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ARD-MORGENMAGAZIN – SERVICE 08.05,2015
THEMA:
DIAGNOSE SCHLAGANFALL
Autorin:
Uschi Müller
DR. UTA MEYDING-LAMADÉ
EXPERTE IM STUDIO:
Funktion:Neurologin, Chefärztin Krankenhaus Nordwest
In Deutschland erleiden jedes Jahr mehr als 270.000 Menschen einen Schlaganfall, darunter
mehr als 60 Kinder. Rund 20 Prozent der direkt von einem Schlaganfall betroffenen Patienten
sterben innerhalb von vier Wochen, über 37 Prozent innerhalb eines Jahres. Er ist die häufigste
Ursache von Behinderungen und die dritthäufigste Todesursache – nach Herzinfarkt und
Krebserkrankungen. Die Folgekosten von Schlaganfällen werden auf 10 Milliarden Euro pro
Jahr geschätzt. Diese Zahlen verdeutlichen nicht nur, wie verbreitet die Erkrankung, sondern
auch wie wichtig die Aufklärung über diese Erkrankung ist. Denn viele Schlaganfälle ließen sich
durch richtiges Verhalten und Vorsorgemaßnahmen vermeiden!
Ursache
Ausgelöst wird ein Schlaganfall durch verstopfte oder „platzende“ Blutgefäße. Grund hierfür
kann Arteriosklerose sein, bei der sich Ablagerungen an den Innenwänden der Arterien festsetzen und diese langsam verengen. Aber auch ein Blutgerinnsel kann eine Arterie verschließen
und dadurch Durchblutungsstörungen des Gehirns hervorrufen. Dadurch entsteht ein plötzlicher
Sauerstoff- und Nährstoffmangel in den Nervenzellen der betroffenen Gehirnregionen. Dies
führt zur Beschädigung oder sogar zum Absterben der betroffenen Zellen. In selteneren Fällen
sind auch Blutungen im Gehirn die Ursache für einen Schlaganfall. Solche Blutungen können
besonders bei durch Arteriosklerose und Bluthochdruck dauerhaft geschädigten Gefäßen entstehen.
Symptome
Der Schlaganfall tut nicht weh und erwischt die Betroffenen oft ohne Vorwarnung. Zu den häufigsten Symptomen zählen Bewusstseinsstörungen, halbseitige Lähmungen, Taubheitsgefühle,
Gangunsicherheit (das Gefühl, auf eine Seite gezogen zu werden), Ausfallerscheinungen des
Sprech- oder Sehvermögens (Doppelbilder) sowie Schluckstörungen. Im Gesicht können sich
die Lähmungen durch einen herunterhängenden Mundwinkel oder eine gekrümmte Zunge bemerkbar machen.
Nicht selten gibt es auch schon Warnsymptome vor einem großen Schlaganfall wie z. B. vorübergehende Sehstörungen auf einem Auge.
Vorbeugung
Mit zunehmendem Alter steigt auch die Gefahr, einen Schlaganfall zu erleiden. Neben Bluthochdruck, Diabetes und Fettstoffwechselstörungen (erhöhter Cholesterinspiegel) fördern auch
Übergewicht, Bewegungsmangel und Rauchen das Schlaganfall-Risiko. Bei Frauen kann sich
die Einnahme der Antibabypille zusätzlich negativ auswirken.
Wer das Risiko für einen Schlaganfall so gering wie möglich halten möchte, sollte sich viel bewegen, auf das Rauchen verzichten und sich mit viel Obst, Gemüse und Vollkornprodukten gesund ernähren. Auch die regelmäßige Kontrolle des Blutdrucks und der Blutwerte vom Arzt ist
zu empfehlen. Die Krankenkassen bieten hierzu Vorsorgeuntersuchungen an, auf die gesetzlich
Versicherte ab dem 35. Lebensjahr alle zwei Jahre kostenfrei Anspruch haben.
