KINDER- UND JUGENDPSYCHIATRIE

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KINDER- UND
JUGENDPSYCHIATRIE
em. Univ.-Prof. Dr. Max H. Friedrich
Univ.-Prof. Dr. Brigitte Sindelar
Programm
Historische Entwicklung der Kinder- und Jugendneuropsychiatrie
Grundkonzepte der Kinderpsychiatrie:
Risikofaktoren der Entwicklung:
Psychopathologische Phänomene im Kindes- und Jugendalter
Fragen der Symptomentwicklung:
Spezielle psychopathologische Phänomene (Symptome):
-> Hirnorganisch bedingte Entwicklungs- und Funktionsstörungen:
-> Erlebnisreaktive und psychogen entstandene Störungen:
-> Neurosen
Psychosomatosen:
Spezielle Störungsbilder der Kinderpsychiatrie, im Übergangsbereich zwischen
erlebnisreaktiven Störungen und Neurosen:
- Anorexia nervosa
- Bulimia nervosa
- Enuresis
- Enkopresis
- Autoaggression
- Suizid, Suizidversuch, Suizidgedanken
->Persönlichkeitsentwicklungsstörungen
Autismus
-> Psychosen
Kinder- und Jugendpsychiatrie
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Historische Entwicklung der
Kinder- und
Jugendneuropsychiatrie:
1198 : Papst Innozenz III: erste historisch gesicherte Anstalt in
Europa für psychisch kranke Kinder: Spital San Spirito in Rom
1592: Comenius empfiehlt, Methoden zur Untersuchung von
Schwachsinnigen zu entwickeln
1861: Georgens, Deinhardt: „Heilpädagogik“
1907: Maria Montessori gründet in Rom die „Casa dei Bambini“ und
entwickelt ihre Pädagogik.
Nach den Kriegen, Revolutionen, Wirtschaftskrisen: vagabundierende,
verwahrloste, zum Teil kriminelle Jugendliche, die dann in Heimen versorgt
wurden
Neurologen, Psychiater: Konsiliarärzte
Kinder- und Jugendpsychiatrie
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Psychoanalyse und Individualpsychologie
20iger Jahre des vorigen Jahrhunderts
tiefenpsychologisch orientierte Erziehungsberatungsstellen
Beschäftigung mit den seelischen,
psychodynamischen Erlebnisprozessen
in den Kindheits- und Jugendjahren, die,
wie sich herausstellte, die Basis der
späteren Verhaltensstörungen,
Leistungsbehinderungen
und Lebensprobleme bilden.
Kinder- und Jugendpsychiatrie
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1922: erste Child-Guidance Klinik in New York
1920/21: erste kinderpsychiatrische Station auf dem Areal
der Erwachsenenklinik für Psychiatrie Burghölzli (Schweiz)
unter Eugen Bleuler. Leitung: Jakob Lutz
In Österreich: 1911: erste Heilpädagogische Station
(Pädiatrie) von Erwin Lazar errichtet, ab 1935 von Hans
Asperger geleitet
In Deutschland: Villiger, Homburger eröffneten in den 20er
Jahren Einrichtungen
Kinder- und Jugendpsychiatrie
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Die Entwicklung der Kinderneuropsychiatrie ist in Österreich
untrennbar mit dem Namen Walter Spiel verbunden: aus dem
„Kinderzimmer“ der psychiatrischen Universitätsklinik baut er
die kinderneuropsychiatrische Abteilung an der
psychiatrischen Universitätsklinik auf.
Ihm war interdisziplinäre
Zusammenarbeit, die Integration der
Wissenschaften in Behandlung und
Forschung immer ein Anliegen
Kinder- und Jugendpsychiatrie
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1975 wird die Kinderneuropsychiatrie
eine eigene Klinik
Kinder- und Jugendpsychiatrie
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Max Friedrich folgt Walter Spiel als Vorstand nach
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Kinder- und Jugendpsychiatrie
Altersgipfel psychischer Störungen
im Kindes- und Jugendalter
• Sechs- bis
Zehnjährige
• Dreizehn- bis
Sechzehnjährige
Vulnerabilitätsfaktoren?
Kinder- und Jugendpsychiatrie
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Art der psychischen Störungen
und Geschlecht
Mädchen:
häufiger:
internalisierende
Störungen
(Depression,
Somatisierungsstörungen,
Essstörungen)
Buben:
häufiger:
externalisierende
Störungen
(dissoziale Störungen,
Hyperaktivität)
Kinder- und Jugendpsychiatrie
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Geschlechterverteilung
• Ihle und Esser (2002):
Durchgehend höhere Prävalenzraten bei
Buben bis 13a, danach Gleichverteilung
• Steinhausen (2006):
Kindesalter: Buben : Mädchen = 2:1,
Im Jugendalter Gleichverteilung
Kinder- und Jugendpsychiatrie
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Die Umfeldeinwirkungen, die bei (behandelten) Kindern mit aggressiven
Verhalten häufiger vorkommen:
(Soziale Risikofaktoren, Achse V des ICD 10: Abnorme psychosoziale
Umstände)
Kategorie der abnormen Situation
Häufigkeit
1.0 Mangel an Wärme in der Eltern-Kind-Beziehung
47%
1.2 Feindliche Ablehnung, Sündenbockzuweisung gegenüber dem Kind
27%
1.1 Körperliche Kindesmisshandlung
9%
4.1 Unzureichende elterliche Aufsicht und Steuerung
39%
4.2 Erziehung, die eine unzureichende Erfahrung vermittelt
21%
8.1 Feindliche Ablehnung oder Sündenbockzuweisung durch Lehrer oder
Ausbilder
8.2 Allgemeine Unruhe in der Schule bzw. Arbeitssituation
18%
13%
(Quelle: Fritz Poustka, Impulsive Gewalt- und Aggressionsbereitschaft bei Kindern und Jugendlichen, 2000)
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Kinder- und Jugendpsychiatrie
Geschwisterposition
- nur in wenigen Studien erfasst:
Einzelkinder:
weniger psychische Auffälligkeiten
in der Geschwisterreihe:
jüngste Kinder weniger auffällig
(Steinhausen, 2006).
Kinder- und Jugendpsychiatrie
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Psychische Störungen im
Kindes- und Jugendalter
haben persistierenden Charakter
„There is mounting evidence that many, if
not most, lifetime psychiatric disorders will
first appear in childhood or adolescence.“
(Costello, Egger, Angold, 2005, S 972)
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Kinder- und Jugendpsychiatrie
„Erziehungsfehler – aktuell“
„Von allen Fehlern, die in der Erziehung
gemacht werden, ist der Glaube an ererbte
Grenzen der Entwicklung der schlimmste.
Er verschafft Lehrern und Eltern die
Möglichkeit, ihre Irrtümer wegzuerklären
und in ihren Bemühungen nachzulassen."
Adler,1931
Kinder- und Jugendpsychiatrie
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Grundkonzepte der
Kinderpsychiatrie
Grundkonzepte der Kinderpsychiatrie:
kinderpsychiatrische Diagnosen sind multifaktoriell
Lebenslauf,
Reifungsstadien
Soziales
Umfeld
Anlage,
Ausstattung
Kinder- und Jugendpsychiatrie
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Grundkonzepte der Kinderpsychiatrie:
Kinderneuropsychiatrie folgt einem
multiprofessionellen Ansatz,
der entwicklungsorientiert denkt.
Neuropsychologie
Entwicklungspsychologie
Entwicklungspsychopathologie
Psychiatrische
Epdemiologie
Psychobiologie
Sozialwissenschaften
Kognitionstheoretische
Vorstellungen
Kinder- und Jugendpsychiatrie
Psychodynamische
Theorien
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Grundkonzepte der Kinderpsychiatrie:
Kinder- und Jugendpsychiatrie versteht sich
nicht nur als Wissenschaft,
sondern ist immer therapieorientiert.
Kinder- und Jugendpsychiatrie
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Grundkonzepte der Kinderpsychiatrie:
kinderpsychiatrischer Symptome sind phasenspezifisch
Zum Beispiel:
•Störung des Realitätsbezugs kann erst dann eintreten, wenn das
Kind zwischen subjektiver und mit anderen Menschen teilbarer
Realität unterscheiden kann – Kleinkinder können also keine
Wahn entwickeln,
•Suizidalität kann erst nach der Entwicklung des Todesbegriffes
entstehen,
•Sinnestäuschungen können erst entstehen, wenn das Kind
zwischen Phantasie und Wirklichkeit unterscheiden kann (zum
Beispiel: Phantasiefreund des Drei- bis Vierjährigen ist keine
Halluzination)
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Kinder- und Jugendpsychiatrie
Grundkonzepte der Kinderpsychiatrie:
Phasen des Kindes- und Jugendalters
0-1 Jahr: Neugeborenen- und Säuglingsperiode
1-3 Jahre: Kleinkindalter
3-6 Jahre: Kindergarten- und Vorschulalter
6-12 Jahre: Schulkindalter
12-16 Jahre: Pubertät
16-: Adoleszenz
(Spiel + Spiel, 1987)
Kinder- und Jugendpsychiatrie
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Grundkonzepte der Kinderpsychiatrie:
Psychopathologische Phänomene sind oft nur im
Entwicklungskontext zu erkennen und zu verstehen:
Einfluss der normalen
Entwicklung auf die
Genese
psychopathologischer
Symptome
Einfluss
psychopathologischer
Symptome auf die
normale Entwicklung
Zum Beispiel:Welche kognitiven, affektiven, sozialen,
biologischen Voraussetzungen benötigt die Ausbildung eines
Wahnsymptoms oder einer Halluzination?
Kinder- und Jugendpsychiatrie
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Grundkonzepte der Kinderpsychiatrie:
Jede Entwicklungsphase hat spezielle Entwicklungsaufgaben, die
für die bestimmte Lebensperiode typisch sind. Die erfolgreiche
Bewältigung
solcher
Entwicklungsaufgaben
führt
zur
harmonischen Weiterentwicklung, das Versagen im Rahmen
einer Entwicklungs-aufgabe macht das Individuum unglücklich,
stößt auf Ablehnung durch die gesellschaftliche Umgebung oder
führt zu Schwierigkeiten bei der Bewältigung späterer Aufgaben.
erfolgreiche
Bewältigung
harmonische
Weiterentwicklung
unglücklich
Versagen
Ablehnung durch die
gesellschaftliche Umgebung
Schwierigkeiten bei der
Bewältigung späterer Aufgaben.
Kinder- und Jugendpsychiatrie
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Grundkonzepte der Kinderpsychiatrie:
Gegenwärtige psychopathologische Diskussion:
kategorial
dimensional
betrachtet Kinder
mit ihren Symptomen
in Abgrenzung
von gesunden Kindern
Grenze zwischen Gesundheit und
Störung ist fließend Psychopathologische Symptome
als unspezifische
Reaktionsmuster spiegeln
Überforderung der
Anpassungskapazität aufgrund
unterschiedlicher
pathogenetischer
Bedingungen
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Kinder- und Jugendpsychiatrie
Grundkonzepte der Kinderpsychiatrie:
dimensional
Gesundheit
Grauzone an der
Grenze zwischen
Normalität und
psychischer
Erkrankung –
immer, aber im
Kindes- und
Jugendalter
besonders breit
(zum Beispiel:
Pubertät)
Kinder- und Jugendpsychiatrie
Krankheit
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Risikofaktoren der Entwicklung
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Kinder- und Jugendpsychiatrie
Risikofaktoren der Entwicklung
Protektive Faktoren
Vulnerabilität
„adaptives Potential“
= individuelle Anpassungsfähigkeit,
Kinder- und Jugendpsychiatrie
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Risikofaktoren der Entwicklung
Biologische Risikofaktoren:
Genetisch:
für eine Reihe von Erkrankungen gibt es
Hinweise auf eine genetische Weitergabe
(Schizophrenie, manisch-depressive
Erkrankung).
Nicht die Krankheit, sondern die
Vulnerabilität wird vererbt!
