http://www.mediaculture-online.de Autoren: Löhnert, Tobias / Carle, Henriette. Titel: Partizipation in der Informationsgesellschaft. Widersprüche, Chancen und Gefahren bei der Nutzung neuer Medientechnologien und der sich ergebenden gesellschaftlichen Veränderungen im Hinblick auf die Partizipation. Quelle: Unveröffentlichte Diplomarbeit. Tübingen 1999. S. 1-147. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung der AutorInnen. Henriette Carle/Tobias Löhnert Partizipation in der Informationsgesellschaft. Widersprüche, Chancen und Gefahren bei der Nutzung neuer Medientechnologien und der sich ergebenden gesellschaftlichen Veränderungen im Hinblick auf die Partizipation. Inhaltsverzeichnis 1. EINLEITUNG......................................................................................................................3 2. BEGRIFFSKLÄRUNGEN..................................................................................................5 2.1 Zum Begriff der Partizipation ............................................................................................................................5 2.1.1 Faktoren der politischen Beteiligung .......................................................................................................10 2.1.2 Partizipationsfor m e n ..................................................................................................................................11 2.1.3 Partizipations arte n ........................................................................................................................................12 2.1.4 Partizipationsgra de .......................................................................................................................................14 2.1.5 Demokratie, Engagement und Partizipation ..........................................................................................17 2.2 Zum Begriff der Informations ges ellschaft .................................................................................................24 3. DIE NEUEN MEDIENTECHNOLOGIEN..........................................................................33 3.1 Geschichte des Internets ...................................................................................................................................34 3.2 Eigenschaften und Möglichkeiten des Internets ......................................................................................38 3.2.1 Eigenschaften ..................................................................................................................................................38 3.2.2. Sozio - kulturelle Einbett ung des Mediums ............................................................................................40 3.2.3 Möglichkeiten und Realitäten .....................................................................................................................43 1 http://www.mediaculture-online.de 4. DISKURSE UM DIE INFORMATIONSGESELLSCHAFT...............................................46 4.1 Unterstützung von Herrschafts v erhältniss en mittels neuer Technologien ..................................46 4.2. Metaphern, Mythen und Technodeterminis mus .....................................................................................51 4.2.1 Mythen ..............................................................................................................................................................53 4.2.1.1. Lösung gesellschaftlicher Probleme durch Technik ...................................................................53 4.2.1.2. Die Unabhängigkeit des virtuellen Raumes (Cyberspace) .........................................................54 4.2.2 Metaphern ........................................................................................................................................................56 4.2.2.1 Datenautoba h n, Information Superhighway .................................................................................56 4.2.2.2 Cyberspace, virtuelle Welt, virtueller Raum ...................................................................................59 4.2.2.3 Sozietäts Metaphern: globales Dorf, virtuelle Gemeinschaft ....................................................63 5. GESELLSCHAFTLICHE VERÄNDERUNGEN: AUF DEM WEG ZUR INFORMATIONSGESELLSCHAFT....................................................................................66 5.1 Öffentlichkeit ........................................................................................................................................................66 5.1.1 Die Agora .........................................................................................................................................................66 5.1.2 Bürgerliche Öffentlichkeit ...........................................................................................................................67 5.1.3 Aufgabe und Funktion der Öffentlichkeit ..............................................................................................70 5.1.4 Öffentlichkeit und Medien ..........................................................................................................................72 5.1.5 Internet und Öffentlichkeit .........................................................................................................................78 5.2 Globalisierung .......................................................................................................................................................84 5.2.1 Faktoren der Globalisierung .......................................................................................................................84 5.2.2 Gesellschaftliche Auswirkungen der Globalisierung ..........................................................................85 5.2.3 Die Informations revolution ........................................................................................................................87 5.3 Veränderungen der Arbeit ...............................................................................................................................95 5.3.1 Der Veränderu ngs p r o z e ß ............................................................................................................................95 5.3.2 Verfügung oder Mitbestim m u ng über die eigenen Arbeitsstrukt u re n ..........................................98 5.3.3 Das Emanzipations p ot en tial der Arbeit ...............................................................................................100 5.3.4 Arbeit, Gesellschaft und Partizipation ..................................................................................................102 5.4 Gesellschaftliche Ungleichheiten ................................................................................................................106 5.4.1 Information - rich und information - poor. Informationelle Ungleichheiten und ökonomisches Kapital. ......................................................................................................................................................................107 5.4.2 Ungleichheiten des neuen Informations ra u m e s ................................................................................112 5.4.2.1 Zugang ....................................................................................................................................................113 5.4.2.2 Innerhalb des Netzes ..........................................................................................................................117 5.4.3 Ungleichheiten auf globaler Ebene .........................................................................................................123 2 http://www.mediaculture-online.de 5.5 Veränderungen aus der Sicht von Frauen ...............................................................................................128 5.5.1 Über Androzent ris m us im Netz und das Gendering neuer Technologien .................................128 5.5.2 Potentiale zur Veränderung der Geschlechterverhältnisses .........................................................133 6. DIREKTERE EINFLUSSMÖGLICHKEITEN AUF GESELLSCHAFT UND DIE POLITIK?...........................................................................................................................138 6.1 Online - Angebote großer politischer Institutionen ..............................................................................142 6.1.1. Bundestag online: www.bundes tag.de .................................................................................................144 6.1.2 Zur NutzerInnen - Gruppe .........................................................................................................................147 6.1.3 Versuch einer Einordnung ........................................................................................................................150 6.2 Bürgernetze – bessere Partizipations möglichkeiten auf kommunaler Ebene? ..........................155 6.2.1 Anschluß möglichkeiten der Partizipation im kom m un alen Bereich ...........................................155 6.2.2 Das „Publikon“ in Münster: www.muens ter.de ..................................................................................160 6.2.3 Versuch einer Einordnu ng ........................................................................................................................162 6.3 Verbess erte Partizipations möglichkeiten für Initiativen und Interess engruppen? .................165 6.3.1 Die StudentInnen p ro tes t e im WS 97/98 ...............................................................................................169 6.3.2 Versuch einer Einordnu ng ........................................................................................................................170 6.3.3. Die „tausend Mark Mailingliste“ ............................................................................................................174 6.3.4 Versuch einer Einordnung ........................................................................................................................175 7. AUSBLICK UND SCHLUSS..........................................................................................177 8. LITERATURVERZEICHNIS...........................................................................................182 1. Einleitung Die Informationsgesellschaft ist heute in Politik und Gesellschaft ein vieldiskutierter Begriff. Vielfältige Hoffnungen und Befürchtungen werden mit der Informationsgesellschaft und den mit ihr eng verbundenen neuen Medien assoziiert. Die positiven politischen Utopien sind meist geprägt durch eine Romantisierung oder die mythischen Überhöhung von technischen Möglichkeiten. „Im Mittelpunkt dieser Utopien steht das Konzept der Partizipation und Demokratisierung“1. Solche Utopien sind in der Mediengeschichte nichts Neues. Beispielsweise wurden von verschiedener Seite mit der Einführung des Radios oder des Kabelfernsehens große Hoffnungen auf positive gesellschaftliche Veränderungen verbunden. Auch hier war die Rede von einer möglichen 1 Vgl. Scherer, Helmut, 1998, S.171f 3 http://www.mediaculture-online.de Demokratisierung2 durch diese Technologien. Jedoch sind auch die negativen Einschätzungen, die jedes neue Medium begleiten, aus der Mediengeschichte wohlbekannt. Wir wollen in dieser Arbeit der Frage nachgehen, inwiefern die Hoffnungen auf eine verbesserte Partizipation begründet sind und wo sich Ansatzpunkte für eine gelungene Partizipation der BürgerInnen an gesellschaftlichen und politischen Prozessen ergeben können. Dabei bewegen wir uns im Spannungsverhältnis von theoretisch denkbaren Verbesserungen und realen Entwicklungen, die diese Möglichkeiten teilweise negieren, zumindest aber relativieren. In dieser Arbeit wollen wir die Möglichkeiten ausloten, aber gleichzeitig versuchen wir auch die Entwicklungen die diesen Möglichkeiten zuwider laufen im Auge zu behalten und damit die Widersprüchlichkeit der Entwicklungsprozesse aufzuzeigen. Schließlich verbinden sich mit den neuen Medien und hier vor allem mit dem Internet nicht nur Hoffnungen im Bereich der Partizipation, sondern auch auf ökonomischem Gebiet. Rudolf Maresch formuliert das auf sehr drastische Art und Weise: „Cyberspace meint zuvörderst Handelsfreiheit für Kaufleute, Einkaufsparadies für den Verbraucher, einkaufen und arbeiten zu jeder Tages- und Nachtzeit. Er bedeutet den Aufstand der Geschäftsleute gegen den Staat, nicht Projektionsfläche einer idealen Demokratie.“ 3 Unsere Arbeit haben wir folgendermaßen gegliedert: Im zweiten Kapitel werden wir zunächst auf die zentralen Begriffe dieser Arbeit eingehen. Wir setzen uns zunächst mit den Dimensionen des vielschichtigen Begriffs der Partizipation auseinander. Die herausgearbeiteten Aspekte von Partizipation sollen dann im folgenden immer wieder herangezogen werden, um eine Einordnung der jeweiligen Entwicklungen im Hinblick auf die Partizipation zu ermöglichen. Als weiteren wichtigen und zentralen Begriff dieser Arbeit werden wir uns dann mit der Informationsgesellschaft befassen und unterschiedliche Diskussionsstränge aufzeigen. Hier werden wir die unserer Einschätzung nach wichtigsten Merkmale benennen, sowie den Versuch einer Definition wagen. In Kapitel 3 begründen wir zunächst warum wir uns von den unterschiedlichen neuen Medientechnologien der Informationsgesellschaft in erster Linie auf das Internet 2 Vgl. zum Beispiel Klaus, Elisabeth/ Pater, Monika/ Schmidt, Uta C., 1997, S.803 und Schiller, Herbert I., 1998, S.135f. 3 Maresch, Rudolf, 1997, S. 211 4 http://www.mediaculture-online.de beziehen. Dem folgt eine kurze Darstellung der geschichtlichen Entwicklung des Internets, aus der unter anderem deutlich wird, wo die historischen Ursprünge der Hoffnungen und Forderungen liegen, die mit diesem Medium bis heute verbunden sind. Schließlich werden wir auf die spezifischen Eigenschaften des Leitmediums der Informationsgesellschaft – dem Internet – eingehen. Im vierten Kapitel stellen wir die wichtigsten Diskurse (in Gestalt von Mythen und Metaphern) um die Informationsgesellschaft dar. Da die Entwicklungen hin zur Informations-gesellschaft relativ gesehen noch am Anfang stehen, können uns diese Diskurse Hinweise geben auf Tendenzen der möglichen zukünftigen Entwicklungen, aber auch auf die unterschiedlichen Interessengruppen, die versuchen dieses Medium für ihre Ziele zu nutzen. Im fünften Kapitel geht es um die konkreten aber auch die zu erwartenden gesellschaftlichen Veränderungen auf dem Weg zur Informationsgesellschaft. Wir betrachten den Wandel zentraler gesellschaftlicher Bereiche wie Öffentlichkeit, Arbeit, Globalisierung und soziale Ungleichheiten. Auch in diesem Kapitel wird wie schon im vorhergehenden deutlich, daß die gesellschaftlichen Veränderungen sowohl Potentiale als auch Gefahren im Hinblick auf die Partizipationsmöglichkeiten bergen und die neuen Medientechnologien immer im Kontext mit realen gesellschaftlichen Verhältnissen zu sehen sind. Im sechsten Kapitel stellen wir dann exemplarisch drei Beispiele für die Nutzung des Internets vor, die uns zumindest partiell geeignet scheinen, die Partizipationsmöglichkeiten für BürgerInnen zu verbessern. Am Beispiel des Online-Angebots des deutschen Bundestags betrachten wir Partizipationsmöglichkeiten, die von großen politischen Institutionen ausgehen können. Ansatzpunkte für die Partizipation auf kommunaler Ebene erörtern wir am Beispiel von Bürgernetzen wie dem „Publikon“ in Münster. Schließlich wenden wir uns noch den sich für Initiativen und Interessengruppen ergebenden partizipativen Möglichkeiten am Beispiel der StudentInnenproteste im WS 1997/1998 zu. Unsere Arbeit beenden wir mit dem siebten Kapitel, in dem wie die eingangs von uns gestellte Frage hinsichtlich von Partizipationschancen nochmals aufgreifen und zusammenfassende Schlußfolgerungen aus den vorherigen Teilen ziehen wollen. 5 http://www.mediaculture-online.de 2. Begriffsklärungen 2.1 Zum Begriff der Partizipation Der Begriff der Partizipation wird in der Wissenschaft und in der Praxis sehr unterschiedlich gebraucht beziehungsweise definiert. Begriffe wie Teilhabe, Beteiligung, Mitbestimmung und Mitwirkung werden zudem oft synonym oder mit Überschneidungen zum Begriff der Partizipation benutzt und geben zugleich schon die ersten Hinweise auf die möglichen Bedeutungen des Begriffs. Partizipation und verwandte Begriffe beziehen sich auf verschiedene gesellschaftliche Bereiche. Ulrich von Alemann nennt vier Bereiche, denen er die unterschiedlichen im Kontext von Partizipation benutzten Begriffe zuordnet:4 gesellschaftliche Bereiche Begriffe/Inhalte allgemein politischer, gesamtgesellschaftlicher Bereich Demokratisierung, reale, inhaltliche Demokratie, Selbstbestimmung und Autonomie politisch administrativer Sektor Partizipation, Teilhabe, (kommunale) Selbstverwaltung, Betriebs-, Wirtschafts und industrielle Demokratie, Arbeiterkontrolle wirtschaftlicher Sektor Mitbestimmung, (paritätische), (Arbeiter-) Selbstverwaltung, Beteiligung, Mitwirkung Bereich von Bildung und Wissenschaft (Schüler-) Mitverwaltung, Mitbestimmung, Selbstverantwortung, Autonomie (der Wissenschaft) Wenn nun dieser Bestand von Begriffen, Konzepten und Programmen noch nach Mitteln und Zielen differenziert wird, so ist deutlich zu sehen, daß die Begriffe der Partizipation, Demokratisierung, Teilhabe und Mitbestimmung die Mittel zur Erreichung bestimmter gesellschaftlicher Ziele darstellen. Diese Ziele sind im obigem Fall die reale, direkte 4 Vgl. v. Alemann, Ulrich, 1975, S. 16f. 6 http://www.mediaculture-online.de Demokratie, Autonomie, Selbstbestimmung und -verantwortung5 und hängen natürlich von den Menschen oder Gruppierungen ab, welche versuchen Einfluß zu gewinnen. Ulrich von Alemann plädiert dafür die unterschiedlichen Mittel6, welche ja auf verschiedene gesellschaftliche Ebenen bezogen sind, nicht qualitativ gegeneinander abzustufen,7 weil jeweils alle gesellschaftlichen Ebenen8 zusammengedacht werden müssen. „Alle drei Konzepte stellen auf die Erweiterung von traditionellen Teilhaberechten an Entscheidungen ab, ohne daß Grenzen oder Vorbedingungen schon definitorisch gezogen werden sollten“,9 denn das Ziel einer emanzipatorisch verstandenen Partizipation muß die gesamtgesellschaftliche „Partizipation des Individuums unter je maximal gleichen Bedingungen.“10 sein. Ulrich von Alemanns Partizipationsbegriff bezieht sich also auf die gesamte Gesellschaft und ihre Subsysteme und betont, daß alle gesellschaftliche Bereiche jeweils auf die anderen rückwirken. Das bedeutet beispielsweise, daß eine schlechte ökonomische Situation oder schlechte Bildung bestimmter Gruppen natürlich auch die Partizipationschancen auf anderen gesellschaftlichen Gebieten erschwert oder unmöglich macht.11 In letzter Zeit wird der Begriff der Partizipation sehr oft in Zusammenhang mit Planungsverfahren im kommunalen Bereich verwendet (Beispielsweise in der Jugendhilfeplanung). So definiert Franz Herrmann in diesem Kontext den Begriff Partizipation in Anlehnung an die Brockhaus Enzyklopädie ganz allgemein als „Einbezogen sein von Personen und Gruppen in sie betreffende Entscheidungen“.12 Bruno W. Nikles unterscheidet zwei mögliche Verständnisweisen von Partizipation. Zum einen kann Partizipation eher eingeschränkt im Sinne von Teilhabe oder Teilnahme an konventionellen politischen und sozialen Entscheidungsprozessen selbst verstanden 5 Ebd. 6 Demokratisierung, Mitbestimmung/Beteiligung, Partizipation 7 Im Sinne von: Demokratisierung ist besser als bloße Mitbestimmung 8 Politische, soziale/kulturelle und ökonomische Ebene 9 v. Alemann, Ulrich, 1975, S. 18 (Hervorhebung im Original) 10 Ebd. S. 39 11 Vgl. Kapitel 2.1.1 12 Brockhaus Enzyklopädie 1990 XVI: 570, zit. nach Hermann, Franz, 1998, S. 120 7 http://www.mediaculture-online.de werden. Zum anderen kann Partizipation auch viel weiter gefaßt werden, nämlich als unspezifische Teilnahme an sozialen Prozessen, welche schon weit vor den eigentlichen Entscheidungsprozessen angesiedelt sind. Damit meint er „Vorstellungen von ‚sozialer Bewegung’ und basisorientierter Mobilisierung von Betroffenen in Ergänzung und als Korrektur repräsentativer Formen der Willensbildung“.13 Das Partizipationsverständnis von Bruno W. Niklas bezeichnet also ein „breites, offenes Spektrum von Teilhabe und Mitwirkung, das von der Einbeziehung in Informationsvorgänge, über Anhörungen und Beratungen bis hin zur unmittelbaren Einwirkung auf Entscheidungen reicht“.14 In Microsofts Encyclopädie Encarta findet man demgegenüber folgende Definition, die den politischen Aspekt stärker hervorhebt: Partizipation ist die „Teilnahme und Teilhabe des einzelnen Bürgers am politischen Geschehen. Seit Aristoteles’ Definition des Menschen als ein politisches Wesen stellt Partizipation eine Form der menschlichen Selbstverwirklichung dar“.15 Zusammenfassend läßt sich sagen, daß Partizipation als zweckgerichtetes Handeln verstanden werden kann, das die Durchsetzung von Interessen und die Befriedigung von Bedürfnissen und eventuell auch individuelle Selbstverwirklichung zum Ziel hat. Martin Hagen betont jedoch ähnlich wie Bruno W. Nikles, daß ein ausschließlich auf zielgerichtete Handlungsformen bezogener Partizipationsbegriff zu eng greift. Er plädiert dafür auch die Informationsbeschaffung und die Diskussion politischer Themen, also das Gespräch zwischen Freunden, Nachbarn, Bekannten oder Kollegen als Voraussetzung und Grundlage jedes politischen Handelns, zu den Dimensionen (politischer) Partizipation zu zählen.16 Helmut Scherer weist darauf hin, daß der Kommunikation und damit der Öffentlichkeit aus Sicht der BürgerInnen drei Funktionen im politischen Prozeß zukommen, nämlich die Funktion der Artikulation, Organisation und der Information. „Allgemein gesprochen ermöglichen diese Funktionen erst die Partizipation der Bürger; nur so kann der Bürger den Politikprozeß beobachten und feststellen, welche Themen und welche Akteure dort eine Rolle spielen; und nur durch die Artikulationsleistung der 13 Nikles, Bruno W., 1995, S. 301 14 Ebd. 15 Microsoft (R) 1998, Encarta(R) 99 16 Vgl. Hagen, Martin, 1999, S. 73ff. 8 http://www.mediaculture-online.de Medien kann er seine eigenen Vorstellungen mit Aussicht auf Erfolg in den Politikprozeß integrieren.“17 Hier könnten aus rein technologischer Sicht die besonderen Möglichkeiten der Computernetze also auch eine Verbesserung der politischen Partizipation der BürgerInnen bringen.18 Damit dürfte deutlich geworden sein, daß zu Partizipation aktives Handeln der Subjekte gehört. Gelungene Partizipation, nach unserem Verständnis ist ohne aktives Handeln, also ohne persönliches Engagement, nicht denkbar. Unter Engagement wird von uns in Anlehnung an Josef Held ein Handeln verstanden, das in Abgrenzung zum Bewältigungshandeln, das die Fremdbestimmung akzeptiert, die Selbstbestimmung betont.19 Engagement kann sich auf unterschiedliche Bereiche beziehen und enthält immer eine soziale Komponente: „Engagement ist eine Handlungsform, bei der Orientierung und Emotion besonders deutlich hervortreten, gemeint ist ein motiviertes Handeln, das sich auf einen speziellen Gegenstandsbereich richtet, der subjektiv für wichtig gehalten wird. Engagement beinhaltet zielbezogene Planung auf der Basis der eigenen Bedürfnisse und Interessen, verbunden mit sozialer Verantwortung.“20 Nach unserer Auffassung enthält die Zieldimension des Begriffs der Partizipation zum einen die Forderung oder das Ideal vollständig an der Gesellschaft und deren unterschiedlichen Bereichen (Bildung, Politik, Arbeitsleben usw...) teilhaben zu können und so die gesellschaftlichen vorhandenen (partizipativen) Möglichkeiten möglichst umfassend wahrnehmen zu können. Zum anderen wird aber auch die Möglichkeit angesprochen, potentiell neue Handlungsmöglichkeiten zu erschließen21 und damit Strukturen zu verändern. Ein solcher Partizipationsbegriff enthält also immer auch die politische Dimension. 17 Scherer, Helmut, 1998, S. 174 18 Genauer werden auf technologischen Möglichkeiten in Kapitel 3.2 eingegangen 19 Mit Bewältigungshandeln ist Handeln gemeint, welches sich mit gegebenen Verhältnissen und Handlungseinschränkungen abfindet und sich mit ihnen gewissermassen arrangiert. Die kritische Psychologie spricht hier von restriktivem Handeln. Ein Handeln, welches gesellschaftlich gesetzte Grenzen nicht akzeptiert, also die Handlungsmöglichkeiten erweitern will, wird als verallgemeinerte Handlungsfähigkeit bezeichnet. Engagement ist also der verallgemeinerten Handlungsfähigkeit zuzuordnen. Vgl. hierzu Holzkamp, Klaus 1985 und Held, Josef, 1993, S. 187ff. 20 Held, Josef, 1993, S. 189f. 21 Vgl. Holzkamp, Klaus 1985, S. 342 ff. 9 http://www.mediaculture-online.de Zu einem solchen Partizipationsbegriff gehört zwangsläufig die Berücksichtigung gesellschaftlicher (struktureller) Ungleichheiten (Bildung, Vermögen, Schicht usw...), welche viele Menschen in ihren (Partizipations-) Möglichkeiten von vornherein einschränken und andere privilegieren. Im Zusammenhang mit Computernetzen und ihrem Nutzen für die politische Partizipation weist Rainer Rilling darauf hin, daß „die ‚härteste’ Frage für eine Soziologie des Internets ist, ob dieses im Kontext der repräsentativen Demokratie politische Gleichheit fördert und substantiell zur Konstitution einer allgemeinen Öffentlichkeit und eines allgemeinen Willens beitragen kann“.22 Es muß also vor allem gefragt werden, ob die in einer Informationsgesellschaft zu erwartenden Änderungen geeignet sind, Ungleichheiten abzubauen, die Willensbildung zu verbessern und einer qualitativ besseren Öffentlichkeit Vorschub zu leisten. Auf diese Fragestellungen werden wir im fünften Kapitel noch genauer eingehen. 2.1.1 Faktoren der politischen Beteiligung Gerade im Hinblick auf die vielgepriesene Informationsgesellschaft und den angeblich neuen Partizipationsmöglichkeiten, die diese bieten soll, darf nicht vergessen werden, welche subjektiven und gesellschaftlichen Faktoren Einfluß auf die politische Partizipation haben. So weisen Michael J. Buse und Wilfried Nelles darauf hin, daß unter anderem die subjektive Wahrnehmung von gesellschaftlichen Problemen, die Artikulationsfähigkeit, die politische Sozialisation und das individuelle Zeitbudget Faktoren für die politische Beteiligung sein können und das diese Bedingungsfaktoren nicht bloß individuell, sondern auch durch die Struktur der Gesellschaft bedingt sind.23 Als wichtigste Determinanten politischer Beteiligung hat die Partizipationsforschung die Faktoren Alter, Geschlecht und den sozioökonomischer Status genannt. „Von besonderer Bedeutung ist dabei das von Verba und Nie entwickelte Standardmodell der politischen Partizipation, nach dem ein höherer sozioökonomischer Status des Individuums auf eine höhere politische Beteiligung desselben schließen läßt.“24 Geht man von dem Standardmodell aus, gilt es nun im folgenden auch zu betrachten, ob durch die zu erwartenden gesellschaftlichen 22 Rilling, Rainer, 1998, S. 366 23 Vgl. Buse, Michael J., Nelles, Wilfried, 1975, S. 50ff. und Kapitel 5.4 24 Hagen, Martin, 1999, S. 75 10 http://www.mediaculture-online.de Veränderungen, die sozio-ökonomische Ressourcenausstattung der Bevölkerung verbessert wird und somit eine wichtige Barriere der politischen Beteiligung beseitigt oder zumindest abgeschwächt wird. Franz Herrmann25 benennt zudem als weitere wesentliche Einflußfaktoren auf Beteiligungsprozesse das „Wissen um Beteiligungsmöglichkeiten auf Betroffenenseite“ und das „Wissen bzw. Hoffnungen auf Betroffenenseite, daß mit diesem Engagement auch etwas verändert werden kann“.26 Die Partizipationsforschung hat auch gezeigt, daß der Nutzen des Engagements erkennbar und vor allem im Verhältnis zum Aufwand in einem angemessenen Verhältnis stehen muß. Des weiteren verweist er darauf, daß es eines für den Betroffenen relevanten Themas bedarf, damit sich Engagementbereitschaft ergibt.27 Eine weitere wichtige Einflußgröße ist zweifellos das politische System, welches vorgibt in welchem Rahmen sich politische Beteiligung bewegen kann. Das gilt sowohl für konventionelle, institutionalisierte Formen als auch für unkonventionelle, nicht institutionalisierte Beteiligungsformen. Beispielsweise garantiert in Deutschland das Recht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit viele Formen von nicht-institutionalisierter Partizipation. Vergessen werden darf in diesem Zusammenhang auch nicht, daß die Bereitschaft der Entscheidungsträger Macht zu teilen und Befugnisse abzugeben ein weiterer wichtiger Punkt ist, der Einfluß auf Beteiligungsprozesse hat.28 2.1.2 Partizipationsformen29 Um den Dimensionen des Partizipationsbegriffs besser gerecht zu werden, wird in der Partizipationsforschung zwischen Formen, Arten, Graden und Verfahren der Partizipation unterschieden. Im folgenden möchten wir diese Unterscheidungen kurz vorstellen, um die verschiedenen Aspekte des Partizipationsbegriffs zu verdeutlichen. Es lassen sich unterschiedliche Formen der Partizipation unterscheiden. Eine mögliche Unterteilung ist das Unterscheiden von verfaßten und nicht-verfaßten Verfahren. Mit 25 Vgl. Herrmann, Franz, 1995, S. 173-175 26 Ebd. S. 174 27 Ebd. S. 174f. 28 Ebd. S. 173 29 Eine recht ausführliche Darstellung der einzelnen Formen findet sich bei Buse, Nelles, Michael J., Wilfried, 1975, S. 87ff. 11 http://www.mediaculture-online.de verfaßten Verfahren sind alle Verfahren gemeint, welche eine auf einer gesetzlichen Grundlage oder sonstigen allgemeinen Grundlage basieren (Satzungen und ähnliches), auf die also ein rechtlicher Anspruch besteht (Beispielsweise demokratische Wahlen). Partizipationsprozesse ohne solche Grundlagen werden demgegenüber als nicht-verfaßte Verfahren bezeichnet30 (Bürgerinitiativen fallen zum Beispiel unter diese Kategorie). Nicht verfaßte Partizipationsformen lassen sich zusätzlich auch nach Legalität und Illegalität unterscheiden. Legale Formen folgen herrschenden Gesetzen und versuchen im Rahmen des Erlaubten Einfluß zu nehmen. Illegale Formen nehmen demgegenüber bewußte Regelverletzungen in Kauf um die jeweiligen Ziele durchzusetzen. Was dabei von der Exekutive als illegale Aktivität gewertet wird, hängt natürlich vom jeweiligen Rechtssystem ab. Fritz Vilmar unterscheidet in diesem Zusammenhang institutionalisierte Mitbestimmung (Räte/Vollversammlungen, paritätisch besetzten Gremien, Engagement in vorhandenen formaldemokratischen Institutionen und Organisationen) und nichtinstitutionalisierte Mitbestimmung, worunter er die Organisation von kollektiver Gegenmacht faßt (Demonstrationen, ziviler Widerstand, gewaltsamer Widerstand, gewaltfreier Aufstand).31 Im Folgenden werden wir die Begriffe ‚institutionell’ und ‚verfaßt’ synonym verwenden, da damit derselbe Sachverhalt ausgedrückt wird. 2.1.3 Partizipationsarten Bei den Partizipationsformen lassen sich zwei Arten der Partizipation unterscheiden und zwar die direkte und die indirekte Partizipation. Bei der direkten Art können „alle potentiell und/oder faktisch Betroffenen sich an den Prozessen der Willensäußerungen und Meinungsbildung beteiligen“.32 Die direkte Art bedarf der aktiven Beteiligung der Betroffenen. Bei der indirekten oder mittelbaren Partizipation werden „die Meinungen und Interessen von Betroffenen/Beteiligten (...) über (gewählte) Repräsentanten Gruppen oder ‚Anwälte’ in den Prozeß eingebracht“.33 Diesen, aus dieser Unterscheidung entstehenden, 30 Vgl. Herrmann, Franz, 1998, S. 120 31 Vgl. Vilmar, Fritz 1973, S. 127ff. 32 Deutscher Verein, 1986, S. 1142, zit. nach Hermann, Franz, 1998, S. 120 33 Ebd. 12 http://www.mediaculture-online.de vier Gruppen lassen sich wiederum konkrete Partizipationsverfahren zuordnen, die wir im folgenden kurz darstellen möchten. Bei den direkten, nichtverfaßten Verfahren lassen sich versammelnde Verfahren, initiierende Verfahren aber auch illegale Partizipationsformen unterscheiden. Bei den versammelnden Verfahren treten BürgerInnen oder Betroffene mit der Verwaltung oder der Politik in direkte Kommunikation. Hierzu zählen BürgerInnenversammlungen oder Foren, welche sich mit bestimmten Fragestellungen und Problemen befassen. Diese Partizipationsverfahren werden in der Regel durch die Verwaltung oder die Politik initiiert. Mit Hilfe von initiierenden Verfahren wird versucht, Betroffene in Entscheidungsprozesse einzubeziehen, die zum Beispiel aufgrund ihrer Schichtzugehörigkeit, schlechter Bildung usw. über die anderen Verfahren nicht angemessen einzubeziehen sind. Franz Herrmann nennt hier als Beispiel die Gemeinwesenarbeit, die Zukunftswerkstattarbeit und die Handlungsforschung. Ziel dieser Verfahren ist es, Kontakt zu den Betroffenen herzustellen und Vertrauen zu schaffen, damit ihre Möglichkeiten, Erfahrungen und Probleme bei dem weiteren Vorgehen berücksichtigt werden können. Gerade Betroffene mit niedrigem Bildungsstand oder sonstigen strukturell bedingten die Partizipationsfähigkeit beeinträchtigenden Merkmalen, soll so eine Partizipationsmöglichkeit geboten werden. Illegale Partizipation verfolgt in der Regel das Ziel, entweder ein großes Medienecho auf die jeweilige Aktion zu erzeugen, und damit Themen zu problematisieren und zu politisieren. Eine andere Strategie kann es sein, durch die Störung, Blockierung oder Unterbrechung von wichtigen Entscheidungswegen (beziehungsweise Infrastruktur), Entscheidungen beziehungsweise ihre Durchsetzung zu verhindern oder zumindest zu verzögern. Idealerweise gelingt es auf diese Weise, durch die Schaffung von Öffentlichkeit, Aufmerksamkeit auf gesellschaftliche Mißstände zu lenken und so, durch die Etablierung einer kritischen öffentlichen Meinung, einhergehend mit einer Informierung der Öffentlichkeit, Druck auf EntscheidungsträgerInnen auszuüben. Diese Strategie der Öffentlichkeitsschaffung kann natürlich auch im Rahmen von vielen anderen Partizipationsformen eingesetzt werden.34 34 Vgl. Kapitel 5.1 13 http://www.mediaculture-online.de Die indirekten, nichtverfassten Verfahren lassen sich nach stellvertretende Verfahren und kooperativen Verfahren unterscheiden. Bei den stellvertretenden Verfahren wird die indirekte Interessenvertretung durch Schlüsselpersonen (Vertrauenspersonen und AnsprechpartnerInnen von Betroffenen – zum Beispiel Ärzte, Pfarrer, JugendgruppenleiterInnen)oder ExpertInnenen ausgeübt. Die kooperativen Verfahren beinhalten die Zusammenarbeit von Verwaltung, Planung oder Politik mit bereits organisierten BürgerInnen (Vereine, Selbsthilfegruppen, Initiativen...). Direkte, verfaßte Verfahren sind besonders aus der Schweiz und den USA als direktdemokratische Verfahren bekannt, um politische Entscheidungen zu treffen. Diese Volksentscheide sind verfassungsmäßig verankert und haben in diesen Ländern eine lange Tradition. Aber auch in einigen Bundesländern der BRD (zum Beispiel in Bayern und Baden Württemberg) und auf kommunaler Ebene gibt es solche gesetzlich garantierte direkte Verfahren, wenn auch in weit geringerem Umfang als zum Beispiel in der Schweiz. Als Mittel zur Durchsetzung ihrer politischen Interessen steht der Bevölkerung das Instrument des Bürgerbegehrens und des Bürgerentscheids/Volksentscheids zur Verfügung.35 Allerdings gibt es mit Ausnahme von Artikel 29 Grundgesetz (hier wird ein Volksentscheid bei Neugliederung des Bundesgebietes vorgeschrieben) keine entsprechende Gesetze auf Bundesebene. Michael J. Buse und Wilfried Nelles weisen darauf hin, daß diese direktdemokratischen Instrumente durch „prohibitive Eingangsvorraussetzungen“ wie Unterschriftensammlung und vorgeschriebene hohe Wahlbeteiligung deutlich als „Ausnahmeregelung“ fungieren. Sie sind nicht Bestandteil des regulären Willensbildungsprozesses sondern als Korrektiv desselben gedacht.36 Unter die indirekten, verfaßten Verfahren fallen die repräsentative Verfahren: Die BürgerInnen beziehungsweise Betroffenen werden durch RepräsentatInnen vermittelt an Entscheidungen beteiligt. Die Auswahl der VertreterInnen erfolgt mittels Wahlen oder anderen förmlichen Auswahlsmodi. Die bekanntesten Beispiele für diese Verfahren sind wohl die Bundes- und Landtagswahlen. 35 Vgl Gabriel, Oscar W., 1989, S. 130ff. 36 Vgl. Buse, J. Michael, Nelles, Wilfried, 1975, S. 96ff. 14 http://www.mediaculture-online.de Das prinzipielle Vorhandensein von Partizipationsmöglichkeiten sagt allerdings noch nichts über die Qualität der Partizipation aus. Deshalb werden in der Literatur noch sogenannte Partizipationsgrade unterschieden. 2.1.4 Partizipationsgrade Fritz Vilmar weist explizit auf die Gefahr hin, die von Ideologien, Rechtsgestaltungen und Praktiken ausgeht, „welche unter Begriffen wie Partizipation, Partnerschaft oder Mitbestimmung nichts anderes intendieren, als eine möglichst unverbindliche Teilnahme an unwesentlichen, die Herrschaftsstruktur, die Objektstellung der Untergebenen nicht infrage stellende Entscheidungen“.37 Solche Praktiken dienen unter dem Mantel der Partizipation letztendlich der Festigung der gesellschaftlichen Verhältnisse. So kann unter Umständen gesellschaftliches/politisches Engagement in Bahnen geleitet werden, in denen es dann mehr oder weniger wirkungslos verpufft. Wichtig ist also festzuhalten, daß Partizipation durchaus unterschiedliche Qualitäten haben kann, von ‚praktisch wirkungslos’ bis hin zur kompletten Selbstbestimmung und Verfügung über die gesellschaftlichen Verhältnisse. Fritz Vilmar unterscheidet drei Grade der Partizipation:38 • Unverbindliche Partizipation: Die Teilhabe am Entscheidungsprozeß durch Informations-, Beratungs- und Mitwirkungsrechte, oder aber auch durch demonstrative Proteste der Betroffenen. • Verbindliche Partizipation: Die Entscheidungsvollmacht der traditionellen EntscheidungsträgerInnen wird durch paritätische Mitbestimmung oder durch kollektive Gehorsamsverweigerung eingeschränkt. • Selbstverwaltung oder Vergesellschaftung der Entscheidungsbildung: Die Entscheidungsvollmacht der bisherigen EntscheidungsträgerInnen wird durch einen legalen Machtwechsel, oder durch Subsystembesetzung und Selbstorganisation der betroffenen Menschen aufgehoben. Fritz Vilmar betont an dieser Stelle, daß diese drei generell unterscheidbaren Partizipationsgrade wiederum danach zu differenzieren sind, ob die Partizipation „auf Grund errungener Partizipationsrechte oder auf Grund von kollektiven Druck (Streik, Demonstration, Bürgerinititiven, Einschaltung der Öffentlichkeit) realisiert wird, ferner, ob 37 Vilmar, Fritz, 1973, S. 26 38 Vgl. Vilmar, Fritz, 1973, S. 162ff. 15 http://www.mediaculture-online.de es sich um eine ad-hoc-Partizipation (Bürgerinitiative) oder um eine permanente (institutionalisierte) Partizipationsform handelt“.39 Nach Franz Herrmann lassen sich in Anlehnung an Fritz Vilmar eine Vielzahl von Partizipationsgraden unterscheiden, die sich durch den tatsächlichen Einfluß auf den Entscheidungsprozeß ergeben.40 Er unterscheidet: • Mitsprache: Das Recht auf Anhörung in einem Beratungs- oder Entscheidungsprozeß, wobei hier keine bindende Wirkung vorhanden ist. • Mitwirkung: Das Recht oder die Möglichkeit der Beteiligung am Beratungsprozeß, aber nicht am Entscheidungsprozeß. • Mitbestimmung: Das Recht für Betroffene, selbst oder durch VertreterInnen am Entscheidungsprozeß mitzuwirken. • Selbstbestimmung, Selbstorganisation: Die Möglichkeit, daß Betroffene selbst, oder durch VertreterInnen, Gestaltungs- oder Entscheidungsprozesse durchführen und zwar über Mehrheits- oder Konsensbildung. • Veto-Rechte/faktische Veto-Macht: Blockieren der Entscheidungsvollmacht der zuständigen EntscheidungsträgerInnen (beispielsweise durch Demonstrationen, Streiks oder andere Formen zivilen Ungehorsams). Besonders wichtig in diesem Zusammenhang scheint uns die Feststellung von Fritz Vilmar, daß, gerade im Rahmen von unverbindlicher Partizipation ablaufende, Beteiligungsprozesse stets darauf zu prüfen sind, ob sie nur dazu dienen Demokratisierungsinteressen ins Leere laufen zu lassen, was sie in der Tat oft tun. „Überall wird versucht, durch unverbindliche Partizipation, d.h. durch Scheinbefriedigung von Mitbestimmungsansprüchen, durch «demokratische Beschäftigung», durch Einbau «demokratischer» Ventile ingestalt von «Bürgerforen», «Mitarbeitergesprächen», «Anhörungs» – und «Beratungs» -rechten Demokratisierungs-Interessen zu absorbieren, ohne auch nur ein Stück essentieller Entscheidungsmacht aufzugeben.“41 Deshalb müssen Partizipationsbestrebungen im übrigen auch „die Verneinung, die Ablehnung bestimmter angebotener Partizipationsmöglichkeiten unterhalb eines zu definierenden Wirkungsgrades einschließen“.42 39 Ebd. S. 163 40 Herrmann, Franz, 1998, S. 120f. 41 Ebd. S. 165f. 42 Ebd. S. 166 16 http://www.mediaculture-online.de Jedoch auch unverbindliche Partizipationsformen mit relativ geringer Wirksamkeit (wenn es sich nicht nur um scheinhafte oder rituelle Partizipation handelt) können Fritz Vilmar zufolge „als demokratisierendes, Informations- Veröffentlichungs-, Einfluß- und Pressionsmedium“43 durchaus sinnvoll nutzbar sein, und zwar überall dort, wo das Bedürfnis nach Information und dialogischer Meinungsfindung besteht. Die neuen Informations- und Medientechnologien können hier in der Tat neue Potentiale erschließen helfen, momentan allerdings nur für einen relativ kleinen Teil der Bevölkerung.44 Anwendungsmöglichkeiten für diese relativ schwachen aber durchaus produktiven Partizipationsformen (er spricht hier von Bürgerforen und verweist auf den Begriff des „herrschaftsfreien Dialogs“ von Habermas) sieht er sowohl im betrieblichen Bereich als auch im kommunalen, regionalen und im nationalen Bereich.45 Auf den Bereich der Öffentlichkeit werden wir noch näher im Kapitel 5.1 eingehen. 2.1.5 Demokratie, Engagement und Partizipation Mit dem Wesen der Demokratie und Demokratisierungsprozessen in der Gesellschaft ist der Partizipationsbegriff unzweifelhaft eng verbunden. „Partizipationsrechte und -pflichten der BürgerInnen sind ein zentrales Strukturprinzip demokratischer Gesellschaften.“46 Nach Artikel 20 Grundgesetz „geht alle Staatsgewalt vom Volke aus“ ,und nach Artikel 21 Grundgesetz wirken die Parteien bei der politischen Willensbildung mit.47 Allerdings sind die Bürgerinnen und Bürger in der Verfassungswirklichkeit weitgehend untätige ZuschauerInnen (Stichwort Zuschauerdemokratie), die alle vier Jahre eine Regierung wählen, und darauf vertrauen müssen, daß die Wahlversprechen eingehalten werden und die Regierenden in ihrem Sinne entscheiden werden. Auch das Parteiensystem hat den Kontakt zur Basis weitgehend verloren und agiert nach eigenen Regeln: „Die Parteien sind Instrumente der Willensbildung, aber nicht in der Hand des Publikums, sondern derer, die den Parteiapparat bestimmen.“48 43 Ebd. S. 168 44 Vgl. Kapitel 3.2 und 5.4 45 Vgl. Vilmar, Fritz, 1973, S. 168ff. 46 Herrmann, Franz, 1998, S. 123 47 Vgl. Landeszentrale für politische Bildung, 1993 48 Habermas, Jürgen, 1990, Strukturwandel der Öffentlichkeit, S. 303, zit. nach Brönnimann, Christoph, 1996, http://www.uniz.ch/~cbro/goffm_v1.html 17 http://www.mediaculture-online.de Ohne irgendwelche Partizipationsmöglichkeiten der BürgerInnen an politischen Entscheidungen und Prozessen kann nun sicherlich nicht von einer Demokratie gesprochen werden – von einer „starken Demokratie“49 im Sinne Benjamin Barbers kann nur gesprochen werden, wenn die BürgerInnen auch relevante und äußerst effektive (und damit institutionalisierte) Partizipationsformen zugebilligt bekommen oder sich „erkämpft“ haben und damit tatsächlich über wichtige, sie betreffende Entscheidungen, entscheiden können. Demgegenüber hat in unserer Gesellschaft momentan unbestreitbar eine kleine Elite fast alle Entscheidungsbefugnisse. Diese EntscheidungsträgerInnen sind zwar demokratisch gewählt (institutionalisierte, indirekte Partizipation), aber auf die Entscheidungsprozesse selbst haben die BürgerInnen kaum Einfluß. Die Politik wird vielmehr immer stärker durch Lobbyisten aus der Wirtschaft geprägt und verliert damit zunehmend ihre demokratische Legitimation. Getrost kann man deshalb unserem demokratischem System heute eine Krise diagnostizieren. Ulrich von Alemann weist darauf hin, daß Partizipationsforderungen in der Regel immer über die Konstatierung von Krisen begründet werden. Solche Krisen nennt er Legitimationskrisen.50 Er legt aber Wert darauf, diese Krisen nicht nur in dem Versagen politischer Institutionen zu suchen. „Auch ökonomische und sozio-kulturelle Bedingungen und Strukturen tragen einen wesentlichen Anteil an der Entstehung und Entwicklung von Legitimationskrisen.“51 Anzeichen und Ausdruck dieser momentanen Krise sind unter anderem sinkende Wahlbeteiligungen, Verlust der Stammwählerschaft und Mitgliederschwund bei den Parteien,52 und zwar wie Untersuchungen zeigen,53 nicht wegen politischem Desinteresse sondern eher aufgrund Resignation und/oder Pessimismus gepaart mit großer Unzufriedenheit. In diesem Sinne 49 Benjamin Barber entwickelt in seinem Buch ein Modell der direkten Demokratie, in dem das repräsentative System institutionell erweitert wird, mit dem Ziel, daß die BürgerInnen in einem deliberativen Prozeß politische Entscheidungen treffen. Mittel sind Bürgerversammlungen und Volksabstimmungen welche durch öffentliche Diskussionen auf kommunaler und nationaler Ebene, sowie durch die Medien begleitet werden um zu gewährleisten, daß ein möglichst großes Spektrum von Meinungen Eingang in den Prozeß der Willensbildung findet. Interessant ist, daß er schon 1983 auch elektronische Formen der Bürgerversammlung in seine Überlegungen mit einbezogen hat. Das Modell das Benjamin Barber entwickelt kann als früher Versuch gewertet werden, der Bürgergesellschaft einen institutionellen Rahmen zu geben. Vgl. Barber, Benjamin, 1983 50 Vgl. v. Alemann, Ulrich, 1975, S. 36ff., Vilmar, Fritz, 1973, S. 200ff. 51 v. Alemann, Ulrich, 1975, S. 36. 52 Vgl. Schneider Helmut, 1995, S. 276ff., Beck, Ulrich, 1999, http://www.ix.de/tp/deutsch/inhalte/co/2783/1htm 53 Vgl. Held, Josef, 1996 18 http://www.mediaculture-online.de ist auch diese Verweigerungshaltung politisch und ist durchaus eine Art der Machtausübung als StaatsbürgerIn anzusehen.54 Die Legitimationskrise der heutigen Zeit wird noch durch den sich immer stärker abzeichnenden Trend verschärft, daß selbst die nationalen Regierungen und Politiker in Zeiten der sogenannten Globalisierung55 immer weniger Möglichkeiten haben Entwicklungen zu beeinflussen. Entscheidungen globaler Reichweite werden heute in internationalen (nicht demokratisch legitimierten) Organisationen und Institutionen getroffen.56 Auch Ulrich Beck diagnostiziert einen Verfall der Autorität und der Legitimität von Institutionen, welcher Beck zufolge allerdings mit einer „zunehmenden Intervention der Bürger in die Politik“57 einhergeht. Er ist also der Auffassung, daß keinesfalls von einer politischen Apathie der Bevölkerung ausgegangen werden kann. Er glaubt vielmehr, daß unsere Gesellschaft ein großes Potential an Engagementbereitschaft birgt, das sich allerdings außerhalb der traditionellen Formen politischer Beteiligung manifestiert.58 Allerdings schränkt er das Potential dahingehend ein, daß es vor allem eine gute Ausbildung ist, die die Aktivität in Politik und Öffentlichkeit begünstigt. „Überall gilt ein ähnlicher Befund: je mehr Ausbildung, desto aktiver in Öffentlichkeit und Politik.“59 Er glaubt umgekehrt jedoch auch, daß durch zunehmend bessere Ausbildung und das Nachrücken der „jüngeren Kohorten“ auch die Engagementbereitschaft wachsen wird. Ulrich von Alemann und Christoph Strünck verweisen auf die Ergebnisse der Partizipationsforschung, welche keineswegs eine Abkehr von der Politik feststellen kann. „Vielmehr signalisieren gerade die jüngern, besser ausgebildeten sozialen Gruppen einen Bedarf an Beteiligungsformen, der von den verfaßten Angeboten bislang nicht abgedeckt wird.“60 54 Auch wenn diese Art der Artikulation im Hinblick auf Veränderung ziemlich unproduktiv ist und eher als Bewältigungshandeln verstanden werden kann. Vgl Hermann, Franz, 1995, S. 161f. 55 Vgl. Kapitel 5.2 56 Darauf weist beispielsweise Ulrich Beck hin. Vgl. Beck, Ulrich, 1999, http://www.ix.de/tp/deutsch/inhalte/co/2783/1htm , vgl. auch Brönnimann, Christoph, 1996, http://www.uniz.ch/~cbro/goffm_v1.html 57 Beck, Ulrich, 1999, http://www.ix.de/tp/deutsch/inhalt/co/2783/1.htm 58 Vgl. Ebd 59 Ebd 60 v. Alemann, Ulrich/Strünck Christoph, 1999, S. 29 19 http://www.mediaculture-online.de Diese oben geschilderten Legitimationskrisen sind folglich nicht zwangsläufig negativ zu sehen, führen sie doch auch durch die sie begleitenden Partizipationsforderungen zu positiven Effekten, nämlich zu spontaner kollektiver Organisation von BürgerInnen in Bürgerinitiativen und ähnlichen Gruppierungen61 mit dem Ziel, gemeinsame Interessen zu artikulieren und durchzusetzen. Das verstärkte Aufkommen der sozialen Bewegungen (wie Bürgerinitiativen) in den späten sechziger Jahren und der aktuellen, heute verstärkt diskutierten und auch schon praktizierten Bürgerarbeit, beziehungsweise das bürgerschaftliche Engagement sowie die Ergebnisse der „Geislingen Studie“62 belegen diese These. Hier stellen sich folgende Fragen: Wie kann unsere immer komplexer werdende Gesellschaft wieder demokratischer und damit gerechter werden? Wie können die Interessen der vielen unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppierungen in den öffentlichen Diskurs einfließen und so die demokratische Entscheidungsfindung verbessert werden? Wird die Lösung dieser grundlegenden gesellschaftlichen Probleme etwa durch die neuen Medientechnologien geleistet werden? Eine mögliche Antwort auf diese Fragen wurde bereits mit dem Konzept der Bürgergesellschaft angedeutet. Wir werden später noch darauf zurückkommen. Christoph Brönnimann betont in der Tat, daß der Weg zu einer demokratischeren Gesellschaft zum Teil auch eine medientechnische Herausforderung ist. Er ist der Meinung, daß die neuen Computernetze aufgrund ihrer spezifischen Möglichkeiten63 geeignet sind, um eine „Differenzierung des politischen Willensausdrucks durch elektronische gesteuerte Wahl- und Abstimmungsverfahren“ und „eine Differenzierung des öffentlichen Diskurses auf alle Interessierten“64 zu erreichen. Claus Leggewie schließt sich zwar insofern an, daß „der gesamte politische Prozeß, von der primären Information über die Modalitäten der Meinungs- und Willenbildung bis zur kollektiven Entscheidung(...) 61 Vgl. v. Alemann, Ulrich, 1975, S. 37 62 Die Geislingen-Studie untersuchte die Engagementbereitschaft der BürgerInnen in Geislingen. Sie kam zu dem Ergebnis, daß immerhin 38 % der BürgerInnen ab dem 15. Lebensjahr bereit sind sich an selbstorganisierten bürgerschaftlichen Projekten zu beteiligen. Vgl. hierzu Sozialministerium Baden-Württemberg (Hrsg.), 1996 63 Vgl. hierzu Kapitel 3.2 und Kapitel 5.1 64 Brönnimann, Christoph, 1996, http://www.uniz.ch/~cbro/goffm_v1.html 20 http://www.mediaculture-online.de von den neuen Informations- und Kommunikationstechnologien affiziert“65 sein wird. Er führt aber weiter aus, daß aufgrund dieser Technologien weder mit dem Untergang der repräsentativen Demokratie, noch mit dem Anbruch eines neuen „athenischen Zeitalters“ zu rechnen ist. Das neue Informations- und Kommunikationstechnologien zwar die politische Meinungs- und Willenbildung beeinflussen und verändern haben in der Vergangenheit schon Techniken wie die Erfindung des Buchdrucks und in neuerer Zeit das Aufkommen von audiovisuellen Medien (Fernsehen) gezeigt. Die Geschichte zeigt aber auch, daß ausschließlich technikdeterministische Sichtweisen und Erwartungen an der Realität vorbeigehen.66 Nicht die potentiell vorhandenen Möglichkeiten oder Gefahren einer Technik entscheiden über deren Wirkung, sondern in erster Linie, wer diese Techniken wie anwendet, welche Möglichkeiten von den Menschen genutzt werden, von der Industrie weiterentwickelt und von politischen Entscheidungen gefördert werden. Informations- und Telekommunikationstechnologien sind offene Technologien: „Ihre Anwendungen und Wirkungen werden nicht stringent durch die Technik selbst impliziert, sondern entwickeln sich kontextuell“,67 d.h. technische, politische und soziale Entwicklungsdynamiken beeinflussen sich gegenseitig. Wie die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien letztendlich in unserer Gesellschaft eingesetzt werden, beziehungsweise unsere Gesellschaft die neuen Technologien beeinflussen wird, ist laut Claus Leggewie noch offen. Heute läßt sich aber sagen, daß das Netz im großen und ganzen momentan zumindest unpolitisch ist68 und sich immer weiter in Richtung Kommerzialisierung entwickelt und auch gezielt entwickelt wird. Das sollte aber nicht über die möglichen und sinnvollen Nutzungsarten und Anwendungen, gerade auch für die politische Arbeit oder andere Formen gesellschaftlichen Engagements, hinwegsehen lassen. „Es mag als gutes, wenn auch nicht hinreichendes Omen für die Demokratie im nächsten Jahrhundert angesehen werden, daß Diktaturen und autoritäre Regime das Internet nicht mögen.“69 Zahlreiche Interessengruppen und auch unterdrückte politische 65 Leggewie, Claus, 1998, S. 16 66 Vgl. Leggewie, Claus, 1998, S. 16 und Kapitel 4 67 Kamps, Klaus/Kron Thomas, 1999, S. 247 68 Vgl. Rilling, Rainer, 1996c, http://www.bdwi.org/bibliothek/rilling-hattingen.html 69 Leggewie, Claus, 1998, S. 19 21 http://www.mediaculture-online.de Organisationen haben sich in den letzten Jahren, zum Teil sehr erfolgreich, des Internets als Medium bedient (beispielsweise Zapatisten und Studenten). Fritz Vilmar betont, daß um die Gesellschaft zu demokratisieren auch demokratische Strukturen zu schaffen sind, was in erster Linie bedeute „reale Partizipationsmöglichkeiten“ zu schaffen.70 „Demokratisierung ist also der Inbegriff aller Aktivitäten, deren Ziel es ist, autoritäre Herrschaftsstrukturen zu ersetzen durch Formen der Herrschaftskontrolle von ,unten’, der gesellschaftlichen Mitbestimmung, Kooperation und – wo immer möglich – durch freie Selbstbestimmung.“71 Unter Demokratisierung versteht Fritz Vilmar also die Verwirklichung demokratischer Grundsätze in allen Bereichen der Gesellschaft. Viele Befürworter der neuen Medientechnologien sehen nun eben in den Computernetzen eine große Chance, den BürgerInnen wieder mehr Partizipation zu ermöglichen, Engagement zu fördern, beziehungsweise zu erleichtern und die Gesellschaft zu demokratisieren. Es ist unter anderem die Rede von Teledemokratie, Cyberdemokratie, von elektronischer Agora und von Gegenöffentlichkeiten, einem erneuten Strukturwandel der Öffentlichkeit, Hoffnungen auf eine mittels den Netzen mögliche deliberative Demokratie, virtuelle Gemeinschaften, transnationalen Gemeinschaften usw. An dieser Stelle muß nochmals festgehalten werden, daß sich Partizipation auf verschiedenen Ebenen abspielen kann. Zum einen gibt es die Partizipation außerhalb der institutionalisierten Möglichkeiten (Öffentlichkeit, kollektive Gegenmachtbildung) und Partizipation auf der Entscheidungsebene selbst, was die „Erringung institutioneller Rechte der Beteiligung an Entscheidungen“72 bedeutet. Fritz Vilmar weist allerdings darauf hin, daß sich die beiden Ebenen hinsichtlich ihres Demokratisierungspotentials gravierend unterscheiden. Es ist zwar möglich durch Gegenmachtaktionenen oder Schaffung einer kritischen Gegenöffentlichkeit einzelne Entscheidungen zu blockieren, beziehungsweise im Interesse der Masse durchzusetzen. Bleibende und vor allem strukturelle Veränderungen lassen sich jedoch nur durch Erlangung des Zugangs „zu den schon institutionalisierten Entscheidungsebenen“,73 beziehungsweise durch Schaffung neuer 70 Vgl. Vilmar, Fritz 1973, S. 29 71 Ebd. S. 21 72 Ebd. S. 25 73 Ebd. S. 135 22 http://www.mediaculture-online.de institutionalisierter Entscheidungsebenen erreichen. Und genau das versucht die Bürgerarbeit zu leisten: Das Miteinander und Vernetzen von schon etablierten politischen Institutionen, sozialen Bewegungen und zu engagementbereiten Bürgern. Ulrich Beck sieht in der Bürgerarbeit, beziehungsweise dem bürgerschaftlichen Engagement eine (vor allem auch zeitgemäße) Möglichkeit, den BürgerInnen mehr Verantwortung aber auch mehr Partizipation zu ermöglichen. „Bürgerarbeit ist die institutionelle Antwort, ein entscheidender Vermittlungsschritt, der die entstandene anti-hierarchische, individualistische Kultur einbindet in neue, auf Eigensinn und Eigeninitiative gegründete soziale und politische Handlungs- und Arbeitszusammenhänge.