Partizipation in der Informationsgesellschaft. - Support-Netz

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Autoren: Löhnert, Tobias / Carle, Henriette.
Titel: Partizipation in der Informationsgesellschaft. Widersprüche, Chancen und Gefahren
bei der Nutzung neuer Medientechnologien und der sich ergebenden gesellschaftlichen
Veränderungen im Hinblick auf die Partizipation.
Quelle: Unveröffentlichte Diplomarbeit. Tübingen 1999. S. 1-147.
Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung der AutorInnen.
Henriette Carle/Tobias Löhnert
Partizipation in der Informationsgesellschaft.
Widersprüche, Chancen und Gefahren bei der Nutzung neuer Medientechnologien
und der sich ergebenden gesellschaftlichen Veränderungen im Hinblick auf die
Partizipation.
Inhaltsverzeichnis
1. EINLEITUNG......................................................................................................................3
2. BEGRIFFSKLÄRUNGEN..................................................................................................5
2.1 Zum Begriff der Partizipation ............................................................................................................................5
2.1.1 Faktoren der politischen Beteiligung .......................................................................................................10
2.1.2 Partizipationsfor m e n ..................................................................................................................................11
2.1.3 Partizipations arte n ........................................................................................................................................12
2.1.4 Partizipationsgra de .......................................................................................................................................14
2.1.5 Demokratie, Engagement und Partizipation ..........................................................................................17
2.2 Zum Begriff der Informations ges ellschaft .................................................................................................24
3. DIE NEUEN MEDIENTECHNOLOGIEN..........................................................................33
3.1 Geschichte des Internets ...................................................................................................................................34
3.2 Eigenschaften und Möglichkeiten des Internets ......................................................................................38
3.2.1 Eigenschaften ..................................................................................................................................................38
3.2.2. Sozio - kulturelle Einbett ung des Mediums ............................................................................................40
3.2.3 Möglichkeiten und Realitäten .....................................................................................................................43
1
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4. DISKURSE UM DIE INFORMATIONSGESELLSCHAFT...............................................46
4.1 Unterstützung von Herrschafts v erhältniss en mittels neuer Technologien ..................................46
4.2. Metaphern, Mythen und Technodeterminis mus .....................................................................................51
4.2.1 Mythen ..............................................................................................................................................................53
4.2.1.1. Lösung gesellschaftlicher Probleme durch Technik ...................................................................53
4.2.1.2. Die Unabhängigkeit des virtuellen Raumes (Cyberspace) .........................................................54
4.2.2 Metaphern ........................................................................................................................................................56
4.2.2.1 Datenautoba h n, Information Superhighway .................................................................................56
4.2.2.2 Cyberspace, virtuelle Welt, virtueller Raum ...................................................................................59
4.2.2.3 Sozietäts Metaphern: globales Dorf, virtuelle Gemeinschaft ....................................................63
5. GESELLSCHAFTLICHE VERÄNDERUNGEN: AUF DEM WEG ZUR
INFORMATIONSGESELLSCHAFT....................................................................................66
5.1 Öffentlichkeit ........................................................................................................................................................66
5.1.1 Die Agora .........................................................................................................................................................66
5.1.2 Bürgerliche Öffentlichkeit ...........................................................................................................................67
5.1.3 Aufgabe und Funktion der Öffentlichkeit ..............................................................................................70
5.1.4 Öffentlichkeit und Medien ..........................................................................................................................72
5.1.5 Internet und Öffentlichkeit .........................................................................................................................78
5.2 Globalisierung .......................................................................................................................................................84
5.2.1 Faktoren der Globalisierung .......................................................................................................................84
5.2.2 Gesellschaftliche Auswirkungen der Globalisierung ..........................................................................85
5.2.3 Die Informations revolution ........................................................................................................................87
5.3 Veränderungen der Arbeit ...............................................................................................................................95
5.3.1 Der Veränderu ngs p r o z e ß ............................................................................................................................95
5.3.2 Verfügung oder Mitbestim m u ng über die eigenen Arbeitsstrukt u re n ..........................................98
5.3.3 Das Emanzipations p ot en tial der Arbeit ...............................................................................................100
5.3.4 Arbeit, Gesellschaft und Partizipation ..................................................................................................102
5.4 Gesellschaftliche Ungleichheiten ................................................................................................................106
5.4.1 Information - rich und information - poor. Informationelle Ungleichheiten und ökonomisches
Kapital. ......................................................................................................................................................................107
5.4.2 Ungleichheiten des neuen Informations ra u m e s ................................................................................112
5.4.2.1 Zugang ....................................................................................................................................................113
5.4.2.2 Innerhalb des Netzes ..........................................................................................................................117
5.4.3 Ungleichheiten auf globaler Ebene .........................................................................................................123
2
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5.5 Veränderungen aus der Sicht von Frauen ...............................................................................................128
5.5.1 Über Androzent ris m us im Netz und das Gendering neuer Technologien .................................128
5.5.2 Potentiale zur Veränderung der Geschlechterverhältnisses .........................................................133
6. DIREKTERE EINFLUSSMÖGLICHKEITEN AUF GESELLSCHAFT UND DIE
POLITIK?...........................................................................................................................138
6.1 Online - Angebote großer politischer Institutionen ..............................................................................142
6.1.1. Bundestag online: www.bundes tag.de .................................................................................................144
6.1.2 Zur NutzerInnen - Gruppe .........................................................................................................................147
6.1.3 Versuch einer Einordnung ........................................................................................................................150
6.2 Bürgernetze – bessere Partizipations möglichkeiten auf kommunaler Ebene? ..........................155
6.2.1 Anschluß möglichkeiten der Partizipation im kom m un alen Bereich ...........................................155
6.2.2 Das „Publikon“ in Münster: www.muens ter.de ..................................................................................160
6.2.3 Versuch einer Einordnu ng ........................................................................................................................162
6.3 Verbess erte Partizipations möglichkeiten für Initiativen und Interess engruppen? .................165
6.3.1 Die StudentInnen p ro tes t e im WS 97/98 ...............................................................................................169
6.3.2 Versuch einer Einordnu ng ........................................................................................................................170
6.3.3. Die „tausend Mark Mailingliste“ ............................................................................................................174
6.3.4 Versuch einer Einordnung ........................................................................................................................175
7. AUSBLICK UND SCHLUSS..........................................................................................177
8. LITERATURVERZEICHNIS...........................................................................................182
1. Einleitung
Die Informationsgesellschaft ist heute in Politik und Gesellschaft ein vieldiskutierter
Begriff. Vielfältige Hoffnungen und Befürchtungen werden mit der Informationsgesellschaft
und den mit ihr eng verbundenen neuen Medien assoziiert. Die positiven politischen
Utopien sind meist geprägt durch eine Romantisierung oder die mythischen Überhöhung
von technischen Möglichkeiten. „Im Mittelpunkt dieser Utopien steht das Konzept der
Partizipation und Demokratisierung“1. Solche Utopien sind in der Mediengeschichte
nichts Neues. Beispielsweise wurden von verschiedener Seite mit der Einführung des
Radios oder des Kabelfernsehens große Hoffnungen auf positive gesellschaftliche
Veränderungen verbunden. Auch hier war die Rede von einer möglichen
1 Vgl. Scherer, Helmut, 1998, S.171f
3
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Demokratisierung2 durch diese Technologien. Jedoch sind auch die negativen
Einschätzungen, die jedes neue Medium begleiten, aus der Mediengeschichte
wohlbekannt.
Wir wollen in dieser Arbeit der Frage nachgehen, inwiefern die Hoffnungen auf eine
verbesserte Partizipation begründet sind und wo sich Ansatzpunkte für eine gelungene
Partizipation der BürgerInnen an gesellschaftlichen und politischen Prozessen ergeben
können. Dabei bewegen wir uns im Spannungsverhältnis von theoretisch denkbaren
Verbesserungen und realen Entwicklungen, die diese Möglichkeiten teilweise negieren,
zumindest aber relativieren. In dieser Arbeit wollen wir die Möglichkeiten ausloten, aber
gleichzeitig versuchen wir auch die Entwicklungen die diesen Möglichkeiten zuwider
laufen im Auge zu behalten und damit die Widersprüchlichkeit der Entwicklungsprozesse
aufzuzeigen. Schließlich verbinden sich mit den neuen Medien und hier vor allem mit dem
Internet nicht nur Hoffnungen im Bereich der Partizipation, sondern auch auf
ökonomischem Gebiet. Rudolf Maresch formuliert das auf sehr drastische Art und Weise:
„Cyberspace meint zuvörderst Handelsfreiheit für Kaufleute, Einkaufsparadies für den
Verbraucher, einkaufen und arbeiten zu jeder Tages- und Nachtzeit. Er bedeutet den
Aufstand der Geschäftsleute gegen den Staat, nicht Projektionsfläche einer idealen
Demokratie.“ 3
Unsere Arbeit haben wir folgendermaßen gegliedert:
Im zweiten Kapitel werden wir zunächst auf die zentralen Begriffe dieser Arbeit
eingehen. Wir setzen uns zunächst mit den Dimensionen des vielschichtigen Begriffs der
Partizipation auseinander. Die herausgearbeiteten Aspekte von Partizipation sollen dann
im folgenden immer wieder herangezogen werden, um eine Einordnung der jeweiligen
Entwicklungen im Hinblick auf die Partizipation zu ermöglichen. Als weiteren wichtigen
und zentralen Begriff dieser Arbeit werden wir uns dann mit der Informationsgesellschaft
befassen und unterschiedliche Diskussionsstränge aufzeigen. Hier werden wir die unserer
Einschätzung nach wichtigsten Merkmale benennen, sowie den Versuch einer Definition
wagen. In Kapitel 3 begründen wir zunächst warum wir uns von den unterschiedlichen
neuen Medientechnologien der Informationsgesellschaft in erster Linie auf das Internet
2 Vgl. zum Beispiel Klaus, Elisabeth/ Pater, Monika/ Schmidt, Uta C., 1997, S.803 und Schiller, Herbert I.,
1998, S.135f.
3 Maresch, Rudolf, 1997, S. 211
4
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beziehen. Dem folgt eine kurze Darstellung der geschichtlichen Entwicklung des Internets,
aus der unter anderem deutlich wird, wo die historischen Ursprünge der Hoffnungen und
Forderungen liegen, die mit diesem Medium bis heute verbunden sind. Schließlich werden
wir auf die spezifischen Eigenschaften des Leitmediums der Informationsgesellschaft –
dem Internet – eingehen. Im vierten Kapitel stellen wir die wichtigsten Diskurse (in
Gestalt von Mythen und Metaphern) um die Informationsgesellschaft dar. Da die
Entwicklungen hin zur Informations-gesellschaft relativ gesehen noch am Anfang stehen,
können uns diese Diskurse Hinweise geben auf Tendenzen der möglichen zukünftigen
Entwicklungen, aber auch auf die unterschiedlichen Interessengruppen, die versuchen
dieses Medium für ihre Ziele zu nutzen. Im fünften Kapitel geht es um die konkreten aber
auch die zu erwartenden gesellschaftlichen Veränderungen auf dem Weg zur
Informationsgesellschaft. Wir betrachten den Wandel zentraler gesellschaftlicher Bereiche
wie Öffentlichkeit, Arbeit, Globalisierung und soziale Ungleichheiten. Auch in diesem
Kapitel wird wie schon im vorhergehenden deutlich, daß die gesellschaftlichen
Veränderungen sowohl Potentiale als auch Gefahren im Hinblick auf die
Partizipationsmöglichkeiten bergen und die neuen Medientechnologien immer im Kontext
mit realen gesellschaftlichen Verhältnissen zu sehen sind. Im sechsten Kapitel stellen
wir dann exemplarisch drei Beispiele für die Nutzung des Internets vor, die uns zumindest
partiell geeignet scheinen, die Partizipationsmöglichkeiten für BürgerInnen zu
verbessern. Am Beispiel des Online-Angebots des deutschen Bundestags betrachten wir
Partizipationsmöglichkeiten, die von großen politischen Institutionen ausgehen können.
Ansatzpunkte für die Partizipation auf kommunaler Ebene erörtern wir am Beispiel von
Bürgernetzen wie dem „Publikon“ in Münster. Schließlich wenden wir uns noch den sich
für Initiativen und Interessengruppen ergebenden partizipativen Möglichkeiten am Beispiel
der StudentInnenproteste im WS 1997/1998 zu. Unsere Arbeit beenden wir mit dem
siebten Kapitel, in dem wie die eingangs von uns gestellte Frage hinsichtlich von
Partizipationschancen nochmals aufgreifen und zusammenfassende Schlußfolgerungen
aus den vorherigen Teilen ziehen wollen.
5
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2. Begriffsklärungen
2.1 Zum Begriff der Partizipation
Der Begriff der Partizipation wird in der Wissenschaft und in der Praxis sehr
unterschiedlich gebraucht beziehungsweise definiert. Begriffe wie Teilhabe, Beteiligung,
Mitbestimmung und Mitwirkung werden zudem oft synonym oder mit Überschneidungen
zum Begriff der Partizipation benutzt und geben zugleich schon die ersten Hinweise auf
die möglichen Bedeutungen des Begriffs. Partizipation und verwandte Begriffe beziehen
sich auf verschiedene gesellschaftliche Bereiche. Ulrich von Alemann nennt vier Bereiche,
denen er die unterschiedlichen im Kontext von Partizipation benutzten Begriffe zuordnet:4
gesellschaftliche Bereiche
Begriffe/Inhalte
allgemein politischer,
gesamtgesellschaftlicher Bereich
Demokratisierung, reale, inhaltliche Demokratie, Selbstbestimmung und Autonomie
politisch administrativer Sektor
Partizipation, Teilhabe, (kommunale)
Selbstverwaltung, Betriebs-, Wirtschafts
und industrielle Demokratie,
Arbeiterkontrolle
wirtschaftlicher Sektor
Mitbestimmung, (paritätische), (Arbeiter-)
Selbstverwaltung, Beteiligung, Mitwirkung
Bereich von Bildung und Wissenschaft
(Schüler-) Mitverwaltung, Mitbestimmung,
Selbstverantwortung, Autonomie (der Wissenschaft)
Wenn nun dieser Bestand von Begriffen, Konzepten und Programmen noch nach Mitteln
und Zielen differenziert wird, so ist deutlich zu sehen, daß die Begriffe der Partizipation,
Demokratisierung, Teilhabe und Mitbestimmung die Mittel zur Erreichung bestimmter
gesellschaftlicher Ziele darstellen. Diese Ziele sind im obigem Fall die reale, direkte
4 Vgl. v. Alemann, Ulrich, 1975, S. 16f.
6
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Demokratie, Autonomie, Selbstbestimmung und -verantwortung5 und hängen natürlich von
den Menschen oder Gruppierungen ab, welche versuchen Einfluß zu gewinnen.
Ulrich von Alemann plädiert dafür die unterschiedlichen Mittel6, welche ja auf
verschiedene gesellschaftliche Ebenen bezogen sind, nicht qualitativ gegeneinander
abzustufen,7 weil jeweils alle gesellschaftlichen Ebenen8 zusammengedacht werden
müssen. „Alle drei Konzepte stellen auf die Erweiterung von traditionellen Teilhaberechten
an Entscheidungen ab, ohne daß Grenzen oder Vorbedingungen schon definitorisch
gezogen werden sollten“,9 denn das Ziel einer emanzipatorisch verstandenen
Partizipation muß die gesamtgesellschaftliche „Partizipation des Individuums unter je
maximal gleichen Bedingungen.“10 sein. Ulrich von Alemanns Partizipationsbegriff bezieht
sich also auf die gesamte Gesellschaft und ihre Subsysteme und betont, daß alle
gesellschaftliche Bereiche jeweils auf die anderen rückwirken. Das bedeutet
beispielsweise, daß eine schlechte ökonomische Situation oder schlechte Bildung
bestimmter Gruppen natürlich auch die Partizipationschancen auf anderen
gesellschaftlichen Gebieten erschwert oder unmöglich macht.11
In letzter Zeit wird der Begriff der Partizipation sehr oft in Zusammenhang mit
Planungsverfahren im kommunalen Bereich verwendet (Beispielsweise in der
Jugendhilfeplanung). So definiert Franz Herrmann in diesem Kontext den Begriff
Partizipation in Anlehnung an die Brockhaus Enzyklopädie ganz allgemein als
„Einbezogen sein von Personen und Gruppen in sie betreffende Entscheidungen“.12
Bruno W. Nikles unterscheidet zwei mögliche Verständnisweisen von Partizipation. Zum
einen kann Partizipation eher eingeschränkt im Sinne von Teilhabe oder Teilnahme an
konventionellen politischen und sozialen Entscheidungsprozessen selbst verstanden
5 Ebd.
6 Demokratisierung, Mitbestimmung/Beteiligung, Partizipation
7 Im Sinne von: Demokratisierung ist besser als bloße Mitbestimmung
8 Politische, soziale/kulturelle und ökonomische Ebene
9 v. Alemann, Ulrich, 1975, S. 18 (Hervorhebung im Original)
10 Ebd. S. 39
11 Vgl. Kapitel 2.1.1
12 Brockhaus Enzyklopädie 1990 XVI: 570, zit. nach Hermann, Franz, 1998, S. 120
7
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werden. Zum anderen kann Partizipation auch viel weiter gefaßt werden, nämlich als
unspezifische Teilnahme an sozialen Prozessen, welche schon weit vor den eigentlichen
Entscheidungsprozessen angesiedelt sind. Damit meint er „Vorstellungen von ‚sozialer
Bewegung’ und basisorientierter Mobilisierung von Betroffenen in Ergänzung und als
Korrektur repräsentativer Formen der Willensbildung“.13 Das Partizipationsverständnis von
Bruno W. Niklas bezeichnet also ein „breites, offenes Spektrum von Teilhabe und
Mitwirkung, das von der Einbeziehung in Informationsvorgänge, über Anhörungen und
Beratungen bis hin zur unmittelbaren Einwirkung auf Entscheidungen reicht“.14
In Microsofts Encyclopädie Encarta findet man demgegenüber folgende Definition, die
den politischen Aspekt stärker hervorhebt: Partizipation ist die „Teilnahme und Teilhabe
des einzelnen Bürgers am politischen Geschehen. Seit Aristoteles’ Definition des
Menschen als ein politisches Wesen stellt Partizipation eine Form der menschlichen
Selbstverwirklichung dar“.15
Zusammenfassend läßt sich sagen, daß Partizipation als zweckgerichtetes Handeln
verstanden werden kann, das die Durchsetzung von Interessen und die Befriedigung von
Bedürfnissen und eventuell auch individuelle Selbstverwirklichung zum Ziel hat.
Martin Hagen betont jedoch ähnlich wie Bruno W. Nikles, daß ein ausschließlich auf
zielgerichtete Handlungsformen bezogener Partizipationsbegriff zu eng greift. Er plädiert
dafür auch die Informationsbeschaffung und die Diskussion politischer Themen, also das
Gespräch zwischen Freunden, Nachbarn, Bekannten oder Kollegen als Voraussetzung
und Grundlage jedes politischen Handelns, zu den Dimensionen (politischer) Partizipation
zu zählen.16 Helmut Scherer weist darauf hin, daß der Kommunikation und damit der
Öffentlichkeit aus Sicht der BürgerInnen drei Funktionen im politischen Prozeß
zukommen, nämlich die Funktion der Artikulation, Organisation und der Information.
„Allgemein gesprochen ermöglichen diese Funktionen erst die Partizipation der Bürger;
nur so kann der Bürger den Politikprozeß beobachten und feststellen, welche Themen
und welche Akteure dort eine Rolle spielen; und nur durch die Artikulationsleistung der
13 Nikles, Bruno W., 1995, S. 301
14 Ebd.
15 Microsoft (R) 1998, Encarta(R) 99
16 Vgl. Hagen, Martin, 1999, S. 73ff.
8
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Medien kann er seine eigenen Vorstellungen mit Aussicht auf Erfolg in den Politikprozeß
integrieren.“17 Hier könnten aus rein technologischer Sicht die besonderen Möglichkeiten
der Computernetze also auch eine Verbesserung der politischen Partizipation der
BürgerInnen bringen.18 Damit dürfte deutlich geworden sein, daß zu Partizipation aktives
Handeln der Subjekte gehört. Gelungene Partizipation, nach unserem Verständnis ist
ohne aktives Handeln, also ohne persönliches Engagement, nicht denkbar. Unter
Engagement wird von uns in Anlehnung an Josef Held ein Handeln verstanden, das in
Abgrenzung zum Bewältigungshandeln, das die Fremdbestimmung akzeptiert, die
Selbstbestimmung betont.19 Engagement kann sich auf unterschiedliche Bereiche
beziehen und enthält immer eine soziale Komponente: „Engagement ist eine
Handlungsform, bei der Orientierung und Emotion besonders deutlich hervortreten,
gemeint ist ein motiviertes Handeln, das sich auf einen speziellen Gegenstandsbereich
richtet, der subjektiv für wichtig gehalten wird. Engagement beinhaltet zielbezogene
Planung auf der Basis der eigenen Bedürfnisse und Interessen, verbunden mit sozialer
Verantwortung.“20
Nach unserer Auffassung enthält die Zieldimension des Begriffs der Partizipation zum
einen die Forderung oder das Ideal vollständig an der Gesellschaft und deren
unterschiedlichen Bereichen (Bildung, Politik, Arbeitsleben usw...) teilhaben zu können
und so die gesellschaftlichen vorhandenen (partizipativen) Möglichkeiten möglichst
umfassend wahrnehmen zu können. Zum anderen wird aber auch die Möglichkeit
angesprochen, potentiell neue Handlungsmöglichkeiten zu erschließen21 und damit
Strukturen zu verändern. Ein solcher Partizipationsbegriff enthält also immer auch die
politische Dimension.
17 Scherer, Helmut, 1998, S. 174
18 Genauer werden auf technologischen Möglichkeiten in Kapitel 3.2 eingegangen
19 Mit Bewältigungshandeln ist Handeln gemeint, welches sich mit gegebenen Verhältnissen und
Handlungseinschränkungen abfindet und sich mit ihnen gewissermassen arrangiert. Die kritische
Psychologie spricht hier von restriktivem Handeln. Ein Handeln, welches gesellschaftlich gesetzte
Grenzen nicht akzeptiert, also die Handlungsmöglichkeiten erweitern will, wird als verallgemeinerte
Handlungsfähigkeit bezeichnet. Engagement ist also der verallgemeinerten Handlungsfähigkeit
zuzuordnen. Vgl. hierzu Holzkamp, Klaus 1985 und Held, Josef, 1993, S. 187ff.
20 Held, Josef, 1993, S. 189f.
21 Vgl. Holzkamp, Klaus 1985, S. 342 ff.
9
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Zu einem solchen Partizipationsbegriff gehört zwangsläufig die Berücksichtigung
gesellschaftlicher (struktureller) Ungleichheiten (Bildung, Vermögen, Schicht usw...),
welche viele Menschen in ihren (Partizipations-) Möglichkeiten von vornherein
einschränken und andere privilegieren.
Im Zusammenhang mit Computernetzen und ihrem Nutzen für die politische Partizipation
weist Rainer Rilling darauf hin, daß „die ‚härteste’ Frage für eine Soziologie des Internets
ist, ob dieses im Kontext der repräsentativen Demokratie politische Gleichheit fördert und
substantiell zur Konstitution einer allgemeinen Öffentlichkeit und eines allgemeinen
Willens beitragen kann“.22 Es muß also vor allem gefragt werden, ob die in einer
Informationsgesellschaft zu erwartenden Änderungen geeignet sind, Ungleichheiten
abzubauen, die Willensbildung zu verbessern und einer qualitativ besseren Öffentlichkeit
Vorschub zu leisten. Auf diese Fragestellungen werden wir im fünften Kapitel noch
genauer eingehen.
2.1.1 Faktoren der politischen Beteiligung
Gerade im Hinblick auf die vielgepriesene Informationsgesellschaft und den angeblich
neuen Partizipationsmöglichkeiten, die diese bieten soll, darf nicht vergessen werden,
welche subjektiven und gesellschaftlichen Faktoren Einfluß auf die politische Partizipation
haben. So weisen Michael J. Buse und Wilfried Nelles darauf hin, daß unter anderem die
subjektive Wahrnehmung von gesellschaftlichen Problemen, die Artikulationsfähigkeit, die
politische Sozialisation und das individuelle Zeitbudget Faktoren für die politische
Beteiligung sein können und das diese Bedingungsfaktoren nicht bloß individuell, sondern
auch durch die Struktur der Gesellschaft bedingt sind.23 Als wichtigste Determinanten
politischer Beteiligung hat die Partizipationsforschung die Faktoren Alter, Geschlecht und
den sozioökonomischer Status genannt. „Von besonderer Bedeutung ist dabei das von
Verba und Nie entwickelte Standardmodell der politischen Partizipation, nach dem ein
höherer sozioökonomischer Status des Individuums auf eine höhere politische Beteiligung
desselben schließen läßt.“24 Geht man von dem Standardmodell aus, gilt es nun im
folgenden auch zu betrachten, ob durch die zu erwartenden gesellschaftlichen
22 Rilling, Rainer, 1998, S. 366
23 Vgl. Buse, Michael J., Nelles, Wilfried, 1975, S. 50ff. und Kapitel 5.4
24 Hagen, Martin, 1999, S. 75
10
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Veränderungen, die sozio-ökonomische Ressourcenausstattung der Bevölkerung
verbessert wird und somit eine wichtige Barriere der politischen Beteiligung beseitigt oder
zumindest abgeschwächt wird. Franz Herrmann25 benennt zudem als weitere wesentliche
Einflußfaktoren auf Beteiligungsprozesse das „Wissen um Beteiligungsmöglichkeiten auf
Betroffenenseite“ und das „Wissen bzw. Hoffnungen auf Betroffenenseite, daß mit diesem
Engagement auch etwas verändert werden kann“.26 Die Partizipationsforschung hat auch
gezeigt, daß der Nutzen des Engagements erkennbar und vor allem im Verhältnis zum
Aufwand in einem angemessenen Verhältnis stehen muß. Des weiteren verweist er
darauf, daß es eines für den Betroffenen relevanten Themas bedarf, damit sich
Engagementbereitschaft ergibt.27
Eine weitere wichtige Einflußgröße ist zweifellos das politische System, welches vorgibt in
welchem Rahmen sich politische Beteiligung bewegen kann. Das gilt sowohl für
konventionelle, institutionalisierte Formen als auch für unkonventionelle, nicht
institutionalisierte Beteiligungsformen. Beispielsweise garantiert in Deutschland das Recht
auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit viele Formen von nicht-institutionalisierter
Partizipation. Vergessen werden darf in diesem Zusammenhang auch nicht, daß die
Bereitschaft der Entscheidungsträger Macht zu teilen und Befugnisse abzugeben ein
weiterer wichtiger Punkt ist, der Einfluß auf Beteiligungsprozesse hat.28
2.1.2 Partizipationsformen29
Um den Dimensionen des Partizipationsbegriffs besser gerecht zu werden, wird in der
Partizipationsforschung zwischen Formen, Arten, Graden und Verfahren der Partizipation
unterschieden. Im folgenden möchten wir diese Unterscheidungen kurz vorstellen, um die
verschiedenen Aspekte des Partizipationsbegriffs zu verdeutlichen.
Es lassen sich unterschiedliche Formen der Partizipation unterscheiden. Eine mögliche
Unterteilung ist das Unterscheiden von verfaßten und nicht-verfaßten Verfahren. Mit
25 Vgl. Herrmann, Franz, 1995, S. 173-175
26 Ebd. S. 174
27 Ebd. S. 174f.
28 Ebd. S. 173
29 Eine recht ausführliche Darstellung der einzelnen Formen findet sich bei Buse, Nelles, Michael J.,
Wilfried, 1975, S. 87ff.
11
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verfaßten Verfahren sind alle Verfahren gemeint, welche eine auf einer gesetzlichen
Grundlage oder sonstigen allgemeinen Grundlage basieren (Satzungen und ähnliches),
auf die also ein rechtlicher Anspruch besteht (Beispielsweise demokratische Wahlen).
Partizipationsprozesse ohne solche Grundlagen werden demgegenüber als nicht-verfaßte
Verfahren bezeichnet30 (Bürgerinitiativen fallen zum Beispiel unter diese Kategorie). Nicht
verfaßte Partizipationsformen lassen sich zusätzlich auch nach Legalität und Illegalität
unterscheiden. Legale Formen folgen herrschenden Gesetzen und versuchen im Rahmen
des Erlaubten Einfluß zu nehmen. Illegale Formen nehmen demgegenüber bewußte
Regelverletzungen in Kauf um die jeweiligen Ziele durchzusetzen. Was dabei von der
Exekutive als illegale Aktivität gewertet wird, hängt natürlich vom jeweiligen Rechtssystem
ab.
Fritz Vilmar unterscheidet in diesem Zusammenhang institutionalisierte Mitbestimmung
(Räte/Vollversammlungen, paritätisch besetzten Gremien, Engagement in vorhandenen
formaldemokratischen Institutionen und Organisationen) und nichtinstitutionalisierte
Mitbestimmung, worunter er die Organisation von kollektiver Gegenmacht faßt
(Demonstrationen, ziviler Widerstand, gewaltsamer Widerstand, gewaltfreier Aufstand).31
Im Folgenden werden wir die Begriffe ‚institutionell’ und ‚verfaßt’ synonym verwenden, da
damit derselbe Sachverhalt ausgedrückt wird.
2.1.3 Partizipationsarten
Bei den Partizipationsformen lassen sich zwei Arten der Partizipation unterscheiden und
zwar die direkte und die indirekte Partizipation. Bei der direkten Art können „alle potentiell
und/oder faktisch Betroffenen sich an den Prozessen der Willensäußerungen und
Meinungsbildung beteiligen“.32 Die direkte Art bedarf der aktiven Beteiligung der
Betroffenen. Bei der indirekten oder mittelbaren Partizipation werden „die Meinungen und
Interessen von Betroffenen/Beteiligten (...) über (gewählte) Repräsentanten Gruppen oder
‚Anwälte’ in den Prozeß eingebracht“.33 Diesen, aus dieser Unterscheidung entstehenden,
30 Vgl. Herrmann, Franz, 1998, S. 120
31 Vgl. Vilmar, Fritz 1973, S. 127ff.
32 Deutscher Verein, 1986, S. 1142, zit. nach Hermann, Franz, 1998, S. 120
33 Ebd.
12
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vier Gruppen lassen sich wiederum konkrete Partizipationsverfahren zuordnen, die wir im
folgenden kurz darstellen möchten.
Bei den direkten, nichtverfaßten Verfahren lassen sich versammelnde Verfahren,
initiierende Verfahren aber auch illegale Partizipationsformen unterscheiden. Bei den
versammelnden Verfahren treten BürgerInnen oder Betroffene mit der Verwaltung oder
der Politik in direkte Kommunikation. Hierzu zählen BürgerInnenversammlungen oder
Foren, welche sich mit bestimmten Fragestellungen und Problemen befassen. Diese
Partizipationsverfahren werden in der Regel durch die Verwaltung oder die Politik initiiert.
Mit Hilfe von initiierenden Verfahren wird versucht, Betroffene in Entscheidungsprozesse
einzubeziehen, die zum Beispiel aufgrund ihrer Schichtzugehörigkeit, schlechter Bildung
usw. über die anderen Verfahren nicht angemessen einzubeziehen sind. Franz Herrmann
nennt hier als Beispiel die Gemeinwesenarbeit, die Zukunftswerkstattarbeit und die
Handlungsforschung. Ziel dieser Verfahren ist es, Kontakt zu den Betroffenen
herzustellen und Vertrauen zu schaffen, damit ihre Möglichkeiten, Erfahrungen und
Probleme bei dem weiteren Vorgehen berücksichtigt werden können. Gerade Betroffene
mit niedrigem Bildungsstand oder sonstigen strukturell bedingten die
Partizipationsfähigkeit beeinträchtigenden Merkmalen, soll so eine
Partizipationsmöglichkeit geboten werden.
Illegale Partizipation verfolgt in der Regel das Ziel, entweder ein großes Medienecho auf
die jeweilige Aktion zu erzeugen, und damit Themen zu problematisieren und zu
politisieren. Eine andere Strategie kann es sein, durch die Störung, Blockierung oder
Unterbrechung von wichtigen Entscheidungswegen (beziehungsweise Infrastruktur),
Entscheidungen beziehungsweise ihre Durchsetzung zu verhindern oder zumindest zu
verzögern. Idealerweise gelingt es auf diese Weise, durch die Schaffung von
Öffentlichkeit, Aufmerksamkeit auf gesellschaftliche Mißstände zu lenken und so, durch
die Etablierung einer kritischen öffentlichen Meinung, einhergehend mit einer Informierung
der Öffentlichkeit, Druck auf EntscheidungsträgerInnen auszuüben. Diese Strategie der
Öffentlichkeitsschaffung kann natürlich auch im Rahmen von vielen anderen
Partizipationsformen eingesetzt werden.34
34 Vgl. Kapitel 5.1
13
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Die indirekten, nichtverfassten Verfahren lassen sich nach stellvertretende Verfahren
und kooperativen Verfahren unterscheiden. Bei den stellvertretenden Verfahren wird die
indirekte Interessenvertretung durch Schlüsselpersonen (Vertrauenspersonen und
AnsprechpartnerInnen von Betroffenen – zum Beispiel Ärzte, Pfarrer,
JugendgruppenleiterInnen)oder ExpertInnenen ausgeübt. Die kooperativen Verfahren
beinhalten die Zusammenarbeit von Verwaltung, Planung oder Politik mit bereits
organisierten BürgerInnen (Vereine, Selbsthilfegruppen, Initiativen...).
Direkte, verfaßte Verfahren sind besonders aus der Schweiz und den USA als
direktdemokratische Verfahren bekannt, um politische Entscheidungen zu treffen. Diese
Volksentscheide sind verfassungsmäßig verankert und haben in diesen Ländern eine
lange Tradition. Aber auch in einigen Bundesländern der BRD (zum Beispiel in Bayern
und Baden Württemberg) und auf kommunaler Ebene gibt es solche gesetzlich garantierte
direkte Verfahren, wenn auch in weit geringerem Umfang als zum Beispiel in der Schweiz.
Als Mittel zur Durchsetzung ihrer politischen Interessen steht der Bevölkerung das
Instrument des Bürgerbegehrens und des Bürgerentscheids/Volksentscheids zur
Verfügung.35 Allerdings gibt es mit Ausnahme von Artikel 29 Grundgesetz (hier wird ein
Volksentscheid bei Neugliederung des Bundesgebietes vorgeschrieben) keine
entsprechende Gesetze auf Bundesebene. Michael J. Buse und Wilfried Nelles weisen
darauf hin, daß diese direktdemokratischen Instrumente durch „prohibitive
Eingangsvorraussetzungen“ wie Unterschriftensammlung und vorgeschriebene hohe
Wahlbeteiligung deutlich als „Ausnahmeregelung“ fungieren. Sie sind nicht Bestandteil
des regulären Willensbildungsprozesses sondern als Korrektiv desselben gedacht.36
Unter die indirekten, verfaßten Verfahren fallen die repräsentative Verfahren: Die
BürgerInnen beziehungsweise Betroffenen werden durch RepräsentatInnen vermittelt an
Entscheidungen beteiligt. Die Auswahl der VertreterInnen erfolgt mittels Wahlen oder
anderen förmlichen Auswahlsmodi. Die bekanntesten Beispiele für diese Verfahren sind
wohl die Bundes- und Landtagswahlen.
35 Vgl Gabriel, Oscar W., 1989, S. 130ff.
36 Vgl. Buse, J. Michael, Nelles, Wilfried, 1975, S. 96ff.
14
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Das prinzipielle Vorhandensein von Partizipationsmöglichkeiten sagt allerdings noch
nichts über die Qualität der Partizipation aus. Deshalb werden in der Literatur noch
sogenannte Partizipationsgrade unterschieden.
2.1.4 Partizipationsgrade
Fritz Vilmar weist explizit auf die Gefahr hin, die von Ideologien, Rechtsgestaltungen und
Praktiken ausgeht, „welche unter Begriffen wie Partizipation, Partnerschaft oder
Mitbestimmung nichts anderes intendieren, als eine möglichst unverbindliche Teilnahme
an unwesentlichen, die Herrschaftsstruktur, die Objektstellung der Untergebenen nicht
infrage stellende Entscheidungen“.37 Solche Praktiken dienen unter dem Mantel der
Partizipation letztendlich der Festigung der gesellschaftlichen Verhältnisse. So kann unter
Umständen gesellschaftliches/politisches Engagement in Bahnen geleitet werden, in
denen es dann mehr oder weniger wirkungslos verpufft.
Wichtig ist also festzuhalten, daß Partizipation durchaus unterschiedliche Qualitäten
haben kann, von ‚praktisch wirkungslos’ bis hin zur kompletten Selbstbestimmung und
Verfügung über die gesellschaftlichen Verhältnisse.
Fritz Vilmar unterscheidet drei Grade der Partizipation:38
• Unverbindliche Partizipation: Die Teilhabe am Entscheidungsprozeß durch
Informations-, Beratungs- und Mitwirkungsrechte, oder aber auch durch demonstrative
Proteste der Betroffenen.
• Verbindliche Partizipation: Die Entscheidungsvollmacht der traditionellen
EntscheidungsträgerInnen wird durch paritätische Mitbestimmung oder durch kollektive
Gehorsamsverweigerung eingeschränkt.
• Selbstverwaltung oder Vergesellschaftung der Entscheidungsbildung: Die
Entscheidungsvollmacht der bisherigen EntscheidungsträgerInnen wird durch einen
legalen Machtwechsel, oder durch Subsystembesetzung und Selbstorganisation der
betroffenen Menschen aufgehoben.
Fritz Vilmar betont an dieser Stelle, daß diese drei generell unterscheidbaren
Partizipationsgrade wiederum danach zu differenzieren sind, ob die Partizipation „auf
Grund errungener Partizipationsrechte oder auf Grund von kollektiven Druck (Streik,
Demonstration, Bürgerinititiven, Einschaltung der Öffentlichkeit) realisiert wird, ferner, ob
37 Vilmar, Fritz, 1973, S. 26
38 Vgl. Vilmar, Fritz, 1973, S. 162ff.
15
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es sich um eine ad-hoc-Partizipation (Bürgerinitiative) oder um eine permanente
(institutionalisierte) Partizipationsform handelt“.39
Nach Franz Herrmann lassen sich in Anlehnung an Fritz Vilmar eine Vielzahl von
Partizipationsgraden unterscheiden, die sich durch den tatsächlichen Einfluß auf den
Entscheidungsprozeß ergeben.40 Er unterscheidet:
• Mitsprache: Das Recht auf Anhörung in einem Beratungs- oder Entscheidungsprozeß,
wobei hier keine bindende Wirkung vorhanden ist.
• Mitwirkung: Das Recht oder die Möglichkeit der Beteiligung am Beratungsprozeß, aber
nicht am Entscheidungsprozeß.
• Mitbestimmung: Das Recht für Betroffene, selbst oder durch VertreterInnen am
Entscheidungsprozeß mitzuwirken.
• Selbstbestimmung, Selbstorganisation: Die Möglichkeit, daß Betroffene selbst, oder
durch VertreterInnen, Gestaltungs- oder Entscheidungsprozesse durchführen und zwar
über Mehrheits- oder Konsensbildung.
• Veto-Rechte/faktische Veto-Macht: Blockieren der Entscheidungsvollmacht der
zuständigen EntscheidungsträgerInnen (beispielsweise durch Demonstrationen, Streiks
oder andere Formen zivilen Ungehorsams).
Besonders wichtig in diesem Zusammenhang scheint uns die Feststellung von Fritz
Vilmar, daß, gerade im Rahmen von unverbindlicher Partizipation ablaufende,
Beteiligungsprozesse stets darauf zu prüfen sind, ob sie nur dazu dienen
Demokratisierungsinteressen ins Leere laufen zu lassen, was sie in der Tat oft tun.
„Überall wird versucht, durch unverbindliche Partizipation, d.h. durch Scheinbefriedigung
von Mitbestimmungsansprüchen, durch «demokratische Beschäftigung», durch Einbau
«demokratischer» Ventile ingestalt von «Bürgerforen», «Mitarbeitergesprächen»,
«Anhörungs» – und «Beratungs» -rechten Demokratisierungs-Interessen zu absorbieren,
ohne auch nur ein Stück essentieller Entscheidungsmacht aufzugeben.“41 Deshalb
müssen Partizipationsbestrebungen im übrigen auch „die Verneinung, die Ablehnung
bestimmter angebotener Partizipationsmöglichkeiten unterhalb eines zu definierenden
Wirkungsgrades einschließen“.42
39 Ebd. S. 163
40 Herrmann, Franz, 1998, S. 120f.
41 Ebd. S. 165f.
42 Ebd. S. 166
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Jedoch auch unverbindliche Partizipationsformen mit relativ geringer Wirksamkeit (wenn
es sich nicht nur um scheinhafte oder rituelle Partizipation handelt) können Fritz Vilmar
zufolge „als demokratisierendes, Informations- Veröffentlichungs-, Einfluß- und
Pressionsmedium“43 durchaus sinnvoll nutzbar sein, und zwar überall dort, wo das
Bedürfnis nach Information und dialogischer Meinungsfindung besteht. Die neuen
Informations- und Medientechnologien können hier in der Tat neue Potentiale erschließen
helfen, momentan allerdings nur für einen relativ kleinen Teil der Bevölkerung.44
Anwendungsmöglichkeiten für diese relativ schwachen aber durchaus produktiven
Partizipationsformen (er spricht hier von Bürgerforen und verweist auf den Begriff des
„herrschaftsfreien Dialogs“ von Habermas) sieht er sowohl im betrieblichen Bereich als
auch im kommunalen, regionalen und im nationalen Bereich.45 Auf den Bereich der
Öffentlichkeit werden wir noch näher im Kapitel 5.1 eingehen.
2.1.5 Demokratie, Engagement und Partizipation
Mit dem Wesen der Demokratie und Demokratisierungsprozessen in der Gesellschaft ist
der Partizipationsbegriff unzweifelhaft eng verbunden. „Partizipationsrechte und -pflichten
der BürgerInnen sind ein zentrales Strukturprinzip demokratischer Gesellschaften.“46 Nach
Artikel 20 Grundgesetz „geht alle Staatsgewalt vom Volke aus“ ,und nach Artikel 21
Grundgesetz wirken die Parteien bei der politischen Willensbildung mit.47 Allerdings sind
die Bürgerinnen und Bürger in der Verfassungswirklichkeit weitgehend untätige
ZuschauerInnen (Stichwort Zuschauerdemokratie), die alle vier Jahre eine Regierung
wählen, und darauf vertrauen müssen, daß die Wahlversprechen eingehalten werden und
die Regierenden in ihrem Sinne entscheiden werden. Auch das Parteiensystem hat den
Kontakt zur Basis weitgehend verloren und agiert nach eigenen Regeln: „Die Parteien
sind Instrumente der Willensbildung, aber nicht in der Hand des Publikums, sondern
derer, die den Parteiapparat bestimmen.“48
43 Ebd. S. 168
44 Vgl. Kapitel 3.2 und 5.4
45 Vgl. Vilmar, Fritz, 1973, S. 168ff.
46 Herrmann, Franz, 1998, S. 123
47 Vgl. Landeszentrale für politische Bildung, 1993
48 Habermas, Jürgen, 1990, Strukturwandel der Öffentlichkeit, S. 303, zit. nach Brönnimann, Christoph,
1996, http://www.uniz.ch/~cbro/goffm_v1.html
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Ohne irgendwelche Partizipationsmöglichkeiten der BürgerInnen an politischen
Entscheidungen und Prozessen kann nun sicherlich nicht von einer Demokratie
gesprochen werden – von einer „starken Demokratie“49 im Sinne Benjamin Barbers kann
nur gesprochen werden, wenn die BürgerInnen auch relevante und äußerst effektive (und
damit institutionalisierte) Partizipationsformen zugebilligt bekommen oder sich „erkämpft“
haben und damit tatsächlich über wichtige, sie betreffende Entscheidungen, entscheiden
können. Demgegenüber hat in unserer Gesellschaft momentan unbestreitbar eine kleine
Elite fast alle Entscheidungsbefugnisse. Diese EntscheidungsträgerInnen sind zwar
demokratisch gewählt (institutionalisierte, indirekte Partizipation), aber auf die
Entscheidungsprozesse selbst haben die BürgerInnen kaum Einfluß. Die Politik wird
vielmehr immer stärker durch Lobbyisten aus der Wirtschaft geprägt und verliert damit
zunehmend ihre demokratische Legitimation. Getrost kann man deshalb unserem
demokratischem System heute eine Krise diagnostizieren. Ulrich von Alemann weist
darauf hin, daß Partizipationsforderungen in der Regel immer über die Konstatierung von
Krisen begründet werden. Solche Krisen nennt er Legitimationskrisen.50 Er legt aber Wert
darauf, diese Krisen nicht nur in dem Versagen politischer Institutionen zu suchen. „Auch
ökonomische und sozio-kulturelle Bedingungen und Strukturen tragen einen wesentlichen
Anteil an der Entstehung und Entwicklung von Legitimationskrisen.“51 Anzeichen und
Ausdruck dieser momentanen Krise sind unter anderem sinkende Wahlbeteiligungen,
Verlust der Stammwählerschaft und Mitgliederschwund bei den Parteien,52 und zwar wie
Untersuchungen zeigen,53 nicht wegen politischem Desinteresse sondern eher aufgrund
Resignation und/oder Pessimismus gepaart mit großer Unzufriedenheit. In diesem Sinne
49 Benjamin Barber entwickelt in seinem Buch ein Modell der direkten Demokratie, in dem das
repräsentative System institutionell erweitert wird, mit dem Ziel, daß die BürgerInnen in einem
deliberativen Prozeß politische Entscheidungen treffen. Mittel sind Bürgerversammlungen und
Volksabstimmungen welche durch öffentliche Diskussionen auf kommunaler und nationaler Ebene, sowie
durch die Medien begleitet werden um zu gewährleisten, daß ein möglichst großes Spektrum von
Meinungen Eingang in den Prozeß der Willensbildung findet. Interessant ist, daß er schon 1983 auch
elektronische Formen der Bürgerversammlung in seine Überlegungen mit einbezogen hat. Das Modell
das Benjamin Barber entwickelt kann als früher Versuch gewertet werden, der Bürgergesellschaft einen
institutionellen Rahmen zu geben. Vgl. Barber, Benjamin, 1983
50 Vgl. v. Alemann, Ulrich, 1975, S. 36ff., Vilmar, Fritz, 1973, S. 200ff.
51 v. Alemann, Ulrich, 1975, S. 36.
