Seite 154 GET-Skript 8 Stromkreis im quasistationären Zustand 8.1 Der quasistationäre Zustand Kapitel 2, 3 und 4: Zusammenschaltung von ohm‘schen Widerständen (R) und Verhalten bei Gleichspannung / Gleichstrom. Kapitel 5, 6 und 7: Betrachtung von Kapazitäten (C) und Induktivitäten (L) bei zeitlich veränderlichen Spannungen / Strömen. Jetzt: Schaltungen aus R, L, C an zeitlich nicht konstanten Quellen. Lösung der Maxwell-Gleichungen muß dann über die ganze Struktur einer realen Schaltung erfolgen, also - (1) über alle Bauelemente, Quellen - (2) über alle Verbindungsleitungen - (3) an allen Stellen im Raum. In vielen praktischen Fällen kann man die Lösung vereinfachen, wenn entsprechende Bedingungen zutreffen. Quasistationärer Fall: Die Ausbreitungszeit elektrischer und magnetischer Felder innerhalb der betrachteten realen Schaltung ist kurz im Vergleich zu der Zeit, in der sich diese Felder ändern. Dann kann man die Felder wie in der Statik berechnen und das Feld ist darstellbar als Produkt aus einer Ortsfunktion ( x, y, z ) und einer Zeitfunktion ( t ) . Durch den quasistationären Fall vereinfacht sich also (3). E ( x, y, z, t ) ≈ E ( x, y, z ) ⋅ f ( t ) B ( x, y, z, t ) ≈ E ( x, y, z ) ⋅ f ( t ) . Idealisierte Bauelemente In vielen praktischen Fällen kann man dann weiterhin reale Bauelemente durch Kombinationen sog. idealisierter Bauelemente beschreiben und (1) un (2) vereinfachen. Man nimmt dabei an - Verbindungsdrähte widerstandslos äußere magnetische Felder vernachlässigbar klein Kapazität speichert nur elektrische Energie Induktivität speichert nur magnetische Energie Widerstand setzt nur elektrische Energie in Wärme um. Stromkreis im quasistationären Zustand Seite 155 Sinusförmige Vorgänge In Kapitel 9 werden die zeitveränderlichen Spannungen und Ströme auf die technisch wichtigen cosinusförmigen Veränderungen f ( t ) ∼ cos ( ωt ) eingeschränkt. Dadurch vereinfacht sich die Schreibweise und sie wird vergleichbar mit der Schreibweise für Gleichstromschaltungen. 8.2 Idealisierte Bauelemente und Quellen 8.2.1 Ideale Induktivität Das magnetische Feld wird auf einen bestimmten räumlichen Bereich begrenzt, z.B. durch Toroidform (zusammengebogene, lange Spule), abschirmendes Gehäuse, usw. Dadurch gilt quasistationärer Fall und es gibt keine Wechselwirkung mit anderen Teilen der Schaltung. Weiter sei Widerstand der Leiter = 0 und Kapazität zwischen Drähten = 0. 1 i 1 i u u 2 2 L Für den geschlossenen Weg Γ gilt °Γ∫ Eds = ∫ Eds + 1 aussen 2 ∫ Eds 2 Draht 1 und weiterhin ist für den Weg Γ °Γ∫ Eds ∫ d dψ = – ----- ∫ B d A = – ------- , also dt dt 1 aussen 2 Eds + ∫ 2 Draht 1 d dψ Eds = – ----- ∫ B d A = – ------- = u dt dt Seite 156 GET-Skript Im Draht ist R = 0 , also auch mit Strom E = 0 und somit ∫ ∫ Eds = 0 , also 2 Draht 1 Eds = u = u 12 1 ausssen 2 Die induzierte Spannung u fällt also zwischen den realen Klemmen ab, ist also die Klemmenspannung u12.. Wählt man die Zählpfeile so, daß i ∼ – ∫ B d A = – ψ gleiche Zeitfunktion haben (quasistationär) sodaß di ⁄ dt ∼ – dψ ⁄ dt = u wird, dann ist die Beziehung zwischen Klemmenstrom und Klemmenspannung an einer idealisierten Induktivität: di