Kinder- und Jugendpsychiatrie
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Risikofaktoren der Entwicklung
Biologische Risikofaktoren:
Pränatal:
Infektionen der Kindesmutter während der
Schwangerschaft, Blutungen,
Rhesusunverträglichkeit, cerebrale
Krampfanfälle der Kindesmutter während
der Schwangerschaft,
Kinder- und Jugendpsychiatrie
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Risikofaktoren der Entwicklung
Biologische Risikofaktoren:
Perinatal:
verlängerte oder erschwerte Geburt unter
Risikobedingungen kann zu cerebraler
Traumatisierung führen (Saugglocke,
Nabelschnurumschlingung….). Hinweise auf
Zusammenhänge zwischen genetischer Ausstattung
des Kindes und Risiko perinataler Komplikationen
Kinder- und Jugendpsychiatrie
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Risikofaktoren der Entwicklung
Biologische Risikofaktoren:
Postnatal:
Schädelhirntraumen, Hirnentzündungen,
Tumoren, Vergiftungen
Schädigung der Hirnsubstanz
ungünstiger Einfluss auf die neuronale
Plastizität gesteigertes Risiko für
mangelnde Ausdifferenzierung von speziellen
Hirnleistungen und Kompetenzen (der
„funktionellen Hirnorgane“ (Luria, Leontjew)
Kinder- und Jugendpsychiatrie
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Risikofaktoren der Entwicklung
Soziale Risikofaktoren
Abnorme familiäre Beziehungen
Mangel an Wärme in der Eltern-Kind-Beziehung
Disharmonie in der Familie zwischen
Erwachsenen
Feindliche Ablehnung oder
Sündenbockzuweisungen gegenüber dem Kind
Körperliche Kindesmisshandlung
Sexueller Missbrauch (innerhalb der Familie)
Kinder- und Jugendpsychiatrie
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Risikofaktor Erziehung
= Risikofaktor Beziehung
Kinder- und Jugendpsychiatrie
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Risikofaktoren der Entwicklung
Soziale Risikofaktoren
Psychische Störungen, abweichendes
Verhalten oder Behinderung in der
Familie
Psychische Störungen, abweichendes Verhalten
eines Elternteils
Behinderung eines Elternteils
Behinderung der Geschwister
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Kinder- und Jugendpsychiatrie
Risikofaktoren der Entwicklung
Soziale Risikofaktoren
Inadäquate oder verzerrte intrafamiliäre
Kommunikation
Abnorme Erziehungsbedingungen
Elterliche Überfürsorge
Unzureichende elterliche Aufsicht und Steuerung
Erziehung, die eine unzureichende Erfahrung
vermittelt
Unangemessene Anforderungen und Nötigung durch
die Eltern
Kinder- und Jugendpsychiatrie
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Risikofaktoren der Entwicklung
Soziale Risikofaktoren
Abnorme unmittelbare Umgebung
Erziehung in einer Institution
Abweichende Elternsituation
Isolierte Familie
Lebensbedingungen mit möglicher
psychosozialer Gefährdung
Kinder- und Jugendpsychiatrie
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Risikofaktoren der Entwicklung
Soziale Risikofaktoren
Akute, belastende Lebensereignisse
Verlust einer Liebes- oder engen Beziehung
Bedrohliche Umstände infolge von
Fremdunterbringung
Negativ veränderte familiäre Beziehungen
durch neue Familienmitglieder
Ereignisse, die zur Herabsetzung der
Selbstachtung führen
Sexueller Missbrauch (außerhalb der Familie)
Unmittelbare, beängstigende Erlebnisse
Kinder- und Jugendpsychiatrie
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Risikofaktoren der Entwicklung
Soziale Risikofaktoren
Gesellschaftliche
Belastungsfaktoren
Verfolgung oder Diskriminierung
Flucht, Migration oder soziale
Verpflanzung
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Kinder- und Jugendpsychiatrie
Risikofaktoren der Entwicklung
Soziale Risikofaktoren
Chronische Belastungen im
Zusammenhang mit Schule und Arbeit
Abnorme Streitbeziehungen zwischen Schülern,
Mitarbeitern
Sündenbockzuweisungen durch Lehrer, Ausbilder
Allgemeine Unruhe in Schule, Arbeitssituation
Schulangst
Kinder- und Jugendpsychiatrie
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Risikofaktoren der Entwicklung
Soziale Risikofaktoren
Belastende Lebensereignisse infolge von
Verhaltensstörung oder Behinderung
des Kindes
Institutionelle Erziehung
Bedrohliche Umstände infolge Fremdunterbringung
Abhängige Ereignisse, die zur Herabsetzung der
Selbstachtung führen
Kinder- und Jugendpsychiatrie
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Risikofaktor Entwicklung:
Vulnerable Entwicklungsphasen,
zum Beispiel:
Pubertät - Adoleszenz
Kinder- und Jugendpsychiatrie
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Risikofaktoren der Entwicklung
Protektive Faktoren:
schützen unter Risikobedingungen vor negativer Entwicklung
Individuelle Faktoren:
Aktivierungsgrad, gute Selbstberuhigungstendenz (Resilienz), soziales
Interesse, soziale Kompetenz, Fähigkeit zur Kommunikation, Intelligenz
Affektive Bindungen
innerhalb und außerhalb der Familie, die emotionale Unterstützung in
Belastungszeiten ermöglichen (egal, ob Elternteil, anderes Familienmitglied,
Verwandte, Freunde)
Externe soziale Unterstützung.
soziales Netzwerk, Integration in Gruppen, Schule, Arbeitsfeld
Kinder- und Jugendpsychiatrie
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Psychopathologische Phänomene
im Kindes- und Jugendalter
Kinder- und Jugendpsychiatrie
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Psychopathologische Phänomene im Kindes- und Jugendalter
Symptome = kleinste beschreibbare Untersuchungseinheiten
Syndrome = regelhaft wiederkehrende Kombinationen von
Symptommustern
noxenunspezifisch!
= psychiatrische Syndrome geben keinen Hinweis auf gleich
bleibende Ursache
Kinder- und Jugendpsychiatrie
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Psychopathologische Phänomene im Kindes- und Jugendalter
Fragen der Symptomentwicklung:
Symptom situationsspezifisch? (Zum Beispiel: ADS)
Symptom funktional, sinnhaft im Umfeld? (zum Beispiel:
Draufgängerkind der angstkranken Mutter)
Auslösermechanismen für psychopathologische Symptome?
Symptome haben für sich genommen nicht immer krankhaften
Charakter, in verschiedenen Entwicklungsphasen hat dasselbe
Phänomen unterschiedliche Bedeutung
Kinder- und Jugendpsychiatrie
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Psychopathologische Phänomene im Kindes- und Jugendalter
psychopathologische Symptome = Erlebnis- und
Verhaltensweisen, die nicht dem aktuellen
Entwicklungsniveau entsprechen.
Jedes psychopathologische Symptom äußert sich auf einem
bestimmten Entwicklungsniveau der kognitiven, affektiven
und vegetativ-somatischen Bedingungen.
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Kinder- und Jugendpsychiatrie
Kindliche Entwicklung
GENDER
(Max Friedrich)
Kinder- und Jugendpsychiatrie
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Psychopathologische Phänomene im Kindes- und Jugendalter
Symptombildung und psychodynamische Funktionsniveaus :
←Erlebnisreaktiv  Aktualkonflikte
←Neurotisch  aktuelle Überreaktionen auf der Basis von
Prätraumatisierungen und vorbestehenden inneren Konflikten
←Narzisstisch  überstarke Regulierungsaktivität bezüglich des
Selbstwertes (Selbstwertkrisen und Konflikte, negative
Selbstzuschreibungen, Ideen vermeintlicher Größe, Angst vor
negativem sozialen Echo, Objektverlustängste erschweren die
Kommunikation und Anpassung
←Borderline  mangelnde Selbstintegration und Identitätsdiffusion,
geringe Affekt- und Impulskontrolle
←Psychotisch  Fragmentierung des inneren Erlebens, Verlust der
Realitätskontrolle
Kinder- und Jugendpsychiatrie
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Spezielle psychopathologische
Phänomene (Symptome):
Kinder- und Jugendpsychiatrie
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Spezielle psychopathologische Phänomene (Symptome):
Bewusstsein und Bewusstheit:
Bewusstheit = Wahrnehmung und Überprüfung von Stimuli der
Außenwelt und aus dem eigenen Körper
Bewusstsein = die innere Vergegenwärtigung des Selbst und
der Umwelt.
Dimensionen des Bewusstseins:
Klarheit (Luzidität) und Wachheit (Vigilanz)
Kinder- und Jugendpsychiatrie
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Spezielle psychopathologische Phänomene (Symptome):
Bewusstsein und Bewusstheit:
Quantitative Bewusstseinsstörungen (Scharfetter, 1991):
•Benommenheit: Kind ist schläfrig, verlangsamt, aber durch Ansprechen und
Anfassen weckbar
•Somnolenz: Kind ist stark verlangsamt, schläft spontan immer wieder ein, kann
durch lautes Ansprechen oder Anfassen geweckt werden, sprachliche Äußerung
möglich, aber Artikulation schlecht, Spontanbewegungen herabgesetzt
•Sopor:Kind ist nur mehr durch starke Weckreize (zum Besipeil Schütteln) weckbar,
verbale Kommunikation nicht herstellbar, Muskeltonus herabgesetzt, Vitalrefelxe
aber erhalten
•Präkoma und Koma: Kind ist nicht weckbar, zuerst gehen Hautreflexe und
periphere Sehnenreflexe verloren, schließlich auch Pupillenreflex, Atmung
unregelmäßig
Quantitative Beeinträchtigungen des Bewusstsein: Hinweis auf Funktionsstörungen
des Gehirns (Commotio, nach epileptischen Anfällen, Encephalitis, aber auch
Intoxikationen)
Kinder- und Jugendpsychiatrie
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Spezielle psychopathologische Phänomene (Symptome):
Bewusstsein und Bewusstheit:
Qualitative Bewusstseinsstörungen:
(beim Kind erst ab mittlerem Schulalter)
•Delirium tremens: quantitative Bewusstseinstörung + Desorientiertheit, Unruhe,
Inkohärenz des Denkens, illusionäre Verkennungen, halluzinatorische Erlebnisse
•Dämmerzustand: Einengung des Bewusstseinsfeldes, sodass der Kontakt zur
Außenwelt eingeschränkt wird, auf Außenreize geringer ansprechbar (zum Beispiel
im Rahmen der Epilepsie, aber auch psychogen – in Paniksituationen)
•Dreamy state: szenische Halluzinationen, illusionäre Verkennungen, desorientiert,
zB schizophrene Psychosen, Epilepsien, Intoxikationen
•Verwirrtheit: Desorientierung, Unruhe, Ratlosigkeit. Verwirrtheit ist Teilsymptom
des Delirium tremens
Kinder- und Jugendpsychiatrie
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Spezielle psychopathologische Phänomene (Symptome):
Antrieb und Steuerung
Antrieb = Intensität der Lebensäußerungen
vegetativ, somatisch-motorisch, Intensität und
Steuerung der Affekte, Geschwindigkeit der
Informationsverarbeitung,
Kinder- und Jugendpsychiatrie
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Spezielle psychopathologische Phänomene (Symptome):
Antrieb und Steuerung
Antriebsarmut (Apathie)
Antriebssteigerung (zum Beispiel in Hypomanie):
ungerichtete Aktivität und Rastlosigkeit, motorische
Überschussbewegungen, Reduzierung der
Aufmerksamkeitsspanne,
situationsspezifisch oder pervasiv (= unabhängig vom
Kontext)
Agitiertheit = motorisch unruhig, ungerichtet aktiv,
thematisch eingeengt auf negativen Affekt
Motorische Unruhe = altersinadäquater Bewegungsdrang
Kinder- und Jugendpsychiatrie
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Spezielle psychopathologische Phänomene (Symptome):
Antrieb und Steuerung
Impulsivität: = nicht angemessene Kontrolle selektiver
Antriebskomponenten.
Kognitiv:
Handlungsimpulse;
motivational:
mangelnde
Fähigkeit,
Bedürfnisse
aufzuschieben; affektiv: ungezügelte Affektausbrüche;
vegetativ: gesteigerte Erregungsbereitschaft
auch genetische Determinanten
Kinder- und Jugendpsychiatrie
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Spezielle psychopathologische Phänomene (Symptome):
Aufmerksamkeit:
= selektive Orientierung in Wahrnehmen, Denken und
Handeln.
Erwachsener:
Fähigkeit zur aufmerksamen Selektion
Säugling:
unwillkürliche Aufmerksamkeit (biologisch fundierte Orientierungsreaktion).
Konzentration = Hochkontrollierte bewusste Verarbeitung von Reizen, Höchstform
willkürlicher Aufmerksamkeit
Beim Erlernen einer Tätigkeit: Konzentration, wenn genau diese Tätigkeit gut gekonnt wird,
automatisiert sie und braucht nur mehr wenig Aufmerksamkeitskapazität und kann parallel zu
anderen aufmerksamen Tätigkeiten ablaufen (Autofahren, tanzen)
Kinder- und Jugendpsychiatrie
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Spezielle psychopathologische Phänomene (Symptome):
Impulskontrolle
Verhaltensdimensionen der Impulskontrollstörung
(nach Taylor, 1994):
•Hyperaktivität
•Regelübertretung
•Aggressivität
•Spezifische Impulsmotive:
•Essattacken
•Substanzenmissbrauch
•Selbstverletzung (Automutilitation)
Kinder- und Jugendpsychiatrie
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Spezielle psychopathologische Phänomene (Symptome):
Psychomotorik und Motorik:
Psychomotorik = unwillkürliche motorische
Verhaltensmuster, die die seelische
Befindlichkeit und den Erlebnisgehalt
widerspiegeln
Jedes psychopathologische Syndrom hat auch motorische Ausdruckskomponente
Kinder- und Jugendpsychiatrie
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Spezielle psychopathologische Phänomene (Symptome):
Psychomotorik und Motorik:
Entwicklung:
Erwachsener;
gezielte, umschriebene Bewegungsabläufe
Säugling:
ungerichtete, globale Bewegungen
Kinder- und Jugendpsychiatrie
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Spezielle psychopathologische Phänomene (Symptome):
Störungen der Psychomotorik:
Motorische Unruhe:
Ausdruck einer Antriebssteigerung, beschleunigte Abläufe
normaler Bewegungen, Bewegungsüberschuss.