52 Vgl. Schneider Helmut, 1995, S. 276ff., Beck, Ulrich, 1999,
http://www.ix.de/tp/deutsch/inhalte/co/2783/1htm
53 Vgl. Held, Josef, 1996
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ist auch diese Verweigerungshaltung politisch und ist durchaus eine Art der
Machtausübung als StaatsbürgerIn anzusehen.54 Die Legitimationskrise der heutigen Zeit
wird noch durch den sich immer stärker abzeichnenden Trend verschärft, daß selbst die
nationalen Regierungen und Politiker in Zeiten der sogenannten Globalisierung55 immer
weniger Möglichkeiten haben Entwicklungen zu beeinflussen. Entscheidungen globaler
Reichweite werden heute in internationalen (nicht demokratisch legitimierten)
Organisationen und Institutionen getroffen.56
Auch Ulrich Beck diagnostiziert einen Verfall der Autorität und der Legitimität von
Institutionen, welcher Beck zufolge allerdings mit einer „zunehmenden Intervention der
Bürger in die Politik“57 einhergeht. Er ist also der Auffassung, daß keinesfalls von einer
politischen Apathie der Bevölkerung ausgegangen werden kann. Er glaubt vielmehr, daß
unsere Gesellschaft ein großes Potential an Engagementbereitschaft birgt, das sich
allerdings außerhalb der traditionellen Formen politischer Beteiligung manifestiert.58
Allerdings schränkt er das Potential dahingehend ein, daß es vor allem eine gute
Ausbildung ist, die die Aktivität in Politik und Öffentlichkeit begünstigt. „Überall gilt ein
ähnlicher Befund: je mehr Ausbildung, desto aktiver in Öffentlichkeit und Politik.“59 Er
glaubt umgekehrt jedoch auch, daß durch zunehmend bessere Ausbildung und das
Nachrücken der „jüngeren Kohorten“ auch die Engagementbereitschaft wachsen wird.
Ulrich von Alemann und Christoph Strünck verweisen auf die Ergebnisse der
Partizipationsforschung, welche keineswegs eine Abkehr von der Politik feststellen kann.
„Vielmehr signalisieren gerade die jüngern, besser ausgebildeten sozialen Gruppen einen
Bedarf an Beteiligungsformen, der von den verfaßten Angeboten bislang nicht abgedeckt
wird.“60
54 Auch wenn diese Art der Artikulation im Hinblick auf Veränderung ziemlich unproduktiv ist und eher als
Bewältigungshandeln verstanden werden kann. Vgl Hermann, Franz, 1995, S. 161f.
55 Vgl. Kapitel 5.2
56 Darauf weist beispielsweise Ulrich Beck hin. Vgl. Beck, Ulrich, 1999,
http://www.ix.de/tp/deutsch/inhalte/co/2783/1htm , vgl. auch Brönnimann, Christoph, 1996,
http://www.uniz.ch/~cbro/goffm_v1.html
57 Beck, Ulrich, 1999, http://www.ix.de/tp/deutsch/inhalt/co/2783/1.htm
58 Vgl. Ebd
59 Ebd
60 v. Alemann, Ulrich/Strünck Christoph, 1999, S. 29
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Diese oben geschilderten Legitimationskrisen sind folglich nicht zwangsläufig negativ zu
sehen, führen sie doch auch durch die sie begleitenden Partizipationsforderungen zu
positiven Effekten, nämlich zu spontaner kollektiver Organisation von BürgerInnen in
Bürgerinitiativen und ähnlichen Gruppierungen61 mit dem Ziel, gemeinsame Interessen zu
artikulieren und durchzusetzen. Das verstärkte Aufkommen der sozialen Bewegungen
(wie Bürgerinitiativen) in den späten sechziger Jahren und der aktuellen, heute verstärkt
diskutierten und auch schon praktizierten Bürgerarbeit, beziehungsweise das
bürgerschaftliche Engagement sowie die Ergebnisse der „Geislingen Studie“62 belegen
diese These.
Hier stellen sich folgende Fragen: Wie kann unsere immer komplexer werdende
Gesellschaft wieder demokratischer und damit gerechter werden? Wie können die
Interessen der vielen unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppierungen in den
öffentlichen Diskurs einfließen und so die demokratische Entscheidungsfindung
verbessert werden? Wird die Lösung dieser grundlegenden gesellschaftlichen Probleme
etwa durch die neuen Medientechnologien geleistet werden? Eine mögliche Antwort auf
diese Fragen wurde bereits mit dem Konzept der Bürgergesellschaft angedeutet. Wir
werden später noch darauf zurückkommen.
Christoph Brönnimann betont in der Tat, daß der Weg zu einer demokratischeren
Gesellschaft zum Teil auch eine medientechnische Herausforderung ist. Er ist der
Meinung, daß die neuen Computernetze aufgrund ihrer spezifischen Möglichkeiten63
geeignet sind, um eine „Differenzierung des politischen Willensausdrucks durch
elektronische gesteuerte Wahl- und Abstimmungsverfahren“ und „eine Differenzierung
des öffentlichen Diskurses auf alle Interessierten“64 zu erreichen. Claus Leggewie schließt
sich zwar insofern an, daß „der gesamte politische Prozeß, von der primären Information
über die Modalitäten der Meinungs- und Willenbildung bis zur kollektiven Entscheidung(...)
61 Vgl. v. Alemann, Ulrich, 1975, S. 37
62 Die Geislingen-Studie untersuchte die Engagementbereitschaft der BürgerInnen in Geislingen. Sie kam
zu dem Ergebnis, daß immerhin 38 % der BürgerInnen ab dem 15. Lebensjahr bereit sind sich an
selbstorganisierten bürgerschaftlichen Projekten zu beteiligen. Vgl. hierzu Sozialministerium
Baden-Württemberg (Hrsg.), 1996
63 Vgl. hierzu Kapitel 3.2 und Kapitel 5.1
64 Brönnimann, Christoph, 1996, http://www.uniz.ch/~cbro/goffm_v1.html
20
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von den neuen Informations- und Kommunikationstechnologien affiziert“65 sein wird. Er
führt aber weiter aus, daß aufgrund dieser Technologien weder mit dem Untergang der
repräsentativen Demokratie, noch mit dem Anbruch eines neuen „athenischen Zeitalters“
zu rechnen ist. Das neue Informations- und Kommunikationstechnologien zwar die
politische Meinungs- und Willenbildung beeinflussen und verändern haben in der
Vergangenheit schon Techniken wie die Erfindung des Buchdrucks und in neuerer Zeit
das Aufkommen von audiovisuellen Medien (Fernsehen) gezeigt. Die Geschichte zeigt
aber auch, daß ausschließlich technikdeterministische Sichtweisen und Erwartungen an
der Realität vorbeigehen.66 Nicht die potentiell vorhandenen Möglichkeiten oder Gefahren
einer Technik entscheiden über deren Wirkung, sondern in erster Linie, wer diese
Techniken wie anwendet, welche Möglichkeiten von den Menschen genutzt werden, von
der Industrie weiterentwickelt und von politischen Entscheidungen gefördert werden.
Informations- und Telekommunikationstechnologien sind offene Technologien: „Ihre
Anwendungen und Wirkungen werden nicht stringent durch die Technik selbst impliziert,
sondern entwickeln sich kontextuell“,67 d.h. technische, politische und soziale
Entwicklungsdynamiken beeinflussen sich gegenseitig. Wie die neuen Informations- und
Kommunikationstechnologien letztendlich in unserer Gesellschaft eingesetzt werden,
beziehungsweise unsere Gesellschaft die neuen Technologien beeinflussen wird, ist laut
Claus Leggewie noch offen. Heute läßt sich aber sagen, daß das Netz im großen und
ganzen momentan zumindest unpolitisch ist68 und sich immer weiter in Richtung
Kommerzialisierung entwickelt und auch gezielt entwickelt wird. Das sollte aber nicht über
die möglichen und sinnvollen Nutzungsarten und Anwendungen, gerade auch für die
politische Arbeit oder andere Formen gesellschaftlichen Engagements, hinwegsehen
lassen. „Es mag als gutes, wenn auch nicht hinreichendes Omen für die Demokratie im
nächsten Jahrhundert angesehen werden, daß Diktaturen und autoritäre Regime das
Internet nicht mögen.“69 Zahlreiche Interessengruppen und auch unterdrückte politische
65 Leggewie, Claus, 1998, S. 16
66 Vgl. Leggewie, Claus, 1998, S. 16 und Kapitel 4
67 Kamps, Klaus/Kron Thomas, 1999, S. 247
68 Vgl. Rilling, Rainer, 1996c, http://www.bdwi.org/bibliothek/rilling-hattingen.html
69 Leggewie, Claus, 1998, S. 19
21
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Organisationen haben sich in den letzten Jahren, zum Teil sehr erfolgreich, des Internets
als Medium bedient (beispielsweise Zapatisten und Studenten).
Fritz Vilmar betont, daß um die Gesellschaft zu demokratisieren auch demokratische
Strukturen zu schaffen sind, was in erster Linie bedeute „reale
Partizipationsmöglichkeiten“ zu schaffen.70 „Demokratisierung ist also der Inbegriff aller
Aktivitäten, deren Ziel es ist, autoritäre Herrschaftsstrukturen zu ersetzen durch Formen
der Herrschaftskontrolle von ,unten’, der gesellschaftlichen Mitbestimmung, Kooperation
und – wo immer möglich – durch freie Selbstbestimmung.“71 Unter Demokratisierung
versteht Fritz Vilmar also die Verwirklichung demokratischer Grundsätze in allen
Bereichen der Gesellschaft.
Viele Befürworter der neuen Medientechnologien sehen nun eben in den Computernetzen
eine große Chance, den BürgerInnen wieder mehr Partizipation zu ermöglichen,
Engagement zu fördern, beziehungsweise zu erleichtern und die Gesellschaft zu
demokratisieren. Es ist unter anderem die Rede von Teledemokratie, Cyberdemokratie,
von elektronischer Agora und von Gegenöffentlichkeiten, einem erneuten Strukturwandel
der Öffentlichkeit, Hoffnungen auf eine mittels den Netzen mögliche deliberative
Demokratie, virtuelle Gemeinschaften, transnationalen Gemeinschaften usw.
An dieser Stelle muß nochmals festgehalten werden, daß sich Partizipation auf
verschiedenen Ebenen abspielen kann. Zum einen gibt es die Partizipation außerhalb der
institutionalisierten Möglichkeiten (Öffentlichkeit, kollektive Gegenmachtbildung) und
Partizipation auf der Entscheidungsebene selbst, was die „Erringung institutioneller
Rechte der Beteiligung an Entscheidungen“72 bedeutet. Fritz Vilmar weist allerdings darauf
hin, daß sich die beiden Ebenen hinsichtlich ihres Demokratisierungspotentials gravierend
unterscheiden. Es ist zwar möglich durch Gegenmachtaktionenen oder Schaffung einer
kritischen Gegenöffentlichkeit einzelne Entscheidungen zu blockieren, beziehungsweise
im Interesse der Masse durchzusetzen. Bleibende und vor allem strukturelle
Veränderungen lassen sich jedoch nur durch Erlangung des Zugangs „zu den schon
institutionalisierten Entscheidungsebenen“,73 beziehungsweise durch Schaffung neuer
70 Vgl. Vilmar, Fritz 1973, S. 29
71 Ebd. S. 21
72 Ebd. S. 25
73 Ebd. S. 135
22
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institutionalisierter Entscheidungsebenen erreichen. Und genau das versucht die
Bürgerarbeit zu leisten: Das Miteinander und Vernetzen von schon etablierten politischen
Institutionen, sozialen Bewegungen und zu engagementbereiten Bürgern. Ulrich Beck
sieht in der Bürgerarbeit, beziehungsweise dem bürgerschaftlichen Engagement eine (vor
allem auch zeitgemäße) Möglichkeit, den BürgerInnen mehr Verantwortung aber auch
mehr Partizipation zu ermöglichen.
„Bürgerarbeit ist die institutionelle Antwort, ein entscheidender Vermittlungsschritt, der die
entstandene anti-hierarchische, individualistische Kultur einbindet in neue, auf Eigensinn
und Eigeninitiative gegründete soziale und politische Handlungs- und
Arbeitszusammenhänge.“74
Ulrich Beck geht davon aus, daß mit Bürgerarbeit Individualismus in der Gestalt von
Selbstorganisation, der Eigeninitiativen und der experimentellen Politik in einer Form
ermöglicht wird, welche gleichzeitig die Bedürfnisse und Anforderungen anderer
berücksichtigt.75 Er glaubt vor allem, daß die politische Zukunft verstärkt durch
transnationale Bewegungen76 geprägt wird, die massenmedial vermittelt sein können.
Die in den partizipativen beziehungsweise demokratisierenden Potentialen der neuen
Informations- und Telekommunikationstechniken gesehenen Möglichkeiten sind meist eng
mit dem Konzept einer Bürgergesellschaft verknüpft, auf welche wir im Folgenden kurz
eingehen möchten.
Der Begriff der Bürgergesellschaft ist die Übersetzung des englischen Begriffs der civil
society.
Der Sozialphilosoph Charles Taylor hat folgendermaßen versucht den Begriff der civil
society zu definieren. Er unterscheidet dabei drei unterschiedliche Verständnisse:77
1. Ganz allgemein läßt sich von einer civil society dort sprechen, wo es freie
Vereinigungen von BürgerInnen gibt, welche nicht vom Staat bevormundet werden.
74 Beck, Ulrich, 1999, http://www.ix.de/tp/deutsch/inhalt/co/2783/1.htm
75 Ebd.
76 Er spricht hier auch von transnationalen Netzen, vgl. Beck, Ulrich, 1999,
http://www.ix.de/tp/deutsch/inhalt/co/2783/1.htm
77 Vgl. Sozialministerium Baden-Württemberg (Hrsg.), 1996, S. 9
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2. In einem engeren Sinn gibt es eine civil society nur dort, wo die Gesellschaft sich als
ganze durch Vereinigungen strukturiert und koordiniert und nicht von der Staatsmacht
bevormundet wird.
3. Alternativ oder ergänzend zur zweiten Bedeutung kann von einer civil society immer
dann gesprochen werden, wenn die Gesamtheit der Vereinigungen den Gang der
staatlichen Politik signifikant bestimmen oder modulieren kann.
In der Geislingen-Studie78 haben die AutorInnen allgemeine Prinzipien formuliert, welche
für Bürgergesellschaften konstitutiv sind. Ein wichtiges Prinzip einer Bürgergesellschaft ist
die Tatsache der sozialen Selbstorganisation. Wobei das Vorhandensein von freien
Vereinigungen zwar notwendig, aber keineswegs hinreichend ist. Bestehen die
Organisationen in erster Linie aus hierarchischen und hochformalisierten
Organisationstypen (wie Verbänden, Gewerkschaften, Vereine usw...) besteht hier die
akute Gefahr, das ein großer Teil der BürgerInnen ausgegrenzt wird. Es kommt hier
vielmehr darauf an, daß sich eine Vielzahl kleiner und kleinster Gruppierungen bildet, „die
die pluralen Identitäten der Menschen zur Geltung bringt und die Unterschiedlichkeit ihrer
Lebenswelten widerspiegelt“.79 Damit ist gewährleistet, daß sich die lebensweltliche
Vielfalt der Menschen auch auf der Ebene der Vereinigungen widerspiegelt.
Das Internet als Kommunikationsmedium kann hier das kollektive Handeln erleichtern und
der Organisation von Gleichgesinnten oder Menschen in ähnlichen und gleichen
Lebenslagen förderlich sein, wie die zahlreichen virtuellen Gemeinschaften zeigen. Schon
heute gibt es im Internet jede Menge kleiner und kleinster Gemeinschaften, die sich aus
unterschiedlichsten Gründen zusammengefunden haben.80 Diese Gemeinschaften sind
natürlich nicht alle politisch, aber sie übernehmen oft soziale Funktionen indem sie ihren
Mitgliedern Unterstützung, Austausch und wichtige Informationen bieten. Sie bieten eine
Möglichkeit zeitgemäßen gesellschaftlichen Engagements, konstituieren zwar momentan
keine Bürgegesellschaft, aber sie können den Aspekt der Selbstorganisation in unserer
Gesellschaft vereinfachen oder zumindest unterstützen.
78 Vgl. ebd.
79 Ebd. S. 18
80 Die ältesten virtuellen Gemeinschaftsformen des Internets sind wohl die im Usenet etablierten
Newsgroups, welche eine mittlerweile schier unüberschaubare Vielfalt von themenorientierten
Diskussionsforen anbieten. Es kann davon ausgegangen werden, daß nahezu alle gesellschaftlichen
Themen in den Newsgroups vertreten sind. Wenn Teile der „Netzgemeinde„ Bedarf für eine neue
Newsgroup sieht, dann wird einfach eine neue gegründet.
24
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2.2 Zum Begriff der Informationsgesellschaft
Der Begriff der Informationsgesellschaft ist seit einigen Jahren fast überall präsent. Er
findet seine Verwendung sowohl in wissenschaftlichen Diskursen, als auch in Reden von
PolitikerInnen oder VertreterInnen der Wirtschaft. Was dabei jeweils unter einer
Informationsgesellschaft verstanden wird bleibt oft unklar. Häufig ist nicht ersichtlich, ob
damit die Bezeichnung einer gegenwärtigen Gesellschaftsform gemeint ist, oder ob wir
uns im Umbruch zu einer solchen Gesellschaft befinden, beziehungsweise ob es die
Vision oder das Ziel ist, auf das sich unsere Gesellschaft hinentwickeln soll oder kann.
Zur Begriffsklärung möchten wir hier sowohl die Entstehung, Verwendung und Kritik des
Begriffs darstellen, als auch die gesellschaftlichen Prozesse und Veränderungen, die
damit beschrieben werden.
Achim Bühl stellt zentrale Ansätze vor, die zur Begriffsbildung der
Informationsgesellschaft geführt haben: „Die unterschiedlichen Modelle der
Informationsgesellschaft stimmen dabei in der Prämisse überein, daß Information als
Produktionsfaktor und Konsumgut, als Kontroll-, Herrschafts- und Steuerungsmittel
bedeutsamer wird.“81 Sie unterscheiden sich darin, inwieweit der ökonomische Faktor
einer Gesellschaft im Vordergrund steht oder der damit verbundene soziale Wandel, ob
sie sich als Abgrenzung zur Industriegesellschaft oder als neue industrielle Revolution
begreifen und ob sie die Informationsgesellschaft als Realkategorie oder als ‚Idealtypus’
verstehen. Drei dieser Ansätze sollen hier kurz dargestellt werden: die „informationeconomy“-Forschung, die „postindustrielle Gesellschaft“ von Daniel Bell und die
„Wellentheorie“ von Alvin Toffler.82
Die Studien des Japaners Youchi Ito und des US-Amerikaners Fritz Machlup
begründeten einen Ansatz der „information-economy“-Forschung, die Kriterien zur
empirischen Identifizierbarkeit von Informationsgesellschaften entwickelte. Sie erweiterten
das volkswirtschaftliche Drei-Sektoren-Modell (Landwirtschaft, Industrie, Dienstleistungen)
um den Sektor der Wissensindustrie, in welchem informationsverarbeitende Tätigkeiten
eingeordnet werden. Je nach Menge der ,InformationsarbeiterInnen’ und dem Anteil an
Wertschöpfung aus informationsorientierten Berufen, kann eine Gesellschaft als
81 Bühl, Achim, 1996, S. 25
82 Vgl. auch Kleinsteuber, Hans J., 1996, http://www.th-darmstadt/fsmathe.de/BdWeb/Forum/961/kleinst.html und Baukrowitz, Andrea/Boes, Andreas, 1998, http://w2.wa.uni-hannover.de /ref01.html
25
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Informationsgesellschaft bezeichnet werden oder nicht. Kritisiert wird an diesem Ansatz
vor allem die Schwierigkeit, welche Tätigkeiten diesem Sektor zugeordnet werden
können, und daß dabei gesellschaftliche Prozesse reduziert werden auf quantifizierbare,
technische und ökonomische Komponenten: „Komplexe Vergesellschaftungsprozesse
erscheinen so als rein technische Sachverhalte eines quasi naturgeschichtlichen
Entwicklungsprozesses; als Sachverhalte, die sich letztendlich einer bewußten politischen
Steuerung entziehen.“83
Der amerikanische Soziologe Daniel Bell veröffentlichte 1973 eine Studie unter dem Titel
„The coming of Post-Industrial Society“. Für ihn ist die Informationsgesellschaft eine
„postindustrielle Gesellschaft“, in welcher der Informationssektor gegenüber der
Güterproduktion an Bedeutung gewinnt, wobei er die Informationsgesellschaft weniger als
Realkategorie, sondern vielmehr als ‚Idealtypus’ versteht. Die Information erhält dabei den
Status einer wichtigen Ressource, von der die Produktion der postindustriellen
Gesellschaft abhängiger ist als von natürlichen Rohstoffen. Im Gegensatz zur industriellen
Maschinentechnologie basiere die postindustrielle Gesellschaft auf computergestützte
„intellektuelle Technologie“. Die nachindustrielle Gesellschaft zeichnet sich bei Bell
allerdings auch wesentlich durch einen Wandel der Sozialstruktur und der
gesellschaftlichen Leitbilder aus. „Der Prozeß der Informatisierung ist für Bell ein Prozeß
tiefer Veränderungen industriegesellschaftlicher Organisation, der den Wirtschaftssektor,
Berufsgruppen, technologische Grundlagen sowie die gesellschaftliche Leitorientierung
gleichermaßen umfaßt.“84 Die wichtigste Klasse der entstehenden Gesellschaft setzt sich
seiner Meinung nach aus AkademikerInnen zusammen, deren Macht sich eher auf
Wissen als auf Eigentum stützt. Denn die Faktoren Arbeit und Kapital werden dem
industriellen Zeitalter zugerechnet, bei der postindustriellen Gesellschaft steht das Wissen
im Vordergrund. „Bell opponierte als Repräsentant eines liberal-akademischen
Mainstreams mit seiner post-industriellen Universaltheorie vor allem gegen
neomarxistische Ansätze, von denen er gleichwohl das Denken in gesellschaftliche
Epochen und die Vorstellung einer materiellen Grundlage gesellschaftlicher Dynamik
übernahm. Er wendet diese Triebkraft freilich in bester amerikanischer Tradition
optimistisch, indem für ihn eine neue Technik eine bessere, eben informationsbasierte
83 Bühl, Achim, 1996, S. 26
84 Ebd. S. 29
26
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Gesellschaft ermöglichen werde. Die postindustrielle Gesellschaft transzendiere die
Polarisierungen zwischen Kapital und Arbeit, versöhne über Information und Wissen.“85
Der Zukunftsautor Alvin Toffler veröffentlichte 1980 sein Buch „The third wave“, worin er
die Informationsgesellschaft im Kontext einer Stadientheorie betrachtet. Dabei vollzieht
sich die gesellschaftliche Entwicklung in einem aufsteigenden Prozeß von traditionalen zu
modernen Gesellschaften, der in drei ‚Wellen’ stattfindet. Hans J. Kleinsteuber spricht mit
Bezug auf Alvin Toffler von einer „Verbestsellerung“ des Begriffs der
Informationsgesellschaft und bezeichnet dieses Modell als „eine eher simple,
mechanistisch anmutende Variante einer sich unter technischem Druck axial in Richtung
Fortschritt bewegenden Gesellschaft“.86 Nach Toffler begann die erste Welle vor 10.000
Jahren mit der Erfindung der Landwirtschaft, die zweite Welle setzte mit der industriellen
Revolution im 17. Jahrhundert ein. Nach der Agrargesellschaft und der
Industriegesellschaft, befänden wir uns nun im Umbruch zur ‚dritten Welle’, dem Zeitalter
der Informationsgesellschaft. „Toffler begreift Geschichte im wesentlichen als eine
Geschichte von ‚Veränderungswellen’, die miteinander kollidieren, sich gegenseitig
überlappen und auf diese Weise gesellschaftliche Konflikte und Spannungen erzeugen.“87
Bei der Betrachtung der gesellschaftlichen Wandlungen beschränkt sich Toffler nicht nur
auf den ökonomischen Bereich; er sieht große Veränderungen in praktisch allen
Lebensbereichen auf uns zukommen. Dabei sieht er den Übergang zur ‚dritten Welle’
durchaus konfliktbehaftet. Seine Hoffnung zur Bewältigung dieser Konflikte setzt Toffler
auf eine Demokratisierung der Gesellschaft,88 indem „angesichts bevorstehender Krisen
und Entwicklungsbrüche das Potential der Informationstechnologien genutzt werden
müsse, um die Probleme im demokratischen Diskurs zu lösen“.89 Somit verbindet sich für
Toffler mit der Informationsgesellschaft auch eine „normative Zielprojektion“.90
Seit Anfang der 80er Jahre ist der Begriff der Informationsgesellschaft auch in
Deutschland präsent. Er taucht in verschiedenen Berichten und Studien auf, die von
85 Kleinsteuber, Hans J., 1996, http://www.th-darmstadt/fsmathe.de/BdWeb/Forum/96-1/kleinst.html
86 Ebd.
87 Bühl, Achim, 1996, S. 31
88 Die hier dargestellten Ansichten entsprechen dem ‚jungen Toffler’; später wandte er sich eher liberalkonservativen Ideen zu.
89 Bühl, Achim, S. 33
90 Ebd. S. 35
27
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Landesregierungen bis zur EU-Ebene herausgegeben werden, und das meist mit einer
positiven Konnotation. Nach Hans J. Kleinsteuber löste sich der Begriff weitgehend von
seinen ausländischen VordenkerInnen wie Daniel Bell oder Alvin Toffler. „Nicht die
gedanklichen Leistungen der TheoretikerInnen der Informationsgesellschaft sorgten für
ihre politische Konjunktur bei uns, es ist schlicht der gute Klang des Wortes.“91 Als in den
90er Jahren die große Verbreitung von Computernetzwerken wie dem Internet begann,
erhielt der Begriff Informationsgesellschaft neuen Aufwind und konnte „zum neuen
deutschen Paradigma aufsteigen, welches nun PolitikerInnensprüche verschiedener
Couleur zu beflügeln scheint“.92
Auch für Andrea Baukrowitz und Andreas Boes93 stehen dahinter weniger fundierte und
abgesicherte gesellschaftstheoretische Überlegungen, als vielmehr im Bereich der
Politikberatung entstandene dem jeweiligen Anlaß entsprechende Begriffsbestimmungen,
die nach dem Baukastenprinzip zusammengesetzt werden. Verwendet werden dafür vor
allem drei „lose gekoppelte Begründungszusammenhänge“:94
a) Die Verschiebung des ‚axialen’ Prinzips der Gesellschaft, so daß ‚Wissen’ und ,
Information’ ins Zentrum des gesellschaftlichen Produktions- und
Reproduktionsprozesses treten.
b) Der quantitative und qualitative Wandel der Informations- und
Kommunikationstechnologien,
von denen alle Lebens- und Arbeitsbereiche
durchdrungen sind.
c) Die Verschiebung der Wirtschafts- und Beschäftigtenstrukturen, in dem Informationsund Wissensarbeiter die Basis der neuen Gesellschaft bilden.
Baukrowitz/Boes kritisieren vor allem die weitverbreitete Verwendung eines
„kybernetischen“ Informationsbegriffs, hinter dem die Annahme steht, „daß Information
prinzipiell etwas unabhängig vom Inhalt zu bewertendes sei, daß sie in einer möglichst
großen Quantität zur Verfügung stehen müsse, daß sie verwendungsunabhängig erzeugt
und dann zu ihren Bestimmungsorten transportiert werde und daß hierfür die modernen
Informations- und Kommunikationstechnologien aufgrund ihrer Beschleunigungswirkung
91 Kleinsteuber, Hans J., 1996, http://www.th-darmstadt/fsmathe.de/BdWeb/Forum/96-1/kleinst.html
92 Ebd.
93 Vgl. Baukrowitz, Anrea/Boes, Andreas, 1998, http://w2.wa.uni-hannover.de/ref01.html
94 Vgl. ebd.
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das einzig sinnvolle Werkzeug seien“.95 Unter diesem Blickwinkel, durch den die neuen
Technologien auf die schnelle Übertragung von Information reduziert werden, verkürzen
sich die damit verbundenen möglichen Probleme auf die Leistungsfähigkeit der
Computernetze und die Verbreitungsdichte der Endgeräte.
Auch für Achim Bühl läßt sich der gesellschaftliche Wandel nur sehr unzureichend durch
den Begriff der Information beschreiben, da der Informationsaustausch für jede
Gesellschaft von Bedeutung sei. Für ihn stehen die neuen computerbasierten
Informations- und Kommunikationstechnologien im Vordergrund, allerdings nicht auf die
oben dargestellte, auf Informationsübertragung reduzierte Weise. Er schlägt den Begriff
„Cyber Society“ vor, da für ihn der Kern des Wandels in einer Virtualisierung der
Gesellschaft besteht: „Unter Cyber Society verstehen wir eine virtuelle Gesellschaft; eine
Gesellschaft, in der Produktion, Distribution und Kommunikation weitgehend in virtuellen
Räumen stattfinden, im Cyberspace. (...) Unter Virtualisierung wollen wir einen
computerinitiierten Prozeß verstehen, in dessen Verlauf an die Stelle des realen Raumes
der virtuelle Raum als bestimmende Größe mikro- und makrosoziologischer Bereiche
tritt.“96
Andrea Baukrowitz und Andreas Boes behalten den Begriff der Information bei, wollen
allerdings die gesellschaftlichen Entwicklungen aus der Perspektive einer kritischen
Gesellschaftstheorie beschreiben.97 Sie sprechen von einem „Prozeß der
Informatisierung“, d. h. von der Entwicklung und Nutzung einer abstrakten
Informationsebene, die zur Abbildung und Rationalisierung von Produktionsprozessen
dient. Diese Entwicklung reicht weit zurück und fing mit der Nutzung „einfacher
Informationssysteme als Instrumente der ‚geistigen Arbeit’“98 an. Damit ist zum Beispiel
die Entstehung von Buchführung gemeint oder später die Verwissenschaftlichung des
Produktionsprozesses. Der Informatisierungsprozeß war jedoch zunächst nur ein
Bestandteil der Rationalisierung der Produktion und der Ökonomisierung der Gesellschaft.
Seit Mitte des Jahrhunderts wurde er zu einem eigenständigen Gestaltungselement,
indem die Information von ihrem Inhalt abgekoppelt und wissenschaftlich bearbeitbar
95 Ebd.
96 Bühl, Achim, 1996, S. 38
97 Vgl. Baukrowitz, Andrea/Boes, Andreas, 1997a, http://staff.uni-marburg.de/~boes/sem_imd.html
98 Ebd.
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wurde.99 Ein qualitativer Wandel fand mit der Einführung neuer Informations- und
Kommunikationstechnologien statt: „Der Prozeß der Informatisierung erreicht heute eine
neue Qualität, indem bisher fachlich, funktional und medial getrennte Informationssysteme
in einer weltweit durchgängigen und in weiten Teilen computergestützten
Informationsebene aufgehen.“100 Die so entstandene Informationsebene hat für
Baukrowitz und Boes ihre Bedeutung nicht nur für den Produktionsprozeß, sondern auch
als Raum, in dem gesellschaftliches Handeln möglich wird. In einem anderen Artikel
definiert Andreas Boes die Informationsgesellschaft als eine Entwicklungsphase des
Kapitalismus, in dem der technisch gestützte Informationsraum zunehmende Bedeutung
als Handlungsraum gewinnt: „Auch wenn dieser Informationsraum seinem Wesen nach
als Widerspiegelung der ,realen Welt’ entsteht und strukturell nie etwas anderes sein wird,
bietet er dennoch die Möglichkeiten einer neuen Dimension sozialen Lebens und
verändert dadurch die ,alte Welt’ grundlegend. Menschliches Handeln bewegt sich von
nun an zunehmend im Wechselfeld von ‚realer Welt’ und informatorischer Doppelung; bei
vielen Handlungen vollzieht sich der Bezug zur ‚Realwelt’ nur noch vermittelt über die
Informationswelt, ja der Informationsraum mit seinen neuartigen Regeln und
Besonderheiten wird zum bestimmenden Rahmen des sozialen Agierens.“101
Die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien, insbesondere
Computernetzwerke, und hier wiederum zentral das Internet, werden also zum
bedeutenden Werkzeug der Informationsgesellschaft und eröffnen einen neuen, virtuellen
Raum, in dem gesellschaftlich relevante Prozesse stattfinden. Dieser neuen Technologie
wird ein großer Stellenwert bei der Veränderung gesellschaftlicher Verhältnisse
beigemessen, was die Frage nach dem Verhältnis von Technik und Gesellschaft aufwirft:
„Die gesellschaftliche Bewältigung von Technik vermag immer nur so gut zu sein wie das
Wissen um beides: Technik und Gesellschaft und deren Wechselwirkungen.“102 Dabei ist
es wichtig, technische Neuerungen nicht als ‚Naturereignis’ zu sehen, sondern sie in ihrer
99 Eine Abkopplung der Information von ihrem Inhalt erfolgt zum Beispiel bei der tayloristischen
Organisation von Produktionsprozessen, bei der ein Unternehmen ohne Wissen über die konkreten
Produktionsvorgänge geleitet werden kann. „Dazu werden alle Aspekte des Produktionsprozesses
einschließlich der lebendigen Arbeit in rechenbare Einheiten zerlegt, unter wissenschaftlichen
Gesichtspunkten neu zusammengesetzt und in Informationssystemen abgebildet.“ Baukrowitz,
Andrea/Boes, Andreas, 1997b, http://staff-www.uni-marburg.de/~boes/texte/artfiff.html
100Baukrowitz, Andrea/Boes, Andreas, 1997a, http://staff.uni-marburg.de/~boes/sem_imd.html
101Boes, Andreas, 1996b, http://staff-www.uni-marburg.de/~boes/texte/bdwi.html
102Kleinsteuber, Hans J., 1996, http://www.th-darmstadt/fsmathe.de/BdWeb/Forum/96-1/kleinst.html
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‚Gemachtheit’ zu begreifen. Dies eröffnet die Möglichkeit, nicht nur nach den
gesellschaftlichen Wirkungen einer Technologie zu fragen, sondern auch nach den
Gründen ihrer Entstehung. Die Frage nach der Wirkung neuer Medientechnologien läßt
sich wiederum nicht getrennt von den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ihrer
Einführung betrachten: „Wirkungen der Medien hängen stark von den gesellschaftlichen
und rechtlichen Einbettungen, von den öffentlichen Visionen und Leitbildern (Utopien) der
beteiligten Akteure, den impliziten Modellen der entwickelnden Forscher und Ingenieure
und nicht zuletzt von den Werten und Praktiken der Nutzer ab.“103 Leitbilder und
Vorstellungen, die bei der Einführung des Internets in unsere Gesellschaft von besonderer
Bedeutung sind oder waren, werden deshalb in Kapitel 4 unserer Arbeit noch ausführlich
dargestellt.
Bei der Betrachtung der Visionen und Leitbilder der politischen und wirtschaftlichen
AkteurInnen fällt auf, daß die Informationsgesellschaft nicht nur eine Beschreibung
gesellschaftlichen Wandels ist, sondern gleichzeitig ein politisch umkämpftes Projekt. Die
Vorstellungen einer Informationsgesellschaft sind oft von neoliberalem Gedankengut
geprägt, wonach es um die Entwicklung einer unternehmerischen Gesellschaft geht, in
der jeder seine Chance am freien Markt suchen kann, ohne die Einmischung von
staatlicher Seite. Durch eine solche Deregulierungspolitik und den Ausbau der neuen
Informations- und Kommunikationstechnologien wird auf einen belebten Markt gehofft, der
insgesamt mehr Wohlstand bringen soll. In diesem Sinne nennen Baukrowitz und Boes
die Informationsgesellschaft auch ein „Herrschaftsprojekt“.104 Dabei fällt der Politik die
Rolle zu, für eine Akzeptanz der neuen Medien zu sorgen und sich ansonsten bei deren
Gestaltung zurückzuhalten. Dazu paßt, was Doris Kretzen und Dieter Plehwe von einer
Anhörung des Europa-Parlaments 1995 berichteten: „Unverbluemt lautete der Appell des
Vertreters des European I.T. Industry Round Table auf der EP-Anhoerung: ‚Schaffen Sie
uns den politischen Rahmen, wir machen die Informationsgesellschaft.’“105Aus dieser
Perspektive betrachtet bedeutet die Entstehung der Informationsgesellschaft die
Herstellung einer technischen Informationsinfrastruktur. Das mag dann soziale
Folgewirkungen nach sich ziehen, aber als ein umfaßender gesellschaftlicher Wandel wird
103Enquete-Kommission Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft, 1998, S. 87
104Vgl. Baukrowitz, Andrea/Boes, Andreas, 1997a, http://staff.uni-marburg.de/~boes/sem_imd.html
105Kretzen, Doris/Plehwe, Dieter, 1995, http://staff-www.uni-marburg.de/~kretzen/1_95_dkdp.html
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die Informationsgesellschaft hier nicht begriffen. So ist es nicht verwunderlich, daß der in
diesem Sinne verstandene Begriff von anderer Seite als Herrschaftsideologie bezeichnet
wird, wie zum Beispiel von Uwe Fahr: „Der Begriff der Informationsgesellschaft bezeichnet
eine Ideologie, die eine produktionstechnische Neuerung in einem begrenzten
gesellschaftlichen Bereich zur gesellschaftlichen Revolution stilisiert. Der Begriff ist so
erfolgreich, weil hier die Interessen der Vertreter des nach neuen Anlagemöglichkeiten
suchenden Kapitals mit den Hoffnungen der Mittelklasse zusammentreffen, die in der
immer universaler werdenden Konkurrenz noch eine Chance erhält und wahrnimmt.“106
Den neoliberalen Auffassungen stehen Konzepte gegenüber, die den Umbruch zur
Informationsgesellschaft als tiefgreifenden gesellschaftlichen Wandel begreifen, den es
politisch zu gestalten gilt. Sie verknüpfen diese Veränderungen mit Zielen nach humaner
Arbeit, Selbstbestimmung, sozialer Gerechtigkeit und demokratischer Teilhabe.107
Andreas Boes stellt seit Mitte der neunziger Jahre einen Eingang solcher Konzepte in die
Politik zumindest auf EU-Ebene fest; für ihn zeichnet sich „eine Abkehr von der reinen
Deregulierungsorientierung ab und eine Hinwendung zu einem aktiv gestaltenden
staatlichen Eingreifen mit dem Ziel, den technologischen Prozeß sozial einzubetten“.108 In
der deutschen Politik ist unserer Ansicht nach jedoch nicht allzuviel davon zu bemerken.
Der Begriff der Informationsgesellschaft kann durchaus kritisch gesehen werden. Wir
haben uns trotzdem entschlossen, ihn für den Titel unserer Arbeit zu verwenden, da es
der gebräuchlichste Begriff für die gesellschaftlichen Veränderungen in Zusammenhang
mit den neuen Informations- und Kommunikationstechnologien ist. Was wir darunter
verstehen soll hier noch einmal kurz zusammengefaßt werden, wobei wir auf oben
beschriebene Ansätze zurückgreifen:
Die Informationsgesellschaft ist eine Phase des Kapitalismus, in der Information zu einer
besonderen Bedeutung gelangt als Produktionsfaktor, Machtmittel oder Konsumgut. Mit
den neuen Informations- und Kommunikationstechnologien, die zum wichtigsten
Werkzeug der Informationsgesellschaft werden, entsteht ein virtueller Raum, der viele
106Fahr, Uwe, 1995, http://www.foebud.org/leute/m.below/fahr.html
107Vgl. zum Beispiel Frankfurter Erklärung zur Informationsgesellschaft, 1998,
http://staff-www.uni-marburg.de/~rillingr/imd/IMD98/98erklaerung.htm
108Boes, Andreas, 1997, http://staff-www.uni-marburg.de/~boes/texte/stand1.html
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Aspekte des realen Raums widerspiegelt oder repräsentiert. So kann Handeln in der
Informationsgesellschaft auch im virtuellen Raum stattfinden oder vermittelt über diesen.
Damit geht ein Wandel der Gesellschaft einher, der alle Menschen in wichtigen
Lebensbereichen betreffen wird. Änderungen, die uns hinsichtlich der gesellschaftlichen
Partizipationsmöglichkeiten von Menschen sowohl im positiven als auch im negativen
Sinne bedeutsam erscheinen, stellen wir im 5. Kapitel unserer Arbeit ausführlicher dar.
3. Die neuen Medientechnologien
Die Medientechnologien der Informationsgesellschaft sind vielfältig. Ein Kennzeichen der
Informationsgesellschaft ist zunächst, die durch die neuen Medien möglich gemachte,
allgemeine Verdichtung und Beschleunigung von Kommunikation. Genannt werden kann
hier zum Beispiel die drastische Zunahme von Fernsehsendern (und hier vor allem das
potentiell interaktive digitale Fernsehen), und das verstärkte Aufkommen
satellitengestützter Kommunikation und des Mobilfunks. Ganz allgemein wird durch die
neuen Medien die Komplexität gesellschaftlicher Kommunikation gesteigert. Face-to-Face
Kommunikation wird zunehmend durch medienvermittelte Kommunikation ersetzt oder
ergänzt. Raum und Zeit verlieren für die Kommunikation damit an Bedeutung. Eine
weitere wichtige Tendenz ist die durch die Digitalisierung erfolgende Verschmelzung der
Medien untereinander (Konvergenz der Medien). Konvergenz der Medien bedeutet dabei
zum einen das Zusammenwachsen unterschiedlicher technischer Infrastrukturen, zum
anderen aber auch, daß dieselben Dienste (ermöglicht durch die Digitalisierung) über
verschiedene Infrastrukturen angeboten werden.109 Radiosender werden beispielsweise in
das Internet übertragen und es ist heute schon möglich über das Internet zu telefonieren.
Anderseits werden Handies und Zusatzgeräte zum Fernseher angeboten mit denen eine
Nutzung des Internets ermöglicht wird. Insgesamt führt diese Entwicklung zum
verschwimmen der Grenzen zwischen den klassischen Medienangeboten und den neuen
Diensten.110
Wir haben im vorherigen Kapitel als wesentliches Kennzeichen der
Informationsgesellschaft die zunehmende Virtualisierung,111 aus der unter anderem eine
109Vgl. Enquete-Kommission Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft, 1998, S. 28-31
110Vgl. ebd. S. 30
111Vgl. Bühl, Achim, 1996, S. 73-75
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neue Dimension sozialen Lebens erwachsen kann, genannt. Es dürfte auch schon
deutlich geworden sein, daß dem Internet, beziehungsweise den vernetzten,
computervermittelten Kommunikations- und Informationstechnologien, in diesem Prozeß
eine zentrale Rolle zukommt.
Die möglichen Verbesserungen von Partizipationsmöglichkeiten, die im Zusammenhang
mit der Informationsgesellschaft diskutiert werden, werden in erster Linie im Kontext mit
diesen neuen Kommunikations- und Informationsmöglichkeiten gesehen. Neben den
anderen neuen Medientechnologien nimmt das Internet hier unserer Einschätzung nach
eine zentrale Rolle ein. Dieser ‚neuen’ Technologie wird damit von uns ein großer
Stellenwert bei der Veränderung gesellschaftlicher Verhältnisse beigemessen. Darum
werden wir uns in unserer Arbeit in erster Linie mit dem Leitmedium der
Informationsgesellschaft – dem Internet – beschäftigen und die aus diesem neuen
Medium erwachsenden positiven und negativen Auswirkungen auf
Partizipationsmöglichkeiten betrachten.
3.1 Geschichte des Internets
Das Internet ist ein sich ständig weiterentwickelndes Computernetz, dessen Entwicklung
und Veränderung in den letzten Jahren und Monaten überaus schnell vor sich ging.112
Seine Ursprünge liegen in einem militärischem Computernetz der USA dem ARPANET
(Advanced Research Project Agency Net) von dem sich 1983 das MILNET (Military
Network) abspaltete, was als Geburtsstunde des Internets gilt. Ab jetzt entwickelte sich
das Internet ausgehend von den noch bestehenden Verbindungen des ARPANETS. Im
Laufe der Zeit wurden immer mehr andere Computernetze ans Internet mit
angebunden.113 So dehnte sich dieses, ausgehend von den USA, schließlich auf die
ganze Welt aus.
Das Internet basiert technisch gesehen zum einen auf der technischen Infrastruktur (zum
Beispiel Kupfer-, Koax- Glasfasernetze), die die physikalische Verbindung zwischen den
räumlich getrennten Netzen ermöglicht. Um es zu ermöglichen, daß unterschiedlichste
112Ein kurzer Abriß der Entstehungsgeschichte des Internets findet sich beispielsweise bei Döring Nicola,
1995, S. 306 ff., sehr ausführlich bei Musch Jochen, 1997, S. 27ff.
113Das Internet ist seiner Struktur nach ein Metanetzwerk, mit dem aufgrund eines einheitlichen
Übertragungsprotokolls (TCP/IP) unterschiedlichste Netzwerke verbunden werden können. Darum wird
das Internet auch Netz der Netze genannt. Vgl. Rost, Martin, 1996, S. 22 ff.