u 12 = L ⋅ ----dt Klemmenspannung ideale Induktivität L ist eine das Bauteil beschreibende Konstante 8.2.2 Ideale Kapazität Das E -Feld wird auf einen bestimmten räumlichen Bereich beschränkt, z.B. durch eng gegenüberliegende Kondensatorplatten, also kein Streufeld. Dadurch gilt quasistationärer Fall und es gibt keine Wechselwirkung mit anderen Teilen der Schaltung. Weiterhin seien die Ladungen auf Verbindungsdrähten und das Magnetfeld von Leitungs- und Verschiebungsstrom vernachlässigbar, die Leitfähigkeit des Dielektrikums = 0 und Widerstand der Anschlußdrähte und Platten = 0 1 i 1 i 1’ u u C 2’ 2 2 Weil B vernachlässigbar, ist ∫ E ds = 0 , also ° ∫ E ds + 1 Draht 1′ ∫ E ds + 1′ Fel d 2′ ∫ E ds + 2′ Draht 2 E ds = 0 , also Draht ∫ 1′ Fel d 2′ E ds = – ∫ 2 aussen 1 E ds = ∫ E ds = 0 2 aussen 1 ∫ Im Draht 1-1‘ und 2-2‘ wegen R = 0 ∫ 1 aussen 2 E ds = u 12 Stromkreis im quasistationären Zustand und die Klemmenspannung ist u 12 = Seite 157 ∫ E ds 1′ Fel d 2′ Weiterhin gilt für eine geschlosssene Fläche A umd die Platte 1′ , also für eine Fläche mit Rand Γ = 0 ∂D - d A °A∫ S + -----∂t = d °A∫ Sd A + d t °A∫ Dd A °Γ∫ H ds = 0 und damit dq dq = – i + ------ = 0 und i = -----dt dt Wählt man als positive Stromrichtung die in die Hüllfläche (um Platte 1′ herum) hinein, also parallel zum Zählpfeil der Zeichnung, so ist dq d i = ------ = ∫ Dd A und q = dt dt° A °A∫ Dd A Wegen der gleichen Zeitfunktion für E und D ist dann auch q = °A∫ Dd A ∼ 1′ →∫ 2′ E ds = u12 und somit C = q ⁄ u 12 zeitlich konstant. Mit C=const ist aber i = dq ⁄ dt = d ⁄ dt ( C ⋅ u 12 ) = C ⋅ d u 12 ⁄ dt Zwischen Klemmenstrom und Klemmenspannung eines idealen Kondensators gilt also die Beziehung du 12 i = C ⋅ ----------dt 8.2.3 Idealer Widerstand Das Magnetfeld der Leitungen sei vernachlässigbar, der Widerstand der Zuleitungen = 0. 1 i 1 i u u 2 2 R Seite 158 GET-Skript Im Gegensatz zu Induktivität und Kapazität sind die Leitungsmechanismen in einem Widerstand viel komplizierter und noch nicht quantitativ behandelt. Wir müssen akzeptieren, daß (im Gegensatz zur Elektrostatik) in stromdurchflossenen Leitern ein Feld E ≠ 0 existieren kann und daß u 12 = ∫ E ds ∼ i . 1→R→2 Diese Proportionalität gilt recht gut für - nicht zu hohe Spannungen - nicht zu hohe Frequenzen. In diesen Fällen ist R praktisch konstant und es gilt der Zusammenhang u 12 = R ⋅ i 8.2.4 Idealer Generator Beim idealen Generator sei der Widerstand der Wicklung = 0 , das B -Feld des Stromes i verschwindend klein gegen Feld des Erreger-Magneten und alle B -Felder räumlich begrenzt um den Generator. i i 1 u 1 u ~ 2 2 Ändert sich der Fluß ψ E durch die Spule beim Drehen, so ist ∫ Eds + ∫ Eds °∫ Eds = Klemmen Wicklung und wegen ∫ Eds = 0 ( R Draht = 0! ) wird Wicklung ∫ Klemmen dψ = – ----------E dt dψ Eds = u 12 = – ----------E dt Stromkreis im quasistationären Zustand Seite 159 Da dψ Erreger ⁄ dt nur von Fläche und Windungszahl der Wicklung, von der Generatordrehzahl und vom Fluß des Erregermagneten abhängen, ist die Spannung u des idealen Generators unabhängig vom entnommenen Strom i und somit unabhängig von der äußeren Schaltung (ideale Quelle). 