Kinder- und Jugendpsychiatrie
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Spezielle psychopathologische Phänomene (Symptome):
Störungen der Psychomotorik:
Tics:
= rasche, unwillkürliche, stereotyp wiederholte, nicht
rhythmische motorische Bewegungen, die nur umschriebene
Muskelgruppen betreffen. Haben keinen inhaltlichen Zweck,
setzen plötzlich ein.
Vokale Tics:
Schnüffeln, Räuspern, Zischen,
Obszöne Wörter: „Koprolalie“,
Nachahmung von bestimmten Wörtern: Echolalie,
Wiederholung eigener Laute, von Wortteilen oder ganzen
Wörtern: Palilalie)
Kinder- und Jugendpsychiatrie
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Spezielle psychopathologische Phänomene (Symptome):
Störungen der Psychomotorik:
einfache Tics:
motorisch: Blinzeln, Kopfnicken, Schulterrucken,
Grimassieren
vokal: räuspern, quieken, grunzen, schnüffeln, Zunge
schnalzen
Kinder- und Jugendpsychiatrie
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Spezielle psychopathologische Phänomene (Symptome):
Störungen der Psychomotorik:
komplexe Tics:
motorisch: Berühren oder Beriechen anderer Leute oder
Dinge, Körperverdrehungen, selbstverletzendes Verhalten
(schlagen, Kopf anschlagen, kneifen)
vokal: Herausschleudern von Worten, Koprolalie, Echolalie,
Palilalie
Gilles-de-la-Tourette-Syndrom: Kombination von komplexen
motorischen und vokalen Tics
Tics können Ausdruck gesteigerter innerer Erregung sein, es
gibt aber auch Hinweise auf vererbbaren Formenkreis
Kinder- und Jugendpsychiatrie
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Spezielle psychopathologische Phänomene (Symptome):
Störungen der Psychomotorik:
Stereotypien:
Gleichförmig wiederholte Bewegungsmuster in Körperhaltung,
Mimik und Gestik.
Von einfachen Bewegungen (Wischen, Kratzen, Stoßen) bis
zu komplizierten rituellen Handlungen (zB bei schizophrenen
Patienten).
Können mit Sinn geladen sein als rituelle Abwehr- und
Selbstberuhigungsvorgänge.
Kinder- und Jugendpsychiatrie
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Spezielle psychopathologische Phänomene (Symptome):
Störungen der Psychomotorik:
Bizarre Verhaltensmuster:
= im Bewegungsablauf normale Handlungen, aber nicht
situationsangepasst, verschroben, manieriert
•„Pose“ = unübliche Körperhaltungen
•„Manierismus“ = gezieltes, stilisiertes, verfremdetes Gehabe
•„Echopraxie“ = automatenhafte Haltungs- und Bewegungsimitation
•„Echolalie“ = echoartige Wort- und Satzteilwiederholungen
•„Katalepsie“ = starres Beibehalten einer unnatürlichen Haltung, oft über
mehrere Stunden (bei katatoner Form der Schizophrenie)
•„(katatoner) Stupor“ = Erstarren in Angst und Rastlosigkeit,
Bewegungsstarre (bei psychotischen Zuständen). Manchmal plötzlich
abgelöst durch
•„Raptus“ = Erregungszustand, Patient beginnt unvermittelt zu toben und
zu schreien, andere anzugreifen (extrem: „katatoner Bewegungssturm)
Kinder- und Jugendpsychiatrie
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Spezielle psychopathologische Phänomene (Symptome):
Orientierung
Voraussetzung ist, dass cerebrale Funktionen intakt sind,
Bewusstsein, Aufmerksamkeit, kognitive Elementarfunktionen wie
Merkfähigkeit
• räumlich (örtlich)
• zeitlich
• situativ
• zur Person
Kinder- und Jugendpsychiatrie
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Spezielle psychopathologische Phänomene (Symptome):
Orientierung
Desorientierung:
Patient findet sich mit den raumzeitlichen und
situativen Gegebenheiten nicht zurecht
Wt ≠yyÇxàx fv{Çxxã|ààv{xÇ w|x TâzxÇ âÇw yÜtzàxM
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„It´s Tuesday, it must be Belgium“
Kinder- und Jugendpsychiatrie
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Spezielle psychopathologische Phänomene (Symptome):
Orientierung
Fehlorientierung:
Patient bleibt in einer vermeintlichen Orientierung
verhaften (glaubt, er ist zu Hause, obwohl er in
der Klinik ist)
Kinder- und Jugendpsychiatrie
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Spezielle psychopathologische Phänomene (Symptome):
Orientierung
Entwicklungsaspekte:
Räumliche Orientierung:
zB Schenk-Danzinger: in der Welt des ca 6jährigen besteht die
Umgebung seines Wohnortes aus „Schläuchen“ zur Schule, zum
Supermarkt, zum Spielplatz. Er verirrt sich, wenn er eine Gasse
weiter ist.
Zeitliche Orientierung:
Für das Vorschulkind noch stark an sichtbare Veränderungen
gebunden („noch zweimal schlafen, bis…). Dieses Stadium wird mit
Schulalter, spätestens ab achtem Lebensjahr überwunden, aber
zeitliche Distanzen zur Gegenwart kann das Kind erst ab ca zehn
Jahren richtig einordnen.
Kinder- und Jugendpsychiatrie
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Spezielle psychopathologische Phänomene (Symptome):
Wahrnehmung
= kein passiver Abbildungsvorgang, sondern
immer ein aktiver Interpretationsprozess.
Kinder- und Jugendpsychiatrie
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Spezielle psychopathologische Phänomene (Symptome):
Wahrnehmung
Wahrnehmungsstörungen:
•Sinnesbeeinträchtigungen: Ausfall des Sinneskanals (zB Blindheit)
•Empfindungsverminderungen (zB Schwerhörigkeit)
•Empfindungssteigerungen (zB Hyperalgesie = erhöhte
Schmerzempfindung)
•Globale Beeinträchtigungen:
Intensitätsänderungen
Gestaltänderungen
•Trugwahrnehmungen
•Halluzinationen = Trugwahrnehmung ohne reales Substrat
•Illusionäre Verkennungen = Fehlerkennungen von realen Objekten
Wahrnehmungsinhalten (zB: Geräusche wollen etwas sagen)
Kinder- und Jugendpsychiatrie
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Spezielle psychopathologische Phänomene (Symptome):
Wahrnehmung
Wahrnehmungsphänomene
sind altersabhängig in ihrer Definition
als Pathologie!
(zB Phantasiefreunddialoge sind keine
Halluzination, Dialog des Kleinkindes mit
Gegenständen ist keine Illusion)
Kinder- und Jugendpsychiatrie
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Spezielle psychopathologische Phänomene (Symptome):
Wahrnehmung
Entwicklungsstufen
nach Piaget
Entwicklung der Halluzination
sensomotorisch
(0- 1 ½ Jahre)
-
präoperational
(1 ½ - 5 Jahre
einfach, optisch, taktil, selten akustisch; aus
Betroffenheit und Verhaltensänderung des Kindes
erkennbar, Hilfesuche bei Bezugspersonen,
anzugrenzen von spielerischen Phantasien
konkret operational
(6-11 Jahre)
Wahrnehmungsunsicherheit, illusionäre Verkennungen,
Tiere, Monster, fremde Wesen, akustische
Halluzinationen, meist in direkter Rede
formal operational
(ab 12 Jahre)
Komplexe Halluzinationen, leibnahe wie bei
Erwachsenen
Kinder- und Jugendpsychiatrie
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Spezielle psychopathologische Phänomene (Symptome):
Wahrnehmung
Halluzination
= leibhaftig, subjektiv real, Stimmen erscheinen von außen, können gut
lokalisiert und personifiziert werden, haben bestimmte stimmliche und
artikulatorische Qualität
Vorstellungskonkretisierung
= Stimmen bleiben diffus, sprechen undeutlich, können nur schwer
innen oder außen lokalisiert werden, manchmal in mehreren
Sinnesqualitäten abgebildet (zB bei posttraumatischen
Belastungsstörungen)
Pseudohalluzinationen
= Trugwahrnehmungen werden als solche erkannt, Realitätskontrolle
erhalten (zB nach Drogeneinnahme)
Kinder- und Jugendpsychiatrie
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Spezielle psychopathologische Phänomene (Symptome):
Wahrnehmung
Wahrnehmungsstörungen treten auf bei:
Organischen Sinnesbeeinträchtigungen,
cerebralen Anfällen,
cerebralen Schädigungen,
bei erlebnisreaktiven Irritationen,
bei Persönlichkeitsentwicklungsstörungen,
bei psychotischen Prozessen
Kinder- und Jugendpsychiatrie
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Spezielle psychopathologische Phänomene (Symptome):
Gedächtnis
= aktiv, strukturierend
•Störungen des unmittelbaren Behaltens
•Störungen des Kurzzeitgedächtnisses
•Beeinträchtigungen in den Strukturen des
Langzeitgedächtnisses (Amnesie,
Zeitrasterstörungen)
Kinder- und Jugendpsychiatrie
77
Spezielle psychopathologische Phänomene (Symptome):
Gedächtnis
•Gedächtnisstörungen können hirnorganisch
bedingt sein (Enzephalitis, Tumor), aber auch durch
psychodynamische Faktoren beeinflusst sein
(Verdrängung)
•Gedächtnisstörungen sind durch
neuropsychologische Untersuchungen differenziert
nachzuweisen.
Kinder- und Jugendpsychiatrie
78
Spezielle psychopathologische Phänomene (Symptome):
Sprachliche Kommunikation:
Sprachstörungen
Sprechstörungen
Kinder- und Jugendpsychiatrie
79
Spezielle psychopathologische Phänomene (Symptome):
Sprachliche Kommunikation:
Sprachstörungen:
Aphasien:
Formen der Aphasie:
totale Aphasie: Sprache wird weder vestanden noch gesprochen
amnestische Aphasie: Wortfindungsstörungen stocken den an sich gut
erhaltenen Sprachfluss
motorische Aphasie (Broca): erheblich verlangsamter Sprachfluss,
schlechte Artikulation, Paraphasien, Dysgrammatismus,
Sprachverständnis ungestört (zu unterscheiden von der Dysarthrie:
verlangsamter Sprechfluss, verwaschene Aussprache, kein
Dysgrammatismus)
sensorische Aphasie (Wernicke): Spontansprache wird nicht verstanden,
phonematische und semantische Paraphasien, Sprachfluss erhalten,
Nachsprechen problemlos, aber phonematische Entstellung der Wörter
Kinder- und Jugendpsychiatrie
80
Spezielle psychopathologische Phänomene (Symptome):
Sprachliche Kommunikation:
Sprachstörungen:
phonematische Paraphasien: Veränderung der Lautstruktur der
Wörter
Semantische Paraphasien: ein Wort wird durch ein anderes der
Standardsprache ersetzt
Wortfindungsstörungen
Neologismen: = Wortneuschöpfungen
Agrammatismus, Dysgrammatismus, Paragrammatismus: Grammatik
ist falsch, einfache Wortreihen ohne grammatikalische Strukutr (zB
„Ball haben“)
Logorrhoe = montononer, ausgeprägter Redefluss
Mutismus = Verweigerung der sprachlichen Kommunikation,
Sprachkompetenz aber vorhanden
Kinder- und Jugendpsychiatrie
81
Spezielle psychopathologische Phänomene (Symptome):
Sprachliche Kommunikation:
Sprechstörungen:
Dysarthrie (s.o): Artkulationsstörung im Vordergrund, aber auch Stimme
und Atmung kann betroffen sein. Eigentlich Bewegungsstörung (stärkste
Ausprägung: Anarthtrie)
Poltern und Stottern: Störungen des zusammenhängenden Redeflusses.
- Poltern: überhasteter Sprechimpuls, Versprecher, gesteigertes
Sprechtempo
-Stottern: Hemmung und Unterbrechung des Sprechablaufes, manchmal
bestimmte Worte oder Silben ( psychodynamischer Faktor?), Mit- und
Ausgleichsbewegungen, klonisch = Wiederholungen, tonisch = Pressen
Näseln: Störung der Aussprache durch dysfunktionales Zusammenspiel
der Vorgange in Kehlkopf und Rachenraum
Stammeln: Unfähigkeit, einzelne Phoneme regelrecht auszusprechen
(Rhotazismus, Sigmatismus, Lambdazismus, Schetismus..)