34
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Systeme miteinander kommunizieren können wurde der offene Standard des TCP/IP
Protokolls entwickelt, mit dessen Hilfe über die Infrastruktur beliebige Daten, Dienste und
Anwendungen transportiert werden können. Dabei handelt es sich um eine sogenannte
paketvermittelte Kommunikation. Die Informationen werden dabei in kleine Einheiten
(Pakete) aufgeteilt und abgeschickt. Im Internet werden diese Pakete dann von
Knotenrechner zu Knotenrechner weitergeschickt, bis die Pakete am Ziel angekommen
sind und dort wieder zusammengesetzt werden. Der Weg, der dabei von den einzelnen
Paketen genommen wird, ist nicht kontrollierbar.114 Das Funktionieren des Internets ist
folglich auf die Kooperation aller angeschlossenen Knotenrechner angewiesen. Diese
Dezentralität geht auf die militärischen Ursprünge des Internets zurück.115 Es sollte auf
diese Weise sichergestellt werden, daß bei einer Zerstörung eines Teils des Netzes durch
einen atomaren Erstschlag der damaligen Sowjetunion, der Rest funktionstüchtig bleibt.
„Entscheidend war nicht der Weg der Daten, sondern das Ziel der Aufrechterhaltung der
Kommunikation“.116 Das bedeutet, daß eine Unterbrechung des freien Informationsflusses
als Störung interpretiert und automatisch umgangen wird. Dies ist auch der Grund, warum
das Internet aus technischer Sicht als schwer kontrollier- und zensierbar gilt.
Viele der heute noch kursierenden Mythen und Hoffnungen, die das anarchistische und
demokratisierende Potential des Internets propagieren, stützen sich auf diese frühen
Zeiten des Internets und die besondere Kultur, die dort entstanden ist. Die technischen,
sehr offenen Strukturen spiegeln die Philosophie der IngenieurInnen wider, die die
Entwicklungen vorantrieben. „Es ist vielleicht interessant zu wissen, daß die Ingenieure
des Internets von Anfang an eine sehr anarchistische Gruppe waren, die keine
hierarchischen Strukturen akzeptierte und über Arbeit und Projekte am liebsten im
direkten Gespräch diskutierte.“117 Das Motto ihrer Arbeit lautete: „Wir glauben nicht an
Könige, Präsidenten und politische Wahlen. Wir glauben an das Miteinander und den
freien Datenfluß“118. Diese Gruppierung hegte eine starke Abneigung gegen jedwede
Zensur und Kontrolle der Kommunikationswege.
114Vgl. Cailliau, Robert, 1998, S. 70f.
115Vgl. Poster, Mark, 1997, S. 161
116Bühl, Achim, 1996, S. 50
117Cailliau, Robert, 1998, S. 76
118Cailliau, Robert, 1998, S. 76
35
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Anfangs nutzten vor allem Technikfreaks, Hochschulangehörige und Behörden das
Internet. Erst der 1989 entwickelte Internetdienst „World Wide Web“ war der Auslöser des
heutigen Internetbooms, da mit Hilfe der graphischen Benutzerschnittstelle ein leichtes
Navigieren im Internet ohne Eingabe von Kommandos möglich wurde. Das Internet stand
von da an auch weniger in die Computertechnik Eingeweihten offen.
Wie bei allen neuen Medien werden sowohl neue (so noch nie dagewesene) Gefahren
von Kritikern beschworen, als auch neue (fantastische) Chancen durch dieses
weltumspannende Computernetz gesehen. Die einen verknüpfen mit den vielfältigen und
nahezu unüberschaubaren Angeboten die das Netz bevölkern, neue Lern-, Informations-,
und auch vor allem auch Partizipationsmöglichkeiten. Es ist unter anderem die Rede von
Cyberdemokratie, Teledemocracy, einem erneuten Strukturwandel der Öffentlichkeit,
einem globalen Dorf und damit von einem leichteren interkulturellen Austausch in einer
zunehmend globalisierten Welt. Eine andere Gruppe malt Horrorszenarien von
anarchischen Zuständen und beklagt die mangelnde staatliche Kontrolle, die momentan
im Internet möglich ist und fordert zum Beispiel harte Kontrollen und Beschränkungen der
erlaubten Verschlüsselungstechniken. Andere wiederum erhoffen sich durch das Internet
einen neuen weltweiten Absatzmarkt für ihre Produkte. Es ist offensichtlich, daß je mehr
das Internet aus seinem Nischendasein ins Zentrum der Gesellschaft rückt, regelrechte
‚Kämpfe’ um die zukünftige bestimmende Nutzungsform des Netzes geführt werden.
In der kurzen Zeit seit der es das Internet gibt, hat sich eine „in vielen Jahren
gewachsene kulturelle Ordnung, die in hohem Maße auf Dezentralität, Eigeninitiative und
Eigenverantwortlichkeit baut, im Netzalltag als Regulativ bewährt“.119 Es gibt mit
Ausnahme der Organisation für die Adressenvergabe für Netzknotenrechner keine
zentralen Steuerungsorgane. Die NutzerInnen selbst haben, zu einem Teil zumindest, das
Internet zu dem entwickelt, was es heute so eigentlich nicht mehr ist. Über die Jahre sind
Regeln entstanden, die die technische Seite des Internets, aber auch die
zwischenmenschlichen Umgangsformen (Netiquette) und die Nutzung des Netzes regeln.
Bei Verstoß gegen die Netiquette muß mit Sanktionen von Seiten der NutzerInnen
gerechnet werden.
119 Ebd. S. 41
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Sabine Helmers nennt drei Grundprinzipien der Internetkultur:120
• das Prinzip des freien Flusses der Information
„Der Informationsfluß hat Vorrang vor Einschränkungen und Kontrollen.“121 Das
bedeutet: Zensur ist verpönt, alle sollen Zugang zu allen öffentlichen Diensten,
Anwendungen und Informationen erhalten. Alle Anwendungen sollen so geschrieben
sein, daß sie möglichst wenig Netzlast verursachen usw. …
• •das Prinzip der Dezentralität
Im Netz herrscht Selbstverwaltung. Das Netz wird von den NutzerInnen weiterentwickelt
und ausgebaut. Die Eigenverantwortlichkeit des Handelns ist die Basis für einen
(möglichst) reibungslosen Netzbetrieb.
• das Prinzip der Reziprozität
Im Internet kann und soll jeder Information anbieten und abrufen. Wer ein Programm
geschrieben hat, bietet es beispielsweise kostenlos im Netz an und erhält dafür keine
direkte Gegenleistung. Jeder der das Netz benutzt, sollte dem Netz beziehungsweise
dessen NutzerInnen auch etwas geben, sich im Netz engagieren. Hintergrund dieser
Haltung ist die Ansicht, daß der bloße Konsum der Entwicklung des Netzes abträglich
ist.
Die Kultur des Internets ist heute nun aber nicht mehr homogen (wenn sie es überhaupt
jemals war), sondern spaltet sich in viele verschiedene Gruppen oder Subkulturen auf.
Eine sehr grobe Unterteilung nimmt Sabine Helmers122 vor. Sie unterscheidet zwischen
Zentrum und Peripherie. Zum Zentrum zählt sie die Menschen, die Netzwelt- und
Computerspezialisten sind und sich durch ihren enormen Wissensvorsprung auf diesem
Gebiet von der Peripherie unterscheiden, und sich auch ganz bewußt von den anderen
NutzerInnen abgrenzen. Das Zentrum sind und waren die Menschen, welche das Internet
schon (meist) viele Jahre ‚bewohnen’ und gestalten. Die Peripherie sind demgegenüber
jene NetznutzerInnen, die die vorhandenen Möglichkeiten des Netzes für ihre Belange
nutzen. Gerade durch das Aufkommen des WWW und relativ leicht zu bedienenden
Browsern wird die Peripherie im Verhältnis zum Zentrum immer größer. Die meisten der
momentanen BenutzerInnen können mit dieser Einteilung sicherlich der Peripherie
zugeordnet werden.
Es erscheint heute zunehmend fraglich, ob die auf die frühen Zeiten zurückgehenden
Regeln und Nutzungsformen in Zeiten massiver Kommerzialisierung großer Teile des
Netzes und einem sehr großen Zustrom an neuen NutzerInnen aufrecht zu erhalten sind.
120 Helmers, Sabine, 1995a, S. 42f.
121 Ebd.
122Vgl. Helmers, Sabine, 1995c, http://duplox.wz-berlin.de/docs/ding/
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Das Internet, einst ein „Tummelplatz der Ideen und kreativen Anarchie“,123 droht zu einem
gigantischen Warenhaus zu werden – und das hat natürlich Auswirkungen auf die von
vielen Seiten erhofften positiven Effekte, und damit auch auf die uns hier interessierenden
Partizipationsmöglicheiten die dieses Medium bietet. Das Problem ist der durch das
WWW erfolgende zunehmende Umbau des Netzes in ein klassisches Verteilmedium,
wodurch viele der denkbaren Vorteile eines solchen Mediums wieder verloren gehen
werden, beziehungsweise die Nutzung desselben keinesfalls bestimmen werden. Im
folgenden Kapitel wird dieser Umstand noch näher erläutert.
3.2 Eigenschaften und Möglichkeiten des Internets
Das Internet ist ein Medium, dessen ganz besondere Eigenschaften und Möglichkeiten es
im Vergleich zu älteren, ‚klassischen’ Medien so interessant erscheinen lassen.
Dementsprechend hoch sind die Erwartungen, Hoffnungen und Befürchtungen, die sich
daran knüpfen, und dementsprechend vielfältig die Veränderungen gesellschaftlichen
Lebens, die erwartet werden. „Das Internet muß als eine technische Innovation höchsten
Ranges betrachtet werden, die bezüglich der Universalität und Tiefe ihrer sozio-kulturellen
Implikationen höchstens noch mit dem Elektrizitätsnetz verglichen werden kann.“124 Die
sozio-kulturellen Veränderungen, die sich durch die technischen Besonderheiten des
Mediums ergeben werden, sind zum momentanen Zeitpunkt noch nicht abzusehen. Es
zeichnen sich schon verschiedene Trends ab, aber in welche Richtung die Entwicklungen
gehen können, wird durch verschiedene Faktoren wie Politik, Wirtschaft und nicht zuletzt
dem individuellen Handeln der Menschen beeinflußt.
3.2.1 Eigenschaften
Was sind das für Möglichkeiten, die das Internet mit seinen besonderen Eigenschaften
bietet? Und welche Bedeutung haben sie für die gesellschaftliche und politische
Teilhabemöglichkeit der Menschen?
Informationen sind über das Internet leicht und in bisher nie dagewesenen Umfang
verfügbar. Es ist zum Beispiel kein Problem, eine Literaturrecherche online in einer
Universitätsbibliothek in Australien durchzuführen oder sich Hintergrundinformationen zu
123Schorb, Bernd, 1995, S.21
124Geser, Hans, 1998, http://socio.ch/intcom/t_hgeser06.htm
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jedem beliebigen Thema zu suchen. Ein weiteres Merkmal ist dabei die Beschleunigung
der Verteilung, Aufnahme und Bereitstellung von Information. Eine Mitteilung in einer
Newsgroup wird nach spätestens einem Tag auf zahllosen Newsservern auf der ganzen
Welt gespiegelt sein. Das Netz ist eine der besten Möglichkeiten, weltweit äußerst schnell
sehr viele Menschen zu erreichen.
Die Bedeutung des Internets liegt aber zu einem großen Teil in den
Kommunikationsmöglichkeiten, die sich durch seinen interaktiven Charakter ergeben.
Hierin besteht ein wichtiger Unterschied zu ‚klassischen’ Medien wie Fernsehen,
Zeitungen, Radio, usw. Durch Digitalisierung und Virtualisierung werden verschiedene
Medien und die auf sie verteilte Kommunikation zunehmend auf ein Medium konzentriert.
„Dies bedeutet weiter, daß die Möglichkeiten zweiseitiger Kommunikation, bei der sich
Sender und Empfänger zeitgleich Information übermitteln können und die bislang der
technischen Individualkommunikation vorbehalten war, zum Bestandteil aller Bereiche
medialer Kommunikation werden, womit die Grenzen von Massenkommunikation und
Individualkommunikation fließend werden.“125 Auf Basis des Internets ist also eine
interaktive, multidirektionale und weltweite Massenkommunikation möglich. Dabei macht
es die dezentrale Struktur des Internets schwierig, Kommunikation und Information zu
kontrollieren und zu zensieren. Zensurversuche werden jedoch immer wieder
unternommen und es wird sich erst noch zeigen, inwieweit solche Maßnahmen im
‚Dickicht’ des Netzes greifen können.
Die technischen Möglichkeiten eines Mediums erhalten ihre Bedeutung jedoch erst durch
die inhaltliche Ausgestaltung der Information oder Kommunikation, die transportiert wird.
„Über den Funkpionier Marconi erzählt man sich die Geschichte, daß ihm seine
Mitarbeiter eines Tages erklärten, seine neue drahtlose Technologie bedeute, er könne
jetzt ‚mit Florida sprechen’; und Marconi soll darauf in weiser Voraussicht geantwortet
haben: ,Und? Haben wir Florida denn etwas zu sagen?’“126
125Schorb, Bernd, 1995, S. 13
126Barber, Benjamin, 1998, S. 131
39
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Die Bedeutung der Eigenschaften des neuen Mediums für die Partizipationsmöglichkeiten
der Menschen an gesellschaftlichen Diskussions- und Entscheidungsprozessen werden
wir in unserer Arbeit noch genauer behandeln. Trotzdem sollen an dieser Stelle schon ein
paar Stichpunkte dazu genannt werden.
Im Vergleich zu anderen Medien bietet das Internet neue Möglichkeiten für eine Teilhabe
der Menschen an öffentlicher Kommunikation. Sie können damit nicht mehr nur
KonsumentInnen von Öffentlichkeiten sein, die weitgehend von professionellen
MedienmacherInnen hergestellt werden. Mit Hilfe des neuen Mediums ist es in neuer
Weise und bisher nicht dagewesenem Umfang für alle möglich, Informationen zu
veröffentlichen, und ihre Meinung, ohne Vermittlung und damit ohne Selektion und
Zensur, sichtbar zu machen und mit anderen in einen kommunikativen Prozeß
einzusteigen. Dies kann sowohl über Mitteilungen in Newsgroups oder Mailinglisten, als
auch durch eine eigene Homepage geschehen. So wird mit den neuen
Kommunikationsmöglichkeiten die Hoffnung auf das Entstehen einer demokratischeren,
diskursiven Öffentlichkeit verbunden.127
Durch die Beschleunigung der Verteilung von Information ist das neue Medium auch
hilfreich bei der Zusammenarbeit und Vernetzung politischer Gruppen. Dabei wird von
unterdrückten und verboten Gruppen die dezentrale Struktur des Netzes genutzt, welche
eine Kontrolle der Kommunikation erschwert.
Von verschiedenen Seiten wird auch auf eine einfachere Einbeziehung der BürgerInnen in
die Politik gehofft: Durch eine Senkung der Zugangsschwellen für Information wird
politische Information verfügbarer. ExpertInnenwissen kann damit zugleich pluralisiert und
kritisierbar gemacht werden. Die Interaktivität des Mediums kann den direkten Austausch
mit EntscheidungsträgerInnen fördern, ohne die Selektion, die von Massenmedien
normalerweise geleistet wird. Rainer Rilling spricht von einer „Ausdünnung der
Kommunikationshierarchien und Relativierung der bei klassischen politischen Medien
(bzw. innerhalb von Institutionen und Organisationen) relevanten Filter und
Gatekeeperrollen, so daß Themendefinition (,Agenda-Setting’) demokratisiert und die
127Vgl. dazu Kapitel 5.1
40
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klassische ,Abwärtskommunikation’ durch Aufwärtskommunikation und horizontale
Kommunikation ergänzt wird“.128
3.2.2. Sozio-kulturelle Einbettung des Mediums
Inwieweit solche technischen Möglichkeiten zum Tragen kommen hängt allerdings
wesentlich von der sozio-kulturellen Einbettung der Technologie ab. Oft verändert sich der
Einsatz von Medien im Laufe ihrer Verbreitung, auch wenn wir denken, der Einsatzbereich
wäre durch die Technik praktisch vorbestimmt. Herbert Kubicek und Martin Hagen zeigen
das am Beispiel des Telefons und des Rundfunks auf: „So gehen wir selbstverständlich
davon aus, daß das Telefon ein Medium der Individualkommunikation und der Rundfunk
ein Medium der Verteil- oder Massenkommunikation ist und daß dies durch die
zugrundeliegende Technik bestimmt ist. Am Anfang der jeweiligen technischen
Entwicklung war dies jedoch keineswegs so. Die Radioamateure benutzten den Rundfunk
zur Individualkommunikation. Und das Telefon wurde zu Beginn dieses Jahrhunderts von
mehreren Tausend Abonnenten zum regelmäßigen Hören von Opern- und
Theaterübertragungen genutzt.“129 Das Internet als noch relativ neues Medium hat seinen
Entwicklungsprozeß noch nicht abgeschlossen. Momentan sieht es so aus, als ob vor
allem der kommerzielle Einsatzbereich dominieren wird, bei der die interaktiven
Eigenschaften des Mediums beispielsweise zum Online-shopping genutzt werden.
Trotzdem ist es möglich, daß auch alternative Nutzungsweisen erhalten bleiben oder gar
erweitert werden.
Die Gestaltung von Kommunikationsmitteln bestimmt sich zu einem großen Teil durch die
Interessen der an der Ausgestaltung der Technik beteiligten Akteure: Wirtschaft, Politik
und AnwenderInnen. Die Wirtschaft als Antriebsfeder für die Verbreitung der Informationsund Kommunikationstechnik hat dabei natürlich Kapitalinteressen im Blick. „Die
Profitinteressen der großen Hard- und Softwarehersteller, der Programmindustrien, der
Netzbetreiber und Programmdistributoren sind es, die Form und gesellschaftliche
Funktionsweise der Techniken und der auf ihnen basierenden Medien bestimmen.“130 Die
Entwicklung und Verbreitung des Netzes wird also maßgeblich von den Profitinteressen
128Rilling, Rainer, 1996a, http://www.bdwi.org/bibliothek/cyberdemokratie.html
129Kubicek, Herbert/Hagen, Martin, 1999, http://www.fgtk.informatik.unibremen.de/hagen/partizipation/home.html
130Enquete-Kommission Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft, 1998, Sondervotum der PDS,
S. 152
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von Medienkonzernen getragen und weniger vom Streben nach einer alternativen
Kommunikationskultur. Von der Politik werden bisher kaum andere Impulse gegeben, sie
übt sich eher nach neoliberaler Manier in staatlicher Zurückhaltung.131 So haben sich Ziele
der Politik, das Internet zur Beteiligung der BürgerInnen an der politischen Willensbildung
einzusetzen132 bisher als Lippenbekenntnisse erwiesen. Hans J. Kleinsteuber meint zu
solchen Äußerungen: „Papier freilich ist geduldig und Bekenntnisse zur elektronischen
Demokratie aus den Zentren der Macht heraus klingen eher peinlich.“133 Er bezweifelt,
daß die Mehrheit der PolitikerInnen wirklich an einer größeren Einmischung der
BürgerInnen in die Politik gelegen ist. Die Praxis der NutzerInnen ist im Wechselspiel mit
oben genannten Faktoren zu sehen. Die Wirtschaft versucht mit ihren Marktangeboten
durchaus, vorhandene Bedürfnisse der Menschen aufzugreifen; in ähnlichem Maße
versucht sie jedoch mittels Werbung Bedürfnisse zu suggerieren, die letztendlich ihrem
Profitinteresse entspringen. Trotzdem kann nicht vom Interesse der NutzerInnen
abgesehen werden, was Elisabeth Klaus den „Eigensinn der KonsumentInnen“ nennt.
„Technologien entfalten vielmehr ihre Wirkung im Rahmen der Konsumpraxis der
Haushalte und Familien, die sich die Technologien aneignen, sie anwenden und in
diesem Prozeß auch konvertieren, d.h. im Rahmen ihrer Lebensweise eigenwillig
nutzen.“134 So hängt sowohl die Frage, ob sich die Menschen auf eine Technologie
einlassen,135 als auch auf welche Art und Weise sie sie gebrauchen von ihren
Lebensbezügen, Orientierungen und Interessen ab.
Die Nutzung und Ausgestaltung neuer Medien ist auch im Zusammenhang mit der
kommunikativen Praxis zu sehen, die sich durch die bisherige Nutzung von Medien
herausgebildet hat.136 Das betrifft sowohl die Praxis der AnwenderInnen, als auch die
131Vgl. Kapitel 5.2
132So zum Beispiel die Enquete-Kommission des Deutschen Bundestags: „Ein Ziel staatlichen Handelns
bei Einsatz der neuen Technologien ist, den Bürger optimal an der politischen Willensbildung zu
beteiligen.“ Enquete-Kommission Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft, 1998, S. 79
133Kleinsteuber, Hans J., 1999, S. 60
134Klaus, Elisabeth, 1997, S.13
135Als Beispiel führt Elisabeth Klaus hier den in den 50er Jahren entwickelten „Fernseh-Ofen“ an, der dem
erhöhten Fernsehkonsum der Hausfrauen Rechnung tragen sollte, ohne sie von ihren hausfräulichen
Pflichten abzulenken: „Unten der Braten, oben das Bild – keine schlechte Idee, aber von den
KonsumentInnen abgelehnt.“ Ebd. S. 14
136Vgl. Enquete-Kommission Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft, 1998, Sondervotum der
PDS, S. 154
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vorhandenen gesellschaftlichen Strukturen, in deren Rahmen eine neue Technik
eingebettet wird. „Die IuK- Technik findet nun die öffentliche Kommunikation in einer
Struktur vor, die sich auf der Basis der herkömmlichen Massenmedien herausgebildet hat.
Damit sind Ausgangsbedingungen für die neuen Formen medialer Vermittlung gesetzt,
von denen einerseits abhängt, welche Potenzen der IuK-Technik Realität werden können,
und die andererseits durch die neuen Kommunikationsmittel modifiziert oder
möglicherweise grundlegend verändert werden können.“137
3.2.3 Möglichkeiten und Realitäten
Obwohl das Internet technisch gesehen vielfältige Möglichkeiten bietet, ist damit noch
nichts darüber ausgesagt, inwieweit solche Möglichkeiten auch genutzt werden oder
genutzt werden können. Rainer Rilling spricht in diesem Zusammenhang vom „Umbau
des Netzes zum Verteilmedium“.138 Er geht auch auf eine weitere technische Besonderheit
des neuen Mediums ein, dem Hypertextverweissystem, das seiner Meinung nach eine
politische Bedeutung hat.
Entwicklungen der letzten Jahre zeigen, daß die interaktive Kommunikation über MailingListen und Newsgroups gegenüber der individuellen Kommunikation per E-Mail und
gegenüber der Nutzung eines öffentlichen Angebotsraum im WWW abnehmen. Durch das
Zurücktreten kommunikativer Elemente ergibt sich die Tendenz der Entstehung eines
neuen Verteilmediums und weniger der Entstehung eines Kommunikationsmediums.
„Nicht interaktive Verteilmedien – wie das Fernsehen – können aber bestenfalls zur
individuellen Meinungsbildung, nicht aber zur öffentlichen politischen Willensbildung
beitragen.“139
Gerade die Angebote im WWW zeichnen sich zwar durch eine demokratische Nutzung
oder Konsumption ab, aber die Produktion der Angebote erfordern zunehmend eine
hochprofessionalisierte technische Kultur, deren Aneignung immer mehr ökonomisches
und soziales Kapital voraussetzt. „Damit wird das Zentrum des Interaktivitätsversprechens
des neuen Mediums zerstört: der unschwere Rollenwechsel zwischen Produktion und
137Ebd.
138Rilling, Rainer, 1996a, http://www.bdwi.org/bibliothek/cyberdemokratie.html
139Ebd. (Hervorhebung im Original)
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Konsumption.“140 Mit dem Wachsen des Internets und der damit einhergehenden Flut an
Informationen und Angeboten beginnt ein zunehmender Kampf der
InformationsanbieterInnen um die Aufmerksamkeit der NutzerInnen. Die sich kaum
vermehrende Ressource der Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit oder bestimmter
Öffentlichkeiten wird als wichtiges Gut der Informationsgesellschaft gehandelt.141 Im
neuen Informationsraum stehen Informationen nicht einfach gleichbedeutend
nebeneinander. Für Rainer Rilling142 strukturiert sich dieser Raum in Zentrum und
Peripherie. Im Zentrum sein bedeutet in diesem Sinne, Sichtbarkeit und Aufmerksamkeit
zu haben. Wie aber entstehen Zentren in einem dezentral organisierten Raum?
Rilling stellt dar, daß Zentralität im Informationsraum in engem Zusammenhang mit der
Hypertextverweisstruktur des WWW steht. Nach Rilling bildet sich Zentralität in einem
zweistufigen Prozeß, bei dem erstens die eigene Kenntnis des Informationsraumes durch
Verweise auf andere Seiten nachgewiesen wird, wodurch zweitens ein exklusives
Angebot aufgebaut wird, auf das von anderen verwiesen wird und welches dadurch ins
Zentrum rückt. „Netzreputation – oder soziales Netzkapital – entsteht durch kompetente
Verweise auf andere/s und Verweise anderer auf sich selbst. Reputation und Zentralität
durch Hypertextverweise hängen auf durchaus vertraute wechselseitige Weise
miteinander zusammen: Reputation schafft Zentralität, Zentralität generiert Reputation.“143
Reputation kann jedoch auch aus dem realen in den virtuellen Raum importiert werden,
wodurch beispielsweise Mainstream-Medien wie ‚Der Spiegel’ und ‚Focus’ oder auch
Parteien, Organisationen und Institutionen schnell ins Zentrum rücken können.
Gesellschaftliche Macht kann sich so auf den virtuellen Raum ausdehnen.
Um Aufmerksamkeit zu bekommen, ist eine zentrale Positionierung im Netz nötig, die laut
Rilling viele AkteurInnen durch Verweise auf das Zentrum erreichen wollen. Aber genau in
dem Versuch, durch Verweise auf das Zentrum selbst Zentralität zu erlangen, sieht er die
politische Bedeutung des Verweissystems. „Der Hypertextmechanismus ist nichts
140Ebd.
141Georg Franck stellt in seinem Artikel „Zur Ökonomie der Aufmerksamkeit“ sogar die These auf, daß, im
Zuge der Entmaterialisierung der wirtschaftlichen Wertschöpfung beim Übergang zur
Informationsgesellschaft, die Aufmerksamkeit das neue ‘Zahlungsmittel’ sein wird. Vgl. Franck, Georg,
1998, http://www.heise.de/tp/deutsch/special/auf/6313/1.html/
142Rilling, Rainer, 1996a, http://www.bdwi.org/bibliothek/cyberdemokratie.html
143Ebd.
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anderes als ein äußerst zwingender Imperativ, Peripherie, Marginalität oder, politisch
formuliert, potentiellen Dissens zugunsten von Zentralität oder, politisch formuliert,
Mainstream zu verlassen. Die technische Logik der globalen Hypertextmaschine WWW
hat also womöglich politische Implikationen: sie orientiert auf das politische Zentrum.“144
Verstärkt wird dieser Effekt durch die Funktionsweise vieler Suchmaschinen, die zur
Orientierung im Netz praktisch unersetzlich geworden sind. Viele Suchmaschinen
erstellen einen Popularitätsindex von Seiten, indem sie die Anzahl der Links, die auf diese
Seite verweisen, auswerten. Die Suche nach bestimmten Begriffen erfolgt dann über den
erstellten Popularitätsindex.145 D.h. daß die technische und politische Logik des
Hypertextverweissystems durch die Suchmaschinen noch einmal verdoppelt wird.
Beim Besehen der Eigenschaften der neuen Technologie mit ihren Möglichkeiten wird
deutlich, daß sie bestimmte Charakteristika hat, die tatsächlich demokratische Tendenzen
beinhaltet. Bei der Betrachtung ihrer realen Erscheinungsformen spiegelt sie jedoch
gesellschaftliche Verhältnisse wieder. „Was auch immer eine Technologie abstrakt an
zwingenden Implikationen mit sich führt, sie wird dennoch auf der konkreten Ebene die
Prämissen und Ziele derjenigen Gesellschaft reflektieren, die sie zur Anwendung
bringt.“146
So kritisieren Herbert Kubicek und Martin Hagen an den Befürwortern elektronischer
Demokratie, daß sie aus den technischen Eigenschaften eines Mediums Rückschlüsse
auf deren demokratietheoretischen Nutzen ziehen. Eine solche technikzentrierte
Sichtweise147 „ignoriert die noch offene Frage der sozialen Einbettung der neuen
Technologien in politische und kulturelle Strukturen. Nicht die technischen Eigenschaften,
sondern politisch-institutionelle und gesellschaftliche Rahmenbedingungen sind danach
die geeigneten Anknüpfungspunkte für einen demokratieförderlichen Einsatz der neuen
Computernetzwerke“.148 D.h. sie plädieren dafür, sich die Ansatzpunkte für
Partizipationsmöglichkeiten unserer Gesellschaft anzusehen und danach zu fragen, wie
144Ebd.
145Vgl. ebd.
146Barber, Benjamin, 1998, S. 123
147Vgl. Kapitel 4
148Kubicek, Herbert/Hagen, Martin, 1999, http://www.fgtk.informatik.unibremen.de/hagen/partizipation/home.html
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dort der Einsatz der Informations- und Kommunikationstechnologien sinnvoll sein kann,
um vorhandene Partizipationschancen besser wahrnehmen beziehungsweise diese
ausbauen zu können. Das ist deshalb ein interessanter Ansatz, da er versucht, die soziokulturelle Einbettung des Mediums zu berücksichtigen. Trotzdem kann es unserer
Meinung nach sinnvoll sein auch die technischen Eigenschaften eines Mediums zu
betrachten, da sie vielleicht das Potential für neue Ansatzpunkte der gesellschaftlichen
Partizipation bilden könnten. Sich nur an schon bestehenden Partizipationsansätzen zu
orientieren birgt schließlich ein relativ konservatives Element in sich. Kubicek und Hagen
verweisen zum Beispiel auf gesetzlich bei uns schon vorgesehene Ansatzpunkte wie die
Mitgliedschaft in politischen Parteien oder Beteiligungsmöglichkeiten auf kommunaler
Ebene. Um die gesellschaftliche und politische Partizipation auszuweiten ist von einer
Änderung der politisch-rechtlichen Rahmenbedingungen aber kaum abzusehen. Hier
könnte die Diskussion um die Eigenschaften und Möglichkeiten des neuen Mediums
Internet zumindestens Hinweise und Anregungen geben, in welche Richtung sich eine
gesellschaftliche Veränderung sich bewegen könnte, die einerseits mehr Beteiligung von
BürgerInnen an der politischen Willens- und Entscheidungsbildung vorsieht und
andererseits größeres gesellschaftliches Emanzipationspotential mit sich bringt. Eine
Erweiterung partizipativer Möglichkeiten ist auch für Kubicek/Hagen an veränderte
Rahmenbedingungen gebunden. „Das Medium wird entsprechend den bestehenden
sozialen und politischen Rahmenbedingungen eingesetzt. Wenn es zu neuen Formen
oder stärkerer Nutzung vorhandener Formen politischer Beteiligung eingesetzt werden
soll, dann muß der Technikeinsatz an entsprechenden Reformen und Initiativen
anknüpfen.“149
4. Diskurse um die Informationsgesellschaft
4.1 Unterstützung von Herrschaftsverhältnissen mittels neuer
Technologien
Neue Technologien, und damit auch Computernetze wie das Internet, bergen neben den
potentiell positiven, verändernden Möglichkeiten immer auch Gefahren und
strukturkonservative Elemente in sich. Neue Technologien treffen schließlich nicht aus
149 Ebd.
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dem ‚herrschaftsfreien Nichts’ auf eine Gesellschaft und können somit mit ihren ‚tollen’
neuen demokratischen Eigenschaften gegebene Herrschaftsverhältnisse nicht einfach so
ablösen, wie es von verschiedenen Seiten von dem Medium Internet erhofft wird. Die
Medien wurden in eben dieser Gesellschaft von bestimmten Interessengruppen (Industrie,
Wissenschaft, Militär usw.) entwickelt und deswegen sind sie von Anfang an mit den
Interessen dieser mächtigen gesellschaftlichen Gruppen verbunden und immer auch
geeignet eben diesen Interessen besser zu dienen. Howard Rheingold weist, obwohl er
als euphorischer Befürworter der neuen Kommunikationstechnologien gilt und auch große
Hoffnungen auf das gesellschaftlich verändernde Potential der neuen Medien setzt,
explizit auf die möglichen Gefahren der neuen Kommunikationstechniken hin.
„The Panopticon, Foucault warned, comes in many guises. It is not a value neutral
technology. It is a technology that allows a small number of people to control a large
number of others.(...) You don’t need fiber optics to institute a surveillance state but it
sure makes surveillance easier when you invite the surveillance device into your home.
Critics of those who pin their hopes for social change on computer technology also point
out that information and communications technologies have always been dominated by
the military, and will continue to be dominated by the military, police, and intelligence
agencies for the foreseeable future. A computer is, was, and will be a weapon. The tool
can be used for other purposes, but to be promoted as an instrument of liberation, CMC
technology should be seen within the contexts of its origins, and in full cognizance of the
possibly horrific future applications by totalitarians who get their hands on it.“150
Neue Technologien, beziehungsweise deren mögliche Anwendung, enthalten also neben
potentiell emanzipatorischen, gezwungenermaßen immer auch systemstabilisierende
Komponenten. Im Rahmen von pessimistischen Prognosen sprechen KritikerInnen im
Zusammenhang der Kombination von Computernetzen mit anderen
informationsverarbeitenden Technologien, wie der Bilderkennung, von zentralen und
automatischen Überwachungsmöglichkeiten aller Bürger und Bürgerinnen im orwellschen
Ausmaß.151 Das Verschmelzen von Videotechnik und Bilderkennung mittels Computer
macht beispielsweise die vollautomatische Überwachung ganzer Städte möglich. Dabei
150Rheingold, Howard, 1993, http://www.rheingold.com/vc/book/intro.html
151Vgl. Rötzer, Florian,1998b, http://www.heise.de/tp/deutsch/special/info/6280/1.html, Wright, Steve, 1997,
http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/te/1393/s2.html
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handelt es sich keinesfalls um Science Fiktion Phantasien. Solche Systeme sind bereits
im Einsatz.152 Ein weiteres Indiz für die verstärkte Überwachung kann im die ganze Welt
umspannenden von den USA betriebenen ,Echolon’-Abhörsystems gesehen werden,
welches „alle Satelliten- und Datenfernübertragungen (Telefone, E-Mails, Faxe), die auf
dem Globus stattfinden“153 überwacht und nach verdächtigen Schlüsselwörtern
durchsucht.154 Solchen automatisierten Überwachungssystemen wird die Arbeit durch das
Aufkommen von digitaler Kommunikation sehr erleichtert. E-Mails etwa liegen wenn sie
nicht verschlüsselt sind schon in digitaler und damit computerlesbarer Form vor, und es ist
relativ einfach durch die Kontrolle der Backbones155 beziehungsweise einiger weniger
Knotenpunkte mittels leistungsfähiger Computer alle unverschlüsselten E-Mails
auszufiltern in denen bestimmte Begriffe vorkommen.156 Die USA sehen in der Kontrolle
der Informationstechnologie den Schlüssel zur Macht im 21. Jahrhundert was uns Hinweis
genug auf den möglichen Mißbrauch dieser Technologien als Waffe, zur Kontrolle und
zum Machterhalt sein kann.157
Vielen Menschen ist nicht klar, daß durch die Bewegungen im virtuellen Raum des
Internets jeder eine große Menge digitaler Spuren hinterläßt. Diese Spuren können
ausgewertet und mit anderen Datenbeständen verknüpft werden. So ist es möglich eine
Unmenge an Informationen über einzelne Menschen zu gewinnen. „Aus den
aufgezeichneten und gespeicherten Daten lassen sich mit Hilfe intelligenter Raster-,
Aufzeichnungs- und Statistikprogramme rasch detaillierte Bewegungsprofile und
152In London ist eine derartige Technik im Einsatz. Mittels der Technologie der neuronalen Netze können
bei Tag und Nacht Nummernschilder erkannt und gespeichert werden. „Das System kann alle Fahrzeuge
registrieren, die an einem bestimmten Tag in den Absperrungsring eingefahren sind oder die ihn
verlassen haben“. Wright, Steve, 1997, http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/te/1393/s2.html
153Maresch, Rudolf, 1999, S. 131
154Zu Überwachungs- und Kontrolltechnologien vgl. Maresch, Rudolf, 1999, S. 130f., Rötzer, Florian,
1998b, http://www.heise.de/tp/deutsch/special/info/6280/1.html, Wright, Steve, 1997,
http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/te/1393/s2.html
155Das sind die großen Datenleitungen des Internets über die letztendlich alle Daten geschickt werden
156In diesem Zusammenhang ist auch die Kryptographiedebatte zu sehen, denn es ist heute kein Problem
Nachrichten so zu verschlüsseln, daß es praktisch unmöglich ist sie ohne den passenden Schlüssel zu
decodieren. Ein bekanntes und sehr leistungsfähiges Programm hierfür ist zum Beispiel PGP (Pretty
Good Privacy). Damit ist es ein leichtes unbefugtes Mitlesen zu verhindern. In den USA fällt sogenannte
starke Kryptographie (das heißt einfach sichere Verschlüsselung) gar unter ein Exportverbot, weil sie als
Kriegswaffe klassifiziert wird!
157Vgl. Maresch, Rudolf, 1999, S. 130
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Persönlichkeitsbilder erstellen, die Behörden, Unternehmen oder Organisationen Auskunft
über Gewohnheiten, Vorlieben, Bekanntschaften und Leidenschaften, Motive und
Reisetätigkeit jedes x-beliebigen Bürgers geben.“158 Es ist heute beispielsweise schon ein
gängiges Vorgehen von E-Commerce-Unternehmen die gesammelten Kundendaten dazu
zu benutzen, bestimmte Vorlieben herauszufinden und daraufhin zielgruppenspezifische
Werbung auf die entsprechenden Webseiten zu schalten.159
Laut Katja Diefenbach stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, inwieweit „die
neuen Technologien die kapitalistische Umstrukturierung in eine neoliberale
‚Kontrollgesellschaft’ katalysieren und verstärken“.160 Wenn man die neuen
Informationstechnologien und ihre Folgen verstehen will, muß man die
Widersprüchlichkeiten die diese Entwicklungen mit sich bringen berücksichtigen. Katja
Diefenbach weist in diesem Zusammenhang darauf hin, daß die gesellschaftlichen
Veränderungsprozesse durch die neuen Informationstechnologien mit der Konstruktion
von „blinden Flecken“ einhergehen, die eine kritische Sicht auf eben diese Entwicklungen
erschweren.161 Es darf aber, trotz dieser „blinden Flecken“, keinesfalls vergessen werden,
daß der Einsatz dieser neuen Technologien mit dem Ziel größere Partizipation und
Selbstbestimmung für die Menschen zu erreichen ebensogut in das Gegenteil
umschlagen kann. Eine Erhöhung von Anpassung, Manipulierbarkeit und Kontrolle durch
diese neuen Techniken sind eben nicht auszuschließen und wahrscheinlich von
bestimmten gesellschaftlichen Gruppierungen durchaus beabsichtigt, wie beispielsweise
die Krypthographiedebatte162 anschaulich vor Augen führt.
158Maresch, Rudolf, 1999, S. 132
159Zu den Praktiken und Möglichkeiten des eCommerce, vgl. Albers, Sönke/Clement, Michael/Peters,
Kay/Skiera, Bernd, 1999
160Diefenbach, Katja, 1997, S. 71
161Vgl. Diefenbach, Katja 1997, S. 71ff.
162Kryptographie bezeichnet Verschlüsselungstechniken unterschiedlichster Art. Starke Kryptographie
bezeichnet Verschlüsselungsmethoden die so sicher sind, daß sie von unautorisierten Personen nicht zu
entschlüsseln sind. Gegner von starker Kryptographie wie Teile des Innenministeriums und der
Sicherheitsdienste befürchten eine Behinderung der Arbeit von Strafverfolgungsbehörden und
Geheimdiensten und fordern Regelungen die es Behörden ermöglichen auch verschlüsselte
Informationen problemlos zu entschlüsseln. Manche ‚Hardliner‘ treten dafür ein, daß die Verwendung von
starker Kryptographie unter Strafe gestellt wird, wenn es Behörden nicht erlaubt wird, Hintertüren (in
Form von Zugang zu den privaten Schlüsseln der NutzerInnen, ein Generalschlüssel usw...) in
Verschlüsselungtechniken einzubauen. Die Wirtschaft und Bürgerrechtsbewegungen fordern dagegen
den freien Einsatz von Kryptographie, um die Integrität von Daten zu gewährleisten,
Persönlichkeitsrechte zu wahren und einem unkontrollierten Sammeln von Daten vorzubeugen. Vgl.
Huhn, Michaela/Pfitzmann, Andreas, Köln 1998, S. 438ff.
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In der Diskussion um die neuen Medien „werden die verschiedenen Formen von
Informationstechnologie als ‚namenlose Ideologie’, als Kontrolloperation, als
Voraussetzung einer postfordistischen Ökonomie und als Feld für Ästhetizismus und
kulturelle Vermittlung einer neuen Herrschaftsform ausgeblendet“.163
Nicht nur Revolutionäre, Anarchisten, die „Andersdenkenden“, die Linken und andere dem
herrschenden System kritisch entgegenstehende Gruppierungen und Menschen
interessieren sich für die aus den Computernetzen entstehenden Möglichkeiten (und
nutzen diese), sondern zum Beispiel auch einflußreiche konservative Neoliberale164 und
die gesamte Wirtschaft sowie Geheimdienste. Sowohl der ,Underground’ als auch der ,
Mainstream’ fetischieren dabei Wissen, Information und Geschwindigkeit und neigen
dazu, soziale und politische Begriffe auf die technischen Strukturen zu übertragen, was zu
einer Annäherung zwischen den eigentlich gegensätzlichen Standpunkten führte. „Ein
Begriff wie ,e-demoracy’ (electronic democracy) konnte zum Beispiel nur an Boden
gewinnen, weil es vom Mediensymposium bis zur Software-Werbung en vogue wurde,
Emanzipation und Fortschritt als Folge technischer Innovation auszugeben.“165
Subkulturelle Diskurse waren von Anfang an mit neoliberalen Ansätzen wie der
kalifornischen Ideologie166 verbunden und dienten damit auch der Unterstützung der
hegemonialen Diskurse.167 Vom Beginn der Netzdiskussion an, wurden so „im Chor der
neuen Technik, neue Welt Begeisterten“ auch konservative, biologistische und
wirtschaftsliberale Gedanken geäußert, „die die Wiedergeburt von Kapitalismus und
Demokratie aus der ‚informationellen Revolution’ besingen“.168 So hält beispielsweise
George Gilder Computertechnologien als an sich „feindlich gegen Hierarchien, Monopole,
industrielle Bürokratien und andere Top-down-Systeme aller Art. Gerade so wie Intelligenz
und Kontrolle auf PCs übergehen, (...) so geht die ökonomische Macht von
Masseninstitutionen an Individuen über“.169 Hier wird schon ein großer ideologischer
163Vgl. Diefenbach, Katja 1997, S. 71ff.
164Auf Autoren die man immer wieder trifft sind zum Beispiel George Gilder, ein Theoretiker der
amerikanischen Rechten und Alvin Toffler, ein Futurologe
165Diefenbach, Katja 1997, S. 72f.
166In der kalifornischen Ideologie wird liberales Gedankengut mit subkulturellen Weltbildern der Hippiezeit
verschmolzen. Eine Abhandlung über die kalifornische Ideologie findet sich bei Barbrook, Richard,
Cameron, Andy, 1997, S. 15-36, vgl auch Kapitel 5.4.1
167Vgl. autonome a.f.r.i.k.a.-gruppe, 1997, http://www.contrast.org/KG/vortech.htm
168Diefenbach, Katja 1997, S. 71f.
169Gilder, George, New York 1995, To Renew America. Zit. nach Diefenbach, Katja, 1997, S. 72
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Mythos des Kapitalismus deutlich, daß sich nämlich durch die freie Konkurrenz des
Marktes immer das Neuste und Beste für alle Menschen durchsetzten werde.
Computertechnik wird es sein, die Bildung, Emanzipation, Reichtum und Teilhabe aller
ermöglichen werde. Daß das so sein wird, darf natürlich aus geschichtlicher Perspektive,
und auch angesichts von immer mächtigeren multinationalen Konzernen und Kartellen
bezweifelt werden.170
4.2. Metaphern, Mythen und Technodeterminismus
Die Enquete-Kommision „Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft“ hat in ihrem
Abschlußbericht daraufhingewiesen, daß unter anderem auch die „öffentlichen Visionen
und Leitbilder (Utopien) der beteiligten Akteure“171 einen wichtigen Einfluß auf die
Ausgestaltung und die Wirkungen der Medien auf die Gesellschaft haben.
Auch die Projektgruppe „Kulturraum Internet“172 ist der Auffassung, daß die Metaphern, die
in der Diskussion um die neuen Medien immer wieder auftauchen, wesentlich zur
Konstruktion von deren Wirklichkeit beitragen und damit auch Hinweise auf den
gewünschten und wahrscheinlichen zukünftigen Einsatz dieser Technologien geben
können.
