Vera Brlica ETHNOHISTORIE - K.Wernhart / W. Zips (Hrsg.) - Buchzusammenfassung BUCHZUSAMMENFASSUNG 1 01.2004 . Vera Brlica ETHNOHISTORIE - K.Wernhart / W. Zips (Hrsg.) - Buchzusammenfassung 01.2004 ETHNOHISTORIE BUCHZUSAMMENFASSUNG: THEORETISCHE POSITIONIERUNG UND WISSENSCHAFTSGESCHICHTE DER ETHNOHISTORIE 1.Kapitel: Theoretisches und methodologische Grundlagen der Ethnohistorie 2.Kapitel: Von der Strukturgeschichte zum transkulturellen Forschungsansatz ZUR METHODOLOGIE DER ETHNOHISTORIE 3.Kapitel: Quellengattungen und Nachbarwissenschaften der Ethnohistorie 4.Kapitel: Ethnoarchäologische Grundlagen kulturgeschichtlicher Forschung 5.Kapitel: Ethnos- Identität- Globalisierung 6.Kapitel: Ethnizität für die Praxis 7.Kapitel: Migrationsforschung und Ethnohistorie 8.Kapitel: Von der Feldforschung zur Felder-forschung 9.Kapitel: Erzählungen analysieren- Analysen erzählen AUSGEWÄHLTE THEORIEANSÄTZE: 10.Kapitel: Vom Universalismus zur Differenz ( Feminismus und Kulturanthropologie) 11.Kapitel: Vom Wilderer zum Hasen (Postmoderne) 12.Kapitel: Entprovinzialisierung der Moderne (Habermas- Diskurstheorie) 13.Kapitel: „The good the bad and the ugly“ (Bourdieu) 2 . Vera Brlica ETHNOHISTORIE - K.Wernhart / W. Zips (Hrsg.) - Buchzusammenfassung 01.2004 . Kapitel 1: EINFÜHRUNG IN DIE THEORETISCHE UND METHODOLOGISCHEN GRUNDLAGEN DER ETHNOHISTORIE 1.) Einleitung und wissenschaftsgeschichtlicher Rückblick: Grundsätzlich gilt: wegen Methodenpluralismus und einer Vielfalt unterschiedlicher (auseinander gehend) theoretischer Ansätze ist eine exakte Definition von Ethnohistorie unbefriedigend. IN DEN USA: Begriff „ethnohistory“ : wurde 1909 von Clark Wissler geprägt -> Suche nach ethnologischer Information in historischen Dokumenten. Im Vordergrund stand die kulturelle Beschreibung ethnischer Einheiten anhand historischer Schriftquellen in Verbindung mit archäologischen Daten. Seit den 60er vermehrt Feldforschung. Micro-History: Untersuchung relativ kleiner regionaler Gruppen durch interpretativer Verfahren ->Interpretation bezieht sich auf Feldforschung und historische Dokumente (Alltagsgeschichte) Makro-History (Strukturgeschichte) Gab auch Unterscheidung zwischen Ethnohistory und folk-history Ethnohistory = Anwendung historischer Methoden auf schriftlose Gesellschaften Folk-history = Geschichtliches Bewusstsein der untersuchten Ethnien ist Forschungsschwerpunkt IN FRANKREICH: Ethnohistorie: (vgl. folk-history in USA) Geschichte kleiner lokaler ethnischer Einheiten, vor allem Oraltradition ist wichtig (-> Kontrolle durch historische Dokumente) Ethnologie historique: Konzentration auf schriftliche Quellen Ethnologie diachronique und histoire culturelle: Einfluss der École des Annales – Hinwendung zu einer Art « historischer Strukturalismus » EXKURS: École des Annales Zeitschrift annales d’histoire économique et sociale gegründet 1929 1.Generation : Lucien Febvre und Marc Bloch Forderung nach einer globalen, interdisziplinär arbeitenden Geschichtsschreibung 2.Generation: Fernand Braudel, Ernst Labrousse + Nachfolger: Paradigmenwechsel zur historischen Analyse sozialer Strukturen, quantifizierende Geschichtsschreibung (über lange Zeitabschnitte hinweg) 3.Generation: Pionierarbeiten, z.B zu Kindheit, Geisteskrankheiten,… Historische Anthropologie, Mikro- Historie, Geschichte der Mentalitäten, Alltagsgeschichte. Man wollte quantifizierenden und strukturalistischen Reduktionen wieder entgehen. Historische Ansätze bildeten in Frankreich Gegengewicht zum Strukturalismus, aber ohne zu starke Polarisierung 3 Vera Brlica ETHNOHISTORIE - K.Wernhart / W. Zips (Hrsg.) - Buchzusammenfassung 01.2004 . IN WIEN: Ethnohistorie entstand in Wien in Ablehnung der Wiener Schule der Ethnologie (Pater Wilhelm Schmidt und seine Monogenese, Monotheismus und Monogamie)- man wollte auf den Boden der historischen Realität zurückkehren (Adam und Eva, Monogamie, alles andere verwerflich und vor Gott Sündenfalls -> alle anderen Kulturen die dem nicht entsprechen sind fasch) Der Begriff der Ethnohistorie: -1932 von Fritz Röck geprägt (Röck stand im engem Kontakt zur 1931 gegründeten WAFAK „Wiener Arbeitsgemeinschaft für Afrikanischer Kulturgeschichte“ auch Walter Hirschberg war Mitglied -Schwerpunkt lag auf (schriftlichem) Quellenmaterial, das exakt datierbar war -Nachteil: zu quellenpositivistisch, konnte auch die Quellenkritik nicht ausgleichen Karl R. Wernhart öffnete ethnohistorischen Ansatz für sozialwissenschaftliche Orientierung: d.h historische Prozesse sollen aus Vermittlung von Strukturen und sozialem Handeln der Menschen (kulturelle Manifestationen) heraus verständlich gemacht werden. Theoretische Ausgangspunkte sind: -praxeologische Theorie (Pierre Bourdieu) -kritische Diskurstheorie (Jürgen Habermas) -feministischer Theorie/ Postmoderne Theorie Methoden: historische Arbeitsweise (Quellenkritik, historische Einheit von Zeit und Raum) sowie diskursive Methoden (z.B narratives Interview) 2.Konzept der Ethnohistorie und Kulturgeschichte neben der Entwicklung der Ethnohistorie wurden auch theoretische und methodologische Grundlagen reformuliert. Schwerpunkte: selektive Rezeption strukturgeschichtlicher Ansätze „Konzept der Kulturgeschichte“ -> Möglichkeit zur Zusammenarbeit von Archäologie , Prähistorie & Ethnohistorie um die Quellenlage bedingte zeitliche Einschränkung der Ethnohistorie zu überwinden. Wichtig dabei ist: exakte historisch bzw. archäologisch datierbarer Zeitbegriff Ethnohistorie in Wien: Ist ein Teilbereich der Kulturgeschichte- interessiert sich für die jüngere Geschichte von Gesellschaften. Zur Rekonstruktion benötigt man, schriftliche, bildliche, Quellen, Realien, Oraltradition & kommunikative Forschungsmethoden => diese ermöglichen einen interpretativen Zugang. Man muss aber bedenken dass Quellen meist von europ. AutorInnen sind -> inkl. Ihrer ideologischen Voraussetzungen & polit. Interessensabhängigkeit. Da benötigt es die Quellen und Ideologiekritik. So können ethnohistorische Forschungsansätze auch bei der politischen Anthropologie, Rechtsethnologie, Aktionsethnologie, Kulturökologie und vor allem Fragen des Kulturellenwandels angewandt werden. Feldforschung ist sehr wichtig und auch diskursanalytische Verfahren sowie literaturkritischer Untersuchungen. In letzten Jahren sozialwissenschaftlicher Ansatz -> somit kann die Dynamik geschichtlicher Prozesse aus historischen Praktiken der Subjekte in Bezug auf die politische Beziehungen und ökonomischen Strukturen untersucht werden. Ethnohistorie strebt an: Paradigmen der politischen Ökonomie und interpretative Ethnologie zu verbinden -> durch historische Rekonstruktionen kann ein diachrones „dynamisches Geschichtsbild“ gewonnen werden. Vordergrund: historische Strukturbegriffe der auf Dynamik des historischen Prozesses abstellt. Soziales Handeln der Subjekte wird miteinbezogen -> Kulturphänomene nicht als von Akteuren losgelöste Phänomene. 3.Diskussion der Theorieansätze: Vielschichtigkeit der Disziplin führt auch zur Verunsicherung (Infragestellen der Methoden) An der Verunsicherung sind auch Angehörige der untersuchten Gruppen beteiligt. Ihre Kritik: 4 Vera Brlica ETHNOHISTORIE - K.Wernhart / W. Zips (Hrsg.) - Buchzusammenfassung 01.2004 . Ungleiche Machtverteilung zw. Forschenden Subjekten und beforschten Objekten, exklusive Autorität der sozialwissenschaftlichen Darstellung und Vertretung. Um die Kritik ernst zunehmen -> Abgehen von hegemonialer anthropologischen Praxis Andere als geschichtslos, primitiv….zu bezeichnen. Ö visuelles Paradigma: Kultur wird unter Glassturz beobachtet, objektiviert, von Außen aus method. Sicherer Distanz durchschaut. Ö Dabei kommt es zu 3. entscheidenden Verkürzungen: 1.) alles was auf eine Lebenswelt in Form von Sozialem, politisch und ökonomischen Strukturen einwirkt, bleibt ausgeschlossen 2.) Verständnis der kulturellen und historischen Praxis: durch eingenommene Perspektive erstarren Akteure zu Momentaufnahmen -> kommunikatives Handeln, symbolische Praktiken werden ausgeblendet 3.) Die objektives Haltung mit ihren empiristischen Voraussetzungen verhindert adäquate Einschätzung von sozialwissenschaftlichen Sinnverstehen -> Teilnahme an Kommunikationsprozessen bedeutet Dialog! (Habermas) Um an Dialog teilnehmen zu können -> Aufnahme einer intersubjektiven Beziehung -> schließt objektivierende Einstellung aus. Während Feldaufenthalt sind Forschende nicht nur Forschende sondern komplex handelnde Personen. Zusammenleben während der Feldforschung erfordert methodologisches Ersetzen des passiven Beobachtens durch Eingehen dialogischer Beziehungen. In Ethnohistorie geht es nicht darum, Welt in eine objektive und subjektive Welt zu teilen -> sondern Strukturen in historischen Dimensionen zu erfassen, reproduziert & verändert durch Handeln und Denken der Akteure. Geht um Untersuchung historischer Prozesse durch Dialektik von Handlungsbedarf und Praktiken der Akteure ihrer jeweiligen Ausprägung in einer konkreten zeitl. Und räumlichen Dimension zu erfahren. GESELLSCHAFTLICHE REALITÄT: Ist ein Wirkungsgeschehen in dem historische Handlungsbedingungen, die sich als zusammenhängende soziale, ökonomische und politische Struktur rekonstruieren lassen, durch das Handeln und Deuten der Akteure sowohl reproduziert als auch verändert werden. Um den symbolisch enkodierten Sinn der „Bestandteile einer Lebenswelt“ verstehen zu können, müssen wir intersubjektive Beziehungen aufnehmen. Bedeutungen können nur von innen her erschlossen werden. „Die Lebenswelt öffnet sich nur einem Subjekt, das von seiner Sprache- und Handlungskompetenz Gebrauch macht „ (Habermas) Schlüsselbegriff ethnohistorische Forschung : Struktur! Strukturen sind nicht im Sinne des Strukturalismus zu verstehen, sondern in ihrer historischen Dimension-> sie werden durch die kulturelle Anwendung der handelnden Subjekte gezeigt/vermittelt. Gesellschaftliche Verhältnisse betrachtet. Die Menschen die in diesen Verhältnissen leben sind Resultat und Voraussetzung ihrer reproduzierend und verändernden Tätigkeit. Menschen sind nicht Eigentum von Strukturen , Strukturen werden erst durch die aneignende Tätigkeit der Menschen zur sozialen Wirklichkeit. Im Mittelpunkt stehen die aktive Gestaltung und Reproduktion gesellschaftlicher Verhältnisse durch die praktische Tätigkeit der Subjekte im Handlungszusammenhang ethnischer und politischer Gemeinschaften. KULTURELLE PRAXIS: Vollzieht sich unter Verwendung von Zeichen und Symbolsystemen, mit denen Subjekte mit anderen Subjekten ihre Handlungspläne aufeinander abstimmen -> sie handeln kommunikativ! Kommunikatives Handeln ist nicht nur Sprache oder Verständigungsprozess in der auch Teilnahmen an Interaktionen …Kommunikative Handlungen lassen sich nicht Interpretationsvorgänge beschränken -> bedeuten Vorgänge der sozialen Integration oder Vergesellschaftlichung. 5 Vera Brlica ETHNOHISTORIE - K.Wernhart / W. Zips (Hrsg.) - Buchzusammenfassung 01.2004 . BOURDIEU’S THEORIE DER PRAXIS: Ist eine Analyse der Sozialstruktur anhand der Betrachtung kultureller Gewohnheiten und symbolischer Ausdrucksform der Praxis konzipiert. Gesellschaftliche Welt ,für ihn, „akkumulierte Geschichte“ Bourdieu formulierte eine Handlungstheorie -> symbolische Praktiken haben wirtschaftliche Wert und bringen Nutzen => ÖKONOMISCHES KAPITAL Demnach lassen sich symbolische Praktiken auch als Strategien in der Konkurrenz um die Stellung in der Sozialhierarchie deuten. Kapitel wird in unterschiedliche Formen unterschieden: Sozialkapital: hauptsächlich Zugehörigkeit zu einer Gruppe Kulturelles Kapital: Gesamtkapital: dient der allgemeinen Sicherheit, beruht auf materiellen und/oder sozialen Austauschbeziehungen. -> Deshalb ist der Soziale Raum kein herrschaftsfreies Terrain. Symbolisches Kapital: Summe aller kultureller Anerkennung, die eine Gruppe od. Individuum durch geschickte Verwendung des gesellschaftllichen Symbolsystems für sich gewinnen konnte. Symbolische Konstruktionen sind als soziale Tätigkeiten zu begreifen in denen unterschiedliche Macht und Gewaltverhältnisse wirksam werden => aus diesem Grund eignet sich die Theorie der Praxis zur Untersuchung historischer Prozesse wobei Machtstrukturen und Handeln der Subjekte nicht getrennt wird. Man benötigt eine Theorie die den ständigen Widerstreit konkurrierender Interessen und Machtansprüche gerecht werden kann. Frage von Herrschaft und Widerstand. Ähnlich wie Machtstrukturen in Geschlechterbeziehungen -> durch feministische Theorie und Frauenforschung wurden solche Fragen angeregt. 4. Bedeutung kommunikativer Forschung für die Ethnohistorie In der Tradition der ethnographischen Feldforschung stand das visuelle Paradigma des Beobachtens der Fremden im Vordergrund. Opferseite : (der objektivierenden Wissenschaftlichkeit) beobachtete Subjekte.- Ihre Subjektivität verschwand hinter den Schablonen die die Wirklichkeit darstellen sollten. Für die Ethnohistorie sind neben Archiv- Bibliotheksstudien kommunikative Forschungsmethoden enorm wichtig. Quellenkritik kann zwar die Schriftstücke in einem bestimmten Kontext zu setzen um ihn zu dekonstruieren, kann aber keinen Zugang zu Subjektivität verschaffen. Dazu braucht man intersubjektive Beziehungen => Wechsel zu einem diskursiven Paradigma. Hinter der Entscheidung für ein dialogisches Vorgehen steht nicht der Gedanke einer Basisdemokratie , sondern die Einsicht, dass Subjekte nicht völlig von ihren gewohnheitsmäßig erworbenen sozialen Orientierungen bestimmt werden -> handeln kompetent indem sie ihr Wissen in den alltäglichen Handlungen reflexiv, methodisch und situationsbezogen gebrauchen. Orientierung ist durch Sozialisation erworben (= Geschmack, Neigung, Grundüberzeugung etc) -> wirken handlungs und denkorientiert -> können aber thematisiert und diskursiv behandelt werden. -> Handelnde benutzen Wissen ihrer Lebenswelt nicht nur, sondern verändern und erneuern es gleichzeitig. Statt der begrifflichen Erfassung von „ANDEREN“ könnte eine (selbst)reflexive Haltung, Offenheit in der Begegnung und Respekt gegenüber dem Anderen treten. Statt die Anderen dem eigenem Begriff unterzuordnen sollte man das kritische Potential einer Selbstreflexion nutzen. METHODENKRITIK: Bewusstwerdung der politischen Bedingungen der Forschungen seitens der Wissenschaft. => Historische Nahverhältnis zum Kolonialismus auch die Allgemeine Abhängigkeit der Forschungspraxis von ökonomischen, politischen, sozialen und religiösen Kontexten. Unterschiedliche Machtverhältnisse, kulturelle und historische Erfahrungen wirken sich auf alle Ebenen des Beziehungsverhältnis zwischen Ethnologinnen und Bewohnerinnen aus. MODI des Fremderlebens: siehe Begriffessammlung Aufgrund der europäischen Expansion ( wie Kolonialismus, Orientalismus, Missionarismus, ethnozentrischer Universalismus) sind gegenwärtige Beziehungen zwischen Angehörigen unterschiedlicher Lebenswelten spannungsgeladen. Fremdheit ist keine Eigenschaft sondern ein rationaler Begriff. 6 Vera Brlica ETHNOHISTORIE - K.Wernhart / W. Zips (Hrsg.) - Buchzusammenfassung 01.2004 . Modi Fremderlebens Kommunikative Forschung vermag ihre spezifische Qualität erst dann zum Tragen zu bringen, wenn sie die Bedingung der intersubjektiven Verständigung transparent macht. Kann nur gelingen wenn Vielzahl an Perspektiven nicht zu einer einzigen, durch methodische Verfahren autorisierten Interpretation des Wissenschaftlers verschmelzen lassen. POLYPHONIE: meint mehr: das Ausgegrenzte soll ans Licht gebracht werden und die Entstehungsbedingungen der Texte (schriftliche, mündliche ) soll als interpretative Prozesse nachvollziehbar werden. Welche Bedeutung haben dialogische Herangehensweisen für die theoretischen Grundlagen der Ethnohistorie? Im Dialog steckt ein kritisches Potential, um in reflexiver Form den Universalitätsansprüchen der eurozentrischen Moderne entgegenzutreten. Lyotard nennt Ausschwitzt einen paradigmatischen Namen für die Zerstörung des Projektes der Vernunft. ( Thema der Moderne: rettet die Vernunft! Umso vernünftiger wir sind umso besser wird die Welt-> Ausschwitze weder aller Vernunft!) Ethnohistorie bietet kritisches Medium der Erinnerung. Ethnohistorie schreibt nicht an der EINEN Menschheitsgeschichte, sondern an Vielzahl, für deren Differenzen und Wechselwirkungen unter Einbeziehung der eigenen Geschichte. Eine so verstandene KS- Geschichte macht bewusst, dass das Deuten und Handeln der Akteure von jeweiligen Kontext abhängt. Unterschiedliche historische Erfahrungen, soziale Lage und Stellung sowie Geschlecht verschieben die Perspektive der Akteure auf die Geschichte. Modus der Rekonstruktion: Deutungen der Akteure werden nicht von Handlungen und Handlungsbedingungen abgekoppelt-> Einblick in die Veränderung der Strukturen durch praktische Aneignung. Kommunikative Forschung soll nicht Zugang zu Standpunkt- und Interessensgebundenheiten von Individuen und sozialen Gruppen herstellen sondern vielmehr geht es dabei um eine Rekonstruktion des dialektischen Zusammenhangs von strukturierten Handlungsbedingungen und Praktiken. Ö Texte die durch teilnehmende Forschung entstanden sind, stellen Gemeinschaftsprodukt aus wechselseitigen Verständigungsleistungen dar – gehen auf Einigungsprozeß des Konsens zurück. -> Konsens aufgrund der Kapitalverteilung machtgeladen- Verhandlungen darüber können aber neu aufgenommen werden. 