die Doppeldeutung des ethnographischen Schreibens als Autorschaft und
autoritative Vereinnahmung sowie die Abkoppelung der erforschten Lebenswelt von der abstrakten
Theoriebildung. Das postmoderne Gesamtprojekt des Abstandnehmens zur Theoriegeleiteten
Ansprüchen hat zu keinem Paradigmenwechsel geführt.
Ohne kritische Gesellschaftstheorie verdichten sich die postmodernen Repräsentationen
ethnographischer Dialoge zu einer aus der Perspektive der Besiegten geschriebenen Geschichte, die
dann das Mitgefühl der Leser regen. Deshalb bedarf das kritische Projekt einer inter- oder
transkulturellen Geschichtsforschung einer Theorie der Gerechtigkeit, die mit der Ideologie einer
eurozentrischen konstituierten „universalen“ Moderne bricht.
2. Zu einer globalen Vorstellung von Modernität
Lange Zeit war der Begriff der Moderne, der Europa als das Zentrum der Weltgeschichte definierte,
gängig. Mit den Beschreibungen von den „Anderen“ den „Primitiven“ wurden ein Gegenbild zu sich
geschrieben. Diese ,für die Postmoderne, fiktionalen Erzählungen von Fremdheit fungierten als
Resonanzboden des Eigenen wo man sich abgrenzen konnte. Die Ausgrenzung der Anderen aus
der Moderne lieferten der Ethnologischen und anthropologische Disziplin Bestandteile für den
Führungs- und Herrschaftsanspruch.
Aus der Sicht einer reflexiven kulturkritischen Haltung lässt sich die unhinterfragte Annahme der
kulturellen Überlegenheit und Höherentwicklung der europäischen Geistesgeschichte als
symptomatisch für die evolutionistisch bestimmte Moderne lesen. -> gilt auch für die zeitgenössische
Version der kritischen Theorie.
Richtungweisend ist deshalb auch die diskurstheoretische reformulierte Kritische Theorie von Jürgen
Habermas -> die Entfaltung einer gegen sich selbst prozessierenden Vernunft. Dabei könnte die
Ethnohistorie und Kulturanthropologie behilflich sein. Sie wären, diskurstheoretisch angeleitet, in der
Lage, jene empirischen Forschungen zu unternehmen, an denen sich auch die Diskurstheorie
beweisen muss. Laut Zips müsst der Wechsel auf die Diskursebene zur nochmaligen
Durchsicht/Überarbeitung des evolutionistischen Postulates führen. Gemessen an den HabermasProzessen des kommunikativen Handelns für partizipatorisches (teilnehmendes) politische Handeln
scheinen hohe Anteile der rationalen Handlungskoordinationen durch Prozesse des Argumentierens
und der an expliziten Geltungsansprüchen orientierten diskursiven Meinung und Wissensbildung
gegeben. Wenn wir der Ethnohistorie eine emanzipatorische Wendung geben wollen, gilt es Begriffe
der Moderne und Rationalität zu dezentrieren. -> Entprovinzialisierung der Moderne und
Überwindung eines eurozentrischen Entwicklungskonzeptes.
Dussel Vorschlag einer globalen Vision der Moderne, die neben emanzipatorischen auch ihre
vernichtende und Völkermordende Seite aufdeckt. Richtet sich gegen die eurozentrische Fassung der
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Moderne als Idealisierung um einen durch Reformation, Aufklärung und französische Revolution
gebildeten Kern.
Durch den diskurstheoretischen Ansatz von Habermas mit seinem prozedualen Maßstab der „idealen
Sprechsituation“ lässt sich im globalen Kontext der innere Zusammenhang von Recht und
Gerechtigkeit behaupten. Wenn der Begriff der Moderne an die globale Bedingung eines
Einigungsprozesses aller Betroffenen geknüpft werden könnte, wäre zumindest ein kritischer
Maßstab für eurozentrische Konzepte der Vernunft gewonnen. Somit stünde auch ein kritisches
Konzept für jegliche hegemoniale Bevormundung zur Verfügung.