„Das ‚Reden über entstehende Technologien’ braucht Begriffe. Die begriffliche
Konstruktion von Wirklichkeit geht mit ihrer physisch materiellen Konstruktion einher und
manchmal auch voraus. Mehr oder weniger adäquate Metaphern und Analogien haben
Einfluß auf die Ausformungen und Diffusion künftiger Technologien, da sie über die
gesellschaftliche Mobilisierungskraft für technische Projekte und über ihre Akzeptanz
mitentscheiden.“173
Die in der Diskussion vorkommenden Metaphern transportieren dabei bestimmte immer
wiederkehrende Mythen. Mithilfe dieser Mythen beziehungsweise Metaphern werden
beispielsweise Hoffnungen, wie auf eine bessere, demokratischere und freiere Welt, die
uns die Technik bescheren wird, ausgedrückt. Es wird versucht, Ängste in der
170Vgl. Kapitel 5.2
171Enquete-Kommission Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft, 1998, S. 87
172Texte und andere Informationen zu der Forschungsgruppe finden sich auf ihrer Webseite:
http://duplox.wz-berlin.de/
173Canzler, Weert/Helmers, Sabine/Hoffmann, Ute, 1995, http://duplox.wz-berlin.de/docs/caheho/
51
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Bevölkerung abzubauen, die vermeintlichen Vorteile für alle hervorzukehren und vor allem
auch die Gefahren und eventuell gravierenden Nachteile für große Bevölkerungsgruppen
(global wie national) unter den Teppich zu kehren. Dadurch tragen die kursierenden
Mythen und Metaphern zur Stabilisierung der herrschenden Verhältnisse bei.
Die, von Katja Diefenbach bemängelten, blinden Flecken in der vorherrschenden
Diskussion werden also, zumindest zum Teil, gezielt durch Mythen und Metaphern
erzeugt, die Oliver Marchart174 zu Folge, oft auf technodeterministischen Sichtweisen175
beruhen. Es ist offensichtlich, daß eine rein technodetermistische Sicht der neuen
Entwicklungen, wesentliche Aspekte des Einsatzes der neuen Techniken (und in unserem
Falle der neuen Medientechnik) systematisch ausblenden, daß uns „nicht die Hardware,
ein Schaltplan oder Spionagewissen über den allerneuesten Prozessor oder
Chipbaustein, sagen wird, was das Netz/die Medien/die Technik ist, sondern die
populären Geschichten und Mythen, die darüber erzählt werden“.176
Emanzipation, Fortschritt und Demokratie werden in technodeterministischen Ansätzen
immer wieder als zwangsläufige Folge der technologischen Entwicklung gepriesen. Der
alleinige Motor der menschlichen Entwicklung wird der Technik und ihren Auswirkungen
zugeschrieben.
Aber auch die völlige Ablehnung von Technik oder auch (neuen) Medien folgt oft einem
technodeterministischen Gedankengang. Beispielsweise wird immer wieder von der
Gewalt im Fernsehen geredet, welches die Ursache für kriminelles Verhalten sei. Das
Medium Fernsehen, oder auch die transportierten Inhalte, werden in diesem Fall als
alleinige Ursache für problematisches Verhalten in unserer Gesellschaft gesehen. Wenn
uns die Technik, die Medien oder auch andere Gegebenheiten tatsächlich auf diese
Weise determinieren würden, gäbe es keine Chance unser Verhältnis zu den Medien, zur
Gesellschaft zu reflektieren und eventuell die Verhältnisse selbst zu ändern, wir wären
ihnen hilflos ausgeliefert.
174Vgl. hierzu auch Diefenbach, Katja 1997, S. 71ff. und Canzler, Weert/Helmers, Sabine/Hoffmann,
Ute,1995, http://duplox.wz-berlin.de/docs/caheho/
175Vgl. Marchart, Oliver, 1997, S.89ff.
176Marchart, Oliver, 1997, S. 90
52
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„As they ponder astonishing transformations associated with the new electronics,
thoughtful people need to ask: What kinds of personal practices, social relations, legal
and political norms, and lasting institutions will emerge from this upheaval? More
importantly, what kinds of practices, relations, rules, and institutions do we want to
emerge in these settings.“177
Welche Entwicklungen werden in den neuen Technologien gesehen, welche davon sind
erwünscht und werden gefordert? Auf diese Frage kann uns eine genauere Betrachtung
der unterschiedlichen Mythen und Metaphern erste Antworten geben. Im Folgenden
werden wir kurz die zwei häufigsten anzutreffenden Mythen, auf die die Metaphern bezug
nehmen, beschreiben und kritisch hinterfragen. Danach werden wir einige konkrete
Metaphern und ihre Implikationen beschreiben.
4.2.1 Mythen
4.2.1.1. Lösung gesellschaftlicher Probleme durch Technik
Die verbreitete Illusion, die Technik hätte ,an sich’ schon eine umstürzende,
revolutionierende oder demokratische Qualität, kann getrost als technodeterministisch
(und damit verkürzend) gelten, denn nichts ist ,an sich’ umstürzlerisch, es kommt
schließlich immer auf den konkreten Gebrauch, beziehungsweise Anwendung einer
Technik an. Heute ist es so, daß das Internet nur noch in Randbereichen das Forum ist,
das es einmal war und die Qualitäten aus den frühen Zeiten des Internets aufweist. Die
idealistischen Anfänge haben mit dem heutigen überwiegend kommerziell geprägten
Internet kaum noch etwas gemeinsam. „Das Internet reproduziert in erster Linie die
Kommunikationsstrukturen eines sicherlich globalisierten, ansonsten aber ganz normalen
Marktes.“178 Die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, und damit nicht zuletzt auch
politische Entscheidungen, werden die weitere Richtung vorgeben, in die sich die neuen
Medien, und die gesellschaftlichen Veränderungen durch sie, entwickeln werden.179 Sind
es tatsächlich die Möglichkeiten zur größeren gesellschaftlichen Teilhabe die sich
177Winner, Langdon, 1997, http://www.rpi.edu/~winner/cyberlib2.htmbh
178Simitis, Spiros, 1998, S. 186
179Jedoch werden mit der Globalisierung einzelne Nationalstaaten immer weniger Möglichkeiten haben,
Entwicklungen, welche zunehmend globale Entwicklungen sind, über nationale Gesetzgebung zu
beeinflussen.
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weiterentwickeln werden oder aber werden Marktinteressen gepaart mit einer so noch nie
dagewesenen Kontrolle der Bevölkerung die Oberhand gewinnen?
Technodeterministische Sichtweisen verkennen, daß mit der Technik selbst nicht schon
die Lösung aller Probleme (oder bestimmter Probleme) zwangsläufig eintritt. Technik
beziehungsweise deren Anwendung und Verfügbarkeit ist ein gesellschaftliches
Kampffeld unter anderen (wie Kultur, Soziales und Ökonomisches), das von
verschiedenen Gruppen mit verschiedenen Forderungen artikuliert wird.180 Es ist in
unserer kapitalistischen Gesellschaft leider zu befürchten, daß sich wie so oft schon,
starke wirtschaftliche Interessen durchsetzen werden und es verstehen werden die neuen
Medientechniken für ihre Zwecke zu nutzen und das heißt normalerweise zur
Profitsteigerung. Überläßt man die neuen Kommunikationstechnologien den Kräften des
Marktes werden sich ziemlich schnell die partizipativen Möglichkeiten für die Menschen
mehr und mehr auf die eine Möglichkeit besser und mehr konsumieren zu können
beschränken. Klaus Kreimacher kommt deprimierender Weise heute schon zum Schluß,
daß das „Mysterium des Internets (...) das Mysterium der Globalisierung“ ist „-es reduziert
sich auf das Wörtchen MORE. Es geht schlicht und einfach um mehr. Um mehr ‚results’
um mehr Mausklicks, um mehr Bücher, ganz nebenbei auch um mehr Geld“.181
Es wäre Aufgabe der Politik diesen Entwicklungen durch gezielte Regulierungen
entgegenzutreten um die neuen Technologien für die Menschen bereitzustellen, statt den
Konzernen unkontrolliert zu erlauben neue Märkte zu erschließen und Profite zu steigern.
Deshalb „muß jede Netzkritik mit einer Kritik des Technodeterminismus beginnen. Der
Grund für diese Kritik liegt keineswegs nur im Akademischen; er liegt vor allem im
Praktischen. Denn von einer deterministischen Position aus ist jede politische Intervention
hinfällig.“182
4.2.1.2. Die Unabhängigkeit des virtuellen Raumes (Cyberspace)
Immer wieder stößt man bei der Literaturrecherche zum Thema Gesellschaft, Internet und
neue Medien, auf idealisierende und auf technodeterministische Sichtweisen beruhende,
Vorstellungen von der völligen Unabhängigkeit des virtuellen Raumes (dem sogenannten
180Vgl. Marchart, Oliver, 1997, S. 100, und Kapitel 5.2
181Kreimacher, Klaus, 1998, S. 12
182Marchart, Oliver, 1997, S. 90
54
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Cyberspace), der sich in ersten Ansätzen durch das Internet konstituiert. Vorhandene
Wechselwirkungen mit der realen Gesellschaft werden einfach ignoriert. Diese
idealisierenden Vorstellungen ignorieren zum einen, daß im Zusammenhang mit der
Virtualität des Cyberspace auch eine „außerordentlich lebendige physische Realität
existiert“.183 Die NutzerInnen der Computernetze sind Institutionen oder lebendige
Personen, die sich in der Realität an realen Orten befinden und durchaus auch gesetzlich
belangbar sind. Selbst wenn es einigen gelingt Gesetze zu umgehen ist dies kein Beweis
für die Gesetzlosigkeit des Cyberspaces. Auch in der realen Welt werden Gesetze
umgangen und gebrochen. Zum anderen ist hier die reale Infrastruktur der Computernetze
zu nennen.184 Die Infrastruktur der Computernetze, die die Voraussetzung für einen
virtuellen Raum bilden, wurden beispielsweise von den einzelnen Staaten und großen
Firmen finanziert und gefördert und sind heute in der westlichen Welt größtenteils im
Besitz großer Unternehmen. Staaten wie Singapur oder China versuchen mit Hilfe der
Infrastruktur Einfluß auf die Inhalte des Netzes zu nehmen und umfassend zu
zensieren.185 Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis globale Regelungen und Abkommen
getroffen werden. Unter diesen Umständen von der völligen Unabhängigkeit zu sprechen
ist eine Illusion.
Ein sehr eindrückliches Beispiel (wohl das bekannteste) für diesen Mythos bietet die
„Unabhängigkeitserklärung des Cyberspace“186 von John Perry Barlow.
„Regierungen der industriellen Welt, Ihr müden Giganten aus Fleisch und Stahl, ich
komme aus dem Cyberspace, der neuen Heimat des Geistes. Im Namen der Zukunft bitte
ich Euch, Vertreter einer vergangenen Zeit: Laßt uns in Ruhe! Ihr seid bei uns nicht
willkommen. Wo wir uns versammeln, besitzt Ihr keine Macht mehr (...) Wir erschaffen
183Noam, Eli, 1998, S. 145
184Vgl. hierzu auch Kapitel 5.2
185China ist nur über bestimmte von der Regierung kontrollierte Punkte mit der restlichen Welt verbunden,
und Singapur hat ‚anstößige Inhalte‘ schlichtweg gesetzlich verboten und alle Internet-Service-Provider
unter Regierungskontrolle gestellt. Es wäre für China zum Beispiel ein leichtes den Informationsfluß der
Netze zur restlichen Welt nahezu komplett zu unterbrechen. Vgl. Noam, Eli, 1998, S. 147
186Als Reaktion auf den "Telecommunication Reform Act" der US-amerikanischen Regierung hat der
amerikanische Autor, Bürgerrechtler und einer der Gründer der "Electronic Frontier Foundation" John
Perry Barlow Anfang Februar 1996 seine "Unabhängigkeitserklärung des Cyberspace" verfaßt.
55
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eine Welt, die alle betreten können ohne Bevorzugung oder Vorurteil bezüglich Rasse,
Wohlstand, militärischer Macht und Herkunft.“187
4.2.2 Metaphern
In ihrer eigentlichen Funktion ist die Metapher (metaphorein; lat. translatio = übertragen,
übersetzen) nichts anderes als ein Transfer, bei dem ein Begriff in seiner ursprünglichen
Bedeutung verwendet wird, also der Begriff aus einem bekannten in einen unüblichen
Kontext übertragen wird. Bei dieser Verknüpfung von Bedeutungen bleibt aber eine
inhaltliche Ähnlichkeit bestehen. Die Metaphern füllen im Falle des Internets noch
weitgehend unbekannte Phänomene mit Bedeutungen von schon bekannten. Die
allgemeine Verbreitung des Internets in den letzten Jahren geht mit der Verwendung ganz
bestimmter Metaphern einher: so ist beispielsweise die Rede von einem Cyberspace, der
Datenautobahn, dem globalen Dorf und der globalen Agora. Die Metaphern, mit denen
über das Internet kommuniziert wird, besitzen eine weitere und unserer Einschätzung
nach ziemlich wichtige Funktion. Es sind Leitbilder über eine neues Medium, welche
Aufschluß über die dahinterstehende Visionen und Vorstellungen der kommenden
Gesellschaften bieten. Gerade das Neue und bisweilen Ungewohnte und Unbekannte am
Internet ist es, das diese Leitbilder versuchen zu strukturieren und zu orientieren,
versuchen Inhalt und Klärung zu geben und haben somit eine einheitsstiftende und
erwartungsstrukturierende Funktion. Es ist dabei von großer Bedeutung, welche Leitbilder
gewählt werden und welche sich letzten Endes durchsetzen. Die Metaphern selbst, aber
auch ihre Verwendung von verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen geben uns
Aufschluß über die verschiedenen Vorstellungen, Hoffnungen und Erwartungen aber auch
Möglichkeiten des neuen Mediums.
4.2.2.1 Datenautobahn, Information Superhighway
Durch die Metapher der Datenautobahn werden bestimmte (erwünschte) Vorstellungen
über das Wesen und die Zukunft von Datennetzen hervorgerufen. Eine Neuerung, deren
Bedeutungen und Möglichkeiten für die Gesellschaft noch weitgehend offen liegen, wird
hier mit Hilfe von schon bekannter Technik und deren Nutzungsformen beschrieben. „Die
Datenautobahn lehnt sich so an den Straßenverkehr und seine internen Hierarchien an,
187Barlow, John Perry, 1996, http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/te/1028/1.html
56
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um bestimmte erfahrene oder erwünschte Eigenschaften dieses Verkehrssystems auf den
Datentransport und Informationstransfer zu projizieren.“188
Der schillernde Begriff ‚Information Superhighway’ wurde ursprünglich durch den
Amerikanischen Vizepräsidenten Al Gore populär. In einer Rede vor dem nationalen
Presseclub im Dezember 1993 kündigte er eine Initiative zum Ausbau einer nationalen
Informationsinfrastruktur an. Geplant ist, daß jede nur denkbare Information zu jeder Zeit
an jedem Ort verfügbar gemacht werden soll. In diesem Zusammenhang sprach Al Gore
auch „vom größten Geschäft auf dem wichtigsten und lukrativsten Markt des 21.
Jahrhunderts“.189 Man könnte hier auf den Gedanken kommen, daß Al Gore Information
und Wissen als Geschäft, also als Ware des 21. Jahrhunderts propagiert. Auch hier
scheint nicht die Demokratisierung der Gesellschaft oder die Schaffung von neuen
Partizipationsmöglichkeiten der treibende Motor zu sein, diese Möglichkeiten sind
allenfalls eine Art Abfallprodukt der neuen wirtschaftlichen Möglichkeiten, die geschaffen
werden sollen.
Auch andere Länder und insbesondere die Europäische Union ließen entsprechende
Veröffentlichungen folgen. Im sogenannten Bangemann-Report, der 1994 dem Rat der
Europäischen Union vorgelegt wurde, dient die Datenautobahn als Metapher, um
Anwendungen wie Telearbeit, Fernlernen, Teleshopping, Home-Banking, weltweit
vernetzte Datenbanken etc. zu illustrieren. Die Telekom verwendet den Begriff der
Datenautobahn, um ihre eigenen Telekommunikationsnetze zu propagieren.
Diese Metapher soll Akzeptanz und Vertrauen in der Bevölkerung schaffen, indem eine
allen bekannte und von allen beherrschte Technik (das Autofahren) auf die
Informationsgesellschaft übertragen wird. Durch diese Verknüpfung mit schon vertrauter
und allgegenwärtiger Technik wird die Angst vor der kommenden Technik ein gutes Stück
reduziert. Es wird suggeriert, daß sich die kommende Datenautobahn genauso einfach
von jedem befahren lassen wird wie die heutigen Straßen.
Die Metapher Datenautobahn verweist in erster Linie auf die Schnelligkeit des Transports
von Waren, beziehungsweise Daten und Informationen. Mögliche Assoziationen sind aber
natürlich auch Autobahngebühren, KFZ-Steuern, effiziente (wirtschaftliche) Verbindungen,
188Helmers, Sabine/Hoffmann, Ute/Hofmann, Jeanette, 1994, http://duplox.wz-berlin.de/docs/ausblick.html
189Gore, Al, 1993, ohne weitere Angaben, zit. nach Diefenbach, Katja, 1997, S. 75
57
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Infrastrukturinvestitionen, Staus, Umweltverschmutzung und Zerstörung.190 Mit dem Begriff
der Datenautobahn sind also durchaus auch negative Assoziationen verbunden, die von
den Befürwortern dieser Metapher jedoch schnell zum Positiven gewendet wurden. „So
werden in den Werbefilmen der Telekom die Datenautobahnen als konsequenter Beitrag
zum Umweltschutz gefeiert. Datenautobahnen erscheinen im Unterschied zur realen
Autobahn als naheliegende Lösung der Verkehrsproblematik. Der Informationsverkehr der
Telekom produziere weder Abgase noch Staus, so heißt es in entsprechenden
Großanzeigen.“.191
Durch den Begriff der Datenautobahn wird auch die Kommerzialisierung der zukünftigen
Datennetze angesprochen. Der Transport von Waren von einem Punkt zum anderen ist
eben nicht umsonst, folglich wird die Bereitstellung und der Transport von Daten oder
Informationen auch etwas kosten. Information und Teilhabe an den neuen Entwicklungen
also für alle, die es sich auch leisten können. Hier wird deutlich, um was es den meisten
BefürworterInnen der Datenautobahn geht, nämlich um die Entwicklung neuer Märkte,
was „letztendlich auf Gewinnspannen und Profitraten hinausläuft“.192
Die Verwendung des Begriffs der Datenautobahn enthält aufgrund seines technischen
deterministischen Charakters schwerwiegende und aus unserer Sicht nicht zulässige
Verkürzungen. Die Veränderung der Gesellschaft zur Informationsgesellschaft und deren
Folgen und Probleme wird mit dieser Metapher auf die technischen Aspekte reduziert und
führt damit zu einer verengten Problemsicht. Die Problematik bei der Entwicklung zur
Informationsgesellschaft scheint eine ausschließlich technische zu sein. Die sozialen
Dimensionen der Veränderungen werden völlig ausgeklammert. „Mehr Aufmerksamkeit
als der Ausbau von Datenleitungen und die Optimierung des Datentransports durch neue
Techniken hätten die Bedingungen und Inhalte des ‚Datenverkehrs’ verdient. Zu diesen
Bedingungen gehören beispielsweise die Kosten der Datenkommunikation, ihre Ordnung
und ihre Form wie etwa das Maß der Interaktivität“.193 Es wird hier suggeriert, daß völlig
selbstverständlich jeder Mensch zu den gleichen Bedingungen die Datenautobahn
190Vgl. Bühl, Achim 1996, S. 14
191Ebd. S. 15
192Ebd. S. 16
193Helmers, Sabine/Hoffmann, Ute/Hofmann, Jeanette, 1994, http://duplox.wz-berlin.de/docs/ausblick.html
58
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benutzen wird. Die sehr wahrscheinliche Gefahr, daß bestehende soziale Ungleichheiten
verstärkt oder neue Ungleichheiten erzeugt werden, wird ignoriert. Oder wie es Sabine
Helmers formuliert: Die vielgepriesenen Möglichkeiten der Datenautobahn sind in der
gegenwärtigen Akzentuierung „vielfach strukturkonservativ: alles wird anders werden,
aber nichts wird sich ändern“.194
4.2.2.2 Cyberspace, virtuelle Welt, virtueller Raum
Heute gibt es im großen und ganzen zwei Standpunkte in deren Zusammenhang die
Cyberspacemetapher benutzt wird. Zum einen ist sie eng verbunden mit den Ideen der
Cyberpunk-Bewegung und zum anderen taucht sie in Zusammenhang mit konservativen
und neoliberalen Standpunkten immer wieder auf.
Der Begriff des Cyberspace wurde zuerst von dem bekannten Science-Fiction-Autor
William Gibbson in der Geschichte ‚Chrom brennt’ benutzt195. William Gibbson hat in
dieser und seinen folgenden Geschichten den Cyberspace als eine Art gefährliche
psychedelische Droge beschrieben. Die Hacker der Cyberpunk Romane können mit Hilfe
einer elektronischen Schnittstelle Teil des weltweiten Computernetzes werden und damit
eine Art Bewußtseinserweiterung erreichen, indem sie völlig in den Cyberspace
eintauchen und dabei die Realität verschwindet, beziehungsweise der Cyberspace als
Realität erfahren wird.
Weltweit bekannt wurde der Begriff des Cyberspaces durch den Cyberpunk Roman
‚Neuromancer’ von William Gibbson. Der Begriff des Cyberspace ist hier eine Metapher
für den virtuellen Raum.196 Tatsächlich wird der Begriff virtuelle Welten oder virtuelle
Realität oft synonym benutzt.197 Virtuelle Welten grenzen sich von Simulationen dadurch
ab, daß sie den Eindruck erwecken, sie seien die Realität und damit tendenziell
versuchen die Realität zu ersetzen. Simulationen dagegen versuchen primär die Realität
nachzuahmen um sie besser zu erklären.198 Simulationen können aber durchaus mit
einem virtuellen Raum verbunden werden, was idealerweise zu einer nahezu perfekten
194Helmers, Sabine/Hoffmann, Ute/Hofmann, Jeanette, 1994, http://duplox.wz-berlin.de/docs/ausblick.html
195Vgl. Bühl, Achim, 1996, S. 19f.
196Vgl. ebd. S. 20
197Ebd.
198Ebd. S. 21 und S. 53
59
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Illusion von Wirklichkeit werden kann. Neuere Flugsimulatoren sind hierfür ein Beispiel.
Wichtig in diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß militärische Interessen die
Entwicklung hin zum Cyberspace oder zu virtuellen Welten maßgeblich beeinflußt und
überhaupt erst ermöglicht haben.199 Virtuelle Realität als hochmoderne Waffentechnik200
macht sehr deutlich, daß neben den eventuellen positiven Entwicklungen durch diese
Systeme auch große Gefahren und aus unserer Sicht nicht wünschenswerte
Entwicklungen einhergehen.
Der Cyberspace-Begriff beschreibt Achim Bühl zufolge einen qualitativen Sprung in der
Mensch-Maschine Interaktion, indem der Schwerpunkt auf das immersive und virtuelle
Element gelegt wird. „Die Cyberspace-Metapher markiert einen fundamentalen
Paradigmenwechsel in der Informatik, eine neue Epoche in der Mensch-MaschineKommunikation. Bislang bildete der Bildschirm die Grenze zwischen AnwenderInnen und
Maschine. Diese Grenze wird nun aufgelöst.“201 Die Interaktion mit dem Computer läuft
nun in einem vom Computer generierten Raum ab, indem man idealerweise wie im realen
Raum navigieren kann. Dazu müssen die Bewegungen und Manipulationen des sich im
Cyberspace befindlichen Menschen und die Reaktionen der virtuellen Welt darauf in
Echtzeit übertragen und umgesetzt werden. Ein weiteres Merkmal von virtueller Realität
oder dem Cyberspace ist, daß mehrere Sinne des Menschen gleichzeitig angesprochen
werden um die Qualität der Illusion zu erhöhen. Der Begriff des Cyberspace beschreibt
laut Achim Bühl wesentlich besser die Phänomene und Auswirkungen auf die
Gesellschaft als die Metapher der Datenautobahn.
„Im Unterschied zur Datenautobahn-Metapher erfassen die Metaphern vom Cyberspace
und der virtuellen Welt damit ein wesentliches Phänomen des Prozesses: die
Virtualisierung gesellschaftlicher Verhältnisse, die Dopplung der Realität in eine reale
Realität und eine virtuelle Realität, sowie die sich aus der Dopplungsstruktur ergebenen
sozialen, kulturellen und subjektbezogenen Konsequenzen.“202
199Ebd. S. 115ff.
200Der Golfkrieg kann als erster virtuell geführter Krieg gelten. Vgl Achim Bühl, 1997, S. 115ff. und
Maresch, Rudolf, 1999, S. 138-140
201Ebd. S. 19f.
202Ebd. S. 21
60
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Die Cyberspace-Metapher läßt aufgrund ihrer Herkunft beziehungsweise assoziativen
Nähe zu den düsteren Cyberpunkgeschichten, in denen riesige Konzerne die Welt
beherrschen, dabei auch mögliche Gefahren, die sich aus der technologischen
Entwicklung ergeben könnten, nicht außer acht. Die Metapher des Cyberspace scheint
insofern, im Vergleich zur Datenautobahn, eine recht brauchbare und dem Gegenstand
angemessenere Sichtweise zu sein, weil gesellschaftliche, soziale und individuelle
Aspekte enthalten sind.
Jedoch wird der Begriff des Cyberspace auch von rechtskonservativen Autoren wie Alvin
Toffler203 und George Gilder für ihre Sichtweise vereinnahmt. Sie vertreten einen sehr
konservativen und neoliberalen Standpunkt in der ‚Magna Charta for the Knowledge
Age’204 Die in dieser Erklärung vertretene Ideologie ist heute nicht zuletzt aufgrund der
Globalisierung ziemlich populär und einflußreich. Windon Langdon betont, daß der von
den AutorInnen vertretenen Standpunkt „a widely popular ideology that dominates much
of today’s discussion on networked computing“205 ist.
In dieser Erklärung wird eine zukünftige Welt die auf Wissen, Konkurrenzdenken,
Individualismus und vor allem unregulierten Marktmechanismen beruht entworfen. Der
Ausgangspunkt alles prognostizierten Wandels ist der Cyberspace, dessen
Vorhandensein „profound implications for the nature and meaning of property, of the
marketplace, of community and of individual freedom“ hat. Die AutorInnen folgen dabei
einer 1980 in seinem Buch „Die dritte Welle“ von Alvin Toffler aufgestellten
deterministischen Stadientheorie der Geschichte.206 Die AutorInnen betrachten den
Cyberspace in erster Linie als neuen Markt. Wissen ist das zentrale Produktionsmittel der
neuen kommenden Gesellschaft, das den herkömmlichen kapitalistischen
203Alvin Toffler war in den siebziger Jahren ein linksliberaler Zukunftsforscher, der mit Hilfe neuer Medien
basisdemokratische Ansätze verwirklichen wollte. In den achtziger Jahren war er als Berater für Ronald
Reagan aktiv und hat sich zu dessen Reagonomics bekannt. Vgl. Bühl, Achim, 1996, S. 17
204Toffler, Alvin/Gingrich, George/Dyson, Ester/Keyworth, George, 1994,
http://www.feedmag.com/95.05magna1.html Die hier vertretende Ideologie, wird bei anderen Autoren
auch als die ‚kalifornische Ideologie‘ bezeichnet. Vgl. Barbrook, Richard, Cameron, Andy, 1997 – und
Kapitel 5.4.1
205Winner, Langdon, 1997, http://www.rpi.edu/~winner/cyberlib2.htm
206Die gesellschaftliche Entwicklung vollzieht sich bei Alvin Toffler in einem aufsteigenden Prozeß von
traditionalen zu modernen Gesellschaften. Er unterscheidet dabei drei Stadien oder ‚Wellen‘. Die ‚erste
Welle‘ bezeichnet er als die Agrargesellschaft, die ‚zweite Welle‘ als Industriegesellschaft und die ‚dritte
Welle‘ schließlich als Informationsgesellschaft. Vgl. Bühl, Achim, 1996, S. 30ff. Vgl. auch Kapitel 2.2
61
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Produktionsmitteln der ‚dritten Welle’, wie Land, Maschinen und Industrien, zunehmend
ihre Bedeutung nimmt. „In a Third Wave economy, the central resource a single word
broadly encompassing data, information, images, symbols, culture, ideology, and values
is actionable knowledge.“ Folglich wird Wissen zu einem zu schützenden Eigentum, weil
es die ultimative Voraussetzung für die kapitalistische Produktion in der ‚Third Wave
economy’ ist, auf das nur derjenige Zugriff hat, der dafür bezahlen, der es sich leisten
kann. Somit kann auf diese Weise sichergestellt werden, daß die Ungleichheit der
Produktionsverhältnisse auch in der kommenden Ära des ‚Knowledge Age’ gewährleistet
ist. Die Zeiten, als Wissen als öffentliches Gut galt, sind den AutorInnen zufolge überholt
und der sogenannten ‚second Wave’ zugeordnet. In der dritten Welle ist das Wissen, das
im Cyberspace vorhanden ist, geistiges Privateigentum. „Third Wave customized
knowledge is by nature a private good“207 Die AutorInnen wollen ausdrücklich Wissen
nicht als öffentlich Deregulierungsforderungen es Eigentum verstanden wissen und
verlangen ironischerweise trotz unaufhörlicher hier gesetzliche Regelungen zum Schutz
des Wissens, denn „wealth in the form of physical resources has been losing value and
significance“.208 Auch der Cyberspace samt seiner nötigen Infrastruktur wird als nicht
öffentliches Gut, sondern als Privatbesitz gesehen. „Government does not own
cyberspace, the people do.“209 Die ‚Leute’, die die AutorInnen hier allerdings im Sinn
haben werden mit Sicherheit nicht die breite Bevölkerung sein, sondern mit höchster
Wahrscheinlichkeit große, transnationale Firmen.
Die neoliberale Umstrukturierung der Gesellschaft ist aus Sicht der AutorInnen die
natürliche Folge technischer Entwicklung, welche eine Art evolutionäres Prinzip darstellt.
Technische und kapitalistische Innovationen werden hier als evolutionärer Sprung nach
vorne abgehandelt.210 Auch dieser Ansatz ist zutiefst technodeterministisch, denn hier ist
die Technik die treibende Entwicklungskraft, welche nicht hinterfragt wird. Die Menschen
und existierenden Gesellschaften haben sich der Technik anzupassen, die negativen
207Toffler, Alvin/Gingrich, George/Dyson, Ester/Keyworth, George, 1994,
http://www.feedmag.com/95.05magna1.html
208Ebd.
209Ebd.
210Vgl. Diefenbach, Katja, 1997, S. 75, Winner, Langdon, 1997, http://www.rpi.edu/~winner/cyberlib2.htm
62
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Folgen der zunehmenden Technisierung werden in diesen cyberliberalen211 Ideologien
ignoriert. „In this perspective, the dynamism of digital technology is our true destiny. There
is no time to pause, reflect or ask for more influence in shaping these developments.
Enormous feats of quick adaptation are required of all of us just to respond to the
requirements the new technology casts upon us each day. In the writings of
cyberlibertarians those able to rise to the challenge are the champions of the coming
millennium. The rest are fated to languish in the dust.“212
Die Überwindung der als anachronistisch geltenden zweiten Welle wird Langdon Winner
zufolge also ihre Opfer fordern und dieser Meinung können wir uns nur anschließen. Es
darf bezweifelt werden, ob die geforderte Abschaffung von „Second Wave rules,
regulations, taxes and laws laid in place to serve the smokestack barons and bureaucrats
of the past“ – gefordert wird eine knallharte Deregulierung – zu dem propagierten Ziel
einer freieren, selbstbestimmteren, demokratischeren Gesellschaft führen wird, ob die
gepriesene Deregulierung und die freien Kräfte des Marktes für alle Menschen eine
Verbesserung ihrer Situation bedeuten würden, wie die Vertreter der liberalen
Deregulierung glauben. „Third Wave policies work to spread power to empower those
closest to the decision“.213
4.2.2.3 Sozietäts Metaphern: globales Dorf, virtuelle Gemeinschaft
Zwei sehr häufig anzutreffende Metaphern in Zusammenhang mit dem Internet, sind die
der virtuellen Gemeinschaft und die damit eng verbundene Metapher des globalen
Dorfes.214
In Anlehnung an Achim Bühl lassen sich die Metaphern der virtuellen Gemeinschaft
(virtual community) und die des globalen Dorfs (global village) als sogenannte SozietätsMetaphern bezeichnen,215 weil sie eben ihren Schwerpunkt auf neue soziale Beziehungen
211So nennt Langdon Winner die neoliberalen Ansätze in der Netzdiskussion. Vgl. Winner, Langdon, 1997,
http://www.rpi.edu/~winner/cyberlib2.htm
212Winner, Langdon, 1997, http://www.rpi.edu/~winner/cyberlib2.htm
213Toffler, Alvin/Gingrich, George/Dyson, Ester/Keyworth, George, 1994,
http://www.feedmag.com/95.05magna1.html
214Die Metapher des global village stammt ursprünglich von Marshell McLuhan.
215Vgl. Achim Bühl, 1996, S. 23
63
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legen, die mittels der neuen globalen Kommunikationsstrukturen, wie sie zum Beispiel das
Internet bietet, konstituiert werden.
Der Ausdruck der virtuellen Gemeinschaft wurde ganz wesentlich durch Howard
Rheingold geprägt. Howard Rheingold ist der Meinung, daß die Faszination der neuen
Kommunikationstechnologien, nicht in den Möglichkeiten zu Unterhaltung oder
Information liegen, sondern die gemeinschaftsstiftende zwischenmenschliche
Kommunikation über alle Grenzen hinweg das besondere ist, „daß eben dieser Aspekt der
Gemeinschaft – die zwischenmenschliche Kommunikation,(...), – die neuen ComputerKommunikationsmedien für den Menschen so attraktiv macht“.216 Die Ursache dieses
raschen Anstiegs und der Etablierung von virtuellen Gemeinschaften sieht Rheingold in
einem wachsenden Bedürfnis nach Gemeinschaft, da in der realen Welt die Räume für
zwanglose soziale Kontakte immer begrenzter würden. Er stellt in seinem Buch „The
Virtual Community“ „die Menschen als eigentliche Träger der modernen
Kommunikationstechnologien in den Vordergrund“217 und glaubt, daß sich durch die
computervermittelte Kommunikation virtuelle Gemeinschaften bilden, welche sich durch
eine eigene und vielfältige Kultur auszeichnen.218 Die gebildeten Gemeinschaften sind
Howard Rheingold zufolge untereinander engmaschig verknüpft. Ein wichtiges Merkmal
ist hierbei, daß sich die sozialen Beziehungen global über alle Grenzen hinweg bilden.
Diese Vernetzung der virtuellen Gemeinschaften miteinander führt laut Howard Rheingold
zu einem globalen Dorf, bei dem persönliche soziale Beziehungen computervermittelt
aufgrund gleicher Interessen geknüpft werden, und zwar unabhängig von Raum und Zeit.
Virtuelle Gemeinschaften gründen Howard Rheingold zufolge nicht auf
verwandtschaftlichen Verhältnissen oder räumlicher Nähe, auf die die herkömmlichen
sozialen Beziehungen naturgemäß angewiesen waren. Die Computernetze bieten den
Menschen damit die Möglichkeit über nationale und ideologische Grenzen hinweg soziale
Beziehungen und damit auch Gemeinschaften, virtuelle Gemeinschaften zu bilden.219
216Rheingold, Howard, 1995, S. 189
217Vgl. Achim Bühl, 1996, S. 23
218Vgl. ebd.
219Vgl. ebd. S. 23-24
64
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Die Metapher des Dorfes erweckt Assoziationen an friedliches miteinander Leben, an
Nachbarschaft, freundlichen Austausch, Vertrautheit und an Nähe. Zusammen mit dem
Wort ‚global’ wird der Eindruck erweckt, die Welt wäre von nun an ein Dorf mit eben jenen
Eigenschaften.
Obwohl diese Metaphern den Menschen in den Mittelpunkt ihrer Betrachtung stellen,
lassen auch sie, durch ihre in erster Linie euphorische Betrachtungsweise der
technischen Möglichkeiten, wesentliche gesellschaftliche relevanten Faktoren außer acht.
In diesem Sinne sind auch sie als technodeterministisch zu bezeichnen, weil sie sich
relativ undifferenziert von den neuen Kommunikationstechnologien Verbesserungen für
alle Menschen erhoffen. Das ist jedoch äußerst realitätsfremd. Es ist durchaus
zweifelhaft, ob man von ‚dem globalen Dorf’ sprechen kann und vor allem darf, weil man
damit suggeriert, daß jeder Mensch auf der Welt an diesem globalen Dorf teilhaben kann.
„Die enormen Möglichkeiten moderner Informationstechnologie in Bezug auf die
Generierung, Verbreitung und Aufbewahrung von Information suggerieren die Existenz
eines ‚Welt- Kommunikations- Dorfes’ eines ‚global village’, welches in dieser Art und
Weise allerdings nicht besteht. Das Internet existiert vor dem Hintergrund einer ‚realen’
Welt und steht somit im Austausch mit dieser, ersetzt sie aber nicht.“220
Nils Zurawski meint in diesem Zusammenhang, man könne höchstens von vielen
unterschiedlichen globalen Dörfern sprechen und spricht hier vom scheinbaren Zwang
des Globalen, vom ‚globalen Narrativ’221. Auch Eli Noam erteilt der Vision des globalen
Dorfes eine Absage und spricht lieber von internationalem Gruppenpluralismus in den
Netzen. Er meint, daß die neuen Gruppennetzwerke kein neues Dorf erschaffen, sondern
die Welt als eine Reihe elektronischer Nachbarschaften gestalten.222 Beide Autoren halten
also eher eine fragmentierte (Netz-) Öffentlichkeit, anstelle einer globalen
Dorföffentlichkeit im Sinne einer globalen Agora oder eines globalen Dorfes für gegeben.
Nils Zurawski weist zudem ausdrücklich darauf hin, daß große Teile der Weltbevölkerung
220Zurawski, Nils, 1998a, http://www.uni-muenster.de/Soziologie/Home/zurawski/imd98.htm
221Er meint damit, daß die Globalisierung zunehmend das wichtigste Argument in sozio-ökonomischen und
politischen Debatten geworden ist. Es wird in Bezug auf die Kommunikation unreflektiert eine globale
Vernetzung und Kommunikation aller mit allen angenommen. Vgl. Zurawski, Nils, 1998a, http://www.unimuenster.de/Soziologie/Home/zurawski/imd98.htm, vgl. hierzu auch Kapitel 5.2 unserer Arbeit
222Vgl. Noam, Eli, 1998, S. 156
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keinerlei Chance haben, an diesem vermeintlich allumfassenden globalen Dorf
teilzuhaben, schon allein weil die technischen Voraussetzungen dafür nicht gegeben sind.
„Dabei lassen sich an der Verbreitung von Telephon und Internet sowie bis zu einem
gewissen Grad auch am Fernsehen die Widersprüche eines solchen Narrativ aufzeigen,
denn die Verteilung dieser Technologien ist nicht gleichmäßig, sondern konzentriert sich
in besonderem Maße auf den sogenannten ,Norden’ dieser Erde.“223
5. Gesellschaftliche Veränderungen: Auf dem Weg
zur Informationsgesellschaft
5.1 Öffentlichkeit
Auf den ersten Blick scheint Öffentlichkeit ein äußerst unscharfer, schwammiger Begriff224
zu sein, der in unterschiedlichen Zusammenhängen diskutiert wird.
Wenn man sich jedoch etwas näher mit dem Begriff der Öffentlichkeit beschäftigt, fällt auf,
daß es vor allem zwei große historische Leitbilder gibt, die in diesem Zusammenhang
immer wieder auftauchen und das, was man heute unter Öffentlichkeit versteht nachhaltig
beeinflussen. Gerade auch bei der Öffentlichkeitsdiskussion des Internets stößt man
immer wieder auf diese zwei miteinander eng verwandten Leitbilder. Diese zwei Ansichten
von Öffentlichkeit möchten wir deshalb im folgenden kurz vorstellen, bevor wir auf die
Hoffnungen und auch Befürchtungen eingehen, die mit Massenmedien ganz allgemein
und dem Internet insbesonderen und dessen Einfluß auf die Öffentlichkeit verbunden
sind.
5.1.1 Die Agora
Eines dieser wichtigen Leitbilder hat seine Ursprünge in der griechischen Antike. Die
griechische Agora, der Marktplatz auf dem das gesamte politische öffentliche Leben
ablief, war der Platz, an dem die Bürger sich versammelten und miteinander
kommunizierten. Hier wurden über die Belange der Polis (Stadtstaat) diskutiert. Das
bedeutete, daß „alle Angelegenheiten vermittels der Worte, die überzeugen können
223Ebd.
224Vgl. Roesler, Alexander, 1997, S. 173f.
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geregelt werden und nicht durch Zwang oder Gewalt“.225 Öffentlichkeit konstituierte sich
„im Gespräch (lexis), das auch die Form der Beratung und des Gerichts annehmen kann,
ebenso wie im gemeinsamen Tun (praxis)“.226 Das Herz der Urdemokratie konstituierte
sich dem Mythos zufolge auf diesem Platz.
Interessant erscheint uns, daß im alten Griechenland der Besitz die Bedingung war, um
am öffentlichen Leben teilzunehmen. Nur der Bürger, dessen Rückhalt die Hauswirtschaft
bildet, der also gleichzeitig auch Hausherr ist, kann am öffentlichen Leben teilnehmen.
Das ist unserer Meinung nach bis heute letztendlich so geblieben. Armut und Reichtum
bestimmen zwar nicht mehr ausschließlich über die Teilnahme am Öffentlichen Leben,
Besitz bedeutet aber in der Regel Macht und hat damit immer noch einen großen
Einfluß.227
Der Mythos der Agora ist ein Bild, dem wir gerade heute wieder verstärkt im
Zusammenhang mit den Möglichkeiten des Internets begegnen. Global village und
elektronische Agora sind zwei der mit der antiken Demokratie beziehungsweise ihrem
Mythos verbundene Metaphern, die explizit oder implizit immer wieder auftauchen. Mit
dem Internet sind unter anderem Hoffnungen verbunden, daß durch die Aufhebung von
Raum ein weltweites globales Dorf mit athenischen Merkmalen entstehen könnte. So
vertritt Al Gore den euphorischen Standpunkt, daß die aus der „Globalen InformationsInfrastruktur“ (GII) resultierende direkte Demokratie und Partizipationsmöglichkeiten für
die BürgerInnen gar zu einem Wiederbeleben der athenischen Demokratie führen wird.
„The GII will not only be a metaphor for a functioning of democracy, it will in fact promote
the functioning of democracy by greatly enhancing the participation of citizens in decisionmaking. And it will greatly promote the ability of nations to cooperate with each other. I
see a new Athenian Age of democracy forged in the fora the GII will create.“228
Noch viel häufiger aber als auf diesen doch sehr alten Öffentlichkeitsbegriff trifft man, im
Zusammenhang mit Partizipation, solche Konzepte, Erwartungen und Theorien an,
Alexander, 1997, S. 175
226Habermas, Jürgen, 1962, S. 15
227Vgl. Geser, Hans, 1998, http://socio.ch/intcom/t_hgeser06.htm
228Gore, Al, 1994, Rede vor der Versammlung der International Telecommunications Union am 21.3.1994
in Buenos Aires, zit. nach Löffelholz, Martin, 1999, S. 263
67
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welche sich auf den Öffentlichkeitsbegriff beziehen, den Jürgen Habermas 1962
entwickelt hat und der auf historisch ältere Formen (Agora) verweist.
5.1.2 Bürgerliche Öffentlichkeit
Das zweite große Leitbild beschreibt Jürgen Habermas in seinem Buch „Strukturwandel
der Öffentlichkeit“. Dort stellt er die Entwicklung der bürgerlichen Öffentlichkeit seit dem
siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert dar, benennt damit die aufklärerischen Ideale
der Öffentlichkeit und beschreibt daraufhin den Zerfall und Niedergang der Öffentlichkeit
im zwanzigsten Jahrhundert. Jürgen Habermas hat ein normatives Verständnis von
Öffentlichkeit, welches sich auf die Annahme gründet, daß Öffentlichkeit in einer
Demokratie eine bestimmte Funktion zukommt. Öffentlichkeit beschreibt Jürgen
Habermas zufolge diejenigen Kommunikationsbedingungen „unter denen eine diskursive
Meinungs und Willensbildung eines Publikums von Staatsbürgern zustande kommen
kann.“229
Laut Jürgen Habermas läßt sich das Ideal der bürgerlichen Öffentlichkeit als „Sphäre der
zum Publikum versammelten Privatleute begreifen“,230 die frei von Standesunterschieden
miteinander diskutieren231 und zwar auf der alleinigen Basis der „Autorität des
Arguments“.232 Jürgen Habermas geht also davon aus, daß Meinungsverschiedenheiten
und Konflikte, aufgrund des beidseitigen Interesses der beteiligten Konfliktparteien an
einer Lösung, rational und argumentativ geregelt werden. Der öffentliche Raum wird hier
streng von der privaten Sphäre getrennt. Das Private ist nicht öffentlich.233
Ein weiteres zentrales Merkmal der Öffentlichkeit, wie Habermas sie versteht, ist die
allgemeine Zugänglichkeit für alle Mitglieder der Gesellschaft. Von Öffentlichkeit kann laut
Habermas nur gesprochen werden, wenn dieses normative Prinzip verwirklicht ist. „Die
bürgerliche Öffentlichkeit steht und fällt mit dem Prinzip des allgemeinen Zugangs. Eine
Öffentlichkeit, von der angebbare Gruppen eo ipso ausgeschlossen wären, ist nicht nur
229Habermas, Jürgen, 1990, S. 38
230Habermas, Jürgen, 1962, S. 42
231Vgl. ebd. S. 52
232Ebd. S. 52
233Claus Leggewie betont, daß der Gebrauch des Internets paradoxerweise vor allem in der Vernetzung der
privaten Späre besteht, welche die klassischen Öffentlichkeitstheorien als nicht öffentlich bezeichnen.