5. Zielsetzung und Aufgaben, Ausblick banales Postulat: Alle sozialen Gruppen dieser Welt haben „ihre Geschichte“. Ihre Subjekte haben sie mitgestaltet, wenngleich nicht in völliger Autonomie. Ziel und Aufgabe der Ethnohistorie: Wechselwirkung zwischen Geschichten zu fragen. Allgemeine Aufgabe der Ethnologie: alle wichtigen sozialen Begriffe, wie Religion, Recht, Wirtschaft, Gesellschaft und Rationalität etc zu „entprovinzialisieren“. Denn Begriffliche Trennung zwischen Religion und Kulturen, Recht und Bräuchen, Rationalität und mythischen Denkweisen macht nur evolutionistische Vorpositionierung erkennbar -> enthält hierarchische Unterscheidung in entwickelte und primitive Gesellschaften. -> Deren Funktion ist die Herrstellung eines Führungs. Und Herrschaftsanspruches. Ethnohistorische Forschung animiert kritische Fragen an Befürworter universalistischer Geschichtsauffassungen mit empirischen Argumenten. Zielsetzung der Ethnohistorie nicht darin erschöpft „modernes“ europäisches Weltverständnis fragmentarischer Gegenbilder alternativer Sichtweisen entgegenzusetzen. Erkenntnisinteresse auf die kulturelle und soziale Praxis der Akteure im historischen Kontext gerichtet. Integrative Forschungsansätze sind notwendig. KAPITEL 2: VON DER STRUKTURGESCHICHTE ZUM TRANSKULTURELLEM FORSCHUNGSANSATZ TRANSKULTURELLER FORSCHUNGSANSATZ: Soll vernetzten und quer durch die Gesellschaft und ihren kulturellen Manifestationen verlaufenden Strukturen, die das Endprodukt von spezieller in Zeit und Raum stattgefundener geschichtlicher Entwicklungen darstellen, soll der transkulturellen 7 Vera Brlica ETHNOHISTORIE - K.Wernhart / W. Zips (Hrsg.) - Buchzusammenfassung 01.2004 . Forschungsansatz nachgehen. Das Erarbeiten solcher dynamischen Strukturen bzw. Abläufe kann in dialogischer Form mit Hilfe der Diskursanalyse und den narrativen Forschungsansatz erfolgen. Ö zukunftsorientierter Forschungsansatz, und auch zukunftsorientierter Forschungsauftrag -> wirkt identitätsfördernd ( soziokulturelle und politische Wurzeln der jeweiligen Gesellschaft und das Selbstverständnis von Geschichte wird miteinbezogen) und auch das gegenseitige Verständnis wird unterstützt -> hilft kulturelle Barrieren zu überwinden. Ö So kann Ethnohistorie Beitrag zur Konfliktminimierung leisten. Ö Die Erarbeitung der jeweiligen historischen Hintergrundes und somit die Erstellung von der Identität einer Gruppe ist vorrangig, bei der kulturellen Globalisierung der Gesellschaft in multikultureller Form (Kulturgruppenexogamie) Die Formativphase ( auf Gestaltung bezogen, gestaltend) der Ethnohistorie war durch quellenpositivistische Interpretationen und Darstellungen charakterisiert -> nannte Walter Hirschberg „historische Ethnographie“ ) => wird heute als historischer Partikularismus bezeichnet. -> Bedeutung der Quellenkritik wurde erkannt, aber man klebte an den historisch-ethnographischen Fakten kultureller Manifestationen (Faktengeschichte) und wollte mit der Interpretation nur die Quellenaussage verfestigen. Definition von Ethnohistorie seit 1970er folgende: ….Teilgebiet der regionalen Völkerkunde, mit besonderer Berücksichtigung schriftlicher Quellen, Bildquellen, Oraltradition und Realien. Voraussetzung: Nutzung der Quellen und Quellensequenz sowie Quellenkritik und auch die Beachtung der Interpretations- sowie Verstehenslehre. => auf diese Weise versucht ein Ethnohistoriker zu einer Darstellung von Kulturabläufen zu kommen. Frage des Kulturwandels, der angewandten Völkerkunde und der politischen Anthropologie spielen gr. Rolle. Methoden: adäquate Anwendung von historischer Arbeitsweise mit genauem Zeitbegriff, Beachtung der Quellenkritik und Quellensequenz unumgänglich, historische Einheit von Zeit und Raum gibt die Grundkomponente ab. Quellenkritik: Aufgabe das niedergelegte Quellenmaterial (meist von Europäern) einer kritischen Durchleuchtung zu unterziehen. Bekannte Kriterien der inneren und äußeren Kritik sind Verlässlichkeit und Gültigkeit -> damit eng verbunden ist der Ethnozentrismus. Berichte der Europäer durch einseitige Anschauung gekennzeichnet-> urteilen nach eigenen Wertskala. Wertbegriff äußert sich in Kulturäußerungen. Unter Interpretationen versteht man die Auslegung der bereits nach Art und Charakter bestimmten Quellen. Historische Interpretation: „Verstehen von Zeugnissen“ aufgrund der Regeln der Hermeneutik (Auslegungskunst, Deutung) und das einordnen der Zeugnisse in einen Zusammenhand. Interpretationen: kein willkürliches erfundenes Hineinlegen von tieferen Sinn in Dinge, wo man nichts hineinlegen kann. Gegenteil: unentbehrlicher Bestandteil unsereres Alltagslebens. Interpretation ist etwas Subjektives und Objektives. Subjektiv : Interpretation besteht darin, dass wir uns hineinversetzen können in das Leben der Beforschten, die Situation verstehen, und was sich der physischen Wahrnehmung erschließt. Objektivität: weil Inhalt des Verstehens am gegebenen Gegenstand auch von anderen Subjekten nachvollzogen werden muss kann. Quellengattungen und Quellenkritik für Ethnohistoriker von gleicher Art-> so ergibt sich bei der Interpretation eine methodische Differenz. Ethnohistorisches Material wird dann mit „Mitteln und Konzepten der Ethnologie“ ausgewertet bzw. interpretiert. Konzept der Kulturgeschichte: verknüpft Ethnohistorie und Ethnoarchäologie, und der Ur- und Frühgeschichte unter Voraussetzung der Einheit von Zeit und Raum. Aufgabe: anhand des im Raum fixierten Quellenmaterial als eine Kulturdarstellung bzw. einen dynamisch verstandenen Kulturablauf von frühesten Daten bis zur Gegenwart in chronologischer Abfolge zu erarbeiten. Geht wenn berichtgeschichtlich gesicherte Ethnien unmittelbar an prähistorische- archäologische Schichtfolgen anschließen lassen -> hinabsteigen in tiefere historische Horizonte. -> Einbeziehung der Linguistik, physischen Anthropologie bzw. Humanbiologie und Botanik. 8 Vera Brlica ETHNOHISTORIE - K.Wernhart / W. Zips (Hrsg.) - Buchzusammenfassung 01.2004 . STRUKTURBEGRIFF: analytisches Instrument der Sozialwissenschaften. Unterscheidung zwischen strukturalistischem und sozioloigschem Strukturbegriff: ersterer ist ahistorische, zweiterer beinhaltet zeitliche Dimension -> für Historiker verwendbar. Strukturbegriff muss Zeit- Raumbezogenheit berücksichtigen- Struktur = Bezugssystem im Aufbau der Gesamtheit eines Ethnos oder Gruppe und dessen/deren kulturellen Manifestationen. Ethnohistorie emanzipiert sich wegen des Theorieverständnisses zu einer Strukturgeschichte mit sozialwissenschaftlichem Ansatz. Strukturgeschichte: Aufgabe: konkret beobachten, festhalten und aus den Quellen festgehaltene kulturelle Manifestationen von Personen nicht auf funktionalistische Ausführung einer dominanten Struktur zu reduzieren sondern Mensch durch Einbezug ethnologischer Feldforschung und Erkenntnis herausheben. Geschichte läuft nicht nur in Strukturen ab, sondern drückt sich auch im individuellem Handeln aus (von Individuen oder Gruppen). Einzelne Aussagen (narratives Interview) können kollektives Bewusstsein einer Sozeität ausdrücken. -> Etablierung und Darstellung einer der kulturellen Manifestationen des jeweiligen Ethnos. Strukturgeschichte läuft auf Metaebene ab, und ist deshalb den Anforderungen des sozialwissenschaftlichen Ansatzes gerecht. Strukturgeschichte betont auch diese Verbindung. Strukturgeschichte scheint zu sein: a.) geschichtliche Betrachtungsweise, die auf alle Bereiche geschichtlicher Wirklichkeit angewandt werden kann- Sozial sowie Politik b.) „Verhältnisse“ sowie „Zustände“ die überindividuelle Entwicklungen und Prozesse, weniger die einzelnen Ereignisse und Personen im Vordergrund- lenkt Blick eher auf Bedingungen, Spielräume und Möglichkeiten menschlichen Handelns in Geschichte als auf individuelle Motive, Entscheidungen und Handlungen. Wirklichkeitsbereiche und Phänomene Gegenstand der Forschung. c.) Erfassung übergreifender Zusammenhänge, auf gesamtgeschichtlichem Prozess in synchronem und diachronem Zusammenhang. PHASENKONZEPT: kann nur angewendet werden wenn in einem gewissen Zeitraum (Phase) genügend zeitlich eng gestreute Quellen von einer bestimmten Sozietät verhanden sind. Phase stellt in sich synchron einen Zeitraum auf den sich Bevölkerungsgruppen beziehen dar, auf den in diachroner Abfolge die nächste synchrone Phase folgt. Ändern sich Strukturen stark setzt auch eine neue Phase ein. Auch Motive und Strukturen innerhalb einer Phase sollen herausgearbeitet werden. Dialogische Öffnung der Ethnohistorie hat auch Gegeneffekt: die neuerliche Rückbesinnung auf den kultur- und sozialanthropologischen Bereich – Schwerpunkt Geschichte und Gegenwart. Kultur nicht veränderbar, sondern dynamischer Lernvorgang, fließt mit gesellschaftliche, wirtschaftlichem und ethnisch-religiösem Wandel der Menschen mit. Quellensequenz: kontinuierliche Abfolge von Quellen, die einen bestimmten Ethnos behandeln, um zu Erkenntnis räumlich sowie zeitlich beschränkter kultureller Verhältnisse zu gelangen. Versucht diachronem Zeitbegriff gerecht zu werden, bildet auch Nachweis für Kulturwandel oder Kulturkonstanz. Polyphonie: Diskussion über die Bedeutung der Polyphonie: Grundprinzip sozialwissenschaftlicher und historischer Forschung. Rezeption der Postmoderne hat Disziplin als „Anthropologie der Begegnungen mit Anderen“ erscheinen lassen. Kulturelle Manifestationen einer Sozietät werden durch ihre Glieder ausgedrückt und die vernetzten Summen von Funktionen in der Gesellschaft bilden die Strukturen, die in Zeit und Raum festgelegt sind und einem Wandlungsprozess durchmachen. (Anlehnung an Habitus- Konzept) Habitus bei Bourdieu: Bindeglied zwischen Gesellschaftsstruktur und Individuum 9 Vera Brlica ETHNOHISTORIE - K.Wernhart / W. Zips (Hrsg.) - Buchzusammenfassung 01.2004 . Gleichsam soziale Vergangenheit wie aktuelle Praxis eines Trägers Inkorporierte Struktur klassen- und klassifikationsspezifischer Handlungskompetenz und dabei in jede Kommunikation eingebracht. „leiblich gewordene Geschichte“ Produkt von Sozialisation, eingeimpft in den Instanzen (Alltagswelt, Schule, Familie, etc) einer auf Hierarchie als dominantes Strukturierungs- und Differenzierungsprinzip beruhenden sozialen Welt – dort werden dauerhafte und paradigmatische Beziehungen ausgebildet. Einzelne Akteur nur Repräsentant einer Gruppe Jede Handlung unterliegt denselben Klassifikations- bzw. Distinktsionsprozessen -> „jede Einzelpraxis wird zur Metapher“ Habitus kontrolliert Geschmack, Neigung, die Fähigkeit zur materiellen und/oder symbolischen Aneignung einer best. Klasse klassifizierter und klassifizierender Gegenstände und Praktiken. „Alle gesellschaftlichen und kulturellen Artikulationen sind bei ihm „habitualisierte“ Alltagshandlungen, kommunikative Akte werden dabei gleichfalls zu Handlungsgegenständen, zu sprachlichen Kapitalien, sind quasi- ökonomischen Marktcharakter unterworfen und unterliegen der Dynamik „linguistischer Märkte“ als Ausdruck und Rahmen der „Ökonomie praktischer Handlungen“.“ Linguistische Habitus -> mit Erwerb der Sprache -> Redewendungen „Entwurf einer Theorie der Praxis“- zentrale Frage, wie die Akteure die gesellschaftliche Praxis, die in ihnen involviert ist, wahrnehmen, erfahren und erkennen. -> Habitus und seine Theorie stellt „Theorie der praktischen Erkenntnis der sozialen Welt“ dar. Die zukunftsweisenden Theorie und Methodenansätze der Ethnohistorie und der Kulturgeschichte verwirklichen die transkulturelle Forschung am ehesten -> inkl. Die Erkenntnisse der Strukturgeschichte und der Postmoderne -> versteht sich als kommunikativ konzipierte KSA. Ethnologie und so auch Ethnohistorie sind als eine dem diskursiven Paradigma verpflichteten Kommunikationswissenschaft aufzufassen. Arbeiten mit ksa Phänomenen oder kulturellen Manifestationen von Sozietäten, arbeiten an ihren Interessen die sich an unterschiedliche soziale Welten richten. TRANSKULTURATION: Reziproke und bilaterale Akkulturation Drückt die verschiedenen Phasen des Übergangens von einer Kultur zur anderen aus Bedeutet nicht nur „eine Kultur erhalten „ (Akkulturation) sondern auch Prozess der den Verlust einer Kultur (Dekulturation ) involviert. In so einem Prozess werden aber auch neue Kulturphänomene (Neokulturation) geschaffen. bezeichnet den Prozess des Wandels, wie er sich druch Kontakt und gegenseitige Beeinflussung aller beteiligten Kulturen gestaltet die Vorsilbe trans bedeutet quer, hinüber drückt klar den Überganghaften Charakter aus, sowohl die Übernahme von Elementen aus auch Veränderung der betroffenen Kultur Kultur- und Sozialwandel macht Reziprozität des Wandels deutlich, Wandel vom gegenseitigem Kulturkontakt hervorgerufen. Transkulturation Ausschnitt aus Gesamtphänomen Wandel! Durch Dialog wird eine Dauerreflexion des Fremderlebens notwendig. Im Dialog muss seine eigene Position immer mitreflektiert werden. Ordnungsschemata von SChäffter . Wichtig die eigene Verwurzelung in der eigenen Kultur sichtbar zu machen, bietet Möglichkeit die eigene Bedingtheit von den gesellschaftlichen Normen zu erkennen. Transkulturelle Kommunikation tritt in Erscheinung, wenn Phänomene von Sozietäten in oszillierender Form quer durch die Gesellschaften (transkulturell) immer wieder gewechselt werden. Identitätsbildende Parameter müssen zum tragen kommen. Transkultureller Forschungsansatz besitzt im Rahmen der Ethnohistorie unter Einhaltung ihrer theoretischen und methodologischen Voraussichten eine Zukunftsperspektive. 10 Vera Brlica ETHNOHISTORIE - K.Wernhart / W. Zips (Hrsg.) - Buchzusammenfassung 01.2004 KAPITEL 3: QUELLEN Quellenkritik, Oraltradition, Narratives Interview Ethnohistorie benützt verschiedene Quellen für ihre Analysen und Hinterfragungen, wie z.B Bibliotheksrecherchen, Archivmaterialien, Narratives Interview und Oraltradition Die Quelleneinteilung oder Systematisierung bezieht sich auf die Quellen- Art (Erscheinungsbild) – nicht auf den thematischen Inhalt Eine der Hauptaufgaben ist in erster Linie die Sammlung des Stoffes, dass heißt Begebenheiten werden ein ihrer natürlichen (tatsächlichen) Form festgehalten. Weiters folgt die Erkenntnis wie die gesammelten Tatsachen zusammenhängen. Bernheim definiert Quelle: „Material woraus unser Wissenschaft ihre Erkenntnis schöpft“ Früher gab es eine Unterscheidung zwischen Primär und Sekundärquellen, die heute nicht mehr aktuell ist. PRIMÄRQUELLEN sind heute „authentische zeitgenössische Quellen“ SEKUNDÄRQUELLEN sind „abgeleitete Quellen“ Bernheim unterteilt Quellengattungen in Überreste und Traditionen ÜBERRESTE teilt er in „Überreste im engeren Sinn“ (= körperliche Reste, Sprachen, Zustände, Institutionen, Produkten Geschäftsakten etc.) und in „Denkmäler“ (=Inschriften, Monumente, Urkunden) TRADITIONEN teilt er ebenfalls auf: 1.)bildliche (histor. Gemälde, bzw. Skulpturen) 2.)mündliche (Erzählungen, Sagen, Anekdoten, Sprichwörter, und historische Lieder) 3.)schriftliche (Inschriften, Genealogien, Kalender, Annalen, Chroniken, Biographien, Memoiren etc.) 1.) 2.) 3.) 4.) 5.) 6.) 7.) 8.) 9.) Man kann aber die Quellengattungen der Ethnohistorie in 9 Gattungen unterteilen: schriftliche bildliche kartographische Flugschriften Oraltradition Narrative und biographische Interviews Realien (ethnogr. Museumsmaterial) Feldforschungsberichte Online Ressourcen im www 1.SCHRIFTLICHE QUELLEN: Grundsätzliche Unterscheidung in Publiziertes und unpubliziertes Material PUBLIZIERTES Material: alles veröffentlichte wie: Erlebnisberichte (eigene Anschauung und Beschreibung von ethnograph. Details und somit eigene Darstellung- meistens unbeabsichtigt.), Reiseberichte, Tagbücher, Bordbücher, Landeskunde, Monographien, Briefe) -frühere Quellen des Entdeckungszeitalters für Ethnoh. Forschung wichtig (Veröffentlichte Reisesammlungen, …) Landeskunden: sind aus fremder Anschauung heraus bewusste Darstellungen von Zuständen, oder Abläufen- besitzen wissenschafltichen Charakter (fassen ethnograph., geograph, ökonom, naturkundl. Und historisches Zusammen.) Trotz Trennung von Erlebnisberichten und Landeskunden, können die Quellen keinem genauem Typus zugeschrieben werden. Alle veröffentl. Authent. Berichte mit ethnographischem Inhalt dienen der Ethnohistorie. Forschung. 