Woher kommt das Pfeifenim Ohr?

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Viele Patienten mit Tinnitus haben einen hohen Leidensdruck.
Informationen über die Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten
des lästigen Symptoms hat Dr. Dr. Peter Schlüter parat.
Welche Symptome
verursacht ein Tinnitus?
Tinnitus aurium („Das Klingeln der Ohren“), kurz Tinnitus, bezeichnet ein Symptom, bei dem der Betroffene
Geräusche wahrnimmt, die
keine äußere für andere Personen wahrnehmbare Quelle besitzen. Deshalb spricht
man diesbezüglich auch von
einem „subjektiven Tinnitus“. Diese Wahrnehmung
beruht auf einer Störung der
Hörfunktion des Menschen.
Der Höreindruck des Tinnitus hat nichts mit dem Schall
in der Umgebung des Patienten zu tun.
Die Art der scheinbar wahrgenommenen Geräusche
ist sehr vielfältig. Man fasst
u. a. die folgenden akustischen Eindrücke unter dem
Begriff Tinnitus zusammen:
Brumm- oder Pfeiftöne, Zischen und Rauschen, ebenso wie Zwitschern oder Stimmengewirr.
Tinnitus ist oft ein Symptom
einer anderen Krankheit,
weshalb man vorsichtig sein
muss, den Tinnitus sofort als
eigenständiges Krankheitsbild zu behandeln. Die kri-
tiklose Einstufung des Tinnitus als eigenständiges
Krankheitsbild verstellt oft
den Blick auf mögliche Ursachen. Wegen der Vielfältigkeit der Ursachen und der
Verschiedenartigkeit seines
Auftretens wird von einigen
Wissenschaftlern die Einordnung als Syndrom favorisiert.
Die kritiklose Ein­
stufung des Tinnitus­
als eigenständiges
Krankheitsbild
verstellt oft den
Blick ­auf mögliche
Ursachen.
Der „objektive Tinnitus“
beruht dagegen auf einer
nachvollziehbaren Ursache. Hier kann die von außen
wahrnehmbare oder zumindest messbare Schallquelle (z.B. Kiefermuskulatur) als
Ursache definiert werden.
Der objektive Tinnitus ist allerdings im Vergleich zum
subjektiven Tinnitus sehr
selten.
Was können die
Ursachen sein?
Ursachen für Tinnitus sind
u. a. Erkrankungen des Innenohrs, ein Hörsturz oder
eine Mittelohrentzündung
mit bakterieller und virusbedingter Ursache. Auch eine Durchblutungsstörung
des Innenohrs kann für den
Tinnitus verantwortlich sein.
Weiterhin sind ein Knalltrauma, eine Schlafapnoe
oder auch Verspannungen
der Hals- und Nackenmuskulatur, Vergiftungen, Nikotin und Alkoholabusus sowie
Autoimmunerkrankungen als Ursache möglich. Die
wohl bekannteste, nicht aber
die häufigste Ursache sind
Tauchunfälle in Form der
Dekompressionskrankheit
oder des Barotraumas.
Welche Bedeutung
haben psychische Ursachen?
Ein psychosomatischer Einfluss ist nicht auszuschließen. In unserer Gesellschaft
nehmen stressige Lebensphasen und Situationen mit
psychischer Belastung deutlich zu. Mit dieser Entwicklung treten auch zunehmend
Der Hausarzt 15/2015
Foto und Illustration: Fotolia
Sprechstunde
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Woher kommt das
Pfeifen im Ohr?
Hausarzt Medizin
Tab. 1: Phasen des Tinnitus
Foto: BILL SANDERSON/SCIENCE PHOTO LIBRARY / Agentur Focus
Akuter Tinnitus Dauer bis 3 Monate
Subakuter Tinnitus Dauer bis 6 Monate
Chronischer Tinnitus Dauer über 6 Monate
Tinnitussymptome auf.
Neuere Untersuchungen machen deutlich, dass der Tinnitus neben physiologischen Ursachen wie starkem
Lärmeinfluss oder Entzündungen des Ohrs durch eine
unvorteilhafte Signalverarbeitung im Gehirn zu erklären ist. Dies konnte durch
einzelne Fälle gezeigt werden, bei denen ein Tinnitus
durch das Trennen des Hörnervs nicht gestoppt werden
konnte.
Welche Folgen hat der
Tinnitus für die Betroffenen?
Chronischer Tinnitus kann
psychologisch bedingte Folgeerscheinungen nach sich
ziehen, z. B. Schlafstörungen, Angstzustände und Depressionen. Es ist jedoch zu
Der Hausarzt 15/2015
beachten, dass diese Folgeerscheinungen eher selten
sind. Die weit überwiegende
Mehrheit aller Tinnitus-Betroffenen bildet keine der erwähnten Symptome aus.
Welche Phasen des Tin­nitus werden unterschieden?
Nach dem Zeitraum der
Wahrnehmung eines Tinnitus werden zumindest im
deutschsprachigen Raum
3 Phasen unterschieden
(Tab. 1). Es gibt jedoch keine genaue wissenschaftliche
Grundlage für diese Einteilung. Sie richtet sich lediglich nach Erfahrungswerten.
Wie wird Tinnitus
behandelt?
Die Behandlung des Tinnitus
richtet sich nach der Ursa-
che und nach der Dauer und
Schwere der Erkrankung.
Hierzu werden verschiedenste Behandlungen angewandt,
allerdings konnte bei keiner Therapie bisher wissenschaftlich eine Wirksamkeit
nachgewiesen werden.
Die hohe Zahl der verschiedenen Therapievorschläge
lässt vermuten, dass es bisher noch keine klare, eindeutig wirksame Behandlung gibt. Grundsätzlich
kann auch keine der Therapien in der Theorie maßgeblich gestützt oder widerlegt
werden, da über die Verarbeitung von Höreindrücken
noch zu wenig bekannt ist.
Beim akuten Tinnitus werden z. B. durchblutungsfördernde Maßnahmen wie die
rheologische Therapie, Kortikoidtherapie und ionotrope Therapien durchgeführt.
Diese sind hinsichtlich ihrer
Wirksamkeit umstritten, da
keine beweiskräftigen Studien existieren.
Welche Allgemeinmaßnahmen sind empfehlenswert?
Wichtig ist bei akutem Tinnitus, sich möglichst wenig
Stress und keiner zu starken
akustischen Belastung auszusetzen. Akustische Ablenkung (z.B. leise rhythmische
Musik) sollte genutzt werden, um sich nicht auf das
Ohrgeräusch zu konzentrieren. Das ist eine gute Möglichkeit, die Einschlafprobleme, die häufig mit starken
Tinnitus verbunden sind, zu
mildern. Es soll generell verhindert werden, dass sich das
gesamte Denken und Fühlen
des Patienten immer mehr
um die Krankheit dreht, da
hierdurch erfahrungsgemäß
der Leidensdruck wächst.
Absolute Stille führt leicht
zur Konzentration auf das
Ohrgeräusch und verstärkt
es subjektiv.
Beim chronischen Tinnitus
ist es wichtig, dass der Betroffene lernt, mit dem Ohrgeräusch umzugehen. Oft
tritt nach längerer Zeit eine Gewöhnung an das Geräusch ein, und der Patient
empfindet es nicht mehr als
so stark störend wie zu Anfang. Hierbei können den
Patienten psychologische
Maßnahmen (Tinnitus-Retraining-Therapie, kognitive Verhaltenstherapie) und
Selbsthilfegruppen unterstützen.
Dr. Dr. Peter Schlüter
Arzt für Allgemeinmedizin und Naturheilverfahren, E-Mail:
[email protected]
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