Kinder- und Jugendpsychiatrie
82
Spezielle psychopathologische Phänomene (Symptome):
Denken
formale Denkstörungen:
Tempo:
verlangsamt oder beschleunigt
Prozessablauf:
Gehemmtes Denken = Erschwerung des Denkablaufs,
Patienten haben den Eindruck, gegen einen Widerstand denken
zu müssen
Perseveration = Haftenbleiben an Worten und Formulierungen
Verbigeration = sinnloses Wiederholen von Worten
Thematische Einengung = Haften an einem oder wenigen
Themen
Kinder- und Jugendpsychiatrie
83
Spezielle psychopathologische Phänomene (Symptome):
Denken
formale Denkstörungen:
Prozessablauf:
Grübeln = unablässig mit bestimmten
Gedankengängen beschäftigt sein, unangenehme
Inhalte, mit der aktuellen Lebenssituation in
Verbindung, werden nicht als fremd erlebt (zum
Unterschied von Zwangsgedanken)
Kinder- und Jugendpsychiatrie
84
Spezielle psychopathologische Phänomene (Symptome):
Denken
formale Denkstörungen:
Prozessablauf:
Gedankendrängen = unter dem Druck von
Einfällen oder wiederkehrenden Gedanken stehend
(zB Suizidideen, Gewissensdruck)
Kinder- und Jugendpsychiatrie
85
Spezielle psychopathologische Phänomene (Symptome):
Denken
formale Denkstörungen:
Prozessablauf:
Ideenflucht = vermehrt Einfälle, Pläne, Ideen, die
nicht leitbar sind, Verlust der Zielvorstellung (zB bei
Hypomanie und Manie)
Kinder- und Jugendpsychiatrie
86
Spezielle psychopathologische Phänomene (Symptome):
Denken
formale Denkstörungen:
Prozessablauf:
Tangentiales Denken = Missverstehen des
Kontexts einer Frage (zB: Was ist der Unterschied
zwischen Treppe und Leiter? Antwort: ich wohne im
Erdgeschoss)
Kinder- und Jugendpsychiatrie
87
Spezielle psychopathologische Phänomene (Symptome):
Denken
formale Denkstörungen:
Prozessablauf:
Sperrungen = plötzlicher Abbruch eines
Gedankenganges (Gedankenabreißen,
Gedankenblockade)
Kinder- und Jugendpsychiatrie
88
Spezielle psychopathologische Phänomene (Symptome):
Denken
formale Denkstörungen:
Prozessablauf:
Zerfahrenheit = vielfache Sperrungen
Faseln = scheinbar zufällig durcheinander
gewürfelte Sätze, Gedankenbruchstücke
Neologismen = Wortneuschöpfungen
Kinder- und Jugendpsychiatrie
89
-> Hirnorganisch bedingte
Entwicklungs- und
Funktionsstörungen:
Kinder- und Jugendpsychiatrie
90
Hirnorganisch bedingte Entwicklungs- und Funktionsstörungen:
Allgemein:
Verursachung:
genetisch, Sauerstoffmangel bei Geburt, entzündliche
Prozesse, traumatisch, tumurös, degenerativ
Zeitpunkt des Eintretens der Noxe?
Phasenspezifisch in Art und Ausprägung
Ausmaß, ev Lokalisation: diffus oder lokalisierbar
Kinder- und Jugendpsychiatrie
91
Hirnorganisch bedingte Entwicklungs- und Funktionsstörungen:
Allgemein:
Auswirkung:
Retardation
Arrieration (= Entwicklungsstop)
Abbauprozess
Deviante Entwicklung
überdecken sich manchmal oder folgen einander
Kinder- und Jugendpsychiatrie
92
Hirnorganisch bedingte Entwicklungs- und Funktionsstörungen:
Speziell:
1. Neuromotorische-neurosensorische
Syndrome:
Motorische Auffälligkeiten = Hinweis auf
Hirnfunktionsstörung, strukturelle Läsion des ZNS
(Zentralnervensystem)
Zentrale Organisation der Motorik = komplexes
System mehrerer anatomischer Einheiten
Kinder- und Jugendpsychiatrie
93
Hirnorganisch bedingte Entwicklungs- und Funktionsstörungen:
Typologie der cerebralen
Bewegungsstörungen:
Spastizität: erhöhter Tonus der Muskulatur
Diplegie: beschränkt auf untere Extremitäten
Tetraplegie, Tetraparese: alle vier Gliedmaßen
betroffen
Hemiparese: nur eine Körpehälfte betroffen
Kinder- und Jugendpsychiatrie
94
Hirnorganisch bedingte Entwicklungs- und Funktionsstörungen:
Typologie der cerebralen Bewegungsstörungen:
Rigidität: ständig gleich bleibender Widerstand gegen die passive Bewegung
(+“Zahnradphänomen“ = ruckartiges Nchgeben bei passiver Bewegung)
Hypotonie-Dystonie: abnormer Wechsel des Muskeltonus, generalisiert,
lokalisiert, oder auch nur bei einzelnen Muskelgruppen
Athetosen: wurmartige, langsame Bewegungen, unwillkürlich (abzugrenzen
von den reinen Choreaathetosen, die ohne Zeichen der spastischen Lähmung
bestehen
Tremor: Ruhezittern (Hände,Kopfwackeln)
Störung der Koordination: normale Kraftleistung, keine Tonusveränderungen,
aber Schwierigkeiten im Adressieren von Bewegungen
Kinder- und Jugendpsychiatrie
95
Hirnorganisch bedingte Entwicklungs- und Funktionsstörungen:
Speziell:
2. Störungen höherer Hirnfunktionen:
Apraxie-Dyspraxie:
Durch Erfahrung gelernte motorische Aufgaben können
nur mangelhaft geplant und ausgeführt werden.
•Entwicklungsapraxie: nicht ausreichend entwickelte
motorische Handlungsabläufe
•Apraxie: diese Handlungsabläufe waren bereits
entwickelt und wurden abgebaut
Abgrenzungsprobleme zur „Ungeschicklichkeit“
Kinder- und Jugendpsychiatrie
96
Hirnorganisch bedingte Entwicklungs- und Funktionsstörungen:
Speziell:
Das chronisch diffuse hirnorganische Psychosyndrom
= frühkindliche Hirnschädigung, = frühkindliches exogenes
Psychosyndrom, = chronisches hirnorganisches
Psychosyndrom, = brain damage syndrome,
=Cerebralschadensyndrom, = Residualschadensyndrom,
= Enzephalopathiesyndrom; -> minimale cerebrale
Dysfunktion
Kinder- und Jugendpsychiatrie
97
Hirnorganisch bedingte Entwicklungs- und Funktionsstörungen:
Das chronisch diffuse hirnorganische Psychosyndrom
Ätiologie
Pränatal:
Untergewichtige Neugeboren (unter 2500g)
Abnorme Schwangerschaftsdauer (unter 37 oder über 42 Wochen)
Mehrlingsschwangerschaften
Intrauterine Mangelernährung
Uterus-Blutungen
Blutgruppenunverträglichkeit
Infektionskrankheit der Mutter (zB. Röteln, Syphilis)
Sonstige Krankheiten der Mutter (Diabetes, Schilddrüsenerkrankungen, Nieren-, Herz-, Kreislauferkrankungen)
Medikamenteneinnahme (Contergan, Antiepileptica,
Nikotin, Alkohol, Suchtgifte
Kinder- und Jugendpsychiatrie
98
Hirnorganisch bedingte Entwicklungs- und Funktionsstörungen:
Das chronisch diffuse hirnorganische Psychosyndrom
Ätiologie
Perinatal
-
Lageanomalien des Kindes
-
Instrumentelle und operative Entbindung (zB Zangengeburt)
-
Plazenta- und Nabelschnuranomalien
-
Abnorme Wehentätigkeit, abnorme Austreibungsphase
-
Verengung des Geburtskanals
-
Asphyxie, APGAR unter 7
Kinder- und Jugendpsychiatrie
99
Hirnorganisch bedingte Entwicklungs- und Funktionsstörungen:
Das chronisch diffuse hirnorganische Psychosyndrom
Ätiologie
Postnatal
-
Schwere Gelbsucht (Ikterus neonatorum)
-
Schwere Hypoglykämie und Azidose
-
Infektiöse und sonstige schwerere Erkrankungen
-
Gehirn- und Gehirnhautentzündungen
-
Impfschäden
-
Ernährungs- und Stoffwechselstörungen
-
Schwere Unfälle
-
Schwere körperliche Misshandlung
-
Soziale schwere Verwahrlosung
Kinder- und Jugendpsychiatrie
100
Hirnorganisch bedingte Entwicklungs- und Funktionsstörungen:
Das chronisch diffuse hirnorganische Psychosyndrom
Symptomatologie:
Hinweise auf eine physische und psychische Entwicklungsretardation
Rasche Ermüdbarkeit
Schwankende Leistungsfähigkeit
Verminderte und schwankende Konzentration
Antriebsstörung (Hypo- oder Hyperaktivität, auch wechselnd)
Stark umweltreizabhängige Ablenkbarkeit
Verminderte Affektsteuerung
Labilität der Affekte
Wahrnehmungsstörungen
Vegetative Dysregulation
Neurologische Spurensymptome (angedeutete tetra- oder
hemiplegische Symptome, geringfügig athetoid oder ataktisch)
Kinder- und Jugendpsychiatrie
101
Das
AufmerksamkeitsDefizitSyndrom
Kinder- und Jugendpsychiatrie
102
hyperaktiv-impulsiver Typ
Heinrich Hoffmann, 1844
Kinder- und Jugendpsychiatrie
103
hyperaktiv-impulsiver Typ
Heinrich Hoffmann, 1844
Kinder- und Jugendpsychiatrie
104
hyperaktiv-impulsiver Typ
Heinrich Hoffmann, 1844
Kinder- und Jugendpsychiatrie
105
unaufmerksamer Typ
Heinrich Hoffmann, 1844
Kinder- und Jugendpsychiatrie
106
unaufmerksamer Typ
Heinrich Hoffmann, 1844
Kinder- und Jugendpsychiatrie
107
unaufmerksamer Typ
Heinrich Hoffmann, 1844
Kinder- und Jugendpsychiatrie
108
ADS
ADHS
HKS
= kinderpsychiatrische Diagnose
Kinder- und Jugendpsychiatrie
109
Klassifikation:
DSM 5:
Unaufmerksamkeit
ADHS: vorwiegend
unaufmerksamer Typ
Hyperaktivität
Impulsivität
ADHS: vorwiegend
hyperaktiv/impulsiver Typ
ADHS: Mischtyp
Kinder- und Jugendpsychiatrie
110
Klassifikation:
ICD 10:
Unaufmerksamkeit
Hyperaktivität
Impulsivität
Störung des
Sozialverhaltens
Aktivitäts- und
Aufmerksamkeitsstörung
Hyperkinetische Störung des
Sozialverhaltens
Kinder- und Jugendpsychiatrie
111
ADS, ADHS
Prävalenz:
2 bis 5 Prozent, je nach Informationsquellen
und verwendeten
Untersuchungsinstrumenten
klassifiziert nach internationalen
Klassifikationssystemen:
ICD 10, DSM 5:
Kinder- und Jugendpsychiatrie
112
ADHS - Kurzdefinition
KERNSYMPTOME:
= ein auf das Entwicklungsniveau
bezogener unangemessener Grad
an Unaufmerksamkeit und/oder
Hyperaktivität-Impulsivität
vor dem Alter von 7 Jahren – wurde
korrigiert auf: vor dem Alter von 12 Jahren
Kinder- und Jugendpsychiatrie
113
Symptome
• … müssen schwerwiegender sein als bei
anderen Kindern gleichen Alters
• ... müssen schwerwiegender sein als bei
anderen Kindern gleichen Entwicklungsstands
• ... müssen in verschiedenen
Lebensbereichen auftreten (z. B. Familie,
Schule)
• ... müssen im Alltagsleben ernste Probleme
verursachen
• ... verändern sich mit zunehmendem Alter
und können lebenslang bestehen
Kinder- und Jugendpsychiatrie
114
ICD 10:
F90 hyperkinetische Störungen:
einfache Aufmerksamkeitsstörung
ein Katalog von Symptomen
Kinder- und Jugendpsychiatrie
ICD 10/ F 90
115
G1: Unaufmerksamkeit
1.
sind häufig unaufmerksam gegenüber Details oder machen Flüchtigkeitsfehler
bei den Schularbeiten und sonstigen Arbeiten und Aktivitäten
2.
sind häufig nicht in der Lage, die Aufmerksamkeit bei Aufgaben und beim Spielen
aufrechtzuerhalten
3.
hören häufig scheinbar nicht, was ihnen gesagt wird
4.
können oft Erklärungen nicht folgen oder ihre Schularbeiten, Aufgaben
Pflichten am Arbeitsplatz nicht erfüllen
5.
sind häufig beeinträchtigt, Aufgaben und Aktivitäten zu organisieren
6.
vermeiden oder verabscheuen Arbeiten, wie Hausarbeiten, die
Durchhaltevermögen erfordern
7.
verlieren häufig Gegenstände, die für bestimmte Aufgaben oder Tätigkeiten
wichtig sind, z.B. Schularbeiten, Bleistifte, Bücher, Spielsachen und Werkzeuge
8.
werden häufig von externen Stimuli abgelenkt
9.
sind im Verlaufe der alltäglichen Aktivitäten oft vergesslich
Kinder- und Jugendpsychiatrie
oder
116
Symptome
• … müssen schwerwiegender sein als bei
anderen Kindern gleichen Alters
• ... müssen schwerwiegender sein als bei
anderen Kindern gleichen Entwicklungsstands
• ... müssen in verschiedenen
Lebensbereichen auftreten (z. B. Familie,
Schule)
• ... müssen im Alltagsleben ernste Probleme
verursachen
• ... verändern sich mit zunehmendem Alter
und können lebenslang bestehen
Kinder- und Jugendpsychiatrie
117
Klassifikation:
- „Diagnose“
ICD 10, DSM 5:
kategorial !
