Workshop Partizipatives Privacy by Design 06.-07. Oktober 2016 Wissenschaftliches Zentrum für Informtionstechnik-Gestaltung (ITeG) an der Universität Kassel Donnerstag, 06. Oktober 2016 Freitag, 07.Oktober 2016 12:30 Ankunft & Kaffee 09:00 13:00 Eröffnung und Begrüßung Carsten Ochs, Philipp Richter, Markus Uhlmann (ITeG, Univ. Kassel) 13:30 Das Demokratie-Verständnis der Verfassung - mit besonderem Blick auf Fragen der Technikgestaltung Alexander Roßnagel (ITeG, Univ. Kassel) 14:00 Kurze Kaffeepause 14:15 Panel: Normative Grundlagen Max Winter (Universität Jena): Informationelle Selbstbestimmung & Demokratie Jessica Heesen (Universität Tübingen): Demokratie und Privatheit in Mensch-Technik-Ensembles Philipp Richter (ITeG, Univ. Kassel): Rechtliche Möglichkeiten der Partizipation bei der Technikgestaltung 16:00Pause 16:30 Keynote: Informatik als Gestaltung von Gesellschaft Ingo Schulz-Schaeffer (TU Berlin) 17:15 UX - User Experience Design als Schnitt- stelle zwischen Mensch und Maschine Kai Reinhard (Geschäftsführer Micromata GmbH) Keynote: Privacy by Participatory Design. Erfahrungen bei der Entwicklung einer Nachbarschaftsplattform mit älteren Menschen Susanne Maaß (Universität Bremen) 10:00 Kurze Kaffeepause 10:15 Panel: Design via Praktiken Petra Ilyes, Laura Kocksch (Univ. Frankfurt/M): Workarounds und Aneignung auf Social Network Sites. Demokratisches Potenzial oder Dysfunktion? Die interaktive Privatsphäre auf Facebook. Paula Helm (Univ. Frankfurt/M): Kulturelle Praktiken der Anonymität: Diskriminierungsschutz, soziale Gleichheit und Anti-Celebrity-Ethik Melanie Volkamer (Universität Karlstad): Usable Privacy by Design?! 12:00Mittagspause 13:15 Panel: Systemdesign Jan-Felix Schrape (Universität Stuttgart): Dezentralisierung und Emanzipation durch Open-Source-Softwareprojekte? Andreas Poller, Sven Türpe (TU Darmstadt): Chan- cen der Partizipation im Software Engineering Johannes Eichenhofer (Universität Bielefeld): Rechtliche Regulierung zwischen System- und Selbstdatenschutz 15:00Pause 15:30 Partizipation, Deliberation, Repräsentation: Wie wird Privatheit demokratisch geschützt? Jörn Lamla (ITeG, Univ. Kassel) 17:45Abschlussdiskussion 16:00Abschlussdiskussion 19:00Abendessen 16:30 Ende der Veranstaltung & Abreise Partizipatives Privacy by Design – Konzept Der Status der für moderne Gesellschaften zentralen Unterscheidung öffentlich/privat gilt seit einigen Jahren als „digital erschüttert.“ Eine im Bereich der interdisziplinär informierten Informatik entwickelte Antwort auf die Problematik besteht in der Privacy by Design-Strategie.1 Diese operiert mehr oder weniger ausdrücklich mit der Annahme, dass Sozialität mit technischen Mitteln konstituiert wird. Konkret folgt sie der Prämisse, dass der altehrwürdige Ordnungsmechanismus ‚öffentlich/privat‘ digitalen Informationssys-temen soziotechnisch eingebaut werden kann. Die sozialwissenschaftliche Wissenschafts- und Technikforschung dürfte mit der zugrunde liegenden Sichtweise zumindest dahingehend wenig Schwierigkeiten haben, dass schon seit geraumer Zeit die technisch-materielle Bauweise von Sozialität als ausgemacht gilt (der englischsprachige Klassiker hierzu das von Bijker/Law 1992 editierte „Shaping Technology / Building Society“; für einschlägige deutschsprachige Behandlungen des Themas s. z.B. Schulz-Schaeffer 2000; Rammert 2011). Was