Statement Prof. Dr. Dietmar Oesterreich, Vizepräsident der

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„ „
Position
Motto:
„Gesund beginnt im Mund – Ein Herz für Zähne!“
Zentrale Auftaktpressekonferenz 19. September 2014 in Berlin
zum Tag der Zahngesundheit am 25. September 2014
Prof. Dr. Dietmar Oesterreich,
Vizepräsident der Bundeszahnärztekammer
Sperrfrist 19. September 2014
Es gilt das gesprochene Wort
Sehr geehrte Damen und Herren,
Zahnärzte sind in der Prävention erfolgreich …
Die Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde hat mit ihrer präventionsorientierten Neuausrichtung
vor mehr als 25 Jahren sehr eindrucksvoll die Richtigkeit und Effektivität der eingesetzten
Präventionsstrategien dokumentiert. Deutschland befindet sich beim Kariesrückgang vor
allem bei Kindern und Jugendlichen im internationalen Spitzenfeld. Dieser Erfolg beruht
wesentlich auf regelmäßiger Mundhygiene, auf Fluoridanwendung und der Versiegelung
der Kauflächen der Backenzähne sowie der regelmäßigen Inanspruchnahme zahnärztlicher Kontrolluntersuchungen. Dies bedeutet, dass auch die Anleitung zur richtigen Mundhygiene im Rahmen der Gruppenprophylaxe einen wichtigen Beitrag geleistet hat.
Wir sind natürlich gespannt, ob in der fünften deutschen Mundgesundheitsstudie (DMS V),
deren Ergebnisse wir für das nächste Jahr erwarten, die Zwölfjährigen ihren DMFT-Wert von
0,7 „halten konnten“ (ein zwölfjähriges Kind hatte 2005 im Durchschnitt weniger als einen
Zahn mit Karies oder kariesbedingten Folgen (Füllungen, Extraktionen)).
Weshalb das diesjährige Motto „Gesund beginnt im Mund – Ein Herz für Zähne“?
Milchzähne sind die ersten Zähne und sowohl wichtig für die Entwicklung des Kauorgans,
als auch für die psychosoziale und gesunde Entwicklung des Kindes: Ohne gesunde Milchzähne nehmen Kinder nicht altersentsprechend an Gewicht zu. Sie können nicht richtig
sprechen lernen, und wenn sie sichtbar kariös zerstörte Zähne im Mund haben oder sogar
Zähne bereits fehlen, wächst die Gefahr der sozialen Ausgrenzung. Das ist schlecht für ihre
psychische und für ihre soziale Entwicklung.
Einerseits möchten wir deshalb heute auf die Bedeutung und die notwendige Verstetigung
der Prophylaxearbeit hinweisen, die in Kindergärten, Schulen und anderen Einrichtungen
stattfindet. Es gibt hier sehr gute, erfolgreiche Konzepte. Die Maßnahmen der Gruppenprophylaxe sind ein wichtiger Beitrag für die gesundheitliche Chancengleichheit und haben Vorbildwirkung für andere Medizinbereiche.
Andererseits liegen bereits seit Anfang der 1990er Jahre Prävalenzstudien vor, die im Bereich der Mundgesundheit eine unterschiedliche Verteilung des Kariesrisikos und der Karieslast belegen. Die Karies ist bei Kindern und Jugendlichen ungleich verteilt. Wir sprechen
von der "Schieflage der Kariesverteilung" oder von "Kariespolarisierung". Altersgruppenabhängig kann im Allgemeinen davon ausgegangen werden, dass 60 bis 80 % aller kariösen
Zähne - in der Regel schichtspezifisch - auf eine Gruppe von 10 bis 30 % der Kinder und
Jugendlichen entfallen.
Die Ursache für diese Unterschiede in der Mundgesundheit, die sich über den gesamten
Lebensbogen zeigen, sind überwiegend sozial bedingt: je niedriger der soziale Status, desto schlechter der Mundgesundheitszustand. Eine geringe Bildung, geringes Einkommen,
ein niedriges Sozialprestige sowie die Zugehörigkeit zu bestimmten Kulturkreisen sind Aspekte, die einen geringen sozioökonomischen Status bedingen.