Gesundheit
dimensional
Grauzone an
der Grenze
zwischen
Normalität
und
psychischer
Störung
Kinder- und Jugendpsychiatrie
Störung
118
Diagnostik
• Evaluation
• Prognose
Symptomdeskription von ICD 10 und DSM 5
endet auf der Ebene der Klassifikation
• Erklärung
• Klassifikation
• Deskription
subsumiert unterschiedlichste Ätiologien
119
Kinder- und Jugendpsychiatrie
Neuropsychologie
•Dysfunktionen in einem weitreichenden
neuronalen Netzwerk
Anteriores
Aufmerksamkeitssystem
Posteriores
Aufmerksamkeitssystem
Frontallappen
Striatum
Cerebellum
Kinder- und Jugendpsychiatrie
120
Psychologische Diagnostik
von /ADSADHS
• Teilleistungsschwächen ?
Störung der
Exekutivfunktionen, Lernstörungen
cave: Differentialdiagnostik
• emotionale Ursachen?
der sekundären
(Familienkonflikte,
Neurotisierung!
Geschwisterrivalität,
neurotische Entwicklung usw..
• soziales und pädagogisches Umfeld ?
(Überforderung in der Schule, Probleme mit der
Peer-Group usw...)
121
Kinder- und Jugendpsychiatrie Test für ADHS!
Es gibt keinen spezifischen
Modulierende psychosoziale
Faktoren
Partnerkonflikte
Psychische Störung eines Elternteils
Erziehungsdefizit
Negative Eltern-Kind-Beziehung
Familiäre Instabilität
Negative Interaktion mit Bezugspersonen (zB Lehrer)
Kinder- und Jugendpsychiatrie
122
Je nach Untersuchungsergebnis:
Teilleistungsschwächentraining
Psychoedukation
Kind
Psychopharmakotherapie
Psychotherapie
Psychoedukation
Eltern
Elterntraining/Elternberatung
Familientherapie
Schule
Psychoedukation
Verhaltensinterventionen in Schule
Kinder- und Jugendpsychiatrie
123
Die professionelle Kontroverse über die
medikamentöse Behandlung von ADHS birgt
das Risiko, Patienten zu vernachlässigen
•keine
Medikation trotz
Indikation
vernachlässigt
Patienten in
ihren
biologischen
Bedürfnissen
•Medikation ohne
Indikation
vernachlässigt
Patienten in ihren
emotionalen und
psychosozialen
Nöten
Kinder- und Jugendpsychiatrie
124
Psychoedukation:
Grundprinzipien für Eltern
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
Stärken Sie die positive Beziehung zu Ihrem Kind !
Stellen Sie klare Regeln auf!
Formulieren Sie die Regeln in gleich bleibenden, einfachen Sätzen!
Formulieren Sie Gebote, nicht Verbote!
Sprechen Sie das Kind in Augenhöhe und mit Körperkontakt an,
wenn Sie Regeln einfordern!
Loben Sie Ihr Kind oft und unverzüglich!
Loben Sie das Kind für Bemühen, auch wenn das Ziel nicht erreicht
ist!
Seien Sie konsequent, was Regeln, positive und negative
Konsequenzen anbelangt!
Versuchen Sie, Probleme vorherzusehen!
125
Kinder- und Jugendpsychiatrie
Versuchen Sie nicht, perfekt
zu sein!
Psychoedukation:
Grundprinzipien für Lehrer:
– Loben Sie das Kind oft und unverzüglich!
– Loben Sie das Kind für Bemühen, auch wenn das Ziel nicht
erreicht ist!
– Seien Sie konsequent, was Regeln, positive und negative
Konsequenzen anbelangt!
– Leiten Sie das Kind zur Selbstkontrolle an!
– Geben Sie dem Kind individuelle Hilfestellung beim Übergang von
einer Aktivität zur anderen!
– Tauschen Sie sich regelmäßig mit den Eltern des Kindes aus; das
ist ein zweiseitiger Prozess!
– Stellen Sie klare Regeln auf!
– Formulieren Sie die Regeln in gleich bleibenden, einfachen
Sätzen!
– Formulieren Sie Gebote, nicht Verbote!
– Sprechen Sie das Kind
in und
Augenhöhe
und mit Körperkontakt 126
an,
KinderJugendpsychiatrie
wenn Sie Regeln einfordern!
„Wer nur einen Hammer hat, hält
alles für einen Nagel“
(Paul Watzlawick)
AD
STIMUL
HS
ANTIE
FORSCHUNG
N
PRAXIS
Kinder- und Jugendpsychiatrie
127
Die Behandlung muss zum Patienten
passen wie der Schlüssel zum Schloss
(Walter Spiel)
Kinder- und Jugendpsychiatrie
128
Lernstörungen:
Legasthenie,
Leserechtschreibschwäche,
Dyskalkulie
- siehe Vorlesung Entwicklungspsychologie –
Kognitive Entwicklung
Kinder- und Jugendpsychiatrie
129
Hirnorganisch bedingte Entwicklungs- und Funktionsstörungen:
Schwachsinn
Ätiologie:
-Hirnschädigung
-genetische Bedingtheit (letztere Gruppe ist
deutlich kleiner - Korrelation zwischen Eltern und
Kind: 0,50!)
Kinder- und Jugendpsychiatrie
130
Hirnorganisch bedingte Entwicklungs- und Funktionsstörungen:
Schwachsinn:
Definitionsprobleme:
nur über das zu definieren, was ein Intelligenztest misst,
ist zu wenig!
Differentialdiagnostik!
Retardierte: geringer IQ, aber entwicklungsfähig!
Abbauprozesse: verringern IQ
Pseudodebilität
Soziale Deprivation (Kaspar-Hauser-Syndrom. Beispiel:
Adoptivkinder aus Entwicklungsländern)
Manchmal isolierte Hochbegabungen!
Kinder- und Jugendpsychiatrie
131
Hirnorganisch bedingte Entwicklungs- und Funktionsstörungen:
Schwachsinn:
Grad des Schwachsinns:
Idiotie: sprachliche Kommunikation und Selbstpflege nicht
möglich (IQ unter 20)
Imbezillität: stark reduzierte sprachliche Kommunikation,
schulunfähig, Selbstpflege aber möglich, (IQ bis 50)
Debilität: Normalschulbildung nicht möglich, aber
Sonderschulbildung bis zur Berufsfähigkeit (IQ bis 85)
Kontaktfähigkeit,
Selbständigkeit,
Ausdrucksfähigkeit,
Verträglichkeit
wesentlich
wichtiger
als
IQ
für
Lebensqualität und soziale Integration!
Kinder- und Jugendpsychiatrie
132
Hirnorganisch bedingte Entwicklungs- und Funktionsstörungen:
Schwachsinn:
nur über das zu definieren, was ein Intelligenztest misst, ist zu wenig!
Differentialdiagnostik!
Beispiel :
Bub: im Alter von zwei Jahren aus einem Waisenhaus adoptiert.
Entwicklungsstand: konnte nicht frei sitzen, keinerlei sprachliche Äußerung, erste Ansätze von
Lallen, erste Greifversuche. Nahm keine breiige Nahrung zu sich, konnte nur mit Flasche ernährt
werden.
Entwicklungsstand: etwa 5 Monate
Im weiteren intensive Förderung durch Adoptiveltern unter psychologischer Anleitung:
Mit fünf Jahren Dysgrammatismus, motorisch ungeschickt, trennungsängstlich von den Eltern, aber
mit einer bestimmten Kindergärtnerin durchaus in der Gruppe im Kindergarten integriert, primäre
Enuresis nocturna, mit sechs Jahren auch nachts trocken.
IQ 72
Nach Rückstellung mit sieben Jahren eingeschult, keine Lernprobleme, durchschnittlicher Schüler.
Besucht derzeit mit gutem Lernerfolg die erste Klasse einer kooperativen Mittelschule, schwächster
Gegenstand: Mathematik. Sozial und emotional vollkommen unauffällig.
IQ 104
Kinder- und Jugendpsychiatrie
133
Spezielle psychopathologische Phänomene (Symptome):
Angst
Kinder- und Jugendpsychiatrie
134
Spezielle psychopathologische Phänomene (Symptome):
Angst ist eine
anpassungsnotwendige
physiologische Emotion.
Kinder- und Jugendpsychiatrie
135
Spezielle psychopathologische Phänomene (Symptome):
Angst
Physiologische Ängste:
0-6 Monate: aversive Reize
6-9 Monate: „Fremdeln“
9-24 Monate: Separation
2-5Jahre: Umweltangst (Gespenster, Hexen,
Einbrecher, Tiere, Dunkelheit, Gewitter…)
6-9 Jahre: Sozialisationsangst
9-12 Jahre: Realangst
12-14 Jahre: Reifungsangst
Über 14 Jahre: Existenzangst
Kinder- und Jugendpsychiatrie
136
Spezielle psychopathologische Phänomene (Symptome):
Angst
Pathologische Ängste:
Phobien: zwanghafte Befürchtungen vor
bestimmten Situationen oder Objekten, die nicht
real zu rechtfertigen sind
Kinder- und Jugendpsychiatrie
137
Spezielle psychopathologische Phänomene (Symptome):
Angst
Soziale Phobien: Angst vor Tätigkeiten in der Öffentlichkeit
(sprechen, Referat halten), Tierphobien, Insektenphobien,
Arztphobien, Aidsphobien, Agoraphobie (=Angst vor
Menschenmengen, Plätzen, Reisen …)
Kinder mit erhöhter Angstbereitschaft haben zumeist
überängstliche Bezugspersonen.
Kinder- und Jugendpsychiatrie
138
Spezielle psychopathologische Phänomene (Symptome):
Angst
Pathologische Ängste:
Panikattacken: abgegrenzte Perioden
intensiver Angstgefühle, oft mit
körperlichem Unbehagen,
Kinder- und Jugendpsychiatrie
139
Spezielle psychopathologische Phänomene (Symptome):
Angst
Angst und Schule:
Schulverweigerung: dissozial: Schule schwänzen, ohne
Angst
Schulangst: Angst vor der Schule
Schulphobie: Angst ist unabhängig von der Schule und
führt zu Schulverweigerung (zumeist Trennungsangst
von Bezugspersonen)
Kinder- und Jugendpsychiatrie
140
Spezielle psychopathologische Phänomene (Symptome):
Zwang
Kinder- und Jugendpsychiatrie
141
Spezielle psychopathologische Phänomene (Symptome):
Zwang
- Zwangsgedanken (obsessions):
Gedanken, Impulse, Bilder
- Zwangshandlungen (compulsions): stereotype Handlungen
(Reinigungshandlungen, Kontrollzwang)
Beginn im Kindesalter:
etwa mit 10 Jahren, (+/- 3,5).
Häufig gemeinsam mit Depression, ohne dass daraus ein
ursächlicher Zusammenhang abgeleitet werden kann.
Kinder- und Jugendpsychiatrie
142
Spezielle psychopathologische Phänomene (Symptome):
Zwang
Merkmal:
verursachen Leiden, sind zeitraubend und beeinträchtigen
den Tagesablauf
Diagnose:
-Zwang besteht wenigstens zwei Wochen an den meisten
Tagen
-müssen als eigene Gedanken und Impulse erkennbar sein
-wiederholen sich in unangenehmer Weise
-Patient versucht, wenigstens
Handlung Widerstand zu leisten
einem
Kinder- und Jugendpsychiatrie
Gedanken
oder
143
Spezielle psychopathologische Phänomene (Symptome):
Befindlichkeit
Kinder- und Jugendpsychiatrie
144
Spezielle psychopathologische Phänomene (Symptome):
Befindlichkeit
Grundstimmung:
allgemeine Stimmungslage des Patienten,
beeinflusst Wahrnehmung, Denken, Handeln. Diese
wird von affektiven Reaktionen überformt (Lächeln
trotz Traurigkeit -> kann zu Stimmungsumschwung
führen)
Kinder- und Jugendpsychiatrie
145
Spezielle psychopathologische Phänomene (Symptome):
Befindlichkeit
Störung der Befindlichkeit:
Depression = übersteigerte Trauer; Schwermut, Lustlosigkeit,
Freudlosigkeit, Gefühl der Leere, Schuldgefühle, mangelnder
Selbstwert, Veränderung des Antriebs, der vegetativen
Funktionen
Dysphorie = gereizte Missstimmung; ärgerlich, vergrämt, leicht
reizbar, griesgrämig
(vor allem im Rahmen von Adoleszenzkrisen)
Euphorie = heiter-fröhliche Grundstimmung
Manie = übersteigerte Fröhlichkeit; Steigerung des Antriebs,
Schlafmangel, übersteigertes Selbstvertrauen, bis zur
Ideenflucht und Denkstörungen. Im Kindesalter selten
Kinder- und Jugendpsychiatrie
146
Spezielle psychopathologische Phänomene (Symptome):
Befindlichkeit
Im Kindesalter:
Depression: äußert sich oft in psychosomatischen Reaktionen,
unspezifischem Unglücklichsein.