In der Neufassung von Moderne und Rationalität als entprovinzialisierte Begriffe liegt grundlegende
Bedeutung für den „Alltag“ empirischer ethnohistorischer Forschung insbesondere in den Gebieten
der Rechts- und politischen Anthropologie. Das Grundverständnis von Recht, Politik, Gerechtigkeit
ist ein provinzielles, ethnozentrisches Verständnis. Mit der von Habermas vorgelegten Diskurstheorie
des Rechts könnte es gelingen eine rechtlich garantierte partizipatorische Regierungsform zu
„entprovinzialisieren“ -> somit würden sich für die empirische rechtsanthropologische Untersuchung
neue theoretisch angeleitete Interpretationsmöglichkeiten ergeben.
Die kritische Gesellschaftstheorie, die im Rahmen einer diskurstheoretischen Grundlegung der
Grundbegriffe und normativern Vorhaben ebenso offen legt wie den Maßstab ihrer Kritik. Im Begriff
der kommunikativen Rationalität findet sich bei Habermas der Angelpunkt der Gesellschaftskritik, die
auf einer neutralen, verfahrensethischen Konzeption des herrschaftsfreien Diskurses beruht. -> keine
verbindliche Anleitung für normative Theorie des Rechts und der Moral.
Vom bloßen Dialog der Postmoderne unterscheidet sich der hier gemeinte Diskursbegriff in seiner
Bindung an eine rational zustandegekommene Einigung. Durch die Rekonstruktion dieses
Prozesses, verstanden als Prozedur einer durch Argumentation vorangeschrittenen Verständigung,
lassen sich am Maßstab des Ideals die jeweiligen Machteingaben erkennen und kritisieren.
Zu ist aber zu beachten: eine zu sehr am Konkreten orientierte Leseart des „idealistischen Gehalts“
der Diskurstheorie verkennt den kritischen Verwendungszweck. Bei der idealen Sprechsituation geht
es um ein prozentuales Kriterium, um Prozesse der Meinungs,- und Willensbildung auf ihre
partizipatorischen Gehalte prüfen zu können.
Radikal-demokratischer Begriff good governance – erlaubt die faktischen Defizite konkreter Politiken,
unabhängig von inhaltlichen Ansprüchen auf „Richtigkeit“ konkreter Entscheidungen, anzugeben. ->
Stärke der Theoriegeleiteten Leseart.
3.Diskurstheoretische Begründung der Ethnohistorie
In mancher Hinsicht hatte die Ethnohistorie schon immer privilegierten Standpunkt -> Unterwerfung
des „vormodernen“ Teils der Menschheit durch das selbsternannte Zentrum Europa. Ihre Quellen
beruhende Tätigkeit beginnt in großem Maß mit dieser Entdeckung und Eroberung der Peripherie.
Die privilegierte Stellung machte nur so lange Sinn, so lange sie zu Beschreibung der Anderen
ausgenützt wurde. Seit Paradigmenwechsel zur kritischen (sozialwissenschaftlichen) Orientierung
bemühten sich einige ethnohistorische Arbeiten um eine gegenläufige Entfaltung dieser privilegierten
Perspektiven.
So wie die Postmoderne kritisiert die diskurstheoretisch angeleitete Ethnohistorie vereinseitigte
modernistische Varianten der Vernunft. Zugleich halten wir am Bewusstsein fest, dass jegliche Kritik
auf die Vernunft angewiesen ist -> Stimmen mit der kritischen Theorie von Habermas überein, dass
zur Aufrecherhaltung der kritischen Funktion sozialwissenschaftlicher Forschung Vernunft neu zu
bestimmen ist.