“74 Ulrich Beck geht davon aus, daß mit Bürgerarbeit Individualismus in der Gestalt von Selbstorganisation, der Eigeninitiativen und der experimentellen Politik in einer Form ermöglicht wird, welche gleichzeitig die Bedürfnisse und Anforderungen anderer berücksichtigt.75 Er glaubt vor allem, daß die politische Zukunft verstärkt durch transnationale Bewegungen76 geprägt wird, die massenmedial vermittelt sein können. Die in den partizipativen beziehungsweise demokratisierenden Potentialen der neuen Informations- und Telekommunikationstechniken gesehenen Möglichkeiten sind meist eng mit dem Konzept einer Bürgergesellschaft verknüpft, auf welche wir im Folgenden kurz eingehen möchten. Der Begriff der Bürgergesellschaft ist die Übersetzung des englischen Begriffs der civil society. Der Sozialphilosoph Charles Taylor hat folgendermaßen versucht den Begriff der civil society zu definieren. Er unterscheidet dabei drei unterschiedliche Verständnisse:77 1. Ganz allgemein läßt sich von einer civil society dort sprechen, wo es freie Vereinigungen von BürgerInnen gibt, welche nicht vom Staat bevormundet werden. 74 Beck, Ulrich, 1999, http://www.ix.de/tp/deutsch/inhalt/co/2783/1.htm 75 Ebd. 76 Er spricht hier auch von transnationalen Netzen, vgl. Beck, Ulrich, 1999, http://www.ix.de/tp/deutsch/inhalt/co/2783/1.htm 77 Vgl. Sozialministerium Baden-Württemberg (Hrsg.), 1996, S. 9 23 http://www.mediaculture-online.de 2. In einem engeren Sinn gibt es eine civil society nur dort, wo die Gesellschaft sich als ganze durch Vereinigungen strukturiert und koordiniert und nicht von der Staatsmacht bevormundet wird. 3. Alternativ oder ergänzend zur zweiten Bedeutung kann von einer civil society immer dann gesprochen werden, wenn die Gesamtheit der Vereinigungen den Gang der staatlichen Politik signifikant bestimmen oder modulieren kann. In der Geislingen-Studie78 haben die AutorInnen allgemeine Prinzipien formuliert, welche für Bürgergesellschaften konstitutiv sind. Ein wichtiges Prinzip einer Bürgergesellschaft ist die Tatsache der sozialen Selbstorganisation. Wobei das Vorhandensein von freien Vereinigungen zwar notwendig, aber keineswegs hinreichend ist. Bestehen die Organisationen in erster Linie aus hierarchischen und hochformalisierten Organisationstypen (wie Verbänden, Gewerkschaften, Vereine usw...) besteht hier die akute Gefahr, das ein großer Teil der BürgerInnen ausgegrenzt wird. Es kommt hier vielmehr darauf an, daß sich eine Vielzahl kleiner und kleinster Gruppierungen bildet, „die die pluralen Identitäten der Menschen zur Geltung bringt und die Unterschiedlichkeit ihrer Lebenswelten widerspiegelt“.79 Damit ist gewährleistet, daß sich die lebensweltliche Vielfalt der Menschen auch auf der Ebene der Vereinigungen widerspiegelt. Das Internet als Kommunikationsmedium kann hier das kollektive Handeln erleichtern und der Organisation von Gleichgesinnten oder Menschen in ähnlichen und gleichen Lebenslagen förderlich sein, wie die zahlreichen virtuellen Gemeinschaften zeigen. Schon heute gibt es im Internet jede Menge kleiner und kleinster Gemeinschaften, die sich aus unterschiedlichsten Gründen zusammengefunden haben.80 Diese Gemeinschaften sind natürlich nicht alle politisch, aber sie übernehmen oft soziale Funktionen indem sie ihren Mitgliedern Unterstützung, Austausch und wichtige Informationen bieten. Sie bieten eine Möglichkeit zeitgemäßen gesellschaftlichen Engagements, konstituieren zwar momentan keine Bürgegesellschaft, aber sie können den Aspekt der Selbstorganisation in unserer Gesellschaft vereinfachen oder zumindest unterstützen. 78 Vgl. ebd. 79 Ebd. S. 18 80 Die ältesten virtuellen Gemeinschaftsformen des Internets sind wohl die im Usenet etablierten Newsgroups, welche eine mittlerweile schier unüberschaubare Vielfalt von themenorientierten Diskussionsforen anbieten. Es kann davon ausgegangen werden, daß nahezu alle gesellschaftlichen Themen in den Newsgroups vertreten sind. Wenn Teile der „Netzgemeinde„ Bedarf für eine neue Newsgroup sieht, dann wird einfach eine neue gegründet. 24 http://www.mediaculture-online.de 2.2 Zum Begriff der Informationsgesellschaft Der Begriff der Informationsgesellschaft ist seit einigen Jahren fast überall präsent. Er findet seine Verwendung sowohl in wissenschaftlichen Diskursen, als auch in Reden von PolitikerInnen oder VertreterInnen der Wirtschaft. Was dabei jeweils unter einer Informationsgesellschaft verstanden wird bleibt oft unklar. Häufig ist nicht ersichtlich, ob damit die Bezeichnung einer gegenwärtigen Gesellschaftsform gemeint ist, oder ob wir uns im Umbruch zu einer solchen Gesellschaft befinden, beziehungsweise ob es die Vision oder das Ziel ist, auf das sich unsere Gesellschaft hinentwickeln soll oder kann. Zur Begriffsklärung möchten wir hier sowohl die Entstehung, Verwendung und Kritik des Begriffs darstellen, als auch die gesellschaftlichen Prozesse und Veränderungen, die damit beschrieben werden. Achim Bühl stellt zentrale Ansätze vor, die zur Begriffsbildung der Informationsgesellschaft geführt haben: „Die unterschiedlichen Modelle der Informationsgesellschaft stimmen dabei in der Prämisse überein, daß Information als Produktionsfaktor und Konsumgut, als Kontroll-, Herrschafts- und Steuerungsmittel bedeutsamer wird.“81 Sie unterscheiden sich darin, inwieweit der ökonomische Faktor einer Gesellschaft im Vordergrund steht oder der damit verbundene soziale Wandel, ob sie sich als Abgrenzung zur Industriegesellschaft oder als neue industrielle Revolution begreifen und ob sie die Informationsgesellschaft als Realkategorie oder als ‚Idealtypus’ verstehen. Drei dieser Ansätze sollen hier kurz dargestellt werden: die „informationeconomy“-Forschung, die „postindustrielle Gesellschaft“ von Daniel Bell und die „Wellentheorie“ von Alvin Toffler.82 Die Studien des Japaners Youchi Ito und des US-Amerikaners Fritz Machlup begründeten einen Ansatz der „information-economy“-Forschung, die Kriterien zur empirischen Identifizierbarkeit von Informationsgesellschaften entwickelte. Sie erweiterten das volkswirtschaftliche Drei-Sektoren-Modell (Landwirtschaft, Industrie, Dienstleistungen) um den Sektor der Wissensindustrie, in welchem informationsverarbeitende Tätigkeiten eingeordnet werden. Je nach Menge der ,InformationsarbeiterInnen’ und dem Anteil an Wertschöpfung aus informationsorientierten Berufen, kann eine Gesellschaft als 81 Bühl, Achim, 1996, S. 25 82 Vgl. auch Kleinsteuber, Hans J., 1996, http://www.th-darmstadt/fsmathe.de/BdWeb/Forum/961/kleinst.html und Baukrowitz, Andrea/Boes, Andreas, 1998, http://w2.wa.uni-hannover.de /ref01.html 25 http://www.mediaculture-online.de Informationsgesellschaft bezeichnet werden oder nicht. Kritisiert wird an diesem Ansatz vor allem die Schwierigkeit, welche Tätigkeiten diesem Sektor zugeordnet werden können, und daß dabei gesellschaftliche Prozesse reduziert werden auf quantifizierbare, technische und ökonomische Komponenten: „Komplexe Vergesellschaftungsprozesse erscheinen so als rein technische Sachverhalte eines quasi naturgeschichtlichen Entwicklungsprozesses; als Sachverhalte, die sich letztendlich einer bewußten politischen Steuerung entziehen.“83 Der amerikanische Soziologe Daniel Bell veröffentlichte 1973 eine Studie unter dem Titel „The coming of Post-Industrial Society“. Für ihn ist die Informationsgesellschaft eine „postindustrielle Gesellschaft“, in welcher der Informationssektor gegenüber der Güterproduktion an Bedeutung gewinnt, wobei er die Informationsgesellschaft weniger als Realkategorie, sondern vielmehr als ‚Idealtypus’ versteht. Die Information erhält dabei den Status einer wichtigen Ressource, von der die Produktion der postindustriellen Gesellschaft abhängiger ist als von natürlichen Rohstoffen. Im Gegensatz zur industriellen Maschinentechnologie basiere die postindustrielle Gesellschaft auf computergestützte „intellektuelle Technologie“. Die nachindustrielle Gesellschaft zeichnet sich bei Bell allerdings auch wesentlich durch einen Wandel der Sozialstruktur und der gesellschaftlichen Leitbilder aus. „Der Prozeß der Informatisierung ist für Bell ein Prozeß tiefer Veränderungen industriegesellschaftlicher Organisation, der den Wirtschaftssektor, Berufsgruppen, technologische Grundlagen sowie die gesellschaftliche Leitorientierung gleichermaßen umfaßt.“84 Die wichtigste Klasse der entstehenden Gesellschaft setzt sich seiner Meinung nach aus AkademikerInnen zusammen, deren Macht sich eher auf Wissen als auf Eigentum stützt. Denn die Faktoren Arbeit und Kapital werden dem industriellen Zeitalter zugerechnet, bei der postindustriellen Gesellschaft steht das Wissen im Vordergrund. „Bell opponierte als Repräsentant eines liberal-akademischen Mainstreams mit seiner post-industriellen Universaltheorie vor allem gegen neomarxistische Ansätze, von denen er gleichwohl das Denken in gesellschaftliche Epochen und die Vorstellung einer materiellen Grundlage gesellschaftlicher Dynamik übernahm. Er wendet diese Triebkraft freilich in bester amerikanischer Tradition optimistisch, indem für ihn eine neue Technik eine bessere, eben informationsbasierte 83 Bühl, Achim, 1996, S. 26 84 Ebd. S. 29 26 http://www.mediaculture-online.de Gesellschaft ermöglichen werde. Die postindustrielle Gesellschaft transzendiere die Polarisierungen zwischen Kapital und Arbeit, versöhne über Information und Wissen.“85 Der Zukunftsautor Alvin Toffler veröffentlichte 1980 sein Buch „The third wave“, worin er die Informationsgesellschaft im Kontext einer Stadientheorie betrachtet. Dabei vollzieht sich die gesellschaftliche Entwicklung in einem aufsteigenden Prozeß von traditionalen zu modernen Gesellschaften, der in drei ‚Wellen’ stattfindet. Hans J. Kleinsteuber spricht mit Bezug auf Alvin Toffler von einer „Verbestsellerung“ des Begriffs der Informationsgesellschaft und bezeichnet dieses Modell als „eine eher simple, mechanistisch anmutende Variante einer sich unter technischem Druck axial in Richtung Fortschritt bewegenden Gesellschaft“.86 Nach Toffler begann die erste Welle vor 10.000 Jahren mit der Erfindung der Landwirtschaft, die zweite Welle setzte mit der industriellen Revolution im 17. Jahrhundert ein. Nach der Agrargesellschaft und der Industriegesellschaft, befänden wir uns nun im Umbruch zur ‚dritten Welle’, dem Zeitalter der Informationsgesellschaft. „Toffler begreift Geschichte im wesentlichen als eine Geschichte von ‚Veränderungswellen’, die miteinander kollidieren, sich gegenseitig überlappen und auf diese Weise gesellschaftliche Konflikte und Spannungen erzeugen.“87 Bei der Betrachtung der gesellschaftlichen Wandlungen beschränkt sich Toffler nicht nur auf den ökonomischen Bereich; er sieht große Veränderungen in praktisch allen Lebensbereichen auf uns zukommen. Dabei sieht er den Übergang zur ‚dritten Welle’ durchaus konfliktbehaftet. Seine Hoffnung zur Bewältigung dieser Konflikte setzt Toffler auf eine Demokratisierung der Gesellschaft,88 indem „angesichts bevorstehender Krisen und Entwicklungsbrüche das Potential der Informationstechnologien genutzt werden müsse, um die Probleme im demokratischen Diskurs zu lösen“.89 Somit verbindet sich für Toffler mit der Informationsgesellschaft auch eine „normative Zielprojektion“.90 Seit Anfang der 80er Jahre ist der Begriff der Informationsgesellschaft auch in Deutschland präsent. Er taucht in verschiedenen Berichten und Studien auf, die von 85 Kleinsteuber, Hans J., 1996, http://www.th-darmstadt/fsmathe.de/BdWeb/Forum/96-1/kleinst.html 86 Ebd. 87 Bühl, Achim, 1996, S. 31 88 Die hier dargestellten Ansichten entsprechen dem ‚jungen Toffler’; später wandte er sich eher liberalkonservativen Ideen zu. 89 Bühl, Achim, S. 33 90 Ebd. S. 35 27 http://www.mediaculture-online.de Landesregierungen bis zur EU-Ebene herausgegeben werden, und das meist mit einer positiven Konnotation. Nach Hans J. Kleinsteuber löste sich der Begriff weitgehend von seinen ausländischen VordenkerInnen wie Daniel Bell oder Alvin Toffler. „Nicht die gedanklichen Leistungen der TheoretikerInnen der Informationsgesellschaft sorgten für ihre politische Konjunktur bei uns, es ist schlicht der gute Klang des Wortes.“91 Als in den 90er Jahren die große Verbreitung von Computernetzwerken wie dem Internet begann, erhielt der Begriff Informationsgesellschaft neuen Aufwind und konnte „zum neuen deutschen Paradigma aufsteigen, welches nun PolitikerInnensprüche verschiedener Couleur zu beflügeln scheint“.92 Auch für Andrea Baukrowitz und Andreas Boes93 stehen dahinter weniger fundierte und abgesicherte gesellschaftstheoretische Überlegungen, als vielmehr im Bereich der Politikberatung entstandene dem jeweiligen Anlaß entsprechende Begriffsbestimmungen, die nach dem Baukastenprinzip zusammengesetzt werden. Verwendet werden dafür vor allem drei „lose gekoppelte Begründungszusammenhänge“:94 a) Die Verschiebung des ‚axialen’ Prinzips der Gesellschaft, so daß ‚Wissen’ und , Information’ ins Zentrum des gesellschaftlichen Produktions- und Reproduktionsprozesses treten. b) Der quantitative und qualitative Wandel der Informations- und Kommunikationstechnologien, von denen alle Lebens- und Arbeitsbereiche durchdrungen sind. c) Die Verschiebung der Wirtschafts- und Beschäftigtenstrukturen, in dem Informationsund Wissensarbeiter die Basis der neuen Gesellschaft bilden. Baukrowitz/Boes kritisieren vor allem die weitverbreitete Verwendung eines „kybernetischen“ Informationsbegriffs, hinter dem die Annahme steht, „daß Information prinzipiell etwas unabhängig vom Inhalt zu bewertendes sei, daß sie in einer möglichst großen Quantität zur Verfügung stehen müsse, daß sie verwendungsunabhängig erzeugt und dann zu ihren Bestimmungsorten transportiert werde und daß hierfür die modernen Informations- und Kommunikationstechnologien aufgrund ihrer Beschleunigungswirkung 91 Kleinsteuber, Hans J., 1996, http://www.th-darmstadt/fsmathe.de/BdWeb/Forum/96-1/kleinst.html 92 Ebd. 93 Vgl. Baukrowitz, Anrea/Boes, Andreas, 1998, http://w2.wa.uni-hannover.de/ref01.html 94 Vgl. ebd. 28 http://www.mediaculture-online.de das einzig sinnvolle Werkzeug seien“.95 Unter diesem Blickwinkel, durch den die neuen Technologien auf die schnelle Übertragung von Information reduziert werden, verkürzen sich die damit verbundenen möglichen Probleme auf die Leistungsfähigkeit der Computernetze und die Verbreitungsdichte der Endgeräte. Auch für Achim Bühl läßt sich der gesellschaftliche Wandel nur sehr unzureichend durch den Begriff der Information beschreiben, da der Informationsaustausch für jede Gesellschaft von Bedeutung sei. Für ihn stehen die neuen computerbasierten Informations- und Kommunikationstechnologien im Vordergrund, allerdings nicht auf die oben dargestellte, auf Informationsübertragung reduzierte Weise. Er schlägt den Begriff „Cyber Society“ vor, da für ihn der Kern des Wandels in einer Virtualisierung der Gesellschaft besteht: „Unter Cyber Society verstehen wir eine virtuelle Gesellschaft; eine Gesellschaft, in der Produktion, Distribution und Kommunikation weitgehend in virtuellen Räumen stattfinden, im Cyberspace. (...) Unter Virtualisierung wollen wir einen computerinitiierten Prozeß verstehen, in dessen Verlauf an die Stelle des realen Raumes der virtuelle Raum als bestimmende Größe mikro- und makrosoziologischer Bereiche tritt.“96 Andrea Baukrowitz und Andreas Boes behalten den Begriff der Information bei, wollen allerdings die gesellschaftlichen Entwicklungen aus der Perspektive einer kritischen Gesellschaftstheorie beschreiben.97 Sie sprechen von einem „Prozeß der Informatisierung“, d. h. von der Entwicklung und Nutzung einer abstrakten Informationsebene, die zur Abbildung und Rationalisierung von Produktionsprozessen dient. Diese Entwicklung reicht weit zurück und fing mit der Nutzung „einfacher Informationssysteme als Instrumente der ‚geistigen Arbeit’“98 an. Damit ist zum Beispiel die Entstehung von Buchführung gemeint oder später die Verwissenschaftlichung des Produktionsprozesses. Der Informatisierungsprozeß war jedoch zunächst nur ein Bestandteil der Rationalisierung der Produktion und der Ökonomisierung der Gesellschaft. Seit Mitte des Jahrhunderts wurde er zu einem eigenständigen Gestaltungselement, indem die Information von ihrem Inhalt abgekoppelt und wissenschaftlich bearbeitbar 95 Ebd. 96 Bühl, Achim, 1996, S. 38 97 Vgl. Baukrowitz, Andrea/Boes, Andreas, 1997a, http://staff.uni-marburg.de/~boes/sem_imd.html 98 Ebd. 29 http://www.mediaculture-online.de wurde.99 Ein qualitativer Wandel fand mit der Einführung neuer Informations- und Kommunikationstechnologien statt: „Der Prozeß der Informatisierung erreicht heute eine neue Qualität, indem bisher fachlich, funktional und medial getrennte Informationssysteme in einer weltweit durchgängigen und in weiten Teilen computergestützten Informationsebene aufgehen.“100 Die so entstandene Informationsebene hat für Baukrowitz und Boes ihre Bedeutung nicht nur für den Produktionsprozeß, sondern auch als Raum, in dem gesellschaftliches Handeln möglich wird. In einem anderen Artikel definiert Andreas Boes die Informationsgesellschaft als eine Entwicklungsphase des Kapitalismus, in dem der technisch gestützte Informationsraum zunehmende Bedeutung als Handlungsraum gewinnt: „Auch wenn dieser Informationsraum seinem Wesen nach als Widerspiegelung der ,realen Welt’ entsteht und strukturell nie etwas anderes sein wird, bietet er dennoch die Möglichkeiten einer neuen Dimension sozialen Lebens und verändert dadurch die ,alte Welt’ grundlegend. Menschliches Handeln bewegt sich von nun an zunehmend im Wechselfeld von ‚realer Welt’ und informatorischer Doppelung; bei vielen Handlungen vollzieht sich der Bezug zur ‚Realwelt’ nur noch vermittelt über die Informationswelt, ja der Informationsraum mit seinen neuartigen Regeln und Besonderheiten wird zum bestimmenden Rahmen des sozialen Agierens.“101 Die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien, insbesondere Computernetzwerke, und hier wiederum zentral das Internet, werden also zum bedeutenden Werkzeug der Informationsgesellschaft und eröffnen einen neuen, virtuellen Raum, in dem gesellschaftlich relevante Prozesse stattfinden. Dieser neuen Technologie wird ein großer Stellenwert bei der Veränderung gesellschaftlicher Verhältnisse beigemessen, was die Frage nach dem Verhältnis von Technik und Gesellschaft aufwirft: „Die gesellschaftliche Bewältigung von Technik vermag immer nur so gut zu sein wie das Wissen um beides: Technik und Gesellschaft und deren Wechselwirkungen.“102 Dabei ist es wichtig, technische Neuerungen nicht als ‚Naturereignis’ zu sehen, sondern sie in ihrer 99 Eine Abkopplung der Information von ihrem Inhalt erfolgt zum Beispiel bei der tayloristischen Organisation von Produktionsprozessen, bei der ein Unternehmen ohne Wissen über die konkreten Produktionsvorgänge geleitet werden kann. „Dazu werden alle Aspekte des Produktionsprozesses einschließlich der lebendigen Arbeit in rechenbare Einheiten zerlegt, unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten neu zusammengesetzt und in Informationssystemen abgebildet.“ Baukrowitz, Andrea/Boes, Andreas, 1997b, http://staff-www.uni-marburg.de/~boes/texte/artfiff.html 100Baukrowitz, Andrea/Boes, Andreas, 1997a, http://staff.uni-marburg.de/~boes/sem_imd.html 101Boes, Andreas, 1996b, http://staff-www.uni-marburg.de/~boes/texte/bdwi.html 102Kleinsteuber, Hans J., 1996, http://www.th-darmstadt/fsmathe.de/BdWeb/Forum/96-1/kleinst.html 30 http://www.mediaculture-online.de ‚Gemachtheit’ zu begreifen. Dies eröffnet die Möglichkeit, nicht nur nach den gesellschaftlichen Wirkungen einer Technologie zu fragen, sondern auch nach den Gründen ihrer Entstehung. Die Frage nach der Wirkung neuer Medientechnologien läßt sich wiederum nicht getrennt von den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ihrer Einführung betrachten: „Wirkungen der Medien hängen stark von den gesellschaftlichen und rechtlichen Einbettungen, von den öffentlichen Visionen und Leitbildern (Utopien) der beteiligten Akteure, den impliziten Modellen der entwickelnden Forscher und Ingenieure und nicht zuletzt von den Werten und Praktiken der Nutzer ab.“103 Leitbilder und Vorstellungen, die bei der Einführung des Internets in unsere Gesellschaft von besonderer Bedeutung sind oder waren, werden deshalb in Kapitel 4 unserer Arbeit noch ausführlich dargestellt. Bei der Betrachtung der Visionen und Leitbilder der politischen und wirtschaftlichen AkteurInnen fällt auf, daß die Informationsgesellschaft nicht nur eine Beschreibung gesellschaftlichen Wandels ist, sondern gleichzeitig ein politisch umkämpftes Projekt. Die Vorstellungen einer Informationsgesellschaft sind oft von neoliberalem Gedankengut geprägt, wonach es um die Entwicklung einer unternehmerischen Gesellschaft geht, in der jeder seine Chance am freien Markt suchen kann, ohne die Einmischung von staatlicher Seite. Durch eine solche Deregulierungspolitik und den Ausbau der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien wird auf einen belebten Markt gehofft, der insgesamt mehr Wohlstand bringen soll. In diesem Sinne nennen Baukrowitz und Boes die Informationsgesellschaft auch ein „Herrschaftsprojekt“.104 Dabei fällt der Politik die Rolle zu, für eine Akzeptanz der neuen Medien zu sorgen und sich ansonsten bei deren Gestaltung zurückzuhalten. Dazu paßt, was Doris Kretzen und Dieter Plehwe von einer Anhörung des Europa-Parlaments 1995 berichteten: „Unverbluemt lautete der Appell des Vertreters des European I.T. Industry Round Table auf der EP-Anhoerung: ‚Schaffen Sie uns den politischen Rahmen, wir machen die Informationsgesellschaft.’“105Aus dieser Perspektive betrachtet bedeutet die Entstehung der Informationsgesellschaft die Herstellung einer technischen Informationsinfrastruktur. Das mag dann soziale Folgewirkungen nach sich ziehen, aber als ein umfaßender gesellschaftlicher Wandel wird 103Enquete-Kommission Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft, 1998, S. 87 104Vgl. Baukrowitz, Andrea/Boes, Andreas, 1997a, http://staff.uni-marburg.de/~boes/sem_imd.html 105Kretzen, Doris/Plehwe, Dieter, 1995, http://staff-www.uni-marburg.de/~kretzen/1_95_dkdp.html 31 http://www.mediaculture-online.de die Informationsgesellschaft hier nicht begriffen. So ist es nicht verwunderlich, daß der in diesem Sinne verstandene Begriff von anderer Seite als Herrschaftsideologie bezeichnet wird, wie zum Beispiel von Uwe Fahr: „Der Begriff der Informationsgesellschaft bezeichnet eine Ideologie, die eine produktionstechnische Neuerung in einem begrenzten gesellschaftlichen Bereich zur gesellschaftlichen Revolution stilisiert. Der Begriff ist so erfolgreich, weil hier die Interessen der Vertreter des nach neuen Anlagemöglichkeiten suchenden Kapitals mit den Hoffnungen der Mittelklasse zusammentreffen, die in der immer universaler werdenden Konkurrenz noch eine Chance erhält und wahrnimmt.“106 Den neoliberalen Auffassungen stehen Konzepte gegenüber, die den Umbruch zur Informationsgesellschaft als tiefgreifenden gesellschaftlichen Wandel begreifen, den es politisch zu gestalten gilt. Sie verknüpfen diese Veränderungen mit Zielen nach humaner Arbeit, Selbstbestimmung, sozialer Gerechtigkeit und demokratischer Teilhabe.107 Andreas Boes stellt seit Mitte der neunziger Jahre einen Eingang solcher Konzepte in die Politik zumindest auf EU-Ebene fest; für ihn zeichnet sich „eine Abkehr von der reinen Deregulierungsorientierung ab und eine Hinwendung zu einem aktiv gestaltenden staatlichen Eingreifen mit dem Ziel, den technologischen Prozeß sozial einzubetten“.108 In der deutschen Politik ist unserer Ansicht nach jedoch nicht allzuviel davon zu bemerken. Der Begriff der Informationsgesellschaft kann durchaus kritisch gesehen werden. Wir haben uns trotzdem entschlossen, ihn für den Titel unserer Arbeit zu verwenden, da es der gebräuchlichste Begriff für die gesellschaftlichen Veränderungen in Zusammenhang mit den neuen Informations- und Kommunikationstechnologien ist. Was wir darunter verstehen soll hier noch einmal kurz zusammengefaßt werden, wobei wir auf oben beschriebene Ansätze zurückgreifen: Die Informationsgesellschaft ist eine Phase des Kapitalismus, in der Information zu einer besonderen Bedeutung gelangt als Produktionsfaktor, Machtmittel oder Konsumgut. Mit den neuen Informations- und Kommunikationstechnologien, die zum wichtigsten Werkzeug der Informationsgesellschaft werden, entsteht ein virtueller Raum, der viele 106Fahr, Uwe, 1995, http://www.foebud.org/leute/m.below/fahr.html 107Vgl. zum Beispiel Frankfurter Erklärung zur Informationsgesellschaft, 1998, http://staff-www.uni-marburg.de/~rillingr/imd/IMD98/98erklaerung.htm 108Boes, Andreas, 1997, http://staff-www.uni-marburg.de/~boes/texte/stand1.html 32 http://www.mediaculture-online.de Aspekte des realen Raums widerspiegelt oder repräsentiert. So kann Handeln in der Informationsgesellschaft auch im virtuellen Raum stattfinden oder vermittelt über diesen. Damit geht ein Wandel der Gesellschaft einher, der alle Menschen in wichtigen Lebensbereichen betreffen wird. Änderungen, die uns hinsichtlich der gesellschaftlichen Partizipationsmöglichkeiten von Menschen sowohl im positiven als auch im negativen Sinne bedeutsam erscheinen, stellen wir im 5. Kapitel unserer Arbeit ausführlicher dar. 3. Die neuen Medientechnologien Die Medientechnologien der Informationsgesellschaft sind vielfältig. Ein Kennzeichen der Informationsgesellschaft ist zunächst, die durch die neuen Medien möglich gemachte, allgemeine Verdichtung und Beschleunigung von Kommunikation. Genannt werden kann hier zum Beispiel die drastische Zunahme von Fernsehsendern (und hier vor allem das potentiell interaktive digitale Fernsehen), und das verstärkte Aufkommen satellitengestützter Kommunikation und des Mobilfunks. Ganz allgemein wird durch die neuen Medien die Komplexität gesellschaftlicher Kommunikation gesteigert. Face-to-Face Kommunikation wird zunehmend durch medienvermittelte Kommunikation ersetzt oder ergänzt. Raum und Zeit verlieren für die Kommunikation damit an Bedeutung. Eine weitere wichtige Tendenz ist die durch die Digitalisierung erfolgende Verschmelzung der Medien untereinander (Konvergenz der Medien). Konvergenz der Medien bedeutet dabei zum einen das Zusammenwachsen unterschiedlicher technischer Infrastrukturen, zum anderen aber auch, daß dieselben Dienste (ermöglicht durch die Digitalisierung) über verschiedene Infrastrukturen angeboten werden.109 Radiosender werden beispielsweise in das Internet übertragen und es ist heute schon möglich über das Internet zu telefonieren. Anderseits werden Handies und Zusatzgeräte zum Fernseher angeboten mit denen eine Nutzung des Internets ermöglicht wird. Insgesamt führt diese Entwicklung zum verschwimmen der Grenzen zwischen den klassischen Medienangeboten und den neuen Diensten.110 Wir haben im vorherigen Kapitel als wesentliches Kennzeichen der Informationsgesellschaft die zunehmende Virtualisierung,111 aus der unter anderem eine 109Vgl. Enquete-Kommission Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft, 1998, S. 28-31 110Vgl. ebd. S. 30 111Vgl. Bühl, Achim, 1996, S. 73-75 33 http://www.mediaculture-online.de neue Dimension sozialen Lebens erwachsen kann, genannt. Es dürfte auch schon deutlich geworden sein, daß dem Internet, beziehungsweise den vernetzten, computervermittelten Kommunikations- und Informationstechnologien, in diesem Prozeß eine zentrale Rolle zukommt. Die möglichen Verbesserungen von Partizipationsmöglichkeiten, die im Zusammenhang mit der Informationsgesellschaft diskutiert werden, werden in erster Linie im Kontext mit diesen neuen Kommunikations- und Informationsmöglichkeiten gesehen. Neben den anderen neuen Medientechnologien nimmt das Internet hier unserer Einschätzung nach eine zentrale Rolle ein. Dieser ‚neuen’ Technologie wird damit von uns ein großer Stellenwert bei der Veränderung gesellschaftlicher Verhältnisse beigemessen. Darum werden wir uns in unserer Arbeit in erster Linie mit dem Leitmedium der Informationsgesellschaft – dem Internet – beschäftigen und die aus diesem neuen Medium erwachsenden positiven und negativen Auswirkungen auf Partizipationsmöglichkeiten betrachten. 3.1 Geschichte des Internets Das Internet ist ein sich ständig weiterentwickelndes Computernetz, dessen Entwicklung und Veränderung in den letzten Jahren und Monaten überaus schnell vor sich ging.112 Seine Ursprünge liegen in einem militärischem Computernetz der USA dem ARPANET (Advanced Research Project Agency Net) von dem sich 1983 das MILNET (Military Network) abspaltete, was als Geburtsstunde des Internets gilt. Ab jetzt entwickelte sich das Internet ausgehend von den noch bestehenden Verbindungen des ARPANETS. Im Laufe der Zeit wurden immer mehr andere Computernetze ans Internet mit angebunden.113 So dehnte sich dieses, ausgehend von den USA, schließlich auf die ganze Welt aus. Das Internet basiert technisch gesehen zum einen auf der technischen Infrastruktur (zum Beispiel Kupfer-, Koax- Glasfasernetze), die die physikalische Verbindung zwischen den räumlich getrennten Netzen ermöglicht. Um es zu ermöglichen, daß unterschiedlichste 112Ein kurzer Abriß der Entstehungsgeschichte des Internets findet sich beispielsweise bei Döring Nicola, 1995, S. 306 ff., sehr ausführlich bei Musch Jochen, 1997, S. 27ff. 113Das Internet ist seiner Struktur nach ein Metanetzwerk, mit dem aufgrund eines einheitlichen Übertragungsprotokolls (TCP/IP) unterschiedlichste Netzwerke verbunden werden können. Darum wird das Internet auch Netz der Netze genannt. Vgl. Rost, Martin, 1996, S. 22 ff. 34 http://www.mediaculture-online.de Systeme miteinander kommunizieren können wurde der offene Standard des TCP/IP Protokolls entwickelt, mit dessen Hilfe über die Infrastruktur beliebige Daten, Dienste und Anwendungen transportiert werden können. Dabei handelt es sich um eine sogenannte paketvermittelte Kommunikation. Die Informationen werden dabei in kleine Einheiten (Pakete) aufgeteilt und abgeschickt. Im Internet werden diese Pakete dann von Knotenrechner zu Knotenrechner weitergeschickt, bis die Pakete am Ziel angekommen sind und dort wieder zusammengesetzt werden. Der Weg, der dabei von den einzelnen Paketen genommen wird, ist nicht kontrollierbar.114 Das Funktionieren des Internets ist folglich auf die Kooperation aller angeschlossenen Knotenrechner angewiesen. Diese Dezentralität geht auf die militärischen Ursprünge des Internets zurück.115 Es sollte auf diese Weise sichergestellt werden, daß bei einer Zerstörung eines Teils des Netzes durch einen atomaren Erstschlag der damaligen Sowjetunion, der Rest funktionstüchtig bleibt. „Entscheidend war nicht der Weg der Daten, sondern das Ziel der Aufrechterhaltung der Kommunikation“.116 Das bedeutet, daß eine Unterbrechung des freien Informationsflusses als Störung interpretiert und automatisch umgangen wird. Dies ist auch der Grund, warum das Internet aus technischer Sicht als schwer kontrollier- und zensierbar gilt. Viele der heute noch kursierenden Mythen und Hoffnungen, die das anarchistische und demokratisierende Potential des Internets propagieren, stützen sich auf diese frühen Zeiten des Internets und die besondere Kultur, die dort entstanden ist. Die technischen, sehr offenen Strukturen spiegeln die Philosophie der IngenieurInnen wider, die die Entwicklungen vorantrieben. „Es ist vielleicht interessant zu wissen, daß die Ingenieure des Internets von Anfang an eine sehr anarchistische Gruppe waren, die keine hierarchischen Strukturen akzeptierte und über Arbeit und Projekte am liebsten im direkten Gespräch diskutierte.“117 Das Motto ihrer Arbeit lautete: „Wir glauben nicht an Könige, Präsidenten und politische Wahlen. Wir glauben an das Miteinander und den freien Datenfluß“118. Diese Gruppierung hegte eine starke Abneigung gegen jedwede Zensur und Kontrolle der Kommunikationswege. 114Vgl. Cailliau, Robert, 1998, S. 70f. 115Vgl. Poster, Mark, 1997, S. 161 116Bühl, Achim, 1996, S. 50 117Cailliau, Robert, 1998, S. 76 118Cailliau, Robert, 1998, S. 76 35 http://www.mediaculture-online.de Anfangs nutzten vor allem Technikfreaks, Hochschulangehörige und Behörden das Internet. Erst der 1989 entwickelte Internetdienst „World Wide Web“ war der Auslöser des heutigen Internetbooms, da mit Hilfe der graphischen Benutzerschnittstelle ein leichtes Navigieren im Internet ohne Eingabe von Kommandos möglich wurde. Das Internet stand von da an auch weniger in die Computertechnik Eingeweihten offen. Wie bei allen neuen Medien werden sowohl neue (so noch nie dagewesene) Gefahren von Kritikern beschworen, als auch neue (fantastische) Chancen durch dieses weltumspannende Computernetz gesehen. Die einen verknüpfen mit den vielfältigen und nahezu unüberschaubaren Angeboten die das Netz bevölkern, neue Lern-, Informations-, und auch vor allem auch Partizipationsmöglichkeiten. Es ist unter anderem die Rede von Cyberdemokratie, Teledemocracy, einem erneuten Strukturwandel der Öffentlichkeit, einem globalen Dorf und damit von einem leichteren interkulturellen Austausch in einer zunehmend globalisierten Welt. Eine andere Gruppe malt Horrorszenarien von anarchischen Zuständen und beklagt die mangelnde staatliche Kontrolle, die momentan im Internet möglich ist und fordert zum Beispiel harte Kontrollen und Beschränkungen der erlaubten Verschlüsselungstechniken. Andere wiederum erhoffen sich durch das Internet einen neuen weltweiten Absatzmarkt für ihre Produkte. Es ist offensichtlich, daß je mehr das Internet aus seinem Nischendasein ins Zentrum der Gesellschaft rückt, regelrechte ‚Kämpfe’ um die zukünftige bestimmende Nutzungsform des Netzes geführt werden. In der kurzen Zeit seit der es das Internet gibt, hat sich eine „in vielen Jahren gewachsene kulturelle Ordnung, die in hohem Maße auf Dezentralität, Eigeninitiative und Eigenverantwortlichkeit baut, im Netzalltag als Regulativ bewährt“.119 Es gibt mit Ausnahme der Organisation für die Adressenvergabe für Netzknotenrechner keine zentralen Steuerungsorgane. Die NutzerInnen selbst haben, zu einem Teil zumindest, das Internet zu dem entwickelt, was es heute so eigentlich nicht mehr ist. Über die Jahre sind Regeln entstanden, die die technische Seite des Internets, aber auch die zwischenmenschlichen Umgangsformen (Netiquette) und die Nutzung des Netzes regeln. Bei Verstoß gegen die Netiquette muß mit Sanktionen von Seiten der NutzerInnen gerechnet werden. 119 Ebd. S. 41 36 http://www.mediaculture-online.de Sabine Helmers nennt drei Grundprinzipien der Internetkultur:120 • das Prinzip des freien Flusses der Information „Der Informationsfluß hat Vorrang vor Einschränkungen und Kontrollen.“121 Das bedeutet: Zensur ist verpönt, alle sollen Zugang zu allen öffentlichen Diensten, Anwendungen und Informationen erhalten. Alle Anwendungen sollen so geschrieben sein, daß sie möglichst wenig Netzlast verursachen usw. … • •das Prinzip der Dezentralität Im Netz herrscht Selbstverwaltung. Das Netz wird von den NutzerInnen weiterentwickelt und ausgebaut. Die Eigenverantwortlichkeit des Handelns ist die Basis für einen (möglichst) reibungslosen Netzbetrieb. • das Prinzip der Reziprozität Im Internet kann und soll jeder Information anbieten und abrufen. Wer ein Programm geschrieben hat, bietet es beispielsweise kostenlos im Netz an und erhält dafür keine direkte Gegenleistung. Jeder der das Netz benutzt, sollte dem Netz beziehungsweise dessen NutzerInnen auch etwas geben, sich im Netz engagieren. Hintergrund dieser Haltung ist die Ansicht, daß der bloße Konsum der Entwicklung des Netzes abträglich ist. Die Kultur des Internets ist heute nun aber nicht mehr homogen (wenn sie es überhaupt jemals war), sondern spaltet sich in viele verschiedene Gruppen oder Subkulturen auf. Eine sehr grobe Unterteilung nimmt Sabine Helmers122 vor. Sie unterscheidet zwischen Zentrum und Peripherie. Zum Zentrum zählt sie die Menschen, die Netzwelt- und Computerspezialisten sind und sich durch ihren enormen Wissensvorsprung auf diesem Gebiet von der Peripherie unterscheiden, und sich auch ganz bewußt von den anderen NutzerInnen abgrenzen. Das Zentrum sind und waren die Menschen, welche das Internet schon (meist) viele Jahre ‚bewohnen’ und gestalten. Die Peripherie sind demgegenüber jene NetznutzerInnen, die die vorhandenen Möglichkeiten des Netzes für ihre Belange nutzen. Gerade durch das Aufkommen des WWW und relativ leicht zu bedienenden Browsern wird die Peripherie im Verhältnis zum Zentrum immer größer. Die meisten der momentanen BenutzerInnen können mit dieser Einteilung sicherlich der Peripherie zugeordnet werden. Es erscheint heute zunehmend fraglich, ob die auf die frühen Zeiten zurückgehenden Regeln und Nutzungsformen in Zeiten massiver Kommerzialisierung großer Teile des Netzes und einem sehr großen Zustrom an neuen NutzerInnen aufrecht zu erhalten sind. 120 Helmers, Sabine, 1995a, S. 42f. 121 Ebd. 122Vgl. Helmers, Sabine, 1995c, http://duplox.wz-berlin.de/docs/ding/ 37 http://www.mediaculture-online.de Das Internet, einst ein „Tummelplatz der Ideen und kreativen Anarchie“,123 droht zu einem gigantischen Warenhaus zu werden – und das hat natürlich Auswirkungen auf die von vielen Seiten erhofften positiven Effekte, und damit auch auf die uns hier interessierenden Partizipationsmöglicheiten die dieses Medium bietet. Das Problem ist der durch das WWW erfolgende zunehmende Umbau des Netzes in ein klassisches Verteilmedium, wodurch viele der denkbaren Vorteile eines solchen Mediums wieder verloren gehen werden, beziehungsweise die Nutzung desselben keinesfalls bestimmen werden. Im folgenden Kapitel wird dieser Umstand noch näher erläutert. 3.2 Eigenschaften und Möglichkeiten des Internets Das Internet ist ein Medium, dessen ganz besondere Eigenschaften und Möglichkeiten es im Vergleich zu älteren, ‚klassischen’ Medien so interessant erscheinen lassen. Dementsprechend hoch sind die Erwartungen, Hoffnungen und Befürchtungen, die sich daran knüpfen, und dementsprechend vielfältig die Veränderungen gesellschaftlichen Lebens, die erwartet werden. „Das Internet muß als eine technische Innovation höchsten Ranges betrachtet werden, die bezüglich der Universalität und Tiefe ihrer sozio-kulturellen Implikationen höchstens noch mit dem Elektrizitätsnetz verglichen werden kann.“124 Die sozio-kulturellen Veränderungen, die sich durch die technischen Besonderheiten des Mediums ergeben werden, sind zum momentanen Zeitpunkt noch nicht abzusehen. Es zeichnen sich schon verschiedene Trends ab, aber in welche Richtung die Entwicklungen gehen können, wird durch verschiedene Faktoren wie Politik, Wirtschaft und nicht zuletzt dem individuellen Handeln der Menschen beeinflußt. 3.2.1 Eigenschaften Was sind das für Möglichkeiten, die das Internet mit seinen besonderen Eigenschaften bietet? Und welche Bedeutung haben sie für die gesellschaftliche und politische Teilhabemöglichkeit der Menschen? Informationen sind über das Internet leicht und in bisher nie dagewesenen Umfang verfügbar. Es ist zum Beispiel kein Problem, eine Literaturrecherche online in einer Universitätsbibliothek in Australien durchzuführen oder sich Hintergrundinformationen zu 123Schorb, Bernd, 1995, S.21 124Geser, Hans, 1998, http://socio.ch/intcom/t_hgeser06.htm 38 http://www.mediaculture-online.de jedem beliebigen Thema zu suchen. Ein weiteres Merkmal ist dabei die Beschleunigung der Verteilung, Aufnahme und Bereitstellung von Information. Eine Mitteilung in einer Newsgroup wird nach spätestens einem Tag auf zahllosen Newsservern auf der ganzen Welt gespiegelt sein. Das Netz ist eine der besten Möglichkeiten, weltweit äußerst schnell sehr viele Menschen zu erreichen. Die Bedeutung des Internets liegt aber zu einem großen Teil in den Kommunikationsmöglichkeiten, die sich durch seinen interaktiven Charakter ergeben. Hierin besteht ein wichtiger Unterschied zu ‚klassischen’ Medien wie Fernsehen, Zeitungen, Radio, usw. Durch Digitalisierung und Virtualisierung werden verschiedene Medien und die auf sie verteilte Kommunikation zunehmend auf ein Medium konzentriert. „Dies bedeutet weiter, daß die Möglichkeiten zweiseitiger Kommunikation, bei der sich Sender und Empfänger zeitgleich Information übermitteln können und die bislang der technischen Individualkommunikation vorbehalten war, zum Bestandteil aller Bereiche medialer Kommunikation werden, womit die Grenzen von Massenkommunikation und Individualkommunikation fließend werden.“125 Auf Basis des Internets ist also eine interaktive, multidirektionale und weltweite Massenkommunikation möglich. Dabei macht es die dezentrale Struktur des Internets schwierig, Kommunikation und Information zu kontrollieren und zu zensieren. Zensurversuche werden jedoch immer wieder unternommen und es wird sich erst noch zeigen, inwieweit solche Maßnahmen im ‚Dickicht’ des Netzes greifen können. Die technischen Möglichkeiten eines Mediums erhalten ihre Bedeutung jedoch erst durch die inhaltliche Ausgestaltung der Information oder Kommunikation, die transportiert wird. „Über den Funkpionier Marconi erzählt man sich die Geschichte, daß ihm seine Mitarbeiter eines Tages erklärten, seine neue drahtlose Technologie bedeute, er könne jetzt ‚mit Florida sprechen’; und Marconi soll darauf in weiser Voraussicht geantwortet haben: ,Und? Haben wir Florida denn etwas zu sagen?’“126 125Schorb, Bernd, 1995, S. 13 126Barber, Benjamin, 1998, S. 131 39 http://www.mediaculture-online.de Die Bedeutung der Eigenschaften des neuen Mediums für die Partizipationsmöglichkeiten der Menschen an gesellschaftlichen Diskussions- und Entscheidungsprozessen werden wir in unserer Arbeit noch genauer behandeln. Trotzdem sollen an dieser Stelle schon ein paar Stichpunkte dazu genannt werden. Im Vergleich zu anderen Medien bietet das Internet neue Möglichkeiten für eine Teilhabe der Menschen an öffentlicher Kommunikation. Sie können damit nicht mehr nur KonsumentInnen von Öffentlichkeiten sein, die weitgehend von professionellen MedienmacherInnen hergestellt werden. Mit Hilfe des neuen Mediums ist es in neuer Weise und bisher nicht dagewesenem Umfang für alle möglich, Informationen zu veröffentlichen, und ihre Meinung, ohne Vermittlung und damit ohne Selektion und Zensur, sichtbar zu machen und mit anderen in einen kommunikativen Prozeß einzusteigen. Dies kann sowohl über Mitteilungen in Newsgroups oder Mailinglisten, als auch durch eine eigene Homepage geschehen. So wird mit den neuen Kommunikationsmöglichkeiten die Hoffnung auf das Entstehen einer demokratischeren, diskursiven Öffentlichkeit verbunden.127 Durch die Beschleunigung der Verteilung von Information ist das neue Medium auch hilfreich bei der Zusammenarbeit und Vernetzung politischer Gruppen. Dabei wird von unterdrückten und verboten Gruppen die dezentrale Struktur des Netzes genutzt, welche eine Kontrolle der Kommunikation erschwert. Von verschiedenen Seiten wird auch auf eine einfachere Einbeziehung der BürgerInnen in die Politik gehofft: Durch eine Senkung der Zugangsschwellen für Information wird politische Information verfügbarer. ExpertInnenwissen kann damit zugleich pluralisiert und kritisierbar gemacht werden. Die Interaktivität des Mediums kann den direkten Austausch mit EntscheidungsträgerInnen fördern, ohne die Selektion, die von Massenmedien normalerweise geleistet wird. Rainer Rilling spricht von einer „Ausdünnung der Kommunikationshierarchien und Relativierung der bei klassischen politischen Medien (bzw. innerhalb von Institutionen und Organisationen) relevanten Filter und Gatekeeperrollen, so daß Themendefinition (,Agenda-Setting’) demokratisiert und die 127Vgl. dazu Kapitel 5.1 40 http://www.mediaculture-online.de klassische ,Abwärtskommunikation’ durch Aufwärtskommunikation und horizontale Kommunikation ergänzt wird“.128 3.2.2. Sozio-kulturelle Einbettung des Mediums Inwieweit solche technischen Möglichkeiten zum Tragen kommen hängt allerdings wesentlich von der sozio-kulturellen Einbettung der Technologie ab. Oft verändert sich der Einsatz von Medien im Laufe ihrer Verbreitung, auch wenn wir denken, der Einsatzbereich wäre durch die Technik praktisch vorbestimmt. Herbert Kubicek und Martin Hagen zeigen das am Beispiel des Telefons und des Rundfunks auf: „So gehen wir selbstverständlich davon aus, daß das Telefon ein Medium der Individualkommunikation und der Rundfunk ein Medium der Verteil- oder Massenkommunikation ist und daß dies durch die zugrundeliegende Technik bestimmt ist. Am Anfang der jeweiligen technischen Entwicklung war dies jedoch keineswegs so. Die Radioamateure benutzten den Rundfunk zur Individualkommunikation. Und das Telefon wurde zu Beginn dieses Jahrhunderts von mehreren Tausend Abonnenten zum regelmäßigen Hören von Opern- und Theaterübertragungen genutzt.“129 Das Internet als noch relativ neues Medium hat seinen Entwicklungsprozeß noch nicht abgeschlossen. Momentan sieht es so aus, als ob vor allem der kommerzielle Einsatzbereich dominieren wird, bei der die interaktiven Eigenschaften des Mediums beispielsweise zum Online-shopping genutzt werden. Trotzdem ist es möglich, daß auch alternative Nutzungsweisen erhalten bleiben oder gar erweitert werden. Die Gestaltung von Kommunikationsmitteln bestimmt sich zu einem großen Teil durch die Interessen der an der Ausgestaltung der Technik beteiligten Akteure: Wirtschaft, Politik und AnwenderInnen. Die Wirtschaft als Antriebsfeder für die Verbreitung der Informationsund Kommunikationstechnik hat dabei natürlich Kapitalinteressen im Blick. „Die Profitinteressen der großen Hard- und Softwarehersteller, der Programmindustrien, der Netzbetreiber und Programmdistributoren sind es, die Form und gesellschaftliche Funktionsweise der Techniken und der auf ihnen basierenden Medien bestimmen.“130 Die Entwicklung und Verbreitung des Netzes wird also maßgeblich von den Profitinteressen 128Rilling, Rainer, 1996a, http://www.bdwi.org/bibliothek/cyberdemokratie.html 129Kubicek, Herbert/Hagen, Martin, 1999, http://www.fgtk.informatik.unibremen.de/hagen/partizipation/home.html 130Enquete-Kommission Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft, 1998, Sondervotum der PDS, S. 152 41 http://www.mediaculture-online.de von Medienkonzernen getragen und weniger vom Streben nach einer alternativen Kommunikationskultur. Von der Politik werden bisher kaum andere Impulse gegeben, sie übt sich eher nach neoliberaler Manier in staatlicher Zurückhaltung.131 So haben sich Ziele der Politik, das Internet zur Beteiligung der BürgerInnen an der politischen Willensbildung einzusetzen132 bisher als Lippenbekenntnisse erwiesen. Hans J. Kleinsteuber meint zu solchen Äußerungen: „Papier freilich ist geduldig und Bekenntnisse zur elektronischen Demokratie aus den Zentren der Macht heraus klingen eher peinlich.“133 Er bezweifelt, daß die Mehrheit der PolitikerInnen wirklich an einer größeren Einmischung der BürgerInnen in die Politik gelegen ist. Die Praxis der NutzerInnen ist im Wechselspiel mit oben genannten Faktoren zu sehen. Die Wirtschaft versucht mit ihren Marktangeboten durchaus, vorhandene Bedürfnisse der Menschen aufzugreifen; in ähnlichem Maße versucht sie jedoch mittels Werbung Bedürfnisse zu suggerieren, die letztendlich ihrem Profitinteresse entspringen. Trotzdem kann nicht vom Interesse der NutzerInnen abgesehen werden, was Elisabeth Klaus den „Eigensinn der KonsumentInnen“ nennt. „Technologien entfalten vielmehr ihre Wirkung im Rahmen der Konsumpraxis der Haushalte und Familien, die sich die Technologien aneignen, sie anwenden und in diesem Prozeß auch konvertieren, d.h. im Rahmen ihrer Lebensweise eigenwillig nutzen.“134 So hängt sowohl die Frage, ob sich die Menschen auf eine Technologie einlassen,135 als auch auf welche Art und Weise sie sie gebrauchen von ihren Lebensbezügen, Orientierungen und Interessen ab. Die Nutzung und Ausgestaltung neuer Medien ist auch im Zusammenhang mit der kommunikativen Praxis zu sehen, die sich durch die bisherige Nutzung von Medien herausgebildet hat.136 Das betrifft sowohl die Praxis der AnwenderInnen, als auch die 131Vgl. Kapitel 5.2 132So zum Beispiel die Enquete-Kommission des Deutschen Bundestags: „Ein Ziel staatlichen Handelns bei Einsatz der neuen Technologien ist, den Bürger optimal an der politischen Willensbildung zu beteiligen.“ Enquete-Kommission Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft, 1998, S. 79 133Kleinsteuber, Hans J., 1999, S. 60 134Klaus, Elisabeth, 1997, S.13 135Als Beispiel führt Elisabeth Klaus hier den in den 50er Jahren entwickelten „Fernseh-Ofen“ an, der dem erhöhten Fernsehkonsum der Hausfrauen Rechnung tragen sollte, ohne sie von ihren hausfräulichen Pflichten abzulenken: „Unten der Braten, oben das Bild – keine schlechte Idee, aber von den KonsumentInnen abgelehnt.“ Ebd. S. 14 136Vgl. Enquete-Kommission Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft, 1998, Sondervotum der PDS, S. 154 42 http://www.mediaculture-online.de vorhandenen gesellschaftlichen Strukturen, in deren Rahmen eine neue Technik eingebettet wird. „Die IuK- Technik findet nun die öffentliche Kommunikation in einer Struktur vor, die sich auf der Basis der herkömmlichen Massenmedien herausgebildet hat. Damit sind Ausgangsbedingungen für die neuen Formen medialer Vermittlung gesetzt, von denen einerseits abhängt, welche Potenzen der IuK-Technik Realität werden können, und die andererseits durch die neuen Kommunikationsmittel modifiziert oder möglicherweise grundlegend verändert werden können.“137 3.2.3 Möglichkeiten und Realitäten Obwohl das Internet technisch gesehen vielfältige Möglichkeiten bietet, ist damit noch nichts darüber ausgesagt, inwieweit solche Möglichkeiten auch genutzt werden oder genutzt werden können. Rainer Rilling spricht in diesem Zusammenhang vom „Umbau des Netzes zum Verteilmedium“.138 Er geht auch auf eine weitere technische Besonderheit des neuen Mediums ein, dem Hypertextverweissystem, das seiner Meinung nach eine politische Bedeutung hat. Entwicklungen der letzten Jahre zeigen, daß die interaktive Kommunikation über MailingListen und Newsgroups gegenüber der individuellen Kommunikation per E-Mail und gegenüber der Nutzung eines öffentlichen Angebotsraum im WWW abnehmen. Durch das Zurücktreten kommunikativer Elemente ergibt sich die Tendenz der Entstehung eines neuen Verteilmediums und weniger der Entstehung eines Kommunikationsmediums. „Nicht interaktive Verteilmedien – wie das Fernsehen – können aber bestenfalls zur individuellen Meinungsbildung, nicht aber zur öffentlichen politischen Willensbildung beitragen.“139 Gerade die Angebote im WWW zeichnen sich zwar durch eine demokratische Nutzung oder Konsumption ab, aber die Produktion der Angebote erfordern zunehmend eine hochprofessionalisierte technische Kultur, deren Aneignung immer mehr ökonomisches und soziales Kapital voraussetzt. „Damit wird das Zentrum des Interaktivitätsversprechens des neuen Mediums zerstört: der unschwere Rollenwechsel zwischen Produktion und 137Ebd. 138Rilling, Rainer, 1996a, http://www.bdwi.org/bibliothek/cyberdemokratie.html 139Ebd. (Hervorhebung im Original) 43 http://www.mediaculture-online.de Konsumption.“140 Mit dem Wachsen des Internets und der damit einhergehenden Flut an Informationen und Angeboten beginnt ein zunehmender Kampf der InformationsanbieterInnen um die Aufmerksamkeit der NutzerInnen. Die sich kaum vermehrende Ressource der Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit oder bestimmter Öffentlichkeiten wird als wichtiges Gut der Informationsgesellschaft gehandelt.141 Im neuen Informationsraum stehen Informationen nicht einfach gleichbedeutend nebeneinander. Für Rainer Rilling142 strukturiert sich dieser Raum in Zentrum und Peripherie. Im Zentrum sein bedeutet in diesem Sinne, Sichtbarkeit und Aufmerksamkeit zu haben. Wie aber entstehen Zentren in einem dezentral organisierten Raum? Rilling stellt dar, daß Zentralität im Informationsraum in engem Zusammenhang mit der Hypertextverweisstruktur des WWW steht. Nach Rilling bildet sich Zentralität in einem zweistufigen Prozeß, bei dem erstens die eigene Kenntnis des Informationsraumes durch Verweise auf andere Seiten nachgewiesen wird, wodurch zweitens ein exklusives Angebot aufgebaut wird, auf das von anderen verwiesen wird und welches dadurch ins Zentrum rückt. „Netzreputation – oder soziales Netzkapital – entsteht durch kompetente Verweise auf andere/s und Verweise anderer auf sich selbst. Reputation und Zentralität durch Hypertextverweise hängen auf durchaus vertraute wechselseitige Weise miteinander zusammen: Reputation schafft Zentralität, Zentralität generiert Reputation.“143 Reputation kann jedoch auch aus dem realen in den virtuellen Raum importiert werden, wodurch beispielsweise Mainstream-Medien wie ‚Der Spiegel’ und ‚Focus’ oder auch Parteien, Organisationen und Institutionen schnell ins Zentrum rücken können. Gesellschaftliche Macht kann sich so auf den virtuellen Raum ausdehnen. Um Aufmerksamkeit zu bekommen, ist eine zentrale Positionierung im Netz nötig, die laut Rilling viele AkteurInnen durch Verweise auf das Zentrum erreichen wollen. Aber genau in dem Versuch, durch Verweise auf das Zentrum selbst Zentralität zu erlangen, sieht er die politische Bedeutung des Verweissystems. „Der Hypertextmechanismus ist nichts 140Ebd. 141Georg Franck stellt in seinem Artikel „Zur Ökonomie der Aufmerksamkeit“ sogar die These auf, daß, im Zuge der Entmaterialisierung der wirtschaftlichen Wertschöpfung beim Übergang zur Informationsgesellschaft, die Aufmerksamkeit das neue ‘Zahlungsmittel’ sein wird. Vgl. Franck, Georg, 1998, http://www.heise.de/tp/deutsch/special/auf/6313/1.html/ 142Rilling, Rainer, 1996a, http://www.bdwi.org/bibliothek/cyberdemokratie.html 143Ebd. 44 http://www.mediaculture-online.de anderes als ein äußerst zwingender Imperativ, Peripherie, Marginalität oder, politisch formuliert, potentiellen Dissens zugunsten von Zentralität oder, politisch formuliert, Mainstream zu verlassen. Die technische Logik der globalen Hypertextmaschine WWW hat also womöglich politische Implikationen: sie orientiert auf das politische Zentrum.“144 Verstärkt wird dieser Effekt durch die Funktionsweise vieler Suchmaschinen, die zur Orientierung im Netz praktisch unersetzlich geworden sind. Viele Suchmaschinen erstellen einen Popularitätsindex von Seiten, indem sie die Anzahl der Links, die auf diese Seite verweisen, auswerten. Die Suche nach bestimmten Begriffen erfolgt dann über den erstellten Popularitätsindex.145 D.h. daß die technische und politische Logik des Hypertextverweissystems durch die Suchmaschinen noch einmal verdoppelt wird. Beim Besehen der Eigenschaften der neuen Technologie mit ihren Möglichkeiten wird deutlich, daß sie bestimmte Charakteristika hat, die tatsächlich demokratische Tendenzen beinhaltet. Bei der Betrachtung ihrer realen Erscheinungsformen spiegelt sie jedoch gesellschaftliche Verhältnisse wieder. „Was auch immer eine Technologie abstrakt an zwingenden Implikationen mit sich führt, sie wird dennoch auf der konkreten Ebene die Prämissen und Ziele derjenigen Gesellschaft reflektieren, die sie zur Anwendung bringt.