11 . Vera Brlica ETHNOHISTORIE - K.Wernhart / W. Zips (Hrsg.) - Buchzusammenfassung 01.2004 . UNPUBLIZIERTES Material: =authentische, eventuell im Autograph, Manuskripte, aus Archiven oder Privatbesitz, Sammlungen. Können Memoiren, Tagebücher, Bordbücher, Briefe, Urkunden oder Dekrete sein Ohne mit Einbeziehung von Nachbardisziplinen wie Paläontologie, oder Aktenkunde, Chronologie, etc.) ist die Aufarbeitung nicht möglich. 2. BILDQUELLEN: Die Bildkunde hat die Aufgabe, das Wesen, die Entwicklung, die Bedeutung und die Verwertung( sammeln oder erforschen) des Bildes als histor. Quelle Darzulegen. Keyser teilt in 4 Gruppen: 1.)bildl. Darstellung von Personen, Orten, Ereignissen und Sachen 2.)flächige Bilder (Ölmalerei, Kupferstiche, Lithographien…) 3.)körperliche, plastische Werke (Skulpturen,…) 4.)Fotos und Film (durch deren unmittelbarer Bezug zur Wirklichkeit, eines der wichtigsten Dokumentationsmittel) – Visual Anthropology Wichtig ist das Unterscheiden zwischen Nachbildung und Fälschung Wert der Bilder drückt sich durch die Umstände der Herstellung (wer, wann, wo), der Art der Herstellung (wie), und der Darstellung und Inhalt aus. Textillustrationen sind wegen der Mindestansprüche der Quellenauthenzität von Bildquellen zu trennen. Vorort gemaltes, gezeichnetes wie Skizzen von Reisenden (Bildquelle mit begleitendem Text) dienen der Ethnohistorie sehr wohl als Quelle. Film und Foto dienen vor allem der Rekonstruktion von lokalen Verhältnissen, ethnograph. Historischen Fakten. Durch die Medien Film und Foto kann ein historisches Selbstverständnis artikuliert werden. 3.KARTOGRAPHISCHE QUELLEN: wenig beachtet- Karten ursprüngliche Bedeutung der Karten im Sinne von Territorien aufzuzeigen unberücksichtig blieb die Quelle Karte im Sinne von kartographischen Darstellungen. Ogrissek: Unterschied zwischen Geschichtskarten (Sachverhalt der Geschichte ist ihr Inhalt) und historischen Karten (sind in einem gewissen vergangenem Zeitraum entstanden) Kartographische Publikationen besaßen neben ihrer Quellenfunktion auch eine Kontrollfunktion (Geschichtliche neue Entdeckungen wurden in die Karten inkludiert) Reine kartographische. Darstellungen gehören der Bildquelle an Migrationsprozessen konnten anhand alter Karten verdeutlicht werden Alte Globen nicht aktuell, hinken der Darstellung der Karten zeitlich nach -scheiden daher aus. Wichtig für die Ethnohistorie ist der Inhalt der zeitgenössischen Karten. 4.FLUGSCHRIFTEN: =nicht periodisch und in den Zeitabständen stark variierende gedruckte Einzelzeitungen. Dienen der Verbreitung von Nachrichten, besonderen Ereignissen- Zweck Information sowie Unterhaltung. Aussagen sind öffentlich, einseitig und richten sich an ein disperses Publikum. Flugschriften= Sammelbegriff für alle Einzelzeitungen die ab dem 16 Jhd. Als Neue Zeitung, Berichte, Reaktionen oder Beschreibungen gedruckt und verteilt wurden können Abbildungen und Karten enthalten. 5. ORALTRADITION mündliche Überlieferung der Vergangenheit eines Ethnos oder Gruppe. In der Ethnographischen Arbeit sind sie sehr wichtig . Durch die meist einseitige Angleichung eines Ethnos an einen anderen (Kulturkontakt) und/oder die bewusst Herbeigeführte Angleichung einer Minderheit an eine Mehrheit, ist die mündliche Überlieferung für die Ethnohistorische Forschung besonders wichtig. Bedeutende Stellung in der Heuristik Wichtig ist auch die Unterscheidung zwischen „Tradition aus erster Hand“ und „Tradition aus zweiter Hand“. Die Tradition aus erster Hand entspricht der authentischeren 12 Vera Brlica ETHNOHISTORIE - K.Wernhart / W. Zips (Hrsg.) - Buchzusammenfassung 01.2004 . Vausinas beschreibt den Ablauf, Am beginn steht der Protozeuge, der ein Ereignis oder Tatsache wahrnimmt, der Bericht geht über Hörensagen weitergegeben bis zum Informant, der das zeitgenössische Endprodukt an den Berichterstatter (Forscher, Wissenschaftler) übergibt. Der schreibt es als erster nieder. Die Übermittlungsart ist das Gesprochene Wort. Die Quellenkritik ist hier wichtig, man sollte die Information im möglichst unverfälschten Zustand erhalten. Kenntnis der Sprache und unumgänglich. Die Kombination von oralem und schriftlich authentischem ist sinnvoll/wichtig, AUS WERNHART: Ethnoarchäologische Grundlagen zur Oraltradition: Im Bereich der Forschungsrichtung spielen Oraltradition und narratives Interview eine bedeutende Rolle, denn dort wo schriftliches fehlt kann man anhand oraler Überlieferungen historische Kenntnisse gewinnen. Die Oraltradition außereuropäischer Gebiete reicht häufig wieder in die historische Tiefe zurück als die Schriftquellen der Europäer. Die mündlichen Überlieferungen überbrücken die zeitliche Differenz von den Bodenfunden zu den Schriftquellen, sie können so zur Interpretation von Bodenfunden herangezogen werden. (o-ton aus buch!) 6. NARRATIVE UND BIOGRAPHISCHE INTERVIEW 7.REALIEN =ethnographische Objekte die sich in Sammlungen oder Museen befinden. Auch Ausgrabungen gehören dazu. Ethnohistorie versucht den Realien chronologische exakte Anhaltspunkte (Alter) zuzuweisen Problem: die datenmäßige Erfassung ermittelt das Jahr der Erwerbung jenes Objektes, aber nicht wie alt ergologischen Stücke wirklich sind. Annäherung an die Prähistorie. Die Querverbindung zu Nachbardisziplinen ist wichtig. Dieses Fächerübergreifende Verfahren ist dann von Nöten, wenn sich geschichtlich gesicherte Ethnien in Verbindung mit prähistorischen und ärcheologischen Funden bringen lassen. Dabei soll eine Kontinuität entstehen. Da aber die Eigenständigkeit der einzelnen Disziplinen bewahrt werden soll, ist das Ziel neue Gesichtspunkte zu erlangen, die dann zu einer Synthese führen sollen. 8.FELDFORSCHUNGSBERICHTE Kremser = schriftliche und audiovisuelle Dokumentation von Felduntersuchungen. Besitzen ihre Gültigkeit ab dem Zeitpunkt ihrer Aufnahme. Stammen meist aus dem 19 – 20 Jahrhundert Qualität einer Aufnahme sollte in jedem Fall der Quantität vorzuziehen sein. Fischer/Zanolli: unterscheiden eine intentionale (vom Kulturträger selbst) und eine notative (vom Ethnographen) Betrachtungsweise. ETHNOSCIENCE: Versuch über Sprache (Bedeutung der Worte) die Etic’s (Kulturfreien Merkmale) einer Gruppe zu erfassen. Ziel ist die Herausarbeitung der Emic’s (gebundene Merkmale) einer Kultur. Somit lässt sich ein Verhaltens und Interpretationsunterschied erfassen. 9. ONLINE RESSOURCEN IM INTERNET = neuer Handlungs- und Untersuchungsraum der Ethnologen. Ziel die Handlungsstrukturen und – Praktiken zu erarbeiten (die eine online Kommunikation ausmachen), und die geschichtlichen Spuren die die Online Kommunikation hinterlässt zu erarbeiten. Durch die neuen Möglichkeiten wie Newsgroups, Mailingslists neue Formen der historisch relevanten Zeugnisse mit Datierung entstanden. Bieten sich für die Ethnohistorie als Forschungsquelle an. QUELLENKRITIK Wird in eine äußere (formale) und in eine innere (inhaltliche) unterteilt. Wichtig ist das Augenmerk auf Echtheit oder Fälschung der Quelle. Die Fragen nach der Entstehungszeit,- ort, und dem Urheber sind auf jeden Fall zu stellen. Besteht eine Abhängigkeit zu anderen Quellen? In der Quellensequenz wird das interpretierte Material zur Darstellung gebracht. Wichtig ist die Kulturgeschichte und der Transkulturelle Ansatz. 13 Vera Brlica ETHNOHISTORIE - K.Wernhart / W. Zips (Hrsg.) - Buchzusammenfassung 01.2004 . Hudson „folk history“ =die Geschichte wird aus den Augen der Betroffenen betrachtet. Führt zu einer politisch ereignishistorischen Geschichte. Die Abgrenzung zur Geschichte wichtig. KAPITEL 4: ETHNOARCHÄOLOGISCHE GRUNDLAGEN KULTURGESCHICHTLICHER FORSCHUNG „Konzept der Kulturgeschichte“: - - ermöglicht eine Zusammenarbeit von Archäologie, Prähistorie und Ethnohistorie um die zeitliche Einschränkung der Ethnohistorie bedingt durch die Quellenlage zu überwinden bzw. um Ethnohistorie in die historische Tiefe zu erstrecken = Kombination Ethnohistorie und Ethnoarchäologie -> kann gemeinsam von der Gegenwart ausgehend bis in archäologische Schichtenfolge kulturelle Manifestationen von Ethnien zu verfolgen Forschungsinteresse der Kulturgeschichte richtet sich auf Rekonstruktion historischer Prozesse im datierbaren Zeitraum und lokalisierbaren Raum (Einheit von Zeit und Raum) -> Konzept erhebt keine universalistischen Ansprüche und ist nicht entwicklungsgeschichtlich, evolutionistisch orientiert durch historische Rekonstruktion -> Gewinn eines diachronen „dynamischen Geschichtsbild“ oder „Phasenkonzeptualisierung“ (siehe weiter unten) => lässt synchrone Betrachtungsweisen im Rahmen von aufeinander folgenden Zeiträumen (Phasen) zu Grundbedingung des Konzepts: Verwendung eines relativen Zeitbegriffs bei archäologischen Datierungen und eines exakt – historischen Zeitbegriffs Anwendung des Konzepts nur wenn sich berichtgeschichtlich gesicherte Ethnien unmittelbar an prähistorische archäologische Schichtenfolge anschließen lassen Aufgabe: anhand des in Zeit und Raum fixierten Quellenmaterials ein Kulturdarstellung, einen Kulturablauf anhand von fassbaren Ethnien zu geben, der von den frühesten Daten bis in die Gegenwart reicht Frühgeschichte: zeitliches Übergangsfeld zwischen Urgeschichte und Geschichte, in welchem noch nicht ausreichend schriftliche Quellen da sind und zu derer Erforschung vorwiegend archäologische Methoden angewendet werden „Ethnoarchäologie“: - Versuch auf der Grundlage von Archäologie und Ethnologie Brücke zu schlagen zwischen Suche nach Einheit der Menschen in der Zeit und dem Wissen um die Variabilität im Raum - Forschungsrichtung innerhalb der historischen Ethnologie -> Schwerpunkt liegt auf Archäologie Archäologie: bestimmtes Forschungsverfahren, bestimmte Methode der Quellenforschung zur Beantwortung historischer Fragen, die durch den Bezug auf die Grundfrage nach dem vergangenen Kulturationsprozessen als historisch bewertet wurden, qualifiziert sind => archäologische Position entspricht Grundkonzepten der Ethnohistorie -> somit Verbindung der beiden in einem „Konzept der Kulturgeschichte“ möglich 14 Vera Brlica ETHNOHISTORIE - K.Wernhart / W. Zips (Hrsg.) - Buchzusammenfassung 01.2004 . Zusammenarbeit nur möglich, wenn die genannten Disziplinen: 1) sich zur historischen Methode im engeren Sinn bekennen 2) sich zur Einheit von Zeit und Raum bekennen 3) sich zu einer exakten bzw. relativen Chronologie bekennen im Vordergrund steht der historisierte Strukturbegriff: - - stellt auf die Dynamik des historischen Prozesses ab => dadurch soziales Handeln der Subjekte einbezogen, um Kulturveränderungsprozess nicht als von den Akteuren losgelöstes Phänomen zu klassifizieren besitzt Raum- und Zeitbezogenheit dynamisches Prinzip dabei ist der individuelle und kollektive Habitus eines Ethnos ist der Schlüsselbegriff ethnohistorischer Forschung Strukturen werden nicht im Sinne des Strukturalismus verstanden, sondern in einer historischen Dimension – vermittelt durch kulturelle Praxis deutender und handelnder Subjekte ) kulturelle Praxis vollzieht sich bei Subjekten kommunikativ (durch Sprache) -> kommunikatives Handeln geht über Verständigungsprozess hinaus -> impliziert Teilnahme an Interaktion ) kommunikative Handlungen lassen sich nicht auf Interpretationsvorgänge beschränken, sie bedeuten zugleich Vorgänge der sozialen Integration und der Vergesellschaftung Mensch ist nicht Eigentum der Strukturen – im Mittelpunkt des Interesses steht die aktive Gestaltung und Reproduktion gesellschaftlicher Verhältnisse durch praktische Tätigkeit der Subjekte versteht Struktur als Bezugssystem im Aufbau der integralen Gesamtheit eines Ethnos und dessen kultureller Manifestation Strukturgeschichte - = Verbindung von Geschichte und Soziologie Hauptanliegen = Abfolge und Ineinanderübergehen von Strukturen ist die Geschichte in Strukturen von früh fassbaren und interpretierten Tatsachen bis zur Gegenwart mittels eines „Phasenkonzepts“ in Form einer „Metahistorie“ strukturierte Kulturdarstellung verwirklichen: „Phasenkonzept“ -> Anwendung nur dann, wenn: - in einem gewissen Zeitraum (Phase) genügend zeitlich eng gestreute Quellen von einem Ethnos da sind - kein starkes dynamisches Moment vorhanden ist Metahistorie: - = eine über die Faktengeschichte erhabene Konzeption einer Darstellung will aus dem in Zeit und Raum innerhalb einer Phase abgeleiteten Faktenmaterial Strukturen ableiten und konstruieren, die für den Ethnos spezifisch sind 15 Vera Brlica ETHNOHISTORIE - K.Wernhart / W. Zips (Hrsg.) - Buchzusammenfassung 01.2004 . in Ethnohistorie geht es darum Strukturen in ihrer historischen Dimension zu erfassen => durch einbeziehen von Strukturen (-> wirken auf Praktiken der Akteure) soll kulturalistischer Rahmen (in dem die Subjekte scheinbar frei von Herrschaftsverhältnissen scheinen) durchbrochen werden „Kontinuitätsfrage“: - Kontinuität nach Bausinger = Kennmarke für lange ungebrochene Tradition Kontinuitätsbegriff steht für den des Kulturablaufs Kontinuität = Ausdruck für das Fortleben von Manifestationen (religiöse, wirtschaftliche, soziokulturelle) über große Zeitdistanzen, auch wenn Quellensequenz durch Lücken unterbrochen ist „Kontinuitätsfrage“, d.h. Klammer zwischen Archäologie und Ethnohistorie zu finden = Zentralpunkt der Kulturgeschichte für Ethnohistorie und Kulturgeschichte 2 wissenschaftstheoretische Positionen: 1) praxeologische bzw. rationalistische 2) diskurstheoretisch – rekonstruktive -> beide Forschungsrichtungen in Wien als Strukturgeschichte verstanden „KONZEPT DER KULTURGESCHICHTE“ - ermöglicht eine Zusammenarbeit von Archäologie, Prähistorie und Ethnohistorie, um die zeitliche Einschränkung der Ethnohistorie bedingt durch die Quellenlage zu überwinden, bzw. um Ethnohistorie in die historische Tiefe zu erstrecken - = Kombination Ethnohistorie und Ethnoarchäologie-> kann gemeinsam von der Gegenwart ausgehend bis in die archäologische Schichtenfolge kulturelle Manifestationen von Ethnien zu verfolgen - Forschungsinteresse der Kulturgeschichte richtet sich auf Rekonstruktion historischer Prozesse im datierbaren Zeitraum und lokalisierbaren Raum ( EINHEIT VON ZEIT UND RAUM) –> Konzept erhebt keine universalistischen Ansprüche und ist nicht entwicklungsgeschichtlich, evolutionistisch orientiert durch historische Rekonstruktion -> Gewinn eines diachronen „dynamischen Geschichtsbild“ oder „Phasenkonzeptualisierung“ (siehe weiter unten)=> lässt synchrone Betrachtungsweisen im Rahmen von aufeinander folgenden Zeiträumen (Phasen) zu - Grundbedingungen des Konzeptes: Verwendung eines relativen Zeitbegriffs bei archäologischer Datierung und eines exakten historischen Zeitbegriffs - Anwendung des Konzeptes nur wenn sich berichtgeschichtlich gesicherte Ethnien unmittelbar an prähistorische archäologische Schichtenfolge anschließen lassen - Aufgabe: anhand des in Zeit und Raum fixierten Quellenmaterials eine Kulturdarstellung, einen Kulturablauf anhand von fassbaren Ethnien zu geben, von frühesten Daten bis Gegenwart Frühgeschichte: Zeitliches Übergangsfest zwischen Urgeschichte und Geschichte, in welchem noch nicht ausreichend schriftliche Quellen da sind und zu derer Erforschung vorwiegend archäologische Methoden angewandt werden ETHNOARCHÄOLOGIE: -Versuch einer Grundlage von Archäologie und Ethnologie Brücke zu schlagen zwischen Suche nach Einheit der Menschen in Zeit und dem Wissen um die Variabilität im Raum. 16 Vera Brlica ETHNOHISTORIE - K.Wernhart / W. Zips (Hrsg.) - Buchzusammenfassung 01.2004 . - Forschungsrichtung innerhalb der historischen Ethnologie -> Schwerpunkt: Archäologie ARCHÄOLOGIE: Bestimmtes Forschungsverfahren, bestimmte Methode der Quellenforschung zur Beantwortung historischer Fragen, die durch Bezug auf die Grundfrage nach dem vergangenen Kulturationsprozessen als historisch bewertet werden, qualifiziert sind. Ö archäologische Position entspricht Grundkonzepten der Ethnohistorie -> somit Verbindung der beiden in einem „Konzept der Kulturgeschichte“ möglich Zusammenarbeit nur möglich, wenn die genannten Disziplinen: 1.) sich zu historischen Methode im engeren Sinn bekennen 2.) sich zu Einheit von Zeit und Raum bekennen 3.) sich zu einer exakten bzw. relativen Chronologie bekennen. Im Vordergrund steht der historische Strukturbegriff: Stellt auf die Dynamik der historischen Prozesse ab => dadurch soziales Handeln der Akteure der Subjekte einbezogen, um Kulturveränderungsprozess