Physik VI Plasmaphysik Physik VI – Plasmaphysik Inhaltsübersicht 1. Charakteristik des Plasmazustandes 2. Experimentelle Grundlagen der Plasmaphysik 3. Thermodynamische Gleichgewichtsplasmen 4. Plasmen im Magnetfeld 5. Wellen im Plasma 6. Plasmakinetik 7. Plasmastrahlung 8. Thermonukleare Plasmen 1 8. Thermonukleare Plasmen • die Entwicklung in der Plasmaphysik wurde im wesentlichen durch die Erforschung der kontrollierten Kernfusion vorangetrieben • um aus der Verschmelzung von Atomkernen Energie zu gewinnen, muss ein Plasma bei ausreichender Temperatur lange genug eingeschlossen bleiben • erst dann findet die Energiefreisetzung bei Fusionsreaktionen mit einer Rate statt, die das Aufrechterhalten des Plasmas gewährleistet • dieses gezündete thermonukleare Plasma ist bislang noch nicht experimentell realisiert Institut für Experimentelle und Angewandte Physik Kernfusion pp-Zyklus + p +p D+ e + n D + p 3 He + g He+ He He + 2p 3 3 4 In jeder Sekunde Umwandlung von: 600 Mio. t Wasserstoff in 596 Mio. t Helium Sonne, Sterne E = m c2 entspricht Energieproduktion von: 3.6•1017 GW Gravitation überwindet Abstoßungskräfte Institut für Experimentelle und Angewandte Physik Fusionsreaktoren Gravitation (Sonne) Magnetischer Einschluss Trägheitsfusion 2 8.1. Fusionsreaktionen • der „Energiegewinn“ bei der Kernfusion basiert auf der Fusion leichter Atomkerne • hierbei wird eine große Menge an Energie freigesetzt, da sich die Bindungsenergie pro Nukleon im Fusionsprodukt erhöht (Potentialtopf tiefer) • damit Fusion stattfindet, müssen die Atomkerne sich bei einem Stoß nahe genug kommen, um durch den Coulomb-Wall tunneln zu können und in den Bereich der starken Wechselwirkung zu gelangen • Fusionsreaktionen mit großem Wirkungsquerschnitt sind: Institut für Experimentelle und Angewandte Physik Kernfusion große Abstände r > rn : Abstoßung durch Coulomb-Kraft Potentialwall ~ 100 keV + + + + Bindungsenergie kleine Abstände r < rn ~ fm : Anziehung durch Kernkräfte starke Wechselwirkung ~ MeV • Potentialwall: schwierig zu überwinden • endliche Wahrscheinlichkeit für Durchtunneln der Barriere • Wahrscheinlichkeit für leichte Kerne mit hohem vrel maximal Institut für Experimentelle und Angewandte Physik Kernenergie Chemische Bindungen: ~ eV (Atome, Moleküle) Kernbindungsenergien: ~ MeV Energiefreisetzung prinzipiell möglich durch: Fusion von leichten Kernen oder Spaltung schwerer Kerne Vorteile der Fusion: Ressourcen Sicherheit Sonne Kernfusion Energieerzeugung durch Kernprozesse Thermonukleare Fusionen sind Reaktionen, bei denen leichtere Kerne zu einem schweren Kern verschmelzen und sich durch diesen Prozess in einen energetisch günstigeren Zustand begeben, d.h. Energie an die Umgebung abgeben. • Kernfusionsprozesse im Sterninneren werden durch kinetische Energie der ungeordneten thermischen Bewegung der Teilchen eingeleitet • niedrige, aber hinreichende Fusionsrate wird primär durch Geschwindigkeitsverteilung und quantenmechanischen Tunneleffekt bestimmt • dominierende Mechanismen sind: pp–Reaktion CNO-Zyklus 3-Prozess Kernfusion Sonne Kernfusion Sonne Sonne Kernfusion • pp-Reaktion dominiert in der Sonne • • (BETHE, CHRITCHFIELD 1938) läuft im Bereich T 5 ... 15 · 106 K ab (Sonne!) pp- Reaktion: 1H + 1H 2D + e+ + n + 1.44 MeV (14 · 109 a) daran anschließend sind am häufigsten 2D + 1H 3He + g + 5.49 MeV 3He + 3He 4He + 21H + 12.85 MeV (6s) (106 a) Energiebilanz pro He-Kern (2 · 1.44 MeV) + (2 · 5.49 MeV) + 12.85 MeV – 0.51 MeV = 26.2 MeV = 4.2 · 10-12 J Institut für Experimentelle und Angewandte Physik Kernfusion • geringer Wirkungsquerschnitt des pp-Zyklus d.h.: Reaktion ist sehr unwahrscheinlich sehr langsame Reaktion lange Lebensdauer der Sterne auf Erde nicht realisierbar • wahrscheinlichere Reaktion Deuterium-Tritium-Plasma (DT) • Reaktionsbedingungen: Temperatur: Dichte: T ~ 100 Mio K ~10 keV n ~ 1021 m-3 Energieeinschlußzeit: ~ 5 – 10 s heiße Plasmen … 3 8.2. Zündkriterium • Rate der Fusionsreaktionen ist gegeben als • bei vollständig ionisierten Plasmen sind die Strahlungsverluste im wesentlichen Bremsstrahlung der Elektronen, die im Coulomb-Feld der Ionen abgelenkt werden • die Linienstrahlung spielt eine untergeordnete Rolle • allerdings können Verunreinigungen, die durch Wandprozesse in das Plasma getragen werden, die Leistungsbilanz stark beeinflussen 4 • für die Leistungsbilanz