“146 So kritisieren Herbert Kubicek und Martin Hagen an den Befürwortern elektronischer Demokratie, daß sie aus den technischen Eigenschaften eines Mediums Rückschlüsse auf deren demokratietheoretischen Nutzen ziehen. Eine solche technikzentrierte Sichtweise147 „ignoriert die noch offene Frage der sozialen Einbettung der neuen Technologien in politische und kulturelle Strukturen. Nicht die technischen Eigenschaften, sondern politisch-institutionelle und gesellschaftliche Rahmenbedingungen sind danach die geeigneten Anknüpfungspunkte für einen demokratieförderlichen Einsatz der neuen Computernetzwerke“.148 D.h. sie plädieren dafür, sich die Ansatzpunkte für Partizipationsmöglichkeiten unserer Gesellschaft anzusehen und danach zu fragen, wie 144Ebd. 145Vgl. ebd. 146Barber, Benjamin, 1998, S. 123 147Vgl. Kapitel 4 148Kubicek, Herbert/Hagen, Martin, 1999, http://www.fgtk.informatik.unibremen.de/hagen/partizipation/home.html 45 http://www.mediaculture-online.de dort der Einsatz der Informations- und Kommunikationstechnologien sinnvoll sein kann, um vorhandene Partizipationschancen besser wahrnehmen beziehungsweise diese ausbauen zu können. Das ist deshalb ein interessanter Ansatz, da er versucht, die soziokulturelle Einbettung des Mediums zu berücksichtigen. Trotzdem kann es unserer Meinung nach sinnvoll sein auch die technischen Eigenschaften eines Mediums zu betrachten, da sie vielleicht das Potential für neue Ansatzpunkte der gesellschaftlichen Partizipation bilden könnten. Sich nur an schon bestehenden Partizipationsansätzen zu orientieren birgt schließlich ein relativ konservatives Element in sich. Kubicek und Hagen verweisen zum Beispiel auf gesetzlich bei uns schon vorgesehene Ansatzpunkte wie die Mitgliedschaft in politischen Parteien oder Beteiligungsmöglichkeiten auf kommunaler Ebene. Um die gesellschaftliche und politische Partizipation auszuweiten ist von einer Änderung der politisch-rechtlichen Rahmenbedingungen aber kaum abzusehen. Hier könnte die Diskussion um die Eigenschaften und Möglichkeiten des neuen Mediums Internet zumindestens Hinweise und Anregungen geben, in welche Richtung sich eine gesellschaftliche Veränderung sich bewegen könnte, die einerseits mehr Beteiligung von BürgerInnen an der politischen Willens- und Entscheidungsbildung vorsieht und andererseits größeres gesellschaftliches Emanzipationspotential mit sich bringt. Eine Erweiterung partizipativer Möglichkeiten ist auch für Kubicek/Hagen an veränderte Rahmenbedingungen gebunden. „Das Medium wird entsprechend den bestehenden sozialen und politischen Rahmenbedingungen eingesetzt. Wenn es zu neuen Formen oder stärkerer Nutzung vorhandener Formen politischer Beteiligung eingesetzt werden soll, dann muß der Technikeinsatz an entsprechenden Reformen und Initiativen anknüpfen.“149 4. Diskurse um die Informationsgesellschaft 4.1 Unterstützung von Herrschaftsverhältnissen mittels neuer Technologien Neue Technologien, und damit auch Computernetze wie das Internet, bergen neben den potentiell positiven, verändernden Möglichkeiten immer auch Gefahren und strukturkonservative Elemente in sich. Neue Technologien treffen schließlich nicht aus 149 Ebd. 46 http://www.mediaculture-online.de dem ‚herrschaftsfreien Nichts’ auf eine Gesellschaft und können somit mit ihren ‚tollen’ neuen demokratischen Eigenschaften gegebene Herrschaftsverhältnisse nicht einfach so ablösen, wie es von verschiedenen Seiten von dem Medium Internet erhofft wird. Die Medien wurden in eben dieser Gesellschaft von bestimmten Interessengruppen (Industrie, Wissenschaft, Militär usw.) entwickelt und deswegen sind sie von Anfang an mit den Interessen dieser mächtigen gesellschaftlichen Gruppen verbunden und immer auch geeignet eben diesen Interessen besser zu dienen. Howard Rheingold weist, obwohl er als euphorischer Befürworter der neuen Kommunikationstechnologien gilt und auch große Hoffnungen auf das gesellschaftlich verändernde Potential der neuen Medien setzt, explizit auf die möglichen Gefahren der neuen Kommunikationstechniken hin. „The Panopticon, Foucault warned, comes in many guises. It is not a value neutral technology. It is a technology that allows a small number of people to control a large number of others.(...) You don’t need fiber optics to institute a surveillance state but it sure makes surveillance easier when you invite the surveillance device into your home. Critics of those who pin their hopes for social change on computer technology also point out that information and communications technologies have always been dominated by the military, and will continue to be dominated by the military, police, and intelligence agencies for the foreseeable future. A computer is, was, and will be a weapon. The tool can be used for other purposes, but to be promoted as an instrument of liberation, CMC technology should be seen within the contexts of its origins, and in full cognizance of the possibly horrific future applications by totalitarians who get their hands on it.“150 Neue Technologien, beziehungsweise deren mögliche Anwendung, enthalten also neben potentiell emanzipatorischen, gezwungenermaßen immer auch systemstabilisierende Komponenten. Im Rahmen von pessimistischen Prognosen sprechen KritikerInnen im Zusammenhang der Kombination von Computernetzen mit anderen informationsverarbeitenden Technologien, wie der Bilderkennung, von zentralen und automatischen Überwachungsmöglichkeiten aller Bürger und Bürgerinnen im orwellschen Ausmaß.151 Das Verschmelzen von Videotechnik und Bilderkennung mittels Computer macht beispielsweise die vollautomatische Überwachung ganzer Städte möglich. Dabei 150Rheingold, Howard, 1993, http://www.rheingold.com/vc/book/intro.html 151Vgl. Rötzer, Florian,1998b, http://www.heise.de/tp/deutsch/special/info/6280/1.html, Wright, Steve, 1997, http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/te/1393/s2.html 47 http://www.mediaculture-online.de handelt es sich keinesfalls um Science Fiktion Phantasien. Solche Systeme sind bereits im Einsatz.152 Ein weiteres Indiz für die verstärkte Überwachung kann im die ganze Welt umspannenden von den USA betriebenen ,Echolon’-Abhörsystems gesehen werden, welches „alle Satelliten- und Datenfernübertragungen (Telefone, E-Mails, Faxe), die auf dem Globus stattfinden“153 überwacht und nach verdächtigen Schlüsselwörtern durchsucht.154 Solchen automatisierten Überwachungssystemen wird die Arbeit durch das Aufkommen von digitaler Kommunikation sehr erleichtert. E-Mails etwa liegen wenn sie nicht verschlüsselt sind schon in digitaler und damit computerlesbarer Form vor, und es ist relativ einfach durch die Kontrolle der Backbones155 beziehungsweise einiger weniger Knotenpunkte mittels leistungsfähiger Computer alle unverschlüsselten E-Mails auszufiltern in denen bestimmte Begriffe vorkommen.156 Die USA sehen in der Kontrolle der Informationstechnologie den Schlüssel zur Macht im 21. Jahrhundert was uns Hinweis genug auf den möglichen Mißbrauch dieser Technologien als Waffe, zur Kontrolle und zum Machterhalt sein kann.157 Vielen Menschen ist nicht klar, daß durch die Bewegungen im virtuellen Raum des Internets jeder eine große Menge digitaler Spuren hinterläßt. Diese Spuren können ausgewertet und mit anderen Datenbeständen verknüpft werden. So ist es möglich eine Unmenge an Informationen über einzelne Menschen zu gewinnen. „Aus den aufgezeichneten und gespeicherten Daten lassen sich mit Hilfe intelligenter Raster-, Aufzeichnungs- und Statistikprogramme rasch detaillierte Bewegungsprofile und 152In London ist eine derartige Technik im Einsatz. Mittels der Technologie der neuronalen Netze können bei Tag und Nacht Nummernschilder erkannt und gespeichert werden. „Das System kann alle Fahrzeuge registrieren, die an einem bestimmten Tag in den Absperrungsring eingefahren sind oder die ihn verlassen haben“. Wright, Steve, 1997, http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/te/1393/s2.html 153Maresch, Rudolf, 1999, S. 131 154Zu Überwachungs- und Kontrolltechnologien vgl. Maresch, Rudolf, 1999, S. 130f., Rötzer, Florian, 1998b, http://www.heise.de/tp/deutsch/special/info/6280/1.html, Wright, Steve, 1997, http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/te/1393/s2.html 155Das sind die großen Datenleitungen des Internets über die letztendlich alle Daten geschickt werden 156In diesem Zusammenhang ist auch die Kryptographiedebatte zu sehen, denn es ist heute kein Problem Nachrichten so zu verschlüsseln, daß es praktisch unmöglich ist sie ohne den passenden Schlüssel zu decodieren. Ein bekanntes und sehr leistungsfähiges Programm hierfür ist zum Beispiel PGP (Pretty Good Privacy). Damit ist es ein leichtes unbefugtes Mitlesen zu verhindern. In den USA fällt sogenannte starke Kryptographie (das heißt einfach sichere Verschlüsselung) gar unter ein Exportverbot, weil sie als Kriegswaffe klassifiziert wird! 157Vgl. Maresch, Rudolf, 1999, S. 130 48 http://www.mediaculture-online.de Persönlichkeitsbilder erstellen, die Behörden, Unternehmen oder Organisationen Auskunft über Gewohnheiten, Vorlieben, Bekanntschaften und Leidenschaften, Motive und Reisetätigkeit jedes x-beliebigen Bürgers geben.“158 Es ist heute beispielsweise schon ein gängiges Vorgehen von E-Commerce-Unternehmen die gesammelten Kundendaten dazu zu benutzen, bestimmte Vorlieben herauszufinden und daraufhin zielgruppenspezifische Werbung auf die entsprechenden Webseiten zu schalten.159 Laut Katja Diefenbach stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, inwieweit „die neuen Technologien die kapitalistische Umstrukturierung in eine neoliberale ‚Kontrollgesellschaft’ katalysieren und verstärken“.160 Wenn man die neuen Informationstechnologien und ihre Folgen verstehen will, muß man die Widersprüchlichkeiten die diese Entwicklungen mit sich bringen berücksichtigen. Katja Diefenbach weist in diesem Zusammenhang darauf hin, daß die gesellschaftlichen Veränderungsprozesse durch die neuen Informationstechnologien mit der Konstruktion von „blinden Flecken“ einhergehen, die eine kritische Sicht auf eben diese Entwicklungen erschweren.161 Es darf aber, trotz dieser „blinden Flecken“, keinesfalls vergessen werden, daß der Einsatz dieser neuen Technologien mit dem Ziel größere Partizipation und Selbstbestimmung für die Menschen zu erreichen ebensogut in das Gegenteil umschlagen kann. Eine Erhöhung von Anpassung, Manipulierbarkeit und Kontrolle durch diese neuen Techniken sind eben nicht auszuschließen und wahrscheinlich von bestimmten gesellschaftlichen Gruppierungen durchaus beabsichtigt, wie beispielsweise die Krypthographiedebatte162 anschaulich vor Augen führt. 158Maresch, Rudolf, 1999, S. 132 159Zu den Praktiken und Möglichkeiten des eCommerce, vgl. Albers, Sönke/Clement, Michael/Peters, Kay/Skiera, Bernd, 1999 160Diefenbach, Katja, 1997, S. 71 161Vgl. Diefenbach, Katja 1997, S. 71ff. 162Kryptographie bezeichnet Verschlüsselungstechniken unterschiedlichster Art. Starke Kryptographie bezeichnet Verschlüsselungsmethoden die so sicher sind, daß sie von unautorisierten Personen nicht zu entschlüsseln sind. Gegner von starker Kryptographie wie Teile des Innenministeriums und der Sicherheitsdienste befürchten eine Behinderung der Arbeit von Strafverfolgungsbehörden und Geheimdiensten und fordern Regelungen die es Behörden ermöglichen auch verschlüsselte Informationen problemlos zu entschlüsseln. Manche ‚Hardliner‘ treten dafür ein, daß die Verwendung von starker Kryptographie unter Strafe gestellt wird, wenn es Behörden nicht erlaubt wird, Hintertüren (in Form von Zugang zu den privaten Schlüsseln der NutzerInnen, ein Generalschlüssel usw...) in Verschlüsselungtechniken einzubauen. Die Wirtschaft und Bürgerrechtsbewegungen fordern dagegen den freien Einsatz von Kryptographie, um die Integrität von Daten zu gewährleisten, Persönlichkeitsrechte zu wahren und einem unkontrollierten Sammeln von Daten vorzubeugen. Vgl. Huhn, Michaela/Pfitzmann, Andreas, Köln 1998, S. 438ff. 49 http://www.mediaculture-online.de In der Diskussion um die neuen Medien „werden die verschiedenen Formen von Informationstechnologie als ‚namenlose Ideologie’, als Kontrolloperation, als Voraussetzung einer postfordistischen Ökonomie und als Feld für Ästhetizismus und kulturelle Vermittlung einer neuen Herrschaftsform ausgeblendet“.163 Nicht nur Revolutionäre, Anarchisten, die „Andersdenkenden“, die Linken und andere dem herrschenden System kritisch entgegenstehende Gruppierungen und Menschen interessieren sich für die aus den Computernetzen entstehenden Möglichkeiten (und nutzen diese), sondern zum Beispiel auch einflußreiche konservative Neoliberale164 und die gesamte Wirtschaft sowie Geheimdienste. Sowohl der ,Underground’ als auch der , Mainstream’ fetischieren dabei Wissen, Information und Geschwindigkeit und neigen dazu, soziale und politische Begriffe auf die technischen Strukturen zu übertragen, was zu einer Annäherung zwischen den eigentlich gegensätzlichen Standpunkten führte. „Ein Begriff wie ,e-demoracy’ (electronic democracy) konnte zum Beispiel nur an Boden gewinnen, weil es vom Mediensymposium bis zur Software-Werbung en vogue wurde, Emanzipation und Fortschritt als Folge technischer Innovation auszugeben.“165 Subkulturelle Diskurse waren von Anfang an mit neoliberalen Ansätzen wie der kalifornischen Ideologie166 verbunden und dienten damit auch der Unterstützung der hegemonialen Diskurse.167 Vom Beginn der Netzdiskussion an, wurden so „im Chor der neuen Technik, neue Welt Begeisterten“ auch konservative, biologistische und wirtschaftsliberale Gedanken geäußert, „die die Wiedergeburt von Kapitalismus und Demokratie aus der ‚informationellen Revolution’ besingen“.168 So hält beispielsweise George Gilder Computertechnologien als an sich „feindlich gegen Hierarchien, Monopole, industrielle Bürokratien und andere Top-down-Systeme aller Art. Gerade so wie Intelligenz und Kontrolle auf PCs übergehen, (...) so geht die ökonomische Macht von Masseninstitutionen an Individuen über“.169 Hier wird schon ein großer ideologischer 163Vgl. Diefenbach, Katja 1997, S. 71ff. 164Auf Autoren die man immer wieder trifft sind zum Beispiel George Gilder, ein Theoretiker der amerikanischen Rechten und Alvin Toffler, ein Futurologe 165Diefenbach, Katja 1997, S. 72f. 166In der kalifornischen Ideologie wird liberales Gedankengut mit subkulturellen Weltbildern der Hippiezeit verschmolzen. Eine Abhandlung über die kalifornische Ideologie findet sich bei Barbrook, Richard, Cameron, Andy, 1997, S. 15-36, vgl auch Kapitel 5.4.1 167Vgl. autonome a.f.r.i.k.a.-gruppe, 1997, http://www.contrast.org/KG/vortech.htm 168Diefenbach, Katja 1997, S. 71f. 169Gilder, George, New York 1995, To Renew America. Zit. nach Diefenbach, Katja, 1997, S. 72 50 http://www.mediaculture-online.de Mythos des Kapitalismus deutlich, daß sich nämlich durch die freie Konkurrenz des Marktes immer das Neuste und Beste für alle Menschen durchsetzten werde. Computertechnik wird es sein, die Bildung, Emanzipation, Reichtum und Teilhabe aller ermöglichen werde. Daß das so sein wird, darf natürlich aus geschichtlicher Perspektive, und auch angesichts von immer mächtigeren multinationalen Konzernen und Kartellen bezweifelt werden.170 4.2. Metaphern, Mythen und Technodeterminismus Die Enquete-Kommision „Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft“ hat in ihrem Abschlußbericht daraufhingewiesen, daß unter anderem auch die „öffentlichen Visionen und Leitbilder (Utopien) der beteiligten Akteure“171 einen wichtigen Einfluß auf die Ausgestaltung und die Wirkungen der Medien auf die Gesellschaft haben. Auch die Projektgruppe „Kulturraum Internet“172 ist der Auffassung, daß die Metaphern, die in der Diskussion um die neuen Medien immer wieder auftauchen, wesentlich zur Konstruktion von deren Wirklichkeit beitragen und damit auch Hinweise auf den gewünschten und wahrscheinlichen zukünftigen Einsatz dieser Technologien geben können. „Das ‚Reden über entstehende Technologien’ braucht Begriffe. Die begriffliche Konstruktion von Wirklichkeit geht mit ihrer physisch materiellen Konstruktion einher und manchmal auch voraus. Mehr oder weniger adäquate Metaphern und Analogien haben Einfluß auf die Ausformungen und Diffusion künftiger Technologien, da sie über die gesellschaftliche Mobilisierungskraft für technische Projekte und über ihre Akzeptanz mitentscheiden.“173 Die in der Diskussion vorkommenden Metaphern transportieren dabei bestimmte immer wiederkehrende Mythen. Mithilfe dieser Mythen beziehungsweise Metaphern werden beispielsweise Hoffnungen, wie auf eine bessere, demokratischere und freiere Welt, die uns die Technik bescheren wird, ausgedrückt. Es wird versucht, Ängste in der 170Vgl. Kapitel 5.2 171Enquete-Kommission Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft, 1998, S. 87 172Texte und andere Informationen zu der Forschungsgruppe finden sich auf ihrer Webseite: http://duplox.wz-berlin.de/ 173Canzler, Weert/Helmers, Sabine/Hoffmann, Ute, 1995, http://duplox.wz-berlin.de/docs/caheho/ 51 http://www.mediaculture-online.de Bevölkerung abzubauen, die vermeintlichen Vorteile für alle hervorzukehren und vor allem auch die Gefahren und eventuell gravierenden Nachteile für große Bevölkerungsgruppen (global wie national) unter den Teppich zu kehren. Dadurch tragen die kursierenden Mythen und Metaphern zur Stabilisierung der herrschenden Verhältnisse bei. Die, von Katja Diefenbach bemängelten, blinden Flecken in der vorherrschenden Diskussion werden also, zumindest zum Teil, gezielt durch Mythen und Metaphern erzeugt, die Oliver Marchart174 zu Folge, oft auf technodeterministischen Sichtweisen175 beruhen. Es ist offensichtlich, daß eine rein technodetermistische Sicht der neuen Entwicklungen, wesentliche Aspekte des Einsatzes der neuen Techniken (und in unserem Falle der neuen Medientechnik) systematisch ausblenden, daß uns „nicht die Hardware, ein Schaltplan oder Spionagewissen über den allerneuesten Prozessor oder Chipbaustein, sagen wird, was das Netz/die Medien/die Technik ist, sondern die populären Geschichten und Mythen, die darüber erzählt werden“.176 Emanzipation, Fortschritt und Demokratie werden in technodeterministischen Ansätzen immer wieder als zwangsläufige Folge der technologischen Entwicklung gepriesen. Der alleinige Motor der menschlichen Entwicklung wird der Technik und ihren Auswirkungen zugeschrieben. Aber auch die völlige Ablehnung von Technik oder auch (neuen) Medien folgt oft einem technodeterministischen Gedankengang. Beispielsweise wird immer wieder von der Gewalt im Fernsehen geredet, welches die Ursache für kriminelles Verhalten sei. Das Medium Fernsehen, oder auch die transportierten Inhalte, werden in diesem Fall als alleinige Ursache für problematisches Verhalten in unserer Gesellschaft gesehen. Wenn uns die Technik, die Medien oder auch andere Gegebenheiten tatsächlich auf diese Weise determinieren würden, gäbe es keine Chance unser Verhältnis zu den Medien, zur Gesellschaft zu reflektieren und eventuell die Verhältnisse selbst zu ändern, wir wären ihnen hilflos ausgeliefert. 174Vgl. hierzu auch Diefenbach, Katja 1997, S. 71ff. und Canzler, Weert/Helmers, Sabine/Hoffmann, Ute,1995, http://duplox.wz-berlin.de/docs/caheho/ 175Vgl. Marchart, Oliver, 1997, S.89ff. 176Marchart, Oliver, 1997, S. 90 52 http://www.mediaculture-online.de „As they ponder astonishing transformations associated with the new electronics, thoughtful people need to ask: What kinds of personal practices, social relations, legal and political norms, and lasting institutions will emerge from this upheaval? More importantly, what kinds of practices, relations, rules, and institutions do we want to emerge in these settings.“177 Welche Entwicklungen werden in den neuen Technologien gesehen, welche davon sind erwünscht und werden gefordert? Auf diese Frage kann uns eine genauere Betrachtung der unterschiedlichen Mythen und Metaphern erste Antworten geben. Im Folgenden werden wir kurz die zwei häufigsten anzutreffenden Mythen, auf die die Metaphern bezug nehmen, beschreiben und kritisch hinterfragen. Danach werden wir einige konkrete Metaphern und ihre Implikationen beschreiben. 4.2.1 Mythen 4.2.1.1. Lösung gesellschaftlicher Probleme durch Technik Die verbreitete Illusion, die Technik hätte ,an sich’ schon eine umstürzende, revolutionierende oder demokratische Qualität, kann getrost als technodeterministisch (und damit verkürzend) gelten, denn nichts ist ,an sich’ umstürzlerisch, es kommt schließlich immer auf den konkreten Gebrauch, beziehungsweise Anwendung einer Technik an. Heute ist es so, daß das Internet nur noch in Randbereichen das Forum ist, das es einmal war und die Qualitäten aus den frühen Zeiten des Internets aufweist. Die idealistischen Anfänge haben mit dem heutigen überwiegend kommerziell geprägten Internet kaum noch etwas gemeinsam. „Das Internet reproduziert in erster Linie die Kommunikationsstrukturen eines sicherlich globalisierten, ansonsten aber ganz normalen Marktes.“178 Die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, und damit nicht zuletzt auch politische Entscheidungen, werden die weitere Richtung vorgeben, in die sich die neuen Medien, und die gesellschaftlichen Veränderungen durch sie, entwickeln werden.179 Sind es tatsächlich die Möglichkeiten zur größeren gesellschaftlichen Teilhabe die sich 177Winner, Langdon, 1997, http://www.rpi.edu/~winner/cyberlib2.htmbh 178Simitis, Spiros, 1998, S. 186 179Jedoch werden mit der Globalisierung einzelne Nationalstaaten immer weniger Möglichkeiten haben, Entwicklungen, welche zunehmend globale Entwicklungen sind, über nationale Gesetzgebung zu beeinflussen. 53 http://www.mediaculture-online.de weiterentwickeln werden oder aber werden Marktinteressen gepaart mit einer so noch nie dagewesenen Kontrolle der Bevölkerung die Oberhand gewinnen? Technodeterministische Sichtweisen verkennen, daß mit der Technik selbst nicht schon die Lösung aller Probleme (oder bestimmter Probleme) zwangsläufig eintritt. Technik beziehungsweise deren Anwendung und Verfügbarkeit ist ein gesellschaftliches Kampffeld unter anderen (wie Kultur, Soziales und Ökonomisches), das von verschiedenen Gruppen mit verschiedenen Forderungen artikuliert wird.180 Es ist in unserer kapitalistischen Gesellschaft leider zu befürchten, daß sich wie so oft schon, starke wirtschaftliche Interessen durchsetzen werden und es verstehen werden die neuen Medientechniken für ihre Zwecke zu nutzen und das heißt normalerweise zur Profitsteigerung. Überläßt man die neuen Kommunikationstechnologien den Kräften des Marktes werden sich ziemlich schnell die partizipativen Möglichkeiten für die Menschen mehr und mehr auf die eine Möglichkeit besser und mehr konsumieren zu können beschränken. Klaus Kreimacher kommt deprimierender Weise heute schon zum Schluß, daß das „Mysterium des Internets (...) das Mysterium der Globalisierung“ ist „-es reduziert sich auf das Wörtchen MORE. Es geht schlicht und einfach um mehr. Um mehr ‚results’ um mehr Mausklicks, um mehr Bücher, ganz nebenbei auch um mehr Geld“.181 Es wäre Aufgabe der Politik diesen Entwicklungen durch gezielte Regulierungen entgegenzutreten um die neuen Technologien für die Menschen bereitzustellen, statt den Konzernen unkontrolliert zu erlauben neue Märkte zu erschließen und Profite zu steigern. Deshalb „muß jede Netzkritik mit einer Kritik des Technodeterminismus beginnen. Der Grund für diese Kritik liegt keineswegs nur im Akademischen; er liegt vor allem im Praktischen. Denn von einer deterministischen Position aus ist jede politische Intervention hinfällig.“182 4.2.1.2. Die Unabhängigkeit des virtuellen Raumes (Cyberspace) Immer wieder stößt man bei der Literaturrecherche zum Thema Gesellschaft, Internet und neue Medien, auf idealisierende und auf technodeterministische Sichtweisen beruhende, Vorstellungen von der völligen Unabhängigkeit des virtuellen Raumes (dem sogenannten 180Vgl. Marchart, Oliver, 1997, S. 100, und Kapitel 5.2 181Kreimacher, Klaus, 1998, S. 12 182Marchart, Oliver, 1997, S. 90 54 http://www.mediaculture-online.de Cyberspace), der sich in ersten Ansätzen durch das Internet konstituiert. Vorhandene Wechselwirkungen mit der realen Gesellschaft werden einfach ignoriert. Diese idealisierenden Vorstellungen ignorieren zum einen, daß im Zusammenhang mit der Virtualität des Cyberspace auch eine „außerordentlich lebendige physische Realität existiert“.183 Die NutzerInnen der Computernetze sind Institutionen oder lebendige Personen, die sich in der Realität an realen Orten befinden und durchaus auch gesetzlich belangbar sind. Selbst wenn es einigen gelingt Gesetze zu umgehen ist dies kein Beweis für die Gesetzlosigkeit des Cyberspaces. Auch in der realen Welt werden Gesetze umgangen und gebrochen. Zum anderen ist hier die reale Infrastruktur der Computernetze zu nennen.184 Die Infrastruktur der Computernetze, die die Voraussetzung für einen virtuellen Raum bilden, wurden beispielsweise von den einzelnen Staaten und großen Firmen finanziert und gefördert und sind heute in der westlichen Welt größtenteils im Besitz großer Unternehmen. Staaten wie Singapur oder China versuchen mit Hilfe der Infrastruktur Einfluß auf die Inhalte des Netzes zu nehmen und umfassend zu zensieren.185 Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis globale Regelungen und Abkommen getroffen werden. Unter diesen Umständen von der völligen Unabhängigkeit zu sprechen ist eine Illusion. Ein sehr eindrückliches Beispiel (wohl das bekannteste) für diesen Mythos bietet die „Unabhängigkeitserklärung des Cyberspace“186 von John Perry Barlow. „Regierungen der industriellen Welt, Ihr müden Giganten aus Fleisch und Stahl, ich komme aus dem Cyberspace, der neuen Heimat des Geistes. Im Namen der Zukunft bitte ich Euch, Vertreter einer vergangenen Zeit: Laßt uns in Ruhe! Ihr seid bei uns nicht willkommen. Wo wir uns versammeln, besitzt Ihr keine Macht mehr (...) Wir erschaffen 183Noam, Eli, 1998, S. 145 184Vgl. hierzu auch Kapitel 5.2 185China ist nur über bestimmte von der Regierung kontrollierte Punkte mit der restlichen Welt verbunden, und Singapur hat ‚anstößige Inhalte‘ schlichtweg gesetzlich verboten und alle Internet-Service-Provider unter Regierungskontrolle gestellt. Es wäre für China zum Beispiel ein leichtes den Informationsfluß der Netze zur restlichen Welt nahezu komplett zu unterbrechen. Vgl. Noam, Eli, 1998, S. 147 186Als Reaktion auf den "Telecommunication Reform Act" der US-amerikanischen Regierung hat der amerikanische Autor, Bürgerrechtler und einer der Gründer der "Electronic Frontier Foundation" John Perry Barlow Anfang Februar 1996 seine "Unabhängigkeitserklärung des Cyberspace" verfaßt. 55 http://www.mediaculture-online.de eine Welt, die alle betreten können ohne Bevorzugung oder Vorurteil bezüglich Rasse, Wohlstand, militärischer Macht und Herkunft.“187 4.2.2 Metaphern In ihrer eigentlichen Funktion ist die Metapher (metaphorein; lat. translatio = übertragen, übersetzen) nichts anderes als ein Transfer, bei dem ein Begriff in seiner ursprünglichen Bedeutung verwendet wird, also der Begriff aus einem bekannten in einen unüblichen Kontext übertragen wird. Bei dieser Verknüpfung von Bedeutungen bleibt aber eine inhaltliche Ähnlichkeit bestehen. Die Metaphern füllen im Falle des Internets noch weitgehend unbekannte Phänomene mit Bedeutungen von schon bekannten. Die allgemeine Verbreitung des Internets in den letzten Jahren geht mit der Verwendung ganz bestimmter Metaphern einher: so ist beispielsweise die Rede von einem Cyberspace, der Datenautobahn, dem globalen Dorf und der globalen Agora. Die Metaphern, mit denen über das Internet kommuniziert wird, besitzen eine weitere und unserer Einschätzung nach ziemlich wichtige Funktion. Es sind Leitbilder über eine neues Medium, welche Aufschluß über die dahinterstehende Visionen und Vorstellungen der kommenden Gesellschaften bieten. Gerade das Neue und bisweilen Ungewohnte und Unbekannte am Internet ist es, das diese Leitbilder versuchen zu strukturieren und zu orientieren, versuchen Inhalt und Klärung zu geben und haben somit eine einheitsstiftende und erwartungsstrukturierende Funktion. Es ist dabei von großer Bedeutung, welche Leitbilder gewählt werden und welche sich letzten Endes durchsetzen. Die Metaphern selbst, aber auch ihre Verwendung von verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen geben uns Aufschluß über die verschiedenen Vorstellungen, Hoffnungen und Erwartungen aber auch Möglichkeiten des neuen Mediums. 4.2.2.1 Datenautobahn, Information Superhighway Durch die Metapher der Datenautobahn werden bestimmte (erwünschte) Vorstellungen über das Wesen und die Zukunft von Datennetzen hervorgerufen. Eine Neuerung, deren Bedeutungen und Möglichkeiten für die Gesellschaft noch weitgehend offen liegen, wird hier mit Hilfe von schon bekannter Technik und deren Nutzungsformen beschrieben. „Die Datenautobahn lehnt sich so an den Straßenverkehr und seine internen Hierarchien an, 187Barlow, John Perry, 1996, http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/te/1028/1.html 56 http://www.mediaculture-online.de um bestimmte erfahrene oder erwünschte Eigenschaften dieses Verkehrssystems auf den Datentransport und Informationstransfer zu projizieren.“188 Der schillernde Begriff ‚Information Superhighway’ wurde ursprünglich durch den Amerikanischen Vizepräsidenten Al Gore populär. In einer Rede vor dem nationalen Presseclub im Dezember 1993 kündigte er eine Initiative zum Ausbau einer nationalen Informationsinfrastruktur an. Geplant ist, daß jede nur denkbare Information zu jeder Zeit an jedem Ort verfügbar gemacht werden soll. In diesem Zusammenhang sprach Al Gore auch „vom größten Geschäft auf dem wichtigsten und lukrativsten Markt des 21. Jahrhunderts“.189 Man könnte hier auf den Gedanken kommen, daß Al Gore Information und Wissen als Geschäft, also als Ware des 21. Jahrhunderts propagiert. Auch hier scheint nicht die Demokratisierung der Gesellschaft oder die Schaffung von neuen Partizipationsmöglichkeiten der treibende Motor zu sein, diese Möglichkeiten sind allenfalls eine Art Abfallprodukt der neuen wirtschaftlichen Möglichkeiten, die geschaffen werden sollen. Auch andere Länder und insbesondere die Europäische Union ließen entsprechende Veröffentlichungen folgen. Im sogenannten Bangemann-Report, der 1994 dem Rat der Europäischen Union vorgelegt wurde, dient die Datenautobahn als Metapher, um Anwendungen wie Telearbeit, Fernlernen, Teleshopping, Home-Banking, weltweit vernetzte Datenbanken etc. zu illustrieren. Die Telekom verwendet den Begriff der Datenautobahn, um ihre eigenen Telekommunikationsnetze zu propagieren. Diese Metapher soll Akzeptanz und Vertrauen in der Bevölkerung schaffen, indem eine allen bekannte und von allen beherrschte Technik (das Autofahren) auf die Informationsgesellschaft übertragen wird. Durch diese Verknüpfung mit schon vertrauter und allgegenwärtiger Technik wird die Angst vor der kommenden Technik ein gutes Stück reduziert. Es wird suggeriert, daß sich die kommende Datenautobahn genauso einfach von jedem befahren lassen wird wie die heutigen Straßen. Die Metapher Datenautobahn verweist in erster Linie auf die Schnelligkeit des Transports von Waren, beziehungsweise Daten und Informationen. Mögliche Assoziationen sind aber natürlich auch Autobahngebühren, KFZ-Steuern, effiziente (wirtschaftliche) Verbindungen, 188Helmers, Sabine/Hoffmann, Ute/Hofmann, Jeanette, 1994, http://duplox.wz-berlin.de/docs/ausblick.html 189Gore, Al, 1993, ohne weitere Angaben, zit. nach Diefenbach, Katja, 1997, S. 75 57 http://www.mediaculture-online.de Infrastrukturinvestitionen, Staus, Umweltverschmutzung und Zerstörung.190 Mit dem Begriff der Datenautobahn sind also durchaus auch negative Assoziationen verbunden, die von den Befürwortern dieser Metapher jedoch schnell zum Positiven gewendet wurden. „So werden in den Werbefilmen der Telekom die Datenautobahnen als konsequenter Beitrag zum Umweltschutz gefeiert. Datenautobahnen erscheinen im Unterschied zur realen Autobahn als naheliegende Lösung der Verkehrsproblematik. Der Informationsverkehr der Telekom produziere weder Abgase noch Staus, so heißt es in entsprechenden Großanzeigen.“.191 Durch den Begriff der Datenautobahn wird auch die Kommerzialisierung der zukünftigen Datennetze angesprochen. Der Transport von Waren von einem Punkt zum anderen ist eben nicht umsonst, folglich wird die Bereitstellung und der Transport von Daten oder Informationen auch etwas kosten. Information und Teilhabe an den neuen Entwicklungen also für alle, die es sich auch leisten können. Hier wird deutlich, um was es den meisten BefürworterInnen der Datenautobahn geht, nämlich um die Entwicklung neuer Märkte, was „letztendlich auf Gewinnspannen und Profitraten hinausläuft“.192 Die Verwendung des Begriffs der Datenautobahn enthält aufgrund seines technischen deterministischen Charakters schwerwiegende und aus unserer Sicht nicht zulässige Verkürzungen. Die Veränderung der Gesellschaft zur Informationsgesellschaft und deren Folgen und Probleme wird mit dieser Metapher auf die technischen Aspekte reduziert und führt damit zu einer verengten Problemsicht. Die Problematik bei der Entwicklung zur Informationsgesellschaft scheint eine ausschließlich technische zu sein. Die sozialen Dimensionen der Veränderungen werden völlig ausgeklammert. „Mehr Aufmerksamkeit als der Ausbau von Datenleitungen und die Optimierung des Datentransports durch neue Techniken hätten die Bedingungen und Inhalte des ‚Datenverkehrs’ verdient. Zu diesen Bedingungen gehören beispielsweise die Kosten der Datenkommunikation, ihre Ordnung und ihre Form wie etwa das Maß der Interaktivität“.193 Es wird hier suggeriert, daß völlig selbstverständlich jeder Mensch zu den gleichen Bedingungen die Datenautobahn 190Vgl. Bühl, Achim 1996, S. 14 191Ebd. S. 15 192Ebd. S. 16 193Helmers, Sabine/Hoffmann, Ute/Hofmann, Jeanette, 1994, http://duplox.wz-berlin.de/docs/ausblick.html 58 http://www.mediaculture-online.de benutzen wird. Die sehr wahrscheinliche Gefahr, daß bestehende soziale Ungleichheiten verstärkt oder neue Ungleichheiten erzeugt werden, wird ignoriert. Oder wie es Sabine Helmers formuliert: Die vielgepriesenen Möglichkeiten der Datenautobahn sind in der gegenwärtigen Akzentuierung „vielfach strukturkonservativ: alles wird anders werden, aber nichts wird sich ändern“.194 4.2.2.2 Cyberspace, virtuelle Welt, virtueller Raum Heute gibt es im großen und ganzen zwei Standpunkte in deren Zusammenhang die Cyberspacemetapher benutzt wird. Zum einen ist sie eng verbunden mit den Ideen der Cyberpunk-Bewegung und zum anderen taucht sie in Zusammenhang mit konservativen und neoliberalen Standpunkten immer wieder auf. Der Begriff des Cyberspace wurde zuerst von dem bekannten Science-Fiction-Autor William Gibbson in der Geschichte ‚Chrom brennt’ benutzt195. William Gibbson hat in dieser und seinen folgenden Geschichten den Cyberspace als eine Art gefährliche psychedelische Droge beschrieben. Die Hacker der Cyberpunk Romane können mit Hilfe einer elektronischen Schnittstelle Teil des weltweiten Computernetzes werden und damit eine Art Bewußtseinserweiterung erreichen, indem sie völlig in den Cyberspace eintauchen und dabei die Realität verschwindet, beziehungsweise der Cyberspace als Realität erfahren wird. Weltweit bekannt wurde der Begriff des Cyberspaces durch den Cyberpunk Roman ‚Neuromancer’ von William Gibbson. Der Begriff des Cyberspace ist hier eine Metapher für den virtuellen Raum.196 Tatsächlich wird der Begriff virtuelle Welten oder virtuelle Realität oft synonym benutzt.197 Virtuelle Welten grenzen sich von Simulationen dadurch ab, daß sie den Eindruck erwecken, sie seien die Realität und damit tendenziell versuchen die Realität zu ersetzen. Simulationen dagegen versuchen primär die Realität nachzuahmen um sie besser zu erklären.198 Simulationen können aber durchaus mit einem virtuellen Raum verbunden werden, was idealerweise zu einer nahezu perfekten 194Helmers, Sabine/Hoffmann, Ute/Hofmann, Jeanette, 1994, http://duplox.wz-berlin.de/docs/ausblick.html 195Vgl. Bühl, Achim, 1996, S. 19f. 196Vgl. ebd. S. 20 197Ebd. 198Ebd. S. 21 und S. 53 59 http://www.mediaculture-online.de Illusion von Wirklichkeit werden kann. Neuere Flugsimulatoren sind hierfür ein Beispiel. Wichtig in diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß militärische Interessen die Entwicklung hin zum Cyberspace oder zu virtuellen Welten maßgeblich beeinflußt und überhaupt erst ermöglicht haben.199 Virtuelle Realität als hochmoderne Waffentechnik200 macht sehr deutlich, daß neben den eventuellen positiven Entwicklungen durch diese Systeme auch große Gefahren und aus unserer Sicht nicht wünschenswerte Entwicklungen einhergehen. Der Cyberspace-Begriff beschreibt Achim Bühl zufolge einen qualitativen Sprung in der Mensch-Maschine Interaktion, indem der Schwerpunkt auf das immersive und virtuelle Element gelegt wird. „Die Cyberspace-Metapher markiert einen fundamentalen Paradigmenwechsel in der Informatik, eine neue Epoche in der Mensch-MaschineKommunikation. Bislang bildete der Bildschirm die Grenze zwischen AnwenderInnen und Maschine. Diese Grenze wird nun aufgelöst.“201 Die Interaktion mit dem Computer läuft nun in einem vom Computer generierten Raum ab, indem man idealerweise wie im realen Raum navigieren kann. Dazu müssen die Bewegungen und Manipulationen des sich im Cyberspace befindlichen Menschen und die Reaktionen der virtuellen Welt darauf in Echtzeit übertragen und umgesetzt werden. Ein weiteres Merkmal von virtueller Realität oder dem Cyberspace ist, daß mehrere Sinne des Menschen gleichzeitig angesprochen werden um die Qualität der Illusion zu erhöhen. Der Begriff des Cyberspace beschreibt laut Achim Bühl wesentlich besser die Phänomene und Auswirkungen auf die Gesellschaft als die Metapher der Datenautobahn. „Im Unterschied zur Datenautobahn-Metapher erfassen die Metaphern vom Cyberspace und der virtuellen Welt damit ein wesentliches Phänomen des Prozesses: die Virtualisierung gesellschaftlicher Verhältnisse, die Dopplung der Realität in eine reale Realität und eine virtuelle Realität, sowie die sich aus der Dopplungsstruktur ergebenen sozialen, kulturellen und subjektbezogenen Konsequenzen.“202 199Ebd. S. 115ff. 200Der Golfkrieg kann als erster virtuell geführter Krieg gelten. Vgl Achim Bühl, 1997, S. 115ff. und Maresch, Rudolf, 1999, S. 138-140 201Ebd. S. 19f. 202Ebd. S. 21 60 http://www.mediaculture-online.de Die Cyberspace-Metapher läßt aufgrund ihrer Herkunft beziehungsweise assoziativen Nähe zu den düsteren Cyberpunkgeschichten, in denen riesige Konzerne die Welt beherrschen, dabei auch mögliche Gefahren, die sich aus der technologischen Entwicklung ergeben könnten, nicht außer acht. Die Metapher des Cyberspace scheint insofern, im Vergleich zur Datenautobahn, eine recht brauchbare und dem Gegenstand angemessenere Sichtweise zu sein, weil gesellschaftliche, soziale und individuelle Aspekte enthalten sind. Jedoch wird der Begriff des Cyberspace auch von rechtskonservativen Autoren wie Alvin Toffler203 und George Gilder für ihre Sichtweise vereinnahmt. Sie vertreten einen sehr konservativen und neoliberalen Standpunkt in der ‚Magna Charta for the Knowledge Age’204 Die in dieser Erklärung vertretene Ideologie ist heute nicht zuletzt aufgrund der Globalisierung ziemlich populär und einflußreich. Windon Langdon betont, daß der von den AutorInnen vertretenen Standpunkt „a widely popular ideology that dominates much of today’s discussion on networked computing“205 ist. In dieser Erklärung wird eine zukünftige Welt die auf Wissen, Konkurrenzdenken, Individualismus und vor allem unregulierten Marktmechanismen beruht entworfen. Der Ausgangspunkt alles prognostizierten Wandels ist der Cyberspace, dessen Vorhandensein „profound implications for the nature and meaning of property, of the marketplace, of community and of individual freedom“ hat. Die AutorInnen folgen dabei einer 1980 in seinem Buch „Die dritte Welle“ von Alvin Toffler aufgestellten deterministischen Stadientheorie der Geschichte.206 Die AutorInnen betrachten den Cyberspace in erster Linie als neuen Markt. Wissen ist das zentrale Produktionsmittel der neuen kommenden Gesellschaft, das den herkömmlichen kapitalistischen 203Alvin Toffler war in den siebziger Jahren ein linksliberaler Zukunftsforscher, der mit Hilfe neuer Medien basisdemokratische Ansätze verwirklichen wollte. In den achtziger Jahren war er als Berater für Ronald Reagan aktiv und hat sich zu dessen Reagonomics bekannt. Vgl. Bühl, Achim, 1996, S. 17 204Toffler, Alvin/Gingrich, George/Dyson, Ester/Keyworth, George, 1994, http://www.feedmag.com/95.05magna1.html Die hier vertretende Ideologie, wird bei anderen Autoren auch als die ‚kalifornische Ideologie‘ bezeichnet. Vgl. Barbrook, Richard, Cameron, Andy, 1997 – und Kapitel 5.4.1 205Winner, Langdon, 1997, http://www.rpi.edu/~winner/cyberlib2.htm 206Die gesellschaftliche Entwicklung vollzieht sich bei Alvin Toffler in einem aufsteigenden Prozeß von traditionalen zu modernen Gesellschaften. Er unterscheidet dabei drei Stadien oder ‚Wellen‘. Die ‚erste Welle‘ bezeichnet er als die Agrargesellschaft, die ‚zweite Welle‘ als Industriegesellschaft und die ‚dritte Welle‘ schließlich als Informationsgesellschaft. Vgl. Bühl, Achim, 1996, S. 30ff. Vgl. auch Kapitel 2.2 61 http://www.mediaculture-online.de Produktionsmitteln der ‚dritten Welle’, wie Land, Maschinen und Industrien, zunehmend ihre Bedeutung nimmt. „In a Third Wave economy, the central resource a single word broadly encompassing data, information, images, symbols, culture, ideology, and values is actionable knowledge.“ Folglich wird Wissen zu einem zu schützenden Eigentum, weil es die ultimative Voraussetzung für die kapitalistische Produktion in der ‚Third Wave economy’ ist, auf das nur derjenige Zugriff hat, der dafür bezahlen, der es sich leisten kann. Somit kann auf diese Weise sichergestellt werden, daß die Ungleichheit der Produktionsverhältnisse auch in der kommenden Ära des ‚Knowledge Age’ gewährleistet ist. Die Zeiten, als Wissen als öffentliches Gut galt, sind den AutorInnen zufolge überholt und der sogenannten ‚second Wave’ zugeordnet. In der dritten Welle ist das Wissen, das im Cyberspace vorhanden ist, geistiges Privateigentum. „Third Wave customized knowledge is by nature a private good“207 Die AutorInnen wollen ausdrücklich Wissen nicht als öffentlich Deregulierungsforderungen es Eigentum verstanden wissen und verlangen ironischerweise trotz unaufhörlicher hier gesetzliche Regelungen zum Schutz des Wissens, denn „wealth in the form of physical resources has been losing value and significance“.208 Auch der Cyberspace samt seiner nötigen Infrastruktur wird als nicht öffentliches Gut, sondern als Privatbesitz gesehen. „Government does not own cyberspace, the people do.“209 Die ‚Leute’, die die AutorInnen hier allerdings im Sinn haben werden mit Sicherheit nicht die breite Bevölkerung sein, sondern mit höchster Wahrscheinlichkeit große, transnationale Firmen. Die neoliberale Umstrukturierung der Gesellschaft ist aus Sicht der AutorInnen die natürliche Folge technischer Entwicklung, welche eine Art evolutionäres Prinzip darstellt. Technische und kapitalistische Innovationen werden hier als evolutionärer Sprung nach vorne abgehandelt.210 Auch dieser Ansatz ist zutiefst technodeterministisch, denn hier ist die Technik die treibende Entwicklungskraft, welche nicht hinterfragt wird. Die Menschen und existierenden Gesellschaften haben sich der Technik anzupassen, die negativen 207Toffler, Alvin/Gingrich, George/Dyson, Ester/Keyworth, George, 1994, http://www.feedmag.com/95.05magna1.html 208Ebd. 209Ebd. 210Vgl. Diefenbach, Katja, 1997, S. 75, Winner, Langdon, 1997, http://www.rpi.edu/~winner/cyberlib2.htm 62 http://www.mediaculture-online.de Folgen der zunehmenden Technisierung werden in diesen cyberliberalen211 Ideologien ignoriert. „In this perspective, the dynamism of digital technology is our true destiny. There is no time to pause, reflect or ask for more influence in shaping these developments. Enormous feats of quick adaptation are required of all of us just to respond to the requirements the new technology casts upon us each day. In the writings of cyberlibertarians those able to rise to the challenge are the champions of the coming millennium. The rest are fated to languish in the dust.“212 Die Überwindung der als anachronistisch geltenden zweiten Welle wird Langdon Winner zufolge also ihre Opfer fordern und dieser Meinung können wir uns nur anschließen. Es darf bezweifelt werden, ob die geforderte Abschaffung von „Second Wave rules, regulations, taxes and laws laid in place to serve the smokestack barons and bureaucrats of the past“ – gefordert wird eine knallharte Deregulierung – zu dem propagierten Ziel einer freieren, selbstbestimmteren, demokratischeren Gesellschaft führen wird, ob die gepriesene Deregulierung und die freien Kräfte des Marktes für alle Menschen eine Verbesserung ihrer Situation bedeuten würden, wie die Vertreter der liberalen Deregulierung glauben. „Third Wave policies work to spread power to empower those closest to the decision“.213 4.2.2.3 Sozietäts Metaphern: globales Dorf, virtuelle Gemeinschaft Zwei sehr häufig anzutreffende Metaphern in Zusammenhang mit dem Internet, sind die der virtuellen Gemeinschaft und die damit eng verbundene Metapher des globalen Dorfes.214 In Anlehnung an Achim Bühl lassen sich die Metaphern der virtuellen Gemeinschaft (virtual community) und die des globalen Dorfs (global village) als sogenannte SozietätsMetaphern bezeichnen,215 weil sie eben ihren Schwerpunkt auf neue soziale Beziehungen 211So nennt Langdon Winner die neoliberalen Ansätze in der Netzdiskussion. Vgl. Winner, Langdon, 1997, http://www.rpi.edu/~winner/cyberlib2.htm 212Winner, Langdon, 1997, http://www.rpi.edu/~winner/cyberlib2.htm 213Toffler, Alvin/Gingrich, George/Dyson, Ester/Keyworth, George, 1994, http://www.feedmag.com/95.05magna1.html 214Die Metapher des global village stammt ursprünglich von Marshell McLuhan. 215Vgl. Achim Bühl, 1996, S. 23 63 http://www.mediaculture-online.de legen, die mittels der neuen globalen Kommunikationsstrukturen, wie sie zum Beispiel das Internet bietet, konstituiert werden. Der Ausdruck der virtuellen Gemeinschaft wurde ganz wesentlich durch Howard Rheingold geprägt. Howard Rheingold ist der Meinung, daß die Faszination der neuen Kommunikationstechnologien, nicht in den Möglichkeiten zu Unterhaltung oder Information liegen, sondern die gemeinschaftsstiftende zwischenmenschliche Kommunikation über alle Grenzen hinweg das besondere ist, „daß eben dieser Aspekt der Gemeinschaft – die zwischenmenschliche Kommunikation,(...), – die neuen ComputerKommunikationsmedien für den Menschen so attraktiv macht“.216 Die Ursache dieses raschen Anstiegs und der Etablierung von virtuellen Gemeinschaften sieht Rheingold in einem wachsenden Bedürfnis nach Gemeinschaft, da in der realen Welt die Räume für zwanglose soziale Kontakte immer begrenzter würden. Er stellt in seinem Buch „The Virtual Community“ „die Menschen als eigentliche Träger der modernen Kommunikationstechnologien in den Vordergrund“217 und glaubt, daß sich durch die computervermittelte Kommunikation virtuelle Gemeinschaften bilden, welche sich durch eine eigene und vielfältige Kultur auszeichnen.218 Die gebildeten Gemeinschaften sind Howard Rheingold zufolge untereinander engmaschig verknüpft. Ein wichtiges Merkmal ist hierbei, daß sich die sozialen Beziehungen global über alle Grenzen hinweg bilden. Diese Vernetzung der virtuellen Gemeinschaften miteinander führt laut Howard Rheingold zu einem globalen Dorf, bei dem persönliche soziale Beziehungen computervermittelt aufgrund gleicher Interessen geknüpft werden, und zwar unabhängig von Raum und Zeit. Virtuelle Gemeinschaften gründen Howard Rheingold zufolge nicht auf verwandtschaftlichen Verhältnissen oder räumlicher Nähe, auf die die herkömmlichen sozialen Beziehungen naturgemäß angewiesen waren. Die Computernetze bieten den Menschen damit die Möglichkeit über nationale und ideologische Grenzen hinweg soziale Beziehungen und damit auch Gemeinschaften, virtuelle Gemeinschaften zu bilden.219 216Rheingold, Howard, 1995, S. 189 217Vgl. Achim Bühl, 1996, S. 23 218Vgl. ebd. 219Vgl. ebd. S. 23-24 64 http://www.mediaculture-online.de Die Metapher des Dorfes erweckt Assoziationen an friedliches miteinander Leben, an Nachbarschaft, freundlichen Austausch, Vertrautheit und an Nähe. Zusammen mit dem Wort ‚global’ wird der Eindruck erweckt, die Welt wäre von nun an ein Dorf mit eben jenen Eigenschaften. Obwohl diese Metaphern den Menschen in den Mittelpunkt ihrer Betrachtung stellen, lassen auch sie, durch ihre in erster Linie euphorische Betrachtungsweise der technischen Möglichkeiten, wesentliche gesellschaftliche relevanten Faktoren außer acht. In diesem Sinne sind auch sie als technodeterministisch zu bezeichnen, weil sie sich relativ undifferenziert von den neuen Kommunikationstechnologien Verbesserungen für alle Menschen erhoffen. Das ist jedoch äußerst realitätsfremd. Es ist durchaus zweifelhaft, ob man von ‚dem globalen Dorf’ sprechen kann und vor allem darf, weil man damit suggeriert, daß jeder Mensch auf der Welt an diesem globalen Dorf teilhaben kann. „Die enormen Möglichkeiten moderner Informationstechnologie in Bezug auf die Generierung, Verbreitung und Aufbewahrung von Information suggerieren die Existenz eines ‚Welt- Kommunikations- Dorfes’ eines ‚global village’, welches in dieser Art und Weise allerdings nicht besteht. Das Internet existiert vor dem Hintergrund einer ‚realen’ Welt und steht somit im Austausch mit dieser, ersetzt sie aber nicht.“220 Nils Zurawski meint in diesem Zusammenhang, man könne höchstens von vielen unterschiedlichen globalen Dörfern sprechen und spricht hier vom scheinbaren Zwang des Globalen, vom ‚globalen Narrativ’221. Auch Eli Noam erteilt der Vision des globalen Dorfes eine Absage und spricht lieber von internationalem Gruppenpluralismus in den Netzen. Er meint, daß die neuen Gruppennetzwerke kein neues Dorf erschaffen, sondern die Welt als eine Reihe elektronischer Nachbarschaften gestalten.222 Beide Autoren halten also eher eine fragmentierte (Netz-) Öffentlichkeit, anstelle einer globalen Dorföffentlichkeit im Sinne einer globalen Agora oder eines globalen Dorfes für gegeben. Nils Zurawski weist zudem ausdrücklich darauf hin, daß große Teile der Weltbevölkerung 220Zurawski, Nils, 1998a, http://www.uni-muenster.de/Soziologie/Home/zurawski/imd98.htm 221Er meint damit, daß die Globalisierung zunehmend das wichtigste Argument in sozio-ökonomischen und politischen Debatten geworden ist. Es wird in Bezug auf die Kommunikation unreflektiert eine globale Vernetzung und Kommunikation aller mit allen angenommen. Vgl. Zurawski, Nils, 1998a, http://www.unimuenster.de/Soziologie/Home/zurawski/imd98.htm, vgl. hierzu auch Kapitel 5.2 unserer Arbeit 222Vgl. Noam, Eli, 1998, S. 156 65 http://www.mediaculture-online.de keinerlei Chance haben, an diesem vermeintlich allumfassenden globalen Dorf teilzuhaben, schon allein weil die technischen Voraussetzungen dafür nicht gegeben sind. „Dabei lassen sich an der Verbreitung von Telephon und Internet sowie bis zu einem gewissen Grad auch am Fernsehen die Widersprüche eines solchen Narrativ aufzeigen, denn die Verteilung dieser Technologien ist nicht gleichmäßig, sondern konzentriert sich in besonderem Maße auf den sogenannten ,Norden’ dieser Erde.“223 5. Gesellschaftliche Veränderungen: Auf dem Weg zur Informationsgesellschaft 5.1 Öffentlichkeit Auf den ersten Blick scheint Öffentlichkeit ein äußerst unscharfer, schwammiger Begriff224 zu sein, der in unterschiedlichen Zusammenhängen diskutiert wird. Wenn man sich jedoch etwas näher mit dem Begriff der Öffentlichkeit beschäftigt, fällt auf, daß es vor allem zwei große historische Leitbilder gibt, die in diesem Zusammenhang immer wieder auftauchen und das, was man heute unter Öffentlichkeit versteht nachhaltig beeinflussen. Gerade auch bei der Öffentlichkeitsdiskussion des Internets stößt man immer wieder auf diese zwei miteinander eng verwandten Leitbilder. Diese zwei Ansichten von Öffentlichkeit möchten wir deshalb im folgenden kurz vorstellen, bevor wir auf die Hoffnungen und auch Befürchtungen eingehen, die mit Massenmedien ganz allgemein und dem Internet insbesonderen und dessen Einfluß auf die Öffentlichkeit verbunden sind. 5.1.1 Die Agora Eines dieser wichtigen Leitbilder hat seine Ursprünge in der griechischen Antike. Die griechische Agora, der Marktplatz auf dem das gesamte politische öffentliche Leben ablief, war der Platz, an dem die Bürger sich versammelten und miteinander kommunizierten. Hier wurden über die Belange der Polis (Stadtstaat) diskutiert. Das bedeutete, daß „alle Angelegenheiten vermittels der Worte, die überzeugen können 223Ebd. 224Vgl. Roesler, Alexander, 1997, S. 173f. 66 http://www.mediaculture-online.de geregelt werden und nicht durch Zwang oder Gewalt“.225 Öffentlichkeit konstituierte sich „im Gespräch (lexis), das auch die Form der Beratung und des Gerichts annehmen kann, ebenso wie im gemeinsamen Tun (praxis)“.226 Das Herz der Urdemokratie konstituierte sich dem Mythos zufolge auf diesem Platz. Interessant erscheint uns, daß im alten Griechenland der Besitz die Bedingung war, um am öffentlichen Leben teilzunehmen. Nur der Bürger, dessen Rückhalt die Hauswirtschaft bildet, der also gleichzeitig auch Hausherr ist, kann am öffentlichen Leben teilnehmen. Das ist unserer Meinung nach bis heute letztendlich so geblieben. Armut und Reichtum bestimmen zwar nicht mehr ausschließlich über die Teilnahme am Öffentlichen Leben, Besitz bedeutet aber in der Regel Macht und hat damit immer noch einen großen Einfluß.227 Der Mythos der Agora ist ein Bild, dem wir gerade heute wieder verstärkt im Zusammenhang mit den Möglichkeiten des Internets begegnen. Global village und elektronische Agora sind zwei der mit der antiken Demokratie beziehungsweise ihrem Mythos verbundene Metaphern, die explizit oder implizit immer wieder auftauchen. Mit dem Internet sind unter anderem Hoffnungen verbunden, daß durch die Aufhebung von Raum ein weltweites globales Dorf mit athenischen Merkmalen entstehen könnte. So vertritt Al Gore den euphorischen Standpunkt, daß die aus der „Globalen InformationsInfrastruktur“ (GII) resultierende direkte Demokratie und Partizipationsmöglichkeiten für die BürgerInnen gar zu einem Wiederbeleben der athenischen Demokratie führen wird. „The GII will not only be a metaphor for a functioning of democracy, it will in fact promote the functioning of democracy by greatly enhancing the participation of citizens in decisionmaking. And it will greatly promote the ability of nations to cooperate with each other. I see a new Athenian Age of democracy forged in the fora the GII will create.“228 Noch viel häufiger aber als auf diesen doch sehr alten Öffentlichkeitsbegriff trifft man, im Zusammenhang mit Partizipation, solche Konzepte, Erwartungen und Theorien an, Alexander, 1997, S. 175 226Habermas, Jürgen, 1962, S. 15 227Vgl. Geser, Hans, 1998, http://socio.ch/intcom/t_hgeser06.htm 228Gore, Al, 1994, Rede vor der Versammlung der International Telecommunications Union am 21.3.1994 in Buenos Aires, zit. nach Löffelholz, Martin, 1999, S. 263 67 http://www.mediaculture-online.de welche sich auf den Öffentlichkeitsbegriff beziehen, den Jürgen Habermas 1962 entwickelt hat und der auf historisch ältere Formen (Agora) verweist. 5.1.2 Bürgerliche Öffentlichkeit Das zweite große Leitbild beschreibt Jürgen Habermas in seinem Buch „Strukturwandel der Öffentlichkeit“. Dort stellt er die Entwicklung der bürgerlichen Öffentlichkeit seit dem siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert dar, benennt damit die aufklärerischen Ideale der Öffentlichkeit und beschreibt daraufhin den Zerfall und Niedergang der Öffentlichkeit im zwanzigsten Jahrhundert. Jürgen Habermas hat ein normatives Verständnis von Öffentlichkeit, welches sich auf die Annahme gründet, daß Öffentlichkeit in einer Demokratie eine bestimmte Funktion zukommt. Öffentlichkeit beschreibt Jürgen Habermas zufolge diejenigen Kommunikationsbedingungen „unter denen eine diskursive Meinungs und Willensbildung eines Publikums von Staatsbürgern zustande kommen kann.