nicht als von den Akteuren losgelöstes Phänomen zu klassifizieren Besitzt Raum und Zeitbezogenheit Dynamisches Prinzip dabei ist der individuelle und kollektive Habitus eines Ethnos Schlüsselbegriff ethnohistorischer Forschung Strukturen werden nicht im Sinne des Strukturalismus verstanden, sondern in einer historischen Dimension – vermittelt durch kulturelle Praxis deutender und handelnder Subjekte *kulturelle Praxis vollzieht sich bei Subjekten kommunikativ (Sprache) -> kommunikatives Handeln geht über Verständigungsprozess hinaus -> Interaktionen *kommunikative Handlungen lassen sich nicht auf Interpretationsvergänge beschränken, sie bedeuten zugleich Vorgänge der sozialen Integration und der Vergesellschaftung - Mensch ist nicht Eigentum von Strukturen – Mittelpunkt des Interesses steht die aktive Gestaltung und Reproduktion gesellschaftlicher Verhältnisse durch praktische Tätigkeit der Subjekte - versteht Struktur als Bezugssystem im Aufbau der Gesamtheit eines Ethnos und dessen kultureller Manifestationen Strukturgeschichte Verbindung von Geschichte und Soziologie Hauptanliegen = Abfolge und Ineinanderübergehen von Strukturen Ist die Geschichte in Strukturen von früh fassbaren und interpretierten Tatsachen bis zu Gegenwart Mittels Phasenkonzept in Form von Metahistorie strukturierte Kulturdarstellung verwirklicht: Phasenkonzept Anwendung nur dann, wenn in einem gewissen Zeitraum (Phase) genügend zeitlich eng gestreute Quellen von einem Ethnos vorhanden sind kein starkes dynamisches Moment vorhanden ist KAPITEL 5: ETHNOS- IDENTITÄT – GLOBALISIERUNG Ethnos, ethnische Einheit lässt sich durch ihr Selbstverständnis, welches als kulturelle Identität verstanden wird, charakterisieren 17 Vera Brlica ETHNOHISTORIE - K.Wernhart / W. Zips (Hrsg.) - Buchzusammenfassung 01.2004 . Ethnos und Identität stehen in engem vernetzten Zusammenhang. Beide drücken Unterscheidung und Abgrenzung einer Bevölkerungsgruppe von der anderen aus und manifestieren zugleich Zusammengehörigkeitsgefühle der jeweiligen Einheit. Ethnos: - darunter wurde zunächst „ethnische Einheit“ verstanden - Begriff wurde von Shirokogoroff geprägt: lt. Shirokogoroff besitzt Ethnos einen dynamischen Charakter und folgende konstituierende Faktoren: ) Ähnlichkeit der kulturellen Adaption, der Sprache, Kontinuität als Überzeugung und Überlieferung von Traditionen, Wir – Bewusstsein und wechselseitige Identifikation, ) biologische Einheit durch endogame Weitergabe der Erbbedingungen sowjetische Forscher betonen Objektivität der gemeinsamen Geschichte als Grundlage der ethnischen Selbstzuschreibung gegenüber subjektivem Wir – Gefühl, welches zu ethnozentrischer Segregation gegenüber „Fremdgruppen“ tendiert lt. Barth erfolgt die ethnische Grenzziehung durch Selbstzuschreibung und Fremdzuschreibung Bromlej: die wissenschaftstheoretische Forschungssituation der 1960/70 war durch einen dialektischen Materialismus gekennzeichnet - Ethnos ist eine vielschichtige Erschienung - er unterscheidet zwischen „Ethnos“ und „ethno – sozialem Organismus“ - Ethnos ist eine historisch entstandene Vereinigung von Menschen, die über die Gesamtheit stabiler Merkmale wie der Kultur, z.B.: Sprache und Psyche verfügen - Ethnos existiert nicht außerhalb sozialer Institutionen, welche als seine Strukturbildende Form auftreten – die Rolle sozialer Formen übernehmen soziale Gemeinschaften wie Familie und Staat => aus dieser Symbiose entstehen spezifische ethnosoziale Gebilde, also „ethnosoziale Organismen“ ethnosoziale Organismen: - verfügen über eine relative Selbstständigkeit, verfügen über ethnische Gemeinschaft, territoriale, soziale und politische Gemeinsamkeit die Grundkomponenten dieser Organismen sind ethnische und sozioökonomische Faktoren, welche jeweils der politischen Form zugeordnet sind die stabilisierenden Faktoren von Ethnos sind: - Kultur und Psyche Endogamie 18 Vera Brlica ETHNOHISTORIE - K.Wernhart / W. Zips (Hrsg.) - Buchzusammenfassung 01.2004 . Endogamie: - = die Eheschließung innerhalb der eigenen Gemeinschaft Mischehen sind der Hauptfaktor für das Herausbilden neuer Ethnien Endogamie ist ein Stabilisator, ein Schutzmechanismus für den Ethnos – ein geschlossener Kreis von Heiratsverbindungen gewährleistet den Erhalt ethnisch einheitlicher Familien Endogamie dient als Faktor der kulturellen Abgrenzung Endogamie ist nicht nur ein soziales, sondern auch ein biologisches Phänomen als soziales Phänomen bildet Endogamie eine genetische Barriere des Ethnos, welche bedingt, dass jeder Ethnos mit einer Population gekoppelt ist und in der Population vollzieht sich die Reproduktion durch Vermittlung der genetischen Informationen von Generation zu Generation kurze Zusammenfassung: - in der Sowjetunion unterschied man früher also zwischen „Ethnos“ und „ESO“, wobei der Ethnos in seinem sozialen Kontakt verschiedenen politischen, sprich gesellschaftlichen Gruppen angehören kann - das Wechselspiel zwischen Ethnos und dem ESO sind die zur Stabilisation des Ethnos beitragenden Faktoren zu sehen - stabilisierende Bestandteile sind: Kultur, Psyche und Endogamie - die Reproduktion des Ethnos vollzieht sich im ESO, d.h. der Ethnos selbst ist „außerbiologisch“ organisiert, es zeichnen sich dennoch biologische Komponenten ab, durch Endogamie und dem Reproduktionsfaktor man kann Mühlmann Bromlej gegenüberstellen: - Mühlmanns Ansichten sind stark geprägt von soziologischen Gesichtspunkten lt. Mühlmann ist der Ethnos die größte feststellbare souveräne Einheit und von den betreffenden Menschen gewollt und bewusst eine Ethnie kann nur empirisch festgestellt werden und zwar durch den Versuch des Eindringens in die kollektive Verbundenheit, wobei die obere Grenze dieser kollektiven Verbundenheit die Grenze zwischen Wir- und Sie – Gruppen darstellt mit Ethnos sind spezifische kulturelle Manifestationen verbunden, welche zur Scheidung der Wir- und Sie – Gruppen beitragen Mensch und Kultur sind eine Einheit - mehrere Menschen, die sich durch gleiche kulturelle Äußerungen zu einer Wir – Gruppe bekennen, sind als Ethnos zu bezeichnen - Ethnos ist keine abgeschlossene Einheit – sie steht mit anderen Gruppen in Kontakt - Ethnos und seine Manifestation bilden eine Einheit - Ethnos ist eine Einheit, die Mensch und Kultur nicht trennt – Mensch und Kultur sind in einem strukturalen, funktionalen Gefüge integriert 1971 „Ethnochange“ - Begriff verwendet bei Kulturwandelerscheinungen - nicht nur bei kultureller Veränderung eines Ethnos, sondern auch bei biologischen 19 Vera Brlica ETHNOHISTORIE - K.Wernhart / W. Zips (Hrsg.) - Buchzusammenfassung - 01.2004 . der Kulturwandel, inklusive Ethnochange, und Werden eines Ethnos (=dynamischer Prozess) ist eine nur in Raum und Zeit erfassbare Bewegung => das gleiche gilt für eine Nationswerdung (=ethnogenetischer Prozess) Ethnos und Nation: - halten mittels zentrifugaler und zentripetaler Kräfte interethnische Gefüge (=Handelsbeziehungen) aufrecht und - schließen „Ethnochange“ (=kulturelle und biologische Veränderungen) mit ein Theorie der limitischen Struktur: - bedeutet nicht vom Territorialprinzip ausgehen => eine Grenze ist da, aber wie stellt sie sich dar? => Prinzip/Theorie der limitischen Struktur: limitische Struktur: - eine Grenze ist da, muss aber nicht am Boden markiert sein, sie ist bestimmt durch den Menschen selbst, der Mensch wird zum Träger der „Grenzzeichen“ (z.B.: Tätowierungen, Schmuck, Tracht…) => grenzt anderen gegenüber ab - hängt eng mit „Nationalidee“ zusammen - durch Entkolonialisierung und Entstehung der Nationalstaaten entstand neue limitische Struktur -> diese ist gekennzeichnet dadurch, dass die ethnische Herkunft unwichtig ist und sogar überwunden werden muss, wenn Etablierung der Herrschaft „gewünscht“ ist = das ganze ist ein Idealisierungsprozess, dessen Richtung aufsteigend ist von Ethnos über Nation zum Nationalismus Ethnogenese und Nationswerdung: - Nationswerdung ist als ideologisch erkannter Vorgang zu sehen, eine Parallelerscheinung von Ethnogenese, aber ein höherer Grad der Ideologisierung (weil Ideologisierung nimmt vom Ethnos zur Nationalität zu) und Unterordnung der Ethnien ist charakteristisch – erhebt machtpolitischen Anspruch - sind historische Prozesse und stellen historisch gewordene machtpolitische Ansprüche dar, die zu Nivellierungstendenzen neigen ethnische Interessen müssen bei Nationswerdung in den Hintergrund treten => Prozess der Nationswerdung ist ein gesellschaftspolitisch – ideologischer und gleicht dem der Ethnogenese – findet jedoch auf einer höheren Ebene statt, eben auf einer überethnischen kulturelle Identität: fälschlich verwendete Bezeichnung „ethnische Identität“ ist missverständlich und abzulehnen => Prozess der Entkulturation ist ein politischer - schließt gesellschaftspolitische Dimensionen mit ein kulturelle Identität des Individuums entsteht aus dem Eingebundensein in die kulturelle Identität eines Kollektivs und dem Bestreben nach Autonomiebewahrung der eigenen Identität und zwar durch Abgrenzung gegenüber kulturellen Normen und Zwängen des Kollektivs 20 Vera Brlica ETHNOHISTORIE - K.Wernhart / W. Zips (Hrsg.) - Buchzusammenfassung 01.2004 . - präsentiert sich als „gewordenes Produkt“ von Eigenverständnis und –Darstellung -> historische Dimension - eng mit Begriffsinhalt von Ethnizität verknüpft dazu gibt es 2 Entgegengesetzte Ansätze: 1) nach der strukturellen (objektivistischen) Konzeption => Ethnizität beschränkt sich auf die Ebene empirisch fassbarer Handlungsmuster, Institutionen und sozialer Rollen einer bestimmten ethnischen Gruppierung 2) kognitive (subjektivistische) Ansätze => verengen den Begriff auf „ethnische Identität“ als Summe kollektiver Denkinhalte ad 1) strukturelle Anschauung versucht demnach Ethnizität durch „Eigenschaften“ zu definieren ad 2) die kognitive Anschauung versucht dem nach Ethnizität durch „jeweilige Anschauungen“ zu definieren Barth: - Ethnizität kann nicht auf rein „objektive“ oder „subjektive“ Merkmale reduziert werden hat von Interaktion struktureller und kognitiver Faktoren auszugehen Ethnizität umreißt Gesamtheit der Wesenszüge eines Ethnos -> „ethnische Identität“ umreißt lediglich deren kognitiven Aspekt Ethnizität als dynamischer „ethnosbezogener Handlungsprozess“ verstanden neue Ethnizität nach Greverus: - aus kulturellen Loyalitätskonflikten, Kulturschock, soziokulturellem Stress oder politischer Repression entstanden als Verweigerungsstrategie angelegt oder als „Identitätsmanagement“ (spontan in Form einer sozialen Beziehung) ablaufen Globalisierung: - = Entstehung weltweiter Finanzmärkte für Wertpapiere, Geld- und Devisengeschäfte, Kredite – begünstigt durch neue Informations- und Kommunikationstechniken einschließlich Finanzinnovation globale Vernetzung der Gesellschaft (Austausch kultureller Phänomene auf unterschiedlichen Ebenen in realer und virtueller Form) im Vordergrund, die dynamische, sich gegenseitig stimulierende Prozesse bewirkt und damit Strukturen bildet => diese werden nicht nur durch Massentransportmittel in Wirklichkeit ermöglicht und manifestieren sich u.a. in den Migrationsbewegungen von Gast- und Kontraktarbeitern, sondern laufen auch in der virtuellen Welt der elektronischen Medien ab => in diesem Zusammenhang „Cyber – Anthropology“ Eingang in Ethnologie 21 Vera Brlica ETHNOHISTORIE - K.Wernhart / W. Zips (Hrsg.) - Buchzusammenfassung 01.2004 . mit Entwicklung der modernen Kommunikationsgesellschaft geht wachsende Globalisierung mit Problemlagen einher lt. Münch sind 2 Problemlagen von Bedeutung: 1) die expandierende Weltwirtschaft und die steigenden Ansprüche der Weltbevölkerung in den de Wohlstand der entwickelten Industriegesellschafen eingeschlossen zu werden 2) Überflutung der Welt durch den Universalisierungsschub der westlichen Kultur und dem Erwachen der regionalen Gesellschaft und deren Kulturen => Problemfelder schafften Konfliktzonen auf globaler Ebene der Weltgesellschaft KAPITEL 6: ETHNIZITÄT In den letzten Jahren hat das Thema Ethnizität einige Modernisierungsschübe erlebt, (50 er, 60er, 80er) DIE DREI BEREICHE DER ETHNIZITÄT: 1.) Thema der Migration und Flüchtlingsbewegung. In mehrerer Hinsicht(Schengen, Binnenmarkt, Osterweiterung) Thema ist bereits unauflöslich mit europäischen Integration verbunden 2.) Nationales Selbstverständnis , ist ein besonderer Teilbereich der europäischen Integration, erhält innerhalb der Integrationsprozesse für einen Kleinstaat neues Gewicht und führt zu verstärkten öffentlichem Interesse an ethnischen und nationalen Fragen 3.) Der „neue Exotismus“ stärkt das öffentliche Bedürfnis an Fragen der Ethnizität. Dies zeigt sich im Ferntourismus, sowie in den interkulturellen Themen des Medien,- Kultur Filmbetriebens, im Moment herrscht ein regelrechter Ethno – Boom (Restaurants, Geschäfte) Alle drei Bereiche sind teilweise problematisch aber auch emanzipatorisch. Ethnizität ist zur Jahrtausendwende zum Auftrag und Signal für die Ethnologie geworden. (Auftrag im Sinne von an einer schon begonnen und somit schon vorstrukturierten Diskussion teilzunehmen.) SIEBEN THESEN 1. These: Ethnizität bezeichnet das Verhältnis zwischen zwei oder mehreren Gruppen, die glauben, dass sie bei kulturellen wichtigen Fragen anderer Meinung sind. Ethnizität bezeichnet ein Verhältnis, ein Beziehungssystem von Menschen und Menschengruppen, die sich und andere vorherrschende Meinungen teilen. Meinungen beziehen sich auf wirkliche oder angenommene Unterschiede der Lebensweise oder des Weltbildes. Eigenzuschreibung = ethnische Identität, Gruppen die sich selbst so nennen oder andere so nennen nennt man ethnische Gruppen. Ethnische Identität und ethnische Gruppen sind Nebenbegriffe. Der Grundbegriff aber benötigt immer das Fremde um sich selbst zu konstituieren. Wichtig ist also die Art und Weise wie soziale Grenzen zwischen ethn. Gruppen gezogen werden. Alle ethn. Gruppen stehen zueinander in einem Wechselverhältnis, kann harmonisch sein oder nicht. Hängt davon ab wie die Grenzen markiert werden, sind sie durchlässig? oder dicht? Sind sie veränderbar? Frederik Barth hat das in den 60er herausgearbeitet. 22 Vera Brlica ETHNOHISTORIE - K.Wernhart / W. Zips (Hrsg.) - Buchzusammenfassung 01.2004 . 2. These: So wieder jeder Mensch im Einzelnen, tendieren auch ethnische Gruppen einmal mehr und einmal weniger zu Ethnozentrismus. (Ethnozentrismus ist manchmal unvermeidlich, selten aber richtig) Wie sich Gruppen von einander abgrenzen ist Ergebnis der gerade vorherrschenden Meinungen. Diese stimmen nicht unbedingt mit Praktiken überein. So wie die Eigendarstellung wichtig ist zählen aber andere Faktoren genauso. Meistens sind Fremdzuschreibungen viel relevanter als die gerade vorherrschenden Eigenzuschreibungen. Die Anderen, meist der Rest der Welt, wird meist als mittlere Kleingruppe zusammengeschmolzen, seine eigene ethnische Gruppe wird dabei aufgebläht. Die Realität sieht anders aus. Ethnozentrismus ist meist von vorneherein unrealistisch. Ethnizität wird meist von der Summe der Fremdzuschreibungen geprägt nicht der Eigenzuschreibungen. Beispiel: WASPS (White anglo saxo protestants) in Amerika, glauben dass ihnen die Führungsrolle der Welt zusteht. 3. These: „ethnisch“ ist nicht gleich „rassisch“ oder „völkisch“. Auf ethnische Unterschiede zu beharren führt leicht zu Rassismus, ethnische Unterschiede zu ignorieren ebenso. Ethnologie geht von der grundlegenden Einheit der Spezies humana aus. Interne Unterschiede haben keine so große Bedeutung. Die Mehrheit der Ethnologen lehnt den Begriffe Rasse ab (unwissenschaftlich). Die Verwendung der Begriffe „ethnisch, ethnische Identität“ soll nicht den Begriff „Rasse“ ersetzen. Ethnisch im sinne von unabänderlich, unveränderlich, ewig kann leicht für nationalistische und rassistische Projekte verwendet werden. (in stalinistischen und nationalsozialistischen Diktaturen des 20 Jhd wurde nach unveränderlichen Gruppenmerkmalen von Völkern gesucht) Die Ethnologie begreift Ethnizität als ein Verhältnis von Gruppen aus dem sich ethnische Eigenschaften, Identitäten sich herausbilden und auch wieder verändern. Beschreibt man andere Gruppen als „so wie wir“, nimmt man ihnen das Recht auf Eigengestaltung ihrer Verhältnisse. 