Für die Mundgesundheit vom ersten Zahn an bis weit in das Grundschulalter hinein sind erst
einmal die Eltern oder die betreuenden Bezugspersonen eines Kindes verantwortlich. „Fürsorge“ ist im Sinne des „Vorsorge“-Gedankens also ein Teilaspekt des diesjährigen Mottos
zum Tag der Zahngesundheit „ein Herz für Zähne haben“. Insbesondere die Eltern besitzen
eine Verpflichtung für das Wohl ihrer Kinder, da Gesundheit, auch die Zahn- und Mundgesundheit, nicht ohne Unterstützung zu erreichen ist. Kinder brauchen in den ersten LebensTag der Zahngesundheit 2014| BZÄK |Prof. Dr. Oesterreich |19. September 2014 |Es gilt das gesprochene Wort
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jahren sehr viel Zuwendung. Sie brauchen verantwortungsvolle und informierte Eltern, die
auf die Gesundheit ihrer Kinder achten - auch auf die Gesundheit der Milch- und später
der bleibenden Zähne. Nicht alle Eltern sind dazu in der Lage.
Es handelt sich deshalb auch um ein gesamtgesellschaftliches Problem, das allein durch
die Verzahnung von Gruppen- und Individualprophylaxe nicht zu lösen ist. Sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche bedürfen einer verstärkt sozialkompensatorisch präventiven und zahnärztlichen Betreuung. Zahnärzte, aber auch Kinder- und Jugendärzte, können jedoch keine erzieherischen Defizite therapieren. Prävention und Therapie können
aber den Familien einen Anstoß geben, ihr Leben und das Gesundheitsverhalten zu ändern.
Erfolgreiche Lösungsansätze sind aus Sicht der Bundeszahnärztekammer nur durch interdisziplinäre Zusammenarbeit möglich. Hierzu zählen die Zahnärzte des öffentlichen Gesundheitsdienstes, die niedergelassenen Zahnärzte, die gesetzlichen Krankenkassen, die Landesarbeitsgemeinschaften für Jugendzahnpflege, die Kinderärzte, Hebammen, Erziehungseinrichtungen, Pädagogen, Sozialpsychologen sowie die Kommunen und die Einrichtungen der öffentlichen Hand. Die Eltern müssen immer eingebunden werden, damit
deren Gesundheitskompetenz gestärkt wird.
Weitere Herausforderung: Die frühkindliche Karies
Mit welchen Zähnen kommen die Kinder in die Zahnarztpraxis? Manchmal lässt sich an den
Kinderzähnen der Mangel an Zuwendung ablesen. Neben der Häufung von Karies bei Kindern aus Familien in sozial schwierigen Lebenslagen gibt es eine weitere wichtige Herausforderung: Die frühkindliche Karies an den Milchzähnen bei Kleinkindern bis zum dritten
Lebensjahr, in der wissenschaftlichen Literatur als „early childhood caries“ (ECC) bezeichnet. Diese früh auftretende, auch als Nuckel- oder Saugerflaschenkaries (NFK) bezeichnete
Erkrankung hat im Unterschied zur Karies der bleibenden Zähne in den letzten Jahren an
Häufigkeit zugenommen.
Aktuelle oral-epidemiologische Studien aus Deutschland zur Häufigkeit der ECC zeigen,
dass wir derzeit von einer Prävalenz zwischen 7 Prozent und 20 Prozent ausgehen können.
Die Betreuung allein durch den Kinderarzt in den ersten drei Lebensjahren reicht offensichtlich nicht aus, um das Erkrankungsrisiko zu senken. Die frühkindliche Karies ist aufgrund der
Anzahl der betroffenen Zähne, dem Schweregrad der Zerstörung, dem geringen Alter der
Kinder und der daraus resultierenden geringen Kooperationsfähigkeit ein großes kinderzahnheilkundliches Problem. So besitzen Kinder, welche das Alter für die zahnärztliche
Gruppen- und Individualprophylaxe erreichen, immer öfter bereits kariöse Zähne. Wir gehen davon aus, dass annähernd die Hälfte aller kariösen Defekte, die bei der Einschulung
festgestellt werden, bereits in den ersten drei Lebensjahren entstanden ist. Das stellt eine
große Herausforderung für die gruppenprophylaktischen Maßnahmen und die zahnärztliche Versorgung dar.
Schließlich wird die ECC auch im Zusammenhang mit dem Thema Kindesvernachlässigung
benannt. Medizinische Vernachlässigung liegt dann vor, wenn Eltern über den Krankheitszustand der Zähne ihres Kindes aufgeklärt und informiert wurden und dennoch einer angebotenen (zahnärztlichen) Behandlung nicht nachkommen. So ist eine schlechte Mundgesundheit von Kleinkindern ein wichtiger Prädiktor zur Einschätzung der psychosozialen
Entwicklung und zur Beurteilung von Interventionsstrategien.
Deshalb ist die Zielgruppe der unter dreijährigen Kinder für die zahnmedizinische Prävention insgesamt so wichtig.
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Versorgungskonzept zur zahnmedizinischen Prävention der frühkindlichen Karies (ECC)
Seit Herbst 2012 arbeiteten BZÄK, KZBV, die Deutsche Gesellschaft für Kinderzahnheilkunde
(DGK) und der Bundesverband der Kinderzahnärzte (BuKiZ) gemeinsam und fachübergreifend mit dem Deutschen Hebammenverband (DHV) an einem gesundheitspolitischen
Konzept zur zahnmedizinischen Prävention der frühkindlichen Karies, um gesetzliche Rahmenbedingungen für einen Zahnarztbesuch ab dem ersten Lebensjahr zu schaffen. Es
wurde Anfang 2014 fertig gestellt. Ziel des Konzepts ist es, die Präventionslücke bei den
unter 3-jährigen zu schließen, um frühkindliche Karies und daraus resultierende Folgeerkrankungen zu vermeiden. Das Konzept bietet Lösungsmöglichkeiten und richtet sich als
Angebot an Gesundheitspolitik und Krankenkassen.
Gegenüber den aktuellen Bestimmungen soll mindestens eine weitere Früherkennungsuntersuchung (FU) vorgesehen werden. Die bisherigen drei FU-Leistungen sollen Richtung
Risikozeitraum verschoben und in der inhaltlichen Ausgestaltung angepasst werden. Es soll
zudem eine verpflichtende Verweisung zum Zahnarzt im kinderärztlichen, gelben U-Heft
verankert werden. Liegen bei einem Kind initiale Kariesläsionen vor, ist eine gezielte, lokal
auf die Initialläsion begrenzte Fluoridapplikation vorgesehen.
Verhalten, Verhältnisse und gesamtgesellschaftliche Verantwortung
Mit der frühestmöglichen zahnmedizinischen Betreuung und mit der Ausdehnung der
Gruppenprophylaxe in die Kinderkrippen und Kindertagesstätten können wir die Mundgesundheit von Kleinkindern verbessern, auch wenn sie in Familien aus sozialen Risikogruppen
leben. Dieser frühpräventive Ansatz unterstützt sozial Benachteiligte und fördert so die gesundheitliche Chancengleichheit. Die Deutsche Arbeitsgemeinschaft Jugendzahnpflege
e.V. (DAJ) hat dazu bereits 2012 Empfehlungen zur Gruppenprophylaxe für diese Lebensphase gegeben und wird dies zukünftig auch mit einem gesundheitspädagogischen Ansatz ausbauen.
Darüber hinaus wird im Sinne des Bundeskinderschutzgesetzes (BKiSchG) auch ein Beitrag
zur Früherkennung von Kindeswohlgefährdungen und Entwicklungsstörungen in den ersten
Lebensjahren geleistet; denn zur gesunden Entwicklung eines Kindes gehört von Anfang
an auch die Mundgesundheit. Doch wenn Eltern ihre Kinder nicht zur zahnärztlichen Untersuchung vorstellen, und wenn Kinder nicht den Kindergarten besuchen, laufen auch Individual- und Gruppenprophylaxe ins Leere. Hier sind gesamtgesellschaftliche Anstrengungen im Sinne der Verhältnisprävention gefordert, Kinder aus Risikogruppen in ein soziales
und medizinisches Betreuungsumfeld zu integrieren, das gezielte Prävention möglich
macht.
Das zahnmedizinische Präventionsanliegen ist integraler Bestandteil der Gesundheitsprävention, Gesundheitserziehung und Information. Der Tag der Zahngesundheit mit seiner
Verstetigung und den vielfältigen kreativen Ideen besitzt hierbei einen zentralen Stellenwert. Sowohl auf europäischer Ebene als auch im Rahmen der Weltorganisation der Zahnärzteschaft (FDI) versucht man dieses Konzept umzusetzen. Entsprechend fordern wir an
solchen Tagen immer wieder die Berücksichtigung der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde
bei sämtlichen Aktivitäten von Gesundheitspolitik und allen hierfür Verantwortlichen.
Abschließend möchte ich im Namen der Bundeszahnärztekammer dem engagierten Praxispersonal, den niedergelassenen Zahnärzten, den Landes- und regionalen Arbeitsgemeinschaften für Jugendzahnpflege, den Krankenkassen, den Zahnärzten des Öffentlichen Gesundheitsdienstes sowie den Lehrern und Erziehern, die seit Jahren "vor Ort" an der
Umsetzung einer präventionsorientierten Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde arbeiten, ein
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herzliches Dankeschön für die geleistete Arbeit aussprechen.
Ohne die großartige Unterstützung dieser vielen Partner im Bereich Mundgesundheit wären
die bisher erreichten Erfolge – insbesondere in der Kariesprävention – nicht möglich!
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Für Rückfragen: Dr. Sebastian Ziller, Telefon: +49 30 40005-160, E-Mail: [email protected]
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