GALIFA AUGEn BLICK 03/2010 Ausgabe 03/2010 // 1. März 2010 Die Messungen im Vorfeld einer Contactlinsen-Anpassung. Teil 1 Das monatliche Update für Contactlinsen-Profis PDF dieses Artikels unter www.galifa.ch Galifa Contactlinsen AG Zürcherstrasse 204e // Postfach 48 // CH-9014 St. Gallen Telefon +41 71 272 30 00 // Fax +41 71 272 30 10 [email protected] // www.galifa.ch nora Bretschneider (*1979). Studium mit Abschluss als Dipl.-Ing.(FH) Augenoptik an der Fachhochschule Aalen (Deutschland). Seit Februar 2006 beraterische und praktische Tätigkeit im Professional Service von Galifa in St. Gallen. ––– 1. Refraktion und Sehschärfe Die subjektive Refraktion ist Grundvoraussetzung zur Anpassung von weichen und formstabilen Contactlinsen. Sie bestimmt die Stärke der zu fertigenden Contactlinsen und ist ein Entscheidungskriterium dafür, ob eher weiche oder formstabile Contactlinsen getragen werden sollen. Bei hohen Astigmatismen – die meist durch einen HornhautAstigmatismus entstehen (feststellbar bei der Messung der Hornhaut-Radien) – ist die Sehschärfe mit einer formstabilen Contactlinse meist deutlich besser im Vergleich zur weichen. Die Entscheidung, ob in diesen Fällen eine formstabile Contactlinse angepasst wird, ist aber auch abhängig von den Erwartungen des Kunden. Einige unter ihnen nehmen Einbussen in der Sehschärfe in Kauf, damit sie keine formstabilen Linsen tragen müssen. Grundsätzlich gehen Sie bei der Refraktionsbestimmung gleich vor wie bei einer gewöhnlichen Brillenglasverordnung. Teil 1 Die Messungen im Vorfeld einer Contactlinsen-Anpassung. Text: nora Bretschneider «Wie gross ist der Hornhaut-Durchmesser?», «tangiert das Unterlid die Hornhaut oder wird sie von ihm bedeckt?». Diese und weitere Fragen stellen wir Ihnen am Telefon, wenn Sie eine Contactlinse für Ihren Kunden von uns fertigen lassen möchten. Gründliche Messungen im Vorfeld sind eine wichtige Voraussetzung, damit Sie die Contactlinsen-Anpassung so schnell als möglich mit Erfolg abschliessen. Die exakte Kenntnis der Corneadaten, der Refraktion und der Situation der vorderen Augenabschnitte ermöglichen eine zielgerichtete Wahl der bestmöglichen Mess- oder Anpasslinse. Für die Contactlinsen-Versorgung ist der Refraktionswert im Hornhaut-Scheitelabstand (HSA) 0 massgebend. Notieren Sie deshalb immer – vor allem bei höheren Korrektionswerten (+/– 6 dpt) – den HSA, bei dem Sie die Refraktion durchgeführt haben. Er liegt in der Regel zwischen 12 und 16 mm. ––– 1.1 Contactlinsen-Stärke bei weichen Linsen Der Brillenwert auf den HSA 0 umgerechnet ergibt bei weichen Contactlinsen – bei torischen Linsen unter Berücksichtigung der zu erwartenden Stabilisationsachse – den zu bestellenden Wert. Bei der Refraktion erfassen wir nebst den «Rezeptwerten» einige subjektive Äusserungen des Probanden, die uns später bei der Wahl der ersten Messlinse von Nutzen sein werden. – Festlegen des so genannten Toleranzfensters: Bemerkt der Proband die Änderung bei der Drehung des Kreuzzylinders stark? Wie sehr stören ihn Abweichungen von der Achslage? – Monokulare und binokulare Sehschärfe: Werden kleinere Änderungen der Sphäre sofort wahrgenommen? Ist der Proband ein guter Beobachter? – Kleine Astigmatismen (<0.75 dpt): Sie zeigen sich mit sphärischen Weichlinsen oft etwas geringer, deshalb ist bei der Refraktion darauf zu achten, wie sensibel der Patient auf die Korrektion dieses kleinen Astigmatismus reagiert. Notieren Sie sich den Visus ohne und mit zylindrischer Korrektur. – Bestimmung des Führungsauges: Dieses reagiert häufig sensibler auf die Korrektur geringer Astigmatismen. ––– 1.2 Contactlinsen-Stärke bei formstabilen Linsen Bei formstabilen Contactlinsen gestaltet sich die Berechnung der Contactlinsen-Stärke etwas aufwendiger als bei weichen Linsen. Dort haben die Wirkung der Tränenlinse sowie die Verhältnisse der Astigmatismen einen Einfluss auf die endgültige Contactlinsen-Stärke (vgl. Galifa Augenblick September und Oktober 2009). ––– 2. Spaltlampen-Untersuchung des vorderen