4.These: Ethnizität ist nicht gleich Nation. Nationen sind politische Gemeinschaften, die dauerhaft im selben Staatsverband leben oder leben wollen. Ethnizität jedoch überschreitet oft nationale und staatliche Grenzen. Der Nationsbegriff ist erst seit dem 19 Jhd. Von Europa aus durch den Kolonialismus in der Welt verbreitet worden. Der Begriff Nation hat einen radikalen Bedeutungswandel. Antike Verwendung „nascor“ im Sinne von geboren werden, unterscheidet sich schon stark von der mittelalterlichen Verwendung im Sinne von Recht wie Geburtsrecht. (natio austriaca Gründungsdokument der Uni Wien). Überall in Europa gibt es Nationen, die unmarkierte ethnische Mehrheiten und markierte ethnische Minderheiten umfassen. Die Minderheiten können sich auch Staats und Nationsgruppen zugehörig fühlen, die wo anders die Mehrheit bilden. (slowakische Minderheit in Ungarn, slowenische in Österreich, etc.) 5.These: Ethnizität ist nicht gleich Kultur. Ethnizität als Beziehungsgeflecht aktualisiert bloß bestimmte Aspekte der beteiligten Kulturen in diesem Wechselverhältnis und kombiniert mit Außeneinwirkung. Kultur ist nach Tylor die Gesamtheit aller ideellen und materiellen Manifestationen einer Gesellschaft. „Kultur im weiteren und im engeren Sinne“ geht auf Bourdieu und Leach zurück = Kultur längerfristig gewachsene vorherrschende Weltbilde einer Gesellschaft und die daraus abgeleiteten Praktiken. Für Ethnizität ist nie eine Gesamtheit der beteiligten Kulturen wichtig. Ethnizität ist dynamisch und relational. Ethnizität umfasst bloß Teilelemente der Kulturen, dies verbindet sich mit Fremdzuschreibungen und Praktiken. 23 Vera Brlica ETHNOHISTORIE - K.Wernhart / W. Zips (Hrsg.) - Buchzusammenfassung 01.2004 . 6.These: Ethnizität verändert sich im Laufe der Zeit immer wieder, So ist es jetzt und bleibt es nicht. These der einen reinen Urkultur ist nur dazu da manchmal den Verlust des angeblichen Frühzustandes zu beklagen. Heterogenität ist der häufigste Normalzustand, Homogenität ist eher eine Ausnahme. Politische, wirtschaftliche und soziale Faktoren beeinflussen und verändern immer wieder aufs Neue. 7. These: Ethnizität variiert je nach den Umständen, so wie es hier ist, ist es nur hier. Ethnische Grenzen sind fast immer durchlässig und fließend. Kann dazu führen dass eine Person einmal seine ethn. Identität leugnet und einmal besonders hervorhebt, sie kann auch ohne Belangen für die Person sein. Die Meisten Ethnologen gehen von einer gr. Bandbreite der Umstände aus. Die fließenden Grenzen fördern Übertritte, Assimilation, Grenzgängertum, und das Entstehen von neuen hybriden Formen. KAPITEL 7: MIGRATIONSFORSCHUNG Migration als Folge von komplexer, politischem ideologischer, sozialer und ökonomischer Prozesse. Migration ist mit Ethnizität und nationaler Identität verknüpft. Definition: Wanderung und Bewegung von Individuen oder Gruppen im geographischen oder sozialem Raum. Verbunden mit einem Wohnsitzwechsel. Genaue Definition von Migration lässt viele Erklärungsansätze zu. Es gibt zahlreiche Definitionen von Migration, aber keine einheitliche Verwendung. Migrationstheorien: verschiedene Kriterien: Dauer, Periodizität, Distanz, Geschwindigkeit, räumlicher Verlauf, strukturelle Merkmale der Migranten, strukturelle Ursachen, persönliche Motive und Auswirkungen im Herkunfts und Zielgebiet. Bernhard Santel: für ihn handelt es sich Migration wenn eine Ortsveränderung mit einer zeitliche Verweildauer gegeben ist. Für ihn steht der Wohnortwechsel im Vordergrund. William Petersen unterscheidet zwei Arten von Wanderung: 1.) die innerstaatliche Wanderung (frei und ungebunden) 2.) internationale Wanderung über staatliche Grenzen hinweg (politisch – administrative Reaktion, Migrant wird vom In- zum Ausländer) Ursachen warum Menschen emigrieren sind unterschiedlich und vielfältig. Die Entscheidung ist rein subjektiv und so für Außenstehende oft nicht verständlich. Fluchtwanderung: bietet keine Entscheidungsalternative, Auslöser sind Gewalthandlung der Vergangenheit der unmittelbaren Zukunft, die das Leben und oder Freiheit des Betroffenen bedrohen und ihn somit zur Flucht drängen. Unmittelbar ausgeübte Gewaltanwendung = acute refugee und bei zu erwartender = anticipatory refugee. Plötzliche Kriege oder Naturkatastrophen= acute refugee situation , hier fliehen Menschen in Massen und panikartig, sie fliehen nicht weil sie ein besseres Leben wollen und auch nicht ausschließlich vor Bedingungen die die Genfer Flüchtlingskonvention zur Grundlage ihrer Definiten zu Flüchtlingen macht. Plötzlich auftretende Bedrohung = man made causes (durch menschliches Verhalten verursachte Gründe), beziehen sich auf eine einzelne Person oder Gruppe, aufgrund politischer, „rassischen“, oder religiösen Gründen, oder „diffuser Gewalt“, wie etwas durch Bürgerkriege, zu diesem Komplex zählen Zwangswanderungen, Fluchtbewegungen, Flucht aus politischen Gründen, politische Emigration, Katastrophenflucht, Vertreibung, Rückführung, Evakuierung, Zwangsumsiedlung, Verschleppung, Verdrängung und Ausweisung. 24 Vera Brlica ETHNOHISTORIE - K.Wernhart / W. Zips (Hrsg.) - Buchzusammenfassung 01.2004 . natural disaster= natürliche Katastrophen, alle Formen von Naturkatastrophen, z.B Dürre, Überschwemmung, Hungersnöte, Erdbeben, etc. bei vorausgeplanter Flucht, anticipa, geht der eigentlichen Flucht Frustration und Bedrohung voraus. Ein wahrer Entscheidungsprozess ist im eigentlichen Sinne nicht gegeben weil es keine Alternativen gibt. Wird umso schwieriger umso stärker die Bindung an die Heimat ist. Die Unterscheidung der auslösenden Faktoren ist in der Praxis nicht so einfach, sie überlagern sich. (z.B die Motive und der Entscheidungsprozeß eines vorausplanenden Flüchtlings unterscheiden sich kaum von denen eines Arbeitsflüchtlings) Forced migration = durch Gewalt und Verfolgung ausgelöste Migration Voluntary migration = freiwillige Migration, z.B Arbeitsmigration Bei der freiwilligen Migration sind vor allem ökonomische Motive der Auslöser, Lebensbedingungen, Einkommen, Arbeitssituation, und individuelle Entfaltungsmöglichkeiten sollen verbessert werden. Längerer Entscheidungsprozeß. Ist aber keine Migrationsautomatik vorhanden (im Zusammenhang mit Wohlstandsgefälle). Um Migrationsströme auszulösen benötigt es Auslöser Grundsätzliche Unterscheidung von: - Migration im eigenem Land - Migration in Nachbarländer - internationale Migration (wie oben genannt politisch administrative Reaktion, Inländer wird zu Ausländer) Bei der illegalen Migration rückt die Wanderbewegung in die nähe einer kriminellen Tat. Die Vereinten Nationen sprechen dann von irregulären Migration. Schnittstellen und Interdependenzen: Im Rahmen der neuen Evolutionstheorien wird den Migranten ein besonderer Stellenwert zugeschrieben. Die biologischen Ansätze in diesen Theorien weisen den Migranten einen zentralen Stellenwert bei der Entfaltung von Komplexität und Unterscheidung zu. (naturwissenschaftliche, soziologische und historische Erkenntnisse, stützen dies Schlussfolgerung) Diese Betrachtungsweise von Migration Conditio humana verdeckt, dass Migrationen große Einschnitte in den individuellen Biographien sind. Die Ethnohistorie versucht in die zeitliche und räumliche Tiefe von Migration vorzudringen. Sie geht von der Annahme aus, dass es um gesetzmäßig ablaufende, wiederkehrende, dynamische Prozesse geht. Historiker sprechen oft von der Universalgeschichte der Völkerwanderungen und Kriegen, Flucht und Vertreibung Vorurteile gegenüber aufzunehmenden wie „das Boot ist voll“ sind laut Hans Magnus Enzensberger „demographische Bulimie“ weil einerseits Boot ist voll und andererseits Aussterben durch zu niedrige Geburtenraten, Vergreisung und Entvölkerung. In der Politikwissenschaft stehen Fragen der Multikulturalität und ihren Bezug zur nationalen Integrationspolitik im Vordergrund. In der Ethnologie steht der soziokulturelle Aspekt von Verfassungswirklichkeiten und die Untersuchung der kognitiven Eben der Sichtweise der Betroffenen im Vordergrund. Internationale Wanderungen lassen sich unter der Berücksichtigung von Macht und Legitimationsprozessen verstehen. „ethnicity“ – beruft sich auf Gruppenunterschiede, hat seinen Ursprung in der europäischen Geschichte des 19 Jahrhunderts. Ethnizität als Abgrenzung entstand erst durch den Territorialstaat als politische Organisation, und seine Selbstbeschreibungsform als Nation. Ursula Apitzsch bezeichnet Ethnizität als etwas Drittes nach Herkunfts und Aufnahmeland, es kann eine Voraussetzung für Gruppensolidarität sein, aber auch für Gruppendiskriminierung. ARBEIT DES ETHNOHISTORIKERS Der Ethnohistoriker beschäftigt sich nicht nur mit der Mobilität von Kulturphänomenen sondern mit der Untersuchung von Veränderung der Wahrnehmung der Migranten in Bezug auf ihre Identität, Verhaltensmusterns und somit kulturverändernde Faktoren. Die prozessualen Entwicklungen werden 25 Vera Brlica ETHNOHISTORIE - K.Wernhart / W. Zips (Hrsg.) - Buchzusammenfassung 01.2004 . besonders beachtet. Er beobachtet aktive Gestaltung und Reproduktion gesellschaftlicher Verhältnisse durch die Aktivität des Subjektes im Handlungsraum ethnischer Gemeinschaften. Grenzen als physisches Hindernis und als Rollenzuweisung sowie die Rekonstituierung der Identität des Migranten im neuem Umfeld. Die Metapher der Grenze ist auf viele soziale Sachverhalte anwendbar, wenn man davon ausgeht, dass jede Gruppe eine Grenzen umgibt. Sieht man die Grenze als definierenden Faktor so gibt es 4 Eigenschaften: 1.) Kriterien der Eingrenzung 2.) Kriterien der Ausgrenzung 3.) Kriterien der Separation 4.) Kriterien der Kommunalität DIFFUSION UND GLOBALISIERUNG: Zwei Begriffe : Grenzkonstitution und Grenzübergang Konzept der offenen bzw. Geschlossenen Gesellschaft = Metaphern in Verbindung mit Migration-> Außengrenzen nationalstaatlicher Gesellschaften , und auch die Bereitschaft gesellschaftliche Institutionen und Rahmenbedingungen für die Integration zu schaffen. Bedeutet also die Reaktionsmöglichkeiten der Gesellschaft auf die Veränderung – Max Weber. Die Darstellung sozialer Grenzstrukturen findet seinen Ausdruck in der Form des „FREMDEN“ (primär der Arbeitsmigrant und Flüchtling gemeint).Für beide gelten Elemente der Globalisierung (grenzüberschreitender Akt der Wanderung, Länder und Weltregionen werden verbunden, Verknüpfungsstrukturen zwischen Herkunftsland und Zielort) und Fragmentierung (die Ankunft im Zielland lässt sich als Gewahrwerden eines Unterschiedes zur Mehrheit und einer Gemeinsamkeit mit anderen Migranten interpretieren). Die politische und soziale Verortung des Fremden rekonstituiert sich über Ethnizität. FREMDHEIT als eine sich selbst herausfordernde Erfahrung ist ein Beziehungsmuster, welches sich durch Nähe intensiviert. Sie ist ein historisch gebundenes Phänomen, das durch die persönliche und soziale Identität erst die Fremdartigkeit des Anderen hervorruft. Die Rolle der Nationalität, bzw. nationalen Identität artikuliert das „wir Gefühl“. Ethnizität als moderne Form der Abgrenzung entsteht erst im Bezug auf den Territorialstaat als politische Organisationseinheit. DIFFUSION, MIGRATIONSTHEORIEN und einige TERMINI (ab da von der anderen Zusammenfassung übernommen, weil gut zusammengefasst) Jean Francois Lafiteau (Jesuitenpater) ist der Begründer der Migrationstheorie im ethnologischem Kontext. Formulierte die Lehre von der einmaligen Entstehung des Kulturelements und seiner Verbreitung durch Wanderung oder kulturgeschichtliche Entlehnung. Friedrich Ratzel – diffusionistische Theorie: die Lehre von den menschlichen Kulturgesellschaften in ihren räumlich gebundenen Nebeneinander und in ihrer Dynamik durch wechselseitige Beeinflussung, Wanderungen und Überschichtungen. Leo Frobenius – Kulturkreislehre: Nicht bloß einzelne Elemente, sondern Kulturen als Ganze hängen zusammen. Kultur als etwas organisch Selbstständiges >> Beziehungsforschung. Diffusionismus: Heine- Geldern – Stimulusdiffusion: Idee- bzw. Anregungsverbreitung, breiten Raum bei der Formulierung seiner Thesen zu migrationsspezifischen Fragestellungen eingeräumt. Zentralies Thema Wanderungen. Heute: interdisziplinäre Zusammenarbeit. Bei der Untersuchung historischer Prozesse können (Macht-) Strukturen und Handeln der Subjekte nicht auseinanderdividiert werden. In der ethnohistorischen Forschung v.a. Dokumentation von auslösenden Faktoren in ihrer historischen Genese. Modelle der Migragionssoziologie (Chicagoer Schule S. 127). Emile Durkheim: soziale Migration als Faktor, der traditionelle Gemeinschaften erodiert und zu anomischen Entscheidungen führt. Hans Joachim Hoffmann – Nowotny (1970): Migration als Reaktion auf die ungleiche Verteilung von Macht und Prestige zwischen und innerhalb von Gesellschaften. 26 Vera Brlica ETHNOHISTORIE - K.Wernhart / W. Zips (Hrsg.) - Buchzusammenfassung 01.2004 Hartmut Esser – Handlungstheoretischer Ansatz: push- und pull Faktoren als individuelle Entscheidungskriterien. Dynamiken der globalen Entwicklung >> neue Termini. Schub- und Sogfaktoren (push and pull). Unterscheidungsmerkmal ist der Grad des Zwangs: Sogfunktionen bieten etwas an, Schubfunktionen zwingen Menschen zur Wanderung (Bedrohung, Gewalt). Die Ehtnohistorie untersucht die historische Verortung von Flucht und Migration, u.a. durch Aufdeckung kolonialer Einflüsse auf autochtone Bevölkerungen und von Veränderungen an ethnischer Zusammensetzung in kolonisierten Gebieten. Brain drain und brain waste: Ost- Welt und Nord- Süd Migration. Brain drain = Abwanderung von geistig und technologisch qualifizierten Potentials; Brain waste = Verschwendung von geistigen Potential und Qualifikationen in Aufnahmestaaten. Migration systems: Wanderungen als Verknüpfung von Räumen >> Interaktionen >> Strukturen von Strömen und Gegenströmen. Remittances: die an die Daheimgebliebenen regelmäßig überwiesenen Geld- und Sachwerte, Phänomen der Rückwanderung >> Problem der Reintegration. ARTIKEL 8: VON DER FELDFORSCHUNG ZUR FELDERFORSCHUNG Anthropologisches Wissen hat seinen Ursprung im „Feld“. = Begegnung zwischen den Menschen .Diese Begegnung findet aber unter bestimmten historischen und soziokulturellen Rahmenbedingungen statt. Der Begriff Feld hat sich im Laufe der Zeit verändert. Zur Veranschaulichung : vier anthropologischen Perspektiven E F Dieses Modell beinhaltet vier Beziehungsverhältnisse. E = Ego, F = Feld - Wie sehe ich mich selbst ?- Selbstwahrnehmung des Ethnographen Wie sehe ich die Anderen ?- Fremdwahrnehmung des Ethnographen Wie sieht der Andere sich selbst ?- Selbstwahrnehmung des Fremden Wie sieht der Andere mich? Fremdwahrnehmung des Fremden Diese wichtigen Hauptfragen, die heute selbstverständlich sind, wurden nicht immer beachtet. Anhand des zeitlichen Kontextes lässt sich der Bewusstseinswandel beleuchten. 