Das richtige Verhalten
Da ein Schlaganfall nicht mit Schmerzen verbunden ist, neigen Betroffene, Angehörige – aber
manchmal auch Ärzte – dazu, erst einmal abzuwarten. Ein fataler Fehler, denn in der Akutphase des Schlaganfalls zählt jede Minute. Treten verdächtige Symptome auf, sollte keine Zeit mit
einem Anruf oder Besuch beim Hausarzt verschwendet, sondern sofort die Notrufnummer 112
gewählt werden! Die Gefahr, an einem Schlaganfall zu sterben, kann durch die schnelle Behandlung in einer spezialisierten Schlaganfallstation („Stroke Unit“) halbiert werden kann und
bei rechtzeitiger Behandlung kann das Ausmaß einer bleibenden Behinderung drastisch reduziert werden.
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Obgleich Deutschland von einem annähernd flächendeckenden Netz von Schlaganfallspezialstationen, sogenannter spezialisierter Stroke Untis, durchzogen ist, werden dennoch lediglich
ca. die Hälfte aller Schlaganfallpatienten hier behandelt.
Akut-Behandlung
Liegt der Beginn der Symptome weniger als viereinhalb Stunden zurück, wird versucht, den
Gefäßverschluss mit einer so genannten Lysetherapie (spezielles, blutverdünnendes Medikament) wieder aufzulösen. In vielen Fällen bilden sich so die Beschwerden zurück, teilweise
können Patienten sogar beschwerdefrei aus dieser Behandlung herausgehen. Aber nicht jeder
Schlaganfall bildet sich wieder komplett zurück. Trotz schneller Hilfe gibt es immer wieder sehr
schwere Verläufe.
Neue Behandlungsansätze:
Etwa 15-20% dieser Schlaganfälle sind große Schlaganfälle, die durch den Verschluss eines
großen hirnversorgenden Gefäßes entstehen. Diese Schlaganfälle führen akut zu schweren
neurologischen Ausfällen und können auch lebensgefährlich verlaufen. Seit etwa drei Jahren
wird in entsprechend erfahrenen Zentren bei diesen Patienten die Neurothrombektomie angewandt, bei der das verschlossene Hirngefäß über eine Katheterbehandlung vom Neuroradiologen wiedereröffnet wird. Der Katheter wird dabei wie beim Herzkatheterverfahren durch die
Leiste eingeführt. Welche Patienten für diese Behandlung in Frage kommen und welcher Patient gute Aussichten auf eine deutliche Symptomverbesserung oder sogar komplette Heilung
hat, kann der Neuroradiologe in der akuten Schlaganfallssituation mit der Computertomographie klären. Dabei führt er ein sog. „stroke“-Protokoll durch, mit dessen Aufnahmen er nicht nur
das Hirngewebe darstellen kann sondern auch eine Hirndurchblutungsmessung und eine Gefäßdarstellung durchführt. Danach kann der Neuroradiologe recht gut prognostizieren, wie groß
der Schlaganfall schon ist, wie viel Gewebe durch eine Wiedereröffnung des verschlossenen
Gefäßes zu retten ist und wo der Gefäßverschluss ist und wie er am besten wieder zu öffnen
ist. Bei kleineren Thromben kann die iv.-Thrombolyse das Gefäß wieder öffnen, bei größeren
Thromben muss eine Neurothrombektomie durchgeführt werden. In den ersten 4,5 Stunden
nach Symptombeginn wird die Neurothrombektomie nach vorheriger Gabe des Thrombolytikums durchgeführt (sog. „bridging“) danach kommt die Neurothrombektomie allein zum Einsatz.
Das Therapiezeitfenster für die Neurothrombektomie ist nicht fest definiert sondern wird durch
die vorangegangene Computertomographie individuell definiert. Es gilt aber auch bei diesem
Verfahren, dass die Behandlung so früh wie möglich durchgeführt werden sollte („time is brain“).