Vgl. Leggewie, Claus, 1998, S. 43
68
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etwa unvollständig, sie ist vielmehr gar keine Öffentlichkeit.“234 Um den allgemeinen
Zugang zu gewährleisten müssen die sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen so
beschaffen sein, daß der Zugang prinzipiell jedermann möglich ist. „Öffentlichkeit ist dann
garantiert, wenn die ökonomischen und sozialen Bedingungen jedermann gleiche
Chancen einräumen, die Zulassungskriterien zu erfüllen: eben die Qualifikationen der
Privatautonomie, die den gebildeten und besitzenden Mann ausmachen, zu erwerben.“235
Hier wird spätestens deutlich, daß eine solche allumfassende Öffentlichkeit in unserer
ausdifferenzierten Gesellschaft mit ihren vielen unterschiedlichen Lebenslagen und
großen strukturellen Ungleichheiten, sowohl geschichtlich eine Utopie war, als auch heute
immer noch ist. Momentan zumindest entsprechen diese Ideale keinesfalls der Realität.
Anzumerken ist hier, daß Jürgen Habermas im Vorwort zur Neuauflage 1990 des Buches
„Strukturwandel der Öffentlichkeit“ sein Verständnis der Öffentlichkeit dahingehend
präzisiert, daß auch schon früher verschiedene konkurrierende Öffentlichkeiten
existierten, daß die bürgerliche Öffentlichkeit zwar die hegemoniale war, daneben aber
andere subkulturelle oder klassenspezifische Öffentlichkeiten auftraten.236 Auch in der
neueren Literatur wird nicht mehr von einem einheitlichen Publikum, welches die
Öffentlichkeit bildet, ausgegangen.
Durch die Zunahme von unterschiedlichen Foren237 kommt es zu einer zunehmenden
Fragmentierung der Öffentlichkeit in viele verschieden Gruppierungen. Die allumfassende
Öffentlichkeit ist und war wahrscheinlich schon immer ein Mythos, heute jedenfalls
besteht moderne Öffentlichkeit aus einer „Vielzahl von kleinen und großen Foren, die nur
noch zum Teil miteinander gekoppelt sind“.238 Es ist nun anzunehmen, daß sich auch im
Internet nicht nur eine Öffentlichkeit konstituiert, sondern viele verschiedene, aus den
jeweiligen Lebenslagen und Interessen der Menschen sich ergebende Teilöffentlichkeiten.
234Ebd. S. 107
235Ebd. S. 108
236Vgl. Habermas, Jürgen, 1990, S. 15f.
237Dies können beispielsweise verschiedene Medienangebote sein, die privaten Fernsehsender spielen
hier eine große Rolle, aber auch die Zunahme von Printmedien und Hörfunkssendern verstärkt diesen
Trend. Vgl. Marschall, Stefan, 1999, S. 114f.
238Gerhards, Jürgen/Neidhards, Friedhelm, Berlin 1990, Strukturen und Funktionen moderner Öffentlichkeit.
Fragestellung und Ansätze. Discussion Paper WZB. S. 19. Zit. nach: Marschall, Stefan, 1999, S. 115
69
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Trotz der Verklärungen und Verkürzungen, die man am Öffentlichkeitsbegriff von Jürgen
Habermas kritisieren kann239, scheinen uns die oben beschriebenen Ideale geeignet zu
sein, das Internet und die sich dort entwickelnden Öffentlichkeit(en) kritisch zu betrachten.
Aus diesen von Jürgen Habermas beschriebenen idealen und normativen Merkmalen von
Öffentlichkeit lassen sich Merkmale für ein Netz, welche die optimalen
Kommunikationsbedingungen für eine Öffentlichkeit bietet, direkt ersehen.
Folgende idealen Merkmale muß Öffentlichkeit Jürgen Habermas zufolge haben:
• Gleichheit aller beteiligten Menschen in der Öffentlichkeit (von sozialen Rängen/vom
Status wird abgesehen)
• Jeder Mensch muß Zugang zur Öffentlichkeit haben
• Meinungs- und Willensbildung geschieht durch rationales Austauschen von Argumenten
• prinzipielle Unabgeschlossenheit des Publikums, d.h.
• prinzipiell alles kann Gegenstand der Diskussion in der Öffentlichkeit werden,
bestimmte Themen bleiben nicht ausschließlich Autoritäten überlassen, die
Öffentlichkeit befaßt sich mit allen Lebensbereichen und ihren Bedingungen.
Diese Merkmale wollen wir bei der Betrachtung von Netzöffentlichkeiten im Hinterkopf
behalten.
Tatsächlich sehen viele AutorInnen diese Prinzipien im Internet zumindest als Möglichkeit
angelegt240. Man muß sich aber vergegenwärtigen, daß sich die Hoffnungen in der Regel
auf technische Potentiale stützen, welche selbst nicht viel über die tatsächliche
Entwicklung und Nutzung aussagen, was ja auch schon in den vorangegangenen Kapiteln
deutlich geworden ist.
5.1.3 Aufgabe und Funktion der Öffentlichkeit
Idealerweise ist die Aufgabe der Öffentlichkeit, beziehungsweise der in der Öffentlichkeit
über Diskurse erzeugten kommunikativen Macht, Probleme gesellschaftlicher Relevanz
anzusprechen, Beiträge zu Problemlösungen zu bieten und steuernd, regulierend und
kontrollierend auf die staatlichen Institutionen und politischen Entscheidungsträger
einzuwirken.
239Vgl. hierzu zum Beispiel Schlegel, Adelheid, 1999 und Negt, Oskar/Kluge, Alexander, 1977
70
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Der von Habermas beschriebene Strukturwandel der Öffentlichkeit241 fand seinen
Höhepunkt mit der zunehmenden Kommerzialisierung und der Verdichtung des
Kommunikationsnetzes, mit dem wachsenden Kapitalaufwand und Organisationsgrad der
nötig wurde, um diese Kommunikationsnetze zu betreiben. Die Folge war ein immer
stärkeres kanalisieren der Kommunikationswege und eine drastische Abnahme der
Zugangschance zur öffentlichen Kommunikation. Durch diese Entwicklungen entstand
Jürgen Habermas zufolge eine „Medienmacht, die manipulativ eingesetzt, dem Prinzip der
Publizität seine Unschuld raubte.“242 Es kam zur Entwicklung einer „vermachteten
Öffentlichkeit“, „in der mit Themen und Beiträgen nicht nur um Einfluß, sondern um eine in
ihren strategischen Intentionen möglichst verborgene Steuerung verhaltenswirksamer
Kommunikationseinflüsse gerungen wird.“243 Öffentlichkeit ist damit nur noch in
pervertierter Form vorhanden und ihrer eigentlichen Funktion zunehmend beraubt worden.
Stefan Marschall244 zufolge hat Öffentlichkeit in einer Gesellschaft folgende Funktionen:
Validierung, Transparenz und Orientierung. Öffentlichkeit dient zum einen dazu, eine
möglichst komplette Wahrnehmung von den in der Gesellschaft vertretenden Meinungen
und Themen zu gewährleisten (Transparenz). Durch die Konfrontation mit
gegensätzlichen Meinungen soll in einem diskursiven Prozeß die eventuelle Revision der
eigenen Meinung erfolgen können (Validierung). Öffentlichkeit hat außerdem die Aufgabe,
öffentliche Meinungen zu bilden, welche als Handlungsorientierung für politische
Entscheidungen fungieren können (Orientierung).
Der Zusammenhang von Öffentlichkeit und Partizipation liegt zum einen darin, daß über
die Öffentlichkeit, Kenntnisse über gesellschaftlich relevante Themen, Mißstände,
politische Themen und auch über mögliche Verfahren der Beteiligung vermittelt werden.245
Damit können Vorbedingungen für eine politische aber auch allgemein gesellschaftliche
240Vgl. Leggewie, Claus, S. 40ff.
241Vgl. Habermas, Jürgen, 1962
242Habermas, Jürgen, 1990, S. 28
243Ebd.
244Er bezieht sich dabei auf Neidhardt, Friedhelm, Opladen 1994, Öffentlichkeit, öffentliche Meinung,
soziale Bewegungen. S. 7-41. In: Neidhardt, Friedhelm (Hrsg.), Opladen 1994, Öffentlichkeit, öffentliche
Meinung, soziale Bewegung. Vgl. Marschall, Stefan, 1999, S. 111
245Vgl. Marschall, Stefan, 1999, S. 111
71
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Partizipation geschaffen werden.246 Politische Kommunikation in der Öffentlichkeit kann
aber auch selbst Partizipation sein, „damit wird Öffentlichkeit zu einem
Partizipationsraum“.247 Öffentlichkeit kann durch Informationsbereitstellung beispielsweise
zur Kontrolle von Machtausübung benutzt werden, und so eventuell einen
Machtmißbrauch verhindern. Das Herstellen von Öffentlichkeit, also Öffentlichkeitsarbeit,
ist geeignet um bestimmte Themen und Probleme, die in der allgemeinen Wahrnehmung
gar nicht vorhanden sind, in das Bewußtsein der Menschen zu bringen. Themen und
Probleme können in der Öffentlichkeit eventuell erst politisiert werden und auf diese
Weise kann versucht werden, indirekt über öffentliche Willensbildung auf politische
Entscheidungen Einfluß zu nehmen, beziehungsweise sie zu erzwingen. Auch hierbei
handelt es sich in der Regel um indirekte und unverbindliche und damit relativ schwache
Formen der Partizipation. Öffentlichkeit kann aber auch, wie ja schon Jürgen Habermas
deutlich gemacht hat, von Medienverbünden und mächtigen politischen Akteuren zur
Manipulation der öffentlichen Meinung eingesetzt werden, indem sie kommunikative
Macht anhäufen und diese gezielt zur Durchsetzung ihrer eigenen Interessen und
Programme nutzen.
5.1.4 Öffentlichkeit und Medien
In unserer Gesellschaft sind Medien faktisch die Öffentlichkeit248, beziehungsweise
konstituieren diese Öffentlichkeit zumindest, indem sie schon seit geraumer Zeit den
politischen Diskurs tragen.249 Massenmedial vermittelte Öffentlichkeit gilt zumindest als
die dominate Öffentlichkeitsebene.250
Wichtig ist zunächst die Unterscheidung welche Art von Öffentlichkeiten ein Medium
konstituiert. Martin Hagen und Herbert Kubicek unterscheiden die drei
Entwicklungsstufen: Binnenöffentlichkeit, Teilöffentlichkeit und globale Öffentlichkeit,
welche sich hinsichtlich des Grades der Zugänglichkeit, Verfügbarkeit und dem jeweiligen
246Es handelt sich hier um eher schwache, unverbindliche Partizipationsformen, die aber im politischen
Prozeß durchaus wichtig sind. Vgl. Vilmar, Fritz, 1973, S. 162 ff. und Kapitel 2.1
247Marschall, Stefan, 1999, S. 111
248Vgl. Poster, Mark, 1997, S. 164
249Vgl. ebd. S. 169f.
250Vgl. Marschall, Stefan, 1999, S. 113
72
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Institutionalisierungsgrad der Medien unterscheiden.251 Binnenöffentlichkeit bilden
zunächst jene technikbegeisterten Menschen,252 welche sich um eine medientechnische
Innovation versammeln. Die Kommunikationsinhalte beziehen sich dabei meist auf die
Technik selbst, die Verständigung wird mithilfe von informellen Normen geregelt.
„Gegenüber der bisherigen Gesellschaft ist diese Gruppierung weitgehend abgegrenzt,
teils aus eigenem Bestreben, teils aus Unverständnis der Gesellschaft.“ Im Personenkreis
der InternetentwicklerInnen und ihres Umkreises hatte politische Partizipation eine hohe
Bedeutung, was zum einen an ihrem hohen Bildungsgrad aber auch an ihrer Vorliebe für
liberative und direktdemokratische Politikformen lag.253 Das Stadium der
Teilöffentlichkeiten wird eingeleitet, wenn die AkteurInnen der Phase der
Binnenöffentlichkeit ihr „Medium der Gesellschaft nutzbar machen wollen, oder wenn
Wirtschaft und Politik einen Nutzen in der weiteren Verbreitung des betreffenden Mediums
sehen“.254 Aus der technischen Bastlerwerkstatt werden Produkte gemacht und auf der
inhaltlichen Ebene wird ein Verständigungsmanagement aufgebaut, welches über das
bisherige hinausgeht. Ganz allgemein muß der Zugang zu dem entsprechenden Medium
erleichtert werden, damit eine größere Anzahl von NutzerInnen erreicht werden kann.
Dieser Schritt ist beim Internet spätestens mit der Entwicklung des WWW vollzogen
worden, so daß man hier zumindest von Teilöffentlichkeiten ausgehen kann. Globale
Öffentlichkeit wird erreicht, wenn das Medium das Stadium eines Massenmediums
erreicht hat und so viele verschieden Teilöffentlichkeiten erreicht werden. Auf der
technischen Ebene muß dazu nochmals der Zugang und die Handhabung erleichtert
werden und auf der inhaltlichen Ebene ist eine ausdifferenzierte Struktur und ständige
Anpassung an das Verhältnis von speziellen Interessen und verbindenden Klammern
nötig.255 Wichtig für eine breite Nutzung sind hier auch „technische und kognitive
251Vgl. Hagen Martin/Kubicek, Herbert, 1999, http://www.fgtk.informatik.unibremen.de/hagen/partizipation/home.html
252Diese technikbegeisterten Menschen werden oft auch early adoptors genannt. Neugierde, Spieltrieb,
Pioniergeist und ähnliche Motivationen führen zu einem Ausprobieren unterschiedlicher Nutzungsformen.
253Diese Normen und Werte haben ihren Eingang auch in die von diesen early adaptors weiterentwickelte
Technik gefunden. Insofern gehen viele Hoffnungen auf das demokratisierende Potential auf diese Zeit
zurück.
254Hagen Martin/Kubicek, Herbert, 1999, http://www.fgtk.informatik.unibremen.de/hagen/partizipation/home.html
255Ebd.
73
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Infrastrukturen, die ein Medium erst zum Massenmedium machen.“256 Zur technischen
Infrastruktur des Massenmedium Fernsehens gehört beispielsweise ein 24-StundeWartungsdienst und ein Angebot entsprechender Möbel. Zur inhaltlichen Seite zählen
zum Beispiel spezielle rechtliche Regelungen, Fernsehzeitschriften „und vor allem eine
vollständige Einbettung in die Alltagsroutinen der Nutzenden, die zu einer entsprechenden
Nutzungskultur und Organisation des Alltags führt.“257 Zu Bedenken ist also, daß das
Internet folglich noch nicht den Kriterien eines Massenmediums entspricht (zu geringe
Nutzerzahlen!) und damit ist die Öffentlichkeit die mit seiner Hilfe geschaffen werden kann
natürlich begrenzt. Dies könnte sich aber schon bald ändern, denn es kommt zu einer
zunehmenden Verschmelzung (Konvergenz) von herkömmlichen Medien mit dem
Internet. Zudem benutzen herkömmliche Medien das Internet als Informationslieferant, so
daß Themen durchaus den Sprung in die herkömmliche massenmediale Öffentlichkeit
schaffen können.
Weil sich die neuen Möglichkeiten. die aus der zunehmenden Konvergenz der neuen
elektronischen Medien (für diese Entwicklung steht momentan das Internet) erwachsen,258
äußerst positiv auf die Öffentlichkeit und damit auch auf die Partizipationsmöglichkeiten
der BürgerInnen auswirken könnten, und damit unserer Meinung nach direkt auf die
Qualität der Demokratie, sind Fragen nach dem verändernden Potential der neuen
Entwicklungen wichtig.
„Daß in letzter Zeit dieses Thema wichtig wird, liegt an der heiklen Abhängigkeit der
Öffentlichkeit von neuen Technologien. Die Frage nach der verändernden Wirkung wird
da wichtig, wo Technologie die Diskussion über sich selbst berührt und beeinflußt. Eine
Demokratie, deren eines wesentliche Element Öffentlichkeit ist, muß die Debatte darüber
führen, noch bevor alle Weichen endgültig gestellt sind.“259
Öffentlichkeit, Medien und damit auch neue Medientechnologien (wie das Internet) sind in
unserer Zeit also zweifellos aufs engste miteinander verknüpft.260 Gleichzeitig lassen sich
256Ebd.
257Ebd.
258Vgl. Kapitel 3.2
259Roesler, Alexander, 1997, S. 172
260Vgl. Poster, Mark, 1997, S. 169
74
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jedoch die zukünftigen gesellschaftlichen Wirkungen und der Einsatz von neuen
Technologien, wie uns die Geschichte gelehrt hat, nicht klar abschätzen. Trotzdem muß
heute die Diskussion darüber stattfinden, welche Entwicklungen zu bevorzugen wären,
welche neuen Möglichkeiten zu fördern sind, bevor Wege eingeschlagen werden, die das
Internet beziehungsweise seine nachfolgenden Technologien auf die einseitigen
Kommunikationsstrukturen herkömmlicher Massenmedien zurechtstutzt, was die totale
Kommerzialisierung und die Entwicklung oder Umgestaltung des potentiellen pull
Mediums (die das Internet seit seinen Anfängen darstellt) in ein weiteres push Medium
wie Radio oder Fernsehen, bedeuten würde. Wie in Kapitel 5.2 „Globalisierung“ noch
ausführlich dargelegt wird, ist dies in der Tat die momentane Entwicklungsrichtung des
Netzes und daraus ergeben sich natürlich in Bezug auf die euphorischen Hoffnungen die
im folgenden besprochen werden drastische Einschränkungen. Die Globalisierung und mit
ihr verbundene Entwicklungen schränken die Potentiale von denen hier die Rede ist
natürlich drastisch ein. Auch mögliche negative Auswirkungen der neuen
Medientechnologien müssen in diesem Zusammenhang mitbedacht werden.261
Die alten Massenmedien stehen schon seit längerem im Verdacht isolierend,
kontrollierend und damit auch entpolitisierend auf die Menschen zu wirken, „indem sie die
herkömmlichen Orte politischen Geschehens verdrängen; neben anderen Formen
elektronischer Kommunikation spielt das Fernsehen hier eine besondere Rolle“.262 Auch
Hans Geser weist darauf hin, daß herkömmliche Massenmedien mit ihrer radialen
Einwegkommunikation (von einem aktiven Sender zu vielen passiven Empfängern)
zweifellos dazu geeignet sind, durch Werbung, Propaganda, oder aber auch durch
Selektion des Angebots, den „Einfluß von Eliten und die Autorität zentralistischer
Machtstrukturen zu unterstützen“.263 Verstärkt wird diese Tendenz heute vermehrt durch
ökonomische Zwänge, die dazu führen, daß kleine Medienunternehmen aus dem Markt
gedrängt oder aufgekauft werden, was schon heute zur Bildung von mächtigen
Medienmonopolen264 geführt hat. Durch diese Zentralisierung beziehungsweise
261Vgl. Kapitel 4
262Poster, Mark, 1997, S. 165
263Geser, Hans, 1998, http://socio.ch/intcom/t_hgeser06.htm
264Vgl. Kapitel 5.2
75
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„Vermachtung“265 der Medienöffentlichkeit kommt es zu einer extremen
Ungleichheitsverteilung bei den Zugangschancen zu öffentlichen Meinungsäußerungen.
Diese Ungleichheit korreliert Hans Geser zufolge direkt mit dem Umfang an privatem
Kapitaleigentum und Zugang zu politischen Machtquellen.266
Oskar Negt und Alexander Kluge zeigen aus marxistischer Sicht am Beispiel des
öffentlich- rechtlichen Fernsehens wie Massenmedien die Partizipation breiter
Gesellschaftsschichten verhindern und damit herrschaftsstabilisierend wirken.
Massenkommunikation und insbesondere das Fernsehen ist ihrer Meinung nach in der
nachbürgerlichen Gesellschaft dadurch gekennzeichnet, daß es „auf die Abstrahlung
generalisierter Programme beschränkt“267 bleibt und damit einer die bürgerliche
Öffentlichkeit bestimmenden Norm folgt, die sie schon immer daran gehindert habe
„unmittelbare Lebensinteressen in ihren verallgemeinerten Normenkatalog
aufzunehmen“.268 Herkömmliche Massenmedien können und wollen also den vielfältigen,
aus den jeweiligen unterschiedlichen gesellschaftlichen Lebensumständen erwachsenen,
wirklichen Interessen und Bedürfnissen nicht nachkommen. Sie weisen darauf hin, „daß
das Fernsehen in dieser generalisierten Form der Kommunikation mit den Zuschauern
deren Bedürfnisse und Interessen nicht im emanzipatorischem Sinne entfalten kann“.269
Was schon bei den öffentlich rechtlichen Massenmedien ein Problem war, tritt heute in
Zeiten der privaten Fernsehsender noch viel deutlicher zutage. Der Versuch eine
möglichst breite und damit große Zuschauerzahl zu erreichen, also eine möglichst hohe
Zuschauerquote zu erzielen um maximalen Profit zu erwirtschaften, hat unserer Meinung
nach noch einen viel stärkeren generalisierenden und damit auch letztendlich
verflachenden Effekt als von Oscar Negt und Alexander Kluge am Beispiel der öffentlichrechtlichen Fernsehanstalten beschrieben. In der Tat ist es heute so, daß für eine kleine
privilegierte und gebildete Minderheit die Massenmedien Zugang zu „qualifizierten und
raffinierten Formen politischer und ästhetischer Kommunikation“270 bieten. Jedoch werden
die meisten Menschen zunehmend auf „Angebote der Massenkultur und des
265Vgl. Habermas, Jürgen, 1990, S. 27f.
266Vgl. Geser, Hans, 1998, http://socio.ch/intcom/t_hgeser06.htm
267Negt, Oskar/Kluge, Alexander, 1977, S. 176
268Ebd. S. 176
269Vgl. ebd. S. 177
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Infotainments, die auf leichte Befriedigung oberflächlicher Unterhaltungsbedürfnisse
zielen“,271 beschränkt. Diese Entwicklung hat nicht unerheblich dazu beigetragen, daß
eine tiefere Auseinandersetzung mit Welt und Gesellschaft nicht stattfindet. Die Mehrheit
der NutzerInnen der Massenmedien sind damit aber „faktisch weitgehend von seriöser
öffentlicher – politischer wie kultureller – Kommunikation“272 und damit von
gesellschaftlicher und politischer Partizipation ausgeschlossen.
Fernsehen oder die heutige Videotechnik, als technisch erweiterte Sinneswahrnehmung,
wird Alexander Negt und Oscar Kluge zufolge meistens zu Kontrollzwecken
(Verkehrsüberwachung, militärische Nutzung, Produktionsprozesse) und heute auch zu
privater Kommunikation (Videokonferenzen oder ähnlichem) eingesetzt. Die nicht
programmgesteuerte Kommunikation mit solchen Techniken erfolgt laut Oscar Negt und
Alexander Kluge jedoch durchweg nicht öffentlich. „Hier wird deutlich, welche Grenzen der
bürgerliche Begriff von Öffentlichkeit der Entfaltung der menschlichen Kommunikation
zieht. Technisch lassen sich die Fernsinne in Bewegung setzen; ideologisch, in den
Verfügungsverhältnissen und in der Beschränktheit der unentfalteten
Zuschauerbedürfnisse wird jedoch als feststehend angenommen, daß Telekommunikation
entweder privat (Telefon) oder doch nicht-öffentlich (Generalstabsvideo) oder aber, wenn
sie sich auf Massen bezieht, durch Programm kontrolliert erfolgt.“273
Im Sinne von Oscar Negt und Alexander Kluge müßte die Idee einer bürgerlichen
(Medien-) Öffentlichkeit, in der (wie ja schon kurz dargestellt) die Interessen und
Bedürfnisse aller Menschen wiederzufinden sind, zugunsten einer pluralistischen Form
von Öffentlichkeit beziehungsweise Gegenöffentlichkeit aufgegeben werden, denn
„Produkte lassen sich nur wirksam durch Gegenprodukte widerlegen“.274 Um dies zu
erreichen bedürfte es aber eines interaktiven Telekommunikationsmediums, bei dem die
EmpfängerInnen nach ihren eigenen Bedürfnissen und Interessen auswählen können was
sie interessiert, ja sogar die Themen selbst bestimmen könnten. Gefordert ist ein Medium
270Enquete-Kommission Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft, 1998, Sondervotum der PDS,
S. 155
271Ebd.
272Ebd.
273Negt, Oskar/Kluge, Alexander, 1977, S. 178f.
274Ebd. S. 181
77
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bei dem die herkömmlichen Grenzen von Sender und Empfänger aufgehoben sind, d.h.:
Die Menschen selbst könnten hier öffentlich Stellung beziehen, könnten sich mit
Gleichgesinnten austauschen, könnten Gegenöffentlichkeiten konstituieren und hätten
damit die Möglichkeit konkurrierenden Meinungen öffentlich zu widersprechen.
Berthold Brecht erkannte schon in den dreißiger Jahren, als der Rundfunk sich etablierte,
die möglichen positiven Auswirkungen eines den echten Dialog ermöglichenden
Massenmediums auf die Öffentlichkeit. „Der Rundfunk ist aus einem Distributionsapparat
in einen Kommunikationsapparat zu verwandeln. Der Rundfunk wäre der denkbar
großartigste Kommunikationsapparat des öffentlichen Lebens, ein ungeheueres
Kanalsystem, d.h. er wäre es, wenn er es verstände nicht nur auszusenden, sondern
auch zu empfangen, also den Zuhörer nicht nur hören, sondern auch sprechen zu
machen und ihn nicht zu isolieren, sondern in Beziehung zu setzen. Der Hörfunk müßte
demnach aus dem Lieferantentum herausgehen und den Hörer als Lieferanten
organisieren. Deshalb sind alle Bestrebungen des Rundfunks, öffentliche
Angelegenheiten auch wirklich den Charakter von Öffentlichkeit zu verleihen, absolut
positiv.“275 Der neue Rundfunk, wie ihn sich Bertold Brecht vorstellt, würde zu einer
größeren Bürgerbeteiligung bei Regierungsgeschäften führen, er könnte dazu führen, „die
Berichte der Regierenden in Antworten auf die Fragen der Regierten zu verwandeln. Der
Rundfunk muß den Austausch ermöglichen.“276
Eine solche entfaltete Telekommunikation würde eine Erweiterung der Sinne, und damit
„der unmittelbaren Erfahrung der Menschen beinhalten, wie sie dem tatsächlichen Grad
der gesellschaftlichen Kooperation entspricht.“277 Oscar Negt und Alexander Kluge halten
diese technisch unterstützte Erweiterung der Wahrnehmungsfähigkeit für eine
Voraussetzung jeder wirklichen gesellschaftlichen Veränderung. Selbstbestimmung läßt
sich nur sinnvoll verwirklichen, „durch die Erweiterung des Bereichs der unmittelbaren
Erfahrung“,278 weil sich nur damit das Problem, daß man zwar seine eigenen Verhältnisse
275Bertold Brecht, Der Rundfunk als Kommunikationsapparat. S. 553. In: W. Hecht u.a, Berlin/Weimar/
Frankfurt a. M.. 1992, Werke. Große kommentierte Berliner und Frankfurter Ausgabe. Zit. nach Roesler
Alexander, 1997, S. 179f.
276Negt, Oskar/Kluge, Alexander, 1977, S. 180
277Ebd. S. 179
278Ebd.
78
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und Interessen kennt, aber von der übrigen Welt zuwenig weiß, lösen läßt.279 Gerade in
unserer heutigen immer schwerer zu durchschauenden Welt und Gesellschaft mit ihren
zahllosen globalen Verflechtungen scheint diese so verstandene Sinneserweiterung
unumgänglich, um die Voraussetzungen für Partizipation und Einflußnahme zu erhalten.
5.1.5 Internet und Öffentlichkeit
Wie weiter oben schon mehrfach angedeutet wurde280 scheint nun das Internet, zumindest
aus rein technologischer Sicht, viele der oben beschriebenen Nachteile der alten
beziehungsweise älteren Medienformen zu überwinden, sowie aus rein technologischer
Sicht zumindest die idealen Kriterien für Öffentlichkeit zu erfüllen. So wird von vielen
verschiedenen AutorInnen immer wieder im Zusammenhang mit dem Begriff der
Öffentlichkeit auf das Internet und auf neue Möglichkeiten der Partizipation und der
daraus folgenden Demokratisierung verwiesen. Mark Poster etwa weist explizit auf das
Internet als „dezentrale und damit auch demokratische Kommunikationsstrukturen“281
fördernde Technik hin. Auch Hans Geser ist der Meinung, daß „in der neuen
aequilibrierteren Kommunikationsstruktur eher Elemente der diskursiven Meinungsbildung
und der plebiszitären Abstimmung in den Vordergrund treten“282 werden und damit
Öffentlichkeit in einer neuen Form möglich werden wird. Er glaubt weiter, daß die neuen
globalen Computernetze wegen ihrer objektiven technischen Merkmale dazu geeignet
sind den „zentripetalen-homogenisierenden Wirkungen“ der alten Massenmedien ein
„zentrifugal-außerinstitutionelles Korrektiv“ entgegenzusetzen, und daß nach einer
Ausschöpfung dieser Potentiale in unserer Gesellschaft eine große Nachfrage besteht.
Außerdem erwartet er einen von den Computernetzen induzierten „Strukturwandel der
politischen Öffentlichkeit“, „der sich auf alle Aspekte und Phasen politischer
Kommunikation“283 erstrecken wird. Die mögliche Schaffung einer globalen kritischen
Öffentlichkeit gegenüber einer globalisierten Wirtschaft und Politik wird in Kapitel 5.2 noch
ausführlicher dargelegt.
279Vgl. ebd.
280Vgl. Kapitel 3.2
281Poster, Mark, 1997, S. 147
282Geser, Hans, 1996b, http://www.uniz.cg/~geserweb/komoef/ftext.html
79
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Howard Rheingold glaubt, daß die „hierarchieauflösenden, entmassifizierenden
Wirkungen von Computerkommunikationsnetzwerken“ zu einer „Wiederbelebung der
Öffentlichkeit“ führen könnten.284 Das Internet verstärkt zudem den Trend der weiter oben
ja schon beschriebenen Fragmentierung der Öffentlichkeit in viele Teilöffentlichkeiten.
Diese Aufteilung in viele verschiedene Öffentlichkeiten kann durchaus einen
gesellschaftlichen Gewinn bedeuten.285 Menschen, die sich in den vorherrschenden
Öffentlichkeiten nicht wiederfinden können sich über Online-Öffentlichkeiten
zusammenfinden und austauschen. „Durch diese Integrationsleistung unterstützt OnlineÖffentlichkeit die Selbstorganisation der Gesellschaft und bietet Räume, innerhalb derer
sich Interessen formieren können – als eine Forum für zivilgesellschaftliche Segmente.“286
Fragmentierung kann somit dazu beitragen, daß der gesamtgesellschaftliche
Kommunikationsraum erweitert wird, wenn sie denn dazu beiträgt, daß Menschen in
Kommunikationsprozesse eingebunden werden, die „an den vorherrschenden Formen
von Öffentlichkeit nicht teilnehmen können“.287
Jedoch können diese oben genannten, von vielen AutorInnen erwarteten positiven
Auswirkungen auf die Öffentlichkeit durchaus auch bezweifelt werden. So erwartet etwa
Howard Rheingold, obwohl er als Verfechter des demokratisierenden Potentials der
Computernetze gilt, nicht zwangsläufig eine Verbesserung der öffentlichen Diskurse und
verweist auf historische Erfahrungen mit anderen Medien. „Those who see electronic
democracy advocates as naive or worse point to the way governments and private
interests have used the alluring new media of past technological revolutions to turn
democratic debate into talkshows and commercials. Why should this new medium be any
less corruptible than previous media? Why should contemporary claims for CMC as a
democratizing technology be taken any more seriously than the similar sounding claims
that were made for steam, electricity, and television?“288 Er glaubt einerseits an das
283Geser, Hans, 1998, http://socio.ch/intcom/t_hgeser06.htm
284Rheingold, Howard, 1995, S. 194
285Diese Entwicklung ist ambivalent. Es sind sowohl Vorteile als auch Nachteile auszumachen. Zu den
befürchteten Nachteilen siehe weiter unten im Text.
286Marschall, Stefan, 1999, S. 122
287Ebd. S. 123
288Rheingold, Howard, 1993, http://www.rheingold.com/vc/book/10.html
80
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partizipative und öffentlichkeits- und demokratiefördernde Potential der Computernetze
und virtuellen Gemeinschaften, verweist aber zugleich darauf, daß das letzte Wort in
dieser Entwicklung noch längst nicht gesprochen ist. Er weist auch darauf hin, daß sich
auch in Computernetzen lediglich Scheinformen eines demokratischeren öffentlichen
Diskurses etablieren könnten. „Virtual communities could help citizens revitalize
democracy, or they could be luring us into an attractively packaged substitute for
democratic discourse (...). What if these hopes for a quick technological fix of what is
wrong with democracy constitute nothing more than another way to distract the attention
of the suckers while the big boys divide up the power and the loot?“289
Gerade auch die durch das Internet noch verstärkte Fragmentierung der Öffentlichkeit und
insbesondere der politischen Öffentlichkeit wird von vielen AutorInnen als problematisch
oder zumindest von ihren Folgen ambivalent gesehen. Stefan Marschall hat diese
Befürchtungen zusammengetragen.290 So wird zum Beispiel befürchtet, daß die
„normative Integrationskraft“ von Öffentlichkeit in einer zunehmend differenzierten
Gesellschaft abnimmt. Auch Rudolf Maresch kommt zu dem Schluß, daß die Chancen für
neue demokratische Foren der Demokratie schlecht stehen. Er glaubt, daß die
„Verschaltung und Elektronifizierung der Kommunikation Entmassung, Fragmentierung
und die Singularisierung von Gruppen und Bevölkerungen weiter beschleunigen“291 wird.
Öffentlichkeit wird sich Rudolf Maresch zufolge weiter Ausdifferenzieren und Multiplizieren
und so dazu führen, daß eine unüberschaubare Zahl an Teilöffentlichkeiten entstehen
wird. Der gemeinsame Erlebnisraum wird Rudolf Maresch zufolge nur noch durch
massenmedial vermittelte Großereignisse wie Katastrophen, Weltmeisterschaften und
ähnliches hergestellt werden.292 Er sieht keinen Grund warum das in elektronischen
Netzen anders sein sollte, warum die Ökonomie der Aufmerksamkeit293 nicht auch hier zu
einer Verflachung der Öffentlichkeit führen sollte. „Weder hat es diese politische
289Ebd.
290Vgl. Marschall, Stefan, 1999, S. 123
291Maresch, Rudolf, 1999, S. 147
292Vgl. ebd.
293Damit meint er die Tatsache, daß Berichte und Meldungen der Medien nach einfachen
Wahrnehmungsmustern ausgesucht werden um sich Aufmerksamkeit zu sichern
(interessant/uninteressant, informativ/uninformativ, gut/böse, schön/häßlich), mit dem Effekt eines
universellen uninfomativen Infobreis. Vgl. Maresch, Rudolf, S. 133f.
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Öffentlichkeit je gegeben, noch gibt es eine reelle Chance, daß sie sich ausgerechnet
jetzt realisiert, wo Technik und Medien Quellen der primären Erfahrung sind und Politiken
mit Blick auf ihre mediale Wirksamkeit getroffen werden“.294
Eine weitere wichtige Aufgabe von Öffentlichkeit, nämlich Herrschaftszusammenhänge
und Prozesse zu publizieren und problematische Entwicklungen öffentlich zu machen,
kann durch die Tendenzen zur Fragmentierung gestört werden. Denn wenn nicht mehr ein
hinreichend großes Publikum erreicht wird, dann ist die Größe des öffentlichen Drucks,
die für die Kontrolle der politischen Akteure nötig ist, nicht gegeben.295 Die zunehmend
kleiner und damit machtloser werdenden aufgespalteten Öffentlichkeiten sind damit
tendenziell immer weniger geeignet bei den politischen Akteuren „antizipierenden
Sensibilität und Verletzlichkeit“ hervorzurufen.296 Für die politischen Akteure bedeutet die
zunehmende Fragmentierung zum einen die Schwierigkeit „systemische und policy
bezogenen Unterstützung zu generieren“, aber auch daß Entscheidungsprozesse einer
„umfassenden Publizität“ trotz vorhandener Öffentlichkeiten entzogen werden können.
Info-Eliten verfügen aber gleichzeitig über mehr Möglichkeiten relevante Informationen zu
sammeln „jedoch mit sinkender Fähigkeit“ der Moblilisierung.297
Moderne Öffentlichkeit und auch politische Öffentlichkeit wird auch im Internet298 dem
vorherrschenden Trend folgen und der Fragmentierung unterliegen und damit lediglich
(thematische) Teilöffentlichkeiten bilden können. Eine Öffentlichkeit, die eine
gesellschaftsumfassende Wahrnehmung aller Anliegen ermöglicht, ist und war sicherlich
Fiktion. Das haben die herkömmlichen Massenmedien nicht erreicht und das werden
sicherlich auch die Computernetze nicht erreichen können. Trotz der Bedenken die
Fragmentierung der Öffentlichkeit betreffend, ist es in einer pluralistischen, von vielen
294Maresch, Rudolf, S. 147. Er bezieht sich mit seiner Kritik direkt auf den Öffentlichkeitsbegriff von Jürgen
Habermas.
295In der Geschichte des Internets gibt es allerdings zahlreiche Beispiele, daß trotz Teilöffentlichkeit ein
genügend großer Druck auf EntscheidungsträgerInnen erzeugt werden kann. Öffentlichkeiten, welche
sich im Internet konstituieren, sind oft aufgrund ihres globalen Charakters sehr groß.
296Vgl. Marschall, Stefan, S. 123
297Ebd.
298Das Usenet und auch Mailinglisten sind ein sehr gutes Beispiel für einen thematisch in zahllose
Teilöffentlichkeiten gegliederten öffentlichen Raum. Hier bilden sich virtuelle Gemeinschaften, deren
Mitglieder sich häufig durch eine weitentwickelte Diskussionskultur und ausgeprägte Selbstorganisation
auszeichnen.
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unterschiedlichen Lebenslagen geprägten Gesellschaft unserer Auffassung nach sogar
nötig und wünschenswert, daß Interessengruppen sich in Teilöffentlichkeiten engagieren,
formieren, organisieren und austauschen können, um dann gestärkt und machtvoll auf der
politischen Bühne aktiv zu werden.
Nur durch Teilöffentlichkeiten kann den vielfältigen Lebenslagen und den daraus
resultierenden Interessen der BürgerInnen Rechnung getragen werden.
Dafür können die Computernetze durchaus, momentan leider nur für einen Teil der
BürgerInnen, einen geeigneten Rahmen bieten. Claus Leggewie kommt zum Schluß, daß
wenn die Öffentlichkeit bedroht ist, „dann weniger durch das Internet, das in Teilen als
»autonome Teilöffentlichkeit« fungiert, als vielmehr durch Machtballungen der
veröffentlichten Meinung, die schon zum Strukturwandel der klassischen Öffentlichkeit
beigetragen haben und die Autonomie der Netzwerke heute auf ähnliche Weise
bedrohen“.299 Die Enquete Kommission „Zukunft der Medien“ glaubt, daß mit der
zunehmenden Verbreitung von neuen Informations- und Kommunikationstechniken mit
einem verstärkten Auftreten von Segmentierungsprozessen und damit von
Teilöffentlichkeiten zu rechnen ist. Die Kommission ist allerdings nicht der Auffassung,
daß diese Tendenzen bedenklich sind.300
Das Internet ist geeignet neue Teilöffentlichkeiten zu konstituieren und prinzipiell
öffentlich zu machen. Um die Interessen auf der politischen Ebene zum Thema zu
machen muß natürlich der Weg in umfassendere Öffentlichkeiten beziehungsweise
andere Teilöffentlichkeiten gelingen. Das bedeutet momentan zumindest, daß sich für
eine sinnvolle Einflußnahme auch eine möglichst große massenmediale Öffentlichkeit, die
das Internet zumindest momentan ja noch nicht bietet, geschaffen werden muß.
„Gesellschaftliche und politische Bedeutung werden jedoch auch in Zukunft nur jene
Personen und Themen gewinnen, die – weil nur sie eine hinreichende Reichweite
besitzen – den Weg in die traditionellen Medien finden.“301
299Leggewie, Claus, 1998, S. 43
300Vgl. Enquete-Kommission Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft, 1998, S. 88f.
301Ebd. S. 98f.
83
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Das Netz kann somit nicht die Hoffnung erfüllen, eine allumfassende Öffentlichkeit im
Sinne von Habermas zu schaffen302, und kann insofern kein Ort allgemeiner politischer
Entscheidungen darstellen. Beispiele aus der Praxis der Newsgroups und anderer
Community Networks zeigen auf, daß sich aber relativ stabile, verbindliche und
dauerhafte Kommunikation im Internet entwickeln kann, die (vergleichbar mit den
klassischen Privatzirkeln) öffentliche Geltung zu erlangen vermag.303 Wenn es um
Gruppen, Gouvernance, Deliberation, Diskussion oder auch um Diskurse geht, „dann
zeigen sich auch die Stärken des Mediums Netz. Das Netz ist kein Ort allgemeiner
demokratischer Entscheidungen, aber ein Ort der vielfältigen Kommunikation, ohne die
Entscheidungen undemokratisch und ineffektiv sind.“304 Auch Claus Leggewie sieht trotz
aller Bedenken Potentiale für die Öffentlichkeit. Das Internet ist seiner Meinung nach vor
allem geeignet „lokale Öffentlichkeiten zu verdichten“ und „grenzüberschreitende Arenen
der Meinungsbildung herzustellen“. Damit könnte es dazu beitragen, den politischen
Prozeß zu beleben, mehr Partizipation zu ermöglichen und so „den politischen Prozeß
wieder mit größerer Legitimität auszustatten“.305
5.2 Globalisierung
Globalisierung bezeichnet eine Entwicklung, welche bis in die Anfänge der
Industrialisierung zurückreicht. Wenn man über Globalisierung redet, redet man also über
einen Prozeß und nicht über einen Ist-Zustand. Der Anfang der Entwicklung wurde durch
die Einsicht eingeleitet, daß Staaten, die in einen offenen Austausch mit anderen
Volkswirtschaften treten, dadurch wirtschaftlich profitieren und vermehrt Gewinne erzielen
können. Die OECD (Organisation for Economic Cooperation and Development)
bezeichnet die Globalisierung demgemäß als „einen Prozeß, durch den Märkte und
Produktion in verschiedenen Ländern immer mehr von einander abhängig werden – dank
der Dynamik des Handels mit Gütern und Dienstleistungen und durch die Bewegungen
von Kapital und Technologie“.306
302Vgl. hierzu auch Kapitel 5.4
303Vgl. Leggewie, Claus, 1998, S. 44
304Rilling, Rainer, Köln 1998a, S. 374
305Leggewie, Claus, 1998, S. 48f.
306v. Plate, Bernhard, 1999, S. 3
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Die Globalisierung hat verschiedene treibende Kräfte, deren wichtigste im Folgenden
möglichst kurz dargestellt werden, um den Rahmen dieser Arbeit nicht zu sprengen. Denn
in unserem Zusammenhang interessieren uns in erster Linie die gesellschaftlich zu
erwartenden Auswirkungen des Globalisierungsprozesses, wie die Bedeutung für die
Telekommunikation und die Politik.
5.2.1 Faktoren der Globalisierung
Ein wesentlicher Faktor der Globalisierung ist schon angesprochen worden: Der politisch
gewollte Abbau von wirtschaftlichen Grenzen. Aufgrund dieser Liberalisierung nach außen
konkurrieren Unternehmen nun auf der ganzen Welt miteinander. Dies ist möglich, weil
viele Regierungen durch bewußte Entscheidungen die Schutzwälle (bestehend aus
Zöllen, Einfuhrbeschränkungen usw.) ihrer Volkswirtschaften zunehmend durchlässiger
gemacht haben. Diese außenwirtschaftliche Liberalisierung ging einher mit dem Abbau
staatlicher Vorschriften im Inneren, der sogenannten Deregulierung. Güter,
Dienstleistungen und auch die internationalen Geldströme sind somit „von nahezu allen
staatlichen Fesseln befreit worden“.307 Aber auch die gesunkenen Transportkosten und
die Vereinheitlichung technischer Normen haben einen wichtigen Anteil am Vorantreiben
der Globalisierung.
Durch neuere Entwicklungen gerade im Bereich der Mikroelektronik und der
Telekommunikation und die damit einhergehende Entwicklung von effektiven und
schnellen Methoden zur Gewinnung, Übertragung und Speicherung von Informationen,
wurde und wird der Prozeß der Globalisierung zusätzlich beschleunigt. Diese technischen
Innovationen haben es erst ermöglicht, die Welt mit einem äußerst effektiven
Kommunikationsnetz zu überziehen, und so läßt sich heute fast jeder Punkt der Erde in
Bruchteilen von Sekunden erreichen.308 Die Informationsgesellschaft mit ihren neuen
Kommunikationsmitteln und die Globalisierung sind unauflösbar miteinander verbunden,
die entstehende Informationsgesellschaft ist ein Aspekt der Globalisierung. Schon in den
Anfängen der Globalisierung im Zeitalter des Kolonialismus kamen
Kommunikationsmitteln wie dem Buchdruck, der Telegraphie, und später dann dem
307v. Plate, Bernhard, 1999, S. 3
308Vgl. v. Plate, Bernhard, 1999, S. 3 und Schweigler, Gebhard, 1999, S. 21ff.
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Telefon und dem drahtlosen Rundfunk eine wichtige Bedeutung zu.309 Um so effektiver die
Kommunikationsmittel wurden, umso schneller konnte der Prozeß der Globalisierung
voranschreiten.