1. Zeitlicher Kontext: Mehrere Versuche die anthropologische Feldforschung in min. 3 Phasen zu teilen: Marilyn Strathern: Prämodern (bis 1921) – modern (1922-1974) – postmodern (seit 1975) Andrea Lissner- Espe: enzyklopädische Ära (bis 1921) – positivistische Ära ( 1922- 1968) – die reflexive Ära (seit 1969) die enzyklopädische Ära (ernst genommen wird nur das Fremde) 27 . Vera Brlica ETHNOHISTORIE - K.Wernhart / W. Zips (Hrsg.) - Buchzusammenfassung 01.2004 . Erste Phase der „Veranda und Lehnstuhl- Anthropologen“, Ziel soviel wie möglich Informationen über das Aussterben und die von Europäisierung bedrohten „Naturvölker“ zusammenzutragen. Augemerk der Wissenschafter auf das was praktiziert wurde. Kein Augenmerk darauf wie die Informationen gesammelt wurden. Anthropologen kannten Kulturen meist nur aus zweiter Hand. Reisende, Missionare und Kolonialbeamte beobachteten für sie. Anleitung für die Kunst des Beobachtens 1874 „notes and queries on anthropoglogy , fort he use of travellers and reidents ind uncivilized Lands“ - war für Amateur Ethnographen bestimmt, die die Materialien an die akademischen Ethnologen lieferten. Wissenschaft bedeutet damals die reine Analyse des Materials. Forscher = intellektuell Schaffende. Daten sammeln galt als minderwertig. positivistische Ära (das Fremde wird untersucht, die Anwesenheit des Ethnographen reflektiert mit) Anfang durch Malinowski, er setzte durch dass auch in der Ethnologie die Datensammlung ernst genommen wurde. Gilt auch als Begründer der Stationären Feldforschung und der teilnehmenden Beobachtung. War aber nicht der Einzige, machte es aber durch seine „Argonauten des westlichen Pazifiks“ publik. War nicht ein Begründer sondern ein Verkünder. Prägte das Genre der Gr. Monographien, =Abbild einer Kultur, man versucht eine Kultur als Ganzes zu erfassen. Er erkannte die Bedeutung der Anwesenheit des Ethnographen, als Teil des Feldes, die Geschichte der untersuchten Gesellschaft, und die aktuelle Situation (Kolonialherrschaft) nicht an. Kam erst nach seiner Ära. Führte aber die Person des professionellen Feldforschers ein, drei Grundbedingungen: 1.) Figur des Feldforschers wird als Teil des Feldes wahrgenommen 2.) Akteure mussten in ihrem Mensch- Sein akzeptiert werden 3.) Der Ethnograph benötigt eine institutionalisierte instrumentelle Haltung Malinowski führte sich selbst als Person des Messinstrumentes in die Kultur ein, und konstruierte damit die Figur des Anderen und die Figur des Feldforschers. Führte die Zweiteilung in Beobachter und Beobachteten ein. Effekt dieser Trennung Leser bekommt das Gefühl er verstehe die fremde Kultur besser, Instrument zur Überwindung des Fremdheitsgefühles. Welt wird zweigeteilt, wir uns sie. Bei Malinowski rückt das Andersartige in den Mittelpunkt des Interesses (anstatt des Exotischen). Malinowski führte die Figur des Forschers primär als Gegenspieler zum Missionar ein. Schrieb in der Ich-Form um sie zu objektivieren. die reflexive Ära (wahrgenommen werden die Beziehungen zw. E und F und beide Positionen reflektieren mit) Reichte bis in die Gegenwart hinein, den Forscher in die Untersuchungseinheit mit einzubeziehen. Forscher musste sich als eigene Person des Untersuchungsgegenstandes auffassen. Widersprach der klassischen Form von Wissenschaft (Subjekt und Objekt werden getrennt voneinander verstanden) Die reflexive Position des Forschers wurde anerkannt. Entstand eine Flut persönlichen Berichten. Feldforschungsprozess wurde zum zentralem Thema des Faches. War Anstoß zu einer neuen literarischen Gattung ethnographische Autobiographien. Forscher präsentiert sich selbst vor allem als Mensch, er kann beschreiben wie schwer oder leicht ihm die Feldforschung gefallen ist, etc. Solche Bekenntnisse liefern ein komplettes Bild vom Forschungsprozess, die Untersuchung lässt sich leichter nachvollziehen, und somit steigt der wissenschaftliche Wert der Analyse. Grundstein für die reflexive Haltung in der Ethnologie wurde in den 60er Jahren gelegt, Extremform in den 80er- das tatsächliche Leben der Mitglieder einer Kultur steht im Hintergrund im Vordergrund steht der ethnographische Text, der zum Forschungsgegenstand wird. Cyberhistorische Präliminarien Zusätzlich zu den 3 Bereichen. Ethnography of science, immer mehr Bedeutung, cyberspace wird von immer mehr Menschen genutzt und besiedelt, und sind bereits zum Forschungsgegenstand der cyberAnthropology geworden. Feldforschung im CyberSpace ist die logische Konsequenzen dieses seit Jahrzehnten Zielgerichteten Paradigmenwandels der Ent- Territorialisierung von Kultur angesagt. 28 Vera Brlica ETHNOHISTORIE - K.Wernhart / W. Zips (Hrsg.) - Buchzusammenfassung 01.2004 . 2. RÄUMLICHE KONTEXTE Feldforschung ist die Hauptmethode der Datengewinnung in der Ethnologie. Was als „Feld“ verstanden wird hängt nicht nur von den jeweils vorherrschenden Sichtweisen des Forschungsgegenstandes ab, sondern auch von der Beschaffenheit der zu untersuchenden Kultur/Gesellschaft Aufgrund der globalen gesellschaftlichen Veränderungen in den vergangenen Jahrzehnten lassen sich 3 grundlegende soziokulturelle und räumliche Kontexte für die ethnologische Felderfoschung identifizieren: 1.)Indigene Lokalkulturen (full time face to face communities) 2.) Diaspora Kulturen (part time face to face communities) 3,) DigitagleDiaspora (no more face to face communities) Jedes der 3 Konzepte erfordert unterschiedliche Strategien des Zugangs und des Wissenserwerbes. 2.1 Indigene Lokalkulturen ( full time face to face communities) menschliche Gemeinschaften und Individuen die nach wie vor in relativ klar definierten geographischen Räumen leben. Werden mehr oder weniger als einheitliche ethnische Gruppe verstanden. Ihr Lebensraum bildet das eigentliche Terrain für viele Generationen von Feldforschern. Hier wurde das klassische Konzept der stationären Feldforschung entwickelt. Dies „Feld“ war meist weit weg, oft durch gewisse historisch bedingte Abgeschiedenheit gekennzeichnet. Feldforschungstil: meist langer Aufenthalt, Untersuchung der natürlichen Lebenssituation, möglichst wenig Einflussnahme. =klassische anthropologische Feldforschungsituation. 2.2 Diaspora Kulturen (part time face to face communities) Nicht nur Menschen sondern auch Kulturen bewegen sich, es kommt zunehmend zu Diaspora Situationen. Die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen haben sich in den letzten Jahrzehnten geändert, neue Transport und Kommunikationstheorien haben sich entwickelt. Führt dazu dass nicht mehr alle Angehörigen einer ethnischen Gruppierung das gleiche Territorium bewohnen, weil Migrationen, Flüchtlingsströme, Ferntourismus,… Im Zuge der Globalisierung durchdringen Kulturen einander. Die ursprünglichen begrenzten kulturellen Landschaften (cultural landscaps) transformieren zu globalen ethnoscaps. „Feld“ im Singular gibt es nur noch selten, heutzutage setzt man sich sein Feld zusammen. 2.3 Digital Diaspora (no more face to face communities) der virtuelle Raum gilt mittlerweile als der 6 Kontinent, es führt zur Ent- Territorialisierung von Mensch und Kultur. Er stellt ein neues Aktionsfeld dar. Wird zunehmend besiedelt. Es eröffnet sich eine neues Forschungsfeld. CONCLUSIO: Entwicklung von FELDFORSCHUNG zur FELDERFORSCHUNG lässt sich im Wesentlichen an drei Punkten festmachen. 1.) Die Erweiterung der einseitigen Wahrnehmung des Fremden hin zu einem selbstreflexiven und zirkuläre Wahrnehmungsprozess des Beziehungsverhältnisses zwischen einzelnen Akteuren.verbunden mit der Veränderung des Forschungsgegenstandes von Objekt zur Wahrnehmung der Beziehung zwischen Subjekten. 2.) Der „Feld“- Begriff verschob sich vom territorialem Raum zum sozialem Raum. Miteinbezogen war dabei der Feldforscher. Von der lokale Kultur als Ganzes zur kleineren sozialen Einheit. 3.) Ablösung der Beobachtungsorientierten Feldforschungsparpadigmas vom Malinowski durch das diskursive Feldforschungsparadigma der Postmoderne, wie auch der CyberKultur. 29 Vera Brlica ETHNOHISTORIE - K.Wernhart / W. Zips (Hrsg.) - Buchzusammenfassung 01.2004 . KAPITEL 9: ERZÄHLUNGEN ANALYSIEREN – ANALYSEN ERZÄHLEN Mitte 80er nachhaltige Wende in KSA: Kritik am Strukturfunktionalismus und div. Varianten des Strukturalismus. Gründete am objektivistischen Verständnis von Struktur-> Dualismus von Objekt und Subjekt: Struktur gehört zu objektiven Seite und Handeln und Deuten zur subjektiven. Einsicht: Strukturen stellen sich nicht aus sich selbst sondern aus der Tätigkeit der „gesellschaftlichen Subjekte“ heraus. Menschen machen ihre eigene Geschichte… Pierre Bourdieu lieferte dazu Schlüsselbegriffe: Habitus, Feld, Praktik, symbolisches Kapital => begrifflich- theoretisches Werkzeug (= tool kits) durch die kann die Tätigkeit der Individuen (ihre Praktiken) empirisch erfasst werden. Schlüsselbegriff: Praktik => praxeologischer Modus. Î Handelnde strukturieren ihre Verhältnisse durch ihr Handeln Î Struktur erscheint nicht mehr nur als einschränkend, zwingend und heteronom Î Struktur ermöglicht auch das aufeinander bezogene handeln von Individuen und Gruppen und ihrem Wissen davon Î Nicht jeder einzelne, aber auch nicht anonyme Kräfte erschaffen und reproduzieren die Welt, sondern strukturierte Individuen, die in strukturierte Bedingungen interagieren. Î Durch die Neuerfassung des Begriffs verlor das Strukturelle jene Starrheit und Dinglichkeit Î Die Strukturen einer Lebenswelt erscheinen im praxeologischen Modell des Sozialen dynamisch und in Bewegung gehalten durch das Handeln, deuten und Wissen. => durch die Praktiken der Akteure. Strukturen und Prozess sind in dieser Sicht nicht mehr zwei unterschiedliche von einander getrennte Grundkategorien. Prozesse gewinnen Kontur druch Betrachtung des Forschers von Strukturen in Veränderung. Î Besonderer Aufmerksamkeit wird dem „alltäglichem Handeln“ zuteil. Im Alltag konstituiert sich der Habitus der Akteure, und im Alltag erfolgt die Strukturierung der Verhältnisse durch das Handeln und Deuten. Das alltägliche Handeln ist aber an Raum und Zeit und politischen, sozialen und kulturellen Herrschaften situiert. Es gibt keinen Alltag ohne Macht und Herrschaft und diese sind überall wo Menschen interagieren. Î Menschen werden sprachlich in eine strukturierte Sprache sozialisiert und treten in eine strukturierte Welt der Bilder und Medien ein. Wir verinnerlichen Strukturen und äußern sie wieder durch unser handeln. Î KURZ: Die Akteure strukturieren die gesellschaftlichen Verhältnisse durch die Interaktion und werden zugleich selbst durch die Regeln der Interaktion, durch die Verhältnisse, Beziehungen strukturiert, in denen sie tätig sind. Î „blindes Handeln“ gibt es immer, ändert aber nichts Î Unseren Entscheidungen geht immer eine Entscheidungsfindung voraus, in deren Verlauf sich in der Regel einer Mehrzahl von differenten Deutungen und Meinungen gegenüber sehen. Wir interpretieren und orientieren und dabei an Sitte etc. Das Praxeologische Paradigma räumt dem Handeln und Deuten der einzelnen einen anderen Status ein. Strukturen sind in diesem Paradigma nur außerhalb des einzelnen, strukturiert sind auch die Verhältnisse, die die einzelnen zueinander eingehen, mit unterschiedlicher Macht zueinander. KURZ: Die einzelnen, oder genauer Interagierenden Gruppen von einzelnen sind in ihren Praktiken strukturiert und erzeugen über ihre interaktiven Praktiken jene Struktur in den Handlungsfeldern einer Gesellschaft in welchen sie jeweils tätig sind. Im praxeologischem Paradigma interessiert nicht nur das Häufige, sondern auch das Seltene, nicht nur das Typische sondern auch das untypische,… Nicht mehr nur um der Besonderheit und Erhabenheit oder der Entsetzlichkeit sondern um es als Spur und Ausdruck gesellschaftlicher Strukturen und Prozesse zu lesen. Für die SKW folgt daraus, Methoden und Techniken zu entwickeln und anzuwenden, die geeignet sind die sozialen Logiken der Handelnden empirisch zu rekonstruieren, was nur mittels der Analyse und der Interpretation ihrer diversen Äußerungen bewerkstelligt werden kann. Aussagen der Akteure 30 Vera Brlica ETHNOHISTORIE - K.Wernhart / W. Zips (Hrsg.) - Buchzusammenfassung 01.2004 . sollen nicht mehr bloß selektiv ausgewertet werden, sondern das Handeln und die Perspektive der Akteure soll insgesamt interpretiert und analysiert werden, denn sie konstituieren die soziale Welt. Praxeologische Wende auch Art linguistic turn. Verfeinerung der Methoden des erforschten Gespräches („Interview“) und der Textanalyse-> Theoriebildende Rekonstruktion von strukturierten Praktiken und praktizierten Strukturen. Historische – empirische Sozial und Kulturwissenschaften sind fundamental auf der Verstehen der Äußerungen der handelnden angewiesen. Die Grenzen der älteren Hermeneutik sind überschritten => Interpretation und Analyse -> Textanalyse. Die für den Forscher geeignetste Methode ist das narrative oder lebensgeschichtliche Interview Ö es werden Erzählungen produziert, über bestimmte Thematiken oder über die eigene Geschichte Das Narrative Interview - - - - ein sozialwissenschaftliches Erhebungsverfahren PHASEN des narrativen Interviews: • Vorstellung des Forschers, Gesprächsvereinbarung und Regieanweisung • Einladung zur/und Eingangserzählung • Immanentes (rückgreiffendes Nachfragen) • Examentes Nachfragen • Eventuell: Rekonstruktion von Routinen • Eventuell: Reasoning • Nachgespräche und Verabschiedung Hauptteil eines narrativen Interviews besteht aus der Erzählung von Selbsterlebten Ereignissen des Informanten Aufgabe des Interviewers den Informanten dazu bewegen, die Geschichte , des in Frage stehenden Gegenstandsbereiches als eine zusammenhängende Geschichte aller relevanten Ereignisse von Anfang bis Ende zu erzählen. Dies ist für den Forscher die erste gr. Schwierigkeit. Anfangsfrage benötigt „Fingerspitzengefühl“ Stehgreif Geschichten sind spontane Erzählungen, ohne Vorbereitung oder auch keine standardisierte Versionen Kern des Interviews: Erzählung der Geschichte eines Ereigniszusammenhangs InteviewparterIn muss zumindest Teil selbst erlebt haben. dominante Darstellungsform ist dabei die Erzählung einer Geschichte, wobei der Entwicklungsprozess des Erzählgegenstandes dargestellt wird. In solchen Geschichten wird die Vergangenheit rekonstruiert und in einen Zusammenhang gebracht. (ethnohistorisch) Das Erzählen im Narrativen Interview selbst ist eine Form des sozialen Handelns: Serie von Entscheidungen zwischen Erzähl-Optionen, getroffen in der Interaktion des dialogischen (oder trialog.) Gesprächs. Erzähler präsentiert eine Serie von Entscheidungen auf der Handlungsebene des Erzählers, die mit einer Serie von Entscheidungen auf der Ebene des erzählten Geschehens korreliert zunächst wird die Ausgangsposition geschildert „wie alles anfing“ argumentative Darstellungen von Eigentheorien sollen einen Zusammenhang erklärend herstellen („Warum sie damals ging, weiß ich bis heute nicht. Ich kann es mir nur so erklären,…“) Beschreibungen dienen dazu Zustände, Situationen, typische Verfahrensweisen darzustellen. Beschreibungen können sich auf innere Zustände beziehen („plötzlich bekam ich solche Angst…“) können sich aber auch auf äußere Begebenheiten beziehen, wenn Erzähler meint Interviewer kann das nicht wissen und es ist wichtig um alles in einen Zusammenhang bringen zu können („das war damals auf den Phillipienen total üblich, dass….“) Jede Erzählung und jeder Text ist eine Präsentation mit symbolischen Mitteln und enthält eine Serie von Interpretationen 31 Vera Brlica ETHNOHISTORIE - K.Wernhart / W. Zips (Hrsg.) - Buchzusammenfassung - 01.2004 . Narrationen enthalten 3 wesentliche Darstellungsformen: Erzählungen, Beschreibungen und Argumentationen Gegenstand von narrativen Interviews sind immer zusammenhängende Geschehen, mit Abfolgen von Ereignissen, die die Geschichte eines Ereignisträgers ausmachen, kann aber auch Lebensgeschichte sein, etc - Phasen des Interviews: - - - Interviewbeginn: anders als bei den anderen Interviewarten strukturiert sich das narrative Interview nicht durch ein Spiel von Frage und Antwort Erzähler wird der Interviewpartner, er erzählt ungestört Es wird ihm zeitlich und inhaltlich genügend Raum gegeben Interviewer wird währenddessen zum Zuhörer 1. Aufgabe des Interviewers: Interviewpartner zu finden und ihn dazu bewegen seine Geschichte zu erzählen (Anwerbungsphase) 2. Aufgabe: Interviewpartner über die Besonderheiten des narrativen Interviews zu informieren 3. Aufgabe: Bitte um Erzählung und erklären was mit Erzählung oder Geschichte gemeint ist („Erzählen sie mir bitte wie sie in diesem Dorf aufgewachsen sind,…“) es können noch Regieanweisungen hinzugefügt werden wie „erzählen sie bitte alle Details“ Wenn Interviewer das Gefühl hat Interviewpartner hat verstanden was gemeint ist, dann folg die Redeübergabe, bittet den Interviewpartner zu beginnen (Einstiegsphase) Wenn der Interviewpartner die Aufgabe übernimmt, dann beginnt die Phase der Haupterzählung , Es soll dem Erzähler frei gelassen werden die Haupt- oder Großerzählung (d.h. die Gesamtkomposition von Geschichten, Beschreibungen, Bewertungen, Argumentationen, etc) zu gestalten Interviewer nur mehr Zuhörer, soll versuchen sich in die Geschichte hineinzuhören, Perspektive des Erzählers zu verstehen, und dieses Verstehen auch kommunizieren „hmm“ „aha“, er muss also methodisch reflektieren, Fragen werden für später notiert So bekommt Erzähler das Gefühl, dass alles ok ist und er ungestört weiter reden kann Gibt 3 Arten von Erzählzwängen: a.)Detailierungszwang b.)Kondensierungszwang c.)Gestaltungszwang schließt der Erzähler die Eingangserzählung ab dann, kommt die Phase des immanenten Nachfragens, verbunden mit einer weiteren Erzählaufforderung („sie haben erzählt, dass…“, „wollen sie darüber mehr erzählen“?) Gelegentlich kann vereinbart werden, dass Bildmaterial oder schriftliche Dokumente irgendwelcher Art betrachtet werden. Dies löst meistens weitere Erinnerungen bei den Erzählenden aus Kommt er zu einem Ende, wird das meistens mit einem Koda deutlich gemacht („ja das war es im großen und ganzen…“) Interviewer ist wieder an der Reihe Beginn der Nachfragephase: unklar gebliebene Erzählpassagen werden präzisiert Bilanzierungsphase beginnt: hier kann auch Interviewpartner Fragen stellen, nach „Sinn“ des ganzen fragen Probleme der Interviewführung im narrativen Interview - Übernahme der Rolle des Erzählers ist für Interviewpartner ungewohnt, da man an ein Wechselspiel von Fragen gewohnt ist. - Die Stimmung zwischen den beiden sollte gut sein, damit der Interviewpartner auftaut und das Gefühl für eine ausschweifende Erzählung in Ordnung ist - Häufiger Interviewfehler: nicht nach der Erzählung einer Geschichte von Ereignisse zu fragen sondern nach Motiven, Zuständen, Routinen, zu fragen die nicht durch Erzählungen sondern Beschreibungen und/oder Argumentationen dargestellt werden können. („möchte sie mir bitte 32 Vera Brlica ETHNOHISTORIE - K.Wernhart / W. Zips (Hrsg.) - Buchzusammenfassung - 01.2004 . erzählen warum,…“) In solchen Fällen versteht der Interviewpartner nicht recht, dass von ihm eine Erzählung verlangt wird. Während der Haupterzählung sollte der Interviewer keine Fragen stellen Struktur und Anwendung des narrativen Interviews - narrative Darstellungen zeichnen sich nicht nur inhaltlich aus, sondern auch durch Textstruktur, etc. Eigenheiten zu finden kann Aufschluss über Erzählqualitäten geben - Durch Textstruktur wird der Bezug des Erzählers zum Geschehenen deutlich - Vergleiche von Ergebnissen der formalen und inhaltlichen Textstruktur und den Eigentheorien des Interviewpartners, mit denen der Erzähler sich selbst den Fortgang der Geschichte erklärt, zeigt meist, dass die Menschen sehr viel mehr von ihrem Leben wissen und darstellen können, als sie in ihren Theorien über sich selbst in ihrem Leben aufgenommen haben - Das narrative Interview liefert so reichhaltige Daten als Befragungsformen, die ausschließlich an die Alltagstheorien der Befragten gebundenes Wissen erheben TEXTANALYSE - Transkription der Tonbandaufnahmen oder der Videobänder: schreibe auf was du hörst! Auch Intonationen, Klangfärbungen, Mimik und Gestik des Sprechers Verschriftlichung ist unverzichtbar Texte die aus Verschriftlichungen von mündlichen Erzählungen entstanden sind, zählen als Quelle, werden zum Zweck der Überlieferung produziert. Unterschied zu schon überlieferten Texten, ausgedrückte Wahrnehmung und Erinnerung mit ihren Trägern lebt mit, und werden erst im Akt der Tonband oder Videoaufzeichnung gebunden 2 Arten von Textanalysen: a.) Textreduzierendes Verfahren b.) sequentielles Verfahren ad. A.) Textreduzierende Verfahren zerschneiden den Text, wählen bestimmte Teile des Textes zur Interpretation aus, die anderen Teile fallen weg ist ein klassisches Verfahren der soziologischen Inhaltsanalyse kann qualitativ und/oder quantitativ durchgeführt werden ad. B.) für historisch- empirisch arbeitende Sozial- und KulturwissenschafterInnen, nimmt den Aufwand auf einen Forschungsökonom. zurück, ohne an Präzision und Kontrolliertheit zu verlieren - zwei basale Anforderungen an die Textanalyse: 1.)sie muss den Lebensprozess (bzw. den interessierenden Lebensabschnitt) in seiner äußerlichen Ereignishaftigkeit und in seiner innerlichen Erfahrungs-, Erlebnis-, und Wissensaufschichtung rekonstruieren. 