Vor der Pubertät: Buben zu Mädchen: 2:1, ab Pubertät: 1:2
Depressive Symptome auch bei Verhaltensstörungen,
Angststörungen, Aufmerksamkeitsstörungen und
Hyperaktivität.
Kinder- und Jugendpsychiatrie
147
Affektausdruck
Kinder- und Jugendpsychiatrie
148
Spezielle psychopathologische Phänomene (Symptome):
Affektausdruck
Störungen des Affektausdrucks:
Ambivalenz= widersprüchliche Gefühle und
Motive gleichzeitig im Bewusstsein.
Ausgeprägte Ambivalenz oder Ambitendenz:
(widersprüchliche
Motive)
führen
zu
Handlungsunfähigkeit
Kinder- und Jugendpsychiatrie
149
Spezielle psychopathologische Phänomene (Symptome):
Affektausdruck
Störungen des Affektausdrucks:
Affektarmut: emotionale Indifferenz trotz
adäquater Auslöser
Kinder- und Jugendpsychiatrie
150
Spezielle psychopathologische Phänomene (Symptome):
Affektausdruck
Störungen des Affektausdrucks:
Affektverflachung:
= Störung der affektiven Beteiligung
-bei schizophrenen Syndromen
Kinder- und Jugendpsychiatrie
151
Spezielle psychopathologische Phänomene (Symptome):
Affektausdruck
Störungen des Affektausdrucks:
Affektstarre
= Mangel an affektiver Modulation
Kinder- und Jugendpsychiatrie
152
Spezielle psychopathologische Phänomene (Symptome):
Affektausdruck
Störungen des Affektausdrucks:
Affektlabilität =
rascher Stimmungswechsel
Kinder- und Jugendpsychiatrie
153
Spezielle psychopathologische Phänomene (Symptome):
Affektausdruck
Störungen des Affektausdrucks:
Affektinkontinenz
= Mangel an Affektsteuerung
Kinder- und Jugendpsychiatrie
154
Spezielle psychopathologische Phänomene (Symptome):
Affektausdruck
Störungen des Affektausdrucks:
Parathymie
= Affekte passen nicht zum
kommunikativen Kontext
Kinder- und Jugendpsychiatrie
155
Vegetative Funktionen
Kinder- und Jugendpsychiatrie
156
Spezielle psychopathologische Phänomene (Symptome):
Vegetative Funktionen
Essverhalten:
Appetitstörungen:
Erhöhte Nahrungsaufnahme: Adipositas (Fettsucht):
Häufigkeit im Kindesalter: ca 20%, etwa gleiche
Geschlechterverteilung
Reduzierte Nahrungsaufnahme: Anorexia nervosa
Essattacken: Bulimia nervosa
Verlangen, viel zu trinken: Polydipsie
willkürliches Heraufwürgen von Nahrung, die dann
wieder gekaut und verschluckt wird: Rumination
Kinder- und Jugendpsychiatrie
157
Spezielle psychopathologische Phänomene (Symptome):
Vegetative Funktionen
Ausscheidungsfunktionen:
Unwillkürliches Einnässen ohne organische
Ursache: Enuresis
Unwillkürliches Einkoten ohne organische
Ursache : Enkopresis
Kinder- und Jugendpsychiatrie
158
Spezielle psychopathologische Phänomene (Symptome):
Vegetative Funktionen
Schlafstörungen:
Schlaf hat zwei Zustände:
Non-REM-Schlaf: 4 Stadien (Einschlafstadium- leichter
Schlaf-mittlerer Schlaf-Tiefschlaf)
REM(rapid-eye-movement)-Schlaf: Traumstadium
(Stadium 5)
Zyklus REM-Non-REM: Neugeborenes: 50-60 Minuten
Erwachsener: ca 90 Minuten
Kinder- und Jugendpsychiatrie
159
Spezielle psychopathologische Phänomene (Symptome):
Vegetative Funktionen
Dyssomnien:
-Ein- und Durchschlafstörungen (Insomnie)
-Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmus
-Übermäßige Schlafneigung während des Tages,
Schlafanfälle während des Tages (Hypersomnie) – tritt
meist erst zwischen 15 und 25 Jahren auf
-Narkolepsie: unkontrollierte Schlafattacken mit
Tonusverlust
-Schlafapnoe: wiederholte Atemstillstände von bis zu 30
Sekunden während des Schlafes, tagsüber erhöhtes
Schlafbedürfnis
Kinder- und Jugendpsychiatrie
160
Spezielle psychopathologische Phänomene (Symptome):
Vegetative Funktionen
Parasomnien:
-Pavor nocturnus: etwa 2-3 Stunden nach dem Einschlafen
in einer tiefen NREM-Phase: vegetativ übererregt, heftige
Bewegungen, angstvoller Gesichtsausdruck, Schreien
-Schlafwandeln (Noctambulismus, Somnambulismus)
gehäuft zwischen 5 und 7 Jahren
-Albträume
Kinder- und Jugendpsychiatrie
161
Spezielle psychopathologische Phänomene (Symptome):
Soziale Interaktion
Kinder- und Jugendpsychiatrie
162
Spezielle psychopathologische Phänomene (Symptome):
Soziale Interaktion
Störung des Sozialverhaltens ist zweithäufigste
kinderpsychiatrische Diagnose, bei Buben die häufigste.
Aggression:
Oppositionelles
Verhalten zur
Durchsetzung eigener
Bedürfnisse
Aufmerksamkeitsforderndes Verhalten zur
Befriedigung emotionaler
Bedürftigkeit
Kinder- und Jugendpsychiatrie
163
Spezielle psychopathologische Phänomene (Symptome):
Soziale Interaktion
Höhepunkt der frühkindlichen Aggressionsentwicklung:
Trotzalter
Fixierung auf „grandioses“ Selbst, das fragloses
Akzeptiertsein von einem idealisierten Objekt fordert.
Kränkungen können nicht adäquat verarbeitet werden,
narzisstisch labile Kinder sind auf die Bestätigung ihrer Macht
und Omnipotenz angewiesen.
Identifikation mit dem Aggressor als Angstabwehr
Kinder- und Jugendpsychiatrie
164
Spezielle psychopathologische Phänomene (Symptome):
Soziale Interaktion
Aggression:
•oft mit hyperkinetischem Verhalten und
Teilleistungsschwächen verbunden,
•häufig bei Jugendlichen, die in der Kindheit als
hyperkinetisch diagnostiziert wurden
(= Risikofaktoren für aggressive Verhaltensstörung)
•Komorbidität zu Drogenmissbrauch von etwa 50%,
Kinder- und Jugendpsychiatrie
165
Spezielle psychopathologische Phänomene (Symptome):
Somatisierung
Kinder- und Jugendpsychiatrie
166
Spezielle psychopathologische Phänomene (Symptome):
Somatisierung
(ehemals: hysterische Krankheitsbilder)
= körperliche Symptome, die eine körperliche
Erkrankung nahe legen, aber keine organischen
Befunde
Reaktion des Organismus auf ihn
traumatisierende Lebenserfahrung
Mentzos (1980): Symptome weisen
Sinnzusammenhänge mit der Biographie und
dem aktuellen sozialen Rahmen auf.
Kinder- und Jugendpsychiatrie
167
Spezielle psychopathologische Phänomene (Symptome):
Somatisierung
Konversionsmodell:
Symbolcharakter, nicht bewusstseinsfähiges Material wird ins
Körperliche konvertiert, Organ ist die Bühne des Konflikts,
Organminderwertigkeit
Äquivalenzmodell:
Symptom = Angstanfall ohne Symbolcharakter, vegetative
Dysregulation
Gehäuft: Zusammenhang mit sexuellen, besonders inzestuösen
Übergriffen, Zeugenschaft von Gewalttaten, körperlicher
Misshandlung
Somatoforme Störungen häufig begleitet von depressiven
Symptomen, bei Schulphobien, im Vorfeld suizidaler Handlungen
Oft freies Intervall zwischen Ereignis und Symptom
Kinder- und Jugendpsychiatrie
168
Spezielle psychopathologische Phänomene (Symptome):
Somatisierung
Cave Differentialdiagnose zu organischen Erkrankungen (zB MS)!
Differentialdiagnostische Kriterien:
-Modell (emotional wichtige Bezugsperson hat ähnliche
Symptome)
-Belle indifference : Diskrepanz zwischen Schwere der
Erkrankung und Einstellung dazu, wenig subjektiv betroffen
-Gehäuft psychiatrisch-psychosomatische Erkrankungen in
der Familienanamnese
-Auch früher Somatisierung bei organischen Erkrankungen
-Frühe Somatisierungsphänomene
Kinder- und Jugendpsychiatrie
169
Spezielle psychopathologische Phänomene (Symptome):
Somatisierung
Cave Differentialdiagnose zu organischen Erkrankungen (zB MS)!
Differentialdiagnostische Kriterien:
-Organische Erkrankungen am(vor/während des Beginns der
Konversionssymptomatik
-Symptomwechsel, Symptomveränderung, Symptomausdehnung
im Rahmen der medizinischen Untersuchung
-Primärer und sekundärer Krankheitsgewinn
-Symbol- und Ausdrucksgehalt der Symptomatik (Beispiel: meist
beide und nicht nur eine Extremität)
-Körperliche Belastung durch bleibende Krankheitsfolgen (zB
nach Unfällen)
Kinder- und Jugendpsychiatrie
170
Spezielle psychopathologische Phänomene (Symptome):
Somatisierung
Differentialdiagnostische Kriterien:
-Manipulative Handlungen (bis zur Selbstverletzung)
-Häufiger Abbruch und Wechsel von Behandlungen („doctorshopping“)
-Persönlichkeitsentwicklungsstörungen (häufig Borderline-Typ)
-Traumatische Erfahrungen
Kinder- und Jugendpsychiatrie
171
-> Erlebnisreaktive und
psychogen entstandene
Störungen :
Kinder- und Jugendpsychiatrie
172
Erlebnisreaktive und psychogen entstandene Störungen
Einteilung nach Walter Spiel:
-Erlebnisreaktion
-Persönlichkeitsentwicklungsstörungen
-Neurotische Reaktionen
Kinder- und Jugendpsychiatrie
173
Erlebnisreaktive und psychogen entstandene Störungen
Charakteristika der Erlebnisreaktion:
-psychophysische Reaktion beobachtbar (Erregung,
Irritiertheit, Ängstlichkeit, Unruhe, eventuell Schlafstörungen)
-Reaktion ist plausibel auf ein oder mehrere Ereignisse
zurückführbar
-Art der Erlebnisreaktion ist von der Qualität und Quantität
des Ereignisses abhängig
-Ereignis wird gewusst und erinnert
Kinder- und Jugendpsychiatrie
174
Erlebnisreaktive und psychogen entstandene Störungen
Einteilung der Erlebnisreaktionen nach Spiel (1987):
•
•
•
•
•
•
•
•
•
Extremes psychogenes Schocksyndrom
Hospitalismus-Syndrom
Angstsyndrome
- Pavor nocturnus
- Schulängste
Depressionen
Suizid, Suiziddrohung
Aggressionssyndrome
Mutismus = Verweigerung der sprachlichen Kommunikation, Sprachkompetenz aber vorhanden
- Elektiver Mutismus: mit ganz bestimmten Menschen wird die sprachliche Kommunikation aufrecht
erhalten,
Tagträumen
„Erziehungsprobleme“
-Daumenlutschen: Bei Mangelsituationen, Frustrationen, Depravierungen als Ersatzbefriedigung
-Nägelbeißen(Onychophagie), Nagelbettreißen (Perionychophagie): autoaggressiver
Akt zur Spannungsabfuhr
-Trichotillomanie: =Ausreißen der Haare
-Jactatio: Kopfdrehen und/oder Wippen, um sich in einen entspannten
Zustand zu versetzen. Deprivationssyndrom (Hospitalismus)
-Pica (nicht Essbares wird gegessen)
-Exzessive Onanie
-Enuresis
Siehe: spezielle Störungsbilder der Kinderpsychiatrie im
-Enkopresis
Übergangsbereich zwischen Erlebnisreaktion und Neurose!