“229 Laut Jürgen Habermas läßt sich das Ideal der bürgerlichen Öffentlichkeit als „Sphäre der zum Publikum versammelten Privatleute begreifen“,230 die frei von Standesunterschieden miteinander diskutieren231 und zwar auf der alleinigen Basis der „Autorität des Arguments“.232 Jürgen Habermas geht also davon aus, daß Meinungsverschiedenheiten und Konflikte, aufgrund des beidseitigen Interesses der beteiligten Konfliktparteien an einer Lösung, rational und argumentativ geregelt werden. Der öffentliche Raum wird hier streng von der privaten Sphäre getrennt. Das Private ist nicht öffentlich.233 Ein weiteres zentrales Merkmal der Öffentlichkeit, wie Habermas sie versteht, ist die allgemeine Zugänglichkeit für alle Mitglieder der Gesellschaft. Von Öffentlichkeit kann laut Habermas nur gesprochen werden, wenn dieses normative Prinzip verwirklicht ist. „Die bürgerliche Öffentlichkeit steht und fällt mit dem Prinzip des allgemeinen Zugangs. Eine Öffentlichkeit, von der angebbare Gruppen eo ipso ausgeschlossen wären, ist nicht nur 229Habermas, Jürgen, 1990, S. 38 230Habermas, Jürgen, 1962, S. 42 231Vgl. ebd. S. 52 232Ebd. S. 52 233Claus Leggewie betont, daß der Gebrauch des Internets paradoxerweise vor allem in der Vernetzung der privaten Späre besteht, welche die klassischen Öffentlichkeitstheorien als nicht öffentlich bezeichnen. Vgl. Leggewie, Claus, 1998, S. 43 68 http://www.mediaculture-online.de etwa unvollständig, sie ist vielmehr gar keine Öffentlichkeit.“234 Um den allgemeinen Zugang zu gewährleisten müssen die sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen so beschaffen sein, daß der Zugang prinzipiell jedermann möglich ist. „Öffentlichkeit ist dann garantiert, wenn die ökonomischen und sozialen Bedingungen jedermann gleiche Chancen einräumen, die Zulassungskriterien zu erfüllen: eben die Qualifikationen der Privatautonomie, die den gebildeten und besitzenden Mann ausmachen, zu erwerben.“235 Hier wird spätestens deutlich, daß eine solche allumfassende Öffentlichkeit in unserer ausdifferenzierten Gesellschaft mit ihren vielen unterschiedlichen Lebenslagen und großen strukturellen Ungleichheiten, sowohl geschichtlich eine Utopie war, als auch heute immer noch ist. Momentan zumindest entsprechen diese Ideale keinesfalls der Realität. Anzumerken ist hier, daß Jürgen Habermas im Vorwort zur Neuauflage 1990 des Buches „Strukturwandel der Öffentlichkeit“ sein Verständnis der Öffentlichkeit dahingehend präzisiert, daß auch schon früher verschiedene konkurrierende Öffentlichkeiten existierten, daß die bürgerliche Öffentlichkeit zwar die hegemoniale war, daneben aber andere subkulturelle oder klassenspezifische Öffentlichkeiten auftraten.236 Auch in der neueren Literatur wird nicht mehr von einem einheitlichen Publikum, welches die Öffentlichkeit bildet, ausgegangen. Durch die Zunahme von unterschiedlichen Foren237 kommt es zu einer zunehmenden Fragmentierung der Öffentlichkeit in viele verschieden Gruppierungen. Die allumfassende Öffentlichkeit ist und war wahrscheinlich schon immer ein Mythos, heute jedenfalls besteht moderne Öffentlichkeit aus einer „Vielzahl von kleinen und großen Foren, die nur noch zum Teil miteinander gekoppelt sind“.238 Es ist nun anzunehmen, daß sich auch im Internet nicht nur eine Öffentlichkeit konstituiert, sondern viele verschiedene, aus den jeweiligen Lebenslagen und Interessen der Menschen sich ergebende Teilöffentlichkeiten. 234Ebd. S. 107 235Ebd. S. 108 236Vgl. Habermas, Jürgen, 1990, S. 15f. 237Dies können beispielsweise verschiedene Medienangebote sein, die privaten Fernsehsender spielen hier eine große Rolle, aber auch die Zunahme von Printmedien und Hörfunkssendern verstärkt diesen Trend. Vgl. Marschall, Stefan, 1999, S. 114f. 238Gerhards, Jürgen/Neidhards, Friedhelm, Berlin 1990, Strukturen und Funktionen moderner Öffentlichkeit. Fragestellung und Ansätze. Discussion Paper WZB. S. 19. Zit. nach: Marschall, Stefan, 1999, S. 115 69 http://www.mediaculture-online.de Trotz der Verklärungen und Verkürzungen, die man am Öffentlichkeitsbegriff von Jürgen Habermas kritisieren kann239, scheinen uns die oben beschriebenen Ideale geeignet zu sein, das Internet und die sich dort entwickelnden Öffentlichkeit(en) kritisch zu betrachten. Aus diesen von Jürgen Habermas beschriebenen idealen und normativen Merkmalen von Öffentlichkeit lassen sich Merkmale für ein Netz, welche die optimalen Kommunikationsbedingungen für eine Öffentlichkeit bietet, direkt ersehen. Folgende idealen Merkmale muß Öffentlichkeit Jürgen Habermas zufolge haben: • Gleichheit aller beteiligten Menschen in der Öffentlichkeit (von sozialen Rängen/vom Status wird abgesehen) • Jeder Mensch muß Zugang zur Öffentlichkeit haben • Meinungs- und Willensbildung geschieht durch rationales Austauschen von Argumenten • prinzipielle Unabgeschlossenheit des Publikums, d.h. • prinzipiell alles kann Gegenstand der Diskussion in der Öffentlichkeit werden, bestimmte Themen bleiben nicht ausschließlich Autoritäten überlassen, die Öffentlichkeit befaßt sich mit allen Lebensbereichen und ihren Bedingungen. Diese Merkmale wollen wir bei der Betrachtung von Netzöffentlichkeiten im Hinterkopf behalten. Tatsächlich sehen viele AutorInnen diese Prinzipien im Internet zumindest als Möglichkeit angelegt240. Man muß sich aber vergegenwärtigen, daß sich die Hoffnungen in der Regel auf technische Potentiale stützen, welche selbst nicht viel über die tatsächliche Entwicklung und Nutzung aussagen, was ja auch schon in den vorangegangenen Kapiteln deutlich geworden ist. 5.1.3 Aufgabe und Funktion der Öffentlichkeit Idealerweise ist die Aufgabe der Öffentlichkeit, beziehungsweise der in der Öffentlichkeit über Diskurse erzeugten kommunikativen Macht, Probleme gesellschaftlicher Relevanz anzusprechen, Beiträge zu Problemlösungen zu bieten und steuernd, regulierend und kontrollierend auf die staatlichen Institutionen und politischen Entscheidungsträger einzuwirken. 239Vgl. hierzu zum Beispiel Schlegel, Adelheid, 1999 und Negt, Oskar/Kluge, Alexander, 1977 70 http://www.mediaculture-online.de Der von Habermas beschriebene Strukturwandel der Öffentlichkeit241 fand seinen Höhepunkt mit der zunehmenden Kommerzialisierung und der Verdichtung des Kommunikationsnetzes, mit dem wachsenden Kapitalaufwand und Organisationsgrad der nötig wurde, um diese Kommunikationsnetze zu betreiben. Die Folge war ein immer stärkeres kanalisieren der Kommunikationswege und eine drastische Abnahme der Zugangschance zur öffentlichen Kommunikation. Durch diese Entwicklungen entstand Jürgen Habermas zufolge eine „Medienmacht, die manipulativ eingesetzt, dem Prinzip der Publizität seine Unschuld raubte.“242 Es kam zur Entwicklung einer „vermachteten Öffentlichkeit“, „in der mit Themen und Beiträgen nicht nur um Einfluß, sondern um eine in ihren strategischen Intentionen möglichst verborgene Steuerung verhaltenswirksamer Kommunikationseinflüsse gerungen wird.“243 Öffentlichkeit ist damit nur noch in pervertierter Form vorhanden und ihrer eigentlichen Funktion zunehmend beraubt worden. Stefan Marschall244 zufolge hat Öffentlichkeit in einer Gesellschaft folgende Funktionen: Validierung, Transparenz und Orientierung. Öffentlichkeit dient zum einen dazu, eine möglichst komplette Wahrnehmung von den in der Gesellschaft vertretenden Meinungen und Themen zu gewährleisten (Transparenz). Durch die Konfrontation mit gegensätzlichen Meinungen soll in einem diskursiven Prozeß die eventuelle Revision der eigenen Meinung erfolgen können (Validierung). Öffentlichkeit hat außerdem die Aufgabe, öffentliche Meinungen zu bilden, welche als Handlungsorientierung für politische Entscheidungen fungieren können (Orientierung). Der Zusammenhang von Öffentlichkeit und Partizipation liegt zum einen darin, daß über die Öffentlichkeit, Kenntnisse über gesellschaftlich relevante Themen, Mißstände, politische Themen und auch über mögliche Verfahren der Beteiligung vermittelt werden.245 Damit können Vorbedingungen für eine politische aber auch allgemein gesellschaftliche 240Vgl. Leggewie, Claus, S. 40ff. 241Vgl. Habermas, Jürgen, 1962 242Habermas, Jürgen, 1990, S. 28 243Ebd. 244Er bezieht sich dabei auf Neidhardt, Friedhelm, Opladen 1994, Öffentlichkeit, öffentliche Meinung, soziale Bewegungen. S. 7-41. In: Neidhardt, Friedhelm (Hrsg.), Opladen 1994, Öffentlichkeit, öffentliche Meinung, soziale Bewegung. Vgl. Marschall, Stefan, 1999, S. 111 245Vgl. Marschall, Stefan, 1999, S. 111 71 http://www.mediaculture-online.de Partizipation geschaffen werden.246 Politische Kommunikation in der Öffentlichkeit kann aber auch selbst Partizipation sein, „damit wird Öffentlichkeit zu einem Partizipationsraum“.247 Öffentlichkeit kann durch Informationsbereitstellung beispielsweise zur Kontrolle von Machtausübung benutzt werden, und so eventuell einen Machtmißbrauch verhindern. Das Herstellen von Öffentlichkeit, also Öffentlichkeitsarbeit, ist geeignet um bestimmte Themen und Probleme, die in der allgemeinen Wahrnehmung gar nicht vorhanden sind, in das Bewußtsein der Menschen zu bringen. Themen und Probleme können in der Öffentlichkeit eventuell erst politisiert werden und auf diese Weise kann versucht werden, indirekt über öffentliche Willensbildung auf politische Entscheidungen Einfluß zu nehmen, beziehungsweise sie zu erzwingen. Auch hierbei handelt es sich in der Regel um indirekte und unverbindliche und damit relativ schwache Formen der Partizipation. Öffentlichkeit kann aber auch, wie ja schon Jürgen Habermas deutlich gemacht hat, von Medienverbünden und mächtigen politischen Akteuren zur Manipulation der öffentlichen Meinung eingesetzt werden, indem sie kommunikative Macht anhäufen und diese gezielt zur Durchsetzung ihrer eigenen Interessen und Programme nutzen. 5.1.4 Öffentlichkeit und Medien In unserer Gesellschaft sind Medien faktisch die Öffentlichkeit248, beziehungsweise konstituieren diese Öffentlichkeit zumindest, indem sie schon seit geraumer Zeit den politischen Diskurs tragen.249 Massenmedial vermittelte Öffentlichkeit gilt zumindest als die dominate Öffentlichkeitsebene.250 Wichtig ist zunächst die Unterscheidung welche Art von Öffentlichkeiten ein Medium konstituiert. Martin Hagen und Herbert Kubicek unterscheiden die drei Entwicklungsstufen: Binnenöffentlichkeit, Teilöffentlichkeit und globale Öffentlichkeit, welche sich hinsichtlich des Grades der Zugänglichkeit, Verfügbarkeit und dem jeweiligen 246Es handelt sich hier um eher schwache, unverbindliche Partizipationsformen, die aber im politischen Prozeß durchaus wichtig sind. Vgl. Vilmar, Fritz, 1973, S. 162 ff. und Kapitel 2.1 247Marschall, Stefan, 1999, S. 111 248Vgl. Poster, Mark, 1997, S. 164 249Vgl. ebd. S. 169f. 250Vgl. Marschall, Stefan, 1999, S. 113 72 http://www.mediaculture-online.de Institutionalisierungsgrad der Medien unterscheiden.251 Binnenöffentlichkeit bilden zunächst jene technikbegeisterten Menschen,252 welche sich um eine medientechnische Innovation versammeln. Die Kommunikationsinhalte beziehen sich dabei meist auf die Technik selbst, die Verständigung wird mithilfe von informellen Normen geregelt. „Gegenüber der bisherigen Gesellschaft ist diese Gruppierung weitgehend abgegrenzt, teils aus eigenem Bestreben, teils aus Unverständnis der Gesellschaft.“ Im Personenkreis der InternetentwicklerInnen und ihres Umkreises hatte politische Partizipation eine hohe Bedeutung, was zum einen an ihrem hohen Bildungsgrad aber auch an ihrer Vorliebe für liberative und direktdemokratische Politikformen lag.253 Das Stadium der Teilöffentlichkeiten wird eingeleitet, wenn die AkteurInnen der Phase der Binnenöffentlichkeit ihr „Medium der Gesellschaft nutzbar machen wollen, oder wenn Wirtschaft und Politik einen Nutzen in der weiteren Verbreitung des betreffenden Mediums sehen“.254 Aus der technischen Bastlerwerkstatt werden Produkte gemacht und auf der inhaltlichen Ebene wird ein Verständigungsmanagement aufgebaut, welches über das bisherige hinausgeht. Ganz allgemein muß der Zugang zu dem entsprechenden Medium erleichtert werden, damit eine größere Anzahl von NutzerInnen erreicht werden kann. Dieser Schritt ist beim Internet spätestens mit der Entwicklung des WWW vollzogen worden, so daß man hier zumindest von Teilöffentlichkeiten ausgehen kann. Globale Öffentlichkeit wird erreicht, wenn das Medium das Stadium eines Massenmediums erreicht hat und so viele verschieden Teilöffentlichkeiten erreicht werden. Auf der technischen Ebene muß dazu nochmals der Zugang und die Handhabung erleichtert werden und auf der inhaltlichen Ebene ist eine ausdifferenzierte Struktur und ständige Anpassung an das Verhältnis von speziellen Interessen und verbindenden Klammern nötig.255 Wichtig für eine breite Nutzung sind hier auch „technische und kognitive 251Vgl. Hagen Martin/Kubicek, Herbert, 1999, http://www.fgtk.informatik.unibremen.de/hagen/partizipation/home.html 252Diese technikbegeisterten Menschen werden oft auch early adoptors genannt. Neugierde, Spieltrieb, Pioniergeist und ähnliche Motivationen führen zu einem Ausprobieren unterschiedlicher Nutzungsformen. 253Diese Normen und Werte haben ihren Eingang auch in die von diesen early adaptors weiterentwickelte Technik gefunden. Insofern gehen viele Hoffnungen auf das demokratisierende Potential auf diese Zeit zurück. 254Hagen Martin/Kubicek, Herbert, 1999, http://www.fgtk.informatik.unibremen.de/hagen/partizipation/home.html 255Ebd. 73 http://www.mediaculture-online.de Infrastrukturen, die ein Medium erst zum Massenmedium machen.“256 Zur technischen Infrastruktur des Massenmedium Fernsehens gehört beispielsweise ein 24-StundeWartungsdienst und ein Angebot entsprechender Möbel. Zur inhaltlichen Seite zählen zum Beispiel spezielle rechtliche Regelungen, Fernsehzeitschriften „und vor allem eine vollständige Einbettung in die Alltagsroutinen der Nutzenden, die zu einer entsprechenden Nutzungskultur und Organisation des Alltags führt.“257 Zu Bedenken ist also, daß das Internet folglich noch nicht den Kriterien eines Massenmediums entspricht (zu geringe Nutzerzahlen!) und damit ist die Öffentlichkeit die mit seiner Hilfe geschaffen werden kann natürlich begrenzt. Dies könnte sich aber schon bald ändern, denn es kommt zu einer zunehmenden Verschmelzung (Konvergenz) von herkömmlichen Medien mit dem Internet. Zudem benutzen herkömmliche Medien das Internet als Informationslieferant, so daß Themen durchaus den Sprung in die herkömmliche massenmediale Öffentlichkeit schaffen können. Weil sich die neuen Möglichkeiten. die aus der zunehmenden Konvergenz der neuen elektronischen Medien (für diese Entwicklung steht momentan das Internet) erwachsen,258 äußerst positiv auf die Öffentlichkeit und damit auch auf die Partizipationsmöglichkeiten der BürgerInnen auswirken könnten, und damit unserer Meinung nach direkt auf die Qualität der Demokratie, sind Fragen nach dem verändernden Potential der neuen Entwicklungen wichtig. „Daß in letzter Zeit dieses Thema wichtig wird, liegt an der heiklen Abhängigkeit der Öffentlichkeit von neuen Technologien. Die Frage nach der verändernden Wirkung wird da wichtig, wo Technologie die Diskussion über sich selbst berührt und beeinflußt. Eine Demokratie, deren eines wesentliche Element Öffentlichkeit ist, muß die Debatte darüber führen, noch bevor alle Weichen endgültig gestellt sind.“259 Öffentlichkeit, Medien und damit auch neue Medientechnologien (wie das Internet) sind in unserer Zeit also zweifellos aufs engste miteinander verknüpft.260 Gleichzeitig lassen sich 256Ebd. 257Ebd. 258Vgl. Kapitel 3.2 259Roesler, Alexander, 1997, S. 172 260Vgl. Poster, Mark, 1997, S. 169 74 http://www.mediaculture-online.de jedoch die zukünftigen gesellschaftlichen Wirkungen und der Einsatz von neuen Technologien, wie uns die Geschichte gelehrt hat, nicht klar abschätzen. Trotzdem muß heute die Diskussion darüber stattfinden, welche Entwicklungen zu bevorzugen wären, welche neuen Möglichkeiten zu fördern sind, bevor Wege eingeschlagen werden, die das Internet beziehungsweise seine nachfolgenden Technologien auf die einseitigen Kommunikationsstrukturen herkömmlicher Massenmedien zurechtstutzt, was die totale Kommerzialisierung und die Entwicklung oder Umgestaltung des potentiellen pull Mediums (die das Internet seit seinen Anfängen darstellt) in ein weiteres push Medium wie Radio oder Fernsehen, bedeuten würde. Wie in Kapitel 5.2 „Globalisierung“ noch ausführlich dargelegt wird, ist dies in der Tat die momentane Entwicklungsrichtung des Netzes und daraus ergeben sich natürlich in Bezug auf die euphorischen Hoffnungen die im folgenden besprochen werden drastische Einschränkungen. Die Globalisierung und mit ihr verbundene Entwicklungen schränken die Potentiale von denen hier die Rede ist natürlich drastisch ein. Auch mögliche negative Auswirkungen der neuen Medientechnologien müssen in diesem Zusammenhang mitbedacht werden.261 Die alten Massenmedien stehen schon seit längerem im Verdacht isolierend, kontrollierend und damit auch entpolitisierend auf die Menschen zu wirken, „indem sie die herkömmlichen Orte politischen Geschehens verdrängen; neben anderen Formen elektronischer Kommunikation spielt das Fernsehen hier eine besondere Rolle“.262 Auch Hans Geser weist darauf hin, daß herkömmliche Massenmedien mit ihrer radialen Einwegkommunikation (von einem aktiven Sender zu vielen passiven Empfängern) zweifellos dazu geeignet sind, durch Werbung, Propaganda, oder aber auch durch Selektion des Angebots, den „Einfluß von Eliten und die Autorität zentralistischer Machtstrukturen zu unterstützen“.263 Verstärkt wird diese Tendenz heute vermehrt durch ökonomische Zwänge, die dazu führen, daß kleine Medienunternehmen aus dem Markt gedrängt oder aufgekauft werden, was schon heute zur Bildung von mächtigen Medienmonopolen264 geführt hat. Durch diese Zentralisierung beziehungsweise 261Vgl. Kapitel 4 262Poster, Mark, 1997, S. 165 263Geser, Hans, 1998, http://socio.ch/intcom/t_hgeser06.htm 264Vgl. Kapitel 5.2 75 http://www.mediaculture-online.de „Vermachtung“265 der Medienöffentlichkeit kommt es zu einer extremen Ungleichheitsverteilung bei den Zugangschancen zu öffentlichen Meinungsäußerungen. Diese Ungleichheit korreliert Hans Geser zufolge direkt mit dem Umfang an privatem Kapitaleigentum und Zugang zu politischen Machtquellen.266 Oskar Negt und Alexander Kluge zeigen aus marxistischer Sicht am Beispiel des öffentlich- rechtlichen Fernsehens wie Massenmedien die Partizipation breiter Gesellschaftsschichten verhindern und damit herrschaftsstabilisierend wirken. Massenkommunikation und insbesondere das Fernsehen ist ihrer Meinung nach in der nachbürgerlichen Gesellschaft dadurch gekennzeichnet, daß es „auf die Abstrahlung generalisierter Programme beschränkt“267 bleibt und damit einer die bürgerliche Öffentlichkeit bestimmenden Norm folgt, die sie schon immer daran gehindert habe „unmittelbare Lebensinteressen in ihren verallgemeinerten Normenkatalog aufzunehmen“.268 Herkömmliche Massenmedien können und wollen also den vielfältigen, aus den jeweiligen unterschiedlichen gesellschaftlichen Lebensumständen erwachsenen, wirklichen Interessen und Bedürfnissen nicht nachkommen. Sie weisen darauf hin, „daß das Fernsehen in dieser generalisierten Form der Kommunikation mit den Zuschauern deren Bedürfnisse und Interessen nicht im emanzipatorischem Sinne entfalten kann“.269 Was schon bei den öffentlich rechtlichen Massenmedien ein Problem war, tritt heute in Zeiten der privaten Fernsehsender noch viel deutlicher zutage. Der Versuch eine möglichst breite und damit große Zuschauerzahl zu erreichen, also eine möglichst hohe Zuschauerquote zu erzielen um maximalen Profit zu erwirtschaften, hat unserer Meinung nach noch einen viel stärkeren generalisierenden und damit auch letztendlich verflachenden Effekt als von Oscar Negt und Alexander Kluge am Beispiel der öffentlichrechtlichen Fernsehanstalten beschrieben. In der Tat ist es heute so, daß für eine kleine privilegierte und gebildete Minderheit die Massenmedien Zugang zu „qualifizierten und raffinierten Formen politischer und ästhetischer Kommunikation“270 bieten. Jedoch werden die meisten Menschen zunehmend auf „Angebote der Massenkultur und des 265Vgl. Habermas, Jürgen, 1990, S. 27f. 266Vgl. Geser, Hans, 1998, http://socio.ch/intcom/t_hgeser06.htm 267Negt, Oskar/Kluge, Alexander, 1977, S. 176 268Ebd. S. 176 269Vgl. ebd. S. 177 76 http://www.mediaculture-online.de Infotainments, die auf leichte Befriedigung oberflächlicher Unterhaltungsbedürfnisse zielen“,271 beschränkt. Diese Entwicklung hat nicht unerheblich dazu beigetragen, daß eine tiefere Auseinandersetzung mit Welt und Gesellschaft nicht stattfindet. Die Mehrheit der NutzerInnen der Massenmedien sind damit aber „faktisch weitgehend von seriöser öffentlicher – politischer wie kultureller – Kommunikation“272 und damit von gesellschaftlicher und politischer Partizipation ausgeschlossen. Fernsehen oder die heutige Videotechnik, als technisch erweiterte Sinneswahrnehmung, wird Alexander Negt und Oscar Kluge zufolge meistens zu Kontrollzwecken (Verkehrsüberwachung, militärische Nutzung, Produktionsprozesse) und heute auch zu privater Kommunikation (Videokonferenzen oder ähnlichem) eingesetzt. Die nicht programmgesteuerte Kommunikation mit solchen Techniken erfolgt laut Oscar Negt und Alexander Kluge jedoch durchweg nicht öffentlich. „Hier wird deutlich, welche Grenzen der bürgerliche Begriff von Öffentlichkeit der Entfaltung der menschlichen Kommunikation zieht. Technisch lassen sich die Fernsinne in Bewegung setzen; ideologisch, in den Verfügungsverhältnissen und in der Beschränktheit der unentfalteten Zuschauerbedürfnisse wird jedoch als feststehend angenommen, daß Telekommunikation entweder privat (Telefon) oder doch nicht-öffentlich (Generalstabsvideo) oder aber, wenn sie sich auf Massen bezieht, durch Programm kontrolliert erfolgt.“273 Im Sinne von Oscar Negt und Alexander Kluge müßte die Idee einer bürgerlichen (Medien-) Öffentlichkeit, in der (wie ja schon kurz dargestellt) die Interessen und Bedürfnisse aller Menschen wiederzufinden sind, zugunsten einer pluralistischen Form von Öffentlichkeit beziehungsweise Gegenöffentlichkeit aufgegeben werden, denn „Produkte lassen sich nur wirksam durch Gegenprodukte widerlegen“.274 Um dies zu erreichen bedürfte es aber eines interaktiven Telekommunikationsmediums, bei dem die EmpfängerInnen nach ihren eigenen Bedürfnissen und Interessen auswählen können was sie interessiert, ja sogar die Themen selbst bestimmen könnten. Gefordert ist ein Medium 270Enquete-Kommission Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft, 1998, Sondervotum der PDS, S. 155 271Ebd. 272Ebd. 273Negt, Oskar/Kluge, Alexander, 1977, S. 178f. 274Ebd. S. 181 77 http://www.mediaculture-online.de bei dem die herkömmlichen Grenzen von Sender und Empfänger aufgehoben sind, d.h.: Die Menschen selbst könnten hier öffentlich Stellung beziehen, könnten sich mit Gleichgesinnten austauschen, könnten Gegenöffentlichkeiten konstituieren und hätten damit die Möglichkeit konkurrierenden Meinungen öffentlich zu widersprechen. Berthold Brecht erkannte schon in den dreißiger Jahren, als der Rundfunk sich etablierte, die möglichen positiven Auswirkungen eines den echten Dialog ermöglichenden Massenmediums auf die Öffentlichkeit. „Der Rundfunk ist aus einem Distributionsapparat in einen Kommunikationsapparat zu verwandeln. Der Rundfunk wäre der denkbar großartigste Kommunikationsapparat des öffentlichen Lebens, ein ungeheueres Kanalsystem, d.h. er wäre es, wenn er es verstände nicht nur auszusenden, sondern auch zu empfangen, also den Zuhörer nicht nur hören, sondern auch sprechen zu machen und ihn nicht zu isolieren, sondern in Beziehung zu setzen. Der Hörfunk müßte demnach aus dem Lieferantentum herausgehen und den Hörer als Lieferanten organisieren. Deshalb sind alle Bestrebungen des Rundfunks, öffentliche Angelegenheiten auch wirklich den Charakter von Öffentlichkeit zu verleihen, absolut positiv.“275 Der neue Rundfunk, wie ihn sich Bertold Brecht vorstellt, würde zu einer größeren Bürgerbeteiligung bei Regierungsgeschäften führen, er könnte dazu führen, „die Berichte der Regierenden in Antworten auf die Fragen der Regierten zu verwandeln. Der Rundfunk muß den Austausch ermöglichen.“276 Eine solche entfaltete Telekommunikation würde eine Erweiterung der Sinne, und damit „der unmittelbaren Erfahrung der Menschen beinhalten, wie sie dem tatsächlichen Grad der gesellschaftlichen Kooperation entspricht.“277 Oscar Negt und Alexander Kluge halten diese technisch unterstützte Erweiterung der Wahrnehmungsfähigkeit für eine Voraussetzung jeder wirklichen gesellschaftlichen Veränderung. Selbstbestimmung läßt sich nur sinnvoll verwirklichen, „durch die Erweiterung des Bereichs der unmittelbaren Erfahrung“,278 weil sich nur damit das Problem, daß man zwar seine eigenen Verhältnisse 275Bertold Brecht, Der Rundfunk als Kommunikationsapparat. S. 553. In: W. Hecht u.a, Berlin/Weimar/ Frankfurt a. M.. 1992, Werke. Große kommentierte Berliner und Frankfurter Ausgabe. Zit. nach Roesler Alexander, 1997, S. 179f. 276Negt, Oskar/Kluge, Alexander, 1977, S. 180 277Ebd. S. 179 278Ebd. 78 http://www.mediaculture-online.de und Interessen kennt, aber von der übrigen Welt zuwenig weiß, lösen läßt.279 Gerade in unserer heutigen immer schwerer zu durchschauenden Welt und Gesellschaft mit ihren zahllosen globalen Verflechtungen scheint diese so verstandene Sinneserweiterung unumgänglich, um die Voraussetzungen für Partizipation und Einflußnahme zu erhalten. 5.1.5 Internet und Öffentlichkeit Wie weiter oben schon mehrfach angedeutet wurde280 scheint nun das Internet, zumindest aus rein technologischer Sicht, viele der oben beschriebenen Nachteile der alten beziehungsweise älteren Medienformen zu überwinden, sowie aus rein technologischer Sicht zumindest die idealen Kriterien für Öffentlichkeit zu erfüllen. So wird von vielen verschiedenen AutorInnen immer wieder im Zusammenhang mit dem Begriff der Öffentlichkeit auf das Internet und auf neue Möglichkeiten der Partizipation und der daraus folgenden Demokratisierung verwiesen. Mark Poster etwa weist explizit auf das Internet als „dezentrale und damit auch demokratische Kommunikationsstrukturen“281 fördernde Technik hin. Auch Hans Geser ist der Meinung, daß „in der neuen aequilibrierteren Kommunikationsstruktur eher Elemente der diskursiven Meinungsbildung und der plebiszitären Abstimmung in den Vordergrund treten“282 werden und damit Öffentlichkeit in einer neuen Form möglich werden wird. Er glaubt weiter, daß die neuen globalen Computernetze wegen ihrer objektiven technischen Merkmale dazu geeignet sind den „zentripetalen-homogenisierenden Wirkungen“ der alten Massenmedien ein „zentrifugal-außerinstitutionelles Korrektiv“ entgegenzusetzen, und daß nach einer Ausschöpfung dieser Potentiale in unserer Gesellschaft eine große Nachfrage besteht. Außerdem erwartet er einen von den Computernetzen induzierten „Strukturwandel der politischen Öffentlichkeit“, „der sich auf alle Aspekte und Phasen politischer Kommunikation“283 erstrecken wird. Die mögliche Schaffung einer globalen kritischen Öffentlichkeit gegenüber einer globalisierten Wirtschaft und Politik wird in Kapitel 5.2 noch ausführlicher dargelegt. 279Vgl. ebd. 280Vgl. Kapitel 3.2 281Poster, Mark, 1997, S. 147 282Geser, Hans, 1996b, http://www.uniz.cg/~geserweb/komoef/ftext.html 79 http://www.mediaculture-online.de Howard Rheingold glaubt, daß die „hierarchieauflösenden, entmassifizierenden Wirkungen von Computerkommunikationsnetzwerken“ zu einer „Wiederbelebung der Öffentlichkeit“ führen könnten.284 Das Internet verstärkt zudem den Trend der weiter oben ja schon beschriebenen Fragmentierung der Öffentlichkeit in viele Teilöffentlichkeiten. Diese Aufteilung in viele verschiedene Öffentlichkeiten kann durchaus einen gesellschaftlichen Gewinn bedeuten.285 Menschen, die sich in den vorherrschenden Öffentlichkeiten nicht wiederfinden können sich über Online-Öffentlichkeiten zusammenfinden und austauschen. „Durch diese Integrationsleistung unterstützt OnlineÖffentlichkeit die Selbstorganisation der Gesellschaft und bietet Räume, innerhalb derer sich Interessen formieren können – als eine Forum für zivilgesellschaftliche Segmente.“286 Fragmentierung kann somit dazu beitragen, daß der gesamtgesellschaftliche Kommunikationsraum erweitert wird, wenn sie denn dazu beiträgt, daß Menschen in Kommunikationsprozesse eingebunden werden, die „an den vorherrschenden Formen von Öffentlichkeit nicht teilnehmen können“.287 Jedoch können diese oben genannten, von vielen AutorInnen erwarteten positiven Auswirkungen auf die Öffentlichkeit durchaus auch bezweifelt werden. So erwartet etwa Howard Rheingold, obwohl er als Verfechter des demokratisierenden Potentials der Computernetze gilt, nicht zwangsläufig eine Verbesserung der öffentlichen Diskurse und verweist auf historische Erfahrungen mit anderen Medien. „Those who see electronic democracy advocates as naive or worse point to the way governments and private interests have used the alluring new media of past technological revolutions to turn democratic debate into talkshows and commercials. Why should this new medium be any less corruptible than previous media? Why should contemporary claims for CMC as a democratizing technology be taken any more seriously than the similar sounding claims that were made for steam, electricity, and television?“288 Er glaubt einerseits an das 283Geser, Hans, 1998, http://socio.ch/intcom/t_hgeser06.htm 284Rheingold, Howard, 1995, S. 194 285Diese Entwicklung ist ambivalent. Es sind sowohl Vorteile als auch Nachteile auszumachen. Zu den befürchteten Nachteilen siehe weiter unten im Text. 286Marschall, Stefan, 1999, S. 122 287Ebd. S. 123 288Rheingold, Howard, 1993, http://www.rheingold.com/vc/book/10.html 80 http://www.mediaculture-online.de partizipative und öffentlichkeits- und demokratiefördernde Potential der Computernetze und virtuellen Gemeinschaften, verweist aber zugleich darauf, daß das letzte Wort in dieser Entwicklung noch längst nicht gesprochen ist. Er weist auch darauf hin, daß sich auch in Computernetzen lediglich Scheinformen eines demokratischeren öffentlichen Diskurses etablieren könnten. „Virtual communities could help citizens revitalize democracy, or they could be luring us into an attractively packaged substitute for democratic discourse (...). What if these hopes for a quick technological fix of what is wrong with democracy constitute nothing more than another way to distract the attention of the suckers while the big boys divide up the power and the loot?“289 Gerade auch die durch das Internet noch verstärkte Fragmentierung der Öffentlichkeit und insbesondere der politischen Öffentlichkeit wird von vielen AutorInnen als problematisch oder zumindest von ihren Folgen ambivalent gesehen. Stefan Marschall hat diese Befürchtungen zusammengetragen.290 So wird zum Beispiel befürchtet, daß die „normative Integrationskraft“ von Öffentlichkeit in einer zunehmend differenzierten Gesellschaft abnimmt. Auch Rudolf Maresch kommt zu dem Schluß, daß die Chancen für neue demokratische Foren der Demokratie schlecht stehen. Er glaubt, daß die „Verschaltung und Elektronifizierung der Kommunikation Entmassung, Fragmentierung und die Singularisierung von Gruppen und Bevölkerungen weiter beschleunigen“291 wird. Öffentlichkeit wird sich Rudolf Maresch zufolge weiter Ausdifferenzieren und Multiplizieren und so dazu führen, daß eine unüberschaubare Zahl an Teilöffentlichkeiten entstehen wird. Der gemeinsame Erlebnisraum wird Rudolf Maresch zufolge nur noch durch massenmedial vermittelte Großereignisse wie Katastrophen, Weltmeisterschaften und ähnliches hergestellt werden.292 Er sieht keinen Grund warum das in elektronischen Netzen anders sein sollte, warum die Ökonomie der Aufmerksamkeit293 nicht auch hier zu einer Verflachung der Öffentlichkeit führen sollte. „Weder hat es diese politische 289Ebd. 290Vgl. Marschall, Stefan, 1999, S. 123 291Maresch, Rudolf, 1999, S. 147 292Vgl. ebd. 293Damit meint er die Tatsache, daß Berichte und Meldungen der Medien nach einfachen Wahrnehmungsmustern ausgesucht werden um sich Aufmerksamkeit zu sichern (interessant/uninteressant, informativ/uninformativ, gut/böse, schön/häßlich), mit dem Effekt eines universellen uninfomativen Infobreis. Vgl. Maresch, Rudolf, S. 133f. 81 http://www.mediaculture-online.de Öffentlichkeit je gegeben, noch gibt es eine reelle Chance, daß sie sich ausgerechnet jetzt realisiert, wo Technik und Medien Quellen der primären Erfahrung sind und Politiken mit Blick auf ihre mediale Wirksamkeit getroffen werden“.294 Eine weitere wichtige Aufgabe von Öffentlichkeit, nämlich Herrschaftszusammenhänge und Prozesse zu publizieren und problematische Entwicklungen öffentlich zu machen, kann durch die Tendenzen zur Fragmentierung gestört werden. Denn wenn nicht mehr ein hinreichend großes Publikum erreicht wird, dann ist die Größe des öffentlichen Drucks, die für die Kontrolle der politischen Akteure nötig ist, nicht gegeben.295 Die zunehmend kleiner und damit machtloser werdenden aufgespalteten Öffentlichkeiten sind damit tendenziell immer weniger geeignet bei den politischen Akteuren „antizipierenden Sensibilität und Verletzlichkeit“ hervorzurufen.296 Für die politischen Akteure bedeutet die zunehmende Fragmentierung zum einen die Schwierigkeit „systemische und policy bezogenen Unterstützung zu generieren“, aber auch daß Entscheidungsprozesse einer „umfassenden Publizität“ trotz vorhandener Öffentlichkeiten entzogen werden können. Info-Eliten verfügen aber gleichzeitig über mehr Möglichkeiten relevante Informationen zu sammeln „jedoch mit sinkender Fähigkeit“ der Moblilisierung.297 Moderne Öffentlichkeit und auch politische Öffentlichkeit wird auch im Internet298 dem vorherrschenden Trend folgen und der Fragmentierung unterliegen und damit lediglich (thematische) Teilöffentlichkeiten bilden können. Eine Öffentlichkeit, die eine gesellschaftsumfassende Wahrnehmung aller Anliegen ermöglicht, ist und war sicherlich Fiktion. Das haben die herkömmlichen Massenmedien nicht erreicht und das werden sicherlich auch die Computernetze nicht erreichen können. Trotz der Bedenken die Fragmentierung der Öffentlichkeit betreffend, ist es in einer pluralistischen, von vielen 294Maresch, Rudolf, S. 147. Er bezieht sich mit seiner Kritik direkt auf den Öffentlichkeitsbegriff von Jürgen Habermas. 295In der Geschichte des Internets gibt es allerdings zahlreiche Beispiele, daß trotz Teilöffentlichkeit ein genügend großer Druck auf EntscheidungsträgerInnen erzeugt werden kann. Öffentlichkeiten, welche sich im Internet konstituieren, sind oft aufgrund ihres globalen Charakters sehr groß. 296Vgl. Marschall, Stefan, S. 123 297Ebd. 298Das Usenet und auch Mailinglisten sind ein sehr gutes Beispiel für einen thematisch in zahllose Teilöffentlichkeiten gegliederten öffentlichen Raum. Hier bilden sich virtuelle Gemeinschaften, deren Mitglieder sich häufig durch eine weitentwickelte Diskussionskultur und ausgeprägte Selbstorganisation auszeichnen. 82 http://www.mediaculture-online.de unterschiedlichen Lebenslagen geprägten Gesellschaft unserer Auffassung nach sogar nötig und wünschenswert, daß Interessengruppen sich in Teilöffentlichkeiten engagieren, formieren, organisieren und austauschen können, um dann gestärkt und machtvoll auf der politischen Bühne aktiv zu werden. Nur durch Teilöffentlichkeiten kann den vielfältigen Lebenslagen und den daraus resultierenden Interessen der BürgerInnen Rechnung getragen werden. Dafür können die Computernetze durchaus, momentan leider nur für einen Teil der BürgerInnen, einen geeigneten Rahmen bieten. Claus Leggewie kommt zum Schluß, daß wenn die Öffentlichkeit bedroht ist, „dann weniger durch das Internet, das in Teilen als »autonome Teilöffentlichkeit« fungiert, als vielmehr durch Machtballungen der veröffentlichten Meinung, die schon zum Strukturwandel der klassischen Öffentlichkeit beigetragen haben und die Autonomie der Netzwerke heute auf ähnliche Weise bedrohen“.299 Die Enquete Kommission „Zukunft der Medien“ glaubt, daß mit der zunehmenden Verbreitung von neuen Informations- und Kommunikationstechniken mit einem verstärkten Auftreten von Segmentierungsprozessen und damit von Teilöffentlichkeiten zu rechnen ist. Die Kommission ist allerdings nicht der Auffassung, daß diese Tendenzen bedenklich sind.300 Das Internet ist geeignet neue Teilöffentlichkeiten zu konstituieren und prinzipiell öffentlich zu machen. Um die Interessen auf der politischen Ebene zum Thema zu machen muß natürlich der Weg in umfassendere Öffentlichkeiten beziehungsweise andere Teilöffentlichkeiten gelingen. Das bedeutet momentan zumindest, daß sich für eine sinnvolle Einflußnahme auch eine möglichst große massenmediale Öffentlichkeit, die das Internet zumindest momentan ja noch nicht bietet, geschaffen werden muß. „Gesellschaftliche und politische Bedeutung werden jedoch auch in Zukunft nur jene Personen und Themen gewinnen, die – weil nur sie eine hinreichende Reichweite besitzen – den Weg in die traditionellen Medien finden.“301 299Leggewie, Claus, 1998, S. 43 300Vgl. Enquete-Kommission Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft, 1998, S. 88f. 301Ebd. S. 98f. 83 http://www.mediaculture-online.de Das Netz kann somit nicht die Hoffnung erfüllen, eine allumfassende Öffentlichkeit im Sinne von Habermas zu schaffen302, und kann insofern kein Ort allgemeiner politischer Entscheidungen darstellen. Beispiele aus der Praxis der Newsgroups und anderer Community Networks zeigen auf, daß sich aber relativ stabile, verbindliche und dauerhafte Kommunikation im Internet entwickeln kann, die (vergleichbar mit den klassischen Privatzirkeln) öffentliche Geltung zu erlangen vermag.303 Wenn es um Gruppen, Gouvernance, Deliberation, Diskussion oder auch um Diskurse geht, „dann zeigen sich auch die Stärken des Mediums Netz. Das Netz ist kein Ort allgemeiner demokratischer Entscheidungen, aber ein Ort der vielfältigen Kommunikation, ohne die Entscheidungen undemokratisch und ineffektiv sind.“304 Auch Claus Leggewie sieht trotz aller Bedenken Potentiale für die Öffentlichkeit. Das Internet ist seiner Meinung nach vor allem geeignet „lokale Öffentlichkeiten zu verdichten“ und „grenzüberschreitende Arenen der Meinungsbildung herzustellen“. Damit könnte es dazu beitragen, den politischen Prozeß zu beleben, mehr Partizipation zu ermöglichen und so „den politischen Prozeß wieder mit größerer Legitimität auszustatten“.305 5.2 Globalisierung Globalisierung bezeichnet eine Entwicklung, welche bis in die Anfänge der Industrialisierung zurückreicht. Wenn man über Globalisierung redet, redet man also über einen Prozeß und nicht über einen Ist-Zustand. Der Anfang der Entwicklung wurde durch die Einsicht eingeleitet, daß Staaten, die in einen offenen Austausch mit anderen Volkswirtschaften treten, dadurch wirtschaftlich profitieren und vermehrt Gewinne erzielen können. Die OECD (Organisation for Economic Cooperation and Development) bezeichnet die Globalisierung demgemäß als „einen Prozeß, durch den Märkte und Produktion in verschiedenen Ländern immer mehr von einander abhängig werden – dank der Dynamik des Handels mit Gütern und Dienstleistungen und durch die Bewegungen von Kapital und Technologie“.306 302Vgl. hierzu auch Kapitel 5.4 303Vgl. Leggewie, Claus, 1998, S. 44 304Rilling, Rainer, Köln 1998a, S. 374 305Leggewie, Claus, 1998, S. 48f. 306v. Plate, Bernhard, 1999, S. 3 84 http://www.mediaculture-online.de Die Globalisierung hat verschiedene treibende Kräfte, deren wichtigste im Folgenden möglichst kurz dargestellt werden, um den Rahmen dieser Arbeit nicht zu sprengen. Denn in unserem Zusammenhang interessieren uns in erster Linie die gesellschaftlich zu erwartenden Auswirkungen des Globalisierungsprozesses, wie die Bedeutung für die Telekommunikation und die Politik. 5.2.1 Faktoren der Globalisierung Ein wesentlicher Faktor der Globalisierung ist schon angesprochen worden: Der politisch gewollte Abbau von wirtschaftlichen Grenzen. Aufgrund dieser Liberalisierung nach außen konkurrieren Unternehmen nun auf der ganzen Welt miteinander. Dies ist möglich, weil viele Regierungen durch bewußte Entscheidungen die Schutzwälle (bestehend aus Zöllen, Einfuhrbeschränkungen usw.) ihrer Volkswirtschaften zunehmend durchlässiger gemacht haben. Diese außenwirtschaftliche Liberalisierung ging einher mit dem Abbau staatlicher Vorschriften im Inneren, der sogenannten Deregulierung. Güter, Dienstleistungen und auch die internationalen Geldströme sind somit „von nahezu allen staatlichen Fesseln befreit worden“.307 Aber auch die gesunkenen Transportkosten und die Vereinheitlichung technischer Normen haben einen wichtigen Anteil am Vorantreiben der Globalisierung. Durch neuere Entwicklungen gerade im Bereich der Mikroelektronik und der Telekommunikation und die damit einhergehende Entwicklung von effektiven und schnellen Methoden zur Gewinnung, Übertragung und Speicherung von Informationen, wurde und wird der Prozeß der Globalisierung zusätzlich beschleunigt. Diese technischen Innovationen haben es erst ermöglicht, die Welt mit einem äußerst effektiven Kommunikationsnetz zu überziehen, und so läßt sich heute fast jeder Punkt der Erde in Bruchteilen von Sekunden erreichen.308 Die Informationsgesellschaft mit ihren neuen Kommunikationsmitteln und die Globalisierung sind unauflösbar miteinander verbunden, die entstehende Informationsgesellschaft ist ein Aspekt der Globalisierung. Schon in den Anfängen der Globalisierung im Zeitalter des Kolonialismus kamen Kommunikationsmitteln wie dem Buchdruck, der Telegraphie, und später dann dem 307v. Plate, Bernhard, 1999, S. 3 308Vgl. v. Plate, Bernhard, 1999, S. 3 und Schweigler, Gebhard, 1999, S. 21ff. 85 http://www.mediaculture-online.de Telefon und dem drahtlosen Rundfunk eine wichtige Bedeutung zu.309 Um so effektiver die Kommunikationsmittel wurden, umso schneller konnte der Prozeß der Globalisierung voranschreiten. Dies sind in aller Kürze die wesentlichsten Faktoren, die den „Motor“ der Globalisierung antreiben. 5.2.2 Gesellschaftliche Auswirkungen der Globalisierung Deutlich dürfte in diesen kurzen Ausführungen schon geworden sein, daß die Globalisierung ein in hohem Maße wirtschaftliches Phänomen darstellt. Nichtsdestotrotz sind die Auswirkungen in allen gesellschaftlichen Bereichen beträchtlich. Gerade deshalb ist ein Blick auf die Folgen der Globalisierung unumgänglich, um die zukünftigen Chancen der Partizipation in der Informationsgesellschaft besser abschätzen zu können. Nicht nur Waren- und Arbeitsmärkte, sondern auch ganze Staaten konkurrieren in einer globalisierten Welt auf Basis ihrer unterschiedlichen sozialen und gesellschaftlichen Verhältnisse miteinander. Sozialstaatliche Leistungen, ökologische Schutzgesetze und arbeitsrechtliche Bestimmungen einzelner Staaten beispielsweise, sind dann aus dieser Sicht nur noch wettbewerbsbeschränkende Faktoren, denen es sich zu entledigen gilt. Unverantwortlicher Abbau staatlicher sozialer Leistungen und Garantien, die Demontage der sozialen Marktwirtschaft310 (Aspekte der Deregulierung im Inneren) erscheinen dann im Licht der sogenannten Standortsicherung, und werden mit den Zwängen der Globalisierung begründet. Die finanziellen Verluste der Nationalstaaten, die um die globale Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten, durch sinkende Steuern auf Unternehmensgewinne oder aufwendige Infrastrukturmaßnahmen bedingt sind, werden „vornehmlich im sozialpolitischen Bereich eingespart und dort vor allem bei Programmen, die der sozialen Grundsicherung dienen“.311 Aber auch durch die erleichterte Abwanderung ganzer Produktionsstätten ins günstigere Ausland entgehen Nationalstaaten zunehmend Einnahmen. 309Vgl. Schweigler, Gebhard, 1999, S. 21 310Vgl. Schiller, Herbert I., 1998, S. 137ff. 311Brozus, Lars/Zürn Michael, 1999, S. 62 86 http://www.mediaculture-online.de Eine drastische Auswirkung der Globalisierung ist folglich die Verschärfung von Ungleichheiten und zwar sowohl global als auch lokal.312 An Industriestandorten werden immer weniger unqualifizierte ArbeitnehmerInnen gebraucht und gleichzeitig steigt die Nachfrage nach gut ausgebildeten SpezialistInnen, die überdurchschnittlich bezahlt werden und dank der effektiven Kommunikationsmittel auf der ganzen Welt rekrutiert werden können. Das führt dazu, daß zum einen immer mehr Menschen mit schlechter Ausbildung in eine immer schlechtere sozioökonomische Position gedrängt werden und zum anderen, daß die gut ausgebildeten Eliten immer wohlhabender werden. Die Kluft zwischen Arm und Reich wird immer größer und unüberbrückbarer. Verschärfend kommt hier die oben schon kurz beschriebene Entwicklung der Deregulierung im Innern und die damit verbundene Schwächung der staatlichen sozialen Netze zusammen. Durch die verstärkte inner- und außerstaatliche Deregulierung geben die Nationalstaaten immer mehr ihrer Handlungskompetenzen auf, indem sie ihre traditionellen finanzpolitischen Steuerungsinstrumente wie beispielsweise Zinsen und Steuern im Namen der Standortsicherung zunehmend abbauen, beziehungsweise diese im Zuge der Globalisierung immer weniger Effekte zeigen. Dies und die Tatsache, daß staatliche Politik an Territorien gebunden ist, während Kapital ebenso wie Arbeit und der Fluß der Daten ortlos geworden sind,313 führt zu einem insgesamt drastisch sinkenden staatlichen Einfluß, denn Belange und Entscheidungen, welche bisher innerstaatlich getroffen wurden, werden jetzt von globalen Institutionen und Konzernen getroffen, beziehungsweise erscheinen nun durch die Zwänge der Globalisierung unausweichlich. Insofern sind natürlich auch ganz grundlegende demokratische Prinzipien in Frage gestellt, denn „die demokratische Kontrolle durch den Bürger und die von ihm gewählten Institutionen richtet sich auf den jeweiligen Einzelstaat und seine Organe. Eine ähnliche institutionalisierte Kontrolle gegenüber den Wirtschaftseinheiten, aber auch gegenüber den großen Nichtregierungsorganisationen (NROs), die den Nationalstaat in einer sich globalisierenden Welt zunehmend hinter sich lassen besteht nicht“.314 So sieht auch Christoph Brönnimann durch die fortschreitende Globalisierung die Tendenz, daß die Handlungsspielräume von Individuen und staatlichen Institutionen in vielen Bereichen 312Vgl. Kapitel 5.4 313Vgl. Rötzer Florian, 1998c, http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/buch/2053/1.html 314v. Plate, Bernhard, 1999, S. 7 87 http://www.mediaculture-online.de eingeschränkt werden, weil immer mehr Entscheidungen, die das persönliche Wohlergehen, den sozialen Frieden oder die staatliche Souveränität betreffen, nicht mehr im Rahmen demokratischer Entscheidungsfindung geregelt werden.315 5.2.3 Die Informationsrevolution Eine weitere Folge sowie ein wichtiger Motor der Globalisierung, und gerade im Zusammenhang mit unserer Arbeit interessant, ist die erfolgte „Informationsrevolution“, welche durch die Globalisierung der Kommunikation erfolgt, was wiederum durch technische Neuerungen möglich war. „Die Verquickung von technologischen Entwicklungen, wirtschaftlichen Interessen und politischen Zielsetzungen bewirkte eine nicht mehr aufhaltbare Eigendynamik – eine Informationsrevolution.“316 Der Inbegriff der Globalisierung von und durch die Kommunikation, beziehungsweise der Information, ist mittlerweile zweifellos das Internet. Das Internet – das Netz der Netze – vereint in sich immer mehr lokale, nationale und internationale Computernetze und ist durch seine Dezentralität und damit zugleich ziemlich schwierige Kontrollierbarkeit gekennzeichnet. Die schon beschriebene Effektivitätssteigerung der Informations- und Kommunikationsmittel (das Internet ist auch hier das Paradebeispiel) führen dazu, daß Ereignisse auf der ganzen Welt in Echtzeit stattfinden, sie ermöglichen zudem, die staatlich nicht mehr kontrollierbaren, um unseren Globus fließende Finanzströme. Nicht nur die Firmen, Medienanstalten und großen Konzerne profitieren von dieser Entwicklung, auch das Individuum ist nun mit Hilfe des Internets in der Lage, in einem so noch nie dagewesenen Ausmaß Informationen zu gewinnen, zu verbreiten und zu verarbeiten.317 Dieser mögliche globale, individuelle Informationsaustausch hat sich zu einem weltweiten Massenphänomen entwickelt, die Individuen können nun massenhaft und unkontrolliert über alle nationalstaatlichen Grenzen hinweg miteinander kommunizieren. „Die Individualisierung fördert insofern die Globalisierung, als jede einzelne Person nunmehr aus engen nationalen Grenzen ausbrechen und sich global betätigen kann.“318 Gerhard Schweigler ist deswegen der Auffassung, daß „die Stellung des einzelnen in Gesellschaft, Wirtschaft und Politik (...) dadurch grundsätzlich gestärkt“ wird, „denn 315Vgl. Brönnimann, Christoph, 1996, http://www.datacomm.ch/~cbro/text1.html 316 Schweigler, Gebhard, 1999, S. 22 317Vgl. Kapitel 3.2 und auch Kapitel 5.4 318Schweigler, Gebhard,1999, S. 22 88 http://www.mediaculture-online.de Informationsmonopole kann es nicht mehr geben“.319 Er sieht eine Weltinformationsgesellschaft heranwachsen, deren Grundlage die größtmögliche Offenheit ist.320 Diese Einschätzung hat durchaus ihre Berechtigung, allerdings kann man die sich aus der Globalisierung ergebenden Entwicklungen natürlich auch pessimistischer sehen. Denn eine wesentliche Auswirkung der Globalisierung ist die Bildung von immer mächtigeren, die ganze Welt umfassenden Konzernen und die Dominanz von wirtschaftlichen Interessen auf nahezu allen gesellschaftlichen Gebieten. Es vergeht heute wohl kaum ein Tag, an dem nicht die Nachricht von einer großen Firmenfusion die Runde macht. Die heutigen Telekommunikationsnetze und großen Informationsanbieter gehören heute schon einigen wenigen Weltkonzernen.321 „Namen wie Murdoch, Kirch, Berlusconi, Ted Turner etc. signalisieren einen gerade heute sich stark beschleunigenden Konzentrationsprozess privater Medienmacht(...).“322Auf dieses Problem weist auch Benjamin Barber nachdrücklich hin: „Während Regierungen vor der Aufgabe zurückschrecken, die Kommunikation zu regulieren, und die neuen Technologien sich in einer Weise globalisieren, die sie gegenüber Regulierungen resistent machen, entwickeln sich, wen wundert es, die entsprechenden Eigentumsverhältnisse eher mehr, denn weniger in Richtung Monopol.“323 Wer nun aber das Eigentum an der Infrastruktur hat, kann und wird wahrscheinlich seine Monopolstellung dazu nützen, auch auf die Informationserzeugung und Verbreitung Einfluß zu nehmen. Rainer Rilling hat beispielsweise mehrfach darauf hingewiesen, daß ressourcenstarke institutionelle Anbieter, große Medien (Content Provider) und kapitalstarke politische Netzunternehmer im Internet zentral positioniert sind, d.h über hohe Zugriffszahlen auf ihre Angebote verfügen und damit einen großen öffentlichen Einfluß haben. Diese virtuellen Informationsprovider sind Rainer Rilling zufolge größtenteils identisch mit den handlungsfähigen politischen Institutionen und globalen Konzernen des „real life“.324 Rainer Rilling spricht damit das Problem an, daß zwar prinzipiell jeder im Internet Informationen verbreiten kann, daß aber auch hier meist nur große, finanzkräftige und damit mächtige Institutionen es schaffen die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. „So 319Ebd. 320Ebd. S. 24 321Vgl. Schiller, Herbert I., 1998, .S. 136ff. 322Vgl. Geser, Hans, 1996b, http://www.uniz.cg/~geserweb/komoef/ftext.html 323Barber, Benjamin, 1998, S. 125 324Rainer Rilling, 1998a, S. 368ff. 89 http://www.mediaculture-online.de wächst die Aufmerksamkeit in erster Linie jenen formalen Instanzen (Regierungen, Grossunternehmen) zu, die allen bekannt sind, als relevant angesehen werden (und für viele als vertrauenswürdig gelten).“325 Natürlich gibt es hoffnungsvolle Ausnahmen, wie wir weiter unten noch aufzeigen werden, aber das bestimmende Moment scheint zunehmend von den finanzkräftigen Informationsanbietern auszugehen. Benjamin Barber sagt zu diesem Punkt nur lapidar: „Doch glaubt jemand wirklich, die allgemeine Möglichkeit, sich eine Homepage einzurichten, sei dasselbe, wie die allgemeine Macht, den Lauf der Welt zu beeinflussen?“326 Auch Herbert I. Schiller vertritt eine eher pessimistische Einschätzung, die er zunächst historisch begründet: „In den letzten 70 Jahren wurde jede neue Kommunikationstechnologie – den Anfang machte das Radio – schnell vom kommerziellen Sektor aufgesogen, wobei gleichzeitig der öffentliche oder soziale Gebrauch schwach und ineffizient blieb.“327 Wie sich das Internet entwickeln wird ist Herbert I. Schiller zufolge eine Frage der nationalen und vor allem der globalen Machtverteilung. Was eine Technologie auch theoretisch an zwingenden Implikationen mit sich bringt, sie wird doch „auf der konkreten Ebene die Prämissen und Ziele derjenigen Gesellschaft reflektieren, die sie zur Anwendung bringt“.328 Wer hat die Macht, die Entwicklung so zu beeinflussen, daß das Internet zu einem Mittel wird, welches geeignet ist bei der Befriedigung von menschlichen, kulturellen und sozialen Bedürfnisse und sogar dem Traum von menschlicher Solidarität, Gleichheit, maximaler gesellschaftlicher und politischer Partizipation und auch individueller kultureller Bereicherung dienlich zu sein? Und wer hat demgegenüber die Macht, die Information komplett zu kommerzialisieren, neue Vermarktungsmöglichkeiten zu entwickeln, die Möglichkeiten der globalen Kommunikation in ein Instrument imperialistischer Ambitionen zu verwandeln?329 Diese 325Geser, Hans, 1996b, http://www.uniz.cg/~geserweb/komoef/ftext.html 326Barber, Benjamin, 1998, S. 128 327Schiller, Herbert I., 1998, S. 135 328Barber, Benjamin, 1998, S. 120 329In höchsten Regierungskreisen der USA werden die neuen Informationstechnologien als ein Mittel betrachtet die globale Vormachtstellung zu erhalten. So stand in einem Artikel in Foreign Affairs, einer wichtigen Zeitschrift für Außenpolitik ein Artikel von Joseph S. Nye Jr. und Willen Owens (zwei hochrangige Beamte der Clinton Administration): „Wissen ist mehr als je zuvor Macht. Jenes Land dem es gelingt, die Führung in der Informationsrevolution einzunehmen, wird mächtiger sein als alle anderen. In absehbarer Zukunft werden die Vereinigten Staaten dieses Land sein.„ Joseph S. Nye Jr./Whiliam A. Owens, Americas Information Edge. Foreign Affairs, März/April 1996, S. 20-36, zit. nach Schiller, Herbert 90 http://www.mediaculture-online.de beide Hauptvisionen lassen sich Schiller zufolge im Hinblick auf das Internet unterscheiden. Beide Ansätze sind laut Herbert I. Schiller nicht vereinbar, „denn zwischen beiden Ansätzen besteht eine unüberbrückbare Kluft, mehr noch: vollkommene Unvereinbarkeit. Sollen Entwicklung und Expansion dieses neuen Werkzeuges von einer sozialen Ausrichtung getragen sein, so muß die kommerzielle Nutzung an zweiter Stelle stehen. Sind jedoch Kommerzialisierung und imperialistische Ambitionen die primären Antriebskräfte, so werden die sozialen Vorteile schwinden und das soziale Potential der elektronischen Netzwerke zum größten Teil ungenutzt bleiben“.330 Die Durchsetzung der einen Vision schließt die andere praktisch aus. Die Antwort auf die Machtfrage ist momentan zumindest klar: Die Welt ist ein globaler Markt geworden, der von relativ wenigen und zumeist amerikanischen Unternehmen beherrscht wird, die Nationalstaaten verlieren zunehmend an Einfluß331 und geben immer mehr ihrer Macht und Entscheidungsbefugnisse an die global operierenden Unternehmensverbände ab. Wie weiter oben schon kurz erläutert wurde, ist der globale Unternehmenskapitalismus aufgrund der fortschreitenden Deregulierung so gut wie keinen Beschränkungen mehr unterworfen. Dieses globale Geflecht aus transnationalen Unternehmen arbeitet nun daraufhin, eine weltweite, privatisierte Kommunikationssphäre zu schaffen, und das tun sie bis heute sehr erfolgreich.332 Die heute schon unübersehbare Kommerzialisierung des Internet spricht hier eine deutliche Sprache. „Die zukünftige Entwicklung des Internets muß in diesem Kontext des massiven Unternehmenseinflusses – auf globaler und regionaler Ebene – gesehen werden.