2.)Textanalyse muss den aus der Retrospektive zwangsläufig entstehenden teleologischen und finalen, d.h auf das bekannte Ende der Entwicklung ausgerichteten Charakter der Erzählung hypothetisch in einen Lebensweg mit offenen Optionen zurückwandeln. 1. Schritt in der Textanalyse: Auf welchen Ort, auf welchen Zeitraum oder Zeitpunkt, auf welche Person, auf welches Geschehen, auf welche Situation bezieht sich die erste Sequenz? Auf die Frage antwortet die „pragmatische Interpretation“. Ich frage „was will uns der Erzähler mitteilen?“, wir finden die Antwort indem wir die Textsequenz paraphrasieren. Ich bleibe auf der Ebene des manifesten 2. Schritt in der Textanalyse: ich frage nach dem historischen (zeitlich, örtlich, funktionell, usw.) Bedingungen , worüber erzählt wird. Darauf antwortet die 2Interpretation nach den Bedingungen“ Ich frage: welche Handlungsbedingungen (Orte, Personen, Verhältnisse, etc.) führt der Erzähler als Bedingung ein= 33 Vera Brlica ETHNOHISTORIE - K.Wernhart / W. Zips (Hrsg.) - Buchzusammenfassung 01.2004 . 3. Schritt in der Textanalyse: Gedankenexperimentell den weiteren Handlungsspielraum des Akteurs ausloten. Wie könnte sein leben weitergehen? (Handlungsspielraum) wie könnte er weitererzählen? (Erzählspielraum) ALLES AUF EIN HYPOTHESENBLATT EINTRAGEN! 4. Frage nachdem inneren Erleben des erzählten Geschehens >> psychologische Interpretation. Reflexion der Ich- Doppelung des Erzählers (Erzähler oder historischer Akteur). Regel: Anhaltspunkt im Text finden. Kontextwissen heranziehen. 5. Prüfen. Ob die Textstelle die Frage nach einer in ihr ausgedrückten Idee, nach einem in ihr ausgedrückten oder wirksamen Ideologie oder nach einer Ideologie zweckmäßig erscheinen lässt. Frage: Woher kommt diese Idee? Wie kam sie „in“ den Akteur bzw. zur jeweils besprochenen Personengruppe. Decke die nächste Textsequenz auf: Beginnen des Verfahrens in der beschriebenen Abfolge der Fragen von neuen Bestätigungen, Falsifizierungen PROBLEME UND FORMEN DER DARSTELLUNG (S. 163, ich lasse die genauen Beispiele bewusst weg, bitter selber nachlesen) Erklärende Erzählung: hermeneutisch (Interpretationsverfahren zur Erschließung von Bedeutung und Sinn), analytisch (alle Operationen, die über den gemeinsamen Sinn der Akteure hinausgreifen), dialektisch (alle Denkoperationen, mit denen wir die Veränderung der allgemeinen historischsozialen Verhältnisse mit den Praktiken und Erfahrungen der Akteure in Beziehung setzen). Möglichkeit einzelne oder mehrere Fälle im Vergleich zu präsentieren. Mehrere Fälle >> „unsystematische Typologie“ Einzelfälle >> Aufsatz Falldarstellung „Hitlerjungen aus gutem Haus“. Konzentration auf Logiken der Falldarstellung und Theorienbildung. S. 164 – 170 - Anweisung an die Leserschaft, sich im Ort und Zeit des Geschehens zu versetzen.. Theoretische Deutungen zum Inneren Erleben der Verständnisse seitens der Akteure anbieten. - Wiederholt Kontextwissen anbieten, um die Handlungsbedingungen der Personen erklärend zu präsentieren >> Formulierung einer ersten Hypothese (bezieht sich auf den Sozialisationsprozess und die Internalisierung bestimmter ideologischer Elemente durch den Akteur – bis zum erreichten Zeitpunkt des Lebenslaufs.) - In der Darstellung wird erzählend erklärt, wie sich Ideen, Handlungen, etc. in die Persönlichkeit einschreiben >> Ausprägung des Habitus der Person. - Weiteres Darstellen der Lebensgeschichte >> 2. Hypothese. - Erzählung „prägender“ Erlebnisse. - Die erzählende Darstellung endet mit der Erklärung einer folgenreichen Entscheidung des Akteurs. - Letzter Abschnitt: einzelne Aspekte des Falls werden aufgegriffen und auf einer höheren Abstraktionsebene diskutiert: - narrative Prinzipien (leiten Komposition der Großerzählung - praktische Prinzipien (die in der Lebensgeschichte wirksam gewesen sein dürften) = müssen strikt unterschieden werden! - Unter Rückgriff auf die präsentierte Erzählung wird nun explizit, wo die aktiven Anteile des Akteurs liegen. Die Prinzipien der Erzählung (was und wie der Erzähler erzählt) verweisen auf die vergangenen Prozesse der Aneignung und der Ausbildung eines spezifischen Welt- und Menschenbildes (Allegorisierung, Typisierung, Homologisierung). - Weitere Thesen beziehen sich auf die „appeleavistischen Bezeichnung“ von Personen und Personengruppen, in denen Ideologeme der Zeit widergespiegelt sind und auf die Körperpraxis. - Darstellung schließt mit These, die jene zentrale Fragestellung praxeologischer Sozial- und Kulturwissenschaften noch einmal ausdrücklich aufgreift. Allgemein: Emische und ethische Perspektiven werden in dieser Darstellungsform wiederholt abwechselnd eingenommen, ohne eine der beiden auf Kosten der anderen zu privilegieren oder auszublenden. Dennoch ist evident, dass das gewonnene Wissen über die beschreibende 34 Vera Brlica ETHNOHISTORIE - K.Wernhart / W. Zips (Hrsg.) - Buchzusammenfassung 01.2004 . Verkoppelung des alltagweltliche Wissen, das der Erzähler über sich und seine Welt präsentiert, hinausgeht. Dem Erklärenden Wissen fügt sich theoretisches Wissen hinzu. KAPITEL 10: VOM UNIVERSALISMUS ZUR DIFFERENZ Feminismus und Kulturanthropologie Feministische Forschungsansätze haben nicht nur zu neuen frauenspezifischen Fragestellungen geführt sondern auch die Disziplin revolutioniert. -> im deutschsprachigem Raum aber nur zögerlich und mit Verspätung. Der akademisch Feminismus bildete stets ein interdisziplinäres Projekt das sich in der ersten Phase eng an den politischen Forderungen der Frauenbewegung orientierte. Zu Beginn zunächst 3 wichtige Forschungsprojekte: 1.) „Große Frauen“ man schreibt eine Gegengeschichte, in der auch die Frauen vorkommen, da sonst die Geschichtsschreibung eine halbe ist 2.) „die Frauen als Opfer“ Projekt in einer als frauenfeindlich interpretierten Geschichte 3.) „der Beitrag der Frau zur sozialen/kulturellen Evolution“- Die Frau wird in die Entwicklungsgeschichte miteinbezogen, in sozialen, kulturellen und politischen Prozessen …wie die Revision der Rolle von Frauen in „nichtwestlichen Gesellschaften“ und im universalistischen westlichen Geschichtsmythos. D.h es wird dekonstruiert und damit die Sichtweise außereuropäischer Frauen miteinbezogen und damit werden kulturelle Zusammenhänge erfasst. Ad. Dekonstruktion: Wird im normalen Sprachgebrauch verwendet, meist nicht im Derrida’schen Sinn, sondern eher in Richtung „aufdröseln“ von Machtstrukturen; etw. konstruieren, heisst etwas erschaffen, etwas dekonstruieren ist ein Bedeutungsgebilde wieder zu zerlegen , um es ev. Zum Teil wieder neu zusammenzusetzen, damit es was Neues ergibt -> Derrida) Wird Dekonstruktion im Sinne feministischer Theorie verwendet, meint es: Dass man sich diesen Theorie über Frauen und Männer, die Geschichtsschreibung die nur linear verläuft zu reflektieren und auf Fehler hin zu prüfen. Feministische Ethnohistory: Anstösse zur Entwicklung einer feministischen Wissenschaft in USA durch politische Diskussion -> universelle Unterdrückung -> symbolische Ordnung der Oppositon (Frau/Mann,…) Die feministische Ethnohistorie wehrt sich gegen die universelle Unterdrückung der Frau Elenor Leacock stellt sich gegen die Dichotomien /Gegensatzpaare Sie sagt: Geschlecht ist nur ein Produkt sozialer Verhältnisse, war eine der ersten die dies in ihre Forschung miteinbezogen, hiermit auch die Trennung von Sex und GEnder. KAPITEL 11: VOM WILDERER ZUM HASEN Zur Rezeption der Postmoderne in der Ethnohistorie 1.Einleitung Jomo Kenyatta (der brennende Speer)- berühmter Professor der Sozialanthropologie. Schüler Malinowskis. Vor seiner Zeit konnten nur weißen Männer die afrikanische Ethnologie schreiben. Es wurde behauptet, dass Afrikaner nicht in der Lage sind sich selbst zu beschreiben. Sie seien unterentwickelt und unfähig. Buch: Facing mount Kenia- beschreibt er „seine“ Gikuyu. Diese Buch ist ein sehr frühes Beispiel für eine „neue“ experimentelle oder auch postmoderne Ethnographie. Jahrhunderte lang beschrieben westliche Wissenschafter den „Rest der Welt“ – gab keine 35 Vera Brlica ETHNOHISTORIE - K.Wernhart / W. Zips (Hrsg.) - Buchzusammenfassung 01.2004 . Einspruchsmacht der unfreiwillig Repräsentierten- ein Afrikaner durfte erst durch eine universitäre Legitimation (Titel) über einen anderen Afrikaner schreiben. Akademischer „Würden“ regelten als (Machtgeladenes) symbolisches Kapital den Zugang zum Markt der öffentlichen Meinung. Für die westliche Wissenschaft gab es keine Grenzen. 2. Objekte der Beobachtung „schreiben zurück“ Anthropologie hatte bedeutende Rolle in diesem einseitige Diskurs der Moderne. Begriff „Wissenschaft vom Menschen“ – reduziert auf den unbekannten Teil der Menschheit- ausgehend vom westlichen Wissensstand. Bessere Beherrschbarkeit setzt besseres Wissen über die „wilden Völker“ voraus darin lag Grundbedingung für die Aneignung der Welt durch Europa -> Kolonisation Malinowskis programmatische Selbstlegitimation offenbart die bestimmenden Elemente der modernen Anthropologie. Behauptung Objekte können nicht Zurückschreiben, beruht darauf, dass die wissenschaftliche Autorität, die hierarchische Beziehung zu den Objekten der ethnographischen Beobachtung, die hegemoniale Verantwortung für koloniale Interessen und der zivilisatorische Auftrag. Ethnologie war eine Einbahnstraße. Solange die Objekte der Beobachtung ihre Gegenperspektive nicht veröffentlichen konnten, blieb die Parteilichkeit unhinterfragt. Statt dialogischer Feldarbeit entstanden Monologe -> diese waren mehr oder weniger im Einklang mit den europäischen Herrschaftsmonopol. – Die grundsätzlichen Verbesserbarkeit des Kolonialismus zeigte einen Grundzug der kolonialen Anthropologie -> Ausdruck des eurozentrischen (Selbstverständnisses) der Moderne. Mit dieser instrumentellen oder funktionalistische Vernunft waren die Ansprüche der Entrechteten inkompatibel. Nur die die eine höhere Bildung hatte, durften ihre Stimme erheben. Mit der formalen Unabhängigkeit der ehemaligen Kolonien änderten sich die politischen Rahmenbedingungen für die ethnographische Anthropologie grundlegend. Sie mussten Forschungsaufenthalte begründen. Ganze Disziplin war am Prüfstand. Insofern war die postmoderne Kritik eine Reaktion auf die postkolonialen Bedingungen. Richtete sich gegen die kolonialen Repräsentationsformen und deren wissenschaftliche Methodologie. Den einseitigen Portraits ahistorische Anderer wurde mit einem Konzept des radikalen Pluralismus begegnet. Der paradigmatische Wandel ist also nicht eigenständig erfolgt. Ende des Kolonialismus = Vorbedingung für Postmoderne. Postmoderne Ansätze zeigen von nachhaltigen Einsichten. Erst als der Hase zum Wilderer wurde, entdeckte der Ethnographische Wilderer seine „hasenartigen Eigenschaften“ und beginnt auf das Wechselseitige Verstehen und Verständnis umzusteigen. Harmonie wird neu bestimmt: nur was von allen Seiten als Harmonisch bezeichnet wird, hat ein ethisches Recht auf Geltung. DEKONSTRUKTION Neue Schlagworte: Dialog, Kooperation, friedvolle Koexistenz, pluralistische Harmonie, polyphone Repräsentation, neutralisierte Differenzen,…. All das sind Elemente des Diskurses der Postmoderne. Als habitualisierte Wahrnehmungs- Deutungs- und Handlungsweise strukturiert die „vergessene Geschichte“ der kolonialen Beziehungen weiterhin die anthropologische Praxis des ethnographischen Schreibens. 3. Zur beschränkten Rezeptionsfähigkeit postmoderner Überlegungen in der Ethnohistorie Im Kern ist die postmoderne Bewegung eine machtkritische Auseinandersetzung-> vor allem mit der Disziplin selbst. Kritik wird weitgehend zur Selbstkritik. Ihr eigentliches Feld sind die ethnographischen Texte und nur indirekt die deren Koloniale Kontexte. Kritiker der postmodernen Anthropologie sehen in den experimentellen Entwürfen nur „Neuerfindungen“, man könnte auch Plagiat der feministischen Theoriebildung in den 1950er Jahren. Die einsichten der postmodernen Anthropologen sind gar nicht so neu, dazu gehören die Erkenntnisse, dass sich Kultur aus umstrittenen Bedeutungssystemen zusammensetzt, Sprache und Politik untrennbar miteinander verbunden sind und die Konstruktion des Anderen Ausdruck und Folge von Herrschaftsverhältnissen beinhaltet. Verständnis von Ethnohistorie hat eine Art „dezentrierte Weltgeschichte“. So wie Postmoderne erkennt die Konzeption der Ethnohistorie in der Geschichtsschreibung und Anthropologie einen 36 Vera Brlica ETHNOHISTORIE - K.Wernhart / W. Zips (Hrsg.) - Buchzusammenfassung 01.2004 . Ausdruck von Macht, der im Zusammentreffen von Autorschaft und Autorität literaturkritisch analysierbar ist. Ö zweifellos haben die postmodernen Herausforderungen zur selbstkritischen Reflexion geführt. Ö Die postmoderne Wandlung vom Wilderer zum Hasen lässt sich daher als gegenteilige Reaktion auf koloniale Forschungsbeziehung verstehen. Die Asymmetrien in der Weltgemeinschaft haben in postkolonialen Strukturen nur neue Gestalt angenommen und bedürfen einer rationalen Revision (=Nachprüfung, nochmalige Durchsicht!). Dazu kann eine diskurstheoretische und praxeologisch reformierte Ethnohistorie entscheidend beitragen. KAPITEL 12: ENTPROVINZIALISIERUNG DER MODERNE Überlegung zur globalen Entfaltung der Diskurstheorie in der Ethnohistorie 1. Einleitung: Die postmoderne Reflexion hinsichtlich der unhinterfragten Machtbeziehung in der anthropologischen Forschung als eine Art Bewusstwerdungsprozess. Die entsprechenden Einsichten betreffen vor allem die einseitige Machtverteilung in der Forschungspraxis, die sich schon sprachlich gesehen im Begriff „Feldforschung“ (= objektivistische Umdeutung der kommunikativen Forschung als „Reise ins Feld“) äußerte. Weiters die Doppeldeutung des ethnographischen Schreibens als Autorschaft und autoritative Vereinnahmung sowie die Abkoppelung der erforschten Lebenswelt von der abstrakten Theoriebildung. Das postmoderne Gesamtprojekt des Abstandnehmens zur Theoriegeleiteten Ansprüchen hat zu keinem Paradigmenwechsel geführt. Ohne kritische Gesellschaftstheorie verdichten sich die postmodernen Repräsentationen ethnographischer Dialoge zu einer aus der Perspektive der Besiegten geschriebenen Geschichte, die dann das Mitgefühl der Leser regen. Deshalb bedarf das kritische Projekt einer inter- oder transkulturellen Geschichtsforschung einer Theorie der Gerechtigkeit, die mit der Ideologie einer eurozentrischen konstituierten „universalen“ Moderne bricht. 