Kinder- und Jugendpsychiatrie
175
-> Neurosen
Kinder- und Jugendpsychiatrie
176
Erlebnisreaktive und psychogen entstandene Störungen
Charakteristika der Neurosen:
-Vermutet wird innerseelischer Konflikt mit nicht
bewusstseinsfähigem Material
-Ursachen des neurotischen Symptoms sind nicht erfragbar
(weit zurück, nicht bewusst)
-Symptome der Energieeinbuße
-Schwere der Ursache steht in keinem Zusammenhang mit
der Schwere der Symptome (kleine Ursache-große Wirkung)
-Symptom ist repetetiv
-Symptom bedeutet etwas (Symbolisierung, Maskierung)
Kinder- und Jugendpsychiatrie
177
Neurosen
Einteilung der Neurosen nach Spiel (1987):
- Neurotische Reaktion
- Angstneurosen
- Hysterie
- Zwangsneurosen
- Depressive Neurosen
- Charakterneurosen
Persönlichkeitsentwicklungsstörungen
-Psychosomatosen
Kinder- und Jugendpsychiatrie
178
Psychosomatosen:
Neurosen
Schmerzstörungen:
-Abdominelle Beschwerden (Bauchschmerzen mit Übelkeit, Erbrechen,
Durchfall, bei Kindern gehäuft)
-Kopfschmerzstörungen (45-70% der 10-17jährigen!)
Migräne:
Charakteristika: Dauer (unbehandelt): zwischen 4 und 72 Stunden
(Kinder unter 15 Jahren: 2 bis 48 Stunden); einseitiger, pulsierender
Schmerz; Verschlimmerung der Schmerzen durch körperliche Aktivität;
Übelkeit, ev mit Erbrechen; Photophobie, Sonophobie. Bei 10-15%
„Auren“ vor dem Migräneanfall (Verschwommensehen, blinde Flecken,
gezackte geometrische Figuren, seltener Taubheitgefühle,
Gefühlsstörungen
Spannungskopfschmerz:
Charakteristika: Dauer zwischen 30 Minuten und sieben Tagen,
drückend, nicht pulsierend, beidseitig, durch körperliche Aktivität nicht
verschlimmert, keine Übelkeit, kein Erbrechen, keine Photo- oder
Sonophobie
Kinder- und Jugendpsychiatrie
Psychosomatosen:
179
Neurosen
Konversionsstörungen (dissoziative Störungen);
Am häufigsten betroffen: Motorik und Sensorik (Lähmungen,
Gangstörungen, pseudoepileptische Anfälle, Aphonie,
Bewusstseinsstörungen..)
Colitis ulcerosa:
Bauchschmerzen, blutige Durchfälle, Anämie
Respiratorische Affektkrämpfe:
Erregungssturm aus Trotzreaktion, Angst, bis zur Bewusstlosigkeit
Asthma bronchiale:
Psychogene Mitbeteiligung: „Schrei nach der Mutter“,
schwer irritierte Mutter-Kind-Beziehung
Kinder- und Jugendpsychiatrie
180
-> Spezielle Störungsbilder der
Kinderpsychiatrie, im
Übergangsbereich zwischen
erlebnisreaktiven Störungen und
Neurosen:
Kinder- und Jugendpsychiatrie
181
Spezielle Störungsbilder der Kinderpsychiatrie, im Übergangsbereich zwischen
erlebnisreaktiven Störungen und Neurosen:
Anorexia nervosa
Diagnostische Kriterien:
-Körpergewicht mindestens 15% unter der Norm
(Norm = Körpergewicht in kg/Körpergröße in m2)
-Gewichtsverlust ist selbst herbeigeführt
-Körperschemastörung und das unkorrigierbare
Gefühl zu dick zu sein
-endokrine Störungen
-bei Erkrankungsbeginn vor der Pubertät ist die
pubertäre Entwicklung verzögert oder gehemmt
-Hauptmanifestationsalter: 11-18 Jahre, 8-11 mal
häufiger bei Mädchen
Kinder- und Jugendpsychiatrie
182
Spezielle Störungsbilder der Kinderpsychiatrie,
im Übergangsbereich zwischen erlebnisreaktiven Störungen und Neurosen:
Bulimia nervosa
= unwiderstehlicher Drang, zu viel zu essen, gefolgt von
selbstinduziertem Erbrechen oder Abführen, Furcht, zu dick zu
werden. Altersgipfel: 19 Jahre
Risikofaktoren für Anorexie und Bulimie:
-Alter um die Pubertät
-Weiblich
-Hoher Druck in Richtung Schlanksein
-Hoher Leistungsdruck
-Mangelnde Fähigkeit, den eigenen Gefühlszustand
wahrzunehmen
-Familiäre Konfliktsituation und zu enge Beziehungen
-Sehr frühe Pubertät
-Zwilling
-Insulinabhängiger Diabetes mellitus
Kinder- und Jugendpsychiatrie
183
Spezielle Störungsbilder der Kinderpsychiatrie, im Übergangsbereich zwischen
erlebnisreaktiven Störungen und Neurosen:
Adipositas (Fettsucht)
Meist familiär gehäuft
Kinder oft passiv, wenig initiativ, infantil
Unlust wird durch Nahrungszufuhr beseitigt
Niedriges Frustrationsniveau
Kinder- und Jugendpsychiatrie
184
Spezielle Störungsbilder der Kinderpsychiatrie,
im Übergangsbereich zwischen erlebnisreaktiven Störungen und Neurosen:
Enuresis
= unwillkürliches Einnässen ohne organische Ursache, ab 5 Jahren
- Primäre Enuresis: Kind war noch nie trocken – zweimal so häufig
wie sekundäre Enuresis
- Sekundäre Enuresis: Rückfall, Kind war bereits trocken
(mindestens sechs Monate lang)
Enuresis nocturna: Kind nässt nur nachts ein – häufigste Form
Enuresis diurna: Kind nässt nur tagsüber ein
Enuresis diurna et nocturna: sowohl tagsüber als auch nachts
70% der Enuretiker haben einen Verwandten ersten Grades, der
auch Enuretiker war. Eindeutiger Zusammenhang zwischen
sekundärer Enuresis und Stressfaktoren (Geschwister,
Trauma…), aber KEIN Zusammenhang zum Sauberkeitstraining
Kinder- und Jugendpsychiatrie
185
Spezielle Störungsbilder der Kinderpsychiatrie, im Übergangsbereich zwischen
erlebnisreaktiven Störungen und Neurosen:
Enkopresis
= Einkoten ohne strukturelle Abnormitäten, ab dem 4. Lebensjahr.
drei Typen von Enkopresis:
• Darmkontrolle erworben, Stuhl wird an unangemessenen Orten
abgesetzt
• Darmkontrolle nicht erworben, Kind bemerkt das Absetzen von
Stuhl nicht oder kann keine Kontrolle ausüben
• Einkoten und Kotschmieren bei Durchfall bei Krankheit oder
Ängstlichkeit
Hypothesen einer Organschwäche des Darms als Mitbedingung
nicht bestätigt, aber alle Kinder zeigen emotionale Störungen
und sozial belastende Faktoren
Spezielles Symptom: Toilettenphobie
Kinder- und Jugendpsychiatrie
186
Spezielle Störungsbilder der Kinderpsychiatrie, im Übergangsbereich zwischen
erlebnisreaktiven Störungen und Neurosen:
Autoaggression
Selbstverletzung
= Zufügen einer Verletzung mit Gewebeschädigung ohne suizidale
Absicht
oft im Rahmen psychotischer Störungen (durch
Sinnestäuschungen oder Wahnideen religiösen oder sexuellen
Inhalts ausgelöst)
Teilaspekt einer Persönlichkeitsentwicklungsstörung: werden
wiederholt, werden meist nicht verleugnet
Kinder- und Jugendpsychiatrie
187
Spezielle Störungsbilder der Kinderpsychiatrie,
im Übergangsbereich zwischen erlebnisreaktiven Störungen und Neurosen:
Autoaggression
Im Kindesalter häufig:
Nägelkauen (Onychophagie)
Nagelbettreißen (Perionychophagie)
Ausreißen der Haare (Trichotillomanie) – bei Kindern häufig in
Zusammenhang mit Lernstörungen, geistigen Behinderungen,
bei Jugendlichen häufig in Zusammenhang mit depressiver
Symptomatik, Angstzuständen, Zwang, Psychose
CAVE:
Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom:
Mütter täuschen an Kindern Krankheitssymptome vor, um
Hospitalisierung und medizinische Eingriffe am Kind zu
erreichen. Mütter oft selbst Münchhausen-Patientinnen
Kinder- und Jugendpsychiatrie
188
Spezielle Störungsbilder der Kinderpsychiatrie,
im Übergangsbereich zwischen erlebnisreaktiven Störungen und Neurosen:
Suizid, Suizidversuch, Suizidgedanken
Bei Kindern ist die Intention des Suizids oft nicht eindeutig definierbar
(Suizidversuche können zu vollendetem Suizid führen)
Suizidrisiko bei psychotischen Kindern und Jugendlichen durch optische
Halluzinationen (inhaltlich oft mit verstorbenen Verwandten oder
Bezugspersonen), etwa 25%
Oft um den Geburtstag herum (Bilanzsuizid)
Suizidversuch: hohe Dunkelziffer
Charakteristika von Kindern und Jugendlichen, die Suizidversuch begingen oder an
Suizid starben:
- gehäuft depressive Erkrankungen und Persönlichkeitsentwicklungsstörungen in der
Herkunftsfamilie
- inkonsistentes Erziehungsverhalten im Wechsel zwischen permissiv und restriktiv
- mangelnder Austausch an Gefühlen im familiären Kommunikationsmuster
- soziale Isolation, innerhalb der Familie und innerhalb der peer-group
- chronische körperliche Erkrankungen, Teenager-Schwangerschaften,
- Kontakte mit Jugendlichen, die Suizidversuch begingen (Graham, 1991)
Kinder- und Jugendpsychiatrie
189
Spezielle psychopathologische Phänomene (Symptome):
Selbstbezug
Kinder- und Jugendpsychiatrie
190
Spezielle psychopathologische Phänomene (Symptome):
Selbstbezug
-Selbstwertprobleme:
gebunden an die Entwicklung der sozialen
Perspektivenübernahme, daher ab Übergang vom Vorschulalter zum
Grundschulalter, vorher situations- und bezugspersonen-bezogen,
nicht außerhalb der Belastungssituation
-Depersonalisation = Erleben der Selbstspaltung („Ich bin woanders als
mein Körper)
-Identitätsdiffusion = Unsicherheit über Identität („Ich weiß nicht, wer ich
bin. Vielleicht bin ich jemand anderer“)
-Fremdbeeinflussungserlebnisse = Beeinträchtigung der
Eigenbestimmung („Ich gehorche nicht meinem eigenen Willen, Ich bin
unter fremder Kontrolle.“)
-Gedankenentzug („Andere nehmen mir meine Gedanken weg“)
-Gedankenausbreitung („Andere Menschen wissen um meine Gedanken
und beeinflussen sie.“)
-Gedankeneingebung („Fremde Menschen flößen mir bestimmte
Gedanken ein.“)
Kinder- und Jugendpsychiatrie
191
Spezielle psychopathologische Phänomene (Symptome):
Realitätsbezug
Kinder- und Jugendpsychiatrie
192
Spezielle psychopathologische Phänomene (Symptome):
Realitätsbezug
-Wahn
kann beim Kind erst auftreten, wenn das Kind eine
Hauptrealität hat und soziale Perspektiven übernehmen kann,
also frühestens mit 5 bis 7 Jahren.
-Wahn wird zur Hauptrealität, gemeinsame Realität mit anderen
wird zur Nebenrealität
Kennzeichen der Wahnideen:
- subjektive Gewissheit
- Unbeeinflussbarkeit durch Erfahrung und logische Schlüsse
(Unkorrigierbarkeit)
- Unmöglichkeit des Inhalts (kann anderen nicht verständlich
gemacht und nicht mit ihnen geteilt werden) (Jaspers, 1973)
- Einsamkeit und Nichtkommunikation
Kinder- und Jugendpsychiatrie
193
Spezielle psychopathologische Phänomene (Symptome):
Realitätsbezug
Wahnwahrnehmungen:
Stufe 1: Wahnstimmung = Grunderwartung an die Welt voll Angst,
Misstrauen, Unheimlichkeit. Derealisation (Wirklichkeit ist
unwirklich). Anmutungserlebnisse (Die Blätter fallen im Herbst –
uns erwartet der Tod)
Stufe 2: Anmutungserlebnisse mit Eigenbeziehungen (Die Blätter
fallen im Herbst – das gilt mir)
Stufe 3: Anmutungserlebnisse mit Eigenbeziehung und
unverrückbarer Bedeutung (Dass die Blätter im Herbst vom
Baum fallen, wurde für mich gemacht, um mir ein Zeichen zu
setzen. Oder: dass die Kinder am Spielplatz so laut lachen, gilt
mir, um mich aus der Wohnung zu vertreiben)
Kinder- und Jugendpsychiatrie
194
Spezielle psychopathologische Phänomene (Symptome):
Realitätsbezug
kindliche Pseudopsychosen:
Kinder wahnhafter Eltern können die Wahnvorstellungen der Eltern
übernehmen („folie à deux“) =– verschwindet in anderem
sozialen Kontext sehr rasch
Wahnformen:
Beziehungswahn (Liebeswahn, Eifersuchtswahn);
Beeinträchtigungs- und Verfolgungswahn; Schuldwahn,
Versündigungswahn; Größenwahn; Verarmungswahn;
Abstammungswahn (ich bin nicht das Kind meiner Eltern);
Weltuntergangswahn; Schwangerschaftswahn; Wahnhafter
Ungezieferbefall ….