in die eine Richtung (technische Formung des Sozialen) gilt, gilt allerdings auch in die andere: Technik wird immer auch sozial geformt („Social Construction of Technological Systems“, vgl. Bijker/Hughes/Pinch 1987); und die Art und Weise, in der das geschieht, ist von weitreichender politischer Bedeutung. Pointiert ausgedrückt: Wer an der sozialen Formung von Technik mitwirkt, entscheidet gleichzeitig mit darüber, wie Gesellschaft gebaut ist. 1 https://www.privacybydesign.ca/ Damit ist schon angedeutet, dass die Frage nach dem Privacy by Design sich gleichermaßen und gleichzeitig auf technische (Systeme), rechtliche (Normen) und institutionelle (Praktiken) Gestaltungsdimensionen erstreckt, und dabei immer politische Qualität aufweist. Indessen fördert schon der oberflächliche Blick auf den technischen Bau von Gesellschaft, jedenfalls sofern der derzeit massiv destabilisierte Ordnungsmechanismus der Privatheit betroffen ist, massive, undemokratische Macht-Asymmetrien zutage. Um ein prominentes Beispiel zu nennen: Wenn Online Social Network-Betreiber die „aktuell sozial geltende Norm des sharing“ gegen angemessenes Privacy by Design der von ihnen betriebenen Informationssysteme ins Feld führen, dann werden damit normative Vorstellungen davon, wie die Unterscheidung öffentlich/privat in die Informationssysteme eingebaut werden soll sowohl semiotisch (d.h. hier: diskursiv) als auch materiell (d.h. hier: in die Infrastruktur eingebaut) performativ hervorgebracht. Wenn Prozesse der Technikgestaltung solchermaßen stets ‚unter der Hand‘ und jenseits kollektiver Aushandlungsprozesse neue Fakten zu generieren drohen, werden nicht nur demokratische Legitimationsdefizite deutlich. Vielmehr bleibt auch weitgehend fraglich, inwiefern eine Technikgestaltung, die von vornherein von bestimmten Annahmen über Privatheit angetrieben wird, deren soziotechnischer Komplexität überhaupt problemangemessen Rechnung tragen kann. Wie könnten nun demgegenüber Prozesse der Informationstechnik-Gestaltung organisiert werden, die die Strategie des Privacy by Design als gestalterische Devise ernst nehmen, gleichzeitig aber mit Fragen nach der demokratischen Partizipation auf institutioneller, rechtlicher und technischer Ebene verknüpfen? Wie könnte in diesem Sinne das Paradigma des Privacy by Design mit dem Paradigma des Partizipativen Design (vgl. Ehn 1988) systematisch verbunden werden? Will man diesen Fragen nachgehen, so ist ein interdisziplinäres Vorgehen offenkundig unerlässlich. Der Workshop ‚Partizipatives Privacy by Design‘ stellt folgerichtig den Versuch dar, die Herausforderungen und Potentiale eines ‚Partizipativen Privacy by Design‘-Konzeptes aus technischer, rechtlicher und gesellschaftlich-institutioneller Perspektive in den Blick zu nehmen. Zu diesem Zweck sollen sozial- (Anthropologie, Soziologie, Sozialphilosophie, Rechtswissenschaften etc.) und technikwissenschaftlich (Informatik, HCI-Forschung, Usability Studies) orientierte Forschungen miteinander ins Gespräch gebracht werden, um zum einen die Möglichkeiten der gesellschaftlichen Gestaltung soziotechnischer Systeme und Institutionen, der Konstitution soziotechnischer Praktiken sowie der Prägung soziotechnischen Normen auszuloten; und um zum anderen Vorstellungen, Konzeptionen und emanzipatorische Potentiale von Partizipation interdisziplinär zu diskutieren.