2. Zu einer globalen Vorstellung von Modernität Lange Zeit war der Begriff der Moderne, der Europa als das Zentrum der Weltgeschichte definierte, gängig. Mit den Beschreibungen von den „Anderen“ den „Primitiven“ wurden ein Gegenbild zu sich geschrieben. Diese ,für die Postmoderne, fiktionalen Erzählungen von Fremdheit fungierten als Resonanzboden des Eigenen wo man sich abgrenzen konnte. Die Ausgrenzung der Anderen aus der Moderne lieferten der Ethnologischen und anthropologische Disziplin Bestandteile für den Führungs- und Herrschaftsanspruch. Aus der Sicht einer reflexiven kulturkritischen Haltung lässt sich die unhinterfragte Annahme der kulturellen Überlegenheit und Höherentwicklung der europäischen Geistesgeschichte als symptomatisch für die evolutionistisch bestimmte Moderne lesen. -> gilt auch für die zeitgenössische Version der kritischen Theorie. Richtungweisend ist deshalb auch die diskurstheoretische reformulierte Kritische Theorie von Jürgen Habermas -> die Entfaltung einer gegen sich selbst prozessierenden Vernunft. Dabei könnte die Ethnohistorie und Kulturanthropologie behilflich sein. Sie wären, diskurstheoretisch angeleitet, in der Lage, jene empirischen Forschungen zu unternehmen, an denen sich auch die Diskurstheorie beweisen muss. Laut Zips müsst der Wechsel auf die Diskursebene zur nochmaligen Durchsicht/Überarbeitung des evolutionistischen Postulates führen. Gemessen an den HabermasProzessen des kommunikativen Handelns für partizipatorisches (teilnehmendes) politische Handeln scheinen hohe Anteile der rationalen Handlungskoordinationen durch Prozesse des Argumentierens und der an expliziten Geltungsansprüchen orientierten diskursiven Meinung und Wissensbildung gegeben. Wenn wir der Ethnohistorie eine emanzipatorische Wendung geben wollen, gilt es Begriffe der Moderne und Rationalität zu dezentrieren. -> Entprovinzialisierung der Moderne und Überwindung eines eurozentrischen Entwicklungskonzeptes. Dussel Vorschlag einer globalen Vision der Moderne, die neben emanzipatorischen auch ihre vernichtende und Völkermordende Seite aufdeckt. Richtet sich gegen die eurozentrische Fassung der 37 Vera Brlica ETHNOHISTORIE - K.Wernhart / W. Zips (Hrsg.) - Buchzusammenfassung 01.2004 . Moderne als Idealisierung um einen durch Reformation, Aufklärung und französische Revolution gebildeten Kern. Durch den diskurstheoretischen Ansatz von Habermas mit seinem prozedualen Maßstab der „idealen Sprechsituation“ lässt sich im globalen Kontext der innere Zusammenhang von Recht und Gerechtigkeit behaupten. Wenn der Begriff der Moderne an die globale Bedingung eines Einigungsprozesses aller Betroffenen geknüpft werden könnte, wäre zumindest ein kritischer Maßstab für eurozentrische Konzepte der Vernunft gewonnen. Somit stünde auch ein kritisches Konzept für jegliche hegemoniale Bevormundung zur Verfügung. In der Neufassung von Moderne und Rationalität als entprovinzialisierte Begriffe liegt grundlegende Bedeutung für den „Alltag“ empirischer ethnohistorischer Forschung insbesondere in den Gebieten der Rechts- und politischen Anthropologie. Das Grundverständnis von Recht, Politik, Gerechtigkeit ist ein provinzielles, ethnozentrisches Verständnis. Mit der von Habermas vorgelegten Diskurstheorie des Rechts könnte es gelingen eine rechtlich garantierte partizipatorische Regierungsform zu „entprovinzialisieren“ -> somit würden sich für die empirische rechtsanthropologische Untersuchung neue theoretisch angeleitete Interpretationsmöglichkeiten ergeben. Die kritische Gesellschaftstheorie, die im Rahmen einer diskurstheoretischen Grundlegung der Grundbegriffe und normativern Vorhaben ebenso offen legt wie den Maßstab ihrer Kritik. Im Begriff der kommunikativen Rationalität findet sich bei Habermas der Angelpunkt der Gesellschaftskritik, die auf einer neutralen, verfahrensethischen Konzeption des herrschaftsfreien Diskurses beruht. -> keine verbindliche Anleitung für normative Theorie des Rechts und der Moral. Vom bloßen Dialog der Postmoderne unterscheidet sich der hier gemeinte Diskursbegriff in seiner Bindung an eine rational zustandegekommene Einigung. Durch die Rekonstruktion dieses Prozesses, verstanden als Prozedur einer durch Argumentation vorangeschrittenen Verständigung, lassen sich am Maßstab des Ideals die jeweiligen Machteingaben erkennen und kritisieren. Zu ist aber zu beachten: eine zu sehr am Konkreten orientierte Leseart des „idealistischen Gehalts“ der Diskurstheorie verkennt den kritischen Verwendungszweck. Bei der idealen Sprechsituation geht es um ein prozentuales Kriterium, um Prozesse der Meinungs,- und Willensbildung auf ihre partizipatorischen Gehalte prüfen zu können. Radikal-demokratischer Begriff good governance – erlaubt die faktischen Defizite konkreter Politiken, unabhängig von inhaltlichen Ansprüchen auf „Richtigkeit“ konkreter Entscheidungen, anzugeben. -> Stärke der Theoriegeleiteten Leseart. 3.Diskurstheoretische Begründung der Ethnohistorie In mancher Hinsicht hatte die Ethnohistorie schon immer privilegierten Standpunkt -> Unterwerfung des „vormodernen“ Teils der Menschheit durch das selbsternannte Zentrum Europa. Ihre Quellen beruhende Tätigkeit beginnt in großem Maß mit dieser Entdeckung und Eroberung der Peripherie. Die privilegierte Stellung machte nur so lange Sinn, so lange sie zu Beschreibung der Anderen ausgenützt wurde. Seit Paradigmenwechsel zur kritischen (sozialwissenschaftlichen) Orientierung bemühten sich einige ethnohistorische Arbeiten um eine gegenläufige Entfaltung dieser privilegierten Perspektiven. So wie die Postmoderne kritisiert die diskurstheoretisch angeleitete Ethnohistorie vereinseitigte modernistische Varianten der Vernunft. Zugleich halten wir am Bewusstsein fest, dass jegliche Kritik auf die Vernunft angewiesen ist -> Stimmen mit der kritischen Theorie von Habermas überein, dass zur Aufrecherhaltung der kritischen Funktion sozialwissenschaftlicher Forschung Vernunft neu zu bestimmen ist. Die Diskurstheorie des Rechts von Habermas knüpft an einen prozedualen (= einen äußeren Ablauf betreffend) Vernunftbegriff an, der unparteiisch genug erscheint, der universalistischen Erklärungsansprüchen im integrativen (=einfügend) Rahmen der Weltgeschichte gerecht zu werden. Entscheidende Voraussetzung: Die Bindung der Rationalität von ihrer selektiven eurozentrischen Wahrnehmung zu lösen und damit ihren universalistischen Gehalt zu entfesseln. Ö die Vernunft der „Anderen“ anerkennen Ö aus diesem entprovinzialisierten Vernunftbegriff lässt sich eine Programmatik (= Zielsetzung, Zielvorstellung) für eine theoriegeleitete ethnohistorische Forschung gewinnen. Wenn die krisenhafte Entwicklung der kapitalistischen Moderne auf der Vereinseitigung der zweckrationalen Vernunft beruhen, vermag die Erforschung von Formen kommunikativer 38 Vera Brlica ETHNOHISTORIE - K.Wernhart / W. Zips (Hrsg.) - Buchzusammenfassung 01.2004 . Selbstbestimmung ohne nationale, kulturelle, ethnische oder historische Schranken neue Impulse für die Gesellschaftskritik zu geben. Denn die Bezugspunkte der Zivilgesellschaft und der politischen Öffentlichkeit für eine rationale Koordination des sozialen und politischen Handelns können erst dann für eine antihegemoniale Gesellschaftstheorie fruchtbar gemacht werden, wenn sie zuvor ihrer provinziellen Fassung entledigt wurde. Ö Häufig haben Gesellschaften die allgemein als unterentwickelt, traditionalistisch oder statisch galten, einen höheren Anteil kommunikativer Formen der Selbstbestimmung aufweisen, als demokratische Rechtsstaaten (europäischer Prägung) Ö KAPITEL 13: „THE GOOD, THE BAD and tue UGLY“ Habitus, Feld, Kapital im (Feld des) jamaikanischen Reggae Für den ethnohistorischen Blick auf die Praxis (=alles vom Menschen Hervorgebrachte) braucht es eine theoretische Vorstellung von der sozialen Logik menschlichen Handelns. Die praxeologische Theorie von Pierre Bourdieu lässt sozialtheoretische Konzepte gewissen, die im Zusammenhang mit Geschichte und Gegenwart, von Gesellschaft und Individuum in der sozialen Realität erklärbar machen. FELD, HABITUS und KAPITAL Diese konzeptuelle Triade schafft Bourdieu eine Verbindung von Struktur und Praxis, von Gesellschaft und Individuum sowie von Objektivismus und Subjektivismus. Feldbegriff: Arenen des sozialen Lebens mit ihren Kämpfen um Positionen Habitus: inkorporierter soziale Struktur Kapitalbegriff: Formen von Macht die nicht notwendigerweise materiell bestimmt sind, sondern symbolische Gestalt annehmen können Praxeologische Forschungsinteresse: besteht darin, warum Menschen miteinander und gegeneinander das tun, was sie tun; mit anderen Worten: die individuell unbewusste Dimension des sozialen Handelns freizulegen. -> empirisch analytisches Interesse an sozialen in Praktiken ausgedrückten Realitäten. Konzepte von Feld, Habitus und Kapital: um Struktur und Praxis, objektives Machtfaktoren und subjektive Einstellungen sowie Geschichte und Gegenwart in ihrem untrennbaren Zusammenhang zu halten => „toll kits“ -> um hinter die oberflächlich wahrnehmbaren Verhaltensweisen schauen zu können, ohne diese in strukturfunktionalistischer Wendung auf reine Erscheinungsformen strukturaler Notwendigkeiten zu reduzieren. 2. „Wie ein Fisch im Wasser“ Habitus und Praktiken im „Schlachtfeld“ der dancehall Mit Begriffen des praxeologischen Entwurfes einer Theorie der Praxis werden relationale Fragen, dass heißt ein Hinterfragen der jeweiligen Position, Disposition und Positionierung von praktischen Äußerungen, notwendig. -> Bemühen, mit der empirischen Passivität zu brechen In Übereinstimmung mit der methodischen Anleitung Bourdieus zwingen die Begriffe; Feld, Habitus, Kapital, Strategie und Interesse zu einem vernetzten Denken sozialer Praxis. Wie lassen sich aber die empirischen Daten so vernetzen, dass sie einen Blick auf ihre eigene praktische Logik freigeben? Zuerst sollte man mit der idiographischen Perspektive brechen. Aus dem praxeologischem tool kit bietet sich die Verteilung der Eigenschaften und „Vermögen“ unter Individuen und konkreten Institutionen bestimmt wird. Z.B Reggae als Feld, Im Vordergrund steht dabei die Relation des untersuchten Feldes zum Feld der Macht. Die Anwendung des Feldbegriffes zwingt zu einer relationalen Denkweise. Verständnis dieses Feld innerhalb eines größeren sozialen Raumes zu sehen. 39 Vera Brlica ETHNOHISTORIE - K.Wernhart / W. Zips (Hrsg.) - Buchzusammenfassung 01.2004 . z.B Reggae ist ein Produkt der Geschichte, es lässt sich nicht von den objektiven historischen Strukturen trennen, welche dieses Feld dynamisch hervorgebracht haben und auf vielfache Weise nachwirken. Wie jedes Feld besteht Reggae aus einem Bündel von Beziehungen, das aus den objektiven historischen Beziehungen der afrikanischen Tradition, der Sklaverei, des Kolonialismus, … entstanden ist. Die akkumulierte Geschichte „vergegenwärtigt“ bestimmte Werte, es gibt keinen Ausdruck einer wie auch immer motivierten „Verschmelzung“, sondern im Gegenteil einer aus den Schauplätzen historischer Kämpfe um Herrschaften und Macht hervorgegangene Arena-> für die gegenwärtigen Auseinandersetzungen und Konflikte um Distinktionen und Verteilung materieller und immaterieller Güter. Sichtbar oder besser gesagt konstruierbar wird das Feld durch die Praktiken konkreter Individuen. Sie verkörpern die Geschichte des Feldes. Sie sind das Produkt der Geschichte des gesamten sozialen Feldes und der akkumulierten Erfahrung einer Laufbahn in einem spezifischen Subfeld -> soziale Akteure der inkorporierten Geschichte. Bsp.: Reggae -> hier setzen sich historische kämpfe, Spannungen und Widersprüche im geteilten oder „zerfetzten“ Habitus vieler Handelnder fort. Habitus Konzept erlaubt zu zeigen, dass die individuellen Praktiken mit sozialen „verkörperten“ Strukturen des Feldes rückgekoppelt sind und somit aus sozialen Logiken sind. Habitus besteht aus einem Bündel historischer Beziehungen, die in den Individuen in Form von mentalen und körperlichen Wahrnehmungs-, Deutungs-, und Handlungsschemata „abgelagert“ werden. Zu den analytischen Aufgaben gehört es zu zeigen wie die empirisch beobachteten Praktiken den Habitus bilden und ihrerseits strukturiert werden. 3. The harder they come, the harder they fall Inhaltsangabe des Films ausgelassen! Im Fall von Reggae besitzt vor allem das symbolische Kapital viel Bedeutung. Es wir auch das symbolische Kapital der Ehre genannt. Es wird durch soziales „Erkennen“ und „Anerkennung“ erworben und auch vermehrt. Es geht auch um die Akkumulation dieses Kapitals. Das symbolische Kapital der Anerkennung wird sehr schnell zum ökonomischen Kapital der Hitproduktion. 4. „Respect due“- Symbolisches Kapital in der Ökonomie des Respekts Mit den beiden organisierenden Konzepten von Feld und Habitus verfolgt die praxeologische Theorie die Intention mit den herrschenden Gegensätzen (Subjektivismus vs. Objektivismus, Individuum vs. Gesellschaft, Interaktionismus vs. Strukturalismus) zu brechen. Diese fatalen Alternativen zwischen Geschichte und Soziologie lassen sich durch eine Strukturgeschichte überwinden -> Struktur und Handeln in einer dialogischen Beziehung Im Habitus überschneiden sich Struktur und Handeln durch ihre gleichursprüngliche historische Genese. Habitus aus strukturierten Strukturen => darunter ist zu verstehen: ein Ensemble von Schemata der Wahrnehmung, des Denkens, Fühlens, Beurteilens, Sprechens und Handelns zu verstehen, die strukturierend auf alle expressiven, verbalen und praktischen Manifestationen sowie Äußerungen einer Person einwirken. Habitus ist das Produkt der Geschichte; die von der Vergangenheit geschaffene und zur Zukunft hin geöffnete Gegenwart. In der Hierarchie der unterschiedlichen Sorten von Kapital rangiert eine spezifische Form des symbolischen Kapitals im Reggae (Bsp.) an vorrangiger Stelle: Respekt. Wie jedes Feld lässt es sich als Arenen des Kampfes um Macht fassen. Im männlich dominierten Habitus eingeschrieben, drückt jede Geste, jede verbale Äußerung, jede Handlung die ständige Wehrbereitschaft als akkumulierte Geschichte des Feldes aus. Die Kombination aus den Erfahrungen von Versklavung, Widerstand, Ausbeutung, Trenchtown, schafft ein Modell des kollektiven Habitus, das Respekt zum höchstbewerteten Gut für die Logik der Praxis macht. Ökonomie eines Feldes: jene Logik, die gleichzeitig von den Institutionen, den Mechanismen, den Dispositionen und in den Köpfen der Handelnden eingeschrieben ist. Für deren empirische Untersuchung bedarf es einer Art „praxeologischer Strukturgeschichte“ welche die Ethnohistorie vor Augen hat. 40 Vera Brlica ETHNOHISTORIE - K.Wernhart / W. Zips (Hrsg.) - Buchzusammenfassung 01.2004 5. Schlussbemerkung Für die Realisierung dieses Ethnohistorischen. Theorie-Entwurfes braucht es theoretische Instrumente, die es gestatten Geschichte sowohl in den Strukturen als auch in der Praxis zu erfassen, die den Zusammenhang zwischen sozialen Strukturen und individuellen Handeln erklären können. Mit anderen Worten: Konzepte anbieten und zum Arbeiten bringen, die an der empirisch wahrnehmbaren Praxis der Akteure ansetzen ohne zu übersehen, dass die objektive Welt der subjektiven Welt vorausgeht. Auf der methodischen Ebene wie nach einer praktischen Umsetzung der theoretischen Instrumente verlangt -> wie das narrative biographische Interview -> bietet Zugang zur Praxis vie die Erzählung der Akteure. Tool kit: dadurch scheint Programm einer partikularen und strukturalen historischen Strukturgeschichte durchführbar. Dem Habitusbegriff kommt Schlüsselaufgabe zu, die Kluft zwischen Strukturen und Praktiken zu überwinden. Das Konzept der praxeologischen Strukturgeschichte biete sich für die Ethnohistorie an, weil die soziale Welt als akkumulierte Geschichte aufgefasst und der Prozess der Akkumulation durch das Handeln von Menschen rekonstruiert wird. Die emanzipatorische Aufgabe ist die Aufdeckung von Machtbeziehungen und Ungerechtigkeiten in den unterschiedlichsten Kontexten, wozu es einer Zusammenarbeit über die Grenzen der Subfelder der Ethnologie, Sozialgeschichte und Soziologie hinweg bedarf. Das Habituskonzept erinnert an die soziale Macht der Geschichte. Durch eine komplementäre praxeologische und diskurstheoretische Macht der Begründung kann das ethnohistorische Interesse an dieser Macht der Geschichte über eine Geschichte der Macht in eine Kritik der Macht münden. -------------------- 41 .