8.2.5 Kirchhoff‘schen Gleichungen im quasistationären Fall Im quasistationären Zustand gelten weiterhindie Kirchhoff‘schen Regeln ∑ u k = 0 (Masche) und ∑ i k = 0 (Knoten). k k Weil außerhalb der Schaltelemente kein B (räumliche Begrenzung), gilt für beliebigen geschlossenen Weg Γ außerhalb von Schaltelementen ∫ Eds = 0 . °Γ u2 c u3 b u1 u5 5 ∑ uk = k=1 b ∫a Eds , u2 b ∫a c +∫ und allgemein: b u4 ~ a Mit u 1 = Integration d = e c ∫b Eds , ... u5 a + .... + ∫ Eds = ∑ uk e = a ∫e Eds ist °Γ∫ Eds = 0 = 0 k Die Kirchoff‘sche Maschenregel gilt also auch im quasistationären Zustand. Weil bei idealisierten Bauelementen wegen der räumlichen Eingrenzung der Felder außerhalb dieser auch kein E und D ist, wird außerhalb der Bauelemente dD ⁄ dt = 0 und ∂D - d A = ∫ S d A ∫ S + -----∂t A A = °Γ∫ H ds Seite 160 GET-Skript Für eine geschlossene Fläche A um einen Knoten gilt dann wegen Rand Γ = 0!! °A∫ Sd A = °Γ∫ H ds = 0 , also ∫ Sd A = 0 °A geschl. Fläche A i2 Knoten i1 dA i3 i4 Da außerhalb der Drähte kein Strom fließt, ist Drahtquerschnitte ungleich Null. Für Draht 1 (Querschnitt A 1 ): i 1 = ∫ S dA nur über ∫A Sd A , 1 für Draht 2 (Querschnitt A 2 ): i 2 = ∫A Sd A usw. Also 2 4 ∑ ik k=1 = ∫ + A1 und allgemein ∫ +... + ∫ S d A A2 ∑ ik A4 = °A∫ Sd A = 0 = 0 k D.h. Kirchhoff‘sche Knotenregel gilt auch im quasistationären Fall. 8.2.6 Reale Bauelemente und deren Ersatzschaltung Einige Annahmen, die bei der Beschreibung idealer Bauelemente gemacht wurden, treffen in der Praxis nicht zu. Bei einer Induktivität L ist der Drahtwiderstand R L ≠ 0 . Dies läßt sich durch eine Ersatzschaltung berücksichtigen, in der L und RL in Serie geschaltet sind. i L RL u Stromkreis im quasistationären Zustand Bei niedrigen Frequenzen gilt dann di u = – L ⋅ ----- + R L ⋅ i dt Bei höheren Frequenzen ist die Kapazität C L zwischen den Windungen nicht vernachlässigbar. Diese berücksichtigt man im Ersatzschaltbild durch zusätzliche Parallelschaltung von C L . Ein ähnliches Ergebnis liefert ein Widerstand R , dessen Drahtwicklung eine Induktivität L R ≠ 0 hat. Auch in diesem Fall erhält man als Ersatzschaltung eine Serienschaltung aus R und LR. i R LR u Bei niedrigen Frequenzen ist dann di u = R ⋅ i – L R ⋅ ----dt Bei einem Kondensator C ist häufig der Widerstand RC des Dielektrikums nicht unendlich. Parallel zum Verschiebungsstrom fließt dann noch ein Strom durch den Widerstand RC des Dielektrikums, der durch eine Parallelschaltung von C und RC im Ersatzschaltbild berücksichtigt wird RC i C u Es gilt also du 1 i = C ⋅ ------ + ----- ⋅ u dt R c Beim realen Generator hat die Spule S eine Induktivität L S ≠ 0 und einen Widerstand R S ≠ 0 . Bei einem Generatorstrom i mißt man an dieser realen Spule die Spannung di u S = R S ⋅ i – L S ⋅ ----- . dt Seite 161 Seite 162 GET-Skript Der ideale Generator (8.2.4) erzeugte die (stromunabhängige) Spannung dψ E u 0 = – ---------- . dt Da dem Generator nur Strom entnommen werden kann, der durch die Spule fließt, bleibt die Klemmenspannung di u = u 0 – u S = u 0 – R S ⋅ i – L S ⋅ ----- . dt Dazu gehört das Ersatzschaltbild LS ~ u0 RS uS u Merke: L S, R S möglichst klein, dann ist u wenig abhängig von i .