“333 Schon in den letzten Jahren entstanden teilweise gigantische Medienverbünde. Satellitensysteme, Radio, (Kabel-) Fernsehen, Film-, und Musikindustrie wachsen nun mit der Softwareindustrie und großen Telekommunikationsund Telefongesellschaften zusammen.334 Diese Konglomerate bilden eine äußerst mächtige „Anhäufung von Kapital-, Kultur- bzw. Informationsmacht“.335 Kann man I., 1998, S. 140 330Schiller, Herbert I., 1998, S. 134f. 331Vgl. ebd. S. 140f. 332Vgl. Schiller, Herbert I., 1998, S. 136f. 333Ebd. S. 138 334Ebd. S. 138f. 335Ebd. 138 91 http://www.mediaculture-online.de angesichts dieser Entwicklung hin zu einer immer größeren Machtkonzentration in den Händen immer weniger transnationaler Konzerne wirklich von einer grundsätzlichen Stärkung der Stellung der BürgerInnen ausgehen? Festzuhalten ist: Von den Telekommunikationsmonopolen geht zumindest eine große Gefahr für die Vielfalt und den Pluralismus von Informationen aus, eine Tendenz, die eben jenen Hoffnungen auf mehr Öffentlichkeit, bessere Informationsmöglichkeiten der BürgerInnen und daraus möglicherweise resultierenden besseren gesellschaftlichen Partizipation und Emanzipation der Menschen zuwiderläuft.336 Die Informationsgesellschaft und vor allem die Hoffnungen die mit ihren Kommunikationsund Informationstechnologien verbunden sind erscheinen in einer Welt, die mehr und mehr von wirtschaftlichen Belangen gesteuert wird, insgesamt in keinem guten Licht. So kommt Benjamin Barber zu dem ernüchternden Schluß, daß eine kommerzielle Kultur notwendigerweise auch ein kommerzielle Technologie ausbilden wird.337 Trotz dieser insgesamt entmutigenden Aussichten wird, selbst wenn sich das Internet (das Leitmedium der Informationsgesellschaft) zunehmend kommerzialisiert, immer auch Platz für alternative Nutzungsformen bleiben. Gerade im Zeitalter der Globalisierung, wo lokale Entscheidungen zunehmend zu globalen Problemen und Risiken führen338 ist ein sehr schnelles globales Kommunikationsmedium eine Voraussetzung für grenzüberschreitendes kooperatives Handeln. Solange es auf globaler Ebene dieses politische Vakuum339 gibt, kann ein Mittel wie das Internet dazu beitragen, daß sich Menschen global organisieren können und versuchen, auf diese Weise ihre Interessen durchzusetzen. „Seine globale Reichweite ermöglicht die Schaffung einer kritischen Öffentlichkeit gegenüber der globalisierten Politik und Wirtschaft.“340 Ulrich Beck341 etwa 336Vgl. Kapitel 5.1 337Vgl. Barber, Benjamin, 1998, S. 123 338Ein populäres Beispiel sind ökologische Risiken. Beispielsweise leidet Australien bekanntermaßen an den Folgen der massiven FCKW-Freisetzung der nördlichen Industriestaaten. Australien selbst setzt vergleichsweise wenig FCKWs frei und hat trotzdem die Folgen, nämlich das Ozonloch und die daraus resultierenden verstärkt auftretenden Hautkrebserkrankungen zu tragen. Das Dilemma ist, daß die australische Regierung keinen direkten Einfluß auf den Ausstoß dieser gefährlichen Stoffe nehmen kann. 339Vgl. Sassen, Saskia, 1997, S. 233 340Marschall, Stefan, 1999, S. 122f. 341Vgl. Beck, Ulrich, 1999, http://www.ix.de/tp/deutsch/inhalt/co/2783/1.htm 92 http://www.mediaculture-online.de weist daraufhin, daß sich heute schon bedingt durch die Globalisierung von Risiken auch globale Interessengemeinschaften bilden, er nennt sie Risikogemeinschaften.342 Er diagnostiziert ganz allgemein eine „Enträumlichung des sozialen und politischen Lebens und Handelns“, die besonders durch die Informations- und Kommunikationstechnologien gefördert wird. Gemeint ist damit, daß sich soziale Nähe nicht mehr ausschließlich aus lokalen Gemeinschaften ergibt, nicht mehr nur auf geographische Nähe zurückgeführt werden kann. Nicht nur Konzerne agieren global, sondern es findet Ulrich Beck zufolge zunehmend eine globale Gemeinschaftsbildung statt.343 „Mit anderen Worten: Es gibt eine enträumlichte Struktur und Organisation sozialen und politischen Handelns, (...). Wer diese Richtung einschlägt, wird entdecken, daß auch Formen demokratischer Entscheidungsfindung, politischer Organisation, Bürgerrechte und Bürgerarbeit transnational entwickelt, entworfen und rekonstruiert werden können.“344 Politischen und sozialen Bewegungen eröffnen sich durch die globale Informationstechnik „völlig neue Möglichkeiten, zum Beispiel die weltweiten Echoeffekte, einschließlich der durch sie erzielbaren Solidarisierung, zum Zentrum ihrer örtlichen Provokation zu machen“.345 Teilweise haben, wie Beispiele zeigen, schon heute weltweit agierende Nichtregierungsorganisationen durch die äußerst schnellen Kommunikationsund Informationsmöglichkeiten eine große Schlag- und Durchsetzungskraft entwickelt.346 342Die am 30.11.1999 in Seattle organisierten Proteste gegen die Ministertagung der Welthandelsorganisation ist ein sehr eindrückliches Beispiel für dieses Phänomen. Der Protest wurde von langer Hand im Internet mittels Mailinglisten und dutzender Websites, auf denen lange Papiere und komplexe Analysen über weltwirtschaftliche Zusammenhänge zu finden sind, vorbereitet. Auf diese Weise entstand ein Bündnis unterschiedlichster Organisationen und Aktivisten, die im erfolgreichen und medienwirksamen Aufstand in der „analogen Welt„ gipfelte. Die vorbereitenden Diskussionen wurde vermittelt durch das Netz auf hohem Niveau und global geführt. „Noch die obskurste Meinung gewann eine bislang unbekannte Resonanz. Sie wurde durch das Netz selbst global, dadurch keineswegs wahrer, wohl aber korrigiert und gemessen an den Maßstäben, die sich in den eher theoretischen Beiträgen wie auch den Aufrufen zur Aktion immer weiterentwickelt haben.„ Die Diskussion wird nun auch nach den Demonstrationen im Netz auf hohem Niveau fortgeführt. „Zum ersten Mal hatte eine Debatte im Internet derart spektakuläre Folgen. (...) Die Website ‚n30', (...) begann schon während der Konferenz über kleinste und kleine Aktionen in aller Welt zu berichten, die kaum je von der lokalen Presse wahrgenommen wurden.„ Zur weiteren Globalisierung der Diskussion und der Proteste werden nun die englischen Webseiten in mehrere Sprachen übersetzt. Hablützel, Niklaus, 1999, S.16, 343Vgl. Beck, Ulrich, 1999, http://www.ix.de/tp/deutsch/inhalt/co/2783/1.htm 344Vgl. ebd. 345Ebd. 346Beispiel dafür ist der Fall des peruanischen Schriftstellers Julio Mendívil, der in seiner Heimat zu Unrecht verhaftet wurde und erst nach langandauernden Protesten, organisiert über das Internet und per E-Mail, freikam, oder auch die erfolgreichen Internetproteste der kolumbianischen Uwa-Indianer gegen den 93 http://www.mediaculture-online.de Auch die Zapatistas, eine mexikanische Guerillabewegung, die für die Rechte der indianischen Bevölkerung eintritt, haben das Netz beispielsweise schon sehr erfolgreich für ihre Belange eingesetzt und es durch den Einsatz modernster Kommunikationsmittel geschafft, die drohende und von Mexikos Regierung versuchte Isolierung, zu umgehen.347 „However, through their ability to extend their political reach via modern computer networks the Zapatistas have woven a new electronic fabric of struggle to carry their revolution throughout Mexico and around the world.“348 Abschließend läßt sich sagen, daß der globale virtuelle Raum eben nicht nur als Mittel der Informationsübertragung dient, sondern auch ein Platz von Kapitalakkumulation und der Operation mit diesem Kapital darstellt. Das bedeutet nun, „daß der elektronische Raum in eine größere Dynamik eingebettet ist, die eine Gesellschaft und vor allem die Wirtschaft organisiert“.349 Das Internet ist einerseits ein Ort, der von seiner ursprünglichen Struktur her die Machtverteilung und die Möglichkeiten autoritärer und monopolistischer Kontrolle beschränkt, er ist aber zugleich auch ein Raum des Wettbewerbs und der Segmentierung350 geworden. Angesichts der Tatsache, daß sehr viele der im Internet zusammengeschlossenen Netze in privater Hand sind und deshalb ein Großteil der im Netz lokalisierten Macht nicht unbedingt die typischen Eigenschaften des Internets aufweist, stößt man heutzutage im Internet sicherlich viel häufiger auf Machtkonzentration und Hierarchieproduktion als auf Machtverteilung. Wie die obigen Beispiele jedoch zeigen, kann das Netz auch in Zeiten wachsender Kommerzialisierung tatsächlich zu einer sozialen und politischen Organisation und Kommunikation beitragen. Besonders US-amerikanischen Ölkonzern Oxy. Vgl. Eßer, Torsten, 1999, http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/co/5405/1.html 347Die EZLN (Ejército Zapatista de Liberación Nacional) bei uns meist nur Zapatistas genannt, gelten als Vorreiter des Einsatzes des Internets um weltweit Unterstützung zu mobilisieren. Nach Beginn ihres Aufstandes 1994 verbreitete. Die EZLN ihre Erklärungen und Manifeste über das Internet. Neueste Entwicklungen in Chiapas wurden oft schon Minuten später weitergegeben und waren so augenblicklich weltweit abrufbar. Vgl. Eßer, Torsten, 1999, http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/co/5405/1.html 348Cleaver, Harry, 1995, http://www.eco.utexas.edu:80/Homepages/Faculty/Cleaver/zaps.html 349Sassen, Saskia, 1997, S. 231 350Saskia Sassen versteht unter Cybersegmentierung die Strukturierung des elektronischen Raums durch Kommerzialisierung des Zugangs, durch das Entstehen von Dienstleistungsunternehmen, die Informationen für zahlende Kunden sortieren, auswählen und bewerten und die Bildung von privaten und strikt abgeschotteten Netzwerken im Web (Beispielsweise über Passwörter). Vgl. Sassen, Saskia, 1997, S. 225ff. 94 http://www.mediaculture-online.de interessant scheint das Internet zu sein, um für lokale Ereignisse globale Solidarität und Aufmerksamkeit beziehungsweise Öffentlichkeit zu schaffen. Die äußerst pessimistische Einschätzung der Unvereinbarkeit von kommerziellen Interessen und politisch/sozialem Gebrauch, die Herbert I. Schiller vertritt, wird durch diese Beispiele aus der politischen und sozialen Praxis abgeschwächt. Es scheint tatsächlich, als ob es neben der kommerziellen Nutzung des Internets auch weiterhin sinnvolle Potentiale für die politische Einflußnahme und Partizipation auf gesellschaftlicher und globaler Ebene gibt. Aber diese Nutzungsformen werden keinesfalls bestimmend werden, wenn weiterhin nur die Gesetze des Marktes die weitere Entwicklung bestimmen. „Das Netz könnte weithin ein Ort tatsächlicher (d.h. nicht notwendig selbstbewußter) demokratischer Praktiken sein. Das wird es aber teilweise eher als Widerstandform, gegen eine überhand nehmende Wirtschaftsmacht und gegen die Macht der Hierarchie sein, denn als der Raum unbegrenzter Freiheit, als der es heute gerne gesehen wird.“351 5.3 Veränderungen der Arbeit Der Umbruch von einer Industriegesellschaft zur Informationsgesellschaft wird zum großen Teil durch den Wandel der Art und Organisation von Arbeit definiert, wie schon in Kapitel 2.2 deutlich geworden ist. Hier wollen wir diesen Veränderungsprozeß näher beschreiben und uns fragen, welche Bedeutung der Wandel für die Partizipationsmöglichkeiten der Menschen auf verschiedenen gesellschaftlichen Ebenen hat. Konkreter stellen sich folgende Fragen: • für wen gibt es Arbeit und wer sind die Gewinner des Veränderungsprozesses? • Wie wirkt sich der Wandel auf die Mitbestimmung der Arbeitenden an ihren Arbeitsbedingungen aus? • Wie wirken sich die Veränderungen auf das Emanzipationspotential der Beschäftigten bei der Arbeit selbst aus? • Was bedeuten die neuen Arbeitsformen und Beschäftigungsverhältnisse für die gesellschaftlichen Teilhabemöglichkeiten der Menschen insgesamt? 5.3.1 Der Veränderungsprozeß Bei der Darstellung des Wandlungsprozesses geht es einerseits um Veränderungen, die schon stattfinden und andererseits um Trends, die daraus abgelesen beziehungsweise 351Sassen, Saskia, 1997, S. 234 95 http://www.mediaculture-online.de prognostiziert werden und deren konkrete Erscheinung sich noch im Feld der Spekulationen befindet. Schließlich müssen immer wieder Entscheidungen getroffen werden, die die Gestaltung der gesellschaftlichen Arbeit betreffen, auch wenn oft der Anschein erweckt wird, es handle sich um einen quasi natürlichen Wandlungsprozeß, beziehungsweise um einen Prozeß, der sich der bewußten (politischen) Steuerung entzieht. Es sind vor allem drei große Trends, die sich im Arbeitsbereich abzeichnen: Zum einen der Ausbau des Dienstleistungssektors und zum andern die Informatisierung der Arbeit, wobei es auch im Dienstleistungssektor überwiegend um die Verarbeitung von Informationen gehen wird.352 Den neuen Informations- und Kommunikationstechnologien kommt dabei eine zentrale Bedeutung zu, da sie „das Instrument zur Rationalisierung der Sammlung, Speicherung, Verarbeitung und Verbreitung des ‚Rohstoffs’ der Informationswirtschaft“353 sind. Als weiterer Trend gelten die Änderungen der Arbeitsorganisation, die zwar nicht unmittelbar auf die neuen Technologien zurückzuführen sind, aber durch sie erst in diesem Maße ermöglicht werden. Wie in Kapitel 2.2 schon dargestellt wurde, ist für Andrea Baukrowitz und Andreas Boes die Informatisierung der Arbeit keine neue Entwicklung. Menschliche Arbeit beinhaltete schon immer auch wissensverarbeitende Prozesse, wobei diese Denkarbeit im Zuge der modernen kapitalistischen Produktionsweisen zunehmend von dem Verrichtungsprozeß der Arbeit getrennt wurde. Dadurch entstand ein relativ eigenständiger Informationsverarbeitungsprozeß. Mit den Informations- und Kommunikationstechnologien hat die Informatisierung der Arbeit eine qualitativ neue Stufe erreicht. „Durch die Einbettung unternehmensinterner Informationssysteme in öffentliche Kommunikationsnetzwerke ist das Entstehen einer weltweit durchgängigen Informationsebene verbunden, die über die Produktion hinaus auch andere gesellschaftliche Reproduktionsformen erfaßt.“354 Wie in diesem Zitat schon angeklungen ist, sind diese Trends auch im Zuge einer Globalisierung zu sehen, die durch die Schaffung eines globalen Informations- und 352Vgl. zum Beispiel Enquete-Kommission Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft, 1998, S. 49f. 353Ebd. S. 50 354Baukrowitz, Andrea/Boes, Andreas, 1997b, http://staff-www.uni-marburg.de/~boes/artfiff.html 96 http://www.mediaculture-online.de Kommunikationsraumes eine neue Dynamik erhält und die sich ihrerseits wiederum auf die Organisation und Verteilung von Arbeit auswirkt.355 Insgesamt sind die Veränderungen der Arbeit durch eine weitgehende Flexibilisierung gekennzeichnet, die sich auf Arbeitsort, Arbeitszeit und Arbeitsmenge beziehen,356 verbunden mit Änderungen der Arbeitsorganisation. So wird es durch die neuen Kommunikationstechniken möglich, daß Menschen zusammenarbeiten, die räumlich weit voneinander entfernt sind. Auf dieser Basis entstehen Teleheimarbeitsplätze, an denen die MitarbeiterInnen eines Unternehmens ganz oder teilweise zu Hause arbeiten, wobei sie mittels Computer und Telefonleitungen mit ihrer Firma verbunden sind. Auch bei der Arbeitsorganisation wird zunehmend auf Flexibilisierung gesetzt, mit der auf sich schnell verändernde Marktbedingungen reagiert werden soll. Erreicht wird dies durch eine Verschlankung der Organisationsstruktur, durch ein Abflachen von Hierarchien, die Dezentralisierung von Entscheidungskompetenzen und die Etablierung partiell autonomer Arbeitsgruppen. Das Ziel ist hierbei das „Schlanke Unternehmen“, das je nach Auftragslage MitarbeiterInnen zu Projekten zusammenfassen und immer wieder neu gruppieren kann. Viele Unternehmen werden nur noch wenige feste Angestellte benötigen, aber für bestimmte Arbeitsprozesse freie MitarbeiterInnen haben. Das bedeutend dann, daß das sogenannte Normalarbeitsverhältnis immer seltener sein wird und viele Arbeitsverhältnisse sich irgendwo zwischen Angestelltenverhältnissen und Selbständigkeit bewegen werden.357 Gehofft wurde auf die Entstehung neuer Arbeitsplätze, vor allem im Bereich der Telearbeit. Es hat sich allerdings gezeigt, daß zwar neue Arbeitsplätze geschaffen werden, jedoch nicht so viele wie ursprünglich erwartet wurden. Außerdem gibt es auf der anderen Seite einen Verlust von Arbeitsplätzen durch Rationalisierungsmaßnahmen, die ebenfalls auf die neuen Technologien zurückzuführen sind. Gerade im Zusammenhang mit einer Globalisierung der Wirtschaft, steht einer Verteilung von Arbeitsplätzen rund um die Welt nichts mehr im Wege. Was seinerseits wieder als Argument dafür genommen 355Vgl. Kapitel 5.2 356Vgl. Winker, Gabriele, 1997, S. 91ff. 357Vgl. Enquete-Kommission Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft, 1998, S. 54 97 http://www.mediaculture-online.de wird, an sozialen Absicherungen für Arbeitskräfte zu sparen, um die vielzitierte Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens auf dem Weltmarkt zu erhalten. Es ist zu befürchten, daß neue Segmentierungen im Bereich der Arbeit entstehen, zum Beispiel durch veränderte Beschäftigungsverhältnisse, ohne daß jedoch schon bestehende Segmentierungslinien außer Kraft gesetzt werden. Nach Gabriele Winker führen veränderte Formen der Arbeitsorganisation zu einer Flexibilisierung der Arbeitsmenge, die weitere Segregationsprozesse auf dem Arbeitsmarkt zur Folge haben wird: „Statt alle Erwerbspersonen gleich lang zu beschäftigen, bilden sich in den Unternehmen sogenannte ,Olympiamannschaften’ als Stammbelegschaften, die unabkömmlich sind und mit abgesichertem Erwerbseinkommen bis zu 60 Stunden die Woche arbeiten.“358 Daneben vermehrt sich die unbeständige und ungesicherte Erwerbsarbeit durch zeitlich befristete Arbeitsverhältnisse, geringfügige Beschäftigungen und sogenannte Scheinselbständigkeit. Mit der Veränderung der Tätigkeiten und Beschäftigungsverhältnisse durch die neuen Technologien ist ein Anstieg der Qualifikationsanforderungen verbunden. Hochqualifizierte Jobs werden gegenüber niedriger qualifizierten Jobs zunehmen und ständige Weiterbildung erfordern.359 Gerade was die Qualifikation betrifft, kann durchaus eine Verstärkung der Spaltung der Hochqualifizierten gegenüber den niedriger Qualifizierten stattfinden. Welche Chancen und Risiken sich für verschiedene Personengruppen durch die Veränderungen der Arbeit ergeben, müßte jeweils einzeln betrachtet werden. Auf die Frage, was der Wandel zum Beispiel für Frauen bedeutet, wird in Kapitel 5.5 genauer eingegangen. Neue Segmentierungen im Bereich der Arbeit entstehen also sowohl bei der Art der Arbeit und der Beschäftigungsverhältnisse, als auch bei der Frage, wer überhaupt Arbeit hat und wer nicht. Arbeitslosigkeit bedeutet ein Ausgeschlossensein aus einem wichtigen Bereich der Gesellschaft und Segmentierungen der Gesellschaft haben bekanntermaßen ihre Auswirkungen auf die politische und gesellschaftliche Partizipation, worauf wir in Kapitel 5.4 noch genauer eingehen werden. 358Winker, Gabriele, 1997, S. 93 359Vgl. zum Beispiel Enquete-Kommission Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft, 1998, S. 50f. und Bühl, Achim, 1996, S. 223 98 http://www.mediaculture-online.de 5.3.2 Verfügung oder Mitbestimmung über die eigenen Arbeitsstrukturen Allgemein findet ein Wandel statt, der sich über die Arbeit selbst hinaus auf das Leben der Menschen erstreckt: „Der Prozeß betrieblicher Virtualisierung führt in Gestalt der Telearbeiter zur tendenziellen Auflösung der klassischen industriegesellschaftlichen Trennung zwischen Arbeitszeit und Freizeit, zwischen Arbeitsplatz und Wohnort.“360 Die Hoffnungen, die sich mit der Telearbeit verbinden, beziehen sich zum einen auf eine flexiblere Zeiteinteilung, die zum Beispiel Vorteile bei der Vereinbarkeit von Produktionsund Reproduktionsarbeit bringen könnte, oder auf das einfachere Einbeziehen behinderter Menschen und eine größere Unabhängigkeit bei der Wahl des Wohnortes. Mit der neuen Selbständigkeit wird es möglich, aus den betrieblichen Hierarchien auszusteigen, in der Hoffnung auf ein selbstbestimmteres Leben und Arbeiten. Gleichzeitig sind damit aber auch neue Risiken verbunden. Vor allem bei Tätigkeiten, die formal als selbständig gelten, bei denen tatsächlich jedoch eine Abhängigkeit von einem Auftraggeber besteht, allerdings ohne arbeits- und sozialrechtliche Absicherung. „Das Leben des Selbständigen als eine Art Typus zwischen Unternehmer und Tagelöhner wird durch positiv erfahrene Möglichkeiten einer flexibleren Gestaltung der Arbeitszeiten einerseits und einem wachsenden Grad an Selbstausbeutung andererseits bestimmt sein.“361 So werden die Gefahren der neuen Entwicklungen vor allem bei der Wahrung sozialpolitischer Errungenschaften gesehen. Dabei droht nicht nur ein Verlust der Absicherung Einzelner, Probleme werden auch für das ganze System der sozialen Sicherung gesehen, das sich in seiner Beitragsbasis auf das Normalarbeitsverhältnis stützt.362 Beachtet werden müssen die Folgen der Herauslösung der Beschäftigten aus den Betrieben auch in Bezug auf ihr berufliches Fortkommen und ihre Mitbestimmungsrechte, was besonders für Scheinselbständige, aber auch für TelearbeiterInnen gilt. Denn „dort wo Beschäftigte von der Entwicklung im Betrieb abgekoppelt werden, wo sie keinen Einfluß mehr haben auf die Gestaltung betrieblicher Strukturen und wo ihre Qualifikation durch die Herauslösung aus den Kommunikationsprozessen im Unternehmen stagniert 360Bühl, Achim, 1996, S. 224f. 361Ebd. S. 223 362Vgl. Enquete-Kommission Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft, 1998, S. 58 99 http://www.mediaculture-online.de und damit zunehmend wertlos wird, bestehen große Gefahren.“363 D.h. es findet ein Auflösung der klassischen Betriebe statt, die auch zu einer Auflösung der klassischen betrieblichen Interessenvertretung und zu einer Entmachtung der Gewerkschaften führt. „Die Gewerkschaften, welche zu den klassischen Elementen der Industriegesellschaft zählen, sind von ihrer Struktur und der Anlage ihrer Interessenvertretungspolitik weitgehend am fordistischen Produktionstypus orientiert.“364 Wenn also eine Mitbestimmung von Arbeitenden an ihren Arbeitsstrukturen und an sozialpolitischen Vereinbarungen erhalten oder sogar erweitert werden soll, müssen auch hier Veränderungen stattfinden. Gesprochen wird in diesem Zusammenhang immer wieder von der Notwendigkeit einer neuen Definition des Betriebsbegriffs und der abhängig Beschäftigten. Achim Bühl fordert auch Betriebsräte und Gewerkschaften auf, sich in ihren Strukturen und Zielsetzungen auf die veränderten Arbeitsorganisationen und -verhältnisse beziehen, um dem Wandel des klassischen Arbeitnehmertums gerecht zu werden.365 So könnten sich an Stelle von Betriebsräten Netzräte etablieren, und die Gewerkschaften sollten sich überlegen, inwieweit sie auch Selbständige oder Scheinselbständige vertreten können, um auch einer Schwächung der eigenen Position zu entgehen. „Gerade angesichts der aufgezeigten Gefahren ist eine kollektive Interessensvertretungspolitik nötiger denn je. Doch das ‚Kollektiv’ von einst differenziert sich durch eine zunehmende Individualisierung der Arbeitsverhältnisse in einem Maße aus, daß die Rolle der Gewerkschaften umfassend neu definiert werden muß.“366 5.3.3 Das Emanzipationspotential der Arbeit Andreas Boes betrachtet den Wandel der Arbeit vor dem Hintergrund marxistischer Überlegungen und bezogen auf die Frage nach dem Emanzipationspotential der Arbeit selbst: „Ich frage, ob mit dem Übergang zur ‚Informationsgesellschaft’ eine so weitgehende Unterordnung der Arbeit unter das Kapital im konkreten Arbeitsprozeß zu erwarten ist, daß das Projekt der Emanzipation des Menschen aus der Entfaltung dieser 363Boes, Andreas, 1996a, http://staff-www.uni-marburg.de/~boes/texte/bamberg.html 364Bühl, Achim, 1996, S. 227 365Vgl. ebd. 366Ebd. 100 http://www.mediaculture-online.de Widerspruchskonstellation keine grundlegenden Impulse mehr zu erwarten hat.“367 D.h. inwieweit können die Menschen ihre eigenen Arbeitsbedingungen reflektieren, die Widersprüche ihrer Arbeitsverhältnisse wahrnehmen und dagegen angehen? Ausgangspunkt seiner Überlegungen ist erstens die eingangs dargestellte Entstehung eines betriebsübergreifenden Informationssystems und zweitens die Realisierung systemischen Produktionsmethoden, die bei der Veränderung der Arbeitsorganisation vorgestellt wurden. Boes ist der Meinung, daß die Veränderung der Arbeit für ihr Emanzipationspotential widersprüchliche Auswirkungen hat. Im Zuge der Informatisierung und insbesondere durch den Einsatz neuer Informationstechniken entfernt sich die Arbeit immer mehr von der stofflich-energetischen Ebene des Arbeitsprozesses, indem zwischen die menschliche Arbeit und die konkreten Produktionsprozesses eine Vermittlungsebene geschaltet wird. Die stoffliche Ausführung der Arbeit erfolgt zunehmend automatisiert, so daß die Bedeutung planender, kontrollierender und steuernder Tätigkeiten zunimmt. Das heißt immer mehr Menschen sind auf der Informationsebene der Arbeit tätig, die zwischen der menschlichen Arbeit und der konkreten, stofflichen Produktion vermittelt. Nach Boes kommt es dadurch zu einer engeren Anbindung der Arbeit an die Verwertungsmaxime des Kapitals, denn die planenden und steuernden Tätigkeiten müssen immer die betriebwirtschaftlichen Ziele eines Unternehmens im Blick haben. Mit der Vernetzung computergesteuerter Informationsprozesse entstand eine durchgehende Informationsebene, ein Handlungsraum, in dem weite Teile der Arbeit stattfinden. Informationen sind somit eingebunden in ein formales System, das an Kapitalinteressen orientiert ist. „Inhalt und Struktur der Informationen der Vermittlungsebene unterliegen als Ergebnisse bewußt formender Handlungen in weit höherem Maße den strukturellen Herrschaftsverhältnissen in den Unternehmen, als dies bei der Evolution der stofflich-energetischen Ebene jemals der Fall gewesen ist.“368 Indem sich die strukturellen Herrschaftsverhältnisse eines Unternehmens also in der Informationsebene abbilden und immer mehr menschliche Arbeit sich auf dieser Informationsebene abspielt, bewegt sich die Arbeit im Rahmen 367Boes, Andreas, 1996b, http://staff-www.uni-marburg.de/~boes/texte/bdwi.html 368Ebd. 101 http://www.mediaculture-online.de dieser formalisierten Beziehungen, weshalb Boes auch vom „Formierungszwang“ der Arbeit spricht. Andererseits verweist Boes auf den zunehmenden Subjektbedarf der neuen Produktionsmethoden. Bei einer systemischen Arbeitsorganisation sind die Arbeits- und Kommunikationsbeziehungen weniger standardisierbar, und müssen deshalb durch ständige Reflexion des eigenen Arbeitshandeln immer wieder neu hergestellt werden. „Die Grenzen zwischen dem normalen Arbeitsprozeß und dem Innovationsprozeß werden aufgeweicht; ein zunehmender Anteil der Arbeit besteht darin, sich selbst zu innovieren.“369 So muß das eigene Arbeitshandeln in systemisch organisierten Kooperationszusammenhängen ständig zur Gesamtleistung einer Arbeitsgruppe oder Abteilung ins Verhältnis gesetzt werden. In Zusammenhang mit der Herausbildung einer durchgängigen Informationsebene erhält der Subjektivitätsbedarf der Beschäftigten allerdings eine besondere Ausformung. Sie müssen sich zunehmend nach der Logik des formalen Systems der Informationsebene verhalten und deren Wechselwirkung zur Realität. Die Beschäftigten können die geforderten Reflexionsleistungen nur erbringen, „wenn sie in das System ‚eintauchen’, sich selbst zum ‚Objekt’ des Informationssystems machen und demnach als Subjekte nach den Regeln des formalen Informationssystem agieren.“370 Trotz einer Erweiterung des Handlungsspielraums im unmittelbaren Arbeitsprozeß sieht Boes die Gefahr darin, daß die Beschäftigten die in diesem Handlungssystem liegende Logik als Arbeitsgrundlage verinnerlichen müssen. Dadurch wird jedoch das Emanzipationspotential der Arbeit in qualitativ neuartiger Weise unterminiert, indem sich „die Subjekte zu Agenten ihrer eigenen Unterordnung“371 machen. So steht für Boes das Emanzipationspotential der Arbeit im Widerspruch zwischen dem vermehrten Formierungszwang und größeren Subjektbedarf. Einerseits kommt es zu einer stärkeren Anbindung der Arbeit an Kapitalinteressen, andererseits erfordert die Arbeit ein Subjekt, daß sein eigenes Arbeitshandeln und die Strukturen in denen es stattfindet reflektiert. Gerade das Reflektieren der eigenen Arbeitsstrukturen könnte das 369Baukrowitz, Andrea/Boes, Andreas, 1996, http://www.ifs.tu-darmstadt.de/kairos/book.htm 370Boes, Andreas, 1996b, http://staff-www.uni-marburg.de/~boes/texte/bdwi.html 371Ebd. 102 http://www.mediaculture-online.de Emanzipationspotential der Beschäftigten stärken, da es auch das Reflektieren über die Herrschaftverhältnisse der Arbeitsbeziehungen beinhalten könnte. Dies wird allerdings durch die Notwendigkeit das eigene Arbeitshandeln den Kapitalinteressen unterzuordnen relativiert. 5.3.4 Arbeit, Gesellschaft und Partizipation Der Umwälzungsprozeß hin zu einer Informationsgesellschaft hängt in großem Maße mit Veränderungen der gesellschaftlichen Arbeit zusammen und die Gestaltung der Arbeitsstrukturen hat ihre Auswirkungen auf viele Bereiche des gesellschaftlichen Lebens. Unsere Gesellschaft orientiert sich mit ihren sozialen Sicherungssystemen und mit ihren kulturellen Werten am Normalarbeitsverhältnis. Die zunehmende Arbeitslosigkeit und die Tatsache, daß das ‚Normalarbeitsverhältnis’ längst nicht mehr den ‚Normalfall’ darstellt, in Zukunft vermutlich weniger den je, führt dazu, daß von einer Krise der Arbeitsgesellschaft gesprochen werden kann. Denn noch immer steht die Erwerbsarbeit im Mittelpunkt des Lebens vieler Menschen, während die Erwerbsarbeitsmenge unserer Gesellschaft abnimmt. Also muß die Verteilung der vorhandenen Arbeit in den Blickpunkt arbeits- und gesellschaftspolitischer Debatten rücken. Es gilt politische Konzepte zu finden, die den Wandel der Arbeit nicht nur im Hinblick auf eine Standortsicherung betrachten. Vielmehr sollte es darum gehen, eine weitere Segmentierung und soziale Spaltung der Gesellschaft zu verhindern und die Teilhabemöglichkeiten der Beschäftigten an ihren Arbeitsstrukturen auszuweiten anstatt sie zu verringern. In den letzten Jahren beherrschen allerdings fast ausschließlich Deregulierungsbestrebungen die politische und wirtschaftliche Diskussion. Nach Ulrich Beck führt die Deregulierung zu einer „De-Institutionalisierung des Konflikts zwischen Arbeit und Kapital“,372 da sozialstaatliche und gewerkschaftliche Errungenschaften zumindest teilweise außer Kraft gesetzt werden. „Die in aller Munde befindliche Forderung nach ‚Flexibilität’ bedeutet ja nichts anderes, als daß die Regeln, kollektive Arbeitsverträge, Mitbestimmungs-Normen oder Standards des Arbeitsschutzes auszuhandeln, gelockert oder abgeschafft werden.“373 Dabei wird der Eindruck erweckt, 372Beck, Ulrich, 1999, http://www.ix.de/tp/deutsch/inhalt/co/2783/1.html 373Ebd. 103 http://www.mediaculture-online.de als hätten wir gar keine andere Wahl als uns um die Deregulierung der wirtschaftlichen Strukturen zu bemühen, um mit der Globalisierung der Wirtschaft mitzuhalten. Oskar Negt zeigt auf, daß es zwei unterschiedliche Leitbilder der Ökonomie einer Gesellschaft gibt, und die gerade aufgezeigte Argumentationsweise folgt dem herrschenden Leitbild. Als erste und dominante Ökonomie bezeichnet er die Vorstellung, nach der die Kapital- und Marktlogik keinen Entscheidungsspielraum zuläßt. Vielmehr präsentiert sie sich als objektives Gesetz, als deren Vollstrecker sich die HauptakteurInnen dieser Ökonomie sehen. Veränderungspotentiale liegen dabei ausschließlich auf Seiten der abhängig Beschäftigen und ihrer Lebenswelt, die eine Manövriermasse im Interesse des funktionierenden Systems darstellen. Diese Vorstellungen bilden einen „spezifischen Diskurs, an dem Politiker ebenso wie Wissenschaftler beteiligt sind. Die erkenntnisleitenden Interessen, die dabei im Spiele sind, ergeben sich aus einer machtpolitischen Vorentscheidung, die den Einzelvorschlägen, so arbeitnehmerfreundlich sie auch erscheinen mögen, ihre sachliche Neutralität nimmt. Denn alle Rationalitätskriterien, die diesen machtpolitischen Blick ‚von oben’ lenken, sind der Kapital- und Marktlogik entnommen; deren organisierendes Bewegungszentrum ist die betriebswirtschaftliche Kalkulation.“374 Den Trugschluß dieser Position sieht er in der Idee, der betriebwirtschaftlich rational regulierte Einzelbetrieb könnte als Sozialutopie für eine Gesellschaft herhalten. Denn dabei werde ausgeblendet, daß im Einzelbetrieb die sozialen Kosten einer Entscheidung auf das Gemeinwesen abgewälzt werden kann. Dem gegenüber stellt er eine Ökonomie, die das soziale Ganze einer Gesellschaft im Blick behält. „In dieser Perspektive kann ein Umbau der Arbeitsgesellschaft nur gelingen, wenn er gleichzeitig beiträgt zur ökonomischen Krisenlösung und zur Erfüllung der Emanzipationswünsche des Menschen. (...) Es ist für mich keine Frage, daß eine hochentwickelte Industriegesellschaft auf Dauer ohne Demokratie funktionsunfähig ist. Nicht-entfremdete Formen gegenständlicher Tätigkeit, gesellschaftlich anerkannte und bezahlte Erwerbsarbeit in lebenswichtigen Beziehungsbereichen, die heute noch in 374Negt, Oskar, 1995, http://www.userpage.fu-berlin.de/~zosch/ops/negt.html (Hervorhebungen im Original) 104 http://www.mediaculture-online.de Schwarzmarktregionen liegen, sind Wesensbestandteil einer innergesellschaftlichen Friedensordnung (...).“375 Oskar Negt entwirft hier das Bild einer Gesellschaft, in der alle Formen der zu verrichtenden Arbeit ihren Platz und ihre (auch finanzielle) Anerkennung in der Gesellschaft haben. Dabei bezieht er sich zum Beispiel auf unentgeltlich geleistete Reproduktionsarbeit, aber auch auf sogenannte Bürgerarbeit. Hier könnten also Bereiche der Arbeit entstehen, die in Struktur und Inhalt weniger von der kapitalistischen Erwerbsrationalität geprägt sind. So stellt Ulrich Beck Bürgerarbeit der Erwerbsarbeit gegenüber und stellt fest: „Stellt Erwerbsarbeit gleichsam eine aufgrund des Arbeitsvertrags ,politisch kastrierte’ Praxisform dar, in der Mitbestimmung eigentlich mehr den Sinn eines vorwegeilenden Gehorsams annimmt, so ist Bürgerarbeit genau umgekehrt dadurch gekennzeichnet, daß ihr ein direkter Hebel der Außensteuerung und Außenkontrolle praktisch nicht gegeben ist.“376 Allerdings weist er darauf, daß Bürgerarbeit immer materiell unselbständig ist, daß heißt sie ist immer auf andere Einkommensquellen angewiesen, auch wenn sie zum Beispiel über an Personen festgemachtem Bürgergeld grundfinanziert wäre. Im Moment müssen solche Vorstellungen leider in den Bereich der Utopie verwiesen werden. Trotzdem könnten sie natürlich als gesellschaftliches Leitbild bei der Umgestaltung der Arbeit dienen. Schon eine gleichmäßige Verteilung der Erwerbsarbeit auf die Bevölkerung könnte zumindest das zeitliche Potential für gesellschaftliches Engagement freisetzen. Schließlich ist das individuelle Zeitbudget ein Faktor für politische Beteiligung.377 Auch die Landesstudie zu Bürgerschaftlichem Engagement in BadenWürttemberg weist auf die Bedeutung der Ressource Zeit hin:378 „Die Befragungsergebnisse zeigen eine deutliche Abstufung der Verfügbarkeit von Bürger- 375Ebd. (Hervorhebungen im Original) 376Beck, Ulrich, 1999, http://www.ix.de/tp/deutsch/inhalt/co/2783/1.html 377Vgl. Kapitel 2.1 378Es wurden BürgerInnen befragt, welche Ressourcen sie für bürgerschaftliches Engagement zu Verfügung stellen könnten. (Als Ressourcen galten: Zuhören, Lebenserfahrung einbringen, Berufliches Wissen, Zeit, mitzuwirken, Geld spenden) 105 http://www.mediaculture-online.de Ressourcen, wobei Zeit und Geld sich als die vergleichsweise knappsten Güter herausstellten.“379 Die Erwerbsarbeit selbst unterliegt in unserer Gesellschaft im höchsten Maße der Fremdbestimmung durch andere und durch Kapitalinteressen. „Was die Dimension der Mitbestimmung betrifft, so wird mit dem Arbeitsvertrag die Verfügung über die Zielbestimmung der Arbeit an den ‚Käufer’ des menschlichen Arbeitsvermögens abgetreten. Der Arbeitsvertrag ist also – politisch gesehen – ein Unterwerfungsvertrag. Die Ziele, Inhalte, Zwecke der Arbeit liegen nicht mehr in der Hand der Arbeitenden selbst, sondern in der Hand derjenigen, die Arbeitsprozesse meist (unter ökonomischen Prinzipien) organisieren.“380 Herbert Kubicek und Martin Hagen verweisen auf einen Zusammenhang zwischen betrieblicher und gesellschaftlicher Beteiligung. Sie sprechen von einem Wechselverhältnis zwischen gesellschaftlicher Partizipation und der Partizipation an der Mitbestimmung über Arbeitsstrukturen. „Auf der einen Seite wird angenommen, daß die Sozialisation durch das Arbeits- und Berufsleben so prägend ist, daß ohne erweiterte betriebliche Beteiligung kein Fortschritt auf gesellschaftlicher Ebene möglich ist. Auf der anderen Seite steht die These, daß eine Zunahme der Beteiligung auf der gesellschaftlichen Ebene dazu führt, daß ähnliche Beteiligungsmöglichkeiten auch im Betrieb gefordert und schrittweise geschaffen werden.“381 Betriebliche Mitbestimmung heißt natürlich nicht, daß damit Ziele und Inhalte der Arbeit in der Hand der Beschäftigten liegen. Erweiterte betriebliche Mitbestimmung könnte jedoch ein erster Schritt in die Richtung einer selbstbestimmteren Arbeit sein. Da sich Arbeitsverhältnisse jedoch zunehmend ausdifferenzieren und damit auch individualisieren, verringern sich die Möglichkeiten für eine Mitbestimmung über die eigenen Arbeitsstrukturen, wie im Vorangegangenen gezeigt wurde. Denn eine kollektive Interessenvertretung wird durch die Individualisierung der Arbeitsverhältnisse erschwert und bedarf deshalb neuer Konzepte. 379Sozialministerium Baden-Württemberg (Hrsg.), 1997, S. 52 380Beck, Ulrich, 1999, http://www.ix.de/tp/deutsch/inhalt/co/2783/1.html 381Kubicek, Herbert/Hagen, Martin, 1999, http://www.fgtk.informatik.unibremen.de/hagen/partizipation/home.html 106 http://www.mediaculture-online.de 5.4 Gesellschaftliche Ungleichheiten Wer über Partizipation mit Hilfe neuer Medien reden will, kommt nicht umhin zu schauen, wer denn überhaupt Zugang zum Internet hat und welche Möglichkeiten sich für wen im neuen Kommunikations- und Informationsraum bieten. Wenn wir davon ausgehen, daß das Internet soziale und politische Partizipationsmöglichkeiten in einer Informationsgesellschaft bietet, dann entscheidet die Frage des Zugangs zu den neuen Medien auch zu einem erheblichen und unter Umständen auch zunehmenden Teil über den Handlungsspielraum von Menschen und über deren gesellschaftliche Teilhabemöglichkeit. Denn die Forderung der Partizipationsforschung, Partizipationsmöglichkeiten so anzulegen, daß soziale Selektion verhindert wird382, muß auch auf netzgestützte Formen der Partizipation übertragen werden. Also stellt sich die Frage, inwieweit vorhandene gesellschaftliche Ungleichheiten im virtuellen Raum aufgehoben werden können, oder ob sie in ihn hineinreichen und dort vielleicht sogar verstärkt werden. Berücksichtigt werden müssen auch die Rückwirkungen der Ungleichheiten des virtuellen Raums auf realweltliche Entwicklungen. Dabei müssen gesellschaftliche Ungleichheiten sowohl auf nationaler als auch auf globaler Ebene betrachtet werden. Der Zusammenhang zwischen Partizipation und sozialen Ungleichheiten besteht einerseits darin, daß der Zugang zu bestimmten Teilhabemöglichkeiten nicht oder nur unzureichend gegeben ist. Josef Held weist darüber hinaus darauf hin, daß die Bereitschaft zu politischer Partizipation von der sozialen Situation der Menschen abhängig ist.383 Die soziale Situation läßt sich für ihn auch als eine Frage von Integration und Ausgrenzung in unserer Gesellschaft begreifen, indem gesellschaftliche Ungleichheiten ihren Ausdruck in sozialen Segmentierungsprozessen finden. Dabei ist die gesellschaftliche Integration sowohl die Voraussetzung als auch ein wichtiges Ziel der politischen Partizipation. „Wer in einer Gesellschaft sozial ausgeschlossen, bzw. ausgegrenzt ist, hat wenig Möglichkeiten zur politischen Partizipation. Oft ist dann der Kampf gegen Ausgrenzung die einige Möglichkeit zur politischen Partizipation.“384 Auswirkungen sozialer Segmentierungen einer Gesellschaft sieht er auch in der Art und 382Vgl. zum Beispiel Herrmann, Franz, 1995, S. 161f. 383Vgl. Held, Josef, 1996, S.5 vgl. auch Kapitel 2.1.1 384Held, Josef, 1996, S. 5 107 http://www.mediaculture-online.de Weise der Partizipation von Menschen. „Wer sich integrieren will und Angst hat vor drohender Desintegration steht unter einem Konformitätsdruck, der die Art seiner/ihrer politischen Partizipation prägt.“385 Also ist danach zu fragen, ob in der entstehenden Informationsgesellschaft neue soziale Spaltungen und gesellschaftliche Ungleichheitsverhältnisse entstehen und in welchem Verhältnis sie zu herkömmlichen Segmentierungsprozessen stehen. 5.4.1 Information-rich und information-poor. Informationelle Ungleichheiten und ökonomisches Kapital. Wie schon in Kapitel 4.2 unserer Arbeit dargestellt, wird in der Cyberkultur der virtuelle Raum gerne als herrschaftsfreier Raum beschrieben, indem es keine Bevorzugung oder Benachteiligung aufgrund von Herkunft, Rasse, Status oder Position gibt. Dem Internet werden in technodeterministischer Verkürzung an sich schon positive gesellschaftliche Wirkungen zugeschrieben, es ist sogar von einer ‚digitalen Revolution’ die Rede. Die britischen Soziologen Richard Barbrook und Andy Cameron nennen das Aufkommen neoliberalen Gedankenguts, in dessen Kontext diese Vorstellungen eingebunden sind, „die kalifornische Ideologie“. „Sie wollen den Einsatz der Informationstechnologien, um eine neue Demokratie im Geiste Jeffersons zu schaffen, in der alle Individuen sich frei im Cyberspace zum Ausdruck bringen können.“386 Barbrook und Cameron sprechen vom Entstehen einer „virtuellen Klasse“,387 die sich aus High-Tech-UnternehmerInnen und gut ausgebildeten Angestellten wie ComputerwissenschaftlerInnen, KognitionsforscherInnen, KommunikationsspezialistInnen, SoftwareprogrammiererInnen usw. zusammensetzt. Damit verbunden sei das Verschmelzen von Ansichten des ‚linken’ Spektrums, der ehemaligen Hippiebewegung, mit ‚rechten’, wirtschaftsliberalen Positionen. Das verbindende Element ist dabei das Ablehnen staatlicher Macht mit ihren Institutionen und der Wunsch nach einer Freiheit der Individuen. „Anstatt offen gegen das System zu rebellieren, akzeptieren diese High-Tech-Handwerker jetzt, daß individuelle Freiheit nur unter den Bedingungen des technischen Fortschritts und des ‚Freien Marktes’ erreicht werden kann.“388 Über die gesellschaftlichen Auswirkungen wirtschaftlichen Liberalismus 385Ebd. 386Barbrook, Richard/Cameron, Andy, 1997, S. 16 387Ob im soziologischen Sinne wirklich eine neue Klasse entsteht ist allerdings umstritten, da es sich bei den InformationsarbeiterInnen um eine sehr heterogene Gruppe handelt. 388Ebd. S. 24 108 http://www.mediaculture-online.de wird jedoch in wenigen Fällen nachgedacht. Florian Rötzer schreibt mit Bezug auf den Text von Barbrook und Cameron: „Der fatale Irrtum der anarchistisch gesinnten Cyberkultur, der sie so ambivalent mit der wirtschaftlichen Macht verbindet, entstammt dem Glauben, der vor allem von Marshall McLuhan vertreten wurde, daß die Technik gleichzeitig und unmittelbar eine soziale Revolution mit sich bringe, und der Ignoranz der Tatsache, daß eben die Technik das wichtigste Produktionsmittel der Wirtschaft ist, die auf dem privaten Eigentum beruht.“389 Aus diesem Grund werfen Barbrook und Cameron der kalifornischen Ideologie vor, in tiefen Widersprüchen gefangen zu sein. Mit der Ideologie einer Jeffersonschen Demokratie390 gehe eine soziale Spaltung der Gesellschaft einher, denn bei diesem gesellschaftlichen Modell sei das Wohlergehen einiger nur auf Kosten von anderen möglich. „Die Ausgeschlossenen partizipieren am Informationszeitalter nur als billiges, nicht gewerkschaftlich organisiertes Arbeitskraftreservoir für die gesundheitsschädigenden Firmen der Chiphersteller im Silicon Valley.“391 Auf diese Weise ginge die Fragmentierung der amerikanischen Gesellschaft, in durch Rassenzuschreibungen bestimmte Klassen, in die Entwicklung des Cyberspace mit ein. Zu befürchten wäre eine neue Apartheid zwischen ‚Information-rich’ und ‚Information-poor’. „Freiheit und Selbstorganisation als Träger persönlicher und gesellschaftlicher Dynamik sind die ,unschuldigen’ Prinzipien, die verdächtig dann werden, wenn sie in eine Affirmation herrschender wirtschaftlicher Strukturen umschlagen, die wiederum die Verarmung, Ausgrenzung und Verelendung ganzer Gesellschaftsschichten, Länder und Kontinente bewirken.“392 Auch wenn sich Barbrook und Cameron in ihren Ausführungen auf die US-amerikanische Gesellschaft beziehen, lassen sich solche Befürchtungen, wie das Zitat von Florian Rötzer zeigt, auch auf globale Zusammenhänge und andere Gesellschaften übertragen. Auch die autonome a.f.r.i.k.a.-Gruppe warnt davor, beim Diskurs um die Informationsgesellschaft gesellschaftliche Eigentums- und Produktionsverhältnisse aus dem Blick zu verlieren. Sie wendet sich vor allem gegen die Vorstellung, 389Rötzer, Florian, 1996, http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/te/1053/1.html 390Barbrook und Cameron ziehen hier einen Vergleich zum Leben von Thomas Jefferson, „der den mitreißenden Ruf nach Demokratie und Freiheit in der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung schrieb und gleichzeitig der Eigentümer von nahezu zweihundert Sklaven war.“ Barbrook, Richard/Cameron, Andy, 1997, S. 25 391Ebd. S. 26 392Rötzer, Florian, 1996, http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/te/1053/1.html 109 http://www.mediaculture-online.de Gesellschaftsveränderungen seinen durch eine demokratischere Verfügbarkeit von Informationen zu erwarten. Denn die Demokratisierung von Wissen bedeutet nicht automatisch eine Demokratisierung der Gesellschaftsstrukturen. „Über den Begriff der Informationsgesellschaft werden die Ursachen sozialer Ungleichheit fälschlicherweise als Folge von Informationsmangel und nicht als Konsequenz der unterschiedlichen Verfügungsgewalt über die Produktionsmittel dargestellt.“393 Auch wenn Macht über und Zugang zu Informationen durchaus ein Herrschaftsinstrument sein kann, bedeutet ein freier Zugang zu Informationen nicht unbedingt einen Abbau von Herrschaftsstrukturen. Der gleiche Einwand gilt auch für weniger optimistische Einschätzungen der gesellschaftlichen Entwicklung. So wird über gesellschaftliche Ungleichheiten in Zusammenhang mit den neuen Medientechnologien hauptsächlich auf eine befürchtete Spaltung der Gesellschaft in ‚information-rich’ und ‚information-poor’ hingewiesen. Durch diese Begriffe wird das Problem gesellschaftlicher Ungleichheiten aber auf ein Problem der mangelnden Informiertheit reduziert. „Die Verkürzung der sozialen Frage auf den Konflikt zwischen den ,informationsreichen’ und ,informationsarmen’ Schichten, den auch Barbrook und Cameron in den Vordergrund stellen, thematisiert lediglich den ,Zugang für alle’, nicht aber die tatsächliche, obwohl damit verbundene Fragen nach der Verteilung des gesellschaftlichen Wohlstands und Eigentum.“394 Je nach Ansatz werden bei der Betrachtung der Ungleichheitsverhältnisse eher die ungleiche Informations- und Wissensverteilung oder die Produktions- und Eigentumsverhältnisse einer Gesellschaft in den Blickpunkt gerückt. Oft findet eine Vermischung dieser Faktoren, auch in den Begrifflichkeiten statt. Tatsächlich könnte eine solche Vermischung bezeichnend für die gesellschaftlichen Veränderungen in der Informationsgesellschaft sein. Wie in Kap 4.1.3. beschrieben, sehen zum Beispiel die VerfasserInnen der ‚Magna Charta for the Knowledge Age’395 Wissen als das zentrale Produktionsmittel der entstehenden Gesellschaft an und bestehen deshalb darauf, daß Wissen zum geschützten Eigentum wird. 393autonome a.f.r.i.k.a.-gruppe, 1997, http://www.contrast.org/KG/vortech.htm 394Rötzer, Florian, 1996, http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/te/1053/1.html 395Toffler, Alvin/Gingrich, George,/Dyson, Esther/Keyworth, George, 1994, http://www.feedmag.com/95.05magna1.html 110 http://www.mediaculture-online.de Eine Analyse gesellschaftlicher Verhältnisse darf also den Faktor Wissen als Kapital nicht vernachlässigen. Natürlich war der Bildungs- und Wissensstand noch nie völlig ohne Bedeutung für eine gesellschaftliche Position, aber durch die Veränderungen im Zuge der entstehenden Informationsgesellschaft kann dieser Faktor eine neue Dimension bekommen. Er kann unserer Meinung nach jedoch nur im Zusammenhang mit den materiellen Eigentums- und Produktionsverhältnissen gesehen werden, mit denen er in enger Beziehung steht. Bei der Frage, welche Auswirkungen die neuen Medien auf den Wissensstand der Bevölkerung haben, können auch Ergebnisse der Wissenskluftforschung396 herangezogen werden. Auch wenn die Ergebnisse hauptsächlich aus den 70er und 80er Jahren stammen und Medien wie das Internet damit nicht berücksichtigen, können sie unter Umständen doch aussagekräftige Hinweise geben. Ihre zentrale These geht davon aus, daß die Wissenskluft innerhalb der Bevölkerung wächst, wenn der Informationsfluß einer Gesellschaft zunimmt. „Wenn der Informationsfluß von den Massenmedien in ein Sozialsystem wächst, tendieren die Bevölkerungssegmente mit höherem sozioökonomischen Status und/oder höherer formaler Bildung zu einer rascheren Aneignung dieser Information als die status- und bildungsniedrigeren Segmente, so daß die Bildungskluft zwischen diesen Segmenten tendenziell zu- statt abnimmt.“397 D.h. daß die Wissenskluft relativ betrachtet zunimmt, obwohl der absolute Wissensstand der Bevölkerung wächst. Es ist gut vorstellbar, daß sich diese These auch bei neuen Medien wie dem Internet bewahrheitet. Denn mehr noch als bei herkömmlichen Medien wie Zeitungen und Fernsehen erfordert der Umgang mit den Informations- und Kommunikationstechnologien viele Vorkenntnisse und Voraussetzungen, wie Lese- und Schreibfertigkeiten, Computerverständnis, Englischkenntnisse, usw. und natürlich das nötige Geld für den Zugang und die Nutzung der Technologien. Nur die Tatsache, Zugang zum Internet zu haben, sagt über die Art und Weise der Nutzung noch nichts aus. Das Internet ist ein Medium, in dem nach Informationen gezielt gesucht werden muß, d.h. das Wissen das aus der Netznutzung gewonnen wird hängt ausschließlich von dem Interesse 396Vgl. dazu zum Beispiel Winkler, Stefan, 1997, http://www.inf-wiss.uni-konstanz.de/~swinkler/dipl3/dipl3Contents.html 397Tichenor et al., 1970, Mass Media Flow and Differential Growth in Knowledge. S. 159f. In: Public Opinion Quarterly, 34. Jg., 1970, S. 159-170. Zit nach Winkler, Stefan, 1997, http://www.inf-wiss.unikonstanz.de/~swinkler/dipl3/dipl3-Contents.html 111 http://www.mediaculture-online.de und der Eigenaktivität der NutzerInnen ab und von deren Kompetenz im Aufsuchen und Bewerten der zur Verfügung stehenden Informationen. „Es sind weniger die neuen Medien, die eine vorhandene Wissenskluft möglicherweise vergrößern, sondern eher Unterschiede im Umgang mit Wissen.“398 Für Gabriele Hoffacker ist die notwendige Antwort auf derartige Entwicklungen eine große Bildungsoffensive. Sie setzt für die politische Teilhabe in der Informationsgesellschaft das Erlangen von Medienkompetenz voraus, weshalb für sie die Lösung im Vermitteln von Medienkompetenz besteht. Dafür ‚wirbt’ sie mit dem Aufruf „Empowering the information poor“.399 Uwe Fahr kritisiert Gabriele Hoofackers Meinung, daß soziale Gerechtigkeit über eine gerechte Verteilung von Bildungschancen hergestellt werden kann. „Soziale Gerechtigkeit kann nur dort geschaffen werden, wo die Klassenstrukturen kapitalistischer Gesellschaften thematisiert und angegriffen werden. Allein schon der Zugang zur Bildung wird in der Klassengesellschaft immer sozial ungerecht sein, dies mag die eine oder andere Reform abschwächen oder überdecken, verändern wird sie diesen Zustand nicht.“400 Die Enquete-Kommission „Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft“ sieht diesen Umstand gelassener: „Im übrigen ist eine soziale Differenzierung nach Wissen und Kommunikationskompetenz nicht Beunruhigendes, da sie nicht erst seit den neuen IuKTechnologien existiert. Eine ‚neue Zergliederung’ gibt es also nicht und ‚benefit for all’ kann es nicht geben.“401 Sie scheinen es nicht beunruhigend zu finden, daß die heutigen Finanz- und Bildungseliten identisch mit den zukünftigen Informationseliten sein werden. Insgesamt geht es also darum, beim Blick auf gesellschaftliche Ungleichheiten in der entstehenden Informationsgesellschaft zu berücksichtigen, daß die kapitalistischen Produktions- und Eigentumsverhältnisse einer Gesellschaft nach wie vor bestehen. Das heißt natürlich nicht, daß die Frage des Zugangs zu den neuen Medien und die Kompetenz des Umgangs mit ihnen ohne Bedeutung ist, aber diese Faktoren müssen im Zusammenhang mit anderen gesellschaftlichen Ungleichheitsstrukturen betrachtet 401Enquete-Kommission Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft, 1998, S. 96 112 http://www.mediaculture-online.de werden. Denn das zeigt auch die Grenzen dessen auf, was durch eine gerechtere Verteilung der Zugangsmöglichkeiten erreicht werden kann. Vermutlich werden also viele bestehende Segmentierungslinien unserer Gesellschaft auch im Übergang zur Informationsgesellschaft an ähnlicher Stelle weiterverlaufen und eventuell sogar verstärkt werden. Für den Bereich der Arbeit konnte aufgezeigt werden, daß auch neue Segmentierungsprozesse prognostiziert werden. Obwohl die Informationsgesellschaft in aller Munde ist, wird diesem Thema jedoch relativ wenig Aufmerksamkeit gewidmet, so daß eine systematische Betrachtung des Verhältnisses bestehender und zukünftiger Ungleichheitsverhältnisse bisher ausblieb. Auch an dieser Stelle können lediglich Hinweise auf Tendenzen oder einzelne Phänomene gegeben werden. 5.4.2 Ungleichheiten des neuen Informationsraumes Rainer Rilling weist darauf hin, daß die gängige Abstraktion von realgesellschaftlichen Voraussetzungen im Zusammenhang mit politischer Partizipation durch neue Medien zur „Illusionsrhetorik der schönen neuen Netzwelt“402 gehört. Er spricht von grundlegenden Ungleichheiten, die den neuen Informations- und Kommunikationsraum auszeichnen und nennt das „die netzweltliche Verdoppelung der realen Ungleichheit“.403 Nach Rainer Rilling404 sind es Ungleichheiten • in der Verfügung über Basisressourcen wie Energie, Telefon usw. • in der geographischen Verteilung der Standorte der Netzwerkcomputer, weltweit und innergesellschaftlich • im Eigentum an Übertragungsnetzen, Servern, Operationssystemen, usw. • in der politischen Herrschaft über die institutionellen Arrangements der Netze • in der Geschlechter-, Sozial- und Qualifikationsstruktur der NetznutzerInnen und individuellen Provider • in den administrativen oder geldlichen Zugangskontrollen zu Netzen • in den Zugängen zu Bandbreiten beziehungsweise Übertragungsgeschwindigkeiten und damit in den Teilhabemöglichkeiten an neuen hochschwelligen Netzkreisläufen 402Rilling, Rainer, 1996a, http://www.bdwi.org/bibliothek/cyberdemokratie.html 403Ebd. 404Vgl. ebd. 113 http://www.mediaculture-online.de • in der technischen, kulturellen, sozialen und kommunikativen Kompetenz und der Beherrschung der englischen Sprache • in der Zeichenausstattung beziehungsweise am Eigentum (Copyright) von Bildern, Texten, usw. 5.4.2.1 Zugang Die naheliegendste Einschränkung der Teilhabemöglichkeiten an den neuen Medien ist der nicht vorhandene oder eingeschränkte Zugang vieler Menschen. Schon hier zeigt sich deutlich, wie unterschiedlich die Chancen verteilt sind, sich neue Handlungsmöglichkeiten in der entstehenden Informationsgesellschaft zu erschließen. Wie wir in Kapitel 5.1 mit Bezug auf Jürgen Habermas feststellten, ist der freie Zugang aller Menschen zur Öffentlichkeit eines ihrer normativen Hauptkriterien. Wenn wir nun dieses Kriterium auf das Internet anwenden, so wird deutlich, daß eine Vielzahl von unterschiedlichen Zugangsbarrieren existieren und damit große gesellschaftliche Gruppen an den dort angesiedelten Öffentlichkeiten momentan nicht teilhaben können. Öffentlichkeit und Partizipation sind auf vielfältige Weise miteinander verknüpft, so daß ungleiche Zugangsmöglichkeiten entscheidende Auswirkungen auf die Partizipationschancen von Menschen haben. Bisher sind in Deutschland noch die wenigsten Menschen NutzerInnen von Computernetzen wie dem Internet. Die ARD/ZDF-Online-Studie 1999 spricht davon, daß 17,7% der deutschen Bevölkerung ab 14 Jahren das Internet nutzt.405 Diese Zahl alleine ist jedoch nicht sehr aussagekräftig. So veröffentlichte die Zeitschrift Erziehung und Wissenschaft das Ergebnis einer ebenfalls 1999 durchgeführten Umfrage, wonach lediglich 6% der deutschen Bevölkerung das Internet regelmäßig, also mindestens einmal wöchentlich, privat nutzt.406 Das NutzerInnenprofil des Internets in Deutschland zeigt, daß die Kategorien Alter, Bildung, Geschlecht407 und Einkommen für eine Onlinenutzung entscheidend sind. „Der derzeitige Durchschnittsnutzer von Online-Medien ist um die 30 Jahre alt, männlich, verfügt über einen überdurchschnittlich hohen Bildungsabschluß und auch über ein häufig 405Vgl. ARD/ZDF-Arbeitsgruppe Multimedia, 1999, http://www.zdf.msnbc.de/news/38794.asp 406Quelle: BAT-Umfrage, ohne weitere Angaben, zit. nach Erziehung und Wissenschaft 6/99, S. 5 407 Auf die Kategorie Geschlecht im Zusammenhang mit den neuen Medien und der Informationsgesellschaft wird in Kap. 5.6. noch gesondert eingegangen. 