Dies sind in aller Kürze die wesentlichsten Faktoren, die den „Motor“ der Globalisierung
antreiben.
5.2.2 Gesellschaftliche Auswirkungen der Globalisierung
Deutlich dürfte in diesen kurzen Ausführungen schon geworden sein, daß die
Globalisierung ein in hohem Maße wirtschaftliches Phänomen darstellt. Nichtsdestotrotz
sind die Auswirkungen in allen gesellschaftlichen Bereichen beträchtlich. Gerade deshalb
ist ein Blick auf die Folgen der Globalisierung unumgänglich, um die zukünftigen Chancen
der Partizipation in der Informationsgesellschaft besser abschätzen zu können.
Nicht nur Waren- und Arbeitsmärkte, sondern auch ganze Staaten konkurrieren in einer
globalisierten Welt auf Basis ihrer unterschiedlichen sozialen und gesellschaftlichen
Verhältnisse miteinander. Sozialstaatliche Leistungen, ökologische Schutzgesetze und
arbeitsrechtliche Bestimmungen einzelner Staaten beispielsweise, sind dann aus dieser
Sicht nur noch wettbewerbsbeschränkende Faktoren, denen es sich zu entledigen gilt.
Unverantwortlicher Abbau staatlicher sozialer Leistungen und Garantien, die Demontage
der sozialen Marktwirtschaft310 (Aspekte der Deregulierung im Inneren) erscheinen dann
im Licht der sogenannten Standortsicherung, und werden mit den Zwängen der
Globalisierung begründet. Die finanziellen Verluste der Nationalstaaten, die um die
globale Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten, durch sinkende Steuern auf
Unternehmensgewinne oder aufwendige Infrastrukturmaßnahmen bedingt sind, werden
„vornehmlich im sozialpolitischen Bereich eingespart und dort vor allem bei Programmen,
die der sozialen Grundsicherung dienen“.311 Aber auch durch die erleichterte
Abwanderung ganzer Produktionsstätten ins günstigere Ausland entgehen
Nationalstaaten zunehmend Einnahmen.
309Vgl. Schweigler, Gebhard, 1999, S. 21
310Vgl. Schiller, Herbert I., 1998, S. 137ff.
311Brozus, Lars/Zürn Michael, 1999, S. 62
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Eine drastische Auswirkung der Globalisierung ist folglich die Verschärfung von
Ungleichheiten und zwar sowohl global als auch lokal.312 An Industriestandorten werden
immer weniger unqualifizierte ArbeitnehmerInnen gebraucht und gleichzeitig steigt die
Nachfrage nach gut ausgebildeten SpezialistInnen, die überdurchschnittlich bezahlt
werden und dank der effektiven Kommunikationsmittel auf der ganzen Welt rekrutiert
werden können. Das führt dazu, daß zum einen immer mehr Menschen mit schlechter
Ausbildung in eine immer schlechtere sozioökonomische Position gedrängt werden und
zum anderen, daß die gut ausgebildeten Eliten immer wohlhabender werden. Die Kluft
zwischen Arm und Reich wird immer größer und unüberbrückbarer. Verschärfend kommt
hier die oben schon kurz beschriebene Entwicklung der Deregulierung im Innern und die
damit verbundene Schwächung der staatlichen sozialen Netze zusammen.
Durch die verstärkte inner- und außerstaatliche Deregulierung geben die Nationalstaaten
immer mehr ihrer Handlungskompetenzen auf, indem sie ihre traditionellen
finanzpolitischen Steuerungsinstrumente wie beispielsweise Zinsen und Steuern im
Namen der Standortsicherung zunehmend abbauen, beziehungsweise diese im Zuge der
Globalisierung immer weniger Effekte zeigen. Dies und die Tatsache, daß staatliche
Politik an Territorien gebunden ist, während Kapital ebenso wie Arbeit und der Fluß der
Daten ortlos geworden sind,313 führt zu einem insgesamt drastisch sinkenden staatlichen
Einfluß, denn Belange und Entscheidungen, welche bisher innerstaatlich getroffen
wurden, werden jetzt von globalen Institutionen und Konzernen getroffen,
beziehungsweise erscheinen nun durch die Zwänge der Globalisierung unausweichlich.
Insofern sind natürlich auch ganz grundlegende demokratische Prinzipien in Frage
gestellt, denn „die demokratische Kontrolle durch den Bürger und die von ihm gewählten
Institutionen richtet sich auf den jeweiligen Einzelstaat und seine Organe. Eine ähnliche
institutionalisierte Kontrolle gegenüber den Wirtschaftseinheiten, aber auch gegenüber
den großen Nichtregierungsorganisationen (NROs), die den Nationalstaat in einer sich
globalisierenden Welt zunehmend hinter sich lassen besteht nicht“.314 So sieht auch
Christoph Brönnimann durch die fortschreitende Globalisierung die Tendenz, daß die
Handlungsspielräume von Individuen und staatlichen Institutionen in vielen Bereichen
312Vgl. Kapitel 5.4
313Vgl. Rötzer Florian, 1998c, http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/buch/2053/1.html
314v. Plate, Bernhard, 1999, S. 7
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eingeschränkt werden, weil immer mehr Entscheidungen, die das persönliche
Wohlergehen, den sozialen Frieden oder die staatliche Souveränität betreffen, nicht mehr
im Rahmen demokratischer Entscheidungsfindung geregelt werden.315
5.2.3 Die Informationsrevolution
Eine weitere Folge sowie ein wichtiger Motor der Globalisierung, und gerade im
Zusammenhang mit unserer Arbeit interessant, ist die erfolgte „Informationsrevolution“,
welche durch die Globalisierung der Kommunikation erfolgt, was wiederum durch
technische Neuerungen möglich war. „Die Verquickung von technologischen
Entwicklungen, wirtschaftlichen Interessen und politischen Zielsetzungen bewirkte eine
nicht mehr aufhaltbare Eigendynamik – eine Informationsrevolution.“316 Der Inbegriff der
Globalisierung von und durch die Kommunikation, beziehungsweise der Information, ist
mittlerweile zweifellos das Internet. Das Internet – das Netz der Netze – vereint in sich
immer mehr lokale, nationale und internationale Computernetze und ist durch seine
Dezentralität und damit zugleich ziemlich schwierige Kontrollierbarkeit gekennzeichnet.
Die schon beschriebene Effektivitätssteigerung der Informations- und
Kommunikationsmittel (das Internet ist auch hier das Paradebeispiel) führen dazu, daß
Ereignisse auf der ganzen Welt in Echtzeit stattfinden, sie ermöglichen zudem, die
staatlich nicht mehr kontrollierbaren, um unseren Globus fließende Finanzströme. Nicht
nur die Firmen, Medienanstalten und großen Konzerne profitieren von dieser Entwicklung,
auch das Individuum ist nun mit Hilfe des Internets in der Lage, in einem so noch nie
dagewesenen Ausmaß Informationen zu gewinnen, zu verbreiten und zu verarbeiten.317
Dieser mögliche globale, individuelle Informationsaustausch hat sich zu einem weltweiten
Massenphänomen entwickelt, die Individuen können nun massenhaft und unkontrolliert
über alle nationalstaatlichen Grenzen hinweg miteinander kommunizieren. „Die
Individualisierung fördert insofern die Globalisierung, als jede einzelne Person nunmehr
aus engen nationalen Grenzen ausbrechen und sich global betätigen kann.“318 Gerhard
Schweigler ist deswegen der Auffassung, daß „die Stellung des einzelnen in Gesellschaft,
Wirtschaft und Politik (...) dadurch grundsätzlich gestärkt“ wird, „denn
315Vgl. Brönnimann, Christoph, 1996, http://www.datacomm.ch/~cbro/text1.html
316 Schweigler, Gebhard, 1999, S. 22
317Vgl. Kapitel 3.2 und auch Kapitel 5.4
318Schweigler, Gebhard,1999, S. 22
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Informationsmonopole kann es nicht mehr geben“.319 Er sieht eine
Weltinformationsgesellschaft heranwachsen, deren Grundlage die größtmögliche
Offenheit ist.320 Diese Einschätzung hat durchaus ihre Berechtigung, allerdings kann man
die sich aus der Globalisierung ergebenden Entwicklungen natürlich auch pessimistischer
sehen. Denn eine wesentliche Auswirkung der Globalisierung ist die Bildung von immer
mächtigeren, die ganze Welt umfassenden Konzernen und die Dominanz von
wirtschaftlichen Interessen auf nahezu allen gesellschaftlichen Gebieten. Es vergeht
heute wohl kaum ein Tag, an dem nicht die Nachricht von einer großen Firmenfusion die
Runde macht. Die heutigen Telekommunikationsnetze und großen Informationsanbieter
gehören heute schon einigen wenigen Weltkonzernen.321 „Namen wie Murdoch, Kirch,
Berlusconi, Ted Turner etc. signalisieren einen gerade heute sich stark beschleunigenden
Konzentrationsprozess privater Medienmacht(...).“322Auf dieses Problem weist auch
Benjamin Barber nachdrücklich hin: „Während Regierungen vor der Aufgabe
zurückschrecken, die Kommunikation zu regulieren, und die neuen Technologien sich in
einer Weise globalisieren, die sie gegenüber Regulierungen resistent machen, entwickeln
sich, wen wundert es, die entsprechenden Eigentumsverhältnisse eher mehr, denn
weniger in Richtung Monopol.“323 Wer nun aber das Eigentum an der Infrastruktur hat,
kann und wird wahrscheinlich seine Monopolstellung dazu nützen, auch auf die
Informationserzeugung und Verbreitung Einfluß zu nehmen. Rainer Rilling hat
beispielsweise mehrfach darauf hingewiesen, daß ressourcenstarke institutionelle
Anbieter, große Medien (Content Provider) und kapitalstarke politische Netzunternehmer
im Internet zentral positioniert sind, d.h über hohe Zugriffszahlen auf ihre Angebote
verfügen und damit einen großen öffentlichen Einfluß haben. Diese virtuellen
Informationsprovider sind Rainer Rilling zufolge größtenteils identisch mit den
handlungsfähigen politischen Institutionen und globalen Konzernen des „real life“.324
Rainer Rilling spricht damit das Problem an, daß zwar prinzipiell jeder im Internet
Informationen verbreiten kann, daß aber auch hier meist nur große, finanzkräftige und
damit mächtige Institutionen es schaffen die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. „So
319Ebd.
320Ebd. S. 24
321Vgl. Schiller, Herbert I., 1998, .S. 136ff.
322Vgl. Geser, Hans, 1996b, http://www.uniz.cg/~geserweb/komoef/ftext.html
323Barber, Benjamin, 1998, S. 125
324Rainer Rilling, 1998a, S. 368ff.
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wächst die Aufmerksamkeit in erster Linie jenen formalen Instanzen (Regierungen,
Grossunternehmen) zu, die allen bekannt sind, als relevant angesehen werden (und für
viele als vertrauenswürdig gelten).“325 Natürlich gibt es hoffnungsvolle Ausnahmen, wie wir
weiter unten noch aufzeigen werden, aber das bestimmende Moment scheint zunehmend
von den finanzkräftigen Informationsanbietern auszugehen. Benjamin Barber sagt zu
diesem Punkt nur lapidar: „Doch glaubt jemand wirklich, die allgemeine Möglichkeit, sich
eine Homepage einzurichten, sei dasselbe, wie die allgemeine Macht, den Lauf der Welt
zu beeinflussen?“326
Auch Herbert I. Schiller vertritt eine eher pessimistische Einschätzung, die er zunächst
historisch begründet: „In den letzten 70 Jahren wurde jede neue
Kommunikationstechnologie – den Anfang machte das Radio – schnell vom
kommerziellen Sektor aufgesogen, wobei gleichzeitig der öffentliche oder soziale
Gebrauch schwach und ineffizient blieb.“327 Wie sich das Internet entwickeln wird ist
Herbert I. Schiller zufolge eine Frage der nationalen und vor allem der globalen
Machtverteilung. Was eine Technologie auch theoretisch an zwingenden Implikationen mit
sich bringt, sie wird doch „auf der konkreten Ebene die Prämissen und Ziele derjenigen
Gesellschaft reflektieren, die sie zur Anwendung bringt“.328 Wer hat die Macht, die
Entwicklung so zu beeinflussen, daß das Internet zu einem Mittel wird, welches geeignet
ist bei der Befriedigung von menschlichen, kulturellen und sozialen Bedürfnisse und sogar
dem Traum von menschlicher Solidarität, Gleichheit, maximaler gesellschaftlicher und
politischer Partizipation und auch individueller kultureller Bereicherung dienlich zu sein?
Und wer hat demgegenüber die Macht, die Information komplett zu kommerzialisieren,
neue Vermarktungsmöglichkeiten zu entwickeln, die Möglichkeiten der globalen
Kommunikation in ein Instrument imperialistischer Ambitionen zu verwandeln?329 Diese
325Geser, Hans, 1996b, http://www.uniz.cg/~geserweb/komoef/ftext.html
326Barber, Benjamin, 1998, S. 128
327Schiller, Herbert I., 1998, S. 135
328Barber, Benjamin, 1998, S. 120
329In höchsten Regierungskreisen der USA werden die neuen Informationstechnologien als ein Mittel
betrachtet die globale Vormachtstellung zu erhalten. So stand in einem Artikel in Foreign Affairs, einer
wichtigen Zeitschrift für Außenpolitik ein Artikel von Joseph S. Nye Jr. und Willen Owens (zwei
hochrangige Beamte der Clinton Administration): „Wissen ist mehr als je zuvor Macht. Jenes Land dem
es gelingt, die Führung in der Informationsrevolution einzunehmen, wird mächtiger sein als alle anderen.
In absehbarer Zukunft werden die Vereinigten Staaten dieses Land sein.„ Joseph S. Nye Jr./Whiliam A.
Owens, Americas Information Edge. Foreign Affairs, März/April 1996, S. 20-36, zit. nach Schiller, Herbert
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beide Hauptvisionen lassen sich Schiller zufolge im Hinblick auf das Internet
unterscheiden. Beide Ansätze sind laut Herbert I. Schiller nicht vereinbar, „denn zwischen
beiden Ansätzen besteht eine unüberbrückbare Kluft, mehr noch: vollkommene
Unvereinbarkeit. Sollen Entwicklung und Expansion dieses neuen Werkzeuges von einer
sozialen Ausrichtung getragen sein, so muß die kommerzielle Nutzung an zweiter Stelle
stehen. Sind jedoch Kommerzialisierung und imperialistische Ambitionen die primären
Antriebskräfte, so werden die sozialen Vorteile schwinden und das soziale Potential der
elektronischen Netzwerke zum größten Teil ungenutzt bleiben“.330 Die Durchsetzung der
einen Vision schließt die andere praktisch aus. Die Antwort auf die Machtfrage ist
momentan zumindest klar: Die Welt ist ein globaler Markt geworden, der von relativ
wenigen und zumeist amerikanischen Unternehmen beherrscht wird, die Nationalstaaten
verlieren zunehmend an Einfluß331 und geben immer mehr ihrer Macht und
Entscheidungsbefugnisse an die global operierenden Unternehmensverbände ab. Wie
weiter oben schon kurz erläutert wurde, ist der globale Unternehmenskapitalismus
aufgrund der fortschreitenden Deregulierung so gut wie keinen Beschränkungen mehr
unterworfen. Dieses globale Geflecht aus transnationalen Unternehmen arbeitet nun
daraufhin, eine weltweite, privatisierte Kommunikationssphäre zu schaffen, und das tun
sie bis heute sehr erfolgreich.332 Die heute schon unübersehbare Kommerzialisierung des
Internet spricht hier eine deutliche Sprache. „Die zukünftige Entwicklung des Internets
muß in diesem Kontext des massiven Unternehmenseinflusses – auf globaler und
regionaler Ebene – gesehen werden.“333 Schon in den letzten Jahren entstanden teilweise
gigantische Medienverbünde. Satellitensysteme, Radio, (Kabel-) Fernsehen, Film-, und
Musikindustrie wachsen nun mit der Softwareindustrie und großen Telekommunikationsund Telefongesellschaften zusammen.334 Diese Konglomerate bilden eine äußerst
mächtige „Anhäufung von Kapital-, Kultur- bzw. Informationsmacht“.335 Kann man
I., 1998, S. 140
330Schiller, Herbert I., 1998, S. 134f.
331Vgl. ebd. S. 140f.
332Vgl. Schiller, Herbert I., 1998, S. 136f.
333Ebd. S. 138
334Ebd. S. 138f.
335Ebd. 138
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angesichts dieser Entwicklung hin zu einer immer größeren Machtkonzentration in den
Händen immer weniger transnationaler Konzerne wirklich von einer grundsätzlichen
Stärkung der Stellung der BürgerInnen ausgehen? Festzuhalten ist: Von den
Telekommunikationsmonopolen geht zumindest eine große Gefahr für die Vielfalt und den
Pluralismus von Informationen aus, eine Tendenz, die eben jenen Hoffnungen auf mehr
Öffentlichkeit, bessere Informationsmöglichkeiten der BürgerInnen und daraus
möglicherweise resultierenden besseren gesellschaftlichen Partizipation und
Emanzipation der Menschen zuwiderläuft.336
Die Informationsgesellschaft und vor allem die Hoffnungen die mit ihren Kommunikationsund Informationstechnologien verbunden sind erscheinen in einer Welt, die mehr und
mehr von wirtschaftlichen Belangen gesteuert wird, insgesamt in keinem guten Licht. So
kommt Benjamin Barber zu dem ernüchternden Schluß, daß eine kommerzielle Kultur
notwendigerweise auch ein kommerzielle Technologie ausbilden wird.337
Trotz dieser insgesamt entmutigenden Aussichten wird, selbst wenn sich das Internet
(das Leitmedium der Informationsgesellschaft) zunehmend kommerzialisiert, immer auch
Platz für alternative Nutzungsformen bleiben. Gerade im Zeitalter der Globalisierung, wo
lokale Entscheidungen zunehmend zu globalen Problemen und Risiken führen338 ist ein
sehr schnelles globales Kommunikationsmedium eine Voraussetzung für
grenzüberschreitendes kooperatives Handeln. Solange es auf globaler Ebene dieses
politische Vakuum339 gibt, kann ein Mittel wie das Internet dazu beitragen, daß sich
Menschen global organisieren können und versuchen, auf diese Weise ihre Interessen
durchzusetzen. „Seine globale Reichweite ermöglicht die Schaffung einer kritischen
Öffentlichkeit gegenüber der globalisierten Politik und Wirtschaft.“340 Ulrich Beck341 etwa
336Vgl. Kapitel 5.1
337Vgl. Barber, Benjamin, 1998, S. 123
338Ein populäres Beispiel sind ökologische Risiken. Beispielsweise leidet Australien bekanntermaßen an
den Folgen der massiven FCKW-Freisetzung der nördlichen Industriestaaten. Australien selbst setzt
vergleichsweise wenig FCKWs frei und hat trotzdem die Folgen, nämlich das Ozonloch und die daraus
resultierenden verstärkt auftretenden Hautkrebserkrankungen zu tragen. Das Dilemma ist, daß die
australische Regierung keinen direkten Einfluß auf den Ausstoß dieser gefährlichen Stoffe nehmen kann.
339Vgl. Sassen, Saskia, 1997, S. 233
340Marschall, Stefan, 1999, S. 122f.
341Vgl. Beck, Ulrich, 1999, http://www.ix.de/tp/deutsch/inhalt/co/2783/1.htm
92
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weist daraufhin, daß sich heute schon bedingt durch die Globalisierung von Risiken auch
globale Interessengemeinschaften bilden, er nennt sie Risikogemeinschaften.342 Er
diagnostiziert ganz allgemein eine „Enträumlichung des sozialen und politischen Lebens
und Handelns“, die besonders durch die Informations- und Kommunikationstechnologien
gefördert wird. Gemeint ist damit, daß sich soziale Nähe nicht mehr ausschließlich aus
lokalen Gemeinschaften ergibt, nicht mehr nur auf geographische Nähe zurückgeführt
werden kann. Nicht nur Konzerne agieren global, sondern es findet Ulrich Beck zufolge
zunehmend eine globale Gemeinschaftsbildung statt.343 „Mit anderen Worten: Es gibt eine
enträumlichte Struktur und Organisation sozialen und politischen Handelns, (...). Wer
diese Richtung einschlägt, wird entdecken, daß auch Formen demokratischer
Entscheidungsfindung, politischer Organisation, Bürgerrechte und Bürgerarbeit
transnational entwickelt, entworfen und rekonstruiert werden können.“344
Politischen und sozialen Bewegungen eröffnen sich durch die globale
Informationstechnik „völlig neue Möglichkeiten, zum Beispiel die weltweiten Echoeffekte,
einschließlich der durch sie erzielbaren Solidarisierung, zum Zentrum ihrer örtlichen
Provokation zu machen“.345 Teilweise haben, wie Beispiele zeigen, schon heute weltweit
agierende Nichtregierungsorganisationen durch die äußerst schnellen Kommunikationsund Informationsmöglichkeiten eine große Schlag- und Durchsetzungskraft entwickelt.346
342Die am 30.11.1999 in Seattle organisierten Proteste gegen die Ministertagung der
Welthandelsorganisation ist ein sehr eindrückliches Beispiel für dieses Phänomen. Der Protest wurde
von langer Hand im Internet mittels Mailinglisten und dutzender Websites, auf denen lange Papiere und
komplexe Analysen über weltwirtschaftliche Zusammenhänge zu finden sind, vorbereitet. Auf diese
Weise entstand ein Bündnis unterschiedlichster Organisationen und Aktivisten, die im erfolgreichen und
medienwirksamen Aufstand in der „analogen Welt„ gipfelte. Die vorbereitenden Diskussionen wurde
vermittelt durch das Netz auf hohem Niveau und global geführt. „Noch die obskurste Meinung gewann
eine bislang unbekannte Resonanz. Sie wurde durch das Netz selbst global, dadurch keineswegs wahrer,
wohl aber korrigiert und gemessen an den Maßstäben, die sich in den eher theoretischen Beiträgen wie
auch den Aufrufen zur Aktion immer weiterentwickelt haben.„ Die Diskussion wird nun auch nach den
Demonstrationen im Netz auf hohem Niveau fortgeführt. „Zum ersten Mal hatte eine Debatte im Internet
derart spektakuläre Folgen. (...) Die Website ‚n30', (...) begann schon während der Konferenz über
kleinste und kleine Aktionen in aller Welt zu berichten, die kaum je von der lokalen Presse
wahrgenommen wurden.„ Zur weiteren Globalisierung der Diskussion und der Proteste werden nun die
englischen Webseiten in mehrere Sprachen übersetzt. Hablützel, Niklaus, 1999, S.16,
343Vgl. Beck, Ulrich, 1999, http://www.ix.de/tp/deutsch/inhalt/co/2783/1.htm
344Vgl. ebd.
345Ebd.
346Beispiel dafür ist der Fall des peruanischen Schriftstellers Julio Mendívil, der in seiner Heimat zu Unrecht
verhaftet wurde und erst nach langandauernden Protesten, organisiert über das Internet und per E-Mail,
freikam, oder auch die erfolgreichen Internetproteste der kolumbianischen Uwa-Indianer gegen den
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Auch die Zapatistas, eine mexikanische Guerillabewegung, die für die Rechte der
indianischen Bevölkerung eintritt, haben das Netz beispielsweise schon sehr erfolgreich
für ihre Belange eingesetzt und es durch den Einsatz modernster Kommunikationsmittel
geschafft, die drohende und von Mexikos Regierung versuchte Isolierung, zu umgehen.347
„However, through their ability to extend their political reach via modern computer
networks the Zapatistas have woven a new electronic fabric of struggle to carry their
revolution throughout Mexico and around the world.“348
Abschließend läßt sich sagen, daß der globale virtuelle Raum eben nicht nur als Mittel der
Informationsübertragung dient, sondern auch ein Platz von Kapitalakkumulation und der
Operation mit diesem Kapital darstellt. Das bedeutet nun, „daß der elektronische Raum in
eine größere Dynamik eingebettet ist, die eine Gesellschaft und vor allem die Wirtschaft
organisiert“.349
Das Internet ist einerseits ein Ort, der von seiner ursprünglichen Struktur her die
Machtverteilung und die Möglichkeiten autoritärer und monopolistischer Kontrolle
beschränkt, er ist aber zugleich auch ein Raum des Wettbewerbs und der
Segmentierung350 geworden. Angesichts der Tatsache, daß sehr viele der im Internet
zusammengeschlossenen Netze in privater Hand sind und deshalb ein Großteil der im
Netz lokalisierten Macht nicht unbedingt die typischen Eigenschaften des Internets
aufweist, stößt man heutzutage im Internet sicherlich viel häufiger auf Machtkonzentration
und Hierarchieproduktion als auf Machtverteilung. Wie die obigen Beispiele jedoch
zeigen, kann das Netz auch in Zeiten wachsender Kommerzialisierung tatsächlich zu
einer sozialen und politischen Organisation und Kommunikation beitragen. Besonders
US-amerikanischen Ölkonzern Oxy. Vgl. Eßer, Torsten, 1999,
http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/co/5405/1.html
347Die EZLN (Ejército Zapatista de Liberación Nacional) bei uns meist nur Zapatistas genannt, gelten als
Vorreiter des Einsatzes des Internets um weltweit Unterstützung zu mobilisieren. Nach Beginn ihres
Aufstandes 1994 verbreitete. Die EZLN ihre Erklärungen und Manifeste über das Internet. Neueste
Entwicklungen in Chiapas wurden oft schon Minuten später weitergegeben und waren so augenblicklich
weltweit abrufbar. Vgl. Eßer, Torsten, 1999, http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/co/5405/1.html
348Cleaver, Harry, 1995, http://www.eco.utexas.edu:80/Homepages/Faculty/Cleaver/zaps.html
349Sassen, Saskia, 1997, S. 231
350Saskia Sassen versteht unter Cybersegmentierung die Strukturierung des elektronischen Raums durch
Kommerzialisierung des Zugangs, durch das Entstehen von Dienstleistungsunternehmen, die
Informationen für zahlende Kunden sortieren, auswählen und bewerten und die Bildung von privaten und
strikt abgeschotteten Netzwerken im Web (Beispielsweise über Passwörter). Vgl. Sassen, Saskia, 1997,
S. 225ff.
94
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interessant scheint das Internet zu sein, um für lokale Ereignisse globale Solidarität und
Aufmerksamkeit beziehungsweise Öffentlichkeit zu schaffen. Die äußerst pessimistische
Einschätzung der Unvereinbarkeit von kommerziellen Interessen und politisch/sozialem
Gebrauch, die Herbert I. Schiller vertritt, wird durch diese Beispiele aus der politischen
und sozialen Praxis abgeschwächt. Es scheint tatsächlich, als ob es neben der
kommerziellen Nutzung des Internets auch weiterhin sinnvolle Potentiale für die politische
Einflußnahme und Partizipation auf gesellschaftlicher und globaler Ebene gibt. Aber diese
Nutzungsformen werden keinesfalls bestimmend werden, wenn weiterhin nur die Gesetze
des Marktes die weitere Entwicklung bestimmen. „Das Netz könnte weithin ein Ort
tatsächlicher (d.h. nicht notwendig selbstbewußter) demokratischer Praktiken sein. Das
wird es aber teilweise eher als Widerstandform, gegen eine überhand nehmende
Wirtschaftsmacht und gegen die Macht der Hierarchie sein, denn als der Raum
unbegrenzter Freiheit, als der es heute gerne gesehen wird.“351
5.3 Veränderungen der Arbeit
Der Umbruch von einer Industriegesellschaft zur Informationsgesellschaft wird zum
großen Teil durch den Wandel der Art und Organisation von Arbeit definiert, wie schon in
Kapitel 2.2 deutlich geworden ist. Hier wollen wir diesen Veränderungsprozeß näher
beschreiben und uns fragen, welche Bedeutung der Wandel für die
Partizipationsmöglichkeiten der Menschen auf verschiedenen gesellschaftlichen Ebenen
hat. Konkreter stellen sich folgende Fragen:
• für wen gibt es Arbeit und wer sind die Gewinner des Veränderungsprozesses?
• Wie wirkt sich der Wandel auf die Mitbestimmung der Arbeitenden an ihren
Arbeitsbedingungen aus?
• Wie wirken sich die Veränderungen auf das Emanzipationspotential der Beschäftigten
bei der Arbeit selbst aus?
• Was bedeuten die neuen Arbeitsformen und Beschäftigungsverhältnisse für die
gesellschaftlichen Teilhabemöglichkeiten der Menschen insgesamt?
5.3.1 Der Veränderungsprozeß
Bei der Darstellung des Wandlungsprozesses geht es einerseits um Veränderungen, die
schon stattfinden und andererseits um Trends, die daraus abgelesen beziehungsweise
351Sassen, Saskia, 1997, S. 234
95
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prognostiziert werden und deren konkrete Erscheinung sich noch im Feld der
Spekulationen befindet. Schließlich müssen immer wieder Entscheidungen getroffen
werden, die die Gestaltung der gesellschaftlichen Arbeit betreffen, auch wenn oft der
Anschein erweckt wird, es handle sich um einen quasi natürlichen Wandlungsprozeß,
beziehungsweise um einen Prozeß, der sich der bewußten (politischen) Steuerung
entzieht.
Es sind vor allem drei große Trends, die sich im Arbeitsbereich abzeichnen: Zum einen
der Ausbau des Dienstleistungssektors und zum andern die Informatisierung der Arbeit,
wobei es auch im Dienstleistungssektor überwiegend um die Verarbeitung von
Informationen gehen wird.352 Den neuen Informations- und Kommunikationstechnologien
kommt dabei eine zentrale Bedeutung zu, da sie „das Instrument zur Rationalisierung der
Sammlung, Speicherung, Verarbeitung und Verbreitung des ‚Rohstoffs’ der
Informationswirtschaft“353 sind. Als weiterer Trend gelten die Änderungen der
Arbeitsorganisation, die zwar nicht unmittelbar auf die neuen Technologien
zurückzuführen sind, aber durch sie erst in diesem Maße ermöglicht werden.
Wie in Kapitel 2.2 schon dargestellt wurde, ist für Andrea Baukrowitz und Andreas Boes
die Informatisierung der Arbeit keine neue Entwicklung. Menschliche Arbeit beinhaltete
schon immer auch wissensverarbeitende Prozesse, wobei diese Denkarbeit im Zuge der
modernen kapitalistischen Produktionsweisen zunehmend von dem Verrichtungsprozeß
der Arbeit getrennt wurde. Dadurch entstand ein relativ eigenständiger
Informationsverarbeitungsprozeß. Mit den Informations- und Kommunikationstechnologien
hat die Informatisierung der Arbeit eine qualitativ neue Stufe erreicht. „Durch die
Einbettung unternehmensinterner Informationssysteme in öffentliche
Kommunikationsnetzwerke ist das Entstehen einer weltweit durchgängigen
Informationsebene verbunden, die über die Produktion hinaus auch andere
gesellschaftliche Reproduktionsformen erfaßt.“354
Wie in diesem Zitat schon angeklungen ist, sind diese Trends auch im Zuge einer
Globalisierung zu sehen, die durch die Schaffung eines globalen Informations- und
352Vgl. zum Beispiel Enquete-Kommission Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft, 1998, S. 49f.
353Ebd. S. 50
354Baukrowitz, Andrea/Boes, Andreas, 1997b, http://staff-www.uni-marburg.de/~boes/artfiff.html
96
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Kommunikationsraumes eine neue Dynamik erhält und die sich ihrerseits wiederum auf
die Organisation und Verteilung von Arbeit auswirkt.355
Insgesamt sind die Veränderungen der Arbeit durch eine weitgehende Flexibilisierung
gekennzeichnet, die sich auf Arbeitsort, Arbeitszeit und Arbeitsmenge beziehen,356
verbunden mit Änderungen der Arbeitsorganisation. So wird es durch die neuen
Kommunikationstechniken möglich, daß Menschen zusammenarbeiten, die räumlich weit
voneinander entfernt sind. Auf dieser Basis entstehen Teleheimarbeitsplätze, an denen
die MitarbeiterInnen eines Unternehmens ganz oder teilweise zu Hause arbeiten, wobei
sie mittels Computer und Telefonleitungen mit ihrer Firma verbunden sind.
Auch bei der Arbeitsorganisation wird zunehmend auf Flexibilisierung gesetzt, mit der auf
sich schnell verändernde Marktbedingungen reagiert werden soll. Erreicht wird dies durch
eine Verschlankung der Organisationsstruktur, durch ein Abflachen von Hierarchien, die
Dezentralisierung von Entscheidungskompetenzen und die Etablierung partiell autonomer
Arbeitsgruppen. Das Ziel ist hierbei das „Schlanke Unternehmen“, das je nach
Auftragslage MitarbeiterInnen zu Projekten zusammenfassen und immer wieder neu
gruppieren kann. Viele Unternehmen werden nur noch wenige feste Angestellte
benötigen, aber für bestimmte Arbeitsprozesse freie MitarbeiterInnen haben. Das
bedeutend dann, daß das sogenannte Normalarbeitsverhältnis immer seltener sein wird
und viele Arbeitsverhältnisse sich irgendwo zwischen Angestelltenverhältnissen und
Selbständigkeit bewegen werden.357
Gehofft wurde auf die Entstehung neuer Arbeitsplätze, vor allem im Bereich der
Telearbeit. Es hat sich allerdings gezeigt, daß zwar neue Arbeitsplätze geschaffen
werden, jedoch nicht so viele wie ursprünglich erwartet wurden. Außerdem gibt es auf der
anderen Seite einen Verlust von Arbeitsplätzen durch Rationalisierungsmaßnahmen, die
ebenfalls auf die neuen Technologien zurückzuführen sind. Gerade im Zusammenhang
mit einer Globalisierung der Wirtschaft, steht einer Verteilung von Arbeitsplätzen rund um
die Welt nichts mehr im Wege. Was seinerseits wieder als Argument dafür genommen
355Vgl. Kapitel 5.2
356Vgl. Winker, Gabriele, 1997, S. 91ff.
357Vgl. Enquete-Kommission Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft, 1998, S. 54
97
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wird, an sozialen Absicherungen für Arbeitskräfte zu sparen, um die vielzitierte
Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens auf dem Weltmarkt zu erhalten.
Es ist zu befürchten, daß neue Segmentierungen im Bereich der Arbeit entstehen, zum
Beispiel durch veränderte Beschäftigungsverhältnisse, ohne daß jedoch schon
bestehende Segmentierungslinien außer Kraft gesetzt werden. Nach Gabriele Winker
führen veränderte Formen der Arbeitsorganisation zu einer Flexibilisierung der
Arbeitsmenge, die weitere Segregationsprozesse auf dem Arbeitsmarkt zur Folge haben
wird: „Statt alle Erwerbspersonen gleich lang zu beschäftigen, bilden sich in den
Unternehmen sogenannte ,Olympiamannschaften’ als Stammbelegschaften, die
unabkömmlich sind und mit abgesichertem Erwerbseinkommen bis zu 60 Stunden die
Woche arbeiten.“358 Daneben vermehrt sich die unbeständige und ungesicherte
Erwerbsarbeit durch zeitlich befristete Arbeitsverhältnisse, geringfügige Beschäftigungen
und sogenannte Scheinselbständigkeit.
Mit der Veränderung der Tätigkeiten und Beschäftigungsverhältnisse durch die neuen
Technologien ist ein Anstieg der Qualifikationsanforderungen verbunden.
Hochqualifizierte Jobs werden gegenüber niedriger qualifizierten Jobs zunehmen und
ständige Weiterbildung erfordern.359 Gerade was die Qualifikation betrifft, kann durchaus
eine Verstärkung der Spaltung der Hochqualifizierten gegenüber den niedriger
Qualifizierten stattfinden. Welche Chancen und Risiken sich für verschiedene
Personengruppen durch die Veränderungen der Arbeit ergeben, müßte jeweils einzeln
betrachtet werden. Auf die Frage, was der Wandel zum Beispiel für Frauen bedeutet, wird
in Kapitel 5.5 genauer eingegangen.
Neue Segmentierungen im Bereich der Arbeit entstehen also sowohl bei der Art der
Arbeit und der Beschäftigungsverhältnisse, als auch bei der Frage, wer überhaupt Arbeit
hat und wer nicht. Arbeitslosigkeit bedeutet ein Ausgeschlossensein aus einem wichtigen
Bereich der Gesellschaft und Segmentierungen der Gesellschaft haben bekanntermaßen
ihre Auswirkungen auf die politische und gesellschaftliche Partizipation, worauf wir in
Kapitel 5.4 noch genauer eingehen werden.
358Winker, Gabriele, 1997, S. 93
359Vgl. zum Beispiel Enquete-Kommission Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft, 1998, S. 50f.
und Bühl, Achim, 1996, S. 223
98
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5.3.2 Verfügung oder Mitbestimmung über die eigenen Arbeitsstrukturen
Allgemein findet ein Wandel statt, der sich über die Arbeit selbst hinaus auf das Leben der
Menschen erstreckt: „Der Prozeß betrieblicher Virtualisierung führt in Gestalt der
Telearbeiter zur tendenziellen Auflösung der klassischen industriegesellschaftlichen
Trennung zwischen Arbeitszeit und Freizeit, zwischen Arbeitsplatz und Wohnort.“360
Die Hoffnungen, die sich mit der Telearbeit verbinden, beziehen sich zum einen auf eine
flexiblere Zeiteinteilung, die zum Beispiel Vorteile bei der Vereinbarkeit von Produktionsund Reproduktionsarbeit bringen könnte, oder auf das einfachere Einbeziehen
behinderter Menschen und eine größere Unabhängigkeit bei der Wahl des Wohnortes. Mit
der neuen Selbständigkeit wird es möglich, aus den betrieblichen Hierarchien
auszusteigen, in der Hoffnung auf ein selbstbestimmteres Leben und Arbeiten.
Gleichzeitig sind damit aber auch neue Risiken verbunden. Vor allem bei Tätigkeiten, die
formal als selbständig gelten, bei denen tatsächlich jedoch eine Abhängigkeit von einem
Auftraggeber besteht, allerdings ohne arbeits- und sozialrechtliche Absicherung. „Das
Leben des Selbständigen als eine Art Typus zwischen Unternehmer und Tagelöhner wird
durch positiv erfahrene Möglichkeiten einer flexibleren Gestaltung der Arbeitszeiten
einerseits und einem wachsenden Grad an Selbstausbeutung andererseits bestimmt
sein.“361 So werden die Gefahren der neuen Entwicklungen vor allem bei der Wahrung
sozialpolitischer Errungenschaften gesehen. Dabei droht nicht nur ein Verlust der
Absicherung Einzelner, Probleme werden auch für das ganze System der sozialen
Sicherung gesehen, das sich in seiner Beitragsbasis auf das Normalarbeitsverhältnis
stützt.362
Beachtet werden müssen die Folgen der Herauslösung der Beschäftigten aus den
Betrieben auch in Bezug auf ihr berufliches Fortkommen und ihre Mitbestimmungsrechte,
was besonders für Scheinselbständige, aber auch für TelearbeiterInnen gilt. Denn „dort
wo Beschäftigte von der Entwicklung im Betrieb abgekoppelt werden, wo sie keinen
Einfluß mehr haben auf die Gestaltung betrieblicher Strukturen und wo ihre Qualifikation
durch die Herauslösung aus den Kommunikationsprozessen im Unternehmen stagniert
360Bühl, Achim, 1996, S. 224f.
361Ebd. S. 223
362Vgl. Enquete-Kommission Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft, 1998, S. 58
99
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und damit zunehmend wertlos wird, bestehen große Gefahren.“363 D.h. es findet ein
Auflösung der klassischen Betriebe statt, die auch zu einer Auflösung der klassischen
betrieblichen Interessenvertretung und zu einer Entmachtung der Gewerkschaften führt.
„Die Gewerkschaften, welche zu den klassischen Elementen der Industriegesellschaft
zählen, sind von ihrer Struktur und der Anlage ihrer Interessenvertretungspolitik
weitgehend am fordistischen Produktionstypus orientiert.“364
Wenn also eine Mitbestimmung von Arbeitenden an ihren Arbeitsstrukturen und an
sozialpolitischen Vereinbarungen erhalten oder sogar erweitert werden soll, müssen auch
hier Veränderungen stattfinden. Gesprochen wird in diesem Zusammenhang immer
wieder von der Notwendigkeit einer neuen Definition des Betriebsbegriffs und der
abhängig Beschäftigten. Achim Bühl fordert auch Betriebsräte und Gewerkschaften auf,
sich in ihren Strukturen und Zielsetzungen auf die veränderten Arbeitsorganisationen und
-verhältnisse beziehen, um dem Wandel des klassischen Arbeitnehmertums gerecht zu
werden.365 So könnten sich an Stelle von Betriebsräten Netzräte etablieren, und die
Gewerkschaften sollten sich überlegen, inwieweit sie auch Selbständige oder
Scheinselbständige vertreten können, um auch einer Schwächung der eigenen Position
zu entgehen. „Gerade angesichts der aufgezeigten Gefahren ist eine kollektive
Interessensvertretungspolitik nötiger denn je. Doch das ‚Kollektiv’ von einst differenziert
sich durch eine zunehmende Individualisierung der Arbeitsverhältnisse in einem Maße
aus, daß die Rolle der Gewerkschaften umfassend neu definiert werden muß.“366
5.3.3 Das Emanzipationspotential der Arbeit
Andreas Boes betrachtet den Wandel der Arbeit vor dem Hintergrund marxistischer
Überlegungen und bezogen auf die Frage nach dem Emanzipationspotential der Arbeit
selbst: „Ich frage, ob mit dem Übergang zur ‚Informationsgesellschaft’ eine so
weitgehende Unterordnung der Arbeit unter das Kapital im konkreten Arbeitsprozeß zu
erwarten ist, daß das Projekt der Emanzipation des Menschen aus der Entfaltung dieser
363Boes, Andreas, 1996a, http://staff-www.uni-marburg.de/~boes/texte/bamberg.html
364Bühl, Achim, 1996, S. 227
365Vgl. ebd.
366Ebd.
100
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Widerspruchskonstellation keine grundlegenden Impulse mehr zu erwarten hat.“367 D.h.
inwieweit können die Menschen ihre eigenen Arbeitsbedingungen reflektieren, die
Widersprüche ihrer Arbeitsverhältnisse wahrnehmen und dagegen angehen?
Ausgangspunkt seiner Überlegungen ist erstens die eingangs dargestellte Entstehung
eines betriebsübergreifenden Informationssystems und zweitens die Realisierung
systemischen Produktionsmethoden, die bei der Veränderung der Arbeitsorganisation
vorgestellt wurden. Boes ist der Meinung, daß die Veränderung der Arbeit für ihr
Emanzipationspotential widersprüchliche Auswirkungen hat.
Im Zuge der Informatisierung und insbesondere durch den Einsatz neuer
Informationstechniken entfernt sich die Arbeit immer mehr von der stofflich-energetischen
Ebene des Arbeitsprozesses, indem zwischen die menschliche Arbeit und die konkreten
Produktionsprozesses eine Vermittlungsebene geschaltet wird. Die stoffliche Ausführung
der Arbeit erfolgt zunehmend automatisiert, so daß die Bedeutung planender,
kontrollierender und steuernder Tätigkeiten zunimmt. Das heißt immer mehr Menschen
sind auf der Informationsebene der Arbeit tätig, die zwischen der menschlichen Arbeit und
der konkreten, stofflichen Produktion vermittelt. Nach Boes kommt es dadurch zu einer
engeren Anbindung der Arbeit an die Verwertungsmaxime des Kapitals, denn die
planenden und steuernden Tätigkeiten müssen immer die betriebwirtschaftlichen Ziele
eines Unternehmens im Blick haben. Mit der Vernetzung computergesteuerter
Informationsprozesse entstand eine durchgehende Informationsebene, ein
Handlungsraum, in dem weite Teile der Arbeit stattfinden. Informationen sind somit
eingebunden in ein formales System, das an Kapitalinteressen orientiert ist. „Inhalt und
Struktur der Informationen der Vermittlungsebene unterliegen als Ergebnisse bewußt
formender Handlungen in weit höherem Maße den strukturellen Herrschaftsverhältnissen
in den Unternehmen, als dies bei der Evolution der stofflich-energetischen Ebene jemals
der Fall gewesen ist.“368 Indem sich die strukturellen Herrschaftsverhältnisse eines
Unternehmens also in der Informationsebene abbilden und immer mehr menschliche
Arbeit sich auf dieser Informationsebene abspielt, bewegt sich die Arbeit im Rahmen
367Boes, Andreas, 1996b, http://staff-www.uni-marburg.de/~boes/texte/bdwi.html
368Ebd.
101
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dieser formalisierten Beziehungen, weshalb Boes auch vom „Formierungszwang“ der
Arbeit spricht.
Andererseits verweist Boes auf den zunehmenden Subjektbedarf der neuen
Produktionsmethoden. Bei einer systemischen Arbeitsorganisation sind die Arbeits- und
Kommunikationsbeziehungen weniger standardisierbar, und müssen deshalb durch
ständige Reflexion des eigenen Arbeitshandeln immer wieder neu hergestellt werden.
„Die Grenzen zwischen dem normalen Arbeitsprozeß und dem Innovationsprozeß werden
aufgeweicht; ein zunehmender Anteil der Arbeit besteht darin, sich selbst zu
innovieren.“369 So muß das eigene Arbeitshandeln in systemisch organisierten
Kooperationszusammenhängen ständig zur Gesamtleistung einer Arbeitsgruppe oder
Abteilung ins Verhältnis gesetzt werden.
