3. Lichtpolarisation

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3. Lichtpolarisation
Autoren: Markus Betz und Martin Sass
Version: 2.12.1997
4.12.1997 (AK)
4.5.1998 (AK)
Dieser Versuch beschaftigt sich mit der Polarisation von Licht, wobei nach einigen einfuhrenden Experimenten vor allem eine technische Anwendung, die Spannungsoptik, untersucht wird.
Literaturhinweise
Zur Durchfuhrung dieses Praktikumsversuches ist es nicht unbedingt notwendig, zusatzliche Literatur zu lesen. Sie sollten vor der Durchfuhrung des Versuches die Anleitung sorgfaltig lesen. Ihr Betreuer sollte dann bei Unklarheiten Ihre Fragen beantworten konnen. Falls Sie an dem Thema spezielles Interesse haben und sich weitergehend
informieren wollen, sei auf folgende Literatur verwiesen:
1. Die Grundprinzipien der Spannungsoptik sind in den meisten ausfuhrlichen Werken uber technische Mechanik beschrieben. Fur weitergehende Fragestellungen ist
das Buch "Praktische Spannungsoptik\ von Foppl/Monch, erschienen im SpringerVerlag, zu empfehlen.
2. Fur weitergehende Fragen zur Polarisationsoptik und Doppelbrechung konnen
prinzipiell die Standardwerke der Optik herangezogen werden, wie z.B.:
Hecht, "Optik\, Verlag Addison-Wesley
Zinth / Korner, "Physik III\, Oldenburg Verlag
3.1 Einleitung
Mit der Polarisation von Licht werden wir unmittelbar konfrontiert, wenn wir uns mit
optisch anisotropen Materialien beschaftigen. Zwei Eekte sollen uns hier besonders
interessieren:
1. Bei der linearen Doppelbrechung wird der einfallende unpolarisierte Lichtstrahl in
zwei senkrecht zueinander polarisierte Lichtstrahlen mit unterschiedlichen Ausbreitungsgeschwindigkeiten zerlegt. Diese Art der optischen Anisotropie kann
30
3.2 Grundlagen aus der Optik
31
auch durch mechanische Spannung hervorgerufen werden (Spannungsdoppelbrechung ).
2. Die zirkulare Doppelbrechung wird auch als optische Aktivitat bezeichnet. Sie
bewirkt die Drehung der Polarisationsebene eines linear polarisierten Strahls beim
Durchgang durch das Material.
Im Rahmen dieses Praktikumsversuches sollen nun einige einfache Methoden der ebenen Spannungsoptik demonstriert, und die Grundzuge einer quantitativen Auswertung
vermittelt werden.
3.2 Grundlagen aus der Optik
3.2.1 Grundsatzliche Eigenschaften des Lichts
Als (sichtbares) Licht bezeichnet man die elektromagnetische Strahlung im Frequenzbereich von ca. = 3; 8 1014 Hz bis = 7; 7 1014 Hz, was einem Vakuumwellenlangenbereich von = 390 nm bis = 790 nm entspricht (Umrechnung = c= ). Bei diesen
elektromagnetischen Wellen schwingen der elektrische und der magnetische Feldvektor
und andern dabei periodisch Betrag und Richtung. Die Schwingungsrichtungen von
elektrischem und magnetischem Feldvektor stehen dabei stets aufeinander senkrecht
und jeweils senkrecht zur Ausbreitungsrichtung des Lichtstrahls.
Die Ausbreitung des Lichts erfolgt im Vakuum mit der fur alle Wellenlangen gultigen
Vakuumlichtgeschwindigkeit c0 = 2; 99793 108 m/s. In Medien ist die Lichtgeschwindigkeit um den Faktor n, den Brechungsindex, verringert. Diese Tatsache ist nach den
Gesetzen der Wellenoptik fur viele Phanomene der Optik, wie z.B. der Brechung an
Mediengrenzen verantwortlich. der Brechungsindex hangt von zahlreichen Parametern
ab, z.B. von der Frequenz und der Polarisationsrichtung des verwendeten Lichts und
dem Spannungszustand des Materials.
3.2.2 Lichtarten
1. Das naturliche, "weie\ Licht ist eine U berlagerung verschiedener Wellenzuge
ohne feste Phasenbeziehung. Es kommen alle Wellenlangen und Schwingungsrichtungen vor. Durch die U berlagerung aller Wellenlangen ("Farben\) entsteht
im Auge der Eindruck weien Lichts.
2. Von monochromatischem ("einfarbigem\) Licht spricht man, wenn alle Wellenzuge eines Strahlenbundels mit der gleichen Frequenz schwingen, (bzw. in einem
Medium die gleiche Wellenlange haben).
Im Licht der Natriumdampflampe kommen praktisch nur die beiden sehr dicht
beieinanderliegenden (Vakuum-)Wellenlangen = 589; 0 nm und = 589; 6 nm
vor. Es kann so in sehr guter Naherung als monochromatisch aufgefat werden,
und wird im Versuch als monochromatische Lichtquelle verwendet.
32
3. Lichtpolarisation
unpolarisiert
Bild 3.1:
linear polarisiert
Linear polarisiertes Licht
Α
λ/4
Bild 3.2:
Zerlegung einer zirkular polarisierten Welle in zwei zueinander senkrecht linear
polarisierte Wellen
3.2.3 Polarisation
Lineare Polarisation
Bei linear polarisiertem Licht schwingt das elektrische Feld aller Wellenzuge des Strahlenbundels in einer Ebene, der Polarisationsebene (s. Abb. 3.1).
Man erzeugt linear polarisiertes Licht mit einem Polarisationslter. Dieser lat nur die
die Anteile des elektrischen Feldes durch , die in einer bestimmten Richtung schwingen.
Zirkulare Polarisation
Zirkular polarisiertes Licht entsteht durch U berlagerung zweier senkrecht zueinander
linear polarisierter Wellenzuge gleicher Amplitude mit einer Phasendierenz von =2
(Abb. 3.2). Man erhalt einen in der Ebene senkrecht zur Ausbreitungsrichtung kreisen-
3.2 Grundlagen aus der Optik
33
Polarisator
111111111111111111111111
000000000000000000000000
A
000000000000000000000000
111111111111111111111111
000000000000000000000000
111111111111111111111111
000000000000000000000000
111111111111111111111111
000000000000000000000000
111111111111111111111111
A
A
000000000000000000000000
111111111111111111111111
000000000000000000000000
111111111111111111111111
000000000000000000000000
111111111111111111111111
000000000000000000000000
111111111111111111111111
000000000000000000000000
111111111111111111111111
Viertelwellenplatte
000000000000000000000000
111111111111111111111111
000000000000000000000000
111111111111111111111111
1
Bild 3.3:
2
Erzeugung von zirkular polarisiertem Licht. Linear polarisiertes Licht wird in
zwei Komponenten senkrecht zueinander aufgespalten, die um =2 zueinander
verschoben werden.
den elektrischen Feldvektor (! = 2 ):
!
!
!
cos(
!t
)
0
cos(
!t
)
A~ = A
+ A cos(!t + =2) = A sin(!t)
(3.1)
0
Der resultierende Wellenzug ist zirkular polarisiert, und beschreibt eine spiralformige
Bahn.
Man erzeugt zirkular polarisiertes Licht aus linear polarisiertem mittels einer =4Platte. Ihre Wirkung beruht darauf, da der Brechungsindex des Materials von der Lage der Schwingungsebene der einfallenden Welle abhangt (siehe nachfolgendes Kapitel
uber Doppelbrechung). Das linear polarisierte Licht wird in zwei senkrecht zueinander
polarisierte Komponenten aufgespalten (A1 und A2 in der Abb. 3), fur die unterschiedliche Brechungsindizes gelten, die sich also in der Platte mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten ausbreiten. Die Platte ist so dimensioniert, da der Gangunterschied
beim Austritt aus der Platte gerade einer viertel Wellenlange =4 (entsprechend einer
Phasendierenz von =2) betragt (s. Abb. 3.3).
Durch eine zweite =4-Platte wird zirkular polarisiertes Licht wieder in linear polarisiertes umgewandelt.
Ein weiteres oft benutztes optisches Element ist die =2-Platte. Im Gegensatz zur =4Platte ist sie so dimensioniert, da der Gangunterschied der beiden Komponenten eine
halbe Wellenlange (entsprechend einer Phasendierenz von ) betragt. Das Licht hinter
der =2-Platte ist wieder linear polarisiert, aber um einen Winkel gedreht. Sind die
Amplituden der beiden Komponenten gleich gro, so ist = 90o .
3.2.4 Doppelbrechung
Betrachtet man durch das Spaltstuck eines Kalkspatkristalls (CaCo3 ) einen Gegenstand, so erscheint dieser doppelt. Der hierfur verantwortliche physikalische Eekt ist
die Doppelbrechung, die bei allen nicht-regularen Kristallen (d.h. ohne kubische Symmetrie) auftritt. Ursache dafur ist, da die Elektronen im Kristall wegen der fehlenden
34
3. Lichtpolarisation
Symmetrie auf Licht unterschiedlicher Polarisationsrichtungen unterschiedlich reagieren, und damit die Brechungsindizes (die im Prinzip ein Ma fur die Reaktion der Elektronen des durchstrahlten Materials auf ein aueres elektromagnetisches Feld sind) von
der Polarisation des eingestrahlten Lichts abhangen. Somit wird ein Lichtbundel ohne
denierte Polarisation in zwei senkrecht zueinander linear polarisierte Teilbundel mit
unterschiedlichen Ausbreitungsgeschwindigkeiten im Medium (entsprechend der unterschiedlichen Brechungsindizes) aufgespalten. Die Doppelbrechung setzt, wie erwahnt,
eine Unsymmetrie des Material voraus. Diese kann entweder a priori im Material vorhanden sein, oder durch auere Einusse erzeugt werden. Solche aueren Einusse
konnen z.B. elektrische Felder sein (diese fuhren zum Kerr-Eekt) oder mechanische
Spannungen, auf denen die Spannungsoptik beruht.
3.2.5 Optische Aktivitat
1814 beobachtete Biot erstmals das Phanomen der optischen Aktivitat. Man bezeichnet damit die Fahigkeit eines Stoes, die Ebene des polarisierten Lichtes zu drehen.
Die spezische Drehung ist eine Materialkonstante, sie ist charakteristisch fr eine organische Substanz. Die optische Aktivitat von Mineralien, die auf der schraubenformigen
Anordnung von Atomen im Kristallgitter beruht, ist schon seit zwei Jahrhunderten
bekannt. Man kann die optische Aktivitat in der organischen Chemie in besonderen
Fallen auch in Losungen, Flussigkeiten oder Gasen beobachten. Den Drehsinn (vergleiche rechtsdrehende Milchsaure L(+) im Joghurt) bestimmt man mit Hilfe eines
Polarimeters.
3.3 Spannungsoptische Grundvorgange
Seitdem Ingenieure die Aufgabe haben, Festigkeitsnachweise fur Konstruktionen der
Technik zu fuhren, mussen sie immer wieder feststellen, da durch Rechnung allein,
dieses Ziel oft nicht erreicht werden kann. Aus diesem Grund wurden mannigfaltige Methoden der experimentellen Spannungsanalyse geschaen, von denen die Spannungsoptik eine der wichtigsten ist. Bei dieser Methode wird ein durchsichtiges Modell
des zu untersuchenden Bauteils mit polarisiertem Licht durchstrahlt. Die dabei durch
mechanische Spannungen auftretenden optischen Eekte konnen unmittelbar mit dem
Auge betrachtet werden. Dabei ergibt sich in der Spannungsoptik eine sehr leichte
U berschaubarkeit des Spannungszustandes.
3.3.1 Modell im linear polarisierten nonochromatischen
Licht
In der weiteren Beschreibung wird von dem in Abbildung 3.4 dargestellten Versuchsaufbau ausgegangen. Mit einer Natriumdampflampe im Lichtkasten L wird monochromatisches Licht erzeugt, wobei die Opalglasscheibe G fur eine gleichmaige diuse
Ausleuchtung sorgt. Durch den Polarisator P wird das Licht linear polarisiert. Mit
dem linear polarisierten Licht wird das zu untersuchende spannungsoptische Modell
M durchstrahlt. Durch einen zweiten Polarisationslter, den Analysator A, wird das
3.3 Spannungsoptische Grundvorgange
Bild 3.4:
35
Verwendeter Versuchsaufbau
Modell betrachtet.Die Polarisationsrichtung des Analysators A steht senkrecht zu der
des Polarisators P, so da man ohne Modell M fast komplette Lichtausloschung erhalt
("Dunkelfeld\).
In jedem Punkt des spannungsoptischen Modells herrsche nun ein ebener Spannungszustand, der durch die beiden aufeinander senkrecht stehenden Hauptspannungen 1
und 2 (s. Abb. 3.5) deniert ist. Der elektrische Feldvektor A~ des Lichtes wird im belasteten Modell in Komponenten A~ 1 und A~ 2 nach den beiden Hauptspannungrichtungen
zerlegt:
!
!
!
0
~A = A1 cos(!t) = A1 cos(!t) +
(3.2)
A2 cos(!t)
0
A2 cos(!t) :
|
{z
} |
{z
}
A~ 1
A~ 2
Die beiden Teilkomponenten durchlaufen nun das Modell M, wobei fur beide unterschiedliche Brechungsindizes gelten, die durch die beiden phanomenologischen Gleichungen
n1 = n0 + C11 + C22
n2 = n0 + C12 + C21
(3.3)
beschrieben werden. n0 ist dabei der Brechungsindex des unverspannten Modells, C1
und C2 sind Materialkonstanten. Es tritt also eine Doppelbrechung, die Spannungsdoppelbrechung, auf.
Der Laufzeitunterschied der beiden Teilstrahlen nach dem Durchlaufen des Modells der
36
3. Lichtpolarisation
Polarisator
A
σ2
A
σ1
A1
A2
A2
A1
d
s
H1
H2
Analysator
Bild 3.5:
Lichtdurchgang durch ein spannungsoptisches Modell
3.3 Spannungsoptische Grundvorgange
37
Dicke d ist
t = t1 , t2 = cd , cd = cd (n1 , n2);
(3.4)
1
2
0
wobei c1 und c2 die Ausbreitungsgeschwindigkeiten der beiden Teilstrahlen im Medium sind. Durch Multiplikation mit der Vakuumlichtgeschwindigkeit c0 erhalt man den
Gangunterschied s der Teilstrahlen:
s = d (n1 , n2):
(3.5)
In der Spannungsoptik arbeitet man meist mit der relativen Phasenverschiebung , also
dem Gangunterschied in Einheiten der Wellenlange:
= s = d (n1 , n2):
(3.6)
Die Dierenz der Brechungsindizes lat sich durch die Hauptspannungen 1 und 2
ausdrucken (mit C = C1 , C2):
n1 , n2 = (C1 , C2)(1 , 2) = C (1 , 2):
(3.7)
Fuhrt man nun die spannungsoptische Konstante S = =C ein, so erhalt man die
Hauptgleichung der Spannungsoptik:
= Sd (1 , 2)
(3.8)
1 , 2 = Sd (3.9)
Nach dem Durchgang durch das zu untersuchende Modell hat der elektrische Feldstarkevektor A~ die Form
!
a
cos(
!t
)
1
A~ = a cos(!t + 2 ):
(3.10)
2
und damit im allgemeinen auch Komponenten senkrecht zur ursprunglichen Polarisation (H1 und H2 in Abb. 3.5). Durchlauft das Licht nun einen weiteren Polarisator, den
Analysator A, dessen Richtung zu dem ersten Polarisator P um 90o gedreht ist ("gekreuzte Polarisatoren\), so werden nur diese senkrechten Komponenten durchgelassen.
Wie stark diese Komponenten sind, hangt nun von der relativen Phasenverschiebung
ab, und damit, nach der Hauptgleichung, von der Spannungsdierenz (1 , 2).
Ist ganzzahlig, so verschwindet diese senkrechte Komponente, und man erhalt ein
Intensitatsminimum. Fur halbzahlige ist die ursprungliche Polarisation gerade um 90o
gedreht, es existiert nur die senkrechte Komponente, und man erhalt ein Maximum.
Die Abhangigkeit der Helligkeit von (1 , 2) gilt in gleicher Weise fur alle Punkte des
Modells M, es erscheinen alle Punkte, fur die gleich ist, gleich hell. Punkte, fur die die gleiche Zahl ist, sind durch Linien, die Isochromaten, verbunden. Fur = 0; 1; 2; : : :
spricht man von Isochromaten 0:; 1:; 2:; : : :-ter Ordnung.
Die Starke des spannungsoptischen Eektes ist, wie aus den Gleichungen ersichtlich
unmittelbar von der spannungsoptischen Konstante S abhangig. Diese hangt von der
Wellenlange des verwendeten Lichts und vor allem vom verwendeten Modellmaterial
38
3. Lichtpolarisation
ab. Bei dem hier uberwiegend in den Modellen verwendeten Material Aralid B, einem
Kunstharz, ist S sehr Klein, der sichtbare Eekt also sehr gro. Im Praktikumsversuch
werden mit relativ geringen Belastungen bereits Isochromaten bis zur funften Ordnung
erreicht.
Bei Glas oder auch Plexiglas ist der Eekt etwa um den Faktor 20 geringer. Dort wird
meist nicht einmal die erste Isochromatenordnung erreicht, es sind dann nur Helligkeitsschwankungen auf dem Modell zu erkennen.
3.3.2 Eindimensionale Spannungszustande
Eine besonders wichtige Vereinfachung der Hauptgleichung tritt bei eindimensionalen
Spannungszustanden auf. Hier verschwindet eine Hauptspannungskomponente. Dann
gilt
= Sd (3.11)
Wie aus dieser Gleichung ersichtlich ist, erlaubt die Bestimmung der Isochromatenordnung unmittelbar die die Bestimmung der Spannung. Solch eindimensionale Spannungszustande treten insbesondere am Rand eines Modells auf, weil hier nur die Spannungskomponente entlang des Randes verbleibt (sog. Randspannung), wahrend die
Komponente senkrecht dazu am lastfreien Rand verschwindet.
Beispiel
Ein Zugstab mit Rechteckquerschnitt (Breite b, Modelldicke d) mit ausreichender Lange
wird mit einer Zugkraft F belastet. Die Isochromatenordnung wird weit weg von den
Einspannstellen gemessen, um eine mogliche ungestorte Zugspannung ohne den Einu
von Randeekten durch die Lasteinleitung zu erreichen. Dann gilt mit Gleichung 3.11:
= bFd = Sd (3.12)
Aus dieser Gleichung kann bei bekannter Kraft F die spannungsoptische Konstante S
bestimmt werden:
(3.13)
S = bF
3.3.3 Bestimmung der Isochromatenordnung
Zur Bestimmung der Isochromatenordnung an einer Stelle des Modells, sucht man
zunachst die Isochromate 0-ter Ordnung. Dazu gibt es zwei Methoden:
1. Man sucht eine Stelle des Modells, von der bekannt ist, da sie spannungsfrei ist,
z.B. eine lastfreie Ecke.
2. Beim Zuschalten von weiem Licht ist die Isochromate 0-ter Ordnung die einzige,
die dunkel bleibt, da nur hier fur alle Wellenlangen keine Komponenten senkrecht
zur Ausgangspolarisation auftreten (s. Kapitel 3.3.5 zur Verwendung von weiem
Lichts).
3.3 Spannungsoptische Grundvorgange
Bild 3.6:
39
Bestimmung der Isochromatenordnung
Von dieser Isochromate ausgehend zahlt man nun die dunklen Linien aufsteigender
Isochromatenordnung. Die Bestimmung der Isochromatenordnungen ist im Bild 3.6
dargestellt.
Durch dieses Verfahren lassen sich die ganzzahligen Isochromatenordnungen bestimmen. Die Bestimmung nicht ganzzahliger Isochromatenordnungen ist aufwendiger und
soll hier nicht naher behandelt werden. Es sei nur auf die Moglichkeit hingewiesen,
halbzahlige Ordnungen zu bestimmen: Durch Drehen eines der beiden Polarisatoren
um 90o kehren sich die Intensitatsverhaltnisse des spannungsoptischen Bildes genau
um. Es sind dann die Isochromaten dunkel, die den halbzahligen Ordnungen entsprechen.
Da in unserem Versuchsaufbau die Belastung des Modells kontinuierlich durch eine
Belastungsspindel variiert werden kann, bietet sich noch eine zweite Moglichkeit zur
Bestimmung der Isochromatenordnung an.Ausgehend vom unbelasteten Modell erhoht
man nun langsam die Belastung. Dabei "wandern\ die sich ausbildenden Isochromaten
uber das Modell. Zahlt man die Isochromaten, die wahrend des Aufbringens der Last
uber einen Punkt wandern, so erhalt man die Ordnung an diesem Punkt (die 0-te
Ordnung im unbelasteten Zustand ist dabei nicht mitzuzahlen).
Auf diese Weise lat sich auch leicht die Stelle der Maximalbelastung feststellen (diese
liegt in allen praktischen Fallen direkt am Rand des Modells). Man beobachtet dazu
beim Aufbringen der Belastung die neuen Isochromaten, die sich scheinbar vom Rand
des Modells her "ablosen\. Die "Quellen\ der neuen Isochromaten sind die Stellen
maximaler Belastung.
40
3. Lichtpolarisation
3.3.4 Verwendung zirkular polarisierten Lichts
Auer den Isochromaten treten bei der Verwendung linear polarisierten Lichts noch
weitere dunkle Linien auf, wenn namlich eine der beiden Hauptspannungsrichtungen
mit der Polarisationsrichtung zusammenfallt. Bei der Aufspaltung des Lichts nach den
Hauptspannungsrichtungen wird dann eine Komponente Null, die Polarisationsrichtung
wird nicht beeinut. Alle Punkte des Modells, bei denen eine Hauptspannungsrichtung mit der Polarisationsrichtung zusammenfallt, erscheinen ebenfalls durch dunkle
Linien verbunden. Diese Linien nennt man Isoklinen. Durch die Auswertung der Isoklinenbilder kann man zusatzliche Informationen uber die Hauptspannungsrichtungen
gewinnen, worauf hier aber nicht naher eingegangen werden soll.
Durch Verwendung von zirkular polarisiertem Licht kann man die Isoklinen unterdrucken, da sich die Polarisationsrichtung des Lichts standig dreht.
Im Versuch wird hinter dem Polarisator P eine =4-Platte angebracht, so da zirkular
polarisiertes Licht entsteht. Beim Durchgang durch das Modell kommt es zur Phasenverschiebung zwischen den beiden Teilstrahlen A1 und A2. Eine zweite =4-Platte
hinter dem Modell wandelt das zirkular polarisierte Licht wieder in linear polarisiertes.
Zur Veranschaulichung geht man von einem linear polarisierten elektrischen Feldstarkevektor aus, der in einer =4-Platte in einen zirkular polarisierten uberfuhrt wird:
!
!
cos(!t)
~A = A cos(!t) ,! A
(3.14)
cos(!t)
cos(!t + =2)
Im Modell erfahren die Teilstrahlen eine Phasendierenz :
!
!
cos(
!t
)
cos(
!t
)
A cos(!t + =2) ,! A cos(!t + =2 + 2 )
(3.15)
In der zweiten =4-Platte ndet wieder eine Phasenverschiebung statt
!
!
cos(
!t
)
cos(
!t
)
A cos(!t + =2 + 2 ) ,! A cos(!t + =2 + 2 , =2)
!
cos(
!t
)
= A cos(!t + 2 )
(3.16)
Dies entspricht Gleichung 3.10. Das "-\-Zeichen in der vorletzten Zeile kommt durch
die Orientierung der zweiten =4-Platte zustande, die gegenuber der ersten gespiegelt
ist. Man erhalt also das gleiche Bild wie bei der Verwendung von linear polarisiertem
Licht, jedoch ohne Isoklinen.
Die Stellung des Analysators ist im Versuchsaufbau so gewahlt, da ohne Probe ein
Dunkelfeld entsteht; d.h. die Schwingungsachse des linear polarisierten Lichtes nach
der =4-Platte ist senkrecht zur Achse des Analysators.
Da hier die Isoklinen nicht betrachtet werden, soll in diesem Versuch zirkular polarisiertes Licht verwendet.
3.3.5 Verwendung von weiem Licht
Verwendet man statt des monochromatischen Lichts weies Licht zur Durchstrahlung
des Modells, so sieht man eine U berlagerung des Eekts fur alle Wellenlangen des
3.4 Versuchsaufbau
41
sichtbaren Lichts. Es bleibt nur die Isochromate 0. Ordnung dunkel (entsprechend
verschwindender Hauptspannungsdierenz), da hier unabhangig von der Wellenlange
Ausloschung auftritt. Bei jedem anderen Spannungszustand ergeben sich fur unterschiedliche Wellenlangen unterschiedliche Intensitaten, so da je nach Hauptspannungsdierenz unterschiedliche Farben auftreten. Fur die quantitative Auswertung ist weies
Licht daher nicht geeignet.
3.3.6 Kerbfaktoren bei ungleichmaiger Spannungsverteilung
Wird eine glatte, stetige Korperform durch konstruktive Kerben (Rillen, Nuten, Locher,
Gewinde, . . . ) oder Materialfehler (Risse, Lunker, . . . ) gestort, dann treten in unmittelbarer Umgebung der Kerben erhohte Spannungen max auf, die ein Mehrfaches der
Nennspannung n (bei gleichmaig verteilter Spannung) betragen konnen. Diese Spannungserhohungen infolge der Kerbwirkung wird durch die Formzahl (Kerbfaktor)
beschrieben:
= max
(3.17)
n
Kerbfaktoren lassen sich im allgemeinen nur experimentell ermitteln. Hierzu eignet
sich besonders die Spannungsoptik. Verschwindet einer Hauptspannungskomponente,
erhalt man mit Hilfe der Hauptgleichung (Gl. 3.9)
= max
n
(3.18)
wobei max die maximale Isochromatenordnung im Kerbgrund (diese tritt in fast allen
Fallen am Rand des Modells auf) und n die Isochromatenordnung, die der Nennspannung entspricht, bedeuten. n ist im Isochromatenbild nicht unmittelbar zu sehen.
Sie mu mit Hilfe der Isochromatenordnung im ungestorten Querschnitt oder mittels
anderer Informationen uber den Spannungszustand (etwa der Gesamtkraft auf einen
Zugstab) ermittelt werden.
3.4 Versuchsaufbau
Der Versuchsaufbau des Praktikumsversuches besteht aus den folgenden Komponenten:
Lichtkasten: Der Lichtkasten beinhaltet eine Natriumdampflampe zur Erzeugung des
monochromatischen Lichts, sowie zwei Gluhlampen fur weies Licht. Durch die
Opalglasscheibe wird eine gleichmaige Ausleuchtung des Gesichtsfeldes gewahrleistet.
Achtung:
Zur Verlangerung der Lebensdauer der Natriumdampflampe sollte diese wahrend des Versuches kontinuierlich brennen! Bei Bedarf sollte
weies Licht zugeschaltet werden.
42
3. Lichtpolarisation
Polarisationslter: Die Filter bestehen jeweils aus einer Polarisationsfolie und ei-
ner =4-Platte. Sie konnen sowohl zur Erzeugung von linear polarisiertem Licht
(Markierung "P\ zum Modell hin; die =4-Platte bendet sich dann auen und
hat keine Wirkung) als auch von zirkular polarisiertem Licht (Markierung V zum
Modell hin) verwendet werden. Die Filter werden in den aufgeklappten Deckel
des Lichtkastens eingesteckt.
Fur alle Versuche dieses Praktikums sollte ein zirkulares Dunkelfeld eingestellt
werden. Dafur setzen Sie die beiden Polarisationslter so in den Deckel des Lichtkastens ein, da die =4-Platten zum Modellraum hin zeigen, und verdrehen einen
der beiden Filter so, da der Hintergrund weitgehend dunkel erscheint.
Belastungsrahmen: Der Belastungsrahmen enthalt eine Vorrichtung, in die die verschiedenen Modelle mittels einfacher Bolzen befestigt werden konnen. Mittels
eines Ringkraftmessers kann die mit der Belastungsspindel eingestellte Zugkraft
abgelesen werden. Bei Bedarf kann der Rahmen auch ohne Ringkraftmesser verwendet werden, wobei dann statt dessen das ausliegende Blindstuck einzusetzen
ist.
Das Auswechseln des Modellstabes darf nur bei vollstandig entlastetem Modell
erfolgen!
Achtung:
 den Mebereich des RingkraftDer Belastungsrahmen darf nicht Uber
messers (2 kN) hinaus belastet werden!
Modelle: Fur jede Praktikumsgruppe steht ein Zugstab mit zwei verschiedenen Mo-
dellbreiten zur Verfugung. Weiter gibt es fur je zwei Praktikumsgruppen Zugstabe
mit verschiedenen Kerbformen, an denen die Kerbfaktorbestimmung durchgefuhrt wird.
Demonstrationsmodelle: Zusatzlich zu den bisher genannten Modellen stehen einige komplizierte spannungsoptische Modelle zur Verfugung , die die Moglichkeit
spannungsoptischer Untersuchungen demonstrieren sollen.
Filtersatz: Zusatzlich sind ein Satz Polarisationslter, =4-Platte und =2-Platte vorhanden, an denen Sie sich die Wirkungsweise dieser optischen Elemente klarmachen sollen.
3.5 Aufgaben
Im Rahmen des Praktikumsversuch sollen Sie folgende Aufgaben bearbeiten:
(Hinweis: Fur die Aufgabe 5.1 wird linear polarisiertes Licht benotigt! Die anderen
Aufgaben sollen dann mir zirkular polarisiertem Licht durchgefuhrt werden.)
3.5.1 Wirkungsweise der Filter
Anhand des Filtersatzes sollen Sie sich die Wirkungsweise der Polarisationslter, der
=4-Platte und der =2-Platte klarmachen.
3.5 Aufgaben
43
1. Stellen Sie zunachst mit den Polarisationsltern ein Dunkelfeld her.
2. Stecken Sie nun die =4-Platte zwischen die Polarisationsfolien Wie andert sich
die Transmission, wenn man die =4-Platte gegenuber den Polarisatoren dreht?
(Stellung der beiden Polarisationslter nicht andern.)
3. Suchen Sie die Stellung mit maximaler Transmission (hinter der =4-Platte sollte
das Licht dann zirkular polarisiert sein). Wie andert sich die Transmission, wenn
sie jetzt den zweiten Polarisator (Analysator) drehen? (Die Stellung des ersten
Polarisators und der =4-Platte bleiben unverandert.)
4. Wiederholen Sie 1{3, wobei sie die =4-Platte durch die =2-Platte ersetzen.
Welche Unterschiede ergeben sich? Versuchen Sie, diese zu erklaren.
3.5.2 Versuchsaufbau
Machen Sie sich mit Hilfe des Betreuers mit dem Versuchsaufbau vertraut. Insbesondere sollten Sie die Ihnen zur Verfugung gestellten Demonstrationsmodelle im Polariskop
betrachten und die unterschiedlichen Isochromatenbilder bei verschiedenen starken Belastungen betrachten. Auch wenn bei den komplizierten Modellen hier keine quantitative Auswertung stattnden kann, kann man doch anhand der Isochromatenbilder die
wesentlichen Spannungsverlaufe erkennen.
3.5.3 Durchfuhrung eines Eichversuchs
Zunachst soll ein Eichversuch zur Bestimmung der spannungsoptischen Konstante S .
Dieser Teil des Versuches wird mit dem Zugstab ohne Kerben durchgefuhrt. Setzen
sie also zunachst diesen Zugstab in den Rahmen ein. Der Zugstab hat zwei verschieden breite Teile (60 mm und 40 mm). Die Eekte durch die Querschnittsreduzierung
und durch die Einspannung des Stabes konnen in guter Naherung vernachlassigt werden, wenn man die Isochromatenordnung etwa in der Mitte der geraden Stabbereiche
bestimmt. Die Folgenden Schritte sollen fur beide Teile des Zugstabes getrennt durchgefuhrt werden:
1. Stellen sie im Polariskop eine denierte Isochromatenordnung ein; fur den breiten
Teil des Zugstabes sind hierbei nacheinander die Ordnungen 1, 2 und 3, fur den
schmalen Teil die Ordnungen 1, 2, 3, 4 und 5 einzustellen. Hierbei empehlt sich
folgende Vorgehensweise: entlasten Sie das Modell zunachst vollstandig. Erhohen
Sie dann langsam die Belastung durch Verdrehen der Spindel und beobachten Sie
die Helligkeit weit weg von der Einspannung und der Stelle der Querschnittsanderung in der Mitte. Wird die Mitte des Stabes zum ersten mal dunkel, so ist die
erste Ordnung erreicht, beim zweiten Mal die zweite Ordnung, usw. Aufgrund
der Randeekte durfte es dabei in der Regel nicht moglich sein, die Abdunkelung
uber den gesamten Bereich des Zugstabes zu erreichen.
Hinweis: zahlt man z.B. sechs Ordnungen im Modell, so heit dies nur, da die
Maximalordnung zwischen sechs und sieben liegt. Zum Einstellen einer bestimm-
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3. Lichtpolarisation
ten Ordnung ist es deshalb zeckmaig, die Isochromate hochster Ordnung dicht
an den Rand zu legen, damit man moglichst nahe an der gewahlten Ordnung ist.
2. Notieren Sie fur jede einzustellende Ordnung den entsprechenden Kraftwert auf
dem Ringkraftmesser.
3. Prufen Sie die Linearitat des Zusammenhangs zwischen Kraft bzw. Spannung
im Zugstab und der erreichten Isochromatenordnung. Berechnen Sie aus Ihren
Mewerten gema Gleichung 3.13 die Spannungsoptische Konstante S .
3.5.4 Bestimmung von Kerbfaktoren
Nun sollen die Kerbfaktoren der Kerbstrukturen auf den ubrigen Modellstaben bestimmt werden. Sprechen Sie sich dazu mit den anderen Praktikumsgruppen ab, damit
Sie alle vier Kerbformen vermessen konnen. Fuhren Sie jeweils folgende Schritte durch:
1. Entlasten Sie das Modell vollstandig. Vergroern Sie dann die Zugbelastung des
Stabes langsam und beobachten dabei die Ausbildung der Isochromaten, insbesondere in der Nahe des Kerbgrundes. Stellen Sie dann die Belastung so ein,
da eine feste Isochromatenordnung genau an der Stelle maximaler Belastung
auftritt.
(Bei den hier verwendeten Kerbformen ist es sinnvoll, etwa die funfte Isochromatenordnung einzustellen.)
2. Notieren Sie zu der eingestellten Ordnung den entsprechenden Kraftwert des
Ringkraftmessers. Berechnen Sie daraus die Nennisochromatenordnung n = bFS .
Die Nennbreite aller Kerbformen ist b = 40 mm. Die spannungsoptische KonstanN
te S ist aus dem vorigen Eichversuch bekannt (Kontrollwert: S = 11 mm Ordnung
).
Berechnen Sie aus diesen Werten dann den Kerbfaktor der verschiedenen Kerbformen.
3. Fur mindestens eine der Kerbformen sollte die Bestimmung des Kerbfaktors
fur verschiedene Einstellungen der Isochromatenordnung im Kerbgrund erfolgen.
Idealerweise sollte der Kerbfaktor unabhangig von der eingestellten Spannung
sein.
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