ist schließlich noch die Isolation des Plasmas wesentlich • dies wird in einem einfachsten Ansatz mit einer Energieeinschlusszeit ausgedrückt Lawson-Kriterium • um das thermonukleare Zünden des Plasmas zu erreichen, wird im wesentlichen an einer Verbesserung des Einschlusses gearbeitet • dementsprechend gibt es unterschiedliche Konzepte, ein heißes Fusionsplasma zu erzeugen • es lassen sich zwei Klassen unterscheiden: die magnetische Fusion (Tokamak, Stellarator) und die Trägheitsfusion, bei der ein Brennstoffgemisch aus Deuterium und Tritium mittels Laserstrahlung zur Implosion gebracht wird 5 8.3. Plasmaeinschluss • die Halterung des thermonuklearen Plasmas kann wegen seiner hohen Temperatur nicht mehr durch substantielle Wände erfolgen • jedoch eröffnet die Anwendung magnetischer Felder eine Möglichkeit zur Einschließung der Plasmen mittels des magnetischen Druckes (magnetische Halterung) • ein Zusammenhalt des Plasmas infolge der Gravitationskräfte, wie er z.B. auf der Sonne auftritt, ist unter irdischen Maßstäben nicht realisierbar Institut für Experimentelle und Angewandte Physik Magnetischer Einschluss Zylinderförmiges homogenes Magnetfeld: Einschluss entlang der Achse Problem: „Verschluss“ der Enden? Schließen zum Torus – die Lösung … ? Institut für Experimentelle und Angewandte Physik Magnetischer Einschluss Rein toroidales Magnetfeld führt zu radialer Variation des Feldes B ~ 1/R Zentrifugalkraft und Gradienten-Drift Separation von Elektronen und Ionen (Ladungstrennung) elektrisches Feld E und Polarisationsdrift ExB-Drift Teilchenverluste Institut für Experimentelle und Angewandte Physik Magnetischer Einschluss Verdrillung des Feldes sorgt für Kompensation der Drift! (Mittelung über Gebiete mit schwachem und starkem Feld) Toroidale Anordnung mit magnetischen Flächen Zwei notwendige Feldkomponenten: toroidal ( Bt ) und poloidal ( Bp ) Zwei mögliche Konzepte: Tokamak und Stellarator Institut für Experimentelle und Angewandte Physik Tokamak Arzimovich, Sacharov, Tamm (Moskau, 50er Jahre) Poloidalfeld Bp durch Induktion eines Plasmastroms (Transformatorprinzip) + intrinsische Heizung + fortgeschrittenstes Konzept - nicht stationär (Stromtrieb) - Stromabriss möglich (Disruption) Institut für Experimentelle und Angewandte Physik Tokamak R = 1.65 m a = 0.5 m Bt 3.5 T Ip 1.4 MA PH 28 MW Betriebsbeginn: 1991 ASDEX Upgrade, IPP Garching Institut für Experimentelle und Angewandte Physik Stellarator L. Spitzer jr. (50er Jahre, Princeton) poloidales Feld durch externe helikale Spulen + nur externe Ströme + stationär betreibbar - komplizierte Geometrie Magnetfeld durch externes Spulensystem erzeugt! Institut für Experimentelle und Angewandte Physik Stellarator Magnetfeld durch externes Spulensystem erzeugt! Wendelstein 7-X, IPP Greifswald Kernfusion Wendelstein Stellarator Institut für Experimentelle und Angewandte Physik Stellarator 270 Spulengehäuse Embedding Wickelpaket 330 Supraleiter Querschnitt nichtplanare Spule Supraleitende nicht-planare Spulen 5 x 10 nichtplanare Spulen 5 x 4 planare Spulen 6 8.4. Plasmaheizung • für die Erzeugung bzw. Heizung thermonuklearer Plasma kommen folgende Methoden in Frage: - Elektrischer Stromdurchgang (Stromtrieb, Ohmsche Heizung) - Magnetische Kompression (Pinch) - Injektion energiereicher Wellen- oder Teilchenstrahlen (Wellenheizung, Neutralteilcheninjektion) Institut für Experimentelle und Angewandte Physik Plasmaheizung - Ohmsche Heizung nur in Tokamaks von Bedeutung - Neutralteilcheninjektion (NBI) schnelle Teilchen geben Energie ab - Zyklotronresonanzheizung (CRH) Beschleunigung der Gyrationsbewegung Einstrahlung von Mikrowellen ins Plasma: Elektronen (ECRH): 70 - 140 GHz (Radar) Ionen (ICRH): 30 - 100 MHz (UKW) Gyrotronentwicklung im FZK Institut für Experimentelle und Angewandte Physik Energieträger Brennstoff-Bedarf eines 1GW-Kraftwerks im Jahr: Kohle: Zug von 400 km Länge (2 100 000 Tonnen) Öl: 7 Supertanker (10 000 000 Barrel) Uran: 8 LKW (150 Tonnen) Fusionsbrennstoff 0,6 Tonnen Strombedarf einer Familie im Jahr gedeckt durch 0.08 g D und 0.2 g Li Ein Kohlekraftwerk erzeugt pro Stunde 2000 t CO2. Ein Fusionskraftwerk erzeugt pro Stunde einige 100g harmloses Helium. Institut für Experimentelle und Angewandte Physik Fusionskraftwerk Brennstoff: D 1:2000 in Meerwasser Li im Meerwasser T wird in der Anlage erbrütet