In Zusammenhang mit der Herausbildung einer durchgängigen Informationsebene erhält
der Subjektivitätsbedarf der Beschäftigten allerdings eine besondere Ausformung. Sie
müssen sich zunehmend nach der Logik des formalen Systems der Informationsebene
verhalten und deren Wechselwirkung zur Realität. Die Beschäftigten können die
geforderten Reflexionsleistungen nur erbringen, „wenn sie in das System ‚eintauchen’,
sich selbst zum ‚Objekt’ des Informationssystems machen und demnach als Subjekte
nach den Regeln des formalen Informationssystem agieren.“370 Trotz einer Erweiterung
des Handlungsspielraums im unmittelbaren Arbeitsprozeß sieht Boes die Gefahr darin,
daß die Beschäftigten die in diesem Handlungssystem liegende Logik als
Arbeitsgrundlage verinnerlichen müssen. Dadurch wird jedoch das
Emanzipationspotential der Arbeit in qualitativ neuartiger Weise unterminiert, indem sich
„die Subjekte zu Agenten ihrer eigenen Unterordnung“371 machen.
So steht für Boes das Emanzipationspotential der Arbeit im Widerspruch zwischen dem
vermehrten Formierungszwang und größeren Subjektbedarf. Einerseits kommt es zu einer
stärkeren Anbindung der Arbeit an Kapitalinteressen, andererseits erfordert die Arbeit ein
Subjekt, daß sein eigenes Arbeitshandeln und die Strukturen in denen es stattfindet
reflektiert. Gerade das Reflektieren der eigenen Arbeitsstrukturen könnte das
369Baukrowitz, Andrea/Boes, Andreas, 1996, http://www.ifs.tu-darmstadt.de/kairos/book.htm
370Boes, Andreas, 1996b, http://staff-www.uni-marburg.de/~boes/texte/bdwi.html
371Ebd.
102
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Emanzipationspotential der Beschäftigten stärken, da es auch das Reflektieren über die
Herrschaftverhältnisse der Arbeitsbeziehungen beinhalten könnte. Dies wird allerdings
durch die Notwendigkeit das eigene Arbeitshandeln den Kapitalinteressen unterzuordnen
relativiert.
5.3.4 Arbeit, Gesellschaft und Partizipation
Der Umwälzungsprozeß hin zu einer Informationsgesellschaft hängt in großem Maße mit
Veränderungen der gesellschaftlichen Arbeit zusammen und die Gestaltung der
Arbeitsstrukturen hat ihre Auswirkungen auf viele Bereiche des gesellschaftlichen Lebens.
Unsere Gesellschaft orientiert sich mit ihren sozialen Sicherungssystemen und mit ihren
kulturellen Werten am Normalarbeitsverhältnis. Die zunehmende Arbeitslosigkeit und die
Tatsache, daß das ‚Normalarbeitsverhältnis’ längst nicht mehr den ‚Normalfall’ darstellt, in
Zukunft vermutlich weniger den je, führt dazu, daß von einer Krise der Arbeitsgesellschaft
gesprochen werden kann. Denn noch immer steht die Erwerbsarbeit im Mittelpunkt des
Lebens vieler Menschen, während die Erwerbsarbeitsmenge unserer Gesellschaft
abnimmt. Also muß die Verteilung der vorhandenen Arbeit in den Blickpunkt arbeits- und
gesellschaftspolitischer Debatten rücken.
Es gilt politische Konzepte zu finden, die den Wandel der Arbeit nicht nur im Hinblick auf
eine Standortsicherung betrachten. Vielmehr sollte es darum gehen, eine weitere
Segmentierung und soziale Spaltung der Gesellschaft zu verhindern und die
Teilhabemöglichkeiten der Beschäftigten an ihren Arbeitsstrukturen auszuweiten anstatt
sie zu verringern. In den letzten Jahren beherrschen allerdings fast ausschließlich
Deregulierungsbestrebungen die politische und wirtschaftliche Diskussion. Nach Ulrich
Beck führt die Deregulierung zu einer „De-Institutionalisierung des Konflikts zwischen
Arbeit und Kapital“,372 da sozialstaatliche und gewerkschaftliche Errungenschaften
zumindest teilweise außer Kraft gesetzt werden. „Die in aller Munde befindliche Forderung
nach ‚Flexibilität’ bedeutet ja nichts anderes, als daß die Regeln, kollektive
Arbeitsverträge, Mitbestimmungs-Normen oder Standards des Arbeitsschutzes
auszuhandeln, gelockert oder abgeschafft werden.“373 Dabei wird der Eindruck erweckt,
372Beck, Ulrich, 1999, http://www.ix.de/tp/deutsch/inhalt/co/2783/1.html
373Ebd.
103
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als hätten wir gar keine andere Wahl als uns um die Deregulierung der wirtschaftlichen
Strukturen zu bemühen, um mit der Globalisierung der Wirtschaft mitzuhalten.
Oskar Negt zeigt auf, daß es zwei unterschiedliche Leitbilder der Ökonomie einer
Gesellschaft gibt, und die gerade aufgezeigte Argumentationsweise folgt dem
herrschenden Leitbild. Als erste und dominante Ökonomie bezeichnet er die Vorstellung,
nach der die Kapital- und Marktlogik keinen Entscheidungsspielraum zuläßt. Vielmehr
präsentiert sie sich als objektives Gesetz, als deren Vollstrecker sich die
HauptakteurInnen dieser Ökonomie sehen. Veränderungspotentiale liegen dabei
ausschließlich auf Seiten der abhängig Beschäftigen und ihrer Lebenswelt, die eine
Manövriermasse im Interesse des funktionierenden Systems darstellen. Diese
Vorstellungen bilden einen „spezifischen Diskurs, an dem Politiker ebenso wie
Wissenschaftler beteiligt sind. Die erkenntnisleitenden Interessen, die dabei im Spiele
sind, ergeben sich aus einer machtpolitischen Vorentscheidung, die den
Einzelvorschlägen, so arbeitnehmerfreundlich sie auch erscheinen mögen, ihre sachliche
Neutralität nimmt. Denn alle Rationalitätskriterien, die diesen machtpolitischen Blick ‚von
oben’ lenken, sind der Kapital- und Marktlogik entnommen; deren organisierendes
Bewegungszentrum ist die betriebswirtschaftliche Kalkulation.“374 Den Trugschluß dieser
Position sieht er in der Idee, der betriebwirtschaftlich rational regulierte Einzelbetrieb
könnte als Sozialutopie für eine Gesellschaft herhalten. Denn dabei werde ausgeblendet,
daß im Einzelbetrieb die sozialen Kosten einer Entscheidung auf das Gemeinwesen
abgewälzt werden kann.
Dem gegenüber stellt er eine Ökonomie, die das soziale Ganze einer Gesellschaft im
Blick behält. „In dieser Perspektive kann ein Umbau der Arbeitsgesellschaft nur gelingen,
wenn er gleichzeitig beiträgt zur ökonomischen Krisenlösung und zur Erfüllung der
Emanzipationswünsche des Menschen. (...) Es ist für mich keine Frage, daß eine
hochentwickelte Industriegesellschaft auf Dauer ohne Demokratie funktionsunfähig ist.
Nicht-entfremdete Formen gegenständlicher Tätigkeit, gesellschaftlich anerkannte und
bezahlte Erwerbsarbeit in lebenswichtigen Beziehungsbereichen, die heute noch in
374Negt, Oskar, 1995, http://www.userpage.fu-berlin.de/~zosch/ops/negt.html (Hervorhebungen im Original)
104
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Schwarzmarktregionen liegen, sind Wesensbestandteil einer innergesellschaftlichen
Friedensordnung (...).“375
Oskar Negt entwirft hier das Bild einer Gesellschaft, in der alle Formen der zu
verrichtenden Arbeit ihren Platz und ihre (auch finanzielle) Anerkennung in der
Gesellschaft haben. Dabei bezieht er sich zum Beispiel auf unentgeltlich geleistete
Reproduktionsarbeit, aber auch auf sogenannte Bürgerarbeit. Hier könnten also Bereiche
der Arbeit entstehen, die in Struktur und Inhalt weniger von der kapitalistischen
Erwerbsrationalität geprägt sind. So stellt Ulrich Beck Bürgerarbeit der Erwerbsarbeit
gegenüber und stellt fest: „Stellt Erwerbsarbeit gleichsam eine aufgrund des
Arbeitsvertrags ,politisch kastrierte’ Praxisform dar, in der Mitbestimmung eigentlich mehr
den Sinn eines vorwegeilenden Gehorsams annimmt, so ist Bürgerarbeit genau
umgekehrt dadurch gekennzeichnet, daß ihr ein direkter Hebel der Außensteuerung und
Außenkontrolle praktisch nicht gegeben ist.“376 Allerdings weist er darauf, daß
Bürgerarbeit immer materiell unselbständig ist, daß heißt sie ist immer auf andere
Einkommensquellen angewiesen, auch wenn sie zum Beispiel über an Personen
festgemachtem Bürgergeld grundfinanziert wäre.
Im Moment müssen solche Vorstellungen leider in den Bereich der Utopie verwiesen
werden. Trotzdem könnten sie natürlich als gesellschaftliches Leitbild bei der
Umgestaltung der Arbeit dienen. Schon eine gleichmäßige Verteilung der Erwerbsarbeit
auf die Bevölkerung könnte zumindest das zeitliche Potential für gesellschaftliches
Engagement freisetzen. Schließlich ist das individuelle Zeitbudget ein Faktor für politische
Beteiligung.377 Auch die Landesstudie zu Bürgerschaftlichem Engagement in BadenWürttemberg weist auf die Bedeutung der Ressource Zeit hin:378 „Die
Befragungsergebnisse zeigen eine deutliche Abstufung der Verfügbarkeit von Bürger-
375Ebd. (Hervorhebungen im Original)
376Beck, Ulrich, 1999, http://www.ix.de/tp/deutsch/inhalt/co/2783/1.html
377Vgl. Kapitel 2.1
378Es wurden BürgerInnen befragt, welche Ressourcen sie für bürgerschaftliches Engagement zu
Verfügung stellen könnten. (Als Ressourcen galten: Zuhören, Lebenserfahrung einbringen, Berufliches
Wissen, Zeit, mitzuwirken, Geld spenden)
105
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Ressourcen, wobei Zeit und Geld sich als die vergleichsweise knappsten Güter
herausstellten.“379
Die Erwerbsarbeit selbst unterliegt in unserer Gesellschaft im höchsten Maße der
Fremdbestimmung durch andere und durch Kapitalinteressen. „Was die Dimension der
Mitbestimmung betrifft, so wird mit dem Arbeitsvertrag die Verfügung über die
Zielbestimmung der Arbeit an den ‚Käufer’ des menschlichen Arbeitsvermögens
abgetreten. Der Arbeitsvertrag ist also – politisch gesehen – ein Unterwerfungsvertrag.
Die Ziele, Inhalte, Zwecke der Arbeit liegen nicht mehr in der Hand der Arbeitenden
selbst, sondern in der Hand derjenigen, die Arbeitsprozesse meist (unter ökonomischen
Prinzipien) organisieren.“380
Herbert Kubicek und Martin Hagen verweisen auf einen Zusammenhang zwischen
betrieblicher und gesellschaftlicher Beteiligung. Sie sprechen von einem
Wechselverhältnis zwischen gesellschaftlicher Partizipation und der Partizipation an der
Mitbestimmung über Arbeitsstrukturen. „Auf der einen Seite wird angenommen, daß die
Sozialisation durch das Arbeits- und Berufsleben so prägend ist, daß ohne erweiterte
betriebliche Beteiligung kein Fortschritt auf gesellschaftlicher Ebene möglich ist. Auf der
anderen Seite steht die These, daß eine Zunahme der Beteiligung auf der
gesellschaftlichen Ebene dazu führt, daß ähnliche Beteiligungsmöglichkeiten auch im
Betrieb gefordert und schrittweise geschaffen werden.“381 Betriebliche Mitbestimmung
heißt natürlich nicht, daß damit Ziele und Inhalte der Arbeit in der Hand der Beschäftigten
liegen. Erweiterte betriebliche Mitbestimmung könnte jedoch ein erster Schritt in die
Richtung einer selbstbestimmteren Arbeit sein. Da sich Arbeitsverhältnisse jedoch
zunehmend ausdifferenzieren und damit auch individualisieren, verringern sich die
Möglichkeiten für eine Mitbestimmung über die eigenen Arbeitsstrukturen, wie im
Vorangegangenen gezeigt wurde. Denn eine kollektive Interessenvertretung wird durch
die Individualisierung der Arbeitsverhältnisse erschwert und bedarf deshalb neuer
Konzepte.
379Sozialministerium Baden-Württemberg (Hrsg.), 1997, S. 52
380Beck, Ulrich, 1999, http://www.ix.de/tp/deutsch/inhalt/co/2783/1.html
381Kubicek, Herbert/Hagen, Martin, 1999, http://www.fgtk.informatik.unibremen.de/hagen/partizipation/home.html
106
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5.4 Gesellschaftliche Ungleichheiten
Wer über Partizipation mit Hilfe neuer Medien reden will, kommt nicht umhin zu schauen,
wer denn überhaupt Zugang zum Internet hat und welche Möglichkeiten sich für wen im
neuen Kommunikations- und Informationsraum bieten. Wenn wir davon ausgehen, daß
das Internet soziale und politische Partizipationsmöglichkeiten in einer
Informationsgesellschaft bietet, dann entscheidet die Frage des Zugangs zu den neuen
Medien auch zu einem erheblichen und unter Umständen auch zunehmenden Teil über
den Handlungsspielraum von Menschen und über deren gesellschaftliche
Teilhabemöglichkeit. Denn die Forderung der Partizipationsforschung,
Partizipationsmöglichkeiten so anzulegen, daß soziale Selektion verhindert wird382, muß
auch auf netzgestützte Formen der Partizipation übertragen werden. Also stellt sich die
Frage, inwieweit vorhandene gesellschaftliche Ungleichheiten im virtuellen Raum
aufgehoben werden können, oder ob sie in ihn hineinreichen und dort vielleicht sogar
verstärkt werden. Berücksichtigt werden müssen auch die Rückwirkungen der
Ungleichheiten des virtuellen Raums auf realweltliche Entwicklungen. Dabei müssen
gesellschaftliche Ungleichheiten sowohl auf nationaler als auch auf globaler Ebene
betrachtet werden.
Der Zusammenhang zwischen Partizipation und sozialen Ungleichheiten besteht
einerseits darin, daß der Zugang zu bestimmten Teilhabemöglichkeiten nicht oder nur
unzureichend gegeben ist. Josef Held weist darüber hinaus darauf hin, daß die
Bereitschaft zu politischer Partizipation von der sozialen Situation der Menschen
abhängig ist.383 Die soziale Situation läßt sich für ihn auch als eine Frage von Integration
und Ausgrenzung in unserer Gesellschaft begreifen, indem gesellschaftliche
Ungleichheiten ihren Ausdruck in sozialen Segmentierungsprozessen finden. Dabei ist die
gesellschaftliche Integration sowohl die Voraussetzung als auch ein wichtiges Ziel der
politischen Partizipation. „Wer in einer Gesellschaft sozial ausgeschlossen, bzw.
ausgegrenzt ist, hat wenig Möglichkeiten zur politischen Partizipation. Oft ist dann der
Kampf gegen Ausgrenzung die einige Möglichkeit zur politischen Partizipation.“384
Auswirkungen sozialer Segmentierungen einer Gesellschaft sieht er auch in der Art und
382Vgl. zum Beispiel Herrmann, Franz, 1995, S. 161f.
383Vgl. Held, Josef, 1996, S.5 vgl. auch Kapitel 2.1.1
384Held, Josef, 1996, S. 5
107
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Weise der Partizipation von Menschen. „Wer sich integrieren will und Angst hat vor
drohender Desintegration steht unter einem Konformitätsdruck, der die Art seiner/ihrer
politischen Partizipation prägt.“385
Also ist danach zu fragen, ob in der entstehenden Informationsgesellschaft neue soziale
Spaltungen und gesellschaftliche Ungleichheitsverhältnisse entstehen und in welchem
Verhältnis sie zu herkömmlichen Segmentierungsprozessen stehen.
5.4.1 Information-rich und information-poor. Informationelle Ungleichheiten
und ökonomisches Kapital.
Wie schon in Kapitel 4.2 unserer Arbeit dargestellt, wird in der Cyberkultur der virtuelle
Raum gerne als herrschaftsfreier Raum beschrieben, indem es keine Bevorzugung oder
Benachteiligung aufgrund von Herkunft, Rasse, Status oder Position gibt. Dem Internet
werden in technodeterministischer Verkürzung an sich schon positive gesellschaftliche
Wirkungen zugeschrieben, es ist sogar von einer ‚digitalen Revolution’ die Rede. Die
britischen Soziologen Richard Barbrook und Andy Cameron nennen das Aufkommen
neoliberalen Gedankenguts, in dessen Kontext diese Vorstellungen eingebunden sind,
„die kalifornische Ideologie“. „Sie wollen den Einsatz der Informationstechnologien, um
eine neue Demokratie im Geiste Jeffersons zu schaffen, in der alle Individuen sich frei im
Cyberspace zum Ausdruck bringen können.“386 Barbrook und Cameron sprechen vom
Entstehen einer „virtuellen Klasse“,387 die sich aus High-Tech-UnternehmerInnen und gut
ausgebildeten Angestellten wie ComputerwissenschaftlerInnen, KognitionsforscherInnen,
KommunikationsspezialistInnen, SoftwareprogrammiererInnen usw. zusammensetzt.
Damit verbunden sei das Verschmelzen von Ansichten des ‚linken’ Spektrums, der
ehemaligen Hippiebewegung, mit ‚rechten’, wirtschaftsliberalen Positionen. Das
verbindende Element ist dabei das Ablehnen staatlicher Macht mit ihren Institutionen und
der Wunsch nach einer Freiheit der Individuen. „Anstatt offen gegen das System zu
rebellieren, akzeptieren diese High-Tech-Handwerker jetzt, daß individuelle Freiheit nur
unter den Bedingungen des technischen Fortschritts und des ‚Freien Marktes’ erreicht
werden kann.“388 Über die gesellschaftlichen Auswirkungen wirtschaftlichen Liberalismus
385Ebd.
386Barbrook, Richard/Cameron, Andy, 1997, S. 16
387Ob im soziologischen Sinne wirklich eine neue Klasse entsteht ist allerdings umstritten, da es sich bei
den InformationsarbeiterInnen um eine sehr heterogene Gruppe handelt.
388Ebd. S. 24
108
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wird jedoch in wenigen Fällen nachgedacht. Florian Rötzer schreibt mit Bezug auf den
Text von Barbrook und Cameron: „Der fatale Irrtum der anarchistisch gesinnten
Cyberkultur, der sie so ambivalent mit der wirtschaftlichen Macht verbindet, entstammt
dem Glauben, der vor allem von Marshall McLuhan vertreten wurde, daß die Technik
gleichzeitig und unmittelbar eine soziale Revolution mit sich bringe, und der Ignoranz der
Tatsache, daß eben die Technik das wichtigste Produktionsmittel der Wirtschaft ist, die
auf dem privaten Eigentum beruht.“389 Aus diesem Grund werfen Barbrook und Cameron
der kalifornischen Ideologie vor, in tiefen Widersprüchen gefangen zu sein. Mit der
Ideologie einer Jeffersonschen Demokratie390 gehe eine soziale Spaltung der Gesellschaft
einher, denn bei diesem gesellschaftlichen Modell sei das Wohlergehen einiger nur auf
Kosten von anderen möglich. „Die Ausgeschlossenen partizipieren am
Informationszeitalter nur als billiges, nicht gewerkschaftlich organisiertes
Arbeitskraftreservoir für die gesundheitsschädigenden Firmen der Chiphersteller im
Silicon Valley.“391 Auf diese Weise ginge die Fragmentierung der amerikanischen
Gesellschaft, in durch Rassenzuschreibungen bestimmte Klassen, in die Entwicklung des
Cyberspace mit ein. Zu befürchten wäre eine neue Apartheid zwischen ‚Information-rich’
und ‚Information-poor’. „Freiheit und Selbstorganisation als Träger persönlicher und
gesellschaftlicher Dynamik sind die ,unschuldigen’ Prinzipien, die verdächtig dann
werden, wenn sie in eine Affirmation herrschender wirtschaftlicher Strukturen
umschlagen, die wiederum die Verarmung, Ausgrenzung und Verelendung ganzer
Gesellschaftsschichten, Länder und Kontinente bewirken.“392 Auch wenn sich Barbrook
und Cameron in ihren Ausführungen auf die US-amerikanische Gesellschaft beziehen,
lassen sich solche Befürchtungen, wie das Zitat von Florian Rötzer zeigt, auch auf globale
Zusammenhänge und andere Gesellschaften übertragen.
Auch die autonome a.f.r.i.k.a.-Gruppe warnt davor, beim Diskurs um die
Informationsgesellschaft gesellschaftliche Eigentums- und Produktionsverhältnisse aus
dem Blick zu verlieren. Sie wendet sich vor allem gegen die Vorstellung,
389Rötzer, Florian, 1996, http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/te/1053/1.html
390Barbrook und Cameron ziehen hier einen Vergleich zum Leben von Thomas Jefferson, „der den
mitreißenden Ruf nach Demokratie und Freiheit in der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung schrieb
und gleichzeitig der Eigentümer von nahezu zweihundert Sklaven war.“ Barbrook, Richard/Cameron,
Andy, 1997, S. 25
391Ebd. S. 26
392Rötzer, Florian, 1996, http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/te/1053/1.html
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Gesellschaftsveränderungen seinen durch eine demokratischere Verfügbarkeit von
Informationen zu erwarten. Denn die Demokratisierung von Wissen bedeutet nicht
automatisch eine Demokratisierung der Gesellschaftsstrukturen. „Über den Begriff der
Informationsgesellschaft werden die Ursachen sozialer Ungleichheit fälschlicherweise als
Folge von Informationsmangel und nicht als Konsequenz der unterschiedlichen
Verfügungsgewalt über die Produktionsmittel dargestellt.“393 Auch wenn Macht über und
Zugang zu Informationen durchaus ein Herrschaftsinstrument sein kann, bedeutet ein
freier Zugang zu Informationen nicht unbedingt einen Abbau von Herrschaftsstrukturen.
Der gleiche Einwand gilt auch für weniger optimistische Einschätzungen der
gesellschaftlichen Entwicklung. So wird über gesellschaftliche Ungleichheiten in
Zusammenhang mit den neuen Medientechnologien hauptsächlich auf eine befürchtete
Spaltung der Gesellschaft in ‚information-rich’ und ‚information-poor’ hingewiesen. Durch
diese Begriffe wird das Problem gesellschaftlicher Ungleichheiten aber auf ein Problem
der mangelnden Informiertheit reduziert. „Die Verkürzung der sozialen Frage auf den
Konflikt zwischen den ,informationsreichen’ und ,informationsarmen’ Schichten, den auch
Barbrook und Cameron in den Vordergrund stellen, thematisiert lediglich den ,Zugang für
alle’, nicht aber die tatsächliche, obwohl damit verbundene Fragen nach der Verteilung
des gesellschaftlichen Wohlstands und Eigentum.“394
Je nach Ansatz werden bei der Betrachtung der Ungleichheitsverhältnisse eher die
ungleiche Informations- und Wissensverteilung oder die Produktions- und
Eigentumsverhältnisse einer Gesellschaft in den Blickpunkt gerückt. Oft findet eine
Vermischung dieser Faktoren, auch in den Begrifflichkeiten statt. Tatsächlich könnte eine
solche Vermischung bezeichnend für die gesellschaftlichen Veränderungen in der
Informationsgesellschaft sein. Wie in Kap 4.1.3. beschrieben, sehen zum Beispiel die
VerfasserInnen der ‚Magna Charta for the Knowledge Age’395 Wissen als das zentrale
Produktionsmittel der entstehenden Gesellschaft an und bestehen deshalb darauf, daß
Wissen zum geschützten Eigentum wird.
393autonome a.f.r.i.k.a.-gruppe, 1997, http://www.contrast.org/KG/vortech.htm
394Rötzer, Florian, 1996, http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/te/1053/1.html
395Toffler, Alvin/Gingrich, George,/Dyson, Esther/Keyworth, George, 1994,
http://www.feedmag.com/95.05magna1.html
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Eine Analyse gesellschaftlicher Verhältnisse darf also den Faktor Wissen als Kapital nicht
vernachlässigen. Natürlich war der Bildungs- und Wissensstand noch nie völlig ohne
Bedeutung für eine gesellschaftliche Position, aber durch die Veränderungen im Zuge der
entstehenden Informationsgesellschaft kann dieser Faktor eine neue Dimension
bekommen. Er kann unserer Meinung nach jedoch nur im Zusammenhang mit den
materiellen Eigentums- und Produktionsverhältnissen gesehen werden, mit denen er in
enger Beziehung steht.
Bei der Frage, welche Auswirkungen die neuen Medien auf den Wissensstand der
Bevölkerung haben, können auch Ergebnisse der Wissenskluftforschung396 herangezogen
werden. Auch wenn die Ergebnisse hauptsächlich aus den 70er und 80er Jahren
stammen und Medien wie das Internet damit nicht berücksichtigen, können sie unter
Umständen doch aussagekräftige Hinweise geben. Ihre zentrale These geht davon aus,
daß die Wissenskluft innerhalb der Bevölkerung wächst, wenn der Informationsfluß einer
Gesellschaft zunimmt. „Wenn der Informationsfluß von den Massenmedien in ein
Sozialsystem wächst, tendieren die Bevölkerungssegmente mit höherem
sozioökonomischen Status und/oder höherer formaler Bildung zu einer rascheren
Aneignung dieser Information als die status- und bildungsniedrigeren Segmente, so daß
die Bildungskluft zwischen diesen Segmenten tendenziell zu- statt abnimmt.“397 D.h. daß
die Wissenskluft relativ betrachtet zunimmt, obwohl der absolute Wissensstand der
Bevölkerung wächst. Es ist gut vorstellbar, daß sich diese These auch bei neuen Medien
wie dem Internet bewahrheitet. Denn mehr noch als bei herkömmlichen Medien wie
Zeitungen und Fernsehen erfordert der Umgang mit den Informations- und
Kommunikationstechnologien viele Vorkenntnisse und Voraussetzungen, wie Lese- und
Schreibfertigkeiten, Computerverständnis, Englischkenntnisse, usw. und natürlich das
nötige Geld für den Zugang und die Nutzung der Technologien. Nur die Tatsache, Zugang
zum Internet zu haben, sagt über die Art und Weise der Nutzung noch nichts aus. Das
Internet ist ein Medium, in dem nach Informationen gezielt gesucht werden muß, d.h. das
Wissen das aus der Netznutzung gewonnen wird hängt ausschließlich von dem Interesse
396Vgl. dazu zum Beispiel Winkler, Stefan, 1997, http://www.inf-wiss.uni-konstanz.de/~swinkler/dipl3/dipl3Contents.html
397Tichenor et al., 1970, Mass Media Flow and Differential Growth in Knowledge. S. 159f. In: Public Opinion
Quarterly, 34. Jg., 1970, S. 159-170. Zit nach Winkler, Stefan, 1997, http://www.inf-wiss.unikonstanz.de/~swinkler/dipl3/dipl3-Contents.html
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und der Eigenaktivität der NutzerInnen ab und von deren Kompetenz im Aufsuchen und
Bewerten der zur Verfügung stehenden Informationen. „Es sind weniger die neuen
Medien, die eine vorhandene Wissenskluft möglicherweise vergrößern, sondern eher
Unterschiede im Umgang mit Wissen.“398
Für Gabriele Hoffacker ist die notwendige Antwort auf derartige Entwicklungen eine große
Bildungsoffensive. Sie setzt für die politische Teilhabe in der Informationsgesellschaft das
Erlangen von Medienkompetenz voraus, weshalb für sie die Lösung im Vermitteln von
Medienkompetenz besteht. Dafür ‚wirbt’ sie mit dem Aufruf „Empowering the information
poor“.399 Uwe Fahr kritisiert Gabriele Hoofackers Meinung, daß soziale Gerechtigkeit über
eine gerechte Verteilung von Bildungschancen hergestellt werden kann. „Soziale
Gerechtigkeit kann nur dort geschaffen werden, wo die Klassenstrukturen kapitalistischer
Gesellschaften thematisiert und angegriffen werden. Allein schon der Zugang zur Bildung
wird in der Klassengesellschaft immer sozial ungerecht sein, dies mag die eine oder
andere Reform abschwächen oder überdecken, verändern wird sie diesen Zustand
nicht.“400
Die Enquete-Kommission „Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft“ sieht
diesen Umstand gelassener: „Im übrigen ist eine soziale Differenzierung nach Wissen und
Kommunikationskompetenz nicht Beunruhigendes, da sie nicht erst seit den neuen IuKTechnologien existiert. Eine ‚neue Zergliederung’ gibt es also nicht und ‚benefit for all’
kann es nicht geben.“401 Sie scheinen es nicht beunruhigend zu finden, daß die heutigen
Finanz- und Bildungseliten identisch mit den zukünftigen Informationseliten sein werden.
Insgesamt geht es also darum, beim Blick auf gesellschaftliche Ungleichheiten in der
entstehenden Informationsgesellschaft zu berücksichtigen, daß die kapitalistischen
Produktions- und Eigentumsverhältnisse einer Gesellschaft nach wie vor bestehen. Das
heißt natürlich nicht, daß die Frage des Zugangs zu den neuen Medien und die
Kompetenz des Umgangs mit ihnen ohne Bedeutung ist, aber diese Faktoren müssen im
Zusammenhang mit anderen gesellschaftlichen Ungleichheitsstrukturen betrachtet
401Enquete-Kommission Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft, 1998, S. 96
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werden. Denn das zeigt auch die Grenzen dessen auf, was durch eine gerechtere
Verteilung der Zugangsmöglichkeiten erreicht werden kann.
Vermutlich werden also viele bestehende Segmentierungslinien unserer Gesellschaft
auch im Übergang zur Informationsgesellschaft an ähnlicher Stelle weiterverlaufen und
eventuell sogar verstärkt werden. Für den Bereich der Arbeit konnte aufgezeigt werden,
daß auch neue Segmentierungsprozesse prognostiziert werden. Obwohl die
Informationsgesellschaft in aller Munde ist, wird diesem Thema jedoch relativ wenig
Aufmerksamkeit gewidmet, so daß eine systematische Betrachtung des Verhältnisses
bestehender und zukünftiger Ungleichheitsverhältnisse bisher ausblieb. Auch an dieser
Stelle können lediglich Hinweise auf Tendenzen oder einzelne Phänomene gegeben
werden.
5.4.2 Ungleichheiten des neuen Informationsraumes
Rainer Rilling weist darauf hin, daß die gängige Abstraktion von realgesellschaftlichen
Voraussetzungen im Zusammenhang mit politischer Partizipation durch neue Medien zur
„Illusionsrhetorik der schönen neuen Netzwelt“402 gehört. Er spricht von grundlegenden
Ungleichheiten, die den neuen Informations- und Kommunikationsraum auszeichnen und
nennt das „die netzweltliche Verdoppelung der realen Ungleichheit“.403 Nach Rainer
Rilling404 sind es Ungleichheiten
• in der Verfügung über Basisressourcen wie Energie, Telefon usw.
• in der geographischen Verteilung der Standorte der Netzwerkcomputer, weltweit und
innergesellschaftlich
• im Eigentum an Übertragungsnetzen, Servern, Operationssystemen, usw.
• in der politischen Herrschaft über die institutionellen Arrangements der Netze
• in der Geschlechter-, Sozial- und Qualifikationsstruktur der NetznutzerInnen und
individuellen Provider
• in den administrativen oder geldlichen Zugangskontrollen zu Netzen
• in den Zugängen zu Bandbreiten beziehungsweise Übertragungsgeschwindigkeiten und
damit in den Teilhabemöglichkeiten an neuen hochschwelligen Netzkreisläufen
402Rilling, Rainer, 1996a, http://www.bdwi.org/bibliothek/cyberdemokratie.html
403Ebd.
404Vgl. ebd.
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• in der technischen, kulturellen, sozialen und kommunikativen Kompetenz und der
Beherrschung der englischen Sprache
• in der Zeichenausstattung beziehungsweise am Eigentum (Copyright) von Bildern,
Texten, usw.
5.4.2.1 Zugang
Die naheliegendste Einschränkung der Teilhabemöglichkeiten an den neuen Medien ist
der nicht vorhandene oder eingeschränkte Zugang vieler Menschen. Schon hier zeigt sich
deutlich, wie unterschiedlich die Chancen verteilt sind, sich neue Handlungsmöglichkeiten
in der entstehenden Informationsgesellschaft zu erschließen. Wie wir in Kapitel 5.1 mit
Bezug auf Jürgen Habermas feststellten, ist der freie Zugang aller Menschen zur
Öffentlichkeit eines ihrer normativen Hauptkriterien. Wenn wir nun dieses Kriterium auf
das Internet anwenden, so wird deutlich, daß eine Vielzahl von unterschiedlichen
Zugangsbarrieren existieren und damit große gesellschaftliche Gruppen an den dort
angesiedelten Öffentlichkeiten momentan nicht teilhaben können. Öffentlichkeit und
Partizipation sind auf vielfältige Weise miteinander verknüpft, so daß ungleiche
Zugangsmöglichkeiten entscheidende Auswirkungen auf die Partizipationschancen von
Menschen haben.
Bisher sind in Deutschland noch die wenigsten Menschen NutzerInnen von
Computernetzen wie dem Internet. Die ARD/ZDF-Online-Studie 1999 spricht davon, daß
17,7% der deutschen Bevölkerung ab 14 Jahren das Internet nutzt.405 Diese Zahl alleine
ist jedoch nicht sehr aussagekräftig. So veröffentlichte die Zeitschrift Erziehung und
Wissenschaft das Ergebnis einer ebenfalls 1999 durchgeführten Umfrage, wonach
lediglich 6% der deutschen Bevölkerung das Internet regelmäßig, also mindestens einmal
wöchentlich, privat nutzt.406
Das NutzerInnenprofil des Internets in Deutschland zeigt, daß die Kategorien Alter,
Bildung, Geschlecht407 und Einkommen für eine Onlinenutzung entscheidend sind. „Der
derzeitige Durchschnittsnutzer von Online-Medien ist um die 30 Jahre alt, männlich,
verfügt über einen überdurchschnittlich hohen Bildungsabschluß und auch über ein häufig
405Vgl. ARD/ZDF-Arbeitsgruppe Multimedia, 1999, http://www.zdf.msnbc.de/news/38794.asp
406Quelle: BAT-Umfrage, ohne weitere Angaben, zit. nach Erziehung und Wissenschaft 6/99, S. 5
407 Auf die Kategorie Geschlecht im Zusammenhang mit den neuen Medien und der
Informationsgesellschaft wird in Kap. 5.6. noch gesondert eingegangen.
114
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recht hohes Einkommen; (...).“408 Es wird vermutet, daß sich mit zunehmender Verbreitung
des Mediums dieser Trend abschwächen und ein demographischer Ausgleichsprozeß
einsetzen wird, aber ob jemals eine ausgewogene Verteilung der NutzerInnen entsteht, ist
äußerst fraglich. In diesem Zusammenhang betont die Enquete-Kommission den
Unterschied zwischen Ungleichheit und Ungerechtigkeit: „Nicht jede ungleiche Nutzung ist
zugleich ungerecht. Ungleichheit ist dann ungerecht, wenn strukturelle Barrieren und
Restriktionen bestimmte Bevölkerungsgruppen daran hindern, neue Techniken zu
nutzen.“409 Es ist natürlich richtig, daß sich jeder und jede bewußt gegen eine Nutzung der
neuen Medientechnologien entscheiden kann. Aber die oben dargestellten
Nutzungsunterschiede laufen entlang von Bevölkerungsgruppen die tatsächlich
strukturellen Ungleichheiten im Sinne von Ungerechtigkeiten ausgesetzt sind. Da stellt
sich die Frage, ob mit der Betonung des Unterschiedes von Ungleichheit und
Ungerechtigkeit nicht die Tatsache verschleiert wird, daß hier strukturelle Barrieren und
Restriktionen der Gesellschaft wirksam werden.
Über die Rolle des Staates bei der Schaffung von Zugangsmöglichkeiten existieren je
nach politischer Haltung sehr unterschiedliche Vorstellungen. Barbrook und Cameron zum
Beispiel plädieren dafür, in Europa einen anderen Weg zu gehen als in den U.S.A., und
setzen auf staatliche Eingriffe bei der Entwicklung von Computernetzwerken. „Wenn der
Staat die Entwicklung der Hypermedien fördern kann, dann könnte man auch bewußt
dafür sorgen, daß die Entstehung einer gesellschaftlichen Apartheid zwischen den ,
Information rich’ und den ,Information poor’ verhindert wird.“410 Sie denken nicht, daß es
sinnvoll ist, sich den Unwägbarkeiten des freien Marktes auszusetzen, sondern setzen auf
staatliche Macht, um einen technisch hochwertigen Zugang zu geringen Preisen zu
ermöglichen.
Die neoliberale Cyberkultur möchte sich beim Aufbau internationaler Netzwerke lieber auf
die Regelungen des Marktes verlassen. Esther Dyson, die sich dieser Richtung zuordnen
läßt, stellt sich die Verwirklichung breiter Zugangsmöglichkeiten unter diesen Umständen
so vor: „Wenn man das Ziel hat, auch ärmeren Leuten Zugang zum Internet zu
408Enquete-Kommission Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft, 1998, S. 96
409Ebd. S. 89
410Barbrook, Richard/Cameron, Andy, 1997, S. 30
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verschaffen, bedeutet das zum Beispiel, daß nicht die Regierung das Internet finanzieren
muß, sondern die Armen, damit sie sich die Werkzeuge kaufen können, die ihnen den
Zugang zum Netz ermöglichen.“411
In Deutschland sind viele PolitikerInnen davon ausgegangen, daß ein liberalisierter
Telekommunikationsmarkt die Telefongebühren so senken wird, daß zumindest dieser
Punkt kein Hinderungsgrund sein wird, das Internet zu nutzen. Allerdings hat sich diese
Hoffnung gerade bei den Ortstarifen bisher nicht bewahrheitet.412 Es besteht weitgehende
Einigkeit darüber, daß es zu den staatlichen Aufgaben gehört, für möglichst breite
Zugangsmöglichkeiten zu sorgen und Chancengleichheit zu fördern, aber ob und wie dies
erreicht werden kann, ist umstritten. Bei dieser Frage werden vor allem folgende Punkte
diskutiert: Die Bereitstellung von Zugangspunkten (Soft- und Hardware), die Vermittlung
von Medienkompetenz und das Bereitstellen von Informationen im Sinne einer
informationellen Grundversorgung. Das Vernetzen von Schulen wird momentan
vorangetrieben und immer wieder als Engagement vorgezeigt, wenn es um die Schaffung
von Zugangsmöglichkeiten und die Förderung von Medienkompetenz geht. Ansonsten
wird neben den Bildungseinrichtungen vor allem auch öffentlichen Bibliotheken eine
wichtige Rolle bei der Bereitstellung von Zugangsmöglichkeiten und kostenlosen
Informationen zugedacht. Im Startprogramm der SPD ist das Vernetzen der Schulen
jedoch das einzige konkret formulierte Ziel bezüglich der neuen Medien: „In einer
Innovationspartnerschaft mit der Wirtschaft und mit den Ländern wollen wir dafür sorgen,
daß bis zum Jahr 2000 alle deutschen Schulen einen Anschluß ans Internet erhalten.“413
Doch selbst im schulischen Bereich scheinen tragfähige Konzepte zu fehlen, wie wirklich
allen SchülerInnen der Umgang mit den neuen Medien vermittelt werden kann. Daß alle
Schulen einen Internetzugang erhalten reicht dazu nicht aus. Es fehlt bisher an
finanziellen Mitteln, um Schulen mit ausreichender Hardware und deren Betreuung zu
versorgen, und es fehlt an LehrerInnen, die in diesem Bereich qualifiziert sind.
411Dyson, Esther, im Gespräch mit Claus Leggewie, 1998, S. 112
412Vgl. Enquete-Kommission Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft, Sondervotum von SPD
und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, 1998, S. 141
413Schröder, Gerhard, 1998, http://www.spd.de/archiv/arbeit/Arb19980820_670.html
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Für Paul Treanor ist der oft geforderte ‚Zugang für alle’ Ausdruck einer totalitären
Ideologie.414 Er wirft der liberalistischen Cyberkultur vor, mit der Monopolbildung eines
Internets für alle, egoistische Interessen zu verfolgen: „Das Netz droht damit, sich der
ganzen Welt aufzudrängen. Falsch daran ist nichts anderes als das Netz selbst: eine
Befreiung von Zensur oder ein gleicher Zugang für alle könnten es nicht bessern.“415 Denn
für ihn ist das Netz viel mehr ein politischer oder ethischer als ein technologischer Begriff.
Dabei gilt es, zwischen dem real-existierenden Internet und dem Netz der Ideologie, der
virtuellen Gemeinde, zu unterscheiden. Mit der Vorstellung eines Netzes, in dem alle
gleich sind, werde über tatsächliche Mängel, wie die des ungleichen Zugangs,
hinweggetäuscht. „Das typisch liberale Argument, wonach formale Gleichheit (d.h., die
Bürgerschaft) andere Formen der Ungleichheit rechtfertige, gilt auch für das Netz. Eine
formale Gleichheit – die des Zugangs oder der Kommunikation – wird selbst dann dazu
benutzt, das Netz zu rechtfertigen, wenn sie noch in der Zukunft liegt.“416 Letzten Endes
werde aber das Internet mit der Aufhebung physikalischer Grenzen vorhandene
Ungleichheiten verstärken, so wie auch der freie Markt soziale Ungleichheiten verstärkt:
„Der Gewinner dieses Prozesses wird mit ziemlicher Sicherheit dieselbe gut ausgebildete,
gut bezahlte Elite sein, die zuerst das Internet nutzte.“417 Deshalb ist er dagegen, dieses
Medium zu fördern und meint, die einzige Möglichkeit sei, sich gar nicht auf das Internet
einzulassen. Denn nur wenn möglichst viele ans Internet angebunden sind, kann es die
Bedeutung erlangen, die diese Elite zu wirklichen Gewinnern macht.
5.4.2.2 Innerhalb des Netzes
Die Ungleichheiten innerhalb des Internets werden hauptsächlich strukturiert durch
Faktoren, die außerhalb des Mediums liegen, wie Wissen, Eigentum und
realgesellschaftliche Macht, die miteinander in vielfachem, wechselseitigem
Zusammenhang stehen. Dabei entstehen Ungleichheiten, die sich auf verschiedene
Bereiche beziehen, wie zum Beispiel die Produktion von Inhalten, die Netzkommunikation
oder die Gestaltung des Netzwerkes.
414Treanor, Paul, 1996, http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/te/1052/1.html
415Ebd.
416Ebd.
417Ebd.
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Eine Hoffnung, die sich mit den Informations- und Kommunikationstechnologien verbindet,
ist die Ermöglichung eines herrschaftsfreien Diskurses oder zumindest einer Abflachung
von Kommunikationshierarchien. Warum dem Punkt der Gleichheit im Diskurs eine solche
Bedeutung beigemessen wird, erklärt sich aus der Diskussion um eine Veränderung der
Öffentlichkeit durch die neuen Medientechnologien. Dabei ist die Gleichheit aller
beteiligten Menschen in der Öffentlichkeit durch das Absehen von sozialen Rängen und
Status schon bei Habermas Merkmal einer idealen Öffentlichkeit.418 Bei der technologisch
vermittelten Diskussion in virtuellen Gemeinschaften wurde und wird nun von
verschiedenen Seiten die Möglichkeit gesehen, dieses Ideal zu verwirklichen.
Mark Poster geht dieser Frage im Zusammenhang mit der Ermöglichung neuer Identitäten
im Cyberspace nach. Gerade die Möglichkeit, Identität in neuer Weise selbst herzustellen,
hat den Mythos vom gleichberechtigten Diskurs geschaffen. Erscheinungen wie das
gender-swapping419 und Spielwiesen der Identität wie MUD’s und MOO’s420 werden häufig
als Beispiel dafür herangezogen. „Im Internet gestalten Teilnehmer ihre Identitäten nicht in
einem reinen Bewußtseinsakt, sondern im Kontext des aktuell geführten Dialogs. (...)
Dennoch impliziert es eine ‚Demokratisierung’ der Subjektkonstitution, weil die Diskurse
nicht einseitig bleiben und auch nicht von den geschlechtsspezifischen und ethnischen
Faktoren beeinträchtigt werden, die die Kommunikation von Angesicht zu Angesicht
prägen.“421 Allerdings nimmt er eine Differenzierung dieser Aussage vor, indem er
verschiedene Formen der Internetkommunikation unterscheidet, wie E-Mail, Internet
Relay Chat, oder MOO’s. Auch weist er darauf hin, daß schon so trivial erscheinende
Faktoren wie Schreibmaschinenkenntnisse darüber bestimmen können, wer am meisten
zu Wort kommt, wodurch ein politisches Gefälle entsteht. „So gibt es selbst im
Cyberspace gewisse Asymmetrien, die man als ‚politische Ungleichheiten’ bezeichnen
könnte. Dennoch liegt das herausragende Merkmal des Internet in der Abschwächung
herrschender Hierarchien, die auf Herkunft, Alter und Status beruhen; dies gilt
insbesondere für die Geschlechtszugehörigkeit, die hier vergleichsweise unbedeutend
418Vgl. Kap. 5.1 unserer Arbeit.
419Das Auswählen- und Wechselnkönnen der eigenen Geschlechtszugehörigkeit in virtuellen
Gemeinschaften.
420Textorientierte oder visualisierte Rollenspiele im Internet.