114 http://www.mediaculture-online.de recht hohes Einkommen; (...).“408 Es wird vermutet, daß sich mit zunehmender Verbreitung des Mediums dieser Trend abschwächen und ein demographischer Ausgleichsprozeß einsetzen wird, aber ob jemals eine ausgewogene Verteilung der NutzerInnen entsteht, ist äußerst fraglich. In diesem Zusammenhang betont die Enquete-Kommission den Unterschied zwischen Ungleichheit und Ungerechtigkeit: „Nicht jede ungleiche Nutzung ist zugleich ungerecht. Ungleichheit ist dann ungerecht, wenn strukturelle Barrieren und Restriktionen bestimmte Bevölkerungsgruppen daran hindern, neue Techniken zu nutzen.“409 Es ist natürlich richtig, daß sich jeder und jede bewußt gegen eine Nutzung der neuen Medientechnologien entscheiden kann. Aber die oben dargestellten Nutzungsunterschiede laufen entlang von Bevölkerungsgruppen die tatsächlich strukturellen Ungleichheiten im Sinne von Ungerechtigkeiten ausgesetzt sind. Da stellt sich die Frage, ob mit der Betonung des Unterschiedes von Ungleichheit und Ungerechtigkeit nicht die Tatsache verschleiert wird, daß hier strukturelle Barrieren und Restriktionen der Gesellschaft wirksam werden. Über die Rolle des Staates bei der Schaffung von Zugangsmöglichkeiten existieren je nach politischer Haltung sehr unterschiedliche Vorstellungen. Barbrook und Cameron zum Beispiel plädieren dafür, in Europa einen anderen Weg zu gehen als in den U.S.A., und setzen auf staatliche Eingriffe bei der Entwicklung von Computernetzwerken. „Wenn der Staat die Entwicklung der Hypermedien fördern kann, dann könnte man auch bewußt dafür sorgen, daß die Entstehung einer gesellschaftlichen Apartheid zwischen den , Information rich’ und den ,Information poor’ verhindert wird.“410 Sie denken nicht, daß es sinnvoll ist, sich den Unwägbarkeiten des freien Marktes auszusetzen, sondern setzen auf staatliche Macht, um einen technisch hochwertigen Zugang zu geringen Preisen zu ermöglichen. Die neoliberale Cyberkultur möchte sich beim Aufbau internationaler Netzwerke lieber auf die Regelungen des Marktes verlassen. Esther Dyson, die sich dieser Richtung zuordnen läßt, stellt sich die Verwirklichung breiter Zugangsmöglichkeiten unter diesen Umständen so vor: „Wenn man das Ziel hat, auch ärmeren Leuten Zugang zum Internet zu 408Enquete-Kommission Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft, 1998, S. 96 409Ebd. S. 89 410Barbrook, Richard/Cameron, Andy, 1997, S. 30 115 http://www.mediaculture-online.de verschaffen, bedeutet das zum Beispiel, daß nicht die Regierung das Internet finanzieren muß, sondern die Armen, damit sie sich die Werkzeuge kaufen können, die ihnen den Zugang zum Netz ermöglichen.“411 In Deutschland sind viele PolitikerInnen davon ausgegangen, daß ein liberalisierter Telekommunikationsmarkt die Telefongebühren so senken wird, daß zumindest dieser Punkt kein Hinderungsgrund sein wird, das Internet zu nutzen. Allerdings hat sich diese Hoffnung gerade bei den Ortstarifen bisher nicht bewahrheitet.412 Es besteht weitgehende Einigkeit darüber, daß es zu den staatlichen Aufgaben gehört, für möglichst breite Zugangsmöglichkeiten zu sorgen und Chancengleichheit zu fördern, aber ob und wie dies erreicht werden kann, ist umstritten. Bei dieser Frage werden vor allem folgende Punkte diskutiert: Die Bereitstellung von Zugangspunkten (Soft- und Hardware), die Vermittlung von Medienkompetenz und das Bereitstellen von Informationen im Sinne einer informationellen Grundversorgung. Das Vernetzen von Schulen wird momentan vorangetrieben und immer wieder als Engagement vorgezeigt, wenn es um die Schaffung von Zugangsmöglichkeiten und die Förderung von Medienkompetenz geht. Ansonsten wird neben den Bildungseinrichtungen vor allem auch öffentlichen Bibliotheken eine wichtige Rolle bei der Bereitstellung von Zugangsmöglichkeiten und kostenlosen Informationen zugedacht. Im Startprogramm der SPD ist das Vernetzen der Schulen jedoch das einzige konkret formulierte Ziel bezüglich der neuen Medien: „In einer Innovationspartnerschaft mit der Wirtschaft und mit den Ländern wollen wir dafür sorgen, daß bis zum Jahr 2000 alle deutschen Schulen einen Anschluß ans Internet erhalten.“413 Doch selbst im schulischen Bereich scheinen tragfähige Konzepte zu fehlen, wie wirklich allen SchülerInnen der Umgang mit den neuen Medien vermittelt werden kann. Daß alle Schulen einen Internetzugang erhalten reicht dazu nicht aus. Es fehlt bisher an finanziellen Mitteln, um Schulen mit ausreichender Hardware und deren Betreuung zu versorgen, und es fehlt an LehrerInnen, die in diesem Bereich qualifiziert sind. 411Dyson, Esther, im Gespräch mit Claus Leggewie, 1998, S. 112 412Vgl. Enquete-Kommission Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft, Sondervotum von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, 1998, S. 141 413Schröder, Gerhard, 1998, http://www.spd.de/archiv/arbeit/Arb19980820_670.html 116 http://www.mediaculture-online.de Für Paul Treanor ist der oft geforderte ‚Zugang für alle’ Ausdruck einer totalitären Ideologie.414 Er wirft der liberalistischen Cyberkultur vor, mit der Monopolbildung eines Internets für alle, egoistische Interessen zu verfolgen: „Das Netz droht damit, sich der ganzen Welt aufzudrängen. Falsch daran ist nichts anderes als das Netz selbst: eine Befreiung von Zensur oder ein gleicher Zugang für alle könnten es nicht bessern.“415 Denn für ihn ist das Netz viel mehr ein politischer oder ethischer als ein technologischer Begriff. Dabei gilt es, zwischen dem real-existierenden Internet und dem Netz der Ideologie, der virtuellen Gemeinde, zu unterscheiden. Mit der Vorstellung eines Netzes, in dem alle gleich sind, werde über tatsächliche Mängel, wie die des ungleichen Zugangs, hinweggetäuscht. „Das typisch liberale Argument, wonach formale Gleichheit (d.h., die Bürgerschaft) andere Formen der Ungleichheit rechtfertige, gilt auch für das Netz. Eine formale Gleichheit – die des Zugangs oder der Kommunikation – wird selbst dann dazu benutzt, das Netz zu rechtfertigen, wenn sie noch in der Zukunft liegt.“416 Letzten Endes werde aber das Internet mit der Aufhebung physikalischer Grenzen vorhandene Ungleichheiten verstärken, so wie auch der freie Markt soziale Ungleichheiten verstärkt: „Der Gewinner dieses Prozesses wird mit ziemlicher Sicherheit dieselbe gut ausgebildete, gut bezahlte Elite sein, die zuerst das Internet nutzte.“417 Deshalb ist er dagegen, dieses Medium zu fördern und meint, die einzige Möglichkeit sei, sich gar nicht auf das Internet einzulassen. Denn nur wenn möglichst viele ans Internet angebunden sind, kann es die Bedeutung erlangen, die diese Elite zu wirklichen Gewinnern macht. 5.4.2.2 Innerhalb des Netzes Die Ungleichheiten innerhalb des Internets werden hauptsächlich strukturiert durch Faktoren, die außerhalb des Mediums liegen, wie Wissen, Eigentum und realgesellschaftliche Macht, die miteinander in vielfachem, wechselseitigem Zusammenhang stehen. Dabei entstehen Ungleichheiten, die sich auf verschiedene Bereiche beziehen, wie zum Beispiel die Produktion von Inhalten, die Netzkommunikation oder die Gestaltung des Netzwerkes. 414Treanor, Paul, 1996, http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/te/1052/1.html 415Ebd. 416Ebd. 417Ebd. 117 http://www.mediaculture-online.de Eine Hoffnung, die sich mit den Informations- und Kommunikationstechnologien verbindet, ist die Ermöglichung eines herrschaftsfreien Diskurses oder zumindest einer Abflachung von Kommunikationshierarchien. Warum dem Punkt der Gleichheit im Diskurs eine solche Bedeutung beigemessen wird, erklärt sich aus der Diskussion um eine Veränderung der Öffentlichkeit durch die neuen Medientechnologien. Dabei ist die Gleichheit aller beteiligten Menschen in der Öffentlichkeit durch das Absehen von sozialen Rängen und Status schon bei Habermas Merkmal einer idealen Öffentlichkeit.418 Bei der technologisch vermittelten Diskussion in virtuellen Gemeinschaften wurde und wird nun von verschiedenen Seiten die Möglichkeit gesehen, dieses Ideal zu verwirklichen. Mark Poster geht dieser Frage im Zusammenhang mit der Ermöglichung neuer Identitäten im Cyberspace nach. Gerade die Möglichkeit, Identität in neuer Weise selbst herzustellen, hat den Mythos vom gleichberechtigten Diskurs geschaffen. Erscheinungen wie das gender-swapping419 und Spielwiesen der Identität wie MUD’s und MOO’s420 werden häufig als Beispiel dafür herangezogen. „Im Internet gestalten Teilnehmer ihre Identitäten nicht in einem reinen Bewußtseinsakt, sondern im Kontext des aktuell geführten Dialogs. (...) Dennoch impliziert es eine ‚Demokratisierung’ der Subjektkonstitution, weil die Diskurse nicht einseitig bleiben und auch nicht von den geschlechtsspezifischen und ethnischen Faktoren beeinträchtigt werden, die die Kommunikation von Angesicht zu Angesicht prägen.“421 Allerdings nimmt er eine Differenzierung dieser Aussage vor, indem er verschiedene Formen der Internetkommunikation unterscheidet, wie E-Mail, Internet Relay Chat, oder MOO’s. Auch weist er darauf hin, daß schon so trivial erscheinende Faktoren wie Schreibmaschinenkenntnisse darüber bestimmen können, wer am meisten zu Wort kommt, wodurch ein politisches Gefälle entsteht. „So gibt es selbst im Cyberspace gewisse Asymmetrien, die man als ‚politische Ungleichheiten’ bezeichnen könnte. Dennoch liegt das herausragende Merkmal des Internet in der Abschwächung herrschender Hierarchien, die auf Herkunft, Alter und Status beruhen; dies gilt insbesondere für die Geschlechtszugehörigkeit, die hier vergleichsweise unbedeutend 418Vgl. Kap. 5.1 unserer Arbeit. 419Das Auswählen- und Wechselnkönnen der eigenen Geschlechtszugehörigkeit in virtuellen Gemeinschaften. 420Textorientierte oder visualisierte Rollenspiele im Internet. 421Poster, Mark, 1997, S. 152 118 http://www.mediaculture-online.de ist.“422 Diesen Umstand diskutiert er dann in Zusammenhang mit dem Begriff der Öffentlichkeit. Im Internet sieht er die Chance, der durch Massenmedien veränderten Öffentlichkeit einen Raum zu geben, in dem dezentrale und demokratische Kommunikationsstrukturen möglich sind.423 Auch Christian Stegbauer stellt die Frage nach der Gleichheit der KommunikationsteilnehmerInnen in virtuellen Räumen. Er untersuchte Mailinglisten und Newsgroups um festzustellen, ob sich Strukturen finden lassen, die der Gleichheitsthese virtueller Gemeinschaften widersprechen. Dabei stieß er auf Gruppenstrukturen, die seiner Meinung nach Ungleichheit innerhalb des Kommunikationsprozesses erzeugten. So bilden sich Subgruppen, die hauptsächlich untereinander kommunizierten, oft auch eine Zentrum-Peripherie-Struktur, bei der Personen aus dem Zentrum mit verschiedenen Subgruppen Kontakt hatten. Genauso gibt es viele, die sich überhaupt nicht in zu Wort meldeten. „Die Zwangsläufigkeit von Strukturierung und damit auch die unabwendbare Herstellung von Ungleichheit in internetbasierten Kommunikationsgruppen hat zur Folge, daß ein prinzipieller Unterschied in dieser Hinsicht, gegenüber Gruppen, die nicht mit Hilfe von Medien kommunizieren, nicht gegeben zu sein scheint.“424 Die Ausbildung informeller Hierarchien ist typisch für soziale Gruppen aller Art, so daß wir es nicht weiter verwunderlich finden, solche auch bei virtuellen Gemeinschaften vorzufinden. Allerdings weist Stegbauer darauf hin, daß es in formalen, realweltlichen Gruppen oft den Versuch gibt, diesem Problem mit speziellen Regelungen entgegenzutreten. „In vergleichbaren Situationen außerhalb der Netzwelt wurden Regelungen eingeführt, die die Dominanz einzelner Diskursteilnehmer einschränken und den strukturell Benachteiligten spezielle Rechte einräumen.“425 Eine Übertragung solcher Verfahren auf Situationen der Netzkommunikation hält er für schwierig, da virtuelle Gruppen oft auf dominante Zentren angewiesen seien, um überhaupt am Leben zu bleiben. Was er in der Vorstellung seiner Studie nicht weiter ausgeführt und unter Umständen auch nicht berücksichtigt hat, ist die Frage, inwieweit seine festgestellten Ungleichheiten im Zusammenhang mit strukturellen 422Ebd. S. 156 423Vgl. auch Kapitel 5.1. 424Stegbauer, Christian, 1998, http://www.rz.uni-frankfurt.de/~chris/Online-communities.html (Hervorhebung im Original) 425Ebd. 119 http://www.mediaculture-online.de Ungleichheiten der realen Welt stehen. D.h., entstehen hier neue, diesem Medium spezifische Ungleichheiten oder sind es gesellschaftlich bereits benachteiligte Gruppen, die hier wiederum das nachsehen haben? Alexander Roesler bezieht sich wie Mark Poster auf Theorien zur Öffentlichkeit, wie sie zum Beispiel von Habermas entwickelt wurden. So sieht er einiges der drei Merkmale, die Habermas für ein ‚Ideal’ der Öffentlichkeit entwickelt hat, (Gleichheit/Ebenbürtigkeit/Parität, alles kann Gegenstand des Diskurses sein, Unabgeschlossenheit des Publikums) im Internet verwirklichbar. Zum Punkt der Ebenbürtigkeit und Gleichheit meint er: „Die Tatsache, daß der andere nur über den Text existiert, den wir auf unserem Bildschirm von ihm sehen, macht uns wohl geneigter, ihn oder sie als ebenbürtig zu betrachten. Es scheint, als mache der Bildschirm alle gleich.“426 Dabei bezieht er sich auf Unterschiede in Geschlecht und ethnischer Zugehörigkeit und auf Diskriminierungen, denen Behinderte und andere Randgruppen ausgesetzt sind. Trotzdem sieht er keinen Grund zur Euphorie. Er denkt zwar, daß ‚klassische’ Ausgrenzungskriterien wie Hautfarbe oder Geschlecht vor dem Bildschirm nicht zählen, aber daß dafür zahlreiche andere Kriterien hinzukommen, die eine Ausgrenzung und Diskriminierung verursachen können. Dazu zählt er zum Beispiel Fremdsprachenkenntnisse, insbesondere Englischkenntnisse, die es erst ermöglichen auch über regionale Teile des Netzes hinaus aktiv zu sein. Aber auch Sprachgewandtheit, Erfahrung im Umgang mit Computern und Geld für Soft- und Hardware sowie für die Inanspruchnahme von bezahlten Online-Diensten sieht er als neue Ungleichheitskriterien. Des weiteren weist er auf die Macht der ProgrammiererInnen hin, die bestimmen, was technisch an Formen der Teilnahme und Einwirkung möglich ist. So kommt Roesler zu dem Schluß, „daß es auch im Internet nicht zu einer Öffentlichkeit kommt, bei der es keinerlei Ausgrenzungsmechanismen gibt; sie verlagern sich nur und bei der Gleichheit vor dem Bildschirm sind wieder manche gleicher als andere.“427 Indem Roesler hier von einer Verlagerung der Ausgrenzungsmechanismen spricht, versäumt er allerdings die von ihm aufgeführten ‚neuen’ Kriterien der Ausgrenzung und Diskriminierung mit den ‚klassischen’ Kriterien in Bezug zu setzen. Es mag tatsächlich eine Verschiebung mancher Ungleichheitsverhältnisse stattfinden, aber es sollte nicht außeracht gelassen 426Roesler, Alexander, 1997, S. 183 427Ebd. S. 187 (Hervorhebung im Original) 120 http://www.mediaculture-online.de werden, daß die von ihm beschriebenen Punkte, die eine Gleichheit verhindern, in vielerlei Hinsicht gerade für Menschen zutreffen, die bisher schon strukturell benachteiligt sind. So gehen zum Beispiel Sprachgewandtheit und Fremdsprachenkenntnisse oft mit höherer Bildung einher, die wiederum noch immer nicht gleichmäßig auf alle gesellschaftlichen Gruppen verteilt ist. Desgleichen sprechen sowohl Roesler, wie auch Poster davon, daß die Kategorie Geschlecht keine Bedeutung mehr für die Gleichberechtigung im Diskurs virtueller Gemeinschaften hat. Das dies auch anders gesehen werden kann, wird in Kapitel 5.5 unserer Arbeit verdeutlicht. Alexander Roesler bezieht sich jedoch nicht nur auf Habermas, sondern auch auf die Kritik ‚bürgerlicher Öffentlichkeit’ durch Oskar Negt und Alexander Kluge.428 Sie kritisieren an Massenmedien wie dem Fernsehen u.a. die Einseitigkeit der Kommunikation, die verhindert, daß sich die Produkte der Massenmedien durch „Gegenprodukte“ wiederlegen lassen. Und hier scheint das Internet eine Chance zu bieten, den massenmedialen Inhalten etwas entgegenzusetzen. „Gerade für proletarische oder andere Gegenöffentlichkeiten bietet das Internet eine kostengünstige und effektive Möglichkeit, sich gegen die herrschende öffentliche Meinung Gehör und Aufmerksamkeit zu verschaffen.“429 Aber auch hier lohnt es sich, genauer hinzuschauen. In Kapitel 3.2 unserer Arbeit haben wir mit Bezug auf Rainer Rilling schon ausgeführt, daß bei der Produktion von Inhalten neben sozialem Kapital in Form von technischem Wissen auch dem ökonomischen Kapital immer mehr Bedeutung zukommt. Desgleichen hängt die Strukturierung von Aufmerksamkeit des Netzraumes zum einen mit dem Aufbau eines guten inhaltlichen Angebots zusammen. Zum anderen ist aber auch der Import von realgesellschaftlicher Reputation in den virtuellen Raum möglich. So können herkömmliche Medien wie Zeitschriften oder Radio- und Fernsehsender schnell ins Aufmerksamkeitszentrum des neuen Mediums gelangen. Bei der zunehmenden Fülle an Angeboten und Informationen im Internet ist das Erringen von Aufmerksamkeit von größter Bedeutung. „Das Internet ist fest in den Händen der weißen Mittelklasse und der Unternehmen, die in dieser ihren Markt finden. Wenn 428Vgl. wiederum Kap. 4.3. 429Roesler, Alexander, 1997, S. 184 121 http://www.mediaculture-online.de minoritäre Gruppen sich in ihm auch ihren Ausdruck verschaffen, dann ist dies nicht anders wie unter den Bedingungen der verachteten Massenmedien – weitgehend unter Ausschluß der Öffentlichkeit. (...) Man annonciert bestenfalls bei Wired, aber nicht auf der Homepage der Zapatistas. So einfach ist das.“430 Und wie bei Massenmedien bedeutet auch im Internet das Erlangen von Aufmerksamkeit den Erhalt finanzieller Mittel über Werbung. Gleichzeitig haben aber, auch finanzielle Ressourcen ihre Bedeutung bei der Produktion von Inhalten. Hier zeigt sich, wie die verschiedenen Ungleichheitsverhältnisse miteinander verknüpft sind und sich sogar wechselseitig verstärken können. Welche Möglichkeiten das Netz für wen bietet, hängt auch davon ab wie es gestaltet ist und vor allem wer es gestalten kann. Seit mit der Entstehung des WWWs ein Wachstumsboom des Internets einsetzte und die Wirtschaft das Netz für ihre Interessen ‚entdeckte’, stellte sich immer wieder die Frage danach, wer den virtuellen Raum regelt und kontrolliert. Anfangs wurde davon ausgegangen, daß sich das dezentral organisierte Medium Internet jeder Kontrolle und Zensur entzieht und dort auch eine ‚Dezentralisierung von Macht’ stattfindet. Das Netz trug in seiner Anfangszeit durchaus anarchistische Züge, was zu zahlreichen Mythenbildungen über die ‚Freiheit des Cyberspace’ führte.431 Dann zeigte sich durch verschiedene staatliche Zensurversuche jedoch, daß sich auch hier die Macht des Staates nicht so einfach ausschließen läßt. Der Staat tritt allerdings vorwiegend auf den Plan, wo es um die Zensur von verbotenem politischen Material oder um Straftaten wie die Verbreitung von Kinderpornographie geht. Ansonsten setzt die deutsche Politik, wie schon das Vorbild USA, vor allem auf Deregulierung, d.h. daß der Wirtschaft und den privatisierten Telekommunikationsunternehmen freie Hand beim Ausbau der Datennetze gelassen wird, auf die freie Marktwirtschaft vertrauend. Gegner der Deregulierungspolitik, wie Benjamin Barber zum Beispiel befürchten dadurch allerdings eine größere Einschränkung als durch staatliche Eingriffe: „In jedem Fall besteht die Alternative zu einer Regelung durch den Staat nicht, wie häufig behauptet wird, im freien Markt, sondern in der Regulation durch den Markt. Die Wahlmöglichkeiten, die dieser zuläßt, und die Grenzen, die er setzt, sind von großer, prägender Wirkung, doch 430Rötzer, Florian, 1996, http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/te/1053/1.html Anzumerken ist hierzu allerdings, daß Minoritäten sich durchaus in Teilöffentlichkeiten etablieren und wie im Fall der Zapatistas darüber hinaus den Sprung in massenmediale Öffentlichkeiten schaffen können. Vgl. Kapitel 5.2 431Vgl. Kapitel 4 122 http://www.mediaculture-online.de als Teil der ‚unsichtbaren Hand’ des Marktes können wir sie nicht wahrnehmen.“432 Diese Befürchtungen hängen auch mit der Tatsache zusammen, daß auf dem Telekommunikations- und Softwaresektor eine Tendenz zur Konzentrationsbildung und Monopolisierung stattfindet.433 Wobei die neuen Telekommunikationsriesen ihr Monopol nicht auf materielle Güter gründen, sondern auf die neuen Machtinstrumente der Informationsgesellschaft, wie Filme, Worte, Bilder und Ideen. „Und auf dem Gebiet der Information ist ‚Monopol’ eine höfliche Umschreibung für Uniformität, was wiederum eine höfliche Umschreibung für virtuelle Zensur ist – Zensur nicht als Folge politischer Entscheidungen, sondern als eine Konsequenz von unelastischen Märkten, unzureichendem Wettbewerb und Geschäften in ganz großem Stil.“434 Dies sind allerdings – zumindest bisher – erst Tendenzen. Die politische Weichenstellung hat jedoch schon stattgefunden und die Umwandlung von Information beziehungsweise Wissen in ein profitträchtiges Gut ist absehbar. Und soviel dürfte klar sein, die demokratischen Möglichkeiten des Internets hängen nicht zuletzt damit zusammen, wie das Netz selbst strukturiert ist. „Vieles bei der Beantwortung der Frage nach den Machtverhältnissen im Netz wird davon abhängen, ob es gelingt, eine vielfältige und dezentrale Serverlandschaft zu erhalten und auszuweiten“.435 5.4.3 Ungleichheiten auf globaler Ebene „Im Endeffekt werden wir weltweit einen Anstieg des Wohlstands erleben, der sich stabilisierend auswirken wird. Entwickelten Nationen und ihren Bürgern wird wahrscheinlich weiterhin eine gewisse Führungsrolle zufallen. Doch der Abstand zwischen den armen und reichen Ländern wird sich verringern.“436 Daß sich diese 432Barber, Benjamin, 1998, S. 122 433Vgl. Kapitel 5.2 434Barber, Benjamin, 1997, S. 126 435autonome a.f.r.i.k.a.-Gruppe, 1997, http://www.contrast.org/KG/vortech.htm 436Gates, Bill, Hamburg 1995, Der Weg nach vorn. Die Zukunft der Informationsgesellschaft. S. 377. Zit. nach Schulte, Uli, http://www.unimuenster.de/Publizistik/Seminare/Innenansichten/Hausarbeiten/virtuelle_Gemeinschaft.html 123 http://www.mediaculture-online.de optimistische Einschätzung des Softwaregiganten Microsoft erfüllen wird, ist bisher als sehr unwahrscheinlich anzusehen. Im Moment scheint sich die Kluft zwischen armen und reichen Ländern durch den Einsatz neue Medientechniken jedenfalls eher zu vergrößern. Der weitaus größte Teil der Menschen hat keine Zugangsmöglichkeit zum Internet, so daß es hauptsächlich ein Medium der westlichen Industrienationen ist. Daran wird sich in unmittelbarer Zukunft kaum etwas ändern, denn schon die minimalsten Zugangsvoraussetzungen wie Strom- und Telefonanschluß sind für die meisten Menschen der Welt unerreichbar.437 Eine wirklich globale Vernetzung ist also noch in weiter Ferne angesichts der Tatsache, daß „über die Hälfte der Menschheit noch nie eine Telefonnummer gewählt hat oder daß es in Manhattan mehr Telefonleitungen gibt als in ganz Afrika südlich der Sahara.“438 Dennoch sind schon viele Länder der Erde, auch wenn sie keinen Zugang zum Internet haben, über Computernetzwerke miteinander verbunden. So gibt es in Afrika zum Beispiel das Fidonet (welches auch durchs Internet zugänglich ist), ein von Nichtregierungsorganisationen geschaffenes Netz, daß E-Mail-Dienste und elektronische schwarze Bretter anbietet und der bescheidenen Qualität der afrikanischen Telefonleitungen angepaßt ist.439 Doch selbst wenn mehr Länder und Menschen ans Internet angeschlossen wären, kann trotzdem kaum davon ausgegangen werden, daß globale Ungleichheiten dadurch verschwinden werden. Schließlich sind globale Ungleichheiten auch im Zusammenhang mit einer imperialistischen Geschichte und Politik Europas zu sehen. Und gerade in einem durch Informations- und Kommunikationstechnologien zunehmend globalisierten Weltmarkt sind die Chancen verschiedener Nationalstaaten sehr unterschiedlich verteilt. In den sogenannten Drittweltländern und Schwellenländer werden mit der Anbindung an Computernetzwerke verschiedenste Hoffnungen oder Befürchtungen verbunden. Es sind diverse Akteure an der Vernetzung dieser Länder beteiligt, wie Regierungen, Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und multinationale Konzerne, und alle verfolgen damit unterschiedliche Ziele. Wie das in den einzelnen Ländern aussieht, läßt sich im Rahmen dieser Arbeit nicht genau darstellen, deshalb sollen nur ein paar Tendenzen und Beispiele genannt werden. 437Vgl. dazu zum Beispiel Afemann, Uwe, 1997, http://www.hbv.org/dvit/aktuell/in3w.htm 438Mbeki, Thabo, 1995, zit nach Panciera, Silvana, 1996, S.32 439Vgl. auch dazu Afemann, Uwe, 1997, http://www.hbv.org/dvit/aktuell/in3w.htm 124 http://www.mediaculture-online.de Folgende konkrete Nutzungsmöglichkeiten kommen schon zur Anwendung oder werden angestrebt:440 Nichtregierungsorganisationen, wie zum Beispiel Menschenrechtsorganisationen nutzen Computernetze zur länderübergreifenden Kommunikation und zum schnellen Weiterleiten von Informationen. Im Wissenschaftsbereich können Bildungseinrichtungen eines Landes vernetzt werden, um jeweils mehr Informationen zur Verfügung zu haben, oder es wird ein Zugriff auf ausländische Datenbänke ermöglicht. Im Bereich des Gesundheitswesens versucht die Weltgesundheitsorganisation WHO über den Einsatz der weltweiten Netzwerke gerade Entwicklungsländer mit aktuellen medizinischen Informationen zu versorgen. Im Wirtschaftssektor nutzen vor allem ausländische Firmen das Internet, um schnelle und günstige Verbindungen mit ihren Stammsitzen in Europa, USA oder Japan zu bekommen. Eine Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland wird einfacher möglich, so daß es viele Firmen gibt, die ihre Software zum Beispiel in Indien entwickeln lassen. Viele Regierungen erhoffen sich durch eine Anbindung an Computernetzwerke wirtschaftlichen Aufschwung und die Entstehung neuer Arbeitsplätze. Wem die neuen Kommunikations- und Informationsmöglichkeiten tatsächlich nutzen, muß genauer betrachtet werden. In aller Regel haben nur Angehörige oberer Schichten eines Landes die Möglichkeit, Computer und Netzwerke zu nutzen. „In weitaus stärkerem Maße als in den Industriestaaten besteht die Gefahr, daß sich eine Zweiklassengesellschaft ‚Wissender’ und ‚Unwissender’ herausbildet.“441 Ein Teil der Menschen kann tatsächlich einen besseren Zugang zu Informationen bekommen, wobei es von mancher Seite auch angezweifelt wird, ob die Informationen der westlichen Welt, beispielsweise im Gesundheits- oder Wissenschaftsbereich, wirklich für alle nützlich sind. So oder so sind es nur wenige Menschen, die von dem neuen Medium profitieren können. „Internet für NGO’s und weiterführende Bildungseinrichtungen wie Hochschulen sowie in staatlichen Bereichen hilft nur dann wirklich, wenn die sie nutzenden Eliten sich ihrer Verantwortung für das Wohl aller bewußter werden und wir in den reichen Industrienationen die neuen Möglichkeiten nicht weiter monopolisieren und auf Kosten anderer mißbrauchen.“442 Auch die von Industriestaaten ins Ausland verlagerten Telearbeitsplätze kommen dort vor allem 440Vgl. ebd. 441Baum, Holger/Boldt, Klaus/Ghawami, Kambiz, 1998, http://www.epo.de/specials/spektrum.html 442Afemann, Uwe, 1996, http://www.th-darmstadt.de/fsmathe/BdWeb/Forum/96-1/afemann.html 125 http://www.mediaculture-online.de gebildeteren Schichten zugute, da es sich meist um Arbeitsplätze mit hohen Qualifikationsanforderungen handelt, was die Unterschiede zwischen arm und reich innerhalb der Länder weiter vertieft. Wie wir in unserem Kapitel über Globalisierung an Hand des Beispiels der Zapatistas in Mexiko schon zeigten, kann das Internet in manchen Fällen jedoch gerade auch für minoritäre oder unterdrückte Gruppen effektiv für ihre Interessen genutzt werden. Vorangetrieben wird der globale Ausbau der neuen Medien vor allem durch die großen Konzerne der Informationstechnologie und dies nicht ohne entsprechende Motivation. So plant zum Beispiel der amerikanische Telefonriese AT&T die Verlegung eines Unterwasserglasfaserkabels rings um den afrikanischen Kontinent.443 Der Einfluß von Regierungen auf die Ausgestaltung der neuen Entwicklungen beschränkt sich auf wenige Rahmenfaktoren, denn um den Anschluß an die Zukunftstechnologie nicht zu verlieren, sind sie auf solche Investoren angewiesen. Das heißt aber auch, daß die Gewinne der Investitionen vor allem westlichen Großkonzernen zugute kommen und viele Entwicklungsländer in neue Abhängigkeiten geraten werden. Es gibt Stimmen, die die Frage aufwerfen, ob es denn für manche Länder nicht wichtigere Probleme gibt, als die Anbindung an Computernetzwerke. „Gerade als in Jordanien die erfolgreiche Einführung des Internet mit großen Zuwachsraten gefeiert wurde, erinnerten die Hungerdemonstrationen die Eliten des Landes auf eindrucksvolle Weise an die wirklichen Bedürfnisse der großen Mehrheit der jordanischen Bevölkerung.“444 So sieht Uwe Afemann in einem Internetanschluß teilweise eher ein Statussymbol als ein wirklich sinnvolles Werkzeug. Andere betonen allerdings, wie wichtig es vor allem aus wirtschaftlichen Gründen ist, den Anschluß an eine Zukunftstechnologie nicht zu verlieren: „Es würde den Zukunftschancen der Entwicklungsländer zuwider laufen, sowohl die bereits erwähnten Befürchtungen eines kulturellen Identitätsverlustes als auch die Interessen der global agierenden Unternehmen an der weltweiten elektronischen Vernetzung als Argument gegen die Einbindung der ärmeren Länder in dieses Netz ins Feld zu führen, wie dies zuweilen in Deutschland in entwicklungspolitischen Diskussionszirkeln zu vernehmen ist. Tatsächlich 443Vgl. Afemann, Uwe, 1997, http://www.hbv.org/dvit/aktuell/in3w.htm 444Ebd. 126 http://www.mediaculture-online.de würden diese Länder ohne ausreichenden Zugang zu modernen Informationssystemen endgültig von der sich immer mehr verflechtenden Weltökonomie abgekoppelt. Gerade deshalb müssen ihre Chancen gestärkt werden, eine junge und einfach zu handhabende Technologie für ‚den Sprung nach vorn’ nutzen zu können.“445 Der in diesem Zitat erwähnte kulturelle Identitätsverlust wird von einigen Ländern oder Kulturen befürchtet. Was die technischen Standards betrifft, sowohl Hard- als auch Software, ist der monopolartige Einfluß westlicher Großkonzerne unübersehbar. Aber auch das Anbieten von Inhalten im Internet durch Onlinedienste ist durch einen Konzentrationsprozeß gekennzeichnet. Hingewiesen wird immer wieder auf einen Bedeutungsverlust anderer Sprachen und Schriften durch die große Dominanz der englischen Sprache in den Netzen. „Afemann befürchtet einen Bedeutungsverlust anderer Sprachen und Kulturen und sieht im Internet ‚ein elektronisches trojanisches Pferd’ zur zweiten Eroberung der Dritten Welt, indem die Wertvorstellungen der Ersten in die Dritte Welt transferiert werden.“446 Es muß jedoch bedacht werden, daß das Internet hier keine Vorreiterstellung einnimmt, da durch die weit mehr verbreiteten Fernsehgeräte schon lange westliche Werte und Vorstellungen, insbesondere amerikanische, in allen Teilen der Welt verbreitet werden. Schließlich setzte die kulturelle Globalisierung nicht erst mit dem Aufkommen der Internets ein. Wie Ravi Sundaram für das Land Indien jedoch zeigt, kann das Internet auch zur Verstärkung nationaler Identitäten genutzt werden, was von ihm stark kritisiert wird. Im Gegensatz zu einem von Globalisierungsmetaphern geprägten Diskurs, arbeitet er den Stellenwert der neuen Technologie für nationale Orientierungen in Indien heraus. Für ihn greift die bisherige Kritik am Cyberspace aus der Dritten Welt und von klassischen marxistischen Positionen zu kurz: „Sie spricht immer nur von der ‚Musealisierung’ der Dritten Welt im Netz oder von der Übermacht des multinationalen Kapitals in der politischen Ökonomie der Daten-Highways. Natürlich stimmt beides, aber damit läßt sich 445Baum, Holger/Boldt, Klaus/Ghawami, Kambiz, 1998, http://www.epo.de/specials/spektrum.html 446Grote, Andreas, 1997, http://www.snafu.de/~ulrich/ws_97_98/A_Grote.htm 127 http://www.mediaculture-online.de die Rolle nicht erklären, die der virtuelle Raum bei lokalen und regionalen Versuchen spielt, nationale Identitäten umzumodeln oder herzustellen.“447 Auch autoritär regierte Länder wie zum Beispiel China versuchen, einer Öffnung des Landes trotz der Einbindung in globale Computernetzwerke zu entgehen. Verschiedene Kontrollmaßnahmen werden eingesetzt, um das Eindringen unerwünschter Informationen zu verhindern. Es wird befürchtet, daß das Internet zum Erlangen und Verbreiten regimekritischer Informationen genutzt wird, weshalb es dort mit starken Zugangskontrollen belegt wird und Zensurmaßnahmen ausgesetzt ist. Und auch hierbei verdienen westliche Firmen kräftig mit. „Groteskerweise überbieten sich die beiden größten amerikanischen Anbieter Microsoft und Netscape gegenseitig mit BlockierungsSoftware, die die Freiheit der Chinesen einschränken soll, um gleichzeitig mit ihrer neuesten Technologie, die das chinesische Internet erst auf Trab bringen wird, präsent sein zu können.“448 Insgesamt wird deutlich, daß auf globaler Ebene ein immenser, kaum einholbar scheinender, Vorsprung westlicher Industrienationen bei der Entwicklung und Verbreitung der neuen Technologien besteht. Der Zutritt zum virtuellen Raum ist nur für wenige möglich und in ihm werden neue Grenzen gezogen. Ob dieses Ungleichgewicht abgebaut werden kann ist fraglich, zumal es von denen kaum gewünscht wird, die zu den GewinnerInnen der globalen Informationsgesellschaft gehören. So sagte zum Beispiel Bill Clinton mit Bezug auf die neuen Technologien: „Um den Vereinigten Staaten ihre Vorreiterrolle zu sichern, ist es meine Aufgabe als Präsident der Vereinigten Staaten, Amerika so an die neuen Umstände anzupassen, daß wir die Gewinner des 21. Jahrhunderts sein werden.“449 Das deutet in keiner Weise auf Bemühungen globaler Zusammenarbeit zum Abbau von bestehenden Ungleichheiten hin. 5.5 Veränderungen aus der Sicht von Frauen Dieses Kapitel schließt sich inhaltlich teilweise an das vorangegangene an, denn hier wird eines der zentralen Ungleichheitsverhältnisse unserer Gesellschaft im Hinblick auf die 447Sundaram, Ravi, 1997, S. 142 448Sieren, Frank, 1998, S. 232 449Clinton, Bill, 1993, in: Markoff, John, Clinton Proposes Changes in Policy to Aid Technology, The New York Times, 23. Februar 1993, S. 1. Zit. nach Schiller, Herbert I., 1998, S. 139 128 http://www.mediaculture-online.de neuen Medien und die gesellschaftlichen Veränderungen näher betrachtet. Da Frauen bei der Entwicklung neuer Technologien und momentan auch noch bei deren Nutzung deutlich unterrepräsentiert sind, stellen sich folgende Fragen: Inwieweit können mögliche Demokratisierungs- oder Emanzipationspotentiale der neuen Medien von Frauen in ihrem Sinne gestaltet und genutzt werden? Und welche Auswirkungen haben die gesellschaftlichen Veränderungen auf das Geschlechterverhältnis und damit auf die gesellschaftlichen Partizipationsmöglichkeiten von Frauen? Im allgemeinen Diskurs um die neuen Medien und die Informationsgesellschaft wird dieses Thema noch wenig beachtet, allerdings gibt es in der feministischen Wissenschaft inzwischen einige Publikationen, die sich damit beschäftigen, wie sich die Informationsund Kommunikationsmedien in Bezug auf das Geschlechterverhältnis darstellen und wie sich die gesellschaftlichen Änderungen auf das Leben von Frauen auswirken werden. 5.5.1 Über Androzentrismus im Netz und das Gendering neuer Technologien Irene Neverla stellt fest, daß trotz oder gerade weil Frauen inzwischen in viele gesellschaftliche Bereiche eindringen, die Männern vorbehalten waren oder sind, wie zum Beispiel Politik oder Wissenschaft, mit dem Internet eine Einrichtung entstanden ist, die vorwiegend von Männern entwickelt und genutzt wird. „Während in der Öffentlichkeitssphäre des ‚real life’ der traditionelle Ausschluß der Frauen erodiert, entsteht in der Sphäre des ‚virtual life’ neuerlich eine Geschlechterhierarchie zugunsten der Männer.“450 Auch Rena Tangens spricht von einem Androzentrismus des Internets.451 Sie nimmt Aspekte feministischer Wissenschaftskritik als Ausgangspunkt, um androzentrische Einflüsse im Netz zu analysieren. Als ersten Aspekt nennt sie die ungleichen Zugangsbedingungen, die sich in der deutlichen Unterrepräsentation von Frauen äußern. Ihrer Meinung nach wird die Anzahl der Frauen im Netz jedoch eher unterschätzt, zum Beispiel weil Frauen bei der Kommunikation in Newsgroups und Mailinglisten zurückhaltender und somit weniger sichtbar sind. Allerdings gibt es trotz einer Zunahme von Frauen als Nutzerinnen immer noch sehr wenige Frauen als Systembetreiberinnen, Softwareprogrammiererinnen usw. Damit geht eine Einseitigkeit der Inhalte einher, d.h. 450Neverla, Irene, 1998, S. 137 451Vgl. Tangens, Rena, 1996, S. 355-378 129 http://www.mediaculture-online.de die Themenwahl im Usenet und die Angebote im WWW lassen viele Themen aus, die das Leben von Frauen betreffen. Weitere Punkte, in denen sich der Androzentrismus zeigt, sieht Tangens in der Voreingenommenheit der Software-Programmierung, die sowohl sprachlich als auch von der Herangehensweise von einem männlichen Nutzer ausgeht und in einer generellen Bedeutungskonstruktion der Technik als Herrschaftsinstrument. Franz Herrmann weist im Zusammenhang mit Machtaspekten des Partizipationsgedankens und mit Bezug auf feministische Forschungen auf die Allgegenwart der männlichen Hegemonie und Dominanzkultur in der Öffentlichkeit hin: „Partizipation findet immer in einem geschlechtshierarchisch strukturierten öffentlichen Raum statt.“452 Wie wir eben feststellen konnten gilt das auch für den virtuellen Raum der Computernetze. Zumindest momentan ist die männliche Dominanz im Internet noch stark spürbar, schon alleine was das Verhältnis der Nutzer zu den Nutzerinnen betrifft. So ermittelte die ARD/ZDF-Online-Studie bei einer Befragung im Februar 1999, daß lediglich 35% der Online-NutzerInnen weiblich sind.453 Die absolute Zahl von Frauen im Netz ist dagegen groß, und gerade in diesem Medium ist es einfacher als sonst, sich nur auf Frauen zu beziehen.454 Frauen haben sich in der virtuellen Realität eigene Räume geschaffen und nutzen Computernetzwerke für die Schaffung und Intensivierung von sozialen Netzwerken. Auf diese Weise sind Orte entstanden, die im Sinne der Partizipationsforschung als Artikulationsräume bezeichnet werden können.“ ‚Gelingende Partizipation’ erfordert Artikulationsräume (im physischen und sozialen Sinn als geschlechtseigene Gruppen), in denen die beschriebenen Sichtbarmachungs- und Entdeckungsprozesse erfolgen können sowie eine Selbstvergewisserung und Stärkung individueller wie kollektiver Identität ermöglicht werden kann.“455 Gründe für die geringe Online-Präsenz von Frauen werden vor allem in den Faktoren Geld, Zeit und Wissen gesehen.456 Die Benachteiligung der Frauen bei der Verfügung 452Herrmann, Franz, 1995, S. 147 453Vgl. ARD/ZDF-Arbeitsgruppe Multimedia, 1999, http://www.zdf.msnbc.de/news/38794.asp 454Vgl. Kleinen, Barbara, 1997, S. 12ff. 455Herrmann, Franz, 1995, S. 172 456Vgl. zum Beispiel Dorer, Johanna, 1997 oder Neverla, Irene, 1998 130 http://www.mediaculture-online.de über die Ressource Zeit wird mit der häufigen Doppelbelastung von Frauen erklärt, allerdings auch mit ihrem subjektiven Empfinden, wie vorhandene Zeit ‚sinnvoll’ genutzt werden kann. Der Faktor Wissen bezieht sich auf spezielles Wissen im Bereich der Technikkompetenz. „In allen drei Aspekten – Entstehung, Nutzung und Inhalt des Mediums – wird deutlich, daß Technik und Geschlecht in einem besonderen und diffizilen Beziehungsgeflecht stehen.“457 Das Verhältnis von Technik und Geschlecht wird im Themenbereich Frauen und Internet/Informationsgesellschaft fast immer und vielfältig diskutiert. Es werden geschlechtstypische Aneignungsweisen von Technik betrachtet, der Frage nach dem Grund für weibliche Technikdistanz oder spezifische Aneignungsweisen von Technik nachgegangen, oder die Rolle betont, die Technik in der alltäglichen Herstellung von Geschlechtsidentitäten spielt. Die Ursachen für ein unterschiedliches Verhältnis von Frauen oder Männern zu Technik werden zum einen durch geschlechtsspezifische Sozialisation erklärt und zum anderen durch Gender-Konzepte, in denen der Prozeß der Herstellung sozialer Geschlechterdifferenz über Bedeutungs- und Wertzuweisungen innerhalb von Handlungskontexten im Vordergrund steht.458 Nach diesem Ansatz wird die Geschlechterdifferenz sozial und kulturell hergestellt und diese Differenz in Interaktionen zwischen Männern und Frauen immer wieder konstruiert und aufrechterhalten, wodurch sie ihre jeweilige Geschlechtsidentität herstellen. Das Geschlecht wirkt somit als Zuschreibung für die Strukturierung gesellschaftlicher Beziehungen, verbunden mit der Prämisse, daß mit der Geschlechterdifferenz unterschiedliche hierarchische Positionen einhergehen. Technik ist noch immer einer der ‚klassischen’ Bereiche, an denen Geschlechterdifferenzen sichtbar werden. „Selbst- und Fremdzuschreibungen der Geschlechter finden in der Technik ein weites Projektionsfeld. In diesem komplexen Entstehungs- und Symbolgeflecht ist das unterschiedliche Verhältnis von Frauen und Männern zur Technik allgemein und insbesondere auch zum Netz-Medium zu sehen.“459 457Neverla, Irene, 1998, S. 141 458Vgl. zur medientheoretischen Gender-Forschung zum Beispiel Angerer, Marie-Luise/Dorer, Johanna, 1994, S. 8-23 459Neverla, Irene, 1998, S. 141 131 http://www.mediaculture-online.de Das Verhältnis von Technik und Geschlecht wird über gesellschaftliche Diskurse reproduziert. „Die symbolische Ordnung der Geschlechterdifferenz funktioniert über die Konstruktion eines Technikmythos, dem das Männliche als Technikinteresse, das Weibliche als Technikablehnung eingeschrieben ist. Die Konstruktion des Technikdiskurses erfolgt über den ökonomischen, politischen und sozialen Diskurs, wobei in diesem Kontext auch danach zu fragen ist, wie der Weiblichkeitsdiskurs beschaffen ist, daß Frauen Widerstand gegen die neuen Kommunikationstechnologien entwickeln, welche Sinnlichkeits-, Gefühls- und Körperdiskurse diesen Technikmythos stützen.“460 Heidi Schelhowe zeigt auf, daß sich gerade mit dem Aufkommen der neuen Technologien auch das Technikverständnis ändert, so daß zum Beispiel das Selbstverständnis der Informatik neu diskutiert wird in Richtung einer Einbettung in den Bereich der Geistesoder Medienwissenschaften. „An der Informatik läßt sich zeigen, daß das, was unter Technik verstanden wird, sich gegenwärtig grundlegend ändert. Dennoch und gleichzeitig wird dieser Bereich in kulturellen Zuschreibungen als Bereich von ‚High Tech’ reklamiert. Dadurch wird gewährleistet, daß auf einem Gebiet, das von großen Einfluß für die Gestaltung der Zukunft sein wird, männliche Dominanz gewahrt bleibt.“461 Auf der Ebene der Individuen lassen sich unterschiedliche Aneignungsweisen der Technik von Frauen und Männern beobachten, in denen sie sich in der Interaktion als Mann oder als Frau positionieren (doing gender). „Geschlechterdifferente Positionen im Umgang mit technologischen Entwicklungen sind aber nicht geschlechtsspezifisch, sondern in der Art und Weise ihrer Aneignung und Auseinandersetzung mit Technologien drücken Menschen ihre Geschlechtszugehörigkeit aus, geben sich als Frauen oder als Männer zu erkennen.“462 Wie sich Männer und Frauen allerdings konkret verhalten, hängt von individuellen Handlungszusammenhängen und Interaktionsgefügen ab, so daß sie nicht immer geschlechtstypisch handeln. „Das Geschlechterverhältnis gibt einen Rahmen für den Umgang der Menschen mit technologischen Entwicklungen vor, determiniert diesen jedoch nicht. Die Auseinandersetzung mit Technologien und technischen Geräten ist vielmehr ein kontextbezogener, ambivalenter und widersprüchlicher Prozeß, (...).“463 So 460Dorer, Johanna, 1997, S. 21 461Schelhowe, Heidi, 1997, S. 79 462Klaus, Elisabeth, 1997, S. 17 (Hervorhebung im Original) 463Ebd. 132 http://www.mediaculture-online.de betonen Elisabeth Klaus, Monika Pater und Uta C. Schmidt den Eigensinn der KonsumentInnen bei der Aneignung neuer Technologien, auch wenn dieser Prozeß natürlich eingebunden ist in gesellschaftliche Geschlechterkonstruktionen: „Im Aneignungsprozeß neuer Medien drückt sich deshalb das gesellschaftliche Geschlechterverhältnis aus und kann zugleich überarbeitet und verändert werden.“464 So werden den neuen Medientechnologien auch Eigenschaften zugeschrieben, die das Potential zur Veränderung des Geschlechterverhältnisses bieten und somit unter Umständen bessere Partizipationsmöglichkeiten von Frauen an fast allen gesellschaftlichen Prozessen ermöglichen. Inwieweit diese Möglichkeiten genutzt werden können muß allerdings vor dem beschriebenen Hintergrund gesehen werden, daß das bestehende Geschlechterverhältnis in die Gestaltung und Nutzung der Technologien eingeschrieben ist. 5.5.2 Potentiale zur Veränderung der Geschlechterverhältnisses Bei den Möglichkeiten zur Veränderung des Geschlechterverhältnisses in der Informationsgesellschaft werden vor allem drei Aspekte diskutiert: Das Verschwimmen der Geschlechtsidentität im virtuellen Raum, die Auswirkungen der gewandelten Organisation von Arbeit und das Verhältnis von Öffentlichkeit und Privatheit. Vor allem bei den letzten beiden Aspekten geht es darum, inwieweit bestehende Barrieren überwunden werden können, die bisher eine Teilhabe von Frauen an bestimmten gesellschaftlichen Bereichen behindert hat. Heidi Schelhowe geht davon aus, daß die Veränderungen durch den gesellschaftlichen Umbruch zur Informationsgesellschaft eine Krise gesellschaftlichen Arrangements bedeutet, welches die Grundlage der bürgerlich-patriarchalen Gesellschaft ist. Dabei setzt sie ihre Hoffnungen darauf, diese Krise für Veränderungen nutzen zu können. „Die gegenwärtigen politischen und kulturellen Kämpfe sind als ein Versuch zu sehen, neue Arrangements auf diesen Feldern zu treffen. Natürlich geht es dabei auch darum, daß einige unter den neuen Bedingungen die alte Herrschaft sichern, ihre Machtansprüche in die neuen gesellschaftlichen Formen hinüberretten wollen. Die gegenwärtige Situation ist 464Klaus, Elisabeth/Pater, Monika/Schmidt, Uta C., 1997, S. 811 133 http://www.mediaculture-online.de aber gleichzeit auch verbunden mit Unsicherheiten und Erschütterungen, die für die Beseitigung alter Herrschaftsverhältnisse genutzt werden können.“465 Wie schon bei der Frage nach Gleichheit beziehungsweise Ungleichheit computervermittelter Kommunikation erwähnt wurde, gehen einige AutorInnen davon aus, daß die Kategorie Geschlecht hier keine Rolle mehr spielen würde, da Identität im virtuellen Raum auf neue Weise selbst hergestellt werden kann.466 In feministischen Publikationen wird dagegen nicht davon ausgegangen, daß mit dem Eintritt in eine virtuelle Realität von Geschlechtsidentitäten einfach abzusehen ist. Susan Herring untersuchte zum Beispiel das Verhalten bei der Online-Konversation und stellte für Männer und Frauen unterschiedliche Kommunikationsstile fest. Der ‚männliche Online-Stil’ läßt sich dabei nach Herring eher als dominant bis aggressiv beschreiben, während der ‚weibliche Online-Stil’ eher durch kommunikative Formen der Unterstützung von anderen und durch die Abschwächung eigener kritischer Positionen gekennzeichnet ist. Diese verschiedenen Kommunikationsstile sind das Resultat von unterschiedlichen Kommunikationsethiken. Daraus ergeben sich divergierende Kommunikationskulturen für Männer und Frauen. „Diese Kulturen sind jedoch keineswegs ,getrennt und gleichberechtigt’; vielmehr geraten die Normen und Praktiken der männlichen Netzkultur, so wie sie in den Netiquette-Regeln festgeschrieben sind, mit der weiblichen Kultur in gewisser Weise in Konflikt, was den Cyberspace – oder wenigstens die vielfältigen , Nachbarschaften’ im Cyberspace – für Frauen sehr unwirtlich macht.“467 Phänomene wie das gender-swapping werden allerdings auch von Frauen mit Interesse betrachtet, wenngleich sie dabei in eine etwas andere Richtung denken. So geht es zum Beispiel eher darum, daß durch einen spielerischen Rollenwechsel die Konstruiertheit geschlechtlicher Identität deutlicher und dadurch auch hinterfragbarer werden kann.468 „Mit dem Vertauschen der Geschlechterposition im virtuellen Raum werden – so Berichte von User/innen – auch die jeweiligen gesellschaftlichen Zuschreibungen erfahrbar, so daß für 465Schelhowe, Heidi, 1997, S. 87 466Vgl. Kapitel 5.4 467Herring, Susan, 1997, S. 65-76 468Zu diesem Thema wurde viel geschrieben und auch kontrovers diskutiert, was im Rahmen dieser Arbeit allerdings nicht ausführlicher dargestellt werden kann. Vgl. zum Beispiel Neverla, Irene, 1998, Dorer Johanna, 1997, Klaus, Elisabeth/Pater, Monika/Schmidt, Uta C., 1997, Schelhowe, Heidi, 1997. 134 http://www.mediaculture-online.de viele Nutzer/innen virtuelles cross-dressing eine neue Art der Reflexion über Geschlechterpositionen ermöglicht (...).“469 Die Veränderungen im Bereich der Arbeit, die meist mit dem Schlagwort Telearbeit belegt werden, sind vielfältiger Art, wie von uns schon in Kapitel 5.3 dargestellt wurde. Neben Phänomenen wie der Teleheimarbeit, die unmittelbar mit der Entwicklung der Informations- und Kommunikationsmedien verbunden sind, sind folgende Trends zu beobachten: Die Vermischung der Sphären von Arbeit und Freizeit, Arbeitsort und Wohnort, und die Umstrukturierung von Arbeitsverhältnissen und betrieblicher Organisation. Welche Chancen ergeben sich dabei für Frauen? Gabriele Winker spricht in Zusammenhang mit diesen Trends von einer „Erosion des Normalarbeitsverhältnisses“.470 Mit der Konstruktion des Normalarbeitsverhältnisses geht eine Unvereinbarkeit von Produktions- und Reproduktionsaufgaben einher, die noch immer meist über eine geschlechtshierarchische Arbeitsteilung gelöst wird, was eine gleichberechtigte Teilnahme von Frauen am Arbeitsmarkt verhindert. Daß dieses Normalarbeitsverhältnis nun immer brüchiger wird, sieht Gabriele Winker als Chance für eine bewußte Umgestaltung. Statt mit neuen Segregationsprozessen auf die geringer werdende Erwerbsarbeitsmenge zu reagieren, sollte ihrer Meinung nach eine kürzere Erwerbsarbeitszeit für alle angestrebt werden. Verbunden mit einer individuelleren Zeitsouveränität und räumlicher Flexibilität, die durch den Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien möglich wird, könnte eine bessere Vereinbarkeit von Produktions- und Reproduktionsleistungen für beide Geschlechter erreicht werden. Damit macht sie gleichzeitig deutlich, daß die Chancen für Frauen in der Informationsgesellschaft nicht zuletzt von deren bewußter Gestaltung abhängen, d.h. auch von den Mitgestaltungsmöglichkeiten durch Frauen. Daß erweiterte Möglichkeiten zur Teleheimarbeit alleine noch keine Veränderungen bewirken zeigt Elisabeth Klaus auf. Sie geht der Frage nach, inwieweit Teleheimarbeit zu einer Veränderung geschlechtsspezifischer Arbeitsteilung beiträgt und kommt zum Schluß, daß die Verteilung von Reproduktionsaufgaben nicht unbedingt damit zusammenhängt, ob Frauen oder Männer zu Hause arbeiten. „Das ist nicht zwingend, 469Dorer, Johanna, 1997, S. 26 470Winker, Gabriele, 1997, S. 97f. 135 http://www.mediaculture-online.de aber in vielen Fällen scheint es so zu sein, daß Heimarbeit – ob Tele oder nicht spielt dabei gar keine Rolle – die bestehenden Rollenverteilung kaum berührt. Im Gegenteil, die existierende Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern bestimmt mit, welche Formen Teleheimarbeit annimmt.“471 Susan Geideck und Martina Hammel betrachten die Chancen für Frauen im Sektor der Telearbeit nicht nur im Hinblick auf die geschlechtshierarchische Arbeitsteilung, sondern auch im Bezug darauf, ob die Veränderungen im Arbeitsbereich den Abbau von Geschlechterhierarchien innerhalb des Arbeitsmarktes ermöglichen. Sie gehen jedoch davon aus, daß die Kategorie Geschlecht weiterhin als Strukturkategorie und Trennlinie im Arbeitsmarkt vorhanden sein wird. Das führen sie zum einen auf das schon oben beschriebene Verhältnis von Geschlecht und Technologie zurück, das sich vor allem auf Zuweisungen im Bereich der qualifizierten Telearbeit auswirkt. Zum anderen weisen sie darauf hin, daß dem wachsenden Qualifikationsniveau von Frauen noch immer geschlechtshierarchische betriebliche Einsatzmuster gegenüberstehen. „Telearbeit als technikzentrierte Arbeitsform hat zur Voraussetzung, daß die zukünftigen Beschäftigten sich permanent technische Kompetenzen vor allem im Multimediaspektrum aneignen. Mit Hinweisen auf Zuschreibungsverhältnisse, den ‚Qualifikationsmythos’ und Befunden zu Reproduktion von Ungleichheitsverhältnisse im Zuge von Rationalisierungsprozessen werden die Möglichkeiten zur gleichberechtigten Teilhabe von Frauen und Männern relativiert.“472 Auch Geideck und Hammel fordern eine Politisierung der Umgestaltungsprozesse im Bereich der Arbeit, um sozialstrukturelle Benachteiligungen zu berücksichtigen. „In diesem Sinne können Frauen in partizipativen Verfahren in betrieblichen Rationalisierungsprozessen zum Teil der Lösung werden. Dadurch entstehen Chancen, die Geschlechterarrangements im Interesse von Frauen in Bewegung zu halten – Garantien für das politische Ergebnis dieser Bewegung können nicht gegeben werden.“473 Ein weiterer Aspekt ist der Wandel des Verhältnisses von Öffentlichkeit und Privatheit, der mit der Einführung neuer Medientechnologien verbunden ist. Für Elisabeth Klaus stellen 471Klaus Elisabeth, 1997, S. 13 472Geideck, Susan/Hammel, Martina, 1997, S. 55 473Ebd. S. 62 136 http://www.mediaculture-online.de die Informations- und Kommunikationstechnologien eine neue Stufe des gesellschaftlichen Prozesses dar, in dem sich Öffentlichkeit immer mehr privatisiert. Öffentlichkeit wird zunehmend medial vermittelt, wobei der Konsum der Medien in die häusliche Sphäre verlagert wird. Dadurch verliert der außerhäusliche Raum an Bedeutung.474 Heidi Schelhowe sieht darin eine weitere Krise patriarchal-bürgerlicher Gesellschaften, deren eine Grundlage das Verhältnis von Öffentlichkeit und Privatheit darstellt, welches eng mit dem Geschlechterverhältnis verwoben ist.475 Mit der Herausbildung der bürgerlichen Gesellschaft im 18. Jahrhundert galt die neu entstehende bürgerliche Öffentlichkeit476 als Raum des Mannes, während das Private den Frauen zugeordnet wurde. Dadurch werden Frauen den Sphären des Politischen ferngehalten, während die privaten Bereiche dem gesellschaftlichen Einfluß und dessen Regelungen entzogen sind. So lautete in den 70er Jahren eine zentrale Aufforderung der Frauenbewegung, Privates öffentlich zu machen und ihm politischen Charakter zu verleihen. Durch die öffentliche Diskussion und Politisierung privater Probleme hofften die Frauen auf eine kollektive Lösung individualisierter Probleme. Mit den globalen Computernetzen entstand nun ein virtueller Raum, der u.a. dazu genutzt wird, sich mit unbekannten Personen über alle möglichen Themen auszutauschen. Für Heidi Schelhowe könnten damit alte Forderungen in Erfüllung gehen: „Ein interessantes Merkmal dieser Art von Netzkommunikation scheint mir, daß sich dort unter anderem auch eine eigenartige und in dieser Form relativ neue öffentliche Diskussion privater, persönlicher Dinge entwickelt hat. Die von der Frauenbewegung geforderten und produzierten neuen Formen von Öffentlichkeit könnten mit den elektronischen Netzen eine interessante Perspektive gewinnen, wenn sie politisch verstanden und gewendet werden können.