Mama, ich bin schwul! Vorsorge für junge Schwule "Mama, ich bin schwul". Das war der erste Titel des „Stern“ 2008. Das Thema wird normaler. Glücklicherweise kommt das Coming-Out heute früher, oft schon in oder nach der Pubertät. Das bedeutet weniger Angst, weniger Unglück, weniger Unfreiheit bei jungen Schwulen. Auch Eltern werden toleranter. Sprüche wie „Du bist nicht mehr unser Sohn“ sind nur noch Einzelfälle. Dennoch gehört mehr zur sexuellen Gesundheit. Ein selbst bestimmtes Leben frei von Diskriminierung an Schule, Arbeitsplatz und auf der Straße, aber auch frei von unnötigen sexuell übertragenen Krankheiten (STD). Unnötig, weil gute Aufklärung und spezielle Vorsorgeuntersuchung bei Schwulen diese oft verhindern können. Wir, das sind ÄrztInnen und SozialarbeiterInnen aus Kliniken, Praxen und Gesundheitsämtern, haben deshalb eine „Arbeitsgemeinschaft sexuelle Gesundheit“ gegründet, zusammen mit der Deutschen STD-Gesellschaft und dem Robert-Koch-Institut. Wir werden von Regierung und Krankenkassen u.a. spezielle Vorsorgeprogramme für Schwule fordern. Was ist wichtig bei einem STD-Check? Worauf sollte Dein Arzt, Deine Ärztin Dich untersuchen? Bedrohung Nr.1: HIV. Das Virus ruft immer noch, trotz potenter Medikamente, tödliche Krankheiten hervor. Auf sexuellem Wege ist es anders als viele sonstige STD’s nur durch eindringenden Geschlechtsverkehr ohne Kondom übertragbar. Ein regelmäßiger HIV-Test (alle 6-12 Monate) ist wichtig, um sich und andere zu schützen. Die Syphilis war das Aids der letzten Jahrhunderte. Viele wurden schwachsinnig oder sind gestorben. Jetzt ist sie wieder häufig, aber mit Penicillinspritzen ist sie heilbar. Die Krankheit zeigt verschiedene Symptome in verschiedenen Stadien. Ca. 3 Wochen nach Ansteckung finden sich schmerzlose Ulzera (offene Stellen) am Penis, Anus oder Mundbereich. Im nächsten Stadium kann es Ausschläge am Körper geben. Im 3. Stadium werden Organe, auch das Gehirn, befallen. Müdigkeit und Depression sind häufig in allen Stadien. Ein Bluttest ist nötig. Gonorrhoe (Tripper) und/oder eine Chlamydieninfektion werden durch Bakterien übertragen. Diese leben in der Harnröhre (Penis), dem Rachen oder dem Anus. Brennen und gelblicher Ausfluss können Symptome sein, aber auch „stille Infektionen“ sind möglich. Wir schätzen, dass in Berlin 20% MSM (Männer, die Sex mit Männern haben) infiziert sind, ohne es zu merken. Dazu machen wir in der Praxis gerade eine große Studie. Diese Männer sind in Gefahr, sich mit schlimmeren Infektionen wie HIV oder Syphilis leichter anzustecken. Abstriche zeigen die Keime, Antibiotika können heilen. Das Lymphogranuloma venerum wird durch spezielle Chlamydien hervorgerufen, war früher eine reine Tropenkrankheit, und tritt jetzt zunehmend bei MSM in Großstädten auf. Symptome sind Lymphknotenschwellungen und schmerzhafte Entzündungen im After. Hepatitis A, B, C sind Leberentzündungen und können sexuell durch Viren übertragen werden. Symptome sind Übelkeit, Schwäche, Müdigkeit, Durchfall, selten Gelbsucht. Ein chronischer Verlauf der Hepatitis B und C kann lebensbedrohlich sein. Es gibt Medikamente, die aber starke Nebenwirkungen haben. Eine Impfung gegen Hepatitis A und B schützt. Bitte Deinen Arzt/Ärztin um einen Bluttest. Herpes genitalis wird auch durch Viren übertragen. Es finden sich schmerzhafte Stellen an Penis und Anus. Es gibt Medikamente, aber die Infektion ist häufig chronisch und bricht immer wieder durch. Die häufigste, manchmal gefährliche und leider oft nicht ernst genommene Geschlechtskrankheit wird durch HPV(Humanes Papilloma Virus) hervorgerufen: Es wachsen Feigwarzen (Condylomata accuminata) am Genitale und/oder am oder im Anus. Heimtückische Untergruppen des Virus können sogar Krebs hervorrufen. Die Untersuchung erinnert an die beim Frauenarzt (das kennt die Mama!). Es werden spezielle Zellabstriche zur Krebsvorsorge gemacht und einige Spezialisten können mit dem Mikroskop (HRA= High Resolution Anoskopy, nicht schmerzhaft) in den Analkanal schauen. Die Viren werden sehr leicht, sogar durch Finger, übertragen. Therapiert wird mit chemischen Lösungen, flüssiger Kälte (Stickstoff) oder mit Laser. Leider ist das Risiko des Nachwachsens der Warzen sehr groß. Eine neue Impfung gegen HPV ist bislang nur für Frauen zugelassen. Die Zulassung für Männer steht bevor. Abschließend bleibt zu betonen, dass jemand der eine STD hat, keine „Schlampe“ oder selbst schuld ist, denn jeder, der Sex auch ohne Eindringen hat, kann sich etwas einfangen. Aber: Aufklärung und Kondome schützen oft.