Augenabschnittes Bei der Spaltlampen-Untersuchung wird geprüft, ob Auffälligkeiten am vorderen Augenabschnitt auftreten, die gegen das Tragen von Contactlinsen sprechen bzw. die Verträglichkeit der Contactlinsen beeinflussen können. Insbesondere wird geprüft, ob Anzeichen für ein trockenes Auge vorliegen. Der Ablauf der Untersuchung sollte strukturiert und zunächst ohne Fluoreszein erfolgen. Der vordere Augenabschnitt wird in der direkten Beleuchtung (Spalt) – bei 10- bis 16-facher Vergrösserung – untersucht. Abb–1: Der Tränenmeniskus zur Beurteilung der Tränenfilmquantität. Vorschlag für den Ablauf der Spaltlampen-Untersuchung 1.Tränenfilmrechtsundlinks – Tränenmeniskus re/li – Tränenzusammensetzung re/li (Fliessgeschwindigkeit, Teilchenmenge, Interferenzen) – Tänenfilmstabilität re/li (NIBUT) 2. Rechtes Auge und 3. Linkes Auge – – – – – – – – – – – Lider und Lidränder (Ausgänge Meibomsche Drüsen) Bulbäre Bindehaut (alle 4 Quadranten) Untere Lidbindehaut Tränenpünktchen Randschlingennetz Cornea (Oberfläche, Stroma, Struktur/Transparenz, Vaskularisationen, Endothel) Kammerwinkel Vorderkammer Vorderkammertiefe Iris Augenlinse 4. Lidspannung und tarsale Bindehaut – – – – Lidspannung re/li Oberlidverlauf re/li Tarsale obere Bindehaut (Ektropionieren) re/li Tarsale untere Bindehaut re/li 5. Untersuchung mit Fluoreszein – Cornea und Conjunktiva mit Fluo auf Stippungen re/li – BUT mit Fluo re/li Beurteilung des Tränenfilms Die Beurteilung des Tränenfilms ist die erste Beurteilung, die an der Spaltlampe durchgeführt wird, da sich die Tränenmenge und -zusammensetzung bei längerer und stärkerer Beleuchtung verändern kann. Die erhöhte Beleuchtung kann zu einer stärkeren Sekretion führen. Bitte beachten Sie: Die Beurteilung des Tränenfilms ist eine Momentaufnahme und sagt unter Umständen nichts über den dauerhaften Zustand aus. Tränenfilm-Quantität Es gibt diverse Tests zur Beurteilung der Tränenfilm-Quantität, z.B. den Schirmer-Test oder den Baumwollfaden-Test. In der Praxis sind diese Testmethoden durch die Reizsekretion wenig aussagekräftig und haben sich deshalb nicht bewährt. Eine weitere Möglichkeit, die Menge des Tränenfilms zur beurteilen, ist die Messung der Tränenmeniskus-Höhe an der Spaltlampe (vgl. Abb. 1). Eine Höhe von ca. 0.20 mm (ca. ¼ der Breite der Lidkante) gilt als normal. Beachten Sie jedoch, dass der Tränenmeniskus kurz nach dem Lidschlag geringer ist und auch in Abhängigkeit von der Tageszeit Schwankungen unterliegt. Tränenfilm-Qualität Zur Beurteilung der Tränenfilm-Qualität werden folgende Tests verwendet: NIBUT (Non Invasive Break Up Time), Fliessverhalten, Interferenzen, BUT (Break Up Time). Direkt zu Beginn der Spaltlampen-Untersuchung und vor allem bevor Fluoreszein appliziert wird, führen wir den NIBUT-Test durch und beurteilen die Fliessgeschwindigkeit, die Teilchenmenge und die Interferenzen. Beim NIBUT Test wird ein beleuchtetes Kreuzgitter auf den Tränenfilm abgebildet. Dieses Gitterbild wird nach einem Lidschlag auf Abbildungslücken überprüft. Die Zeit bis zum ersten Bildausfall bzw. bis zur ersten Trockenstelle ist die NIBUT. Dieser Test kann auch durch die Projektion der Ophthalmometer-Testmarken oder des Keratographen Ringmusters auf den Tränenfilm durchgeführt werden. Wenn die Zeit bis zum Auftreten der ersten Verzeichnungen weniger als 20 Sekunden beträgt, liegt ein Verdacht auf ein trockenes Auge vor. Fliessverhalten und Teilchenmenge werden im schmalen Spalt in der spiegelnden Beleuchtung beobachtet (vgl. Abb 2). Eine schnelle Teilchenbewegung deutet auf einen wässrigen Tränenfilm, eine langsame Teilchenbewegung auf einen viskösen Tränenfilm hin. Abb–2: Im rechten Bild ist ein Auge mit vielen Partikeln im Tränenfilm dargestellt. Dies kann ein Hinweis darauf sein, dass der Contactlinsen-Träger zu mehr Ablagerungen neigt. Der Tränenfilm des Auges im linken Bild enthält hingegen nur wenige Teilchen. Mit Hilfe eines Tearskopes kann ein Interferenz-Mustertest durchgeführt werden. Je mehr Interferenzen