Die Diskurstheorie des Rechts von Habermas knüpft an einen prozedualen (= einen äußeren Ablauf
betreffend) Vernunftbegriff an, der unparteiisch genug erscheint, der universalistischen
Erklärungsansprüchen im integrativen (=einfügend) Rahmen der Weltgeschichte gerecht zu werden.
Entscheidende Voraussetzung: Die Bindung der Rationalität von ihrer selektiven eurozentrischen
Wahrnehmung zu lösen und damit ihren universalistischen Gehalt zu entfesseln.
Ö die Vernunft der „Anderen“ anerkennen
Ö aus diesem entprovinzialisierten Vernunftbegriff lässt sich eine Programmatik (= Zielsetzung,
Zielvorstellung) für eine theoriegeleitete ethnohistorische Forschung gewinnen. Wenn die
krisenhafte Entwicklung der kapitalistischen Moderne auf der Vereinseitigung der
zweckrationalen Vernunft beruhen, vermag die Erforschung von Formen kommunikativer
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Selbstbestimmung ohne nationale, kulturelle, ethnische oder historische Schranken neue
Impulse für die Gesellschaftskritik zu geben. Denn die Bezugspunkte der Zivilgesellschaft und
der politischen Öffentlichkeit für eine rationale Koordination des sozialen und politischen
Handelns können erst dann für eine antihegemoniale Gesellschaftstheorie fruchtbar gemacht
werden, wenn sie zuvor ihrer provinziellen Fassung entledigt wurde.
Ö Häufig haben Gesellschaften die allgemein als unterentwickelt, traditionalistisch oder statisch
galten, einen höheren Anteil kommunikativer Formen der Selbstbestimmung aufweisen, als
demokratische Rechtsstaaten (europäischer Prägung)
Ö
KAPITEL 13:
„THE GOOD, THE BAD and tue UGLY“
Habitus, Feld, Kapital im (Feld des) jamaikanischen Reggae
Für den ethnohistorischen Blick auf die Praxis (=alles vom Menschen Hervorgebrachte) braucht es
eine theoretische Vorstellung von der sozialen Logik menschlichen Handelns. Die praxeologische
Theorie von Pierre Bourdieu lässt sozialtheoretische Konzepte gewissen, die im Zusammenhang mit
Geschichte und Gegenwart, von Gesellschaft und Individuum in der sozialen Realität erklärbar
machen.
FELD, HABITUS und KAPITAL
Diese konzeptuelle Triade schafft Bourdieu eine Verbindung von Struktur und Praxis, von
Gesellschaft und Individuum sowie von Objektivismus und Subjektivismus.
Feldbegriff: Arenen des sozialen Lebens mit ihren Kämpfen um Positionen
Habitus: inkorporierter soziale Struktur
Kapitalbegriff: Formen von Macht die nicht notwendigerweise materiell bestimmt sind, sondern
symbolische Gestalt annehmen können
Praxeologische Forschungsinteresse: besteht darin, warum Menschen miteinander und
gegeneinander das tun, was sie tun; mit anderen Worten: die individuell unbewusste Dimension des
sozialen Handelns freizulegen. -> empirisch analytisches Interesse an sozialen in Praktiken
ausgedrückten Realitäten.
Konzepte von Feld, Habitus und Kapital: um Struktur und Praxis, objektives Machtfaktoren und
subjektive Einstellungen sowie Geschichte und Gegenwart in ihrem untrennbaren Zusammenhang zu
halten => „toll kits“ -> um hinter die oberflächlich wahrnehmbaren Verhaltensweisen schauen zu
können, ohne diese in strukturfunktionalistischer Wendung auf reine Erscheinungsformen strukturaler
Notwendigkeiten zu reduzieren.
2. „Wie ein Fisch im Wasser“ Habitus und Praktiken im „Schlachtfeld“ der dancehall
Mit Begriffen des praxeologischen Entwurfes einer Theorie der Praxis werden relationale Fragen,
dass heißt ein Hinterfragen der jeweiligen Position, Disposition und Positionierung von praktischen
Äußerungen, notwendig. -> Bemühen, mit der empirischen Passivität zu brechen
In Übereinstimmung mit der methodischen Anleitung Bourdieus zwingen die Begriffe; Feld, Habitus,
Kapital, Strategie und Interesse zu einem vernetzten Denken sozialer Praxis. Wie lassen sich aber
die empirischen Daten so vernetzen, dass sie einen Blick auf ihre eigene praktische Logik freigeben?
Zuerst sollte man mit der idiographischen Perspektive brechen. Aus dem praxeologischem tool kit
bietet sich die Verteilung der Eigenschaften und „Vermögen“ unter Individuen und konkreten
Institutionen bestimmt wird. Z.B Reggae als Feld, Im Vordergrund steht dabei die Relation des
untersuchten Feldes zum Feld der Macht. Die Anwendung des Feldbegriffes zwingt zu einer
relationalen Denkweise. Verständnis dieses Feld innerhalb eines größeren sozialen Raumes zu
sehen.
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z.B Reggae ist ein Produkt der Geschichte, es lässt sich nicht von den objektiven historischen
Strukturen trennen, welche dieses Feld dynamisch hervorgebracht haben und auf vielfache Weise
nachwirken. Wie jedes Feld besteht Reggae aus einem Bündel von Beziehungen, das aus den
objektiven historischen Beziehungen der afrikanischen Tradition, der Sklaverei, des Kolonialismus, …
entstanden ist. Die akkumulierte Geschichte „vergegenwärtigt“ bestimmte Werte, es gibt keinen
Ausdruck einer wie auch immer motivierten „Verschmelzung“, sondern im Gegenteil einer aus den
Schauplätzen historischer Kämpfe um Herrschaften und Macht hervorgegangene Arena-> für die
gegenwärtigen Auseinandersetzungen und Konflikte um Distinktionen und Verteilung materieller und
immaterieller Güter.
Sichtbar oder besser gesagt konstruierbar wird das Feld durch die Praktiken konkreter Individuen. Sie
verkörpern die Geschichte des Feldes. Sie sind das Produkt der Geschichte des gesamten sozialen
Feldes und der akkumulierten Erfahrung einer Laufbahn in einem spezifischen Subfeld -> soziale
Akteure der inkorporierten Geschichte.
Bsp.: Reggae -> hier setzen sich historische kämpfe, Spannungen und Widersprüche im geteilten
oder „zerfetzten“ Habitus vieler Handelnder fort.
Habitus Konzept erlaubt zu zeigen, dass die individuellen Praktiken mit sozialen „verkörperten“
Strukturen des Feldes rückgekoppelt sind und somit aus sozialen Logiken sind. Habitus besteht aus
einem Bündel historischer Beziehungen, die in den Individuen in Form von mentalen und körperlichen
Wahrnehmungs-, Deutungs-, und Handlungsschemata „abgelagert“ werden. Zu den analytischen
Aufgaben gehört es zu zeigen wie die empirisch beobachteten Praktiken den Habitus bilden und
ihrerseits strukturiert werden.
3. The harder they come, the harder they fall
Inhaltsangabe des Films ausgelassen!
Im Fall von Reggae besitzt vor allem das symbolische Kapital viel Bedeutung. Es wir auch das
symbolische Kapital der Ehre genannt. Es wird durch soziales „Erkennen“ und „Anerkennung“
erworben und auch vermehrt. Es geht auch um die Akkumulation dieses Kapitals. Das symbolische
Kapital der Anerkennung wird sehr schnell zum ökonomischen Kapital der Hitproduktion.
4. „Respect due“- Symbolisches Kapital in der Ökonomie des Respekts
Mit den beiden organisierenden Konzepten von Feld und Habitus verfolgt die praxeologische Theorie
die Intention mit den herrschenden Gegensätzen (Subjektivismus vs. Objektivismus, Individuum vs.