Kinder- und Jugendpsychiatrie
195
->Persönlichkeitsentwicklungsstörungen
Kinder- und Jugendpsychiatrie
196
Charakteristika der Persönlichkeitsentwicklungsstörungen:
-Aus der Anamnese: für die Entwicklung notwendige und
förderliche Einflüsse haben nicht stattgefunden; oder
Einflüsse waren Anlass zur Devianz der Entwicklung
-Der Zusammenhang damit ist dem Patienten nicht
„einsichtig“, wird nicht „gewusst“
-Störung imponiert als bleibend und ist nur schwer
beeinflussbar
-Verhaltenseigenschaften haben Charakterwert
-Patient zeigt wenig Angst und kaum Leidensgefühl
Kinder- und Jugendpsychiatrie
197
Persönlichkeitsentwicklungsstörungen
Persönlichkeitsentwicklungsstörungen durch Triebstörung:
Sexuelle Identitätsstörung:
Zeigt sich oft schon in der frühen Kindheit: angeborenes Geschlecht wird
abgelehnt
Transsexualismus: will als Angehöriger des anderen Geschlechts leben,
wünscht sich chirurgische und hormonelle Behandlung, denkt und fühlt
gegengeschlechtlich, will in der gegengeschlechtlichen Rolle sozial
anerkannt werden, liebt körperlich gleichgeschlechtliche Person, erlebt
sich aber nicht als homosexuell. Bis jetzt keine genetische Ursache
gefunden.
Transvestitismus: trägt gelegentlich Kleider des anderen Geschlechts, um
zeitweilig diesem anzugehören, wünscht aber keine
Geschlechtsumwandlung. Keine sexuelle Erregung beim Umziehen
Fetischistischer Transvestismus: Umkleiden ist mit sexueller Erregung
verbunden
Kinder- und Jugendpsychiatrie
198
Persönlichkeitsentwicklungsstörungen
Persönlichkeitsentwicklungsstörungen durch Triebstörung:
Paraphilien (früher: Perversionen):Störung der sexuellen Präferenz
Fetischismus: tote Objekte werden als Stimuli für sexuelle Erregung und
Befriedigung gebraucht, oft als Ersatz für menschlichen Körper
Exhibitionismus: wiederholte Neigung, Genitalien vor dem anderen
Geschlecht in der Öffentlichkeit zu entblößen, ohne zu näherem Kontakt
aufzufordern oder diesen zu wünschen
Voyeurismus: wiederholt auftretender und ständiger Drang, anderen
Menschen bei sexuellen Handlungen oder Intimitäten zuzusehen.
Pädophilie: sexuelle Präferenz für Kinder, vorpubertär oder in einem frühen
Stadium der Pubertät. Meist nur bei männlichen Jugendlichen.
Sadismus: selten im Kindes- und Jugendalter, am ehestens bei schwer
Verwahrlosten und jugendlichen Kriminellen
Masochismus: zB Tätowieren, Piercen
Pubertätsaskese (Triebhaftes wird abgelehnt)
Promiskuität: häufig bei körperlich akzelerierten Mädchen, oft ohne erotische
Empfindung, ohne affektive Bindung. Anzeichen für beginnende sexuelle
Verwahrlosung, oft hypersexualisiertes Kindheitsmilieu
Kinder- und Jugendpsychiatrie
199
Persönlichkeitsentwicklungsstörungen
Persönlichkeitsentwicklungsstörungen durch Störung der Ich-Funktionen:
Borderline-Störung
Störung der zwischenmenschlichen Beziehungen: können nicht allein sein,
suchen Kontakt und zerstören ihn, soziale Integration gelingt nicht, Affekte
sind ungesteuert und unstrukturiert, Wut und Depression vorherrschend,
Verzweiflung und Einsamkeitsgefühle, mangelhafte Impulskontrolle,
Selbstbeschädigung, Störung der Identitätsintegration: narzisstische
Störung, Depersonalisation, Derealisation, paranoide Ideen
Soziale Integrationsstörungen: Sekten
Sucht:
(Probierer und User)
Hedonistisch oder zur Bekämpfung von Depression und Dysphorie
Kennzeichen der Sucht:
übermäßiges Verlangen (Craving)
Erhöhung der Dosis
Körperliche und psychische Abhängigkeit
Kinder- und Jugendpsychiatrie
200
Persönlichkeitsentwicklungsstörungen
Persönlichkeitsentwicklungsstörungen durch Störung der Über-IchFunktionen:
Verwahrlosung:
frühkindliche Deprivation
Entmutigung, Kontaktschwäche, Vagieren, Schulschwänzen
Frustrationsintoleranz, gleichzeitig Sensations- und Abenteuerlust
Aggressivität, Lügen, Arbeits- und Leistungsstörungen
Soziale Anpassungsschwierigkeiten, oppositionelles Verhalten
Kriminalität
Kinder- und Jugendpsychiatrie
201
Persönlichkeitsentwicklungsstörungen
Autismus
Kannerscher Autismus (Kanner, 1944):
ICD 9: Autismus = frühkindliche Psychose
heute: Autismus = tiefgreifende Entwicklungsstörung, ab der Geburt
manifest, bereits vor dem 3. Lebensjahr beeinträchtige Entwicklung in
einem der drei Bereiche:
Störung der rezeptiven und expressiven Sprache
Störung der Entwicklung selektiver sozialer Zuwendung und Interaktion
Beeinträchtigung des funktionalen oder symbolischen Spielens
Asperger-Syndrom:
Keine allgemeine Sprachentwicklungsverzögerung oder kognitive
Entwicklungsstörung, Beeinträchtigung der sozialen Interaktion und
stereotype Verhaltensmuster
Rett-Syndrom:
Schwere Störung der expressiven und rezeptiven Sprache,
psychomotorische Verlangsamung, stereotype Handbewegungen
Kinder- und Jugendpsychiatrie
202
Persönlichkeitsentwicklungsstörungen
Autismus
75% der autistischen Kinder sind mental retardiert,
Defizite in der Wahrnehmungsorganisation und Aufmerksamkeit, Mangel
an sozial ausgerichteten Affektäußerungen,
Defizit beim Verständnis von Motiven und Zielen anderer Menschen,
Mangel an spontanem Lächeln.
Ursachen ungeklärt, genetische und/oder cerebral-biochemische Faktoren
werden angenommen.
Gestörte Eltern-Kind-Interaktionen werden heute mehr als Folge denn als
Ursache gesehen
Kinder- und Jugendpsychiatrie
203
Psychosen
Exogene Psychosen:
Ätiologie:
durch unmittelbare Erkrankung des Gehirns, durch eine
Allgemeinerkrankung, durch toxische Einwirkung, auch Drogen
hervorgerufen
Symptomatologie:
Leitsymptom: Bewusstseinsstörung: Bewusstsein ist in Helligkeit, Klarheit
und Weite eingeschränkt, qualitative Bewusstseinsstörungen: (beim Kind
erst ab mittlerem Schulalter)
Verlauf:
heilt mit Grundkrankheit aus, in der Rekonvaleszenz treten psychotische
Episoden in abgeschwächter Form weiter auf. Zurück bleibt oft ein diffuses
hirnorganisches Psychosyndrom.
Kinder- und Jugendpsychiatrie
204
Psychosen
schizophrene Psychosen:
Theorien zur Genese:
anlagebedingt: dafür spricht: wenn beide Eltern schizophren sind:
Wahrscheinlichkeit 40-60%, dass auch die Kinder schizophren werden. Wenn
nur ein Elternteil schizophren, sinkt die Wahrscheinlichkeit auf 10-15 %
psychoanalytisch: die Phänomenologie entspricht der präobjektiven Phase
beim Kleinkind
interfamiliäre Kommunikationsstörungen: double-bind-Kommunikation (1970er
Jahre) „schizophrenogene Mutter“
Kinder- und Jugendneuropsychiatrische Theorienbildung: Störung im Rahmen
der Entwicklung der Integration zentralnervöser Strukturen durch frühkindliche
Hirnschädigung: mangelhafte Ausbildung der Ich-Strukturen
dysfunktionale Ausbildung der funktionellen Hirnorgane, die bei Belastung
entgleist (1970 Jahre, Reinhard Lempp)
Kinder- und Jugendpsychiatrie
205
Psychosen
schizophrene Psychosen:
Symptome:
1. Wahnstimmung: schon bei infantilen schizophrenen Psychosen; = mit vitaler
Angst verknüpfte Veränderungsgefühle, Bedrohungserlebnisse,
Vernichtungsangst
Angstzustände, raptusartig, oft in Zusammenhang mit
Banalereignis, abrupter Wechsel der Befindlichkeit
2. Störung der Affektivität: Affekt stimmt nicht mit Umgebung überein. Wechsel
zwischen abruptem Zurückziehen und überschwänglicher Zuwendung,
Dysphorie
3. Denkstörung: Zerfahrenheit, Konzentrationsunfähigkeit, bizarre Einfälle. Bei
Befragung schildern die Jugendlichen Gedankenlautwerden,
Gedankenbeeinflussung, sprunghaftes Denken, das als quälend erlebt wird.
4, Antriebsstörung: entweder gesteigert, Erregungszustände, oder reduziert,
apathisch, inaktiv, plötzliches Verändern der Sprache, „Mit-sich-selber-reden“,
Logorrhoe oder Mutismus. Tobsüchtige Erregung mit Schreianfällen und Angstwird oft als Verhaltensstörung missgedeutet. Erzieherische Intervention führt zu
panik- und raptusaritgen Exazerbationen.
Kinder- und Jugendpsychiatrie
206
Psychosen
schizophrene Psychosen:
Symptome:
5. Kommunikationsstörung: Kinder verneinen und verweigerndie Kommunikation,
verkriechen sich, entwickeln aber manchmal extreme Bindung an einen
Gegenstand (Übergangsobjekt?)
6. Depersonalisation: persönliche Identität wird in Frage gestellt,
Körperschemastörung, hypochondrische Beschäftigung mit dem eigenen
Körper
7. Akzessorische Symptome:
- Halluzinationen: meist akustisch, selten optisch; taktile bevorzugt bei exogenen
Psychosen
bei längerem Bestehen der Krankheit: Veränderungen im motorischen Gehabe:
eckig, bizarr, grimassierend
- zu Beginn oft vegetative Symptome: Schwitzen, Störung des Biorhythmus,
- regressives Verhalten: Veränderung der Sprache, Einnässen, Einkoten.
Kinder- und Jugendpsychiatrie
207
Psychosen
schizophrene Psychosen:
Verlauf:
Unterschied zwischen Psychosen im frühen Kindesalters und in der Pubertät:
Kindesalter: schleichend, progredient, wenig produktiv,
oder: erregt, katatoniform, stürmisch (günstigere Prognose)
nach dem 12/14. Lebensjahr: Verlauf wie bei Erwachsenen:
hebephren: = symptomarm, affektive Verflachung, in der Folge Skurrilität,
simplex: = Denkstörung, Antriebsstörung, Affektdissoziation, Depersonalisation,
Autismus, paranoide Wahnbildungen, oft in der Pubertät starke
Stimmungsschwankungen,
kataton: = akut einsetzend, ängstliche Grundstimmung, ekstatisch, starke
vegetative Zeichnung, kataleptische Symptome, Halluzinationen,
stuporähnliche Zustände
Zwangsverlauf (Sonderling): selten, kaum ein akutes schizophrenes Symptom,
emotional leer, schrullig, meist nicht am Beginn zu erkennen, erst im Verlauf
depressive bzw manisch-depressive Psychosen
Kinder- und Jugendpsychiatrie
208
affektive Störungen
Kennzeichen: (wie im Erwachsenenalter):
- Veränderung der Stimmungslage
- Veränderung des Antriebs
- Veränderung der Vitalität
- Auftreten körperlicher Symptome (Schlaf-, Appetitstörungen
Manie: gesteigerter Antrieb, gehobene Stimmung, Kritiklosigkeit, Unruhe
Depression: verninderter Antrieb, traurige Gestimmtheit, weinerliche Müdigkeit,
Hypochondrien, Ängste, Appetitlosigkeit, Obstipation
Zykloidie: Manisch und depressiv alterniert, kaum vor dem 10/11 Lebensjahr
Verursachung:
endogene Verursachung, erblich (eineiige Zwillinge: 70%, zweieiige: 20%), phasenhaft
psychoanalytisch: Objektverlust in der frühen Kindheit
Differentialdiagnose manischer Zustandsbilder:
Angetriebenheit, gehobene Stimmungslage auch bei Oligophrenen
In der Pubertät: schizophrene Psychose beginnt mit manischen Symptomen
Kinder- und Jugendpsychiatrie
209
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