auftreten, desto höher ist der Lipidanteil im Tränenfilm. Die Interferenzen können auch in der spiegelnden Beleuchtung an der Spaltlampe beobachtet werden Erscheinen die Strukturen eher grau/weisslich, ist dies ein Indiz für Lipidmangel; hellgelb ist ein Indiz für Lipidgleichgewicht und bläulich ein Indiz für Lipidüberschuss. Der BUT-Test ist der bekannteste Test zur Beurteilung der Tränenfilm-Qualität. Er wird mit Hilfe von Fluoreszein durch- geführt. Nach drei Lidschlägen wird der Kunde aufgefordert, solange wie möglich die Augen aufzuhalten, und wir messen die Zeit bis zum Auftreten der ersten dunklen Stelle (vgl. Abb. 3). Wenn die BUT höher ist als 10 Sekunden, liegt mit aller Wahrscheinlichkeit ein stabiler Tränenfilm vor. Liegt sie zwischen 5 – 9 Sekunden, besteht der Verdacht auf ein trockenes Auge, und unter 5 Sekunden ist ein trockenes Auge wahrscheinlich. Abb–7: Auszug aus den CCLRU Grading Scales. ––– 3. Hornhaut-Durchmesser 4 Abb–3: Beurteilung der BUT. Durch das Auftreten von schwarzen Stellen wird ersichtlich, dass der Tränenfilm aufreisst. Abb–4: Durch das Anfärben des Tränenfilms mit Fluoreszein werden die Lipcof noch deutlicher erkennbar. Weitere Indizien auf ein trockenes Auge Lipcof – Lidkantenparallele Konjunktivalfalten Die Summe aller Lipcof ist nach neuesten Erkenntnissen der vorhersagewahrscheinlichste Einzeltest für trockene Augen. Dabei wird die Anzahl der Lipcofs nasal und temporal ermittelt. Je mehr lidkantenparallele Konjunktivalfalten vorliegen, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit auf ein trockenes Auge. LWE – Lid Wiper Epitheliopathie/ULMS – Upper Lid Margin Staining LWE oder auch ULMS genannt sind beschädigte Zellen an der oberen Lidkante, die sich mit Fluoreszein anfärben lassen (vgl. Abb. 5). Sie sind ebenfalls ein Indiz für ein trockenes Auge. Unvollständiger Lidschlag Bereits während der Befragung des Kunden sollte beobachtet werden, wie oft er blinzelt und ob er das Auge dabei komplett schliesst. Die Lidschlagfrequenz liegt normalerweise bei ca. 12 Lidschlägen pro Minute, d.h. es sollte ungefähr alle 5 Sekunden ein Lidschlag erfolgen. 5 Die Messung des Hornhaut-Durchmessers können Sie wie folgt durchführen: – Mittels des Messokulars an der Spaltlampe – Mittels Schablone (vgl. Abb. 9) – Mittels PD Stab – Z. T. automatische Messung durch Topographiegeräte (vgl. Abb. 10) HäufigkeitsverteilungderCornea-Durchmesser 25 Häufigkeit (%) 3 Der Hornhaut-Durchmesser ist neben der Lidspaltenweite die wichtigste Kenngrösse, um den Durchmesser der ersten Contactlinse zu ermitteln. Durchschnittlich liegt der Hornhaut-Durchmesser bei 11.60 – 12.00 mm (vgl. Abb. 8). Er kann aber auch deutlich von diesem Wert abweichen. Hinterfragen Sie immer Ihre Messergebnisse – insbesondere wenn Sie Werte ermitteln, die klar vom Durchschnitt abweichen. 20 10 5 0 10.4 10.6 10.8 11.0 11.2 11.4 11.6 11.8 12.0 12.2 12.4 12.6 Horizontaler Cornea-Durchmesser (mm) Abb–8: Häufigkeitsverteilung der Hornhaut-Durchmesser. 11.76mm 6 Abb–5: Lid Wiper Epitheliopathie. Abb–6: Bildung von Stippen durch einen unvollständigen Lidschluss. Wenn der Tränenfilm mit Fluoreszein angefärbt ist, wird durch eine schwarze Linie ersichtlich, bis wohin das Oberlid geschlossen wird. Dokumentation Während der Spaltlampen-Untersuchung sollten die Befunde am vorderen Augenabschnitt z.B. mit Hilfe von Grading Scales dokumentiert werden. Grading Scales sind eine Sammlung verschiedener makroskopischer und mikroskopischer Veränderungen des vorderen Augenabschnittes, die in 4 oder 5 Schweregrade eingeteilt werden. 9 10 Abb–9: Die Galifa Messschablone. Sie dient neben der Bestimmung des Hornhaut-Durchmessers auch zur Messung von PupillenDurchmesser, Lidspaltenhöhe und Contactlinsen-Durchmesser. Abb–10: Die automatische Messung des Cornea-Durchmessers vom Keratographen sollte immer hinterfragt werden. In diesem Beispiel weicht der automatische Messwert (12.90 mm) deutlich vom tatsächlichen Wert (11.76 mm) ab. Teil 2: Galifa Augenblick 04/10 und www.galifa.ch