“477 Irene Neverla und Irmi Voglmayr sind diesbezüglich jedoch skeptisch: „Realiter existieren gegenwärtig im globalen Dorf viele kleine Gemeinschaften. Noch recht abgeschottet voneinander tauschen sie ihre Mitteilungen aus in mehr oder weniger geschlossenen, 474Vgl. Klaus, Elisabeth, 1997, S. 8ff. 475Vgl. Schelhowe, Heidi, 1997, S. 82f. 476Vgl. Kapitel 5.1 477Schelhowe, Heidi, 1997, S. 83 (Hervorhebungen im Original) 137 http://www.mediaculture-online.de halböffentlichen Gruppen (Newsgruppen, Mailboxen, Chat-Gemeinschaften) und tangieren die gesellschaftlichen Machtverhältnisse nicht.“478 Sie sprechen in Zusammenhang mit Netzgemeinschaften nicht von einer öffentlichen Diskussion, sondern eher von einem halböffentlichen Bereich, der vielleicht gerade Kennzeichen einer veränderten Öffentlichkeit ist und mit einer Fragmentierung der Öffentlichkeit einhergehen könnte. Ob in diesem Rahmen eine Politisierung der Inhalte erreicht werden kann und ob dies dann Auswirkungen auf gesellschaftliche Machtverhältnisse haben werden, ist natürlich die große Frage. Insgesamt stellen sich die Veränderungsprozesse auf dem Weg zur Informationsgesellschaft ambivalent dar. „Das Netz-Medium ist androzentrisch und wird es mittelfristig auch bleiben. Das neue Medium trägt und vermittelt die traditionelle Geschlechterordnung, es bietet allerdings auch gewisse Potentiale, die traditionelle Geschlechterordnung zu unterminieren. Über deren Ausschöpfung wird aber nicht im Netz, sondern außerhalb entschieden.“479 Um diese Problematik bei Entscheidungen, die mit den gesellschaftlichen Umbrüchen zusammenhängen, zu berücksichtigen, müssen Aspekte des Geschlechterverhältnisses in die öffentliche Diskussion um die neuen Medien einfließen und Frauen müssen auf den verschiedenen Ebenen der Entscheidungsprozesse beteiligt sein. „In diesem vergleichsweise neuen Spiel werden zur Zeit die Karten gerade neu gemischt und verteilt und die Regeln ausgehandelt. Wenn wir die Chance zum Mitreden nicht ergreifen, werden wir in Zukunft nur noch Patiencen legen dürfen.“480 6. Direktere Einflußmöglichkeiten auf Gesellschaft und die Politik? Bahnen sich nun möglicherweise aufgrund der Möglichkeiten der Computernetze bessere Partizipationsmöglichkeiten für die Menschen an? Können Online-Angebote der großen staatlichen Akteure im Verhältnis zwischen staatlichen Institutionen und den BürgerInnen zu mehr Macht und Mitsprache der BürgerInnen führen? Wo sind momentan die Stärken 478Neverla, Irene/Voglmayr, Irmi, 1996, S. 245 479Neverla, Irene, 1998, S. 148 480Tangens, Rena, 1996, S. 375 138 http://www.mediaculture-online.de der Online-Angebote uns wie können die BürgerInnen davon profitieren? Was wäre verbesserungswürdig? Diesen Fragen wollen wir im Folgenden an konkreten Beispielen nachgehen. Helmut Scherer nimmt ein einfaches, „bürgerorientiertes Kommunikationsmodell“,481 das uns in diesem Zusammenhang sinnvoll erscheint, um solche Fragestellungen zu strukturieren. Er geht von drei Funktionen der Medien in der Demokratie aus: Artikulation, Information und Organisation. „Allgemein gesprochen ermöglichen diese Funktionen erst die Partizipation der Bürger; nur so kann der Bürger den Politikprozeß beobachten und feststellen, welche Themen und welche Akteure dort eine Rolle spielen; und nur durch die Artikulationsleistung der Medien kann er seine eigenen Vorstellungen mit Aussicht auf Erfolg in den Politikprozeß integrieren. Überdies nehmen die Medien eine Organisationsfunktion wahr, denn sie ermöglichen kollektives Handeln.“482 Auf das Medium Internet bezogen muß also betrachtet werden, inwiefern es diese Funktionen für die BürgerInnen erfüllt, beziehungsweise geeignet ist sie zu verbessern. Welche der genannten Aspekte erfahren mit dem Internet eine Verbesserung beziehungsweise bedeuten eine Stärkung der BürgerInnen im Kommunikationsprozeß? Wir wollen die Funktionen der Artikulation, Information und Organisation im Hinterkopf behalten, um die folgenden Beispiele auf eine Stärkung dieser Funktionen hin zu betrachten. Eine weitere Betrachtungsweise, die uns sinnvolle Hinweise für die Einordnung der Angebote geben kann, sehen wir in den von Herbert Kubicek und Martin Hagen beschriebenen „Anschlußmöglichkeiten zwischen Internet und politischer Beteiligung“.483 Ob eine politische Beteiligung mittels Internet gelingen kann, hängt ihrer Meinung nach von drei Faktoren ab, dem rechtlich-institutionellen Kontext, dem inhaltlich-motivationalen Rahmen und dem technischen Anschluß. „Das Medium wird entsprechend den bestehenden sozialen und politischen Rahmenbedingungen eingesetzt. Wenn es zu neuen Formen oder stärkerer Nutzung vorhandener Formen politischer Beteiligung eingesetzt werden soll, dann muß der Technikeinsatz an entsprechende Reformen und 481Scherer, Helmut, 1998, S. 171ff. 482Ebd. S. 174 483Kubicek, Herbert/Hagen, Martin, 1999, http://www.fgtk.informatik.unibremen.de/hagen/partizipation/home.html 139 http://www.mediaculture-online.de Initiativen anknüpfen.“484 Der rechtlich-institutionelle Kontext gibt den Rahmen vor, in dem die Beteiligung von BürgerInnen an Entscheidungsprozessen rechtlich verankert ist. Der inhaltlich-motivationale Kontext bezieht sich auf die Subjekte politischer Beteiligung, die BürgerInnen nach der Bereitschaft der BürgerInnen sich für bestimmte Inhalte zu engagieren, beziehungsweise sich bei bestimmten Formen der Partizipation zu beteiligen. Diese Bereitschaft hängt nach Kubicek und Hagen stark von den Inhalten der Entscheidungen ab, denn Menschen sind vor allem dann bereit sich zu engagieren, wenn es um Themen geht, die sie direkt betreffen und für wichtig befinden. Die eher themenbezogene Engagementbereitschaft scheint den BürgerInnen momentan näher zu liegen als beispielsweise die kontinuierliche Mitarbeit in politischen Parteien. Als technischen Anschluß bezeichnen Herbert Kubicek und Martin Hagen den Vernetzungsgrad der Bevölkerung mit Informations- und Kommunikationstechniken. Dieser Vernetzungsgrad ist noch relativ gering und es sind vor allem bestimmte Personengruppen, die einen Internetanschluß haben. Selbst wenn niemals eine universelle Verbreitung erreicht werden kann, sehen Kubicek/Hagen in bestimmten gut vernetzten Nischen, wie vernetzten Gemeinschaften, oder beispielsweise in vernetzten Firmen oder Universitäten, durchaus sinnvolle Einsatzmöglichkeiten. Festzuhalten ist, daß es auf der institutionellen und informellen Ebene grundsätzlich keine völlig neuen Partizipationsmöglichkeiten alleine aufgrund der zunehmenden OnlinePräsenz von Institutionen, Kommunen, Initiativen und Interessengruppen geben wird. Alle legalen Partizipationsformen werden sich natürlich auch im Internet innerhalb des gesetzlich abgesteckten Rahmens bewegen. Wenn beispielsweise mehr direkte Demokratie auf Bundesebene erwünscht wäre, dann müßten zuallererst politische Entscheidungen die Grundlage für solche Möglichkeiten schaffen. Wir gehen allerdings davon aus, daß unter günstigen Bedingungen485 durchaus vorhandene 484Ebd. 485Gemeint ist hier die noch ungelöste Frage, wie beispielsweise allen Menschen ein Zugang zum Netz ermöglicht werden kann und die nötigen Kompetenzen vermittelt werden können. Diese Fragen werden spätestens dann höchst wichtig, wenn es eines Tages Angebote gibt, die nur noch über die Computernetze zu erreichen sind. Aber auch die „Bereitschaft der EntscheidungsträgerInnen, Definitions-, Entscheidungs- und Verfügungsmacht mit Betroffenen zu teilen„ ist zumindest bei offiziellen Behördenangeboten ein wichtiger Faktor der darüber bestimmt, ob wirkliche Partizipation ermöglicht wird oder nur Scheinpartizipationsverhältnisse geschaffen werden. Herrmann, Franz, 1995, S. 173 140 http://www.mediaculture-online.de Partizipationsmöglichkeiten in einer neuen Form effektiver genutzt und mit weniger Zeitaufwand für die BürgerInnen als bisher verbunden sein könnten. Die Einsatzmöglichkeiten des Netzes im Hinblick auf Partizipation sind trotz aller beschriebener Einschränkungen differenziert und vielfältig und deshalb kaum auf einen Nenner zu bringen. So beziehen sich unsere folgenden Beispiele hauptsächlich auf legale Partizipationsformen und lassen auch die in Kapitel 5.2 angedeuteten globalen Interaktions- und Kommuniaktionsmöglichkeiten außer acht. Jedoch auch für illegale Partizipationsformen, beziehungsweise „elektronischen zivilen Ungehorsam“, könnte der virtuelle Raum, indem sich die Macht ja zunehmend manifestiert, geeignet sein.486 Da wir diesen Aspekt nicht weiterverfolgen werden, soll an dieser Stelle kurz angedeutet werden, auf welche Annahmen sich die Ideen zu illegalen Formen der Partizipation mittels neuer Medien stützen. Das Critical Art Ensemble487 ist der Auffassung, daß die herkömmlichen Widerstandsformen, welche sich oft auf die materiellen Zentren der Macht konzentrierten, in den heutigen spätkapitalistischen Zeiten wirkungslos geworden sind, denn „an die Stelle eines einstmals soliden Sediments der Macht treten nomadisierende Formen, ein elektronischer Datenfluß, die computerisierte Verwaltung des Wissens und der Information, in der die institutionellen Zentren des Kommandos und der Kontrolle kaum mehr auszumachen sind“.488 Das Konzept eines „elektronischen zivilen Ungehorsams“ geht davon aus, daß man (globale) Institutionen nur noch ernsthaft in ihrer Arbeit beeinträchtigen kann, indem man die Bewegungen des Kapitals und der Information selbst unterbricht oder stört. Diskussionen in den USA über die Möglichkeiten elektronischer Kriegsführung (beispielsweise Hackerangriffe auf wichtige Systeme und 486In der Tat ist eine Gesellschaft, in der Kommunikation und Information immer wichtiger werden, auf diesem Wege relativ leicht wirkungsvoll anzugreifen. Diesen Sachverhalt könnten sowohl NGOs wie Greenpeace für aufsehenerregende Aktionen nutzen, aber auch militärische Angriffe sind hier denkbar, wie der Golfkrieg und der sogenannte ‚humanitäre Einsatz‘ der Nato im Kosovo gezeigt hat. „Von jedem Punkt der Erde aus könnte ein Hacker oder Cyberterrorist plötzlich und überraschend im Auftrag einer feindlichen Macht aus dem Off der Netze auftauchen, und die Informationsinfrastruktur Amerikas, beispielsweise die Transaktionswege von Börsen, Großbanken und Versicherungen, die Strom und Wasserversorgung ganzer Landesteile die Behördendateien der US-Administration (...) die Kommunikation unterbrechenden oder unmerklich verändernden Codes lahmlegen.“, Maresch, Rudolf, 1999, S. 130 487Vgl. Critical Art Ensemble, 1997, S. 37-47 488Critical Art Ensemble, 1997, S. 37 141 http://www.mediaculture-online.de Schaltstellen) und die Anstrengungen die unternommen werden, vernetzte Computersysteme vor Eindringlingen zu schützen, läßt solche Protest- und Widerstandsformen auch wenn sie futuristisch klingen mögen in einem durchaus reellen Licht erscheinen.489 Was früher die ,Kontrolle der Straße’ bedeutete könnte in Zukunft die Unterbrechung des Zugriffs auf Information sein, denn das Funktionieren des gegenwärtigen Kapitalismus hängt entscheidend von elektronischer Kommunikation ab. „Die Unterbrechung der Information ist mithin eines der wirkungsvollsten Mittel, um Institutionen, seien sie Teil militärischer oder ziviler, privater oder staatlicher Unternehmen, zu lähmen“.490 Im Folgenden stellen wir nun Beispiele dar, die unserer Einschätzung nach Ansatzpunkte für eine verbesserte Partizipation bieten können. Dabei beschränken wir uns auf drei Bereiche. Zuerst betrachten wir das Online-Angebot des deutschen Bundestags, dann die Partizipationsmöglichkeiten die sich durch Bürgernetze auf kommunaler Ebene ergeben und schließlich gehen wir auf die Rolle des Internets für Initiativen und Interessengruppen am Beispiel der StudentInnenproteste im WS 97/98 ein. 6.1 Online-Angebote großer politischer Institutionen Die Enquete-Kommission „Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft“ diagnostiziert heute schon durch die Informations- und Kommunikationstechnologien bewirkte konkrete Veränderungen im Verhältnis der BürgerInnen zum Staat und zur Verwaltung. Die einfachste und damit auch heute schon am meisten verbreitete Anwendung für die neuen Informations -und Kommunikationstechniken sieht sie in den vielfältigen Möglichkeiten der Information der BürgerInnen. „Sie öffnen vor allem die Chance, das Verhältnis zwischen Staat und Bürgern partnerschaftlicher zu gestalten.“491 Bund, Länder und Kommunen sind zunehmend im Internet präsent und stellen ihre Texte und Veröffentlichungen ins Internet. Hier finden sich unter anderem Beschlüsse, 489Die Praxis, hohe Strafen für relativ kleine Vergehen, wie das unerlaubte Eindringen in Computersysteme ohne daß großer Schaden entstanden ist, auszusprechen stützen die These, daß sich Macht zunehmend in virtuelle Räume verlagert. Vgl. Critical Art Ensemble, 1997, S. 41f. 490Critical Art Ensemble, 1997, S. 40 491Es ist mit Sicherheit wünschenswert, daß der Staat die BürgerInnen besser über seine Aktivitäten informiert und Entscheidungen transparenter macht. Partnerschaftlichkeit beeinhaltet jedoch ein gleichberechtigtes Moment was durch diese doch recht einseitige Weitergabe von Informationen kaum erfüllt sein dürfte. Vgl. Enquete-Kommission Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft, 1998, S.78 142 http://www.mediaculture-online.de Gesetzesentwürfe, Protokolle, Reden, Pressemitteilungen, Programme und andere Veröffentlichungen deren Kenntnisnahme für die (zumindest politisch interessierten und engagierten) BürgerInnen interessant oder wichtig ist. „Die Zeit ist absehbar, in der alle wichtigen, öffentlich zugänglichen Dokumente im Netz stehen werden.“492 Die neuen Techniken ermöglichen so zum einen den öffentlichen Einrichtungen ihr Verwaltungshandeln aufgrund von optimaler Informationsbereitstellung transparenter zu machen. Zum anderen wird oft darauf hingewiesen, daß die Arbeit von Regierungen, Parlamenten und Verwaltungen mit Hilfe der neuen Informations- und Kommunikationstechniken effektiver, billiger aber auch kundenfreundlicher werden wird, und damit auch den BürgerInnen zugute kommt. Etwa wenn vermehrt Anträge und Formulare aus dem Netz beziehbar sind oder gar Steuererklärungen online eingereicht werden können. Es ist natürlich begrüßenswert wenn die Verwaltungen und Behörden kundenfreundlicher werden. Wenn aber die ,Transformationen’ des politischen Systems durch die neuen Technologien auf die Verwaltungsrationalisierung begrenzt wird, und sich damit auf das Herunterladen oder Ausfüllen von Formularen, oder das online begleichen von Gebühren, Mahnungen und Abschlagzahlungen beschränken, hat das mit Partizipation in unserem Verständnis jedenfalls sehr wenig zu tun.493 Auf jeden Fall läßt eine Beschränkung auf diese Formen des Medieneinsatzes viele sinnvollen Einsatzmöglicheiten außer acht. Allerdings fällt diese Entwicklung hin zur elektronischen Abwicklung von Behördenkontakten mit den Wünschen der BürgerInnen zusammen. Die Ergebnisse mehrerer Studien, in denen die BürgerInnen nach gewünschten OnlineAngeboten befragt wurden haben gezeigt, daß Behördenkontakte und Arbeitsplatzangebote an erster Stelle der Wunschliste stehen. Politische Angebote rangierten dagegen auf den hinteren Plätzen.494 „Die Bürger haben überwiegend eine Konsumentenrolle eingenommen und wollen – ähnlich wie homebanking – den Besuch auf dem Amt so effektiv wie möglich gestalten.“495 Martin Hagen und Herbert Kubicek weisen aber darauf hin, daß diese Ergebnisse nicht bedeuten, daß „entsprechende 492Ebd. S.78 493Vgl. Maresch, Rudolf, 1999, S.148 494Vgl. Kubicek, Herbert/Hagen, Martin, 1999, http://www.fgtk.informatik.unibremen.de/hagen/partizipation/home.html 495Ebd. 143 http://www.mediaculture-online.de Beteiligungsformen, werden sie erst einmal angeboten, nicht genutzt würden. Hohe Teilnehmerquoten an Umfragen und ‚Mitmachaktionen’ zum Beispiel im Fernsehen zeigen, daß die Bürger durchaus Interesse haben, sich an gesellschaftlichen Aktionen und Prozessen zu beteiligen. Es kommt allerdings auf die richtige Einbettung an“.496 Der Zugang zu wichtigen Informationen497 an einer oder mehreren zentralen Stellen im Internet ermöglicht eine einfache und umfassende Recherche, die Arbeit der jeweiligen Institution betreffend. Wenn nun jeder Mensch, wenn er es wünscht auf einfache und schnelle Weise Einsicht in Originaldokumente nehmen kann und damit zum Beispiel politische Äußerungen überprüft oder Einsicht in Protokolle von Sitzungen und Debatten nehmen kann, dann kann diese unmittelbare Überprüfbarkeit zu größerer Sorgfalt und Sachlichkeit sowohl bei der Medienberichterstattung aber auch bei den Akteuren der jeweiligen Institution führen. Auf diese Weise wird also die Kontrollfunktion von Öffentlichkeit gestärkt. „Es kann schon ein Gewinn an Demokratisierung bedeuten, wenn Politiker und Behörden in ihrem Verhalten antizipieren müssen, daß sie unter Umständen wohlinformierten Bürgern gegenüberstehen.“498 Diese heute schon verstärkt vorangetriebene Informationsbereitstellung kann allerdings nur ein erster Schritt sein, „den Bürger optimal an der politischen Willensbildung zu beteiligen“,499 was der EnqueteKommission „Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft“ zufolge ein Ziel des staatlichen Handelns beim Einsatz dieser neuen Möglichkeiten ist. Auch Helmut Scherer betont die Vorteile, die den BürgerInnen aus der Nutzung von politischen Artikulations- und Informationsmöglichkeiten entstehen. „Politik und Verwaltung können partiell ihren Informationsvorsprung, der ein wesentliches Element ihrer Herrschaft darstellt, verlieren“.500 Leichtere Zugänge zu politisch relevanten Informationsmöglichkeiten können nach Scherer dazu führen, daß engagierte BürgerInnen bei Konflikten mit staatlichen und politischen Stellen besser vorbereitet sind und damit machtvoller und nachdrücklicher auftreten können. Dabei genügt es Helmut 497Prinzipiell sind die veröffentlichten Dokumente auch schon vor der Veröffentlichung im Internet öffentlich zugänglich gewesen. 498Scherer, Helmut, 1998, S.185 499Enquete-Kommission Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft, 1998, S.79 500Scherer, Helmut, 1998, S.185 144 http://www.mediaculture-online.de Scherer zufolge, wenn einzelne AkteurInnen oder Gruppierungen diese Informationsmöglichkeiten zur Stärkung ihrer Position gezielt nutzen.501 Die massenhafte Nutzung politischer Information ist sogesehen zumindest für eine partielle, themenbezogene Einflußnahme nicht nötig. Scherer zufolge genügt es, wenn man sich der Möglichkeiten bedient, wenn Handlungsbedarf vorhanden ist. 6.1.1. Bundestag online: www.bundestag.de Wir haben als Beispiel für ein Online-Angebot einer großen politischen Institution den Deutschen Bundestag ausgewählt. Das Angebot ist sehr groß und ermöglicht den Interessierten, sich ein umfassendes Bild von der Arbeit, den Strukturen und den Abgeordneten des Bundestags zu machen. Neben dem riesigen Informationsangebot sind auch interaktive Elemente verwirklicht worden. Der Bundestag ging im Januar 1996 online. Auf elektronischem Wege ist er schon seit 20 Jahren über BTX erreichbar. Das Angebot umfaßt insgesamt 22000 Seiten.502 Wenn man die Drucksachen und Plenarprotokolle mitrechnet, so dürfte die Zahl laut einer offiziellen Verlautbarung der Online-Redaktion des Bundestags mindestens zehnmal größer sein.503 Die Zugriffszahlen der Bundestagsseite sind die letzen drei Jahre kontinuierlich gestiegen. „3,5 Millionen Zugriffe wurden im ersten Jahr gezählt, im zweiten Jahr waren es mit 10,1 Millionen schon dreimal so viele. 1998 hat sich die Zahl der Zugriffe noch einmal auf rund 30 Millionen verdreifacht.“504 In der Zeit der Bundestagswahl 1998 gab es eine deutliche Zunahme der Zugriffe. Es wurden allein im September 1998 ca. 4,5 Millionen Zugriffe registriert.505 Damit erfreuen sich die Bundestagsseiten einer großen Beliebtheit mit steigender Tendenz. Das Informationsangebot der Homepage ist unterteilt in die Rubriken „Im Blick“, „Aktuelles“ (zum Beispiel Tagesordnungen, „Woche im Bundestag“, etc.), „Gremien“, „Abgeordnete“, 501Vgl. Scherer, Helmut, 1998, S.185 502Deutscher Bundestag, 1999, www.bundestag.de/aktuell/bp9902/9902084.html 503Ebd. 504Ebd. 505Ebd. 145 http://www.mediaculture-online.de „Europa“, „Berlin“, die „Infothek“ und „Datenbanken“. Unten auf der Seite sind Links zu den verschiedenen Fraktionen des Bundestags. Mithilfe dieser Links ist es möglich, Stellungsnahmen der jeweiligen Fraktion zu aktuellen politischen Themen einzusehen, oder auch allgemeine politische Leitvorstellungen in Erfahrung zu bringen. Die Fraktionsseiten können auch als Sprungbrett (durch angebotene Linksammlungen) zu allen möglichen der Partei angehörigen Gruppierungen (über Landesverbände bis zu jeweiligen Ortsgruppen) dienen. Der Punkt „Aktuell“ enthält aktuelle Presseinformationen und Berichte aus dem deutschen Bundestag, Tagesordnungen der jeweiligen Ausschüsse und der Plenarsitzungen, sowie Protokolle der Plenarsitzungen. Informationen zu den zahlreichen Gremien des Bundestags (beispielsweise Präsidium, Ausschüsse, Fraktionen...) lassen sich unter dem Punkt „Gremien“ finden. Der Punkt „Abgeordnete“ enthält unter anderem Informationen über die Abgeordneten (Biographien, Liste mit Homepages und E-Mail-Adressen, Wahlkreisergebnisse...). Der Punkt „Europa“ enthält alles Wissenswerte über Europa, das Europaparlament und seine Abgeordneten. Unter „Berlin“ finden sich unter anderem Daten und andere Informationen zum Umzug des Bundestags nach Berlin und ein Überblick über die Berlin-Debatte. Unter der Rubrik „Infothek“ kann man sich über die Geschichte des Parlaments, den Ablauf parlamentarischer Prozesse und über die Geschichte der Parteienfinanzierung informieren. Seit 1997 haben die Internet UserInnen auch Zugriff auf die hausinternen Datenbanken des Bundestags (DIP, PARFORS und GESTA),506 über die alle öffentlichen Dokumente, wie Drucksachen, Protokolle, Reden sowie der Stand aller Gesetzgebungsverfahren nach Personen und Sachgebieten recherchierbar sind. Alle Reden sind zudem über eine verschlagwortete Video Datenbank abrufbar und auch als Mitschrift erhältlich. Auf diese Weise lassen sich beispielsweise alle Redebeiträge eines bestimmten Abgeordneten auflisten. So ist es möglich, sich ein ziemlich genaues Bild von der Arbeit eines bestimmten Abgeordneten zu machen. Seit der 14. Wahlperiode werden Plenardebatten außerdem live per Web TV übertragen und sind auch jederzeit über die Datenbank einsehbar und abrufbar. „Wer in der Tagesschau einen kurzen Ausschnitt aus einer Rede sieht und mehr wissen will, kann sich die gesamte Rede 506PARFOR: Bundestags-Drucksachen und -Plenarprotokolle ab der 13. Wahlperiode als PDF- oder ASCIIDateien. DIP: Informationssystem für parlamentarische Vorgänge. GESTA: Gesetzesvorhaben (ohne Redebeiträge) 146 http://www.mediaculture-online.de jederzeit im Internet anschauen.“507 Dies ist ein schönes Beispiel dafür, wie unterschiedliche Medien in digitaler Form immer mehr zu einer Einheit verschmelzen und somit aus einer Hand genutzt werden können. An interaktiven Möglichkeiten gibt es ein themengebundenes und moderiertes Diskussionsforum, dessen Themen etwa alle sechs Wochen wechseln. Die Themen werden allerdings von Seiten des Bundestags vorgegeben. Die Diskussionen werden jeweils durch Beiträge der fachpolitischen SprecherInnen aller Fraktionen eröffnet und sind auch danach unterteilt. Nach der Eröffnung ist es Interessierten möglich, ihre Meinungen zu den Standpunkten der jeweiligen Fraktionen kundzutun, sowie untereinander zu diskutieren. Die FraktionssprecherInnen selbst scheinen sich nicht weiter zu beteiligen. Außerdem gibt es pro Thema noch eine allgemeine Diskussionsgruppe. Die Beiträge der TeilnehmerInnen erscheinen allerdings erst nach der Freigabe durch die ModeratorInnen, was bis zu zwei Arbeitstagen dauern kann.508 Alle abgeschlossenen Diskussionen sind auch weiterhin über das Archiv für alle einsehbar. Gelegentlich werden Online-Konferenzen mit Abgeordneten zu bestimmten Fragestellungen durchgeführt. Im Jahr 1999 wurden bis zum 1.12.99 insgesamt fünf solcher Konferenzen durchgeführt.509 Hier ist es interessierten BürgerInnen möglich, in direkten Austausch mit den beteiligten Abgeordneten zu treten. Sie können Fragen an die Abgeordneten stellen, die dann sofort beantwortet werden. Das Interesse an diesen Aktionen scheint immerhin so groß zu sein, daß in der kurzen zur Verfügung stehenden Zeit in der Regel nicht alle Fragen beantwortet werden können.510 Auch diese Beiträge werden alle im Archiv gespeichert und sind für alle Interessierten einsehbar. Es ist weiterhin möglich, zwei Mailing Listen zu abonnieren. Allerdings dienen diese Mailinglisten nicht wie viele andere der Diskussion. Sie transportieren selbst keine interaktiven Elemente, sondern dienen der Information. Eine der Mailinglisten 507Deutscher Bundestag, 1999, www.bundestag.de/aktuell/bp9902/9902084.html 508Vgl. die Startpage der Online-Foren: http://www.bundestag.de/forum/index.htm 509Vgl. hierzu die Auflistung aller Online-Konferenzen auf dem Bundestagsangebot http://www.bundestag.de/blickpkt/arch_onl/konf.htm 510So konnte beispielsweise der Präsident des Deutschen Bundestages Wolfgang Thierse bei der OnlineKonferenz "Demokratie online: Neue Medien - ein Weg zur direkten Demokratie" von 120 Fragen nur 38 beantworten. Vgl. Thierse, Wolfgang, 1999, http://www.bundestag.de/blickpkt/arch_trs/thierwo.htm 147 http://www.mediaculture-online.de veröffentlicht die hib-Pressemeldungen des deutschen Bundestags.511 Die andere gibt Aktivitäten der Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit bekannt. Hier werden beispielsweise Online Konferenzen, Telefonaktionen oder das Erscheinen elektronischer Publikationen angekündigt. Zudem gibt es die Möglichkeit für eine Online Anmeldung zum Besuch im Bundestag, einen E Mail Briefkasten der es auch Menschen ohne E-Mail-Adresse ermöglicht an Mitglieder des Bundestags oder auch der Online-Redaktion eine Nachricht zukommen zu lassen und mit ihnen in Austausch zu treten, ein Online Bestellformular für gedrucktes Informationsmaterial, die Möglichkeit zum Herunterladen digitaler Broschüren, sowie eine Volltextsuche, die ca. 22.000 Dokumente der Datenbanken auf dem Server erschließt. 6.1.2 Zur NutzerInnen-Gruppe Interessant sind die Ergebnisse einer im Januar und Februar 1999 durchgeführten OnlineBefragung unter den NutzerInnen des Online-Angebots des Bundestags. Die Zahlen sind zwar nicht repräsentativ, da die Daten aufgrund freiwilliger Teilnahme erhoben wurden512, sie geben aber sicherlich trotzdem interessante Hinweise auf das Profil der NutzerInnen. Insgesamt gab es 2752 Zuschriften, die ausgewertet wurden. Wie aus den Zahlen hervorgeht, dominieren unter den befragten NutzerInnen ganz klar jene Menschen, die einen überdurchschnittlich hohen Bildungsabschluß aufweisen können. Frage: Ihre Ausbildung? Anzahl Prozent Hauptschulabschluß 158 5,7% Realschulabschluß 431 15,7% Abitur 646 23,4% Studium Fachhochschule 1076 39,1% Studium Universität 411 14,9% Quelle: Internet Redaktion des Deutschen Bundestags, 1999, http://www.bundestag.de/blickpkt/arch_bpk/frage.htm 511hib ist der laufende Pressedienst des Deutschen Bundestages. Er wird vom Pressezentrum des Deutschen Bundestages herausgegeben und berichtet über die inhaltliche Arbeit des Deutschen Bundestages, zum Beispiel welche Beratungen in den Ausschüssen oder anderen Gremien stattfinden. 512 Wir beziehen uns in diesem Teil auf folgendes Dokument, das die Ergebnisse der Erhebung vorstellt: Internet-Redaktion des Deutschen Bundestages, 1999, http://www.bundestag.de/blickpkt/arch_bpk/frage.htm 148 http://www.mediaculture-online.de Insgesamt 23,4 Prozent Befragten haben das Abitur und 54 Prozent studieren oder haben ein abgeschlossenes Studium. Das sind 77,4 Prozent mit einem hohen Bildungsniveau. NutzerInnen mit Hauptschulabschluß sind demgegenüber mit 5,7 Prozent kaum vertreten. Frage: Ihr Geschlecht? Anzahl Prozent Männlich 2372 82,2 Weiblich 363 13,2 Quelle: Internet Redaktion des Deutschen Bundestags, 1999, http://www.bundestag.de/blickpkt/arch_bpk/frage.htm Die Frage nach dem Geschlecht zeigt, daß bei der Online-Nutzung des Bundestags die Männer gegenüber den Frauen stark dominieren. Insgesamt 86, 2 Prozent Männern stehen 13, 2 Prozent weibliche Nutzerinnen gegenüber. Frage: Verraten Sie uns Ihr Alter? Anzahl Prozent Bis 20 Jahre 339 12,3 % bis 25 Jahre 529 19,2 % Bis 35 Jahre 865 31,4 % Bis 45 Jahre 538 19,5 % Bis 55 Jahre 329 12,0 % 56 Jahre und älter 141 5,1 % Quelle: Internet Redaktion des Deutschen Bundestags, 1999, http://www.bundestag.de/blickpkt/arch_bpk/frage.htm Bei der Altersstruktur der NutzerInnen ist die Gruppe der 25-30jährigen mit 31,4 Prozent am stärksten vertreten. Insgesamt sind die Ergebnisse der Fragen zur Person nicht sonderlich überraschend. Es ergibt sich ein Nutzerprofil, wie es in vielen Untersuchungen zur Internetnutzung bestätigt wird (der Durchschnittsnutzer ist ca. 30 Jahre alt, hat einen überdurchschnittlichen 149 http://www.mediaculture-online.de Bildungsabschluß...).513 Diese Ergebnisse deuten auch darauf hin, daß auch hinsichtlich dieses Angebots, zumindest momentan, die „männliche Elite“ der Gesellschaft von den verbesserten Möglichkeiten der Informationsbeschaffung und der daraus resultierenden verbesserten Transparenz profitieren und insofern die Gefahr der Verstärkung von bestehenden Ungleichheiten besteht. Die Gründe für dieses im Internet vorherrschende NutzerInnenprofil sind sicherlich vielfältig.514 Untersuchungen deuten allerdings auf die Tendenz „für allgemeine demographische Ausgleichsprozesse“515 hin, das heißt, daß sich das Profil der InternetnutzerInnen vermutlich langsam an den allgemeinen Bevölkerungsdurchschnitt annähert. Doch selbst wenn sich ein solcher Ausgleichsprozeß einstellen sollte, wird die Art der Nutzung vermutlich noch immer von strukturell bedingten Ungleichheitsverhältnissen beeinflußt sein. 6.1.3 Versuch einer Einordnung Wie es am Beispiel des Online-Angebots des deutschen Bundestags zu sehen ist, liegt der Schwerpunkt momentan erwartungsgemäß auf der Informationsbereitstellung. Wer es wünscht kann sich in der Tat sehr umfassend über die Arbeit von Abgeordneten, über rechtliche Hintergründe und die komplizierten Verfahren der Gesetzgebung informieren. Diese Informationsangebote helfen zweifellos, die Transparenz und damit die Kontrolle durch die Öffentlichkeit zu verbessern. Allerdings bezieht sich diese verbesserte Transparenz in erster Linie auf schon getroffene Entscheidungen. Rainer Rilling zufolge ist eine solch umfassende Informationsbereitstellung zudem geeignet, ExpertInnenwissen allgemein zugänglich und damit auch kritisierbar zu machen. Netzkommunikation ist damit in der Lage, „ein notorisches Problem der Demokratie zu mildern: die Präsenz des Expertenwissens.“516 Rudolf Maresch zeigt jedoch auf, daß die freie Informationsbereitstellung im Netz auch eine „neue Renaissance der Geheimhaltungspolitik“ erschafft. Er weist darauf hin, daß Information eben nicht gleich Information ist. Durch die propagierte, vermeintlich absolut öffentliche Informationsbereitstellung läßt sich auch sehr gut von nach wie vor nicht öffentlicher Information ablenken. „User oder Bürger bekommen zwar vieles was sie 513Vgl. Enquete-Kommission Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft, 1998, S.86ff. und Kapitel 5.4 dieser Arbeit. 514Vgl. Kapitel 5.4 dieser Arbeit 515Enquete-Kommission Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft, 1998, S.90 516Rilling, Rainer, 1998a, S. 375 150 http://www.mediaculture-online.de wünschen, aber nicht alles, was sie brauchen“.517 Wird Informationsbereitstellung zum Ablenken von wirklich wichtigen Informationen benutzt, so dient sie nicht der Kontrolle von unten, sondern dient der Herrschaftssicherung und Festigung der Macht und ist im Hinblick auf Partizipation eine Alibiveranstaltung.518 Zu bedenken ist somit, daß vermutlich auch die Seiten des Bundestagsangebots sicherlich nicht alle Informationen preisgeben, die für die BürgerInnen interessant und wichtig wären. Auch in der Frankfurter Erklärung zur Informationsgesellschaft wird auf diesen kritischen Punkt hingewiesen. „(...) solange die Gefährlichkeit von Atomtransporten jahrelang verheimlicht werden kann, ist die Rede von der ‚Informationsgesellschaft’ blanker Hohn.“519 Katja Diefenbach kritisiert zudem das Stereotyp der Netzdebatte „Mehr Kommunikation – mehr Wissen – mehr Demokratie“. Automatisch wird damit angenommen, daß mehr Wissen auch mehr Demokratie bedeutet und „damit auf das Versprechen der Aufklärung verwiesen, daß Wissen die Subjekte befreie“.520 Diefenbach verweist jedoch darauf, daß Wissen und Information selbst Herrschaftssysteme sind, welche durch die massenhafte Verbreitung seit dem 18. Jahrhundert nicht zum Abbau von Macht, sondern zur Institutionalisierung derselben geführt haben.521 An den eigentlichen Machtverhältnissen hinsichtlich der Entscheidungsmacht, und damit dem Prinzip der Repräsentation, verändert die Netzpräsenz des Bundestags natürlich nichts. Die Berichte und Gesetze werden mit Ausnahme von Gesetzesinitiativen erst veröffentlicht, wenn Entscheidungen schon gefallen sind. Die Abschriften der jeweiligen Online-Diskussionen werden zwar den beteiligten PolitikerInnen nach Abschluß der Diskussion zur Verfügung gestellt,522 ob die Wünsche der BürgerInnen damit allerdings besser vertreten sind als zuvor ist zumindest fraglich. Martin Hagen und Herbert Kubicek kommen zudem aufgrund von Umfrageergebnissen zu dem nicht sonderlich überraschenden Schluß, daß eine „unverbindliche Diskussion mit 517Rudolf Maresch, 1997, S. 207 518Vgl. hierzu auch Hermann, Franz, 1995, S. 145-147 519Vgl. Frankfurter Erklärung zur Informationsgesellschaft, 1998, http://staff-www.unimarburg.de/~Rillingr/imd/IMD98/98erklaerung.htm 520Diefenbach, Katja, 1997, S. 78 521Vgl. ebd. 522Vgl. Das Archiv der Online-Diskussionen: http://www.bundestag.de/forum/archiv.htm 151 http://www.mediaculture-online.de einem Politiker (...) für die Mehrzahl der Bürger offenbar keine effektive Form der politischen Beteiligung“523 darstellt. Hier ist der Partizipationsgrad angesprochen, der sich auf unverbindlichem Niveau bewegt und damit negative Effekte auf die Engagementbereitschaft der BürgerInnen haben dürfte.524 Mitsprache ist zwar möglich, hat aber zunächst keine Auswirkungen. Direkte und interaktive Formen der Beteiligung sind zudem nur in Ansätzen vorhanden, beziehungsweise unserer Einschätzung nach zumindest stark verbesserungsfähig und bewegen sich bei diesem Angebot auf völlig unverbindlichem Niveau. Das bedeutet, man kann sich sehr gut informieren und ab und zu ist es möglich die eigene Meinung kundzutun. Inwiefern sich Abgeordnete durch solche Online-Kommunikation in ihren Haltungen oder gar in ihrem Abstimmungsverhalten beeinflussen lassen ist offen. Zu befürchten ist allerdings, daß die BürgerInnen durch solche Foren keinen großen Einfluß auf die Arbeit des Bundestags gewinnen können. Hans J. Kleinsteuber ist gar der Meinung, daß es den BerufspolitikerInnen beim Einsatz von neuen Medien wie Internet und CD-ROM um „Business as usual“ geht. Die Möglichkeiten zur Öffentlichkeitsdarstellung werden genutzt, an der „Stärkung einer zweiseitigen, weniger asymetrischen politischen Kommunikation“525 sind sie Kleinsteuber zufolge eher nicht interessiert. Wirklich interaktive, kommunikative Elemente gibt es bis auf die Online-Diskussionen in den thematischen Foren, den gelegentliche Online-Konferenzen mit Abgeordneten oder der Möglichkeit eine E-Mail zu schreiben keine. Dazu kommt, daß die Diskussion in den Foren zeitlich begrenzt ist und die Online-Konferenzen (wahrscheinlich auch aus zeitlichen Gründen der Abgeordneten526) nur selten angeboten werden. Die Moderation der Foren ist wohl zur Qualitätssicherung der Diskussion gedacht, trotzdem bleibt das ungute Gefühl, daß über die Moderation auch Zensur geübt werden könnte. Inwiefern allerdings gekürzt oder zensiert wird ist uns nicht bekannt. Warum die Diskussionsforen irgendwann geschlossen werden und damit die laufende Diskussion regelrecht ‚abgewürgt’ wird, ist eigentlich nicht einzusehen. Sicher wäre es besser offene Strukturen 523Vgl. Kubicek, Herbert/Hagen, Martin, 1999, http://www.fgtk.informatik.uni-bremen.de/hagen/partizipation/home.html 524Vgl. Herrmann, 1995, S. 174f. 525Kleinsteuber, Hans J., 1999, S.60f. 526Zur Zeit Problematik im Zusammenhang mit Online-Präsenz von Abgeordneten vgl. Tauss Jörg/Kollbeck Johannes, 1998, S. 285f. 152 http://www.mediaculture-online.de zu schaffen, wie sie im Usenet zu finden sind. Wünschenswert wären allerdings auch regelmäßigere Beiträge der Abgeordneten zu den Diskussionsgruppen, die bislang fehlen. Angesichts der relativ hohen Zugriffszahlen527 auf das Bundestagsangebot ist die momentane Beteiligung an diesen Diskussionen als eher gering einzustufen. Die höchste Zahl der Beiträge unter den sieben, im Jahr 1999 durchgeführten und bis zum 1.12.99 abgeschlossenen, Diskussionsforen hat mit 154 Beiträgen die Diskussion mit dem Thema „Integration von Ausländern“. Insgesamt bewegt sich die Anzahl der Beiträge an den sieben Diskussionen bis zum 1.12.1999 zwischen 33 bis 154 Zuschriften. Auch hier drängt sich der Verdacht auf, daß viele Menschen aufgrund der Unverbindlichkeit des Angebots von einer Nutzung desselben absehen. Eine Tendenz die die Partizipationsforschung bestätigt.528 Aufgrund des vergleichsweise regen Zuspruchs bei der direkten Kommunikation mit den Abgeordneten (Online-Konferenzen) wäre es sicher eine weitere sinnvolle Bereicherung des Angebots, wenn die interaktiven Potentiale der Mailinglisten als Orte der Diskussion genutzt werden könnten und die Online-Konferenzen häufiger durchgeführt werden würden. Ein direktes Gespräch mit Abgeordneten scheint zumindest interessanter zu sein als die Diskussion in den Diskussionsgruppen. Unser Hauptkritikpunkt an den angebotenen Interaktionsmöglichkeiten ist der insgesamt zu geringe Umfang. Damit bleibt das Angebot weit hinter den denkbaren Möglichkeiten zurück, nämlich die interaktiven Möglichkeiten zu nutzen, um einen regen Austausch zwischen den Mitgliedern des Bundestags und der Bevölkerung zu ermöglichen. Insgesamt bleibt der Eindruck, daß der Stellenwert, der der Interaktion beigemessen wird, nicht sonderlich hoch zu sein scheint. Die verfügbaren (und nicht repräsentativen) Zahlen zum NutzerInnenprofil deuten darauf hin, daß es dem Profil der typischen InternetnutzerInnen folgt. Das bedeutet, daß große Gruppen der Bevölkerung das Angebot nicht nutzen. Die Zahlen lassen sich aber auch dahingehend interpretieren, daß es ein wohlbekanntes Phänomen in der Partizipationsforschung darstellt, daß ohnehin privilegierte Menschen auch politisch aktiver sind. „Egal ob es Wahlen, Parteien oder Bürgerinitiativen sind: Politisch aktiv 527Pro Tag besuchen ca. 2000 bis 2200 NutzerInnen das Angebot. Vgl. Kubicek, Herbert/Hagen, Martin, 1999, http://www.fgtk.informatik.uni-bremen.de/hagen/partizipation/home.html 528Vgl. Leggewie, Claus, 1998, S. 45 153 http://www.mediaculture-online.de werden vor allem die Gebildeten und Reichen.“529 Die Alterstruktur der NutzerInnen des Bundestagsangebots folgt ebenfalls den Erkenntnissen der Partizipationsforschung. „Für die Anschlußmöglichkeiten politischer Beteiligung über Computernetzwerke wichtig ist eine hohe Korrelation zwischen denjenigen, die sich am wahrscheinlichsten politisch beteiligen und denjenigen, die Computer benutzen. Die gemeinsame Schnittmenge sind die 25 bis 45jährigen.“530 Der Einsatz von Computer kann insofern die Beteiligungsbereitschaft von jungen Menschen erhöhen, denn „junge Leute haben eher Erfahrung mit Computern“ und lehnen konventionelle Beteiligungsverfahren eher ab, „ältere Leute beteiligen sich eher auf konventionellem Wege, haben aber weniger Erfahrung mit Computern“.531 Das könnte bedeuten, daß möglicherweise umgekehrt eine Erhöhung der Medienkompetenz von älteren Menschen zu einer Erhöhung der Beteiligung mittels Computern führen könnte. Am Online-Angebot des Bundestags wird zudem ein interessanter und wichtiger Aspekt im Hinblick auf die gesellschaftliche und politische Partizipation von behinderten Menschen im Zusammenhang mit Online-Angeboten deutlich. Die Online-Redaktion hat das Internetangebot gezielt auf die immer größer werdende Gruppe von sehbehinderten und blinden NutzerInnen zugeschnitten um sehbehinderten NutzerInnen einen Zugriff auf die Seiten zu ermöglichen.532 So wurde beispielsweise auf aufwendige Design-Elemente533 verzichtet und auch an anderer Stelle gezielt darauf geachtet Zugriffsbarrieren zu vermeiden. Online Angebote können nämlich für viele behinderte Menschen eine gute Möglichkeit darstellen trotz ihres Handicaps Partizipationsmöglichkeiten zu erschließen, 529Vgl. Kubicek, Herbert/Hagen, Martin, 1999, http://www.fgtk.informatik.uni-bremen.de/hagen/partizipation/home.html 530Ebd. 531Ebd. 532Für diese erfolgreichen Bemühungen erhielt Bundestagspräsident Wolfgang Thierse am 1. Dezember 1999 vom Verein Behinderte in Gesellschaft und Beruf - BiGuB den Gordischen Web-Knoten in Gold überreicht. Nähere Informationen finden sich hierzu auf der Web-Seite des BiGuB: http://www.bigub.de/presse/pm1499.htm 533WWW Seiten mit Frames und aufwendigen Grafiken können momentan von entsprechenden Geräten nicht blindengerecht aufgearbeitet werden und stellen für Blinde damit eine unüberwindliche Zugangsbarriere dar. 154 http://www.mediaculture-online.de wenn bei der Seitenerstellung gewisse Grundsätze beachtet werden. Dies hat die OnlineRedaktion in beispielhafter Weise verwirklicht. Das Angebot des Bundestags kann insgesamt als erster und durchaus gelungener Schritt gesehen werden, den BürgerInnen vor allem über bessere Informationsmöglichkeiten mehr Partizipation zu ermöglichen. Die Stärken des Angebots liegen darin, daß eine sehr große Menge an unterschiedlichen Informationen über die Bundestagsseiten zentral zugänglich ist. Ein weiterer Vorteil ist, daß die Information direkt eingesehen werden kann, ohne daß durch die Selektionsfunktion der Medien Verfälschungen oder Bewertungen entstehen. Die Interessierten können sich aufgrund der ungefilterten Informationen eine eigene Meinung bilden. Die momentanen informationslastigen Angebote sind auf das Vorfeld der Partizipation zugeschnitten und damit geeignet, die Bedingungen für eine weitergehende Partizipation zu schaffen. „Das Internet bietet nun erstmals die Möglichkeit, Gesetzesvorlagen, Beratungsprozesse und individuelle Verhaltensweisen der Legislatoren in vollem Umfang allen Interessierten ohne Aufwand zugänglich zu machen und dadurch die kognitiven Voraussetzungen herzustellen, die für eine rationale Ausübung der politischen Rechte (zum Beispiel für Wahlentscheidungen oder die Teilnahme an Petitionen und Protestbewegungen) unerläßlich sind.“534 Insgesamt werden mit diesem und ähnlichen Angeboten die Möglichkeiten geschaffen, daß möglichst viele BürgerInnen die Entscheidungstätigkeit der regierenden Instanzen wahrnehmen und beurteilen können und damit zumindest einen besseren informellen Einfluß ausüben können.535 Nachdenklich stimmt allerdings der Befund der sozialwissenschaftlichen Technikforschung, der von Verwaltungswissenschaftlerinnen bestätigt wird, daß der Einsatz von Informationstechnologien in Organisationen vor allem die bestehenden Strukturen stärkt und damit als Trendverstärker gelten kann.536 Diese Tendenz läuft den für eine größere und unserer Auffassung nach wünschenswerten direkteren Beteiligung nötigen Reformen zuwider. Die Zukunft wird erst noch zeigen, ob sich tatsächlich auch, wie von verschiedenen Seiten gehofft wird, Veränderungen des gesamten politischen Systems ergeben werden, beziehungsweise ob sie von den 534Geser, Hans, 1996b, http://www.uniz.cg/~geserweb/komoef/ftext.html 535Vgl. ebd. 536Vgl. Kubicek, Herbert/Hagen, Martin, 1999, http://www.fgtk.informatik.uni-bremen.de/hagen/partizipation/home.html 155 http://www.mediaculture-online.de EntscheidungsträgerInnen gewollt werden. Von einer Cyberdemokratie (oder ähnlichen Visionen), in der die BürgerInnen auf elektronischem Wege direkte und rechtlich verbürgte Einflußmöglichkeiten auf politische Entscheidungsprozesse haben, sind wir vor allem aufgrund der fehlenden rechtlichen Grundlagen und den fehlenden Zugängen großer Bevölkerungsgruppen auf jeden Fall noch weit entfernt. 6.2 Bürgernetze – bessere Partizipationsmöglichkeiten auf kommunaler Ebene? 6.2.1 Anschlußmöglichkeiten der Partizipation im kommunalen Bereich Wenn es um konkrete Möglichkeiten der politischen und gesellschaftlichen Partizipation mit Hilfe von Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten geht, werden viele Chancen für bessere Partizipationsmöglichkeiten vor allem auf kommunaler Ebene gesehen. Das neue Medium Internet steht für die weltumspannende Kommunikation und gilt als wichtiger Motor der Globalisierung; im Diskurs um das Internet wird viel von virtuellen Gemeinschaften gesprochen, in denen sich Menschen unabhängig von ihrem realen Aufenthaltsort treffen. Im Gegensatz dazu setzen Bürgernetze und digitale Städte oder Gemeinden auf die Abbildung örtlicher Gemeinschaften im virtuellen Raum. Warum sich gerade die kommunale Ebene dafür eignen könnte, Partizipationsmöglichkeiten von BürgerInnen mit Hilfe neuer Technologien zu verbessern, liegt hauptsächlich in den oben beschriebenen „Anschlußmöglichkeiten zwischen Internet und politischer Beteiligung“ nach Herbert Kubicek und Martin Hagen.537 Was den rechtlich-institutionellen Kontext betrifft, sind die Partizipationsmöglichkeiten auf kommunaler Ebene vergleichsweise groß. Denn in der Bundesrepublik sind hauptsächlich auf Länderebene und auf kommunaler Ebene direkte Einflußmöglichkeiten an politischen Entscheidungen vorgesehen. Deshalb sieht auch die Enquete-Kommission des Bundestags hier besondere Chancen: „Eine bessere Beteiligung der Bürger an der politischen Willensbildung dürfte sich jedoch vor allem auf lokaler Ebene zeigen. Hier gibt es zum Beispiel im Planungsverfahren große Möglichkeiten. Durch eine Kombination von Offenlegung der Plangungsunterlagen und Nutzung von geographischen 537Vgl. Kubicek, Herbert/Hagen, Martin, 1999, http://www.fgtk.informatik.unibremen.de/hagen/partizipation/home.html 156 http://www.mediaculture-online.de Informationssystemen kann man den Bürger besser an den Planungsprozessen teilhaben lassen.“538 Auch der inhaltlich-motivationale Aspekt bietet Anknüpfungspunkte auf kommunaler Ebene. So weist Fritz von Korff auf das starke Interesse der Menschen gerade an regionalen Belangen hin, in dem er sich auf verschiedene Untersuchen bezieht: „Nachweisbar rangiert das Interesse der Bürger an kommunalen Ereignissen und lokaler Politik über dem nationaler oder internationaler Politik; auch ist das politische Kompetenzgefühl hier am ausgeprägtesten.“539 Dies zeige sich auch darin, daß sich die absolute Mehrheit an Bürgerinitiativen kommunalen Themen widmen. Der technische Anschluß, mit dem Herbert Kubicek und Martin Hagen den Vernetzungsgrad der Bevölkerung ansprechen, ist natürlich auch auf kommunaler Ebene gering. Hier setzen jedoch viele Bürgernetze an, indem sie versuchen, einen günstigen Zugang sowohl für Einzelpersonen als auch für Gruppen oder Organisationen zu schaffen. Über öffentlich zugängliche Terminals zum Beispiel in Bibliotheken soll weiter versucht werden, möglichst viele BürgerInnen zu erreichen. Kombiniert wird dieser Ansatz teilweise noch mit Projekten zur Förderung der Medienkompetenz. Das heißt es gibt gute Gründe, die Städte oder Kommunen als Anknüpfungspunkte für Partizipationsbestrebungen zu nehmen. Bisher sind die Umsetzungen solcher Ideen allerdings wenig fortgeschritten. Hier kann ein Blick auf die USA interessant sein, denn dort gibt es schon seit etwas längerer Zeit sogenannte Community Networks, die als Vorbild für den Aufbau von Bürgernetzen gelten können. Schon Ende der 70er Jahren wurde dort auf der Basis von Mailboxsystemen begonnen, lokale Netzwerke aufzubauen. „Heute sind in den USA die meisten Community Networks ein ernsthafter Faktor der lokalen oder regionalen Öffentlichkeit. Auffällig sind hier die hohe Dichte an vertretenen Gruppen, die nahezu selbstverständliche Präsenz kommunaler Politiker im Netz und die engagierten Projekte, Netzkompetenz zu vermitteln.“540 In Europa nahm vor allem die Digitale Stadt Amsterdam (DDS) eine Vorreiterrolle ein, die bereits 1994 ans Netz ging. Dort hat sich inzwischen eine sehr lebendige virtuelle 538Enquete-Kommission Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft, 1998, S. 80f. 539v. Korff, Fritz, 1999, S. 192 540v. Korff, Fritz, 1999, S. 195 157 http://www.mediaculture-online.de Stadtkultur gebildet.541 Geert Lovink, einer der Mitbegründer der digitalen Stadt Amsterdam, sieht einen der Gründe für die Lebendigkeit der virtuellen Stadt, in der auch viele Subkulturen ihren Platz finden konnten, in der Unabhängigkeit des Systems, bei dem die Stadtverwaltung nicht mehr als ein wichtiger Kunde ist. Im Gegensatz zu den Ideen der InitiatorInnen, nimmt die Politik im Amsterdamer Bürgernetz jedoch keinen großen Stellenwert ein: „Politik spielt in der DDS nur eine untergeordnete Rolle, was durchaus nicht von Anfang an so beabsichtigt war. Aber es stellte sich sehr schnell heraus, daß die meisten Politiker weder in der Lage noch willens waren, sich mit dem neuen Medium vertraut zu machen, und daß unsere Anstrengungen sie zum Online-Dialog mit ihren Wählern zu bewegen, pure Zeitverschwendung waren. Und auch die Nutzer waren mehr daran interessiert, miteinander in Gespräch zu kommen als sich auf eine Diskussion mit engstirnigen Politikern einzulassen.“542 Geert Lovink ist sich auch nicht sicher, ob das Netz der geeignete Ort ist für tiefgreifende, öffentliche Diskussionen ohne die lenkende Hand von ModeratorInnen ist, so daß es sich erst noch zeigen wird, ob die Digitale Stadt Amsterdam ein Medium wie jedes andere ist, „mit Redakteuren, die die Diskussionen organisieren und für die Veröffentlichung bearbeiten (und damit auch zensieren), oder ob sie eine digitale Version des Speaker’s Corner im Hyde Park ist.“543 Zwar sind auch in Deutschland viele Städte im WWW präsent, aber mit der Idee von Bürgernetzen oder der Verwirklichung von Partizipationsbestrebungen auf lokaler Ebene hat das in der Regel wenig zu tun. „Was heute von Städten und Gemeinden auf dem Internet angeboten wird, ist zumeist immer noch nicht mehr als eine höchst phantasielose und interaktionsarme Präsentation eingescannter Informationen offizieller Broschüren.“544 Die Interaktivität beschränkt sich dabei häufig auf das Vorhandensein einer E-MailAdresse. Die Idee von Bürgernetzen und virtuellen Städten ist es dagegen, einen virtuellen Raum zu schaffen, in denen sich das Leben der Stadt widerspiegelt. Es soll Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten für die BürgerInnen bieten und damit die Gemeinschaft 541Vgl. Lovink, Geert, 1997, S. 193ff. 542Ebd. S. 294 543Ebd. S. 298 544Brönnimann, Christoph, 1996, http://www.datacomm.ch/~cbro/text1.html 158 http://www.mediaculture-online.de stärken, zu einer Demokratisierung beitragen, indem es kommunale Politik transparent macht und BürgerInnen die Beteiligung an politischen Diskursen ermöglicht. „Mehr Transparenz bedeutet in erster Linie mehr und bessere Information. Die Partizipationsforschung bezeichnet die ‚Informiertheit’ als wesentliche Voraussetzung für die Bereitschaft der Bürger, sich auf lokaler Ebene zu beteiligen.“545 Bürgernetze könnten als eine moderne Form der Bürgerarbeit bezeichnet werden.546 Rudolf Maresch vermutet allerdings, das die Motivation beim Einrichten von Bürgernetzen nicht in der Verbesserung von Partizipationsmöglichkeiten liegt. Vielmehr glaubt er, daß Firmen auf diese Weise virtuelle Märkte und Kunden erschließen wollen. Eine andere Motivation sieht er in der dadurch möglichen Verschlankung der Verwaltung.547 Die angesprochene Ähnlichkeit der meisten Stadtpräsentationen im Internet mit Hochglanzbroschüren scheint ihm recht zu geben. Nach Fritz von Korff erfordern Bürgernetze bestimmte Strukturmerkmale für eine positive Wirkung auf die Kommunikationsstrukturen einer Stadt oder Gemeinde.548 Zum einen sollten im Bürgernetz möglichst alle kommunalen Akteure vertreten sein, wobei sie sich jedoch im Gegensatz zur Realität auf einer gleichberechtigten Ebene darstellen und ausdrücken können müssen. Denn der Austausch sollte in einem virtuellen Raum stattfinden, der für alle sichtbar und zugänglich ist. „Existieren abgeschottete Foren, so besteht die Gefahr des Ausweichens auf ‚Informationsinseln’, was die Chance auf konstruktive Diskurse mindern würde.“549 Des weiteren verweist er auf die Bedeutung der „unvermittelten Anwesenheit der Bürger“550, die dadurch ihre eigenen Interessen und Anliegen ohne Selektion von Organisationen oder Medien öffentlich machen können. So können eventuell Themen diskutiert werden, die ansonsten eher unter den Tisch fallen würden. „Die Veröffentlichung und Diskussion eines unter normalen Umständen eher nicht berücksichtigten Themas erhöht die Wahrscheinlichkeit seiner Wahrnehmung im 545Floeting, Holger/Grabow, Busso, 1998, S. 269 546Vgl. Kapitel 2.1.5 547Vgl. Maresch, Rudolf, 1999, S. 148 548Vgl. v. Korff, Fritz, 1999, S. 195f. 549Ebd. S. 195 550Ebd. S. 196 159 http://www.mediaculture-online.de politischen Entscheidungsprozeß.“551 Aber genau hier liegt ein Problem, das auch durch die neuen Medien nur schwer gelöst werden kann. Zu beachten ist die zum Teil fehlende oder beschränkte Ausdrucks- und Artikulationsfähigkeit von bestimmten Interessengruppen, was zu Verzerrungen in vermeintlich gleichberechtigten öffentlichen Diskursen und Partizipationsprozessen führt. Franz Herrmann weist darauf hin, daß die Fähigkeit zur Beteiligung unter Umständen erst entwickelt werden muß. Gerade der Artikulationsfähigkeit kommt hierbei eine zentrale Rolle zu. „Der von Oskar Negt und Alexander Kluge (1992) geprägte Begriff des ,Ausdruckvermögens’ verweist auf geschlechts-, schicht-, alters-, und nationalitätenspezifische Unterschiede in Teilhabemöglich-keiten an Partizipationsverfahren, auf unterschiedliche lebensweltliche Artikulationsformen und Wissensbestände, die unter dem Ziel gelingender Partizipation berücksichtigt werden müssen.“552 Aber auch die Ungleichheiten bei Zugang und Nutzung der Informations- und Kommunikationsmedien haben eine eigene Selektionsfunktion bezüglich dessen, wer sich hier auf welche Weise artikulieren kann. Es mag durchaus möglich sein, daß sich im Internet Menschen und Gruppierungen zu Wort melden, die normalerweise wenig Gehör finden, aber wie wir in Kapitel 5.4 zeigen konnten, können auch im Netz bestehende gesellschaftliche Ungleichheiten zum Beispiel bezüglich Geschlecht oder ökonomischem Status nicht ausgeglichen werden. Trotzdem stimmen wir Fritz von Korff natürlich zu, daß der Anspruch nach Gleichheit der Menschen bei Fragen der Partizipation nicht aus den Augen verloren werden darf. 6.2.2 Das „Publikon“ in Münster: www.muenster.de Als Beispiel für ein Bürgernetz in Deutschland haben wir das „Publikon“ in Münster ausgewählt, weil es, im Vergleich zu vielen anderen Städten die im Internet vertreten sind, positiv auffällt. Zumindest geht es über eine bloße Präsentation der Stadt hinaus, indem es interaktive Momente integriert und schon vom Ansatz her versucht, das Netz zur Förderung der Partizipation der BürgerInnen zu nutzen.553 Wir möchten hier die Entstehung des Bürgernetzes und seine Inhalte darstellen und anschließend diskutieren, welche Aspekte der Partizipation damit verwirklicht werden können. 