421Poster, Mark, 1997, S. 152
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ist.“422 Diesen Umstand diskutiert er dann in Zusammenhang mit dem Begriff der
Öffentlichkeit. Im Internet sieht er die Chance, der durch Massenmedien veränderten
Öffentlichkeit einen Raum zu geben, in dem dezentrale und demokratische
Kommunikationsstrukturen möglich sind.423
Auch Christian Stegbauer stellt die Frage nach der Gleichheit der
KommunikationsteilnehmerInnen in virtuellen Räumen. Er untersuchte Mailinglisten und
Newsgroups um festzustellen, ob sich Strukturen finden lassen, die der Gleichheitsthese
virtueller Gemeinschaften widersprechen. Dabei stieß er auf Gruppenstrukturen, die
seiner Meinung nach Ungleichheit innerhalb des Kommunikationsprozesses erzeugten.
So bilden sich Subgruppen, die hauptsächlich untereinander kommunizierten, oft auch
eine Zentrum-Peripherie-Struktur, bei der Personen aus dem Zentrum mit verschiedenen
Subgruppen Kontakt hatten. Genauso gibt es viele, die sich überhaupt nicht in zu Wort
meldeten. „Die Zwangsläufigkeit von Strukturierung und damit auch die unabwendbare
Herstellung von Ungleichheit in internetbasierten Kommunikationsgruppen hat zur Folge,
daß ein prinzipieller Unterschied in dieser Hinsicht, gegenüber Gruppen, die nicht mit Hilfe
von Medien kommunizieren, nicht gegeben zu sein scheint.“424 Die Ausbildung informeller
Hierarchien ist typisch für soziale Gruppen aller Art, so daß wir es nicht weiter
verwunderlich finden, solche auch bei virtuellen Gemeinschaften vorzufinden. Allerdings
weist Stegbauer darauf hin, daß es in formalen, realweltlichen Gruppen oft den Versuch
gibt, diesem Problem mit speziellen Regelungen entgegenzutreten. „In vergleichbaren
Situationen außerhalb der Netzwelt wurden Regelungen eingeführt, die die Dominanz
einzelner Diskursteilnehmer einschränken und den strukturell Benachteiligten spezielle
Rechte einräumen.“425 Eine Übertragung solcher Verfahren auf Situationen der
Netzkommunikation hält er für schwierig, da virtuelle Gruppen oft auf dominante Zentren
angewiesen seien, um überhaupt am Leben zu bleiben. Was er in der Vorstellung seiner
Studie nicht weiter ausgeführt und unter Umständen auch nicht berücksichtigt hat, ist die
Frage, inwieweit seine festgestellten Ungleichheiten im Zusammenhang mit strukturellen
422Ebd. S. 156
423Vgl. auch Kapitel 5.1.
424Stegbauer, Christian, 1998, http://www.rz.uni-frankfurt.de/~chris/Online-communities.html (Hervorhebung
im Original)
425Ebd.
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Ungleichheiten der realen Welt stehen. D.h., entstehen hier neue, diesem Medium
spezifische Ungleichheiten oder sind es gesellschaftlich bereits benachteiligte Gruppen,
die hier wiederum das nachsehen haben?
Alexander Roesler bezieht sich wie Mark Poster auf Theorien zur Öffentlichkeit, wie sie
zum Beispiel von Habermas entwickelt wurden. So sieht er einiges der drei Merkmale, die
Habermas für ein ‚Ideal’ der Öffentlichkeit entwickelt hat,
(Gleichheit/Ebenbürtigkeit/Parität, alles kann Gegenstand des Diskurses sein,
Unabgeschlossenheit des Publikums) im Internet verwirklichbar. Zum Punkt der
Ebenbürtigkeit und Gleichheit meint er: „Die Tatsache, daß der andere nur über den Text
existiert, den wir auf unserem Bildschirm von ihm sehen, macht uns wohl geneigter, ihn
oder sie als ebenbürtig zu betrachten. Es scheint, als mache der Bildschirm alle gleich.“426
Dabei bezieht er sich auf Unterschiede in Geschlecht und ethnischer Zugehörigkeit und
auf Diskriminierungen, denen Behinderte und andere Randgruppen ausgesetzt sind.
Trotzdem sieht er keinen Grund zur Euphorie. Er denkt zwar, daß ‚klassische’
Ausgrenzungskriterien wie Hautfarbe oder Geschlecht vor dem Bildschirm nicht zählen,
aber daß dafür zahlreiche andere Kriterien hinzukommen, die eine Ausgrenzung und
Diskriminierung verursachen können. Dazu zählt er zum Beispiel
Fremdsprachenkenntnisse, insbesondere Englischkenntnisse, die es erst ermöglichen
auch über regionale Teile des Netzes hinaus aktiv zu sein. Aber auch Sprachgewandtheit,
Erfahrung im Umgang mit Computern und Geld für Soft- und Hardware sowie für die
Inanspruchnahme von bezahlten Online-Diensten sieht er als neue Ungleichheitskriterien.
Des weiteren weist er auf die Macht der ProgrammiererInnen hin, die bestimmen, was
technisch an Formen der Teilnahme und Einwirkung möglich ist. So kommt Roesler zu
dem Schluß, „daß es auch im Internet nicht zu einer Öffentlichkeit kommt, bei der es
keinerlei Ausgrenzungsmechanismen gibt; sie verlagern sich nur und bei der Gleichheit
vor dem Bildschirm sind wieder manche gleicher als andere.“427 Indem Roesler hier von
einer Verlagerung der Ausgrenzungsmechanismen spricht, versäumt er allerdings die von
ihm aufgeführten ‚neuen’ Kriterien der Ausgrenzung und Diskriminierung mit den
‚klassischen’ Kriterien in Bezug zu setzen. Es mag tatsächlich eine Verschiebung
mancher Ungleichheitsverhältnisse stattfinden, aber es sollte nicht außeracht gelassen
426Roesler, Alexander, 1997, S. 183
427Ebd. S. 187 (Hervorhebung im Original)
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werden, daß die von ihm beschriebenen Punkte, die eine Gleichheit verhindern, in
vielerlei Hinsicht gerade für Menschen zutreffen, die bisher schon strukturell benachteiligt
sind. So gehen zum Beispiel Sprachgewandtheit und Fremdsprachenkenntnisse oft mit
höherer Bildung einher, die wiederum noch immer nicht gleichmäßig auf alle
gesellschaftlichen Gruppen verteilt ist. Desgleichen sprechen sowohl Roesler, wie auch
Poster davon, daß die Kategorie Geschlecht keine Bedeutung mehr für die
Gleichberechtigung im Diskurs virtueller Gemeinschaften hat. Das dies auch anders
gesehen werden kann, wird in Kapitel 5.5 unserer Arbeit verdeutlicht.
Alexander Roesler bezieht sich jedoch nicht nur auf Habermas, sondern auch auf die
Kritik ‚bürgerlicher Öffentlichkeit’ durch Oskar Negt und Alexander Kluge.428 Sie kritisieren
an Massenmedien wie dem Fernsehen u.a. die Einseitigkeit der Kommunikation, die
verhindert, daß sich die Produkte der Massenmedien durch „Gegenprodukte“ wiederlegen
lassen. Und hier scheint das Internet eine Chance zu bieten, den massenmedialen
Inhalten etwas entgegenzusetzen. „Gerade für proletarische oder andere
Gegenöffentlichkeiten bietet das Internet eine kostengünstige und effektive Möglichkeit,
sich gegen die herrschende öffentliche Meinung Gehör und Aufmerksamkeit zu
verschaffen.“429
Aber auch hier lohnt es sich, genauer hinzuschauen. In Kapitel 3.2 unserer Arbeit haben
wir mit Bezug auf Rainer Rilling schon ausgeführt, daß bei der Produktion von Inhalten
neben sozialem Kapital in Form von technischem Wissen auch dem ökonomischen
Kapital immer mehr Bedeutung zukommt. Desgleichen hängt die Strukturierung von
Aufmerksamkeit des Netzraumes zum einen mit dem Aufbau eines guten inhaltlichen
Angebots zusammen. Zum anderen ist aber auch der Import von realgesellschaftlicher
Reputation in den virtuellen Raum möglich. So können herkömmliche Medien wie
Zeitschriften oder Radio- und Fernsehsender schnell ins Aufmerksamkeitszentrum des
neuen Mediums gelangen.
Bei der zunehmenden Fülle an Angeboten und Informationen im Internet ist das Erringen
von Aufmerksamkeit von größter Bedeutung. „Das Internet ist fest in den Händen der
weißen Mittelklasse und der Unternehmen, die in dieser ihren Markt finden. Wenn
428Vgl. wiederum Kap. 4.3.
429Roesler, Alexander, 1997, S. 184
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minoritäre Gruppen sich in ihm auch ihren Ausdruck verschaffen, dann ist dies nicht
anders wie unter den Bedingungen der verachteten Massenmedien – weitgehend unter
Ausschluß der Öffentlichkeit. (...) Man annonciert bestenfalls bei Wired, aber nicht auf der
Homepage der Zapatistas. So einfach ist das.“430 Und wie bei Massenmedien bedeutet
auch im Internet das Erlangen von Aufmerksamkeit den Erhalt finanzieller Mittel über
Werbung. Gleichzeitig haben aber, auch finanzielle Ressourcen ihre Bedeutung bei der
Produktion von Inhalten. Hier zeigt sich, wie die verschiedenen Ungleichheitsverhältnisse
miteinander verknüpft sind und sich sogar wechselseitig verstärken können.
Welche Möglichkeiten das Netz für wen bietet, hängt auch davon ab wie es gestaltet ist
und vor allem wer es gestalten kann. Seit mit der Entstehung des WWWs ein
Wachstumsboom des Internets einsetzte und die Wirtschaft das Netz für ihre Interessen
‚entdeckte’, stellte sich immer wieder die Frage danach, wer den virtuellen Raum regelt
und kontrolliert. Anfangs wurde davon ausgegangen, daß sich das dezentral organisierte
Medium Internet jeder Kontrolle und Zensur entzieht und dort auch eine ‚Dezentralisierung
von Macht’ stattfindet. Das Netz trug in seiner Anfangszeit durchaus anarchistische Züge,
was zu zahlreichen Mythenbildungen über die ‚Freiheit des Cyberspace’ führte.431 Dann
zeigte sich durch verschiedene staatliche Zensurversuche jedoch, daß sich auch hier die
Macht des Staates nicht so einfach ausschließen läßt. Der Staat tritt allerdings
vorwiegend auf den Plan, wo es um die Zensur von verbotenem politischen Material oder
um Straftaten wie die Verbreitung von Kinderpornographie geht. Ansonsten setzt die
deutsche Politik, wie schon das Vorbild USA, vor allem auf Deregulierung, d.h. daß der
Wirtschaft und den privatisierten Telekommunikationsunternehmen freie Hand beim
Ausbau der Datennetze gelassen wird, auf die freie Marktwirtschaft vertrauend.
Gegner der Deregulierungspolitik, wie Benjamin Barber zum Beispiel befürchten dadurch
allerdings eine größere Einschränkung als durch staatliche Eingriffe: „In jedem Fall
besteht die Alternative zu einer Regelung durch den Staat nicht, wie häufig behauptet
wird, im freien Markt, sondern in der Regulation durch den Markt. Die Wahlmöglichkeiten,
die dieser zuläßt, und die Grenzen, die er setzt, sind von großer, prägender Wirkung, doch
430Rötzer, Florian, 1996, http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/te/1053/1.html Anzumerken ist hierzu
allerdings, daß Minoritäten sich durchaus in Teilöffentlichkeiten etablieren und wie im Fall der Zapatistas
darüber hinaus den Sprung in massenmediale Öffentlichkeiten schaffen können. Vgl. Kapitel 5.2
431Vgl. Kapitel 4
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als Teil der ‚unsichtbaren Hand’ des Marktes können wir sie nicht wahrnehmen.“432 Diese
Befürchtungen hängen auch mit der Tatsache zusammen, daß auf dem
Telekommunikations- und Softwaresektor eine Tendenz zur Konzentrationsbildung und
Monopolisierung stattfindet.433 Wobei die neuen Telekommunikationsriesen ihr Monopol
nicht auf materielle Güter gründen, sondern auf die neuen Machtinstrumente der
Informationsgesellschaft, wie Filme, Worte, Bilder und Ideen. „Und auf dem Gebiet der
Information ist ‚Monopol’ eine höfliche Umschreibung für Uniformität, was wiederum eine
höfliche Umschreibung für virtuelle Zensur ist – Zensur nicht als Folge politischer
Entscheidungen, sondern als eine Konsequenz von unelastischen Märkten,
unzureichendem Wettbewerb und Geschäften in ganz großem Stil.“434
Dies sind allerdings – zumindest bisher – erst Tendenzen. Die politische Weichenstellung
hat jedoch schon stattgefunden und die Umwandlung von Information beziehungsweise
Wissen in ein profitträchtiges Gut ist absehbar. Und soviel dürfte klar sein, die
demokratischen Möglichkeiten des Internets hängen nicht zuletzt damit zusammen, wie
das Netz selbst strukturiert ist. „Vieles bei der Beantwortung der Frage nach den
Machtverhältnissen im Netz wird davon abhängen, ob es gelingt, eine vielfältige und
dezentrale Serverlandschaft zu erhalten und auszuweiten“.435
5.4.3 Ungleichheiten auf globaler Ebene
„Im Endeffekt werden wir weltweit einen Anstieg des Wohlstands erleben, der sich
stabilisierend auswirken wird. Entwickelten Nationen und ihren Bürgern wird
wahrscheinlich weiterhin eine gewisse Führungsrolle zufallen. Doch der Abstand
zwischen den armen und reichen Ländern wird sich verringern.“436 Daß sich diese
432Barber, Benjamin, 1998, S. 122
433Vgl. Kapitel 5.2
434Barber, Benjamin, 1997, S. 126
435autonome a.f.r.i.k.a.-Gruppe, 1997, http://www.contrast.org/KG/vortech.htm
436Gates, Bill, Hamburg 1995, Der Weg nach vorn. Die Zukunft der Informationsgesellschaft. S. 377. Zit.
nach Schulte, Uli, http://www.unimuenster.de/Publizistik/Seminare/Innenansichten/Hausarbeiten/virtuelle_Gemeinschaft.html
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optimistische Einschätzung des Softwaregiganten Microsoft erfüllen wird, ist bisher als
sehr unwahrscheinlich anzusehen. Im Moment scheint sich die Kluft zwischen armen und
reichen Ländern durch den Einsatz neue Medientechniken jedenfalls eher zu vergrößern.
Der weitaus größte Teil der Menschen hat keine Zugangsmöglichkeit zum Internet, so daß
es hauptsächlich ein Medium der westlichen Industrienationen ist. Daran wird sich in
unmittelbarer Zukunft kaum etwas ändern, denn schon die minimalsten
Zugangsvoraussetzungen wie Strom- und Telefonanschluß sind für die meisten
Menschen der Welt unerreichbar.437 Eine wirklich globale Vernetzung ist also noch in
weiter Ferne angesichts der Tatsache, daß „über die Hälfte der Menschheit noch nie eine
Telefonnummer gewählt hat oder daß es in Manhattan mehr Telefonleitungen gibt als in
ganz Afrika südlich der Sahara.“438 Dennoch sind schon viele Länder der Erde, auch wenn
sie keinen Zugang zum Internet haben, über Computernetzwerke miteinander verbunden.
So gibt es in Afrika zum Beispiel das Fidonet (welches auch durchs Internet zugänglich
ist), ein von Nichtregierungsorganisationen geschaffenes Netz, daß E-Mail-Dienste und
elektronische schwarze Bretter anbietet und der bescheidenen Qualität der afrikanischen
Telefonleitungen angepaßt ist.439
Doch selbst wenn mehr Länder und Menschen ans Internet angeschlossen wären, kann
trotzdem kaum davon ausgegangen werden, daß globale Ungleichheiten dadurch
verschwinden werden. Schließlich sind globale Ungleichheiten auch im Zusammenhang
mit einer imperialistischen Geschichte und Politik Europas zu sehen. Und gerade in einem
durch Informations- und Kommunikationstechnologien zunehmend globalisierten
Weltmarkt sind die Chancen verschiedener Nationalstaaten sehr unterschiedlich verteilt.
In den sogenannten Drittweltländern und Schwellenländer werden mit der Anbindung an
Computernetzwerke verschiedenste Hoffnungen oder Befürchtungen verbunden. Es sind
diverse Akteure an der Vernetzung dieser Länder beteiligt, wie Regierungen,
Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und multinationale Konzerne, und alle verfolgen
damit unterschiedliche Ziele. Wie das in den einzelnen Ländern aussieht, läßt sich im
Rahmen dieser Arbeit nicht genau darstellen, deshalb sollen nur ein paar Tendenzen und
Beispiele genannt werden.
437Vgl. dazu zum Beispiel Afemann, Uwe, 1997, http://www.hbv.org/dvit/aktuell/in3w.htm
438Mbeki, Thabo, 1995, zit nach Panciera, Silvana, 1996, S.32
439Vgl. auch dazu Afemann, Uwe, 1997, http://www.hbv.org/dvit/aktuell/in3w.htm
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Folgende konkrete Nutzungsmöglichkeiten kommen schon zur Anwendung oder werden
angestrebt:440 Nichtregierungsorganisationen, wie zum Beispiel
Menschenrechtsorganisationen nutzen Computernetze zur länderübergreifenden
Kommunikation und zum schnellen Weiterleiten von Informationen. Im
Wissenschaftsbereich können Bildungseinrichtungen eines Landes vernetzt werden, um
jeweils mehr Informationen zur Verfügung zu haben, oder es wird ein Zugriff auf
ausländische Datenbänke ermöglicht. Im Bereich des Gesundheitswesens versucht die
Weltgesundheitsorganisation WHO über den Einsatz der weltweiten Netzwerke gerade
Entwicklungsländer mit aktuellen medizinischen Informationen zu versorgen. Im
Wirtschaftssektor nutzen vor allem ausländische Firmen das Internet, um schnelle und
günstige Verbindungen mit ihren Stammsitzen in Europa, USA oder Japan zu bekommen.
Eine Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland wird einfacher möglich, so daß es viele
Firmen gibt, die ihre Software zum Beispiel in Indien entwickeln lassen. Viele
Regierungen erhoffen sich durch eine Anbindung an Computernetzwerke wirtschaftlichen
Aufschwung und die Entstehung neuer Arbeitsplätze.
Wem die neuen Kommunikations- und Informationsmöglichkeiten tatsächlich nutzen, muß
genauer betrachtet werden. In aller Regel haben nur Angehörige oberer Schichten eines
Landes die Möglichkeit, Computer und Netzwerke zu nutzen. „In weitaus stärkerem Maße
als in den Industriestaaten besteht die Gefahr, daß sich eine Zweiklassengesellschaft
‚Wissender’ und ‚Unwissender’ herausbildet.“441 Ein Teil der Menschen kann tatsächlich
einen besseren Zugang zu Informationen bekommen, wobei es von mancher Seite auch
angezweifelt wird, ob die Informationen der westlichen Welt, beispielsweise im
Gesundheits- oder Wissenschaftsbereich, wirklich für alle nützlich sind. So oder so sind
es nur wenige Menschen, die von dem neuen Medium profitieren können. „Internet für
NGO’s und weiterführende Bildungseinrichtungen wie Hochschulen sowie in staatlichen
Bereichen hilft nur dann wirklich, wenn die sie nutzenden Eliten sich ihrer Verantwortung
für das Wohl aller bewußter werden und wir in den reichen Industrienationen die neuen
Möglichkeiten nicht weiter monopolisieren und auf Kosten anderer mißbrauchen.“442 Auch
die von Industriestaaten ins Ausland verlagerten Telearbeitsplätze kommen dort vor allem
440Vgl. ebd.
441Baum, Holger/Boldt, Klaus/Ghawami, Kambiz, 1998, http://www.epo.de/specials/spektrum.html
442Afemann, Uwe, 1996, http://www.th-darmstadt.de/fsmathe/BdWeb/Forum/96-1/afemann.html
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gebildeteren Schichten zugute, da es sich meist um Arbeitsplätze mit hohen
Qualifikationsanforderungen handelt, was die Unterschiede zwischen arm und reich
innerhalb der Länder weiter vertieft. Wie wir in unserem Kapitel über Globalisierung an
Hand des Beispiels der Zapatistas in Mexiko schon zeigten, kann das Internet in manchen
Fällen jedoch gerade auch für minoritäre oder unterdrückte Gruppen effektiv für ihre
Interessen genutzt werden.
Vorangetrieben wird der globale Ausbau der neuen Medien vor allem durch die großen
Konzerne der Informationstechnologie und dies nicht ohne entsprechende Motivation. So
plant zum Beispiel der amerikanische Telefonriese AT&T die Verlegung eines
Unterwasserglasfaserkabels rings um den afrikanischen Kontinent.443 Der Einfluß von
Regierungen auf die Ausgestaltung der neuen Entwicklungen beschränkt sich auf wenige
Rahmenfaktoren, denn um den Anschluß an die Zukunftstechnologie nicht zu verlieren,
sind sie auf solche Investoren angewiesen. Das heißt aber auch, daß die Gewinne der
Investitionen vor allem westlichen Großkonzernen zugute kommen und viele
Entwicklungsländer in neue Abhängigkeiten geraten werden.
Es gibt Stimmen, die die Frage aufwerfen, ob es denn für manche Länder nicht wichtigere
Probleme gibt, als die Anbindung an Computernetzwerke. „Gerade als in Jordanien die
erfolgreiche Einführung des Internet mit großen Zuwachsraten gefeiert wurde, erinnerten
die Hungerdemonstrationen die Eliten des Landes auf eindrucksvolle Weise an die
wirklichen Bedürfnisse der großen Mehrheit der jordanischen Bevölkerung.“444 So sieht
Uwe Afemann in einem Internetanschluß teilweise eher ein Statussymbol als ein wirklich
sinnvolles Werkzeug.
Andere betonen allerdings, wie wichtig es vor allem aus wirtschaftlichen Gründen ist, den
Anschluß an eine Zukunftstechnologie nicht zu verlieren: „Es würde den Zukunftschancen
der Entwicklungsländer zuwider laufen, sowohl die bereits erwähnten Befürchtungen
eines kulturellen Identitätsverlustes als auch die Interessen der global agierenden
Unternehmen an der weltweiten elektronischen Vernetzung als Argument gegen die
Einbindung der ärmeren Länder in dieses Netz ins Feld zu führen, wie dies zuweilen in
Deutschland in entwicklungspolitischen Diskussionszirkeln zu vernehmen ist. Tatsächlich
443Vgl. Afemann, Uwe, 1997, http://www.hbv.org/dvit/aktuell/in3w.htm
444Ebd.
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würden diese Länder ohne ausreichenden Zugang zu modernen Informationssystemen
endgültig von der sich immer mehr verflechtenden Weltökonomie abgekoppelt. Gerade
deshalb müssen ihre Chancen gestärkt werden, eine junge und einfach zu handhabende
Technologie für ‚den Sprung nach vorn’ nutzen zu können.“445
Der in diesem Zitat erwähnte kulturelle Identitätsverlust wird von einigen Ländern oder
Kulturen befürchtet. Was die technischen Standards betrifft, sowohl Hard- als auch
Software, ist der monopolartige Einfluß westlicher Großkonzerne unübersehbar. Aber
auch das Anbieten von Inhalten im Internet durch Onlinedienste ist durch einen
Konzentrationsprozeß gekennzeichnet. Hingewiesen wird immer wieder auf einen
Bedeutungsverlust anderer Sprachen und Schriften durch die große Dominanz der
englischen Sprache in den Netzen. „Afemann befürchtet einen Bedeutungsverlust anderer
Sprachen und Kulturen und sieht im Internet ‚ein elektronisches trojanisches Pferd’ zur
zweiten Eroberung der Dritten Welt, indem die Wertvorstellungen der Ersten in die Dritte
Welt transferiert werden.“446 Es muß jedoch bedacht werden, daß das Internet hier keine
Vorreiterstellung einnimmt, da durch die weit mehr verbreiteten Fernsehgeräte schon
lange westliche Werte und Vorstellungen, insbesondere amerikanische, in allen Teilen der
Welt verbreitet werden. Schließlich setzte die kulturelle Globalisierung nicht erst mit dem
Aufkommen der Internets ein.
Wie Ravi Sundaram für das Land Indien jedoch zeigt, kann das Internet auch zur
Verstärkung nationaler Identitäten genutzt werden, was von ihm stark kritisiert wird. Im
Gegensatz zu einem von Globalisierungsmetaphern geprägten Diskurs, arbeitet er den
Stellenwert der neuen Technologie für nationale Orientierungen in Indien heraus. Für ihn
greift die bisherige Kritik am Cyberspace aus der Dritten Welt und von klassischen
marxistischen Positionen zu kurz: „Sie spricht immer nur von der ‚Musealisierung’ der
Dritten Welt im Netz oder von der Übermacht des multinationalen Kapitals in der
politischen Ökonomie der Daten-Highways. Natürlich stimmt beides, aber damit läßt sich
445Baum, Holger/Boldt, Klaus/Ghawami, Kambiz, 1998, http://www.epo.de/specials/spektrum.html
446Grote, Andreas, 1997, http://www.snafu.de/~ulrich/ws_97_98/A_Grote.htm
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die Rolle nicht erklären, die der virtuelle Raum bei lokalen und regionalen Versuchen
spielt, nationale Identitäten umzumodeln oder herzustellen.“447
Auch autoritär regierte Länder wie zum Beispiel China versuchen, einer Öffnung des
Landes trotz der Einbindung in globale Computernetzwerke zu entgehen. Verschiedene
Kontrollmaßnahmen werden eingesetzt, um das Eindringen unerwünschter Informationen
zu verhindern. Es wird befürchtet, daß das Internet zum Erlangen und Verbreiten
regimekritischer Informationen genutzt wird, weshalb es dort mit starken
Zugangskontrollen belegt wird und Zensurmaßnahmen ausgesetzt ist. Und auch hierbei
verdienen westliche Firmen kräftig mit. „Groteskerweise überbieten sich die beiden
größten amerikanischen Anbieter Microsoft und Netscape gegenseitig mit BlockierungsSoftware, die die Freiheit der Chinesen einschränken soll, um gleichzeitig mit ihrer
neuesten Technologie, die das chinesische Internet erst auf Trab bringen wird, präsent
sein zu können.“448
Insgesamt wird deutlich, daß auf globaler Ebene ein immenser, kaum einholbar
scheinender, Vorsprung westlicher Industrienationen bei der Entwicklung und Verbreitung
der neuen Technologien besteht. Der Zutritt zum virtuellen Raum ist nur für wenige
möglich und in ihm werden neue Grenzen gezogen. Ob dieses Ungleichgewicht abgebaut
werden kann ist fraglich, zumal es von denen kaum gewünscht wird, die zu den
GewinnerInnen der globalen Informationsgesellschaft gehören. So sagte zum Beispiel Bill
Clinton mit Bezug auf die neuen Technologien: „Um den Vereinigten Staaten ihre
Vorreiterrolle zu sichern, ist es meine Aufgabe als Präsident der Vereinigten Staaten,
Amerika so an die neuen Umstände anzupassen, daß wir die Gewinner des 21.
Jahrhunderts sein werden.“449 Das deutet in keiner Weise auf Bemühungen globaler
Zusammenarbeit zum Abbau von bestehenden Ungleichheiten hin.
5.5 Veränderungen aus der Sicht von Frauen
Dieses Kapitel schließt sich inhaltlich teilweise an das vorangegangene an, denn hier wird
eines der zentralen Ungleichheitsverhältnisse unserer Gesellschaft im Hinblick auf die
447Sundaram, Ravi, 1997, S. 142
448Sieren, Frank, 1998, S. 232
449Clinton, Bill, 1993, in: Markoff, John, Clinton Proposes Changes in Policy to Aid Technology, The New
York Times, 23. Februar 1993, S. 1. Zit. nach Schiller, Herbert I., 1998, S. 139
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neuen Medien und die gesellschaftlichen Veränderungen näher betrachtet. Da Frauen bei
der Entwicklung neuer Technologien und momentan auch noch bei deren Nutzung
deutlich unterrepräsentiert sind, stellen sich folgende Fragen: Inwieweit können mögliche
Demokratisierungs- oder Emanzipationspotentiale der neuen Medien von Frauen in ihrem
Sinne gestaltet und genutzt werden? Und welche Auswirkungen haben die
gesellschaftlichen Veränderungen auf das Geschlechterverhältnis und damit auf die
gesellschaftlichen Partizipationsmöglichkeiten von Frauen?
Im allgemeinen Diskurs um die neuen Medien und die Informationsgesellschaft wird
dieses Thema noch wenig beachtet, allerdings gibt es in der feministischen Wissenschaft
inzwischen einige Publikationen, die sich damit beschäftigen, wie sich die Informationsund Kommunikationsmedien in Bezug auf das Geschlechterverhältnis darstellen und wie
sich die gesellschaftlichen Änderungen auf das Leben von Frauen auswirken werden.
5.5.1 Über Androzentrismus im Netz und das Gendering neuer Technologien
Irene Neverla stellt fest, daß trotz oder gerade weil Frauen inzwischen in viele
gesellschaftliche Bereiche eindringen, die Männern vorbehalten waren oder sind, wie zum
Beispiel Politik oder Wissenschaft, mit dem Internet eine Einrichtung entstanden ist, die
vorwiegend von Männern entwickelt und genutzt wird. „Während in der
Öffentlichkeitssphäre des ‚real life’ der traditionelle Ausschluß der Frauen erodiert,
entsteht in der Sphäre des ‚virtual life’ neuerlich eine Geschlechterhierarchie zugunsten
der Männer.“450
Auch Rena Tangens spricht von einem Androzentrismus des Internets.451 Sie nimmt
Aspekte feministischer Wissenschaftskritik als Ausgangspunkt, um androzentrische
Einflüsse im Netz zu analysieren. Als ersten Aspekt nennt sie die ungleichen
Zugangsbedingungen, die sich in der deutlichen Unterrepräsentation von Frauen äußern.
Ihrer Meinung nach wird die Anzahl der Frauen im Netz jedoch eher unterschätzt, zum
Beispiel weil Frauen bei der Kommunikation in Newsgroups und Mailinglisten
zurückhaltender und somit weniger sichtbar sind. Allerdings gibt es trotz einer Zunahme
von Frauen als Nutzerinnen immer noch sehr wenige Frauen als Systembetreiberinnen,
Softwareprogrammiererinnen usw. Damit geht eine Einseitigkeit der Inhalte einher, d.h.
450Neverla, Irene, 1998, S. 137
451Vgl. Tangens, Rena, 1996, S. 355-378
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die Themenwahl im Usenet und die Angebote im WWW lassen viele Themen aus, die das
Leben von Frauen betreffen. Weitere Punkte, in denen sich der Androzentrismus zeigt,
sieht Tangens in der Voreingenommenheit der Software-Programmierung, die sowohl
sprachlich als auch von der Herangehensweise von einem männlichen Nutzer ausgeht
und in einer generellen Bedeutungskonstruktion der Technik als Herrschaftsinstrument.
Franz Herrmann weist im Zusammenhang mit Machtaspekten des
Partizipationsgedankens und mit Bezug auf feministische Forschungen auf die
Allgegenwart der männlichen Hegemonie und Dominanzkultur in der Öffentlichkeit hin:
„Partizipation findet immer in einem geschlechtshierarchisch strukturierten öffentlichen
Raum statt.“452 Wie wir eben feststellen konnten gilt das auch für den virtuellen Raum der
Computernetze. Zumindest momentan ist die männliche Dominanz im Internet noch stark
spürbar, schon alleine was das Verhältnis der Nutzer zu den Nutzerinnen betrifft. So
ermittelte die ARD/ZDF-Online-Studie bei einer Befragung im Februar 1999, daß lediglich
35% der Online-NutzerInnen weiblich sind.453
Die absolute Zahl von Frauen im Netz ist dagegen groß, und gerade in diesem Medium ist
es einfacher als sonst, sich nur auf Frauen zu beziehen.454 Frauen haben sich in der
virtuellen Realität eigene Räume geschaffen und nutzen Computernetzwerke für die
Schaffung und Intensivierung von sozialen Netzwerken. Auf diese Weise sind Orte
entstanden, die im Sinne der Partizipationsforschung als Artikulationsräume bezeichnet
werden können.“ ‚Gelingende Partizipation’ erfordert Artikulationsräume (im physischen
und sozialen Sinn als geschlechtseigene Gruppen), in denen die beschriebenen
Sichtbarmachungs- und Entdeckungsprozesse erfolgen können sowie eine
Selbstvergewisserung und Stärkung individueller wie kollektiver Identität ermöglicht
werden kann.“455
Gründe für die geringe Online-Präsenz von Frauen werden vor allem in den Faktoren
Geld, Zeit und Wissen gesehen.456 Die Benachteiligung der Frauen bei der Verfügung
452Herrmann, Franz, 1995, S. 147
453Vgl. ARD/ZDF-Arbeitsgruppe Multimedia, 1999, http://www.zdf.msnbc.de/news/38794.asp
454Vgl. Kleinen, Barbara, 1997, S. 12ff.
455Herrmann, Franz, 1995, S. 172
456Vgl. zum Beispiel Dorer, Johanna, 1997 oder Neverla, Irene, 1998
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über die Ressource Zeit wird mit der häufigen Doppelbelastung von Frauen erklärt,
allerdings auch mit ihrem subjektiven Empfinden, wie vorhandene Zeit ‚sinnvoll’ genutzt
werden kann. Der Faktor Wissen bezieht sich auf spezielles Wissen im Bereich der
Technikkompetenz.
„In allen drei Aspekten – Entstehung, Nutzung und Inhalt des Mediums – wird deutlich,
daß Technik und Geschlecht in einem besonderen und diffizilen Beziehungsgeflecht
stehen.“457 Das Verhältnis von Technik und Geschlecht wird im Themenbereich Frauen
und Internet/Informationsgesellschaft fast immer und vielfältig diskutiert. Es werden
geschlechtstypische Aneignungsweisen von Technik betrachtet, der Frage nach dem
Grund für weibliche Technikdistanz oder spezifische Aneignungsweisen von Technik
nachgegangen, oder die Rolle betont, die Technik in der alltäglichen Herstellung von
Geschlechtsidentitäten spielt.
Die Ursachen für ein unterschiedliches Verhältnis von Frauen oder Männern zu Technik
werden zum einen durch geschlechtsspezifische Sozialisation erklärt und zum anderen
durch Gender-Konzepte, in denen der Prozeß der Herstellung sozialer
Geschlechterdifferenz über Bedeutungs- und Wertzuweisungen innerhalb von
Handlungskontexten im Vordergrund steht.458 Nach diesem Ansatz wird die
Geschlechterdifferenz sozial und kulturell hergestellt und diese Differenz in Interaktionen
zwischen Männern und Frauen immer wieder konstruiert und aufrechterhalten, wodurch
sie ihre jeweilige Geschlechtsidentität herstellen. Das Geschlecht wirkt somit als
Zuschreibung für die Strukturierung gesellschaftlicher Beziehungen, verbunden mit der
Prämisse, daß mit der Geschlechterdifferenz unterschiedliche hierarchische Positionen
einhergehen. Technik ist noch immer einer der ‚klassischen’ Bereiche, an denen
Geschlechterdifferenzen sichtbar werden. „Selbst- und Fremdzuschreibungen der
Geschlechter finden in der Technik ein weites Projektionsfeld. In diesem komplexen
Entstehungs- und Symbolgeflecht ist das unterschiedliche Verhältnis von Frauen und
Männern zur Technik allgemein und insbesondere auch zum Netz-Medium zu sehen.“459
457Neverla, Irene, 1998, S. 141
458Vgl. zur medientheoretischen Gender-Forschung zum Beispiel Angerer, Marie-Luise/Dorer, Johanna,
1994, S. 8-23
459Neverla, Irene, 1998, S. 141
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Das Verhältnis von Technik und Geschlecht wird über gesellschaftliche Diskurse
reproduziert. „Die symbolische Ordnung der Geschlechterdifferenz funktioniert über die
Konstruktion eines Technikmythos, dem das Männliche als Technikinteresse, das
Weibliche als Technikablehnung eingeschrieben ist. Die Konstruktion des
Technikdiskurses erfolgt über den ökonomischen, politischen und sozialen Diskurs, wobei
in diesem Kontext auch danach zu fragen ist, wie der Weiblichkeitsdiskurs beschaffen ist,
daß Frauen Widerstand gegen die neuen Kommunikationstechnologien entwickeln,
welche Sinnlichkeits-, Gefühls- und Körperdiskurse diesen Technikmythos stützen.“460
Heidi Schelhowe zeigt auf, daß sich gerade mit dem Aufkommen der neuen Technologien
auch das Technikverständnis ändert, so daß zum Beispiel das Selbstverständnis der
Informatik neu diskutiert wird in Richtung einer Einbettung in den Bereich der Geistesoder Medienwissenschaften. „An der Informatik läßt sich zeigen, daß das, was unter
Technik verstanden wird, sich gegenwärtig grundlegend ändert. Dennoch und gleichzeitig
wird dieser Bereich in kulturellen Zuschreibungen als Bereich von ‚High Tech’ reklamiert.
Dadurch wird gewährleistet, daß auf einem Gebiet, das von großen Einfluß für die
Gestaltung der Zukunft sein wird, männliche Dominanz gewahrt bleibt.“461
Auf der Ebene der Individuen lassen sich unterschiedliche Aneignungsweisen der Technik
von Frauen und Männern beobachten, in denen sie sich in der Interaktion als Mann oder
als Frau positionieren (doing gender). „Geschlechterdifferente Positionen im Umgang mit
technologischen Entwicklungen sind aber nicht geschlechtsspezifisch, sondern in der Art
und Weise ihrer Aneignung und Auseinandersetzung mit Technologien drücken
Menschen ihre Geschlechtszugehörigkeit aus, geben sich als Frauen oder als Männer zu
erkennen.“462 Wie sich Männer und Frauen allerdings konkret verhalten, hängt von
individuellen Handlungszusammenhängen und Interaktionsgefügen ab, so daß sie nicht
immer geschlechtstypisch handeln. „Das Geschlechterverhältnis gibt einen Rahmen für
den Umgang der Menschen mit technologischen Entwicklungen vor, determiniert diesen
jedoch nicht. Die Auseinandersetzung mit Technologien und technischen Geräten ist
vielmehr ein kontextbezogener, ambivalenter und widersprüchlicher Prozeß, (...).“463 So
460Dorer, Johanna, 1997, S. 21
461Schelhowe, Heidi, 1997, S. 79
462Klaus, Elisabeth, 1997, S. 17 (Hervorhebung im Original)
463Ebd.
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betonen Elisabeth Klaus, Monika Pater und Uta C. Schmidt den Eigensinn der
KonsumentInnen bei der Aneignung neuer Technologien, auch wenn dieser Prozeß
natürlich eingebunden ist in gesellschaftliche Geschlechterkonstruktionen: „Im
Aneignungsprozeß neuer Medien drückt sich deshalb das gesellschaftliche
Geschlechterverhältnis aus und kann zugleich überarbeitet und verändert werden.“464
So werden den neuen Medientechnologien auch Eigenschaften zugeschrieben, die das
Potential zur Veränderung des Geschlechterverhältnisses bieten und somit unter
Umständen bessere Partizipationsmöglichkeiten von Frauen an fast allen
gesellschaftlichen Prozessen ermöglichen. Inwieweit diese Möglichkeiten genutzt werden
können muß allerdings vor dem beschriebenen Hintergrund gesehen werden, daß das
bestehende Geschlechterverhältnis in die Gestaltung und Nutzung der Technologien
eingeschrieben ist.
5.5.2 Potentiale zur Veränderung der Geschlechterverhältnisses
Bei den Möglichkeiten zur Veränderung des Geschlechterverhältnisses in der
Informationsgesellschaft werden vor allem drei Aspekte diskutiert: Das Verschwimmen
der Geschlechtsidentität im virtuellen Raum, die Auswirkungen der gewandelten
Organisation von Arbeit und das Verhältnis von Öffentlichkeit und Privatheit. Vor allem bei
den letzten beiden Aspekten geht es darum, inwieweit bestehende Barrieren überwunden
werden können, die bisher eine Teilhabe von Frauen an bestimmten gesellschaftlichen
Bereichen behindert hat.
Heidi Schelhowe geht davon aus, daß die Veränderungen durch den gesellschaftlichen
Umbruch zur Informationsgesellschaft eine Krise gesellschaftlichen Arrangements
bedeutet, welches die Grundlage der bürgerlich-patriarchalen Gesellschaft ist. Dabei setzt
sie ihre Hoffnungen darauf, diese Krise für Veränderungen nutzen zu können. „Die
gegenwärtigen politischen und kulturellen Kämpfe sind als ein Versuch zu sehen, neue
Arrangements auf diesen Feldern zu treffen. Natürlich geht es dabei auch darum, daß
einige unter den neuen Bedingungen die alte Herrschaft sichern, ihre Machtansprüche in
die neuen gesellschaftlichen Formen hinüberretten wollen. Die gegenwärtige Situation ist
464Klaus, Elisabeth/Pater, Monika/Schmidt, Uta C., 1997, S. 811
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aber gleichzeit auch verbunden mit Unsicherheiten und Erschütterungen, die für die
Beseitigung alter Herrschaftsverhältnisse genutzt werden können.“465
Wie schon bei der Frage nach Gleichheit beziehungsweise Ungleichheit
computervermittelter Kommunikation erwähnt wurde, gehen einige AutorInnen davon aus,
daß die Kategorie Geschlecht hier keine Rolle mehr spielen würde, da Identität im
virtuellen Raum auf neue Weise selbst hergestellt werden kann.466 In feministischen
Publikationen wird dagegen nicht davon ausgegangen, daß mit dem Eintritt in eine
virtuelle Realität von Geschlechtsidentitäten einfach abzusehen ist. Susan Herring
untersuchte zum Beispiel das Verhalten bei der Online-Konversation und stellte für
Männer und Frauen unterschiedliche Kommunikationsstile fest. Der ‚männliche Online-Stil’
läßt sich dabei nach Herring eher als dominant bis aggressiv beschreiben, während der
‚weibliche Online-Stil’ eher durch kommunikative Formen der Unterstützung von anderen
und durch die Abschwächung eigener kritischer Positionen gekennzeichnet ist. Diese
verschiedenen Kommunikationsstile sind das Resultat von unterschiedlichen
Kommunikationsethiken. Daraus ergeben sich divergierende Kommunikationskulturen für
Männer und Frauen. „Diese Kulturen sind jedoch keineswegs ,getrennt und
gleichberechtigt’; vielmehr geraten die Normen und Praktiken der männlichen Netzkultur,
so wie sie in den Netiquette-Regeln festgeschrieben sind, mit der weiblichen Kultur in
gewisser Weise in Konflikt, was den Cyberspace – oder wenigstens die vielfältigen ,
Nachbarschaften’ im Cyberspace – für Frauen sehr unwirtlich macht.“467
Phänomene wie das gender-swapping werden allerdings auch von Frauen mit Interesse
betrachtet, wenngleich sie dabei in eine etwas andere Richtung denken. So geht es zum
Beispiel eher darum, daß durch einen spielerischen Rollenwechsel die Konstruiertheit
geschlechtlicher Identität deutlicher und dadurch auch hinterfragbarer werden kann.468 „Mit
dem Vertauschen der Geschlechterposition im virtuellen Raum werden – so Berichte von
User/innen – auch die jeweiligen gesellschaftlichen Zuschreibungen erfahrbar, so daß für
465Schelhowe, Heidi, 1997, S. 87
466Vgl. Kapitel 5.4
467Herring, Susan, 1997, S. 65-76
468Zu diesem Thema wurde viel geschrieben und auch kontrovers diskutiert, was im Rahmen dieser Arbeit
allerdings nicht ausführlicher dargestellt werden kann. Vgl. zum Beispiel Neverla, Irene, 1998, Dorer
Johanna, 1997, Klaus, Elisabeth/Pater, Monika/Schmidt, Uta C., 1997, Schelhowe, Heidi, 1997.
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viele Nutzer/innen virtuelles cross-dressing eine neue Art der Reflexion über
Geschlechterpositionen ermöglicht (...).“469
Die Veränderungen im Bereich der Arbeit, die meist mit dem Schlagwort Telearbeit belegt
werden, sind vielfältiger Art, wie von uns schon in Kapitel 5.3 dargestellt wurde. Neben
Phänomenen wie der Teleheimarbeit, die unmittelbar mit der Entwicklung der
Informations- und Kommunikationsmedien verbunden sind, sind folgende Trends zu
beobachten: Die Vermischung der Sphären von Arbeit und Freizeit, Arbeitsort und
Wohnort, und die Umstrukturierung von Arbeitsverhältnissen und betrieblicher
Organisation. Welche Chancen ergeben sich dabei für Frauen?
Gabriele Winker spricht in Zusammenhang mit diesen Trends von einer „Erosion des
Normalarbeitsverhältnisses“.470 Mit der Konstruktion des Normalarbeitsverhältnisses geht
eine Unvereinbarkeit von Produktions- und Reproduktionsaufgaben einher, die noch
immer meist über eine geschlechtshierarchische Arbeitsteilung gelöst wird, was eine
gleichberechtigte Teilnahme von Frauen am Arbeitsmarkt verhindert. Daß dieses
Normalarbeitsverhältnis nun immer brüchiger wird, sieht Gabriele Winker als Chance für
eine bewußte Umgestaltung. Statt mit neuen Segregationsprozessen auf die geringer
werdende Erwerbsarbeitsmenge zu reagieren, sollte ihrer Meinung nach eine kürzere
Erwerbsarbeitszeit für alle angestrebt werden. Verbunden mit einer individuelleren
Zeitsouveränität und räumlicher Flexibilität, die durch den Einsatz von Informations- und
Kommunikationstechnologien möglich wird, könnte eine bessere Vereinbarkeit von
Produktions- und Reproduktionsleistungen für beide Geschlechter erreicht werden. Damit
macht sie gleichzeitig deutlich, daß die Chancen für Frauen in der
Informationsgesellschaft nicht zuletzt von deren bewußter Gestaltung abhängen, d.h.
auch von den Mitgