Deutsche Gesellschaft für Systemische Soziale Arbeit Tagung: Wirtschaft der Sozialen Arbeit / Soziale Arbeit der Wirtschaft – Partnerschaft angesichts wachsender gesellschaftlicher Herausforderungen? Jahrestagung 2017 Programm Donnerstag, 9.3.2017 Begrüßung 18:00 Uhr Vortrag 1: 18:15 – 19:00 Uhr Jugendliche Lebenswelten als Orientierungspunkt für Soziale Arbeit und Wirtschaft Peter Martin Thomas (SINUS-Akademie, Leiter) In der Jugendforschung des Sinus-Instituts werden verschiedene Lebenswelten junger Menschen beschrieben, die sich nach ihrer normativen Grundorientierung und formalen Bildung unterscheiden. In den aktuellen Studien wurden junge Menschen u. a. zur beruflichen Orientierung, zur Mobilität sowie zu Flucht und Asyl befragt. Es zeigt sich, dass die Lebenswelten gleichermaßen Einfluss auf die Meinung zu gesellschaftlichen Fragen wie die Haltung zu ökonomischen Themen haben. Die Orientierung an Lebenswelten kann damit ein Ausgangspunkt für die Entwicklung gemeinsamer Lösungsstrategien von Sozialer Arbeit und Wirtschaft sein. Dies lässt sich beispielhaft an der Frage der beruflichen Integration bildungs-benachteiligter Jugendlicher darstellen. Vortrag 2: 19:15 – 20:00 Uhr Die Gemeinwohl-Ökonomie – ein verheißungsvolles neues Modell gerechten Wirtschaftens!? Wilfried Knorr (Herzogsägmühle, Direktor) Mit der Gemeinwohl-Bilanz misst ein Unternehmen (privat oder öffentlich, gemeinnützig oder gewinnorientiert, groß oder klein, jeder Branche) seinen Beitrag zum Gemeinwohl einer demokratischen Gesellschaft und im regionalen Sozialraum. Konkret legt es Rechenschaft darüber ab, wie sehr es die fünf wichtigsten Verfassungswerte demokratischer Staaten lebt: Menschenwürde, Solidarität, Nachhaltigkeit, Gerechtigkeit und Demokratie. Je besser das Gemeinwohl-Bilanz-Ergebnis, desto größer sollen in Zukunft die rechtlichen und wirtschaftlichen Vorteile für dieses Unternehmen sein: vom Zugang zum Kapitalmarkt und der Zinsfestlegung, über einen reduzierten Mehrwertsteuersatz und niedrigere Zolltarife bis zum Vorrang beim öffentlichen Einkauf. Jahrestagung der dgssa 09./10.03.2017 Im Vortrag wird zunächst mit einer Vorstellung der Idee sowie ihrer makro- und mikroökonomischen Begründung begonnen, anschließend wird der Zusammenhang zwischen Finanzierung und Stellenwert Sozialer Arbeit und GWÖ dargestellt und Möglichkeiten für Kirche/Diakonie, Politik und Gesellschaft gemeinsam diskutiert. Freitag, den 10.3.2017 Vortrag: 10:00 Uhr bis 10:20 Uhr Dialog Wirtschaft und Soziale Arbeit Prof. Dr. Wilfried Hosemann (DGSSA) Die Nähe von Wirtschaft und Sozialer Arbeit liegt doch eigentlich nahe: ohne wirtschaftliches Handeln kein Wohlstand und dabei sind Menschen und soziale Zusammenhänge die Grundlage. Soziale Arbeit unterstützt und begleitet gelingendes Leben und sozialen Wandel. Trotzdem sind die Gegensätze fundamental und die Schnittstellen strittig und umkämpft. Vor diesem Hintergrund werden die Leitfragen der Tagung vorgestellt: Wo sind die Potenziale für übersetzbare, anschlussfähige Perspektiven? Wie können die komplexen Herausforderungen für Wirtschaft und Soziale Arbeit in reflexiv steuerbare Kontexte eingebunden werden? Block A 10:30 – 12:00 Uhr Orientierungspunkte und Kontextklärungen Keyworkshop A Arbeitswelt 4.0 – Einblick in ausgewählte Facetten der Arbeitswelt von morgen Carola von Peinen (talent4good, Geschäftsführerin) Die MitarbeiterInnen der Zukunft wollen Familie, Sinnsuche und Geld verdienen unter einen Hut bringen. Flexible Arbeitszeiten und partizipative Strukturen, um aktiv mitgestalten zu können setzen sie voraus. Die Welt von morgen wird zunehmend schneller, digitaler, vernetzter und automatisierter. Wie sieht die Arbeitswelt der Zukunft aus? Wie ein attraktiver Arbeitgeber und welche Elemente passen zu welcher Unternehmenskultur? Carola von Peinen gibt zunächst einen Einblick in Facetten, die sich hinter der viel zitierten Begriff verbergen. Im anschließenden Workshop erarbeiten wir gemeinsam, wie man diese „neue Arbeitswelt“ in unterschiedlichen Unternehmen und Organisation umsetzen kann. Keyworkshop B Corporate Social Responsibility und Personalbindung Eliza Manolagas (Unternehmenskommunikation ING-DiBa AG) - Angefragt 2 Jahrestagung der dgssa 09./10.03.2017 Keyworkshop C Gestreuter Sand in unseren Augen? Prof. Dr. Andreas Strunk In den letzten Jahrzehnten hat sich ein gesellschaftlicher Prozess entwickelt, in dem sich die Felder „Wirtschaft“ und „Soziales“ überlagert haben. Auf der einen Seite wird von der Ökonomisierung der Sozialen Arbeit gesprochen und auf der anderen Seite sind Wirtschaftsunternehmen entstanden, die unter einer Renditeorientierung soziale Dienstleistungen erbringen: hier redet man oft von der Branche „Sozialwirtschaft“. Zunächst geht es um eine Begriffs- und damit um eine Wirklichkeitsklärung. Was ist gemeint, wenn von Sozialwirtschaft geredet wird? Wo liegen jeweils Grenzen und Möglichkeiten in der Praxis? Stimmt die Behauptung, dass es der Sozialen Arbeit gut anstehe, von der Wirtschaft zu lernen und umgekehrt, dass es der Wirtschaft ebenfalls gut anstehe, von der Sozialen Arbeit zu lernen. Und was kommt am Ende dabei heraus? Keyworkshop D Soziale Arbeit und Wirtschaft – Ein empirischer Beitrag zur Debatte der Ökonomisierung Markus Eckl (Universität Passau) Ausgangslage ist eine systemtheoretische Perspektive. Zunächst wird auf die Ökonomisierungstheorie nach Schimank eingegangen, um die Ausbreitung von ökonomischen Denk- und Handlungsweisen in verschiedenen Teilsysteme der Gesellschaft zu thematisieren. Für ihn sind drei Formen der Ökonomisierung zentral. Neben der Kommodifizierung und Rationalisierung betont er den zunehmenden Kostendruck in Teilsystemen. Dann soll genauer auf das Verhältnis von Wirtschaft und Soziale Arbeit eingegangen werden. Hierbei ist der Quasimarkt der Sozialen Dienste von Bedeutung. Entstehung und Merkmale des Marktes zeigen, dass politische Entscheidungen und rechtliche Regelungen einen maßgeblichen Einfluss auf die Vermarktlichung der sozialen Dienstleistung haben. Letztendlich soll anhand empirischer Daten diskutiert werden, ob eine verstärkte Wirtschaftsorientierung in den Organisationen der Sozialen Arbeit der professionellen sozialen Hilfeleistung zuwiderläuft und ihre Autonomie gefährdet. PAUSE: 12:00 bis 13:00 Uhr – Mittagstisch und Ideenmarkt 3 Jahrestagung der dgssa 09./10.03.2017 Block B 13:00 – 14:30 Uhr und 15:00 – 16:30 Uhr (Pause 14:30 – 15:00 Uhr) Themenblock 1: Arbeitsmarkt und Integration von Flüchtlingen Workshop 1) Die erste Jobbörse für Geflüchtete – Workeer: Der Weg vom viel beachteten Abschlussprojekt zum nachhaltigen Social Business David Jacob (workeer, Mitgründer) Im Sommer 2015 entwickelten Philipp Kühn und David Jacob im Rahmen ihrer Abschlussarbeit die erste online Praktikums-, Ausbildungs- und Arbeitsplatzbörse, die sich speziell an Geflüchtete richtet. Die riesige Medienresonanz und hohe Registrierungszahlen stellten von Beginn an die Weichen, um aus dem Abschlussprojekt ein nachhaltiges Social Business zu entwickeln. Gründungsmitglied David Jacob wird über die Gründungsphase, entscheidende Meilenstein, den aktuellen Stand und die Zukunftsperspektive seiner Initiative berichten. Zusätzlich kann er aus der täglichen Arbeit heraus einen praxisnahen Einblick in die Herausforderungen, Chancen und Best-Practice Beispiele der Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten präsentieren. Workshop 2) Kompetenzen von Asylsuchenden und Flüchtlingen: Erfassung und Entwicklung für die Arbeitsmarktintegration Dr. Ottmar Döring (fbb – Forschungsinstitut betriebliche Bildung) Ausgehend von den Kompetenzen, die Asylsuchende und Flüchtlinge mit nach Deutschland bringen, wird der Umgang mit diesem Können und Wollen erörtert. Zuerst wird der Stand der Kompetenzerkennung und –anerkennung dargestellt, dann werden darauf aufbauende Qualifizierungsstrategien beschrieben und zum Abschluss die Leistungen und Perspektiven dieser Bemühungen bilanziert. Themenblock 2: Soziale Optionen in Unternehmen Workshop 1) Schnittstelle Wirtschaft und Soziale Arbeit: Diskrepanz zwischen wirtschaftlichem Interesse und Verantwortung? Martina Heger (Gewobag, Abteilungsleiterin Personal) Die Integration geflüchteter Menschen in den Arbeitsmarkt ist ein viel diskutiertes Thema. Einige Unternehmen stehen mittlerweile in der öffentlichen Kritik, weil sie zu wenig Engagement zeigen würden – die bisher recht niedrigen Einstellungszahlen in Arbeit und Ausbildung scheinen das zu bestätigen. Doch: fehlt es tatsächlich am Engagement oder liegen die Gründe noch woanders? Was sind die Hemmnisse und was sind die Erfolgsfaktoren für eine erfolgreiche Integration? Gibt es wirklich eine Diskrepanz zwischen wirtschaftlichem Interesse und sozialer Verantwortung? 4 Jahrestagung der dgssa 09./10.03.2017 Die Gewobag hat Anfang 2016 ein mehrstufiges Pilotprojekt an den Start gebracht, dass die Integration Geflüchteter in Arbeit zum Ziel hat. Die Gewobag verfolgt damit einen stärkenorientierten Ansatz, der bereits in der Ausbildung mit einem Anteil von über 30% Auszubildender mit Einwanderungsgeschichte entwickelt wurde. Die Ermittlung der Kompetenzen sowie die Einrichtung von Strukturen, die die Geflüchteten zur Arbeit befähigen, sind die zentralen Punkte des Konzeptes. Die Einbindung der Mitarbeiter ist ein anderes Kernelement, denn ohne die Mitarbeiter kann keine Integration im Unternehmen gelingen. Bei der Auswahl und der Zusammenarbeit der Kooperationspartner konnte die Gewobag zahlreiche Erfahrungen an der Schnittstelle Wirtschaft und Soziale Arbeit sammeln. Workshop 2) Ausbildungsakquise auf neuen Wegen oder wie wir verborgene Schätze heben können Jürgen Altemöller (Handwerkskammer OWL) In der Wirtschaft gibt es einen wachsenden Bedarf an Auszubildenden, die ein hohes Abstraktionsvermögen und ein Verständnis für komplexe Zusammenhänge besitzen. Auf der anderen Seite gibt es eine hohe Anzahl von Jugendlichen, die kein Ausbildungsangebot bekommen, weil sie nicht die Ausbildungsanforderungen erfüllen. Oft besitzen Jugendliche diese benötigten Fähigkeiten, können diese aber noch nicht abrufen. Leider gibt es keine Idee, keinen Ansatz diese verborgenen Schätze zu heben. In meiner jahrelangen Arbeit als Sozialarbeiter in der sozialpädagogischen Erziehungshilfe war ich häufig mit den jungen Menschen betraut, die oft Überdurchschnittliches leisten konnten, die aber erst eine Beziehung benötigten, um sich zeigen zu können Nach der Schule sind diese Jugendlichen noch nicht ausbildungsfähig. Sie benötigen besondere Hilfen. In meiner jetzigen Arbeit im Ausbildungsmanagement in der Handwerkskammer OWL erscheinen mir gerade diese Jugendlichen als besonders interessant für Berufe mit höheren Bildungsanforderungen. In einem Workshop möchte ich mit Ihnen Ideen sammeln, wie diese Schätze gehoben werden können, welcher Vorrausetzungen und Maßnahmen es bedarf, um den jungen Menschen ihren Platz in dieser Gesellschaft zu ermöglichen. Themenblock 3: Kopplungen zwischen Wirtschaft und Sozialer Arbeit Workshop 1) Wie Unternehmen durch Produktspenden den sozialen Sektor unterstützen können - und wie beide zueinander finden Dr. Juliane Kronen (innatura gGmbH, Geschäftsführerin) Viele Unternehmen wollen nicht mehr verkaufsfähige, aber einwandfreie Produkte spenden statt entsorgen. Die meisten Unternehmen können jedoch die Identifizierung geeigneter Empfänger und kleinteilige Distribution der Waren nicht leisten. Zugleich werden diese Produkte dringend im sozialen Sektor für den Betrieb von Einrichtungen und zur Versorgung der Zielgruppen benötigt; Einrichtungen können damit ihre Budgets signifikant entlasten und so ihre Arbeit absichern. 5 Jahrestagung der dgssa 09./10.03.2017 Die notwendige Brücke zwischen Spendern und Empfängern schlägt seit 2013 die gemeinnützige innatura mit einer Online-Plattform zur Vermittlung fabrikneuer Produktspenden. Innatura übernimmt für Spender die Akkreditierung gemeinnütziger Empfänger, katalogisiert die Waren, bietet sie online an und liefert direkt in die soziale Einrichtung. Die Empfänger zahlen dafür eine geringe Vermittlungsgebühr. Innatura hat so, eingebettet in ein internationales Netzwerk unter der Schirmherrschaft des britischen Thronfolgers, seit 2013 bereits Waren im Marktwert von über 4,5 Mio. € an über 700 gemeinnützige Organisationen verteilt und damit im sozialen Sektor Budgeteinsparungen von über 4 Mio. € bewirkt. Im Workshop stellt innatura vor, wie sie bedarfsgerecht eine breite Palette fabrikneuer Waren vermittelt und wie gemeinnützige Organisationen schnell und einfach Zugang zu diesen Produkten erhalten können. Im Blick ist dabei stets der „Triple Win“ (Nutzen für soziale Organisationen – Umwelt – Spenderunternehmen). Workshop 2) Die Vermarktung des Sozialen Leena Jäger, Sabine Schneider, und Gitanjali Wolf (wigwam eG) Tue Gutes und rede darüber. Dieser bekannte Merksatz klingt so einfach, hat aber mit der herausfordernden und hürdenreichen Kommunikation des Guten nicht viel zu tun. Fest steht: Gerade in Zeiten der Digitalisierung muss die Vermarktung Sozialer Arbeit verändert, verbessert und vielfarbiger werden. Doch das ist leichter gesagt, als getan, denn dazu braucht es nicht nur Analyse und Planung, sondern auch Kreativität, Weitsicht und vor allem eine stetige Rückkopplung und Verbindung mit gesellschaftlichen Herausforderung und der eigenen Vision. Die Berliner Kommunikationsberatung Wigwam eG gibt Einblicke hinter die Kulissen der Kommunikationswelt. Sie begleitet Partner beim Aufbruch in eine gerechtere und ökologische Gesellschaft, erzählt ihre Geschichten, organisiert Begegnungen und gestaltet Kampagnen. Dabei liest Wigwam nicht nur Spuren, sondern hinterlässt als soziales Projekt auch eigene. Im Workshop teilen die Beratungsexpert*innen ihren Erfahrungsschatz. Entlang der Leitfrage "Wer sagt was wann zu wem über welchen Kanal mit welcher Wirkung?" werden grundlegende Prinzipien der Vermarktung des Sozialen aufgezeigt. Themenblock 4: Wirtschaft als Perspektive der Sozialen Arbeit Workshop 1) Soziales Handeln und wirtschaftliches Denken - Die sozialen Träger müssen es zusammenbringen Joshua Eisenhut (Salus Jugendhilfe) Welche Spannungen und Konflikte es für selbstständige Träger in der Sozialen Arbeit gibt, soziale Vorgaben und Ziele mit effektivem Einsatz von Mitteln zu verwirklichen, steht im Mittelpunkt des Workshops. Dabei wird zur Sprache kommen, wie die Konflikte durch interne Differenzierungen in den Trägern moderiert 6 Jahrestagung der dgssa 09./10.03.2017 werden, wie durch Übereinkünfte mit kommunalen und staatlichen Trägern Flexibilität geschaffen wird und welche Rolle wechselseitige Erwartungen spielen. Workshop 2) Werte der Sozialen Arbeit in einer global ökonomisierten Welt!? Dr. Winfried Leisgang (DBSH) Unsere Gesellschaft ist geprägt vom ökonomischen Denken. Sind dessen Werte mit denen der Sozialen Arbeit in Einklang zu bringen? Was bedeuten Teilhaberechte, Solidarität und soziale Gerechtigkeit in einem ökonomischen Kontext? Wie können angesichts globaler Verflechtungen der Wirtschaft und der besonderen Entwicklung rechtlicher Standards in der EU soziale Rechte und sozial gerechte Entwicklungen gefördert werden ? Der Workshop geht anhand der Berufsethik des DBSH e.V. diesen Fragen nach und begründet das professionelle Handeln aus einer Werteperspektive, die der Sozialen Arbeit entspricht. Ausklang: 16:30 Uhr 7