551Ebd. 552Herrmann, Franz, 1995, S. 144 und S. 180 553Die Informationen über das Publikon in Münster stammen aus folgenden Quellen: dem Publikon selbst, http://www.muenster.de; den Seiten des Bürgernetzvereins büne e.V., http://www.buene.org; Böhm, Helga/Hertewich, Vera, 1997, http://alf.zfn.uni-bremen.de/~hboehm/index.html 160 http://www.mediaculture-online.de Bereits 1995 entstand eine Initiative zum Aufbau eines Bürgernetzes. Ein Hauptakteur war der ebenfalls 1995 gegründete Verein Bürgernetz (büne e.V.), der im studentischen Umfeld entstanden war. Des weiteren gab es einen von der SPD und der Grünen Alternativen Liste initiierten Ratsbeschluß für eine „digitale offene Stadt Münster (D.O.M.) “. Kooperationspartner waren zum Beispiel die Stadtwerke und die Universität Münster. Das heißt das Bürgernetz Münster entstand auf der Basis einer breiten Zusammenarbeit, sowohl von engagierten BürgerInnen als auch von Institutionen der Stadt. Neben Zielen wie die Stärkung der Wirtschaft stand von Anfang an auch die Idee der Demokratisierung und Förderung von Medienkompetenz, sowohl von BürgerInnen als auch von Institutionen, im Vordergrund. Es sollte eine gleichberechtigte Kommunikation der BürgerInnen untereinander und zwischen BürgerInnen, Politik und Verwaltung der Stadt ermöglichen. Das Publikon ging 1996 ans Netz und bietet vielfältige Informationen. Es ist in drei größere Bereiche aufgegliedert: das Bürgernetz, Firmen im Netz und die Digitale Offene Stadt Münster (D.O.M.). Letzteres sind die offiziellen Seiten der Stadtverwaltung, in denen die Stadt sich und ihre Angebote präsentiert. Dort sind zum Beispiel Erklärungen zur politischen Struktur der Stadt zu finden oder es können Ratsbeschlüsse des Stadtrats eingesehen werden. Münster ist auch um eine bürgernahe Verwaltung bemüht, indem es Informationen zu verschiedenen Ämtern bietet und erforderliche Formulare im Netz zum Downloaden bereitstellt. Das Bürgernetz ist vor allem eine Plattform für verschiedene Gruppen und Initiativen, die dort sehr zahlreich mit eigenen Homepages vertreten sind. Es sind Beratungsstellen, Bürgerinitiativen, Parteien, Vereine, usw., so daß vom ‚Vogelspinnen- und Insektenstammtisch Münster’ über den Verein ‚Mehr Demokratie e.V.’ bis zum ‚Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB)’ alle möglichen Gruppierungen präsent sind. Der Verein ‚Frauen und neue Medien e.V.’ hat das Projekt ‚Münsters Frauen online’ initiiert, ein Bereich im Bürgernetz, der verschiedene Informationen und Anlaufstellen für Frauen und Mädchen bereitstellt. So scheint das Publikon tatsächlich das soziale, politische und kulturelle Leben der Stadt widerzuspiegeln. Um den Zugang aller BürgerInnen zum Stadtnetz zu ermöglichen wurden ein paar öffentlich zugängliche Terminals aufgestellt. 161 http://www.mediaculture-online.de Kommunikationsmöglichkeiten im Bereich der Politik werden über ein offenes Forum in der Form eines elektronischen Schwarzen Brettes geboten. Hier ist allerdings, wenigstens zur Zeit (Dezember 1999), nicht besonders viele los. So gab es zum Beispiel im November 1999 gerade mal 7 Einträge. Zwischen 1996 und 1997 gab es zwei Bürgerbegehren in Münster.554 Der Bürgernetzverein stellte dazu Hintergrundinformationen und Stellungnahmen zusammen und bot ein Diskussionsforum zum jeweiligen Thema an. Es gab auch die Möglichkeit einer elektronischen Stimmabgabe, bei der – zumindest probeweise – im Internet zum Bürgerbegehren abgestimmt werden konnte. Das war kein rechtlich gültiges Abstimmungsverfahren, sondern eher die Herstellung eines Meinungsbildes ohne Auswirkungen auf das Ergebnis des Bürgerbegehrens. Trotzdem war es ein interessanter Versuch, auch diese Form elektronischer Demokratie einzubinden. Schließlich ist es technisch durchaus vorstellbar, daß es irgendwann möglich ist, ein rechtlich bindendes, sicheres Wahlverfahren im Netz durchzuführen. 6.2.3 Versuch einer Einordnung Wie ist dieses Beispiel eines Bürgernetzes nun im Bezug auf die Möglichkeiten einer erweiterten oder verbesserten Partizipation zu sehen? Die Entstehung des Bürgernetzes selbst könnte schon als Beispiel für ein indirektes, kooperatives Partizipationsverfahren555 stehen, da es aus der Zusammenarbeit von Stadtverwaltung und organisierten BürgerInnen entstanden ist. Und der Aufbau eines virtuellen Raumes, in dem sich auch die offiziellen Organe einer Stadt repräsentieren, könnte durchaus von politischer Bedeutung sein. Insgesamt handelt es sich aber beim Aufbau eines Bürgernetzes nicht um die Erweiterung bestehender, verfaßter Partizipationsmöglichkeiten. Die Frage kann sich daher nur darauf beziehen, inwieweit vorhandene Teilhabemöglichkeiten in dieser Form besser wahrgenommen werden können. Was die Diskursebene betrifft ist zu fragen, welche Auswirkungen das Bürgernetz auf die Kommunikationsstrukturen in Münster hat, soweit dies bei alleiniger Betrachtung des virtuellen Raums möglich ist, ohne mehr über Münster selbst zu wissen. Wenn wir die 554Helga Böhm und Vera Hertewich interviewten zu diesem Thema Mitglieder des Verein büne e.V. Vgl. Böhm, Helga/Hertewich, Vera, 1997, http://alf.zfn.uni-bremen.de/~hboehm/index.html. 555Vgl. Kapitel 2.1 162 http://www.mediaculture-online.de Kriterien von Fritz von Korff heranziehen, stellen wir fest, daß, auch wenn wir nicht beurteilen können ob alle kommunalen Akteure vertreten sind, zumindest sehr viele Gruppierungen mit eigenen Homepages im Netz präsent sind. Dabei sind auch Gruppen vertreten, die mit Sicherheit nicht zu den dominantesten Akteuren Münsters gehören wie eine Hörgeschädigtengruppe oder auch Frauen- und Mädchengruppen, und alle können sich in einem gleichen Rahmen präsentieren. Allerdings kann damit noch nicht von einer Kommunikation zwischen den verschiedenen Gruppen ausgegangen werden. Als Gruppierung im Netz präsent zu sein hat ja einerseits die Funktion, interessierte und betroffene Personen auf sich aufmerksam zu machen und nützliche Informationen weiterzugeben. Andererseits geht es auch darum, in der Öffentlichkeit mit den jeweiligen Anliegen Aufmerksamkeit zu bekommen, zumindest wenn es sich um Gruppierungen mit gesellschaftlich-politischem Anspruch handelt. Das Publikon in Münster hat außerdem den Anspruch, die Kommunikation zwischen den BürgerInnen und damit auch zwischen organisierten BürgerInnen zu stärken. Ob auch diese Dimension im Bürgernetz stattfindet läßt sich von außen kaum beurteilen, allerdings entsteht der Eindruck, daß das Bereitstellen von Informationen eher gewährleistet ist als der Austausch zu bestimmten Fragestellungen. Welche Vernetzungen und Kooperationen tatsächlich stattfinden läßt sich beim Betrachten des Bürgernetzes nicht sagen, aber im Netz selbst sind zumindest keine Hinweise auf einen regen Austausch im virtuellen Raum zu finden. Die unvermittelte Anwesenheit der BürgerInnen ist in offenen Diskussionsforen möglich, wobei diese nicht sehr zahlreich sind, so daß die interaktiven Momente deutlich hinter den Informationsangeboten zurückbleiben. Außerdem werden vorhandene Möglichkeiten, wie beispielsweise das offene politische Diskussionsforum, zumindest zum gegenwärtigen Zeitpunkt nur wenig genutzt. Über die Gründe läßt sich in diesem Fall nur spekulieren; einerseits könnte es daran liegen, daß das Forum von der Thematik zu offen ist. Die Offenheit ermöglicht zwar, daß über jedes Thema gesprochen werden kann, das die Menschen interessiert, aber es ist vielleicht trotzdem nicht sehr motivierend sich ohne thematischen Bezug ‚einfach so’ zu äußern. Schließlich gibt es im Usenet massenweise Newsgroups zu allen möglichen, auch politischen Themen, die durchaus Zulauf haben, so daß nicht davon ausgegangen werden kann, daß die Menschen prinzipiell kein Interesse haben, sich im Netz auszutauschen. Beispiele von amerikanischen community-networks 163 http://www.mediaculture-online.de wie sie Christoph Brönnimann beschreibt,556 weisen jeweils mehrere Diskussionsforen zu verschiedenen Themenbereichen auf, in denen konstant oder über einen bestimmten Zeitraum zu einem Thema diskutiert werden kann. Möglicherweise könnte ein solches Vorgehen BürgerInnen und Gruppieren verstärkt zu Äußerungen motivieren, da unter Umständen davon ausgegangen werden kann, daß solche thematischen Foren eher von denen beachtet werden, die (politische) Entscheidungen im entsprechenden Bereich zu treffen haben. Franz Herrmann weist in diesem Zusammenhang auf verschiedene Faktoren hin, die die Bereitschaft oder vielmehr die Nicht-Bereitschaft zu Beteiligung und Engagement von BürgerInnen betreffen. Sie setzen vorhandenes Ausdrucksvermögen aus unterschiedlichen Gründen nicht ein: „Aktive Verweigerung aufgrund von Frustration, Pessimismus etc; Nichtteilnahme aufgrund von fehlenden Informationen, von Kritik am Verfahren als ‚Alibiveranstaltung’, subjektiv ungünstiger Aufwand – Nutzen – Abwägungen, fehlender Relevanz des Themas im eigenen Lebenskontext, oder auch deshalb, weil die aktuelle Lebenssituation keine oder wenig Spielräume für Engagement läßt.“557 Gerade was solche Diskussionsforen angeht, muß danach gefragt werden, inwieweit es sich hier um ‚Alibiveranstaltungen’ handelt, d.h. finden Äußerungen hier wirklich Beachtung bei denen, die die Entscheidungsmacht haben? Bereitschaft zu Beteiligung und Engagement hängt ganz wesentlich damit zusammen, ob BürgerInnen das Gefühl haben, tatsächlich etwas bewegen zu können oder nicht. „Die Analyse der Experimente zeigt, daß das Interesse an Beteiligung zunimmt, wenn sie auf eine verbindliche Konklusion zulaufen, wenn es mit anderen Worten tatsächlich ‚um etwas geht’.“558 Was die Entscheidungsebene betrifft, ist ein Bürgernetz wie oben beschrieben auf den rechtlich-institutionellen Rahmen einer Stadt oder Gemeinde beschränkt. Das Ausschöpfen bestehender, rechtlich verankerter Partizipationsmöglichkeiten, zum Beispiel in Form von Bürgerbegehren, kann jedoch durchaus neue Impulse bekommen. Franz Herrmann weist auf die Schwierigkeiten hin, die sich vielfach mit der Wahrnehmung 556Vgl. Brönnimann, Christoph, 1996, http://www.datacomm.ch/~cbro/text1.html 557Hermann, Franz, 1995, S. 180 558Leggewie, Claus, 1998, S. 45 164 http://www.mediaculture-online.de vorhandener Einflußmöglichkeiten verbinden: „Einige Partizipationsrechte (zum Beispiel Bürgerbegehren oder – entscheid) ziehen komplexe, langwierige Verfahren nach sich und werden deshalb auch kaum genutzt bzw. setzen aufwendige Aktivitäten der BürgerInnen voraus.“559 Unter Umständen kann das Internet hier dazu beitragen, diesen Prozeß zu vereinfachen. Auch wenn bisher die Verfahren zur elektronischen Stimmabgabe noch nicht ausgereift sind, so könnten sie doch in naher Zukunft eingesetzt werden. Dies ist besonders ein Anliegen der VerfechterInnen direkter Demokratie, die jedoch nicht bei allen EntscheidungsträgerInnen beliebt ist. Abfällig wird in diesem Zusammenhang häufig von ‚Knopfdruckdemokratie’ gesprochen. Claus Leggewie betont jedoch, daß es konkret eher darum geht, „eine Dosis direkter Bürgerentscheidung in das System der repräsentativen Demokratie einzufügen – und genau dazu bietet das Internet, zunächst auf lokaler Ebene und bei genau definierten und eingeschränkten Entscheidungsalternativen, ein probates technisches Mittel.“560 Trotz aller aufgeführten Einschränkungen ist mit dem Publikon ein öffentlicher Raum entstanden, der andere Strukturen aufweisen kann als die herkömmliche Öffentlichkeit, beziehungsweise herkömmliche Öffentlichkeiten in Münster. Die zahlreiche Präsenz verschiedenster lokaler AkteurInnen zeigt, daß das Konzept der OrganisatorInnen auf großes Interesse bei der Bevölkerung in Münster stieß. So kann es durchaus als eine Bereicherung der kommunalen Demokratie gesehen werden, daß die Organisation und Artikulation von BürgerInnenanliegen erleichtert wird. Alexander Roesler betont ebenfalls den Vorteil des Internets im Vergleich zu anderen Medien, indem es die Einmischung der einzelnen Menschen in öffentliche Diskussionen einfacher und bequemer macht. Allerdings zeigt er auf, daß das entscheidende Moment im Interesse der BürgerInnen selbst liegt. „Nur wenn Menschen ein Interesse haben, sich in Diskussionen einzumischen und für die Belange einer Gemeinschaft aktiv zu werden, entsteht Öffentlichkeit, die für eine lebendige Demokratie nötig ist. Das wesentliche ist das Interesse – daran wird auch das Internet nichts ändern. Bequemlichkeit war noch nie der Grund für Engagement.“561 559Herrmann, Franz, 1995, S. 151 560Leggewie, Claus, 1997, S. 46 561Roesler, Alexander, 1997, S. 192. 165 http://www.mediaculture-online.de Insgesamt gesehen wurde mit dem Publikon in Münster eine ausbaufähige Basis geschaffen, die, entsprechendes Engagement von Seiten der BürgerInnen und der Stadt vorausgesetzt, weitere Elemente zu einer gelungenen Partizipation integrieren kann. 6.3 Verbesserte Partizipationsmöglichkeiten für Initiativen und Interessengruppen? Hier wollen wir die Nutzung des Internets durch gesellschaftliche Gruppen und AkteurInnen betrachten, die sich außerhalb eines parteipolitischen Rahmens bewegen. Damit ist erst einmal eine sehr heterogene Ansammlung von Initiativen, Protestbewegungen, Nichtregierungsorganisationen usw. gemeint. Jens Schröder definiert solche Gruppierungen folgendermaßen: „Man könnte sie als kollektive Handlungssysteme zur gesellschaftlichen Interessenartikulation bezeichnen. Sie entstehen entlang langfristiger sozialer Konfliktlinien oder in Reaktion auf punktuell wahrgenommene Mißstände.“562 Auch wenn damit Gruppierungen gemeint sind, die sich in ihren Organisationsformen und Zielsetzungen stark voneinander unterscheiden, ist ihnen doch gemeinsam, daß sie versuchen, ihre Interessen über die öffentlich-politische Kommunikation durchzusetzen und damit stark auf Medien angewiesen sind, die ihre Anliegen vermitteln. Sie versuchen, Aufmerksamkeit auf ihre Interessen oder Anliegen zu lenken (Agenda-Setting), so daß die Gesellschaft bestimmte Mißstände wahrnimmt. Politische EntscheidungsträgerInnen sollen aktiviert werden diese Problemlagen zu berücksichtigen. Jens Schröder stellt das in besonderem Maße für Protestbewegungen dar: „Sie kommunizieren, um soziale Konflikte im Lichte bestimmter Deutungsmuster zu interpretieren. Sie wollen ihre Anliegen zum festen Bestandteil des gesellschaftlichen Problemhaushaltes machen, so daß die Regierenden einer ernsthaften Beschäftigung mit ihnen nur noch unter Legitimitätsverslust aus dem Weg gehen können.“563 Wenn wir dem Kommunikationsmodell von Helmut Scherer folgen, können wir feststellen, daß solche Gruppierungen sich in der Regel, wenn auch mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung, aller drei Funktionen der Medien bedienen. Die Informationsfunktion kann zum Sammeln von relevanten Informationen genutzt werden und die Artikulationsfunktion zum Verbreiten eigener Informationen beziehungsweise zur 562Schröder, Jens, 1999, http://www.politik-digital.de/e-demokratie/forschung/internet.shtml 563Ebd. 166 http://www.mediaculture-online.de Vermittlung eigener Interessen. Besondere Bedeutung hat in diesem Zusammenhang vor allem die Organisationsfunktion der Medien, denn politischer Druck entsteht in der Regel erst, wenn sich genügend Menschen mit ähnlichen Interessenlagen zusammenfinden und wenn verschiedene Aktivitäten gebündelt werden können.564 Mit Bezug auf das Internet ist hier zu fragen, welche Verbesserungen dieser Kommunikationsfunktionen das Netz für Initiativen und Interessengruppen bieten kann. Helmut Scherer weist darauf hin, daß etablierte politische AkteurInnen im Vergleich zu gesellschaftlichen Minderheiten oder auch einfachen BürgerInnen im Vorteil sind bei der Koordination von Interessen und der Bündelung von Aktionen, da dazu finanzielle und organisatorische Ressourcen nötig sind. „Die klassischen Massenmedien können zwar durchaus die Aufgabe übernehmen, gesellschaftlichen Protest zu organisieren, in der Regel sind sie aber eher auf die Eliten bezogen.“565 Das Internet benötigt dagegen vergleichsweise wenige finanzielle Ressourcen, vereinfacht die Vernetzung von Menschen und die Organisation von Aktivitäten. Alexander Roesler betont im Zusammenhang mit der Herstellung von Gegenöffentlichkeit566 ebenfalls das Potential des Internets als kostengünstiges und effektives Mittel für ansonsten weniger dominante gesellschaftliche AkteurInnen. „Die Herstellung von Gegenprodukten ist aber gerade im Internet ziemlich einfach; man kann ja nicht nur einen Kommentar direkt abgeben, sondern selbst seine Interessen emanzipatorisch entfalten, durch Gestaltung einer eigenen Homepage etwa, durch Mobilisierung via E-Mail, durch eine neue Newsgroup, oder durch eine Unterschriftensammlung im Netz, wie zum Beispiel gegen die Atombombenversuch der Franzosen damals.“567 Verschiedene Interessengruppen unterscheiden sich vor allem durch ihre Organisationsformen, weshalb sie auch sehr unterschiedliche Kommunikationsbedürfnisse ausbilden. So nutzen eher locker organisierte Protestbewegungen das Internet natürlich anders als Mitgliederorganisationen wie 564Mit dem Internet sind allerdings auch neue Protestformen wie beispielsweise virtueller ziviler Ungehorsam entstanden, die nicht auf eine massenhafte Mobilisierung von Menschen angewiesen sind. 565Scherer, Helmut, 1998, S. 183 566Vgl. Kapitel 5.1 567Roesler, Alexander, 1997, S. 148 167 http://www.mediaculture-online.de beispielsweise große, etablierte Interessenverbände.568 Festzustellen ist auf jeden Fall, daß es nur sehr wenige Initiativen gibt, die keine Organisationsstrukturen außerhalb des Internets haben. Wenn überhaupt, dann beschäftigen sie sich mit Themen, die das Netz selbst betreffen, wie zum Beispiel Initiativen gegen staatliche Zensurmaßnahmen oder gegen eine repressive Kryptographieregelung.569 Claus Leggewie stellt dabei fest, daß der Mobilisierungsanreiz solcher Kampagnen mit dem Interesse an diesem Medium selbst zusammenhängt. „Es zieht Personen an, die vor allem ein ‚technisches’ oder auch ästhetisches Interesse am Internet zeigen. Nicht zufällig ist die bisher größte Mobilisierung in westlichen Demokratien um solche Themen herum entstanden, die mit der Gestalt und Entwicklung der neuen Medien selbst zu tun haben (wie etwa Kryptographie und Datenschutz); (...)“.570 Die meisten Initiativen und Interessengruppen begründen sich jedoch nicht im virtuellen sondern im realen Raum und basieren somit auf mehr oder weniger ausgeprägte realweltliche Organisationsstrukturen. Gerade Initiativen und Bewegungen mit eher schwach ausgebildeten Organisationsstrukturen können das Internet zur Binnenkommunikation und zur überregionalen Vernetzung nutzen. „Besondere Vorteile der kollektiven Organisation ergeben sich vor allem für Gruppen mit geographisch weit verstreuten Mitgliedern, die ausschliesslich dank Computernetzen in der Lage sind, sich wechselseitig kennenzulernen und ihre Meinungen und Aktivitäten zu koordinieren.“571 Hans Geser differenziert die Nützlichkeit des Mediums für verschiedene Gruppierungen mit der These noch weiter aus, daß im Gegensatz zur massenmedialen Vermittlung Führungsinstanzen für Initiativen an Bedeutung verlieren. „Generell unterstützt das Internet sehr gut das ausgeprägt sachbezogene Politisieren, wie es für die progressiven ‚Neuen Sozialbewegungen’ (Frauen- Alternativ- Oekologie- und Friedensbewegung u.a.) kennzeichnend ist. Sehr viel weniger eignet es sich für personenbezogene Bewegungsgruppen (zum Beispiel – LEGA NORD), weil die charismatische Integrationswirkung einer Führerperson nicht zur Geltung gebracht werden kann.“572 568Vgl. Schröder, Jens, 1999, http://www.politik-digital.de/e-demokratie/forschung/internet.shtml 569Vgl. Leggewie, Claus, 1998, S. 34f. 570Ebd. S. 35 571Geser, Hans, 1998, http://socio.ch/intcom/t_hgeser06.htm 572Ebd. 168 http://www.mediaculture-online.de Insgesamt gesehen läßt sich allerdings sagen, daß es bisher kaum möglich ist als Initiative oder Bewegung auf herkömmliche Massenmedien zu verzichten wenn es darum geht, öffentlichen Druck auf Politik und Gesellschaft auszuüben. Denn so leicht das Organisieren von elektronischem Protest auch ist, so leicht läßt sich eine solcher Protest auch ignorieren573 oder abwehren. „Rasch lassen sich Nutzer für Kampagnen mobilisieren, die Konzerne, Regierungen oder Organisationen mit politischen Protestaktionen oder -noten elektronisch unter Druck setzen. Die Möglichkeiten dazu sind vielfältig, die Abwehrmaßnahmen allerdings auch und leicht.“574 Erst wenn eine breitere Öffentlichkeit erreicht werden kann, kann wirklich politischer Druck entstehen. Da das Internet als neues Medium allerdings selbst noch von Interesse für Massenmedien ist und immer wieder für eine Meldung gut ist, werden aufsehenerregende Netzaktionen auf diesem Wege weiter verbreitet. Zumal das Internet von JournalistInnen zunehmend für ihre Recherchen genutzt wird. Aber auch Aktionen, die weniger die Mobilisierung der Öffentlichkeit im Blick haben, werden immer über den virtuellen Raum hinaus verwiesen, da politische Entscheidungen nach wie vor im realen Raum getroffen werden. Nach Christoph Bieber und Eike Hebecker bestehen allerdings „noch immer zu wenige Schnittstellen, die einen Transfer von Online-Aktivitäten in ‚materielle’ Politikprozesse erlauben – im Zweifelsfall zieht die Politik den Netzstecker und ignoriert die Stimmen aus der Tiefe des Datenraumes.“575 6.3.1 Die StudentInnenproteste im WS 97/98 Im Folgenden werden wir die Studierendenproteste im Herbst 1997 näher betrachten, welche als Beispiel für eine Bewegung mit lockeren Organisationsstrukturen gelten kann, die die neue Informations- und Kommunikationstechnologie effizient nutzte. Die Proteste entstanden aus Unmut gegen das Bildungssystem, zu knappe finanzielle Mittel für die Hochschulen, die Einführung von Studiengebühren und gegen eine geplante Änderung des Hochschulrahmengesetzes. Wir wollen auf die Inhalte des Protests jedoch nicht 573Zumindest wenn sich der Protest in Massen-E-Mails ausdrückt. Schwieriger dürfte es sein, beispielsweise Sabotageakte auf Webserver abzuwehren. 574Maresch, Rudolf, 1999, S. 148 575Bieber, Christoph/Hebecker, Eike, 1998a, http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalte/te/3165/1.html 169 http://www.mediaculture-online.de näher eingehen, sondern uns auf die Organisation und die Art des Widerstands konzentrieren, der mit Hilfe des Internets stattfand.576 Die Proteste der StudentInnen im Wintersemester 97/98 fanden hauptsächlich im realen Raum statt und äußerten sich in Aktionen wie Demonstrationen, Besetzungen von Universitätsgebäuden, Kundgebungen, Streiks usw. Parallel dazu entstanden viele Homepages auf Universitätsservern, die über das aktuelle Geschehen informierten, Hintergrundinformationen boten, weitere Aktionen ankündigten, Pressemeldungen sammelten oder auf Seiten anderer Hochschulen verwiesen. Durch die intensive Nutzung der Hypertextstruktur zur Verlinkung der verschiedenen Seiten untereinander entstand ein überregionales Netzwerk an Streik- und Protestseiten. Es wurden sogar eigene DomainNamen für überregionale Seiten beantragt wie www.studentenproteste.org oder www.streik.de. Betreut wurden diese Seiten meist von einzelnen AktivistInnen oder kleineren Gruppen sachkundiger StudentInnen. Sie integrierten teilweise auch multimediale Elemente, indem beispielsweise Dauervorlesungen in Wiesbaden und Tübingen durch das Internet übertragen wurden. Zur Kommunikation untereinander wurden Mailing-Listen eingerichtet und ein eigener Chat-Kanal im Internet-Relay-Chat. Neben der Informations- und Kommunikationsfunktion wurde das Internet auch als Medium für netzspezifische Protestformen genutzt. So wurden zum Beispiel die E-MailAdressen zuständiger Bundes- und Landespolitiker veröffentlicht, gemeinsam mit vorgefertigten Beschwerdebriefen. Die Vorteile der Nutzung des Internets lagen dabei einerseits in der Schnelligkeit des Mediums beim Übertragen der Informationen und zwar ohne die Mobilisierung großer finanzieller Ressourcen. So war es möglich, eine größere Menge an Leuten zu erreichen ohne auf Massenmedien angewiesen zu sein. Andererseits konnte auf die interaktiven Möglichkeiten des Mediums zurückgegriffen werden. Von Vorteil war dabei auch der überdurchschnittlich hohe Vernetzungsgrad der StudentInnen. Die Beliebtheit der Streikseiten im Internet zeigte sich in den hohen Zugriffszahlen während der Hochphase des Protests. In einem E-Mail-Interview mit Christoph Bieber erzählt der Betreuer der Asta-Homepage der Uni-Giessen: „Das war unglaublich und im vorhinein unvorstellbar. 576Eine gute Beschreibung der Internet-Aktivitäten der StudentInnen findet sich im Online-Dossier von Christoph Bieber (http://www.uni-Giessen.de/fb03/vinci/labore/streik_f.thm) mit von ihm verfaßten Artikeln, E-Mail-Interviews mit in diesem Bereich aktiven Studenten usw. 170 http://www.mediaculture-online.de Über das Hochschulrechenzentrum kann ich eine Seiten Statistik abrufen. Diese ergab zum Beispiel allein für einen Tag über 4000 Aufrufe. Am Mittwoch vor der Bonner Demo saß ich abends am Rechner und es kam durchschnittlich alle 2 Minuten eine e-mail mit einer neuen streikenden Uni an.“577 Die hohen Zugriffszahlen animierten auch etablierte Netzakteure wie Suchmaschinen dazu, eigene Kategorien für Streikinformationen einzurichten, wie zum Beispiel www.yahoo.de/schlagzeilen/streik.html. 6.3.2 Versuch einer Einordnung Die Doktoranten Christoph Bieber und Eike Hebecker weisen dem Medium Internet in der Dramaturgie der Studierendenproteste große Bedeutung bei und sprechen von einer Aktualisierung betagter Protestformen der 68er-Generation.578 Das Internet konnte nämlich einerseits nach innen gerichtete Funktionen als Identifikations- und Koordinationsinstrument übernehmen und andererseits nach außen gerichtete Funktionen durch netzbasierte Aktionsformen erfüllen. Die Vereinfachung der Organisation zeigte sich zum Beispiel darin, daß Mailinglisten als virtuelle Streikzentralen fungieren konnten. „An verschiedenen Hochschulen wurden so unabhängig voneinander kommunikative Knotenpunkte errichtet, die jedoch keine programmatische oder personelle Führung innerhalb der Protestbewegung repräsentierten.“579 Weiter betonen sie die Rolle des Internets als Beitrag zur Herstellung eines Bewußtseins als kollektiver Akteur, indem die verlinkten Streikseiten die Reichweite des Protests sichtbar machten und Symbole wie die „Lucky-Streik“-Grafik oder der grüne „Bildungsknoten“ Solidarität vermittelten. „Während in den Bonner Straßen T-Shirts mit dem leicht modifizierten Logo einer Zigarettenmarke das Bild dominierten, hefteten sich die Netz-Protestler das Signet ans digitale Revers – die eigene Homepage.“580 Hier wird zum einen die nach innen gerichtete Funktion deutlich, indem das Internet zur Selbstvergewisserung581 der StudentInnen beitrug und zum anderen ist damit auch schon die nach außen gerichtete Funktion als Instrument zum 577Heinrich, Manuel, 1997, http://www.uni-Giessen.de/fb03/vinci/labore/netz/heinrich.htm 578Vgl. Bieber, Christoph/Hebecker, Eike, 1998b, http://www.uni-Giessen.de/fb03/vinci/labore/netz/blaetter.htm 579Ebd. 580Ebd. 581Die Kommunikation im Internet erschafft hier (virtuelle) ,Artikulationsräume‘ wie sie von der Partizipationsforschung als wichtig für partizipative Prozesse erkannt wurden. Hier ist eine „Selbstvergewisserung im Hinblick auf Ziele, Forderungen, Strategien und Kompromisse möglich„. Herrmann, Franz, 1995, S. 181, vgl. auch ebd. S. 144 171 http://www.mediaculture-online.de Erlangen von Aufmerksamkeit mit angesprochen. Denn über die große Präsenz im virtuellen Raum können nicht nur Menschen erreicht und unter Umständen mobilisiert werden, es kann auch die Aufmerksamkeit von professionellen MedienmacherInnen erregen, die den Protest in die Massenmedien tragen, wodurch das Internet zum „Relais zwischen verschiedenen Öffentlichkeiten“582 wird. Christoph Bieber und Eike Hebecker vergleichen sogar die Ausbreitung im virtuellen Raum von der Wirksamkeit her mit der Sichtbarkeit im realen Raum: „Die Besetzung des öffentlichen Raumes der Datennetze (www.streik.de, www.studentenproteste.org) zieht ähnlichen Aufmerksamkeitsgewinn nach sich wie die klassische Protestform der Demonstration auf Bonner Boden.“583 Ob allerdings ein ähnlicher Gewinn an Aufmerksamkeit möglich ist wenn das Internet zur Normalität wird, muß sich erst noch zeigen. Der Nachrichtenwert netzspezifischer Ereignisse könnte dann durchaus abnehmen, obwohl das Netz weiterhin ein Sprungbrett in breitere Öffentlichkeiten sein kann oder vielleicht selbst schon zum Massenmedium geworden ist. Knut Hickethier nahm mit einem offenen Brief Stellung zu dem Artikel von Christoph Bieber und Eike Hebecker und widerspricht ihrer Einschätzung über die Relevanz des Protests im Datenraum. „Daß studentische Netzbenutzer aus den Streiksites Informationen, kommunikative Verdichtung und Selbstbestätigung erfahren haben, ist unbestritten, doch deutlich ist auch, daß es sich hier weitgehend um eine IngroupÖffentlichkeit handelt. Die Presseauswertung der studentischen Streiks in Hamburg hat gezeigt, daß theatrale Aktionen von Studenten auf Straßen, in Universitätsforen, und in der Bürgerschaft ungleich viel mehr Aufmerksamkeit breiter Bevölkerungsschichten auf sich gezogen haben als alle studentischen Netzdarstellungen. (...) 40 000 Studenten in Bonn machen aus dem Protest ein Politikum, 40 000 studentische Protest-Mails können umstandslos gelöscht werden, ohne daß einer etwas merkt.“584 In einem Antwortbrief von Bieber und Hebecker stimmen die Autoren Knut Hickethier zu, daß massenmediale Berichte natürlich breitenwirksamer sind als die stark eingeschränkte Netzöffentlichkeit. Allerdings betonen sie die Möglichkeit des Internets, der 582Vgl. Bieber, Christoph/Hebecker, Eike, 1998b, http://www.uni-Giessen.de/fb03/vinci/labore/netz/blaetter.htm 583Ebd. 584Hickethier, Knut, 1998, http://www.uni-Giessen.de/fb03/vinci/labore/netz/knut.htm 172 http://www.mediaculture-online.de Selektionsfunktion anderer Medien zu entgehen. „Die Studierenden kontrollierten die medialen Produktionsmittel für eine digitale Öffentlichkeit und ermöglichten so den Zugang zu ungefilterten Informationen und Berichten über Protestaktionen. So konnte einerseits die studentische Ingroup bedient werden, andererseits wurde das vernetzte Protest-Publikum – darunter eine beträchtliche Zahl dankbarer Journalisten – mit aktuellem Input versorgt.“585 Zumal auch Aktionen im realen Raum wie beispielsweise große Demonstrationen nur für eine begrenzte Zahl von Menschen direkt sichtbar sind. Eine wirkliche Aufmerksamkeit erfahren sie erst durch die massenmediale Vermittlung. Fast könnte gesagt werden, daß solche Ereignisse ohne die Verbreitung durch Medien für die Öffentlichkeit so gut wie nicht stattgefunden haben. Was die Protestformen selbst betrifft, sprechen Bieber und Hebecker von einem produktiven Nebeneinander alter und neuer Protestformen, der ihrer Meinung nach auf eine „Evolution des Protests“586 hindeutet. Dabei verweisen sie darauf, daß die damals neuen Protestformen der 68er ebenfalls auf technische Innovationen wie zum Beispiel Megaphonen beruhten.587 Sie sprechen nicht von einer Verdrängung alter Formen des Protests, sondern von einer Aktualisierung derselben. „Es sind gerade die Streikzeitungen, Flugblätter, Protestsongs und Transparente, die nun ihre digitale Neuauflage erleben – mit zuweilen größerer Effizienz und oft wesentlich höherer Reichweite bei geringerem Aufwand.“588 Der Vorteil der digitalen Versionen von Transparenten, Flugblättern usw. liegt vor allem darin, daß sie noch über längere Zeit hin sichtbar sind. Auch wenn die Streiks schnell beendet waren, der Universitätsbetrieb wieder aufgenommen wurde und die Anliegen der Studierenden aus den Nachrichten verschwanden, sind die Streikseiten im Internet nach wie vor vorhanden und bilden somit gleichsam ein Archiv der Ereignisse im Herbst 1997. „So wirkt die Blockade universitärer Einrichtungen oder die massive körperliche Präsenz im öffentlichen Raum bereits eindrucksvoll, aber begrenzt – durch Abbildung und Archivierung im Datenraum wird ihrer 585Bieber, Christoph/Hebecker, Eike, 1998c, http://www.uni-Giessen.de/fb03/vinci/labore/netz/replik.htm 586Vgl. Bieber, Christoph/Hebecker, Eike, 1998b, http://www.uni-Giessen.de/fb03/vinci/labore/netz/blaetter.htm 587Vgl. Bieber, Christoph/Hebecker, Eike, 1998c, http://www.uni-Giessen.de/fb03/vinci/labore/netz/replik.htm 588Bieber, Christoph/Hebecker, Eike, 1998b, http://www.uni-Giessen.de/fb03/vinci/labore/netz/blaetter.htm 173 http://www.mediaculture-online.de Sichtbarkeit unabhängig von Zeit und Ort des Geschehens gewahrt.“589 Dies ist besonders wichtig bei so losen Verbindungen wie sie die StudentInnen darstellen. Im Gegensatz zu festen Mitglieder-Organisationen muß hier von einer starken Fluktuation ausgegangen werden, so daß eine Dokumentation im Datenraum einer der wenigen Anknüpfungspunkte für mögliche weitere Aktionen dieser Art darstellen kann. Auch die entstandenen überregionalen Kommunikationsstrukturen wie Mailinglisten bleiben nach wie vor bestehen oder können bei Bedarf rasch wiederbelebt werden. Wenn wir den Protest der Studierenden aus dem Blickwinkel der Partizipation betrachten, muß natürlich gesagt werden, daß die Wirksamkeit solcher Proteste prinzipiell – egal ob sie im realen oder im virtuellen Raum stattfinden – immer nur sehr begrenzt sein kann. Es geht hier um das Sichtbarmachen von Problemlagen einer Interessengruppe, was Druck auf Entscheidungsträger-Innen ausüben kann, vor allem wenn auch andere Bevölkerungsgruppen diese Anliegen unterstützen, wovon im Falle der StudentInnenproteste kaum auszugehen ist. Auch 40 000 demonstrierende StudentInnen können relativ leicht ignoriert oder wirkungsvoller noch mit Solidaritätsbekundungen von PolitikerInnen ihrer Schlagkraft beraubt werden. Schließlich handelt es sich hier um die Partizipation an einem diskursiven Prozeß und nicht um die verbürgte Teilhabemöglichkeit an politischen Entscheidungen. Wie gezeigt wurde, können die neuen Medientechnologien durchaus hilfreich sein bei der Organisation und Artikulation kollektiver Interessen. Hinsichtlich des Partizipationsgrades bleibt jedoch festzuhalten, daß auch netzvermittelte Protestformen im Bereich unverbindlicher Partizipation angesiedelt sind. 6.3.3. Die „tausend Mark Mailingliste“ Eine interessante Entwicklung, die sich aus den Erfahrungen der netzkoordinierten StudentInnenproteste ergab, war die landesweite Einführung von Mailinglisten zur lokalen und überregionalen Organisation und zum Erfahrungsaustausch. Thematisch befassen sich diese Mailinglisten mit Fragen rund um die Rückmeldegebühren für sogenannte LangzeitstudentInnen. Es wurden zum einen mehrere Mailinglisten mit lokalem Bezug, sowie eine Mailingliste für BeraterInnen und KoordinatorInnen gegründet.590 Als 589Ebd. 590Folgende Mailinglisten zur Rückmeldegebühr existieren derzeit in Baden-Württemberg: – Freiburg: [email protected], Heidelberg: [email protected], Stuttgart: 174 http://www.mediaculture-online.de begleitende ‚Maßnahme’ werden außerdem wichtige Hintergrundinformationen auf Webseiten591 veröffentlicht. Diese Mailinglisten erfüllen bis heute einen wichtigen Zweck. Sie ermöglichen die effektive Organisation und Information von betroffenen StudentInnen. In den entsprechenden Mailinglisten werden unter anderem Termine von Informationsveranstaltungen und anderen Aktionen bekanntgegeben. Hier finden fast alle besorgten FragerInnen Antworten auf ihre Probleme, weil sich fast immer Betroffene zu Wort melden, die schon die gleiche Situation vor sich hatten und aufgrund ihrer Erfahrungen weiterhelfen können. In der Tübinger Liste finden sich beispielsweise Tips zur Härtefallregelung oder zum Einreichen einer Klage am Verwaltungsgericht, aber auch Neuigkeiten aus der Politik und anderen Hochschulstädten werden in die Liste eingespeist. Die Tübinger Mailingliste wird zudem von Mitgliedern der Fachschaftsräte VV mit fundierten Kenntnissen der Thematik betreut. Ein wichtiges und zentrales Thema der Mailinglisten ist der Versuch der StudentInnen, gegen die Rückmeldegebühren rechtlich vorzugehen. Über die Mailingliste werden vorgefertigte Klagen der GEW verbreitet und vor allem auf Bedenken und Sorgen von Betroffenen mittels genauen Informationen zu Vorgehensweise, Konsequenzen und auch möglichen entstehenden Kosten eingegangen. Dies ist eine sehr effektive Art und Weise für die Betroffenen, Informationen über rechtliche Möglichkeiten mit minimalem Aufwand und sehr bequem in Erfahrung zu bringen. Auf Grundlage dieser fundierten Informationen können sich dann die Einzelnen entscheiden, ob diese Vorgehensweise für sie in Betracht kommt. Eine Teilnehmerin an der Tübinger Mailingliste bringt ihre Erfahrungen folgendermaßen auf den Punkt: „Mich persönlich hat sie nicht nur aufgebaut, sondern war u. ist auch meine einzige Anlaufstelle (man rennt nicht gleich zum Anwalt, wenn man keine zusaetzlichen Infos hat). Sie ist als Erfahrungsbericht Quelle unersetzlich (...).“592 Kleine Erfolge konnten beispielsweise schon über die Organisation eines „GO-INs“ verbucht werden. Mittels der Mailingliste schlossen sich mehrere StudentInnen zusammen, die sich ordnungsgemäß rückgemeldet hatten, jedoch die Zahlung der 1000.DM Studiengebühr verweigerten und deshalb von der Universität Tübingen immer noch [email protected]. Tübingen: [email protected] , Karlsruhe: [email protected], und die Mailingliste für KoordinantorInnen und Berater : [email protected] 591Beispielsweise in Tübingen: http://www-ti.informatik.uni-tuebingen.de/~schulzke/fsrvv/TK98/DM1k.html http://www-ti.informatik.uni-tuebingen.de/~schulzke/fsrvv/TK98/Liste.html 592Auszug aus einer E-Mail die im Oktober 99 über die Tübinger Mailingliste verschickt wurde. 175 http://www.mediaculture-online.de keine Rückmeldeunterlagen bekommen hatten. Die betroffenen Studierenden hatten den Semesterbeitrag von 85. DM fristgerecht bezahlt, gegen die geforderte Langzeitstudiengebühr in Höhe von 1000. DM aber Widerspruch eingelegt und deswegen nicht bezahlt. Den Studierenden war bekannt, daß die ordnungsgemäße Rückmeldung, kombiniert mit einem noch schwebenden Widerspruchsverfahren und einem Antrag nach § 80 VwGO (Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung) beim Verwaltungsgericht in Sigmaringen, zu einem gesetzlich verbürgten Anspruch auf die dringend benötigten Rückmeldeunterlagen führt.593 Nachdem das neue Semester schon vor der Tür stand gab es den Aufruf in bester „68er“ Tradition zum „GO-IN“ in der Universitätsverwaltung. Tatsächlich konnten die Studierenden auf diese Weise ihrem Interesse und rechtlich verbürgten Anspruch auf die Rückmeldeunterlagen Nachdruck verleihen. Knapp eine halbe Stunde nach Abschluß der Aktion wurde von der Universitätsverwaltung eingelenkt. Die so dringend benötigten Unterlagen konnten schon am nächsten Tag im Studentensekretariat abgeholt werden. 6.3.4 Versuch einer Einordnung Die Mailingliste ist ein hervorragendes Beispiel dafür, wie die Möglichkeiten des Mediums Internet zur Organisation eines kollektiven Widerstands und zur Durchsetzung von Interessen genutzt werden können. Über die Einrichtung von Mailinglisten wird eine relativ abgeschlossene themenbezogene Teilöffentlichkeit konstituiert, die Raum für Erfahrungsberichte, Informationen jeglicher Art und Diskussionen bietet. Die Mailinglisten sind insofern auch ein Artikulationsraum, in dem Selbstvergewisserung und Identitätsstärkung stattfinden kann. Für partizipative Prozesse sind solche Artikulationsräume wichtig, dienen sie doch dazu, sich über Ziele, Forderungen und Strategien selbst zu vergewissern, und geben Rückhalt.594 Indem fachkundige Fachschafträte-VV Mitglieder die Listen betreuen, die wiederum mit der GEW in Kontakt stehen, ist es möglich, alle ListenteilnehmerInnen mit , Expertenwissen’ zu versorgen. Somit bieten diese Mailinglisten die Möglichkeit, sich über institutionelle Formen der Partizipation zu informieren. In diesem konkreten Fall ist die Klage gegen die 1000.- DM eine Möglichkeit eventuell eine Gesetzesänderung zu 593Fachschaftsräte-VV Tübingen, Presseninformation vom 31.3.99 594Vgl. Herrmann, Franz, 1995, S. 144 und S. 181f. 176 http://www.mediaculture-online.de erzwingen und somit eine für die Betroffenen wichtige Änderung des Landeshochschulgebührengesetzes zu erreichen. Wie so oft sind auch hier die Anstrengungen zur Erweiterung der Handlungsmöglichkeiten mit Gefahren verbunden. Es droht zum einen die Exmatrikulation, aber nur wenn rechtlich bindende Fristen und andere Formalien nicht eingehalten werden. Gegen diese Sanktionsmöglichkeiten der Universität sind die ListenteilnehmerInnen aufgrund der Informationsfunktion der Mailingliste gewappnet. Zum anderen wird durch die Betroffenen eine weitere Gefahr in den anfallenden Kosten gesehen, sollte das Verfahren in der ersten Instanz verloren werden. Auch hier konnte die Liste durch fundierte Informationen viele Bedenken zerstreuen, denn die Kosten belaufen sich auf ungefähr 100.- DM. Durch die Mailingliste wurden vermutlich viele StudentInnen ermutigt, selbst Klage am Verwaltungsgericht Sigmaringen einzureichen. Ganz allgemein erfahren die ListenteilnehmerInnen Solidarität und Rückhalt von StudentInnen in ähnlicher Situation. Wie das Beispiel des „GO-INs“ zeigt, werden neben den rechtlichen Partizipationsmöglichkeiten aber auch klassische nichtinstitutionalisierte Partizipationsformen von Bewegungen (beispielsweise Demonstrationen, kleinere Störaktionen usw...) über die Mailinglisten organisiert. Der Austausch in den Mailinglisten führt dabei im Idealfall zum Ausdruck des Protests in der realen Welt und wird mit anderen nach wie vor wichtigen Formen der auf Massenmedien bezogenen Öffentlichkeitsarbeit wie zum Beispiel Pressemitteilungen unterstützt. 7. Ausblick und Schluß An den Ausführungen in den vorangegangenen Kapiteln dürfte deutlich geworden sein, daß die Entwicklung zur Informationsgesellschaft und die zu erwartenden Veränderungen hinsichtlich der Verbesserung von Partizipationsmöglichkeiten keinesfalls den hochfliegenden Erwartungen eines neuen „athenischen Zeitalters“ entsprechen werden. Die Entwicklungen sind widersprüchlicher Natur. Natürlich bewegen wir uns mit Prognosen, die die zukünftige Entwicklung von Technologien und deren Auswirkungen, Nutzen und Gefahren für die Gesellschaft betreffen, erfahrungsgemäß auf ‚dünnem Eis’. Die Mediengeschichte hat mehrfach gezeigt, daß Entwicklungslinien die sich durchsetzen kaum vorherzusehen waren. Insofern sind Einschätzungen künftiger Entwicklungen immer mit Vorsicht zu genießen. 177 http://www.mediaculture-online.de Beim Blick auf die Geschichte des Internets wurde deutlich, daß die großen Hoffnungen auf mehr Partizipationsmöglichkeiten in erster Linie mit der Kultur der Menschen zusammenhängen, die das Netz in der Anfangszeit nutzten und ausgestalteten. Sie prägten auch einen Teil der Diskurse, die in der Form von Mythen und Metaphern die Vorstellungen von den Möglichkeiten der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien beeinflußen. Die technischen Möglichkeiten des Mediums Internet können jedoch nicht getrennt von der sozio-kulturellen Einbettung des Mediums in konkrete Gesellschaften betrachtet werden. Denn die Erscheinungsform einer Technologie spiegelt immer auch die Gesellschaft wider, in der sie zur Anwendung kommt. Für unsere Gesellschaft heißt das, daß neue Medientechnologien wie das Internet besonders auch zu kommerziellen Zwecken eingesetzt werden, so daß für andere Nutzungsformen die Gefahr besteht, ins Abseits gedrängt zu werden. Es ist beispielsweise nicht auszuschließen, daß aufgrund von wirtschaftlichen Interessen der Umbau des Internets in ein weiteres „Push-Medium“ erfolgen wird und es damit den anderen Massenmedien angeglichen wird. Eine weitere Anwendungsmöglichkeit der neuen Technologien, die unserer Meinung nach der Verbesserung oder gar Entwicklung neuer Partizipationsmöglichkeiten zuwiderläuft, liegt in den gänzlich neuen Kontroll- und Überwachungsmöglichkeiten der Behörden. Auch wenn die Inhalte des Netzes selbst schwer zu kontrollieren sind, so können die neuen Technologien selbst durchaus auch zu Kontrollzwecken eingesetzt werden. Die Konvergenz der Medien (beispielsweise die Verschmelzung von Computer- und Videotechnik), die Digitalisierung der Information und Kommunikation und die allgemeine Vernetzung eröffnet gänzlich neue Dimensionen der totalen Überwachung. Wir wollten unseren Blick jedoch nicht nur auf die neuen Informations- und Kommunikationstechniken richten, die als wichtigstes Werkzeug der Informationsgesellschaft gelten, sondern auch auf die gesellschaftlichen Veränderungen, die momentan stattfinden oder erwartet werden. Auch hier muß gefragt werden, wie sich die Veränderungsprozesse auf die Partizipationsmöglichkeiten der Menschen auswirken. Eine allumfassende Öffentlichkeit wird sich auch durch die neuen Medien nicht erreichen lassen. Öffentlichkeit wird sich, wie wir zeigen konnten, wahrscheinlich weiter ausdifferenzieren und damit fragmentieren. Damit könnten die Öffentlichkeiten die sich 178 http://www.mediaculture-online.de bilden ein besseres Abbild der in einer Gesellschaft versammelten Meinungen und Interessen sein als das die herkömmlichen Medien momentan leisten können. Die Entwicklung hin zu einer Fragmentierung sehen wir somit nicht als negativ an. Denn kleine und kleinste Teilöffentlichkeiten bieten einen Kommunikations- oder Artikulationsraum, in dem sich Menschen mit ähnlichen oder gleichen Lebenslagen ein Forum schaffen können, um sich mit anderen auszutauschen und Gleichgesinnte zu treffen. Dies kann im Idealfall zur Initiativenbildung führen, um die eigenen Interessen durchzusetzen. Die idealen Eigenschaften, die Öffentlichkeit Habermas zufolge haben muß, wird allerdings auch in diesen neuen (virtuellen) öffentlichen Räumen nicht entsprochen, bedingt durch Ungleichheiten, die den neuen Medien und hier insbesondere dem Internet eingeschriebenen sind. Deutlich dürfte auch geworden sein, daß je kleiner die Teilöffentlichkeiten sind, die versuchen gesellschaftlichen Einfluß zu gewinnen, umso wichtiger wird der Anschluß an andere Teilöffentlichkeiten oder an massenmedial erzeugte Öffentlichkeit. Dies muß von in virtuellen Räumen agierenden Gruppen mit politischer Zielsetzung beachtet werden, damit ihre Standpunkte und Meinungen Aufmerksamkeit erhalten und sich Diskurse entwickeln können. Die Informationsgesellschaft kann auch nicht getrennt vom Prozeß der Globalisierung betrachtet werden. Bei dessen Betrachtung wurde deutlich, daß selbst wenn die Chancen steigen, Einfluß auf nationale politische Prozesse zu nehmen, die Durchsetzungskraft der nationalen politischen Institutionen selbst sinkt. Deswegen messen wir der globalen Kooperation von Menschen einen immer größeren Stellenwert zur Durchsetzung von Interessen bei. Gerade durch die neuen Medien bieten sich hier gute Möglichkeiten für den globalen Austausch, die globale Vernetzung und Organisation. Deutlich ist sicherlich auch geworden, daß eine ausschließlich an den wirtschaftlichen Erfordernissen orientierte neoliberale Politik, die eng mit der Globalisierung zusammenhängt, hinsichtlich der neuen Informations- und Kommunikationsmedien systematisch die spezifischen Vorteile, die dem Individuum in einer vernetzten Gesellschaft im Hinblick auf Partizipation, Demokratie und Öffentlichkeit theoretisch möglich wären, ignoriert. Die Widersprüchlichkeit der Entwicklungen zeigt sich ebenfalls beim Blick auf die Veränderungen der Arbeit. So kann beispielsweise die zunehmende Flexibilisierung der Arbeitsstrukturen eine größere Freiheit der Arbeitenden bedeuten. Gleichzeitig heißt das 179 http://www.mediaculture-online.de aber auch, daß sich ArbeitnehmerInnen und Selbständige flexibel an die Erfordernisse und Zwänge des Marktes anpassen müssen. Auch hier müssen politische Konzepte gefunden werden, die den Wandel bewußt gestalten, so daß die positiven Möglichkeiten gesellschaftlicher Entwicklungen fruchtbar gemacht werden für die Verfügung oder Mitbestimmung der Menschen über ihre Arbeitsstrukturen. Wichtig ist vor allem die soziale Segmentierung der Gesellschaft zu verhindern, indem eine Ökonomie verwirklicht wird, die das soziale Ganze einer Gesellschaft nicht aus den Augen verliert. Ungleichheitsverhältnisse werden vermutlich auch das Bild der Informationsgesellschaft bestimmen, selbst wenn sie unter Umständen eine Modifizierung erfahren. Ungleichheiten werden gerade durch Liberalisierungstendenzen sowohl global als auch national verstärkt. Der von Computernetzen geschaffene virtuelle Raum gewinnt auf dem Weg zur Informationsgesellschaft als Handlungsraum zunehmend an Bedeutung, so daß das Ausgeschlossensein bestimmter Gruppierungen von diesem Raum, die Handlungsmöglichkeiten dieser Menschen zunehmend einschränkt. Bestehende Ungleichheiten dehnen sich zudem auf den virtuellen Raum selbst aus, was besonders bei der Schaffung von Partizipationsmöglichkeiten mit Hilfe des Internets berücksichtigt werden muß. Am Beispiel von Frauen konnten wir zeigen, daß die Entwicklungen für Individuen und gesellschaftliche Gruppen ambivalente und widersprüchliche Auswirkungen haben. Neben der Befürchtung, daß neue Ausgrenzungsprozesse stattfinden, bleibt auch die Hoffnung, daß der gesellschaftliche Umbruch für positive Veränderungen genutzt werden kann. Dies setzt allerdings voraus, daß Frauen auf verschiedenen Ebenen der Entscheidungsprozesse beteiligt sind, die mit der Umgestaltung der Gesellschaft zusammenhängen. Ungleichverhältnisse müssen thematisiert werden und in diesem Fall Aspekte des Geschlechterverhältnisses in die Diskussion um die neuen Medien und die Informationsgesellschaft mit einbezogen werden. Trotz einiger bedenklicher Entwicklungen im gesellschaftlichen Bereich und auf dem Gebiet der Kommunikations- und Computertechnik ergeben sich für die BürgerInnen durchaus auch Einsatzmöglichkeiten der Kommunikations- und Informationstechnologien, von denen sie im Hinblick auf politische und gesellschaftliche Partizipation heute schon profitieren können. Wir können uns hier allerdings nur Rainer Rillings Meinung 180 http://www.mediaculture-online.de anschließen, der die momentanen Stärken des Netzes nicht auf der Entscheidungsebene angesiedelt sieht. Er glaubt jedoch, daß unsere Gesellschaft aus der Verbesserung und Effektivierung von Kommunikation nutzen ziehen könnte, denn „wenn die Stichworte nicht das Netz sondern die Netze, oder die Gruppen und nicht Entscheidung sondern Gouvernance, Deliberation, Diskussion oder auch Diskurs sind, dann zeigen sich die Stärken des Mediums Netz. Das Netz ist kein Ort allgemeiner demokratischer politischer Entscheidungen, aber ein Ort der vielfältigen Kommunikation, ohne die Entscheidungen undemokratisch und ineffektiv sind.“595 Vor allem in der möglichen verbesserten Interaktion sehen wir die Stärken der neuen Medien. Sie eröffnen damit auch Möglichkeiten mit deren Hilfe bisherige Formen zivilgesellschaftlicher Politik, die auf Öffentlichkeit angewiesen sind, erweitert und verbessert werden könnten.596 Neben den globalen Vernetzungsmöglichkeiten scheinen vor allem im kommunalen Raum große Nutzungspotentiale vorhanden zu sein. Hier gibt es zum einen entsprechende gesetzliche Rahmenbedingungen für direkte Partizipationsmöglichkeiten und zum anderen ist die Engagementbereitschaft der BürgerInnen bei kommunalen Belangen größer. Zudem erscheint uns der kommunale Raum überschaubarer zu sein, womit die Einbindung möglichst aller Gruppierungen, in die über das Internet vermittelten politischen Prozesse,597 eher realisierbar erscheint als auf nationaler Ebene. Das Internet könnte so als Raum der zweckgerichteten, „entscheidungsvorbereitenden interaktiven Kommunikation zur Interessenrepräsentation“598 genutzt werden. Aber auch die Möglichkeit, auf einfache Art und Weise an ungefilterte Originalinformationen zu gelangen ist im Hinblick auf die Partizipation eine wichtige Eigenschaft des Mediums Internet. Damit wird ExpertInnenwissen tendenziell pluralisiert und kritisierbar gemacht. Information ist eine wichtige Voraussetzung für die Teilhabemöglichkeit der Menschen an politischen Prozessen und damit für Partizipation. Ein wichtiger Punkt der Diskussion um die Partizipation ganz allgemein ist sicherlich auch in dieser Arbeit deutlich geworden. Partizipation zuzulassen oder zu fördern bedeutet für 595Rilling, Rainer, Köln 1998a, S.374 596Vgl. Kleger, Heinz, S. 108 597Wie solche Prozesse aussehen könnten hat Benjamin Barber sehr detailliert beschrieben. Vgl. Barber, Benjamin, 1994 598Rilling, Rainer, Köln 1998a, S. 374 181 http://www.mediaculture-online.de die EntscheidungsträgerInnen und die Verwaltungen ihre Entscheidungs-, Verfügungsund Defintionsmacht zu teilen und ist daher auch auf die Kooperation dieser Stellen angewiesen. Für eine effektive Erweiterung der Partizipation muß der rechtliche Rahmen verändert werden, denn momentane legale Partizipationsformen, vermittelt durch die neuen Medien, erschließen zunächst keine grundsätzlich neuen Möglichkeiten. Als Fazit bleibt nur noch zu sagen, daß trotz aller gegenläufiger Entwicklungen, das Internet momentan besser als jedes andere Medium geeignet ist, „lokale Öffentlichkeiten zu verdichten und grenzüberschreitende Arenen der Meinungsbildung herzustellen, und so kann es schließlich dazu dienen, den politischen Prozeß insgesamt wieder mit größerer Legitimität auszustatten. Bürger gelten im Netz weitgehend als Störenfriede. Das sollten sie sich nicht zweimal sagen lassen.“599 599Leggewie, Claus, 1998, S. 48f. 182 http://www.mediaculture-online.de 8. Literaturverzeichnis600 ALBERS, SÖNKE/CLEMENT, MICHAEL/PETERS, KAY/SKIERA, BERND (Hrsg.), Frankfurt a. M., 1999. e-Commerce. Einstieg, Strategie und Umsetzung im Unternehmen. AFEMANN, UWE, 1996, Verschärfung bestehender Ungleichheiten. Zur Bedeutung der neuen Kommunikationstechnologien in der Dritten Welt am Beispiel des Internet. In: Forum Wissenschaft Nr. 1/1996. [Onlineversion: http://www.th-darmstadt.de/fsmathe/BdWeb/Forum/96-1/afemann.html] AFEMANN, UWE, 1997, Zur Bedeutung der neuen Kommunikationstechnologien in der Dritten Welt am Beispiel des Internet. [http://www.hbw.org/dvit/aktuell/in3w.htm] V. ALEMANN, ULRICH (Hrsg.), Opladen 1975, Partizipation – Demokratisierung – Mitbestimmung. Problemstand und Literatur in Politik, Wirtschaft, Bildung und Wissenschaft. Eine Einführung. V. 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Wenn möglich wurden die herkömmlichen Literaturangaben und die Internetadresse angegeben. Falls der betreffende Text nicht in gedruckter Form vorliegt, oder nur mit unverhältnismäßig großem Aufwand erhältlich ist, wurde nur der Autor und der Titel, sowie die Internetadresse angegeben. Die Angabe von Seitenzahlen bei Zitaten bezieht sich stets auf die gedruckte und öffentlich erhältliche Fassung. Bei Zitaten von Online Texten wurde auf die Angabe von Seitenzahlen (die sich bei unausweichlichen Umformatierungen stets ändern würden) verzichtet. 183 http://www.mediaculture-online.de AUTONOME A.F.R.I.K.A. GRUPPE, 1997, Vorsprung durch Technik? Internethype, Gegenöffentlichkeit, Vernetzung & Kommunikationsguerilla. [http://www.contrast.org/KG/vortech.htm] BARBER, BENJAMIN, Hamburg 1994, Starke Demokratie. Über die Teilhabe am Politischen. BARBER, BENJAMIN, Köln 1998, Wie demokratisch ist das Internet? Technologie als Spiegel kommerzieller Interessen. S. 120-133. 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Schwerpunktmäßig wurden die folgende Teile jedoch von den unten genannten Personen bearbeitet: Die Kapitel 2.1, Kapitel 3.1, Kapitel 4., Kapitel 5.1 und 5.2, Kapitel 6.1 und 6.3.3 wurden überwiegend von Tobias Löhnert bearbeitet. Die Kapitel 2.2, Kapitel 3.2, Kapitel 5.3, 5.4 und 5.5, Kapitel 6.2 / 6.3 wurden überwiegend von Henriette Carle geschrieben. Einleitung und Schluß und die anderen hier nicht genannten Teile wurden gemeinsam erarbeitet. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Rechteinhabers unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Speicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. 199