Gesellschaft, Interaktionismus vs. Strukturalismus) zu brechen. Diese fatalen Alternativen zwischen
Geschichte und Soziologie lassen sich durch eine Strukturgeschichte überwinden -> Struktur und
Handeln in einer dialogischen Beziehung
Im Habitus überschneiden sich Struktur und Handeln durch ihre gleichursprüngliche historische
Genese.
Habitus aus strukturierten Strukturen => darunter ist zu verstehen: ein Ensemble von Schemata der
Wahrnehmung, des Denkens, Fühlens, Beurteilens, Sprechens und Handelns zu verstehen, die
strukturierend auf alle expressiven, verbalen und praktischen Manifestationen sowie Äußerungen
einer Person einwirken.
Habitus ist das Produkt der Geschichte; die von der Vergangenheit geschaffene und zur Zukunft hin
geöffnete Gegenwart.
In der Hierarchie der unterschiedlichen Sorten von Kapital rangiert eine spezifische Form des
symbolischen Kapitals im Reggae (Bsp.) an vorrangiger Stelle: Respekt.
Wie jedes Feld lässt es sich als Arenen des Kampfes um Macht fassen.
Im männlich dominierten Habitus eingeschrieben, drückt jede Geste, jede verbale Äußerung, jede
Handlung die ständige Wehrbereitschaft als akkumulierte Geschichte des Feldes aus. Die
Kombination aus den Erfahrungen von Versklavung, Widerstand, Ausbeutung, Trenchtown, schafft
ein Modell des kollektiven Habitus, das Respekt zum höchstbewerteten Gut für die Logik der Praxis
macht.
Ökonomie eines Feldes: jene Logik, die gleichzeitig von den Institutionen, den Mechanismen, den
Dispositionen und in den Köpfen der Handelnden eingeschrieben ist. Für deren empirische
Untersuchung bedarf es einer Art „praxeologischer Strukturgeschichte“ welche die Ethnohistorie vor
Augen hat.
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5. Schlussbemerkung
Für die Realisierung dieses Ethnohistorischen. Theorie-Entwurfes braucht es theoretische
Instrumente, die es gestatten Geschichte sowohl in den Strukturen als auch in der Praxis zu
erfassen, die den Zusammenhang zwischen sozialen Strukturen und individuellen Handeln erklären
können. Mit anderen Worten: Konzepte anbieten und zum Arbeiten bringen, die an der empirisch
wahrnehmbaren Praxis der Akteure ansetzen ohne zu übersehen, dass die objektive Welt der
subjektiven Welt vorausgeht.
Auf der methodischen Ebene wie nach einer praktischen Umsetzung der theoretischen Instrumente
verlangt -> wie das narrative biographische Interview -> bietet Zugang zur Praxis vie die Erzählung
der Akteure.
Tool kit: dadurch scheint Programm einer partikularen und strukturalen historischen
Strukturgeschichte durchführbar.
Dem Habitusbegriff kommt Schlüsselaufgabe zu, die Kluft zwischen Strukturen und Praktiken zu
überwinden.
Das Konzept der praxeologischen Strukturgeschichte biete sich für die Ethnohistorie an, weil die
soziale Welt als akkumulierte Geschichte aufgefasst und der Prozess der Akkumulation durch das
Handeln von Menschen rekonstruiert wird. Die emanzipatorische Aufgabe ist die Aufdeckung von
Machtbeziehungen und Ungerechtigkeiten in den unterschiedlichsten Kontexten, wozu es einer
Zusammenarbeit über die Grenzen der Subfelder der Ethnologie, Sozialgeschichte und Soziologie
hinweg bedarf.
Das Habituskonzept erinnert an die soziale Macht der Geschichte. Durch eine komplementäre
praxeologische und diskurstheoretische Macht der Begründung kann das ethnohistorische Interesse
an dieser Macht der Geschichte über eine Geschichte der Macht in eine Kritik der Macht münden.
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