Je schneller in einer spezialisierten Schlaganfallstation oder Klinik behandelt werden kann, desto größer sind die Überlebens- und Heilungschancen!
Rehabilitation
Sobald der Allgemeinzustand des Schlaganfall-Patienten stabilisiert ist, beginnen bereits im
(Akut-Krankenhaus) die rehabilitativen Maßnahmen mit dem Ziel, die Selbstständigkeit des Betroffenen weitestgehend wieder herzustellen. Diese Maßnahmen werden dann in ambulanten
oder stationären Rehabilitationseinrichtungen weitergeführt.
Wichtig für die Fortschritte des Patienten ist die konsequente Fortführung des Trainings, denn
Erfolge können sich auch noch Monate nach dem Schlaganfall einstellen, da durch stetige Beschäftigung das Gehirn gestärkt wird. Grund hierfür ist die Fähigkeit der Nervenzellen, neue
Funktionen zu lernen, solange genug ihrer Verbindungen unbeschädigt geblieben sind.
Sport spielt eine große Rolle bei der Genesung der Schlaganfall-Patienten – sowohl während
als auch nach der Rehabilitation. Er ermöglicht den Betroffenen ein spielerisches, eher unbewusstes (Bewegungs-)Lernen sowie das Knüpfen neuer sozialer Kontakte. Rehabilitationssport
nach einem Schlaganfall fördert die Mobilität, die Alltagskompetenz, die Grob- und Feinmotorik,
die physische Leistungsfähigkeit sowie die Hirnleistung und die kognitiven Funktionen. Als so
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genannte ergänzende medizinische Leistung wird der Rehabilitationssport nach Verordnung
des Arztes von der Krankenkasse finanziert.
Fünf Symptome im Vorfeld eines Schlaganfalls
Halbseitige Lähmungserscheinungen und Taubheitsgefühle, Sprach- und Verständnisstörungen, sowie Sehstörungen, Kopfschmerzen und Schwindelgefühle mit Unsicherheiten beim Gehen oder sogar Bewusstseinsstörungen treten häufig auf. Wer solche Körperreaktionen hat,
sollte schnellstmöglich unter der Notrufnummer 112 den Rettungsdienst rufen.
Schlaganfall-Symptome überprüfen
Kann der oder die Betroffene ein gleichmäßiges Lächeln formen? Kann er beide Arme mit den
Handflächen nach oben gleichmäßig in die Höhe halten? Einen einfachen Satz nachsprechen?
Wenn die betroffene Person dazu nicht in der Lage ist, so liegt mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit ein Schlaganafall vor. Doch auch wenn dieser Schnelltest kein eindeutiges Ergebnis zeigt,
sollte so schnell wie möglich ein Arzt gerufen werden. Dieser kann den Schlaganfall eindeutig
feststellen und entsprechend handeln.
WEITERE INFORMATIONEN
Finden Sie im Internet unter
http://www.schlaganfall-hilfe.de
http://www.neuroradiologie.de
LITERATUR
• Alexander Hartmann: Schlaganfall vorbeugen und behandeln – Risikofaktoren, Früherkennung und Erscheinungsformen, Südwest-Verlag 2007, ISBN-10: 3517082821, 6,95 Euro
• Stefan Kiechl, Wolfgang Lalouschek, Wilfried Lang: Nach einem Schlaganfall, Holzhausen
Verlag 2006, ISBN-10: 3854931301, 12,90 Euro
• Brigitte Mohn, Monika Kirschner, Alexandra Panz, Tanja Dürdoth: Risiko Schlaganfall, Egmont-vgs-Verlagsgesellschaft 2005, ISBN: 3802516966, 14,90 Euro
• Jürgen Wilhelm: Schlaganfall. Akutfall, Reha, Beruf und Familie – Was Sie jetzt tun können,
Trias Verlag 2003, ISBN-10: 3830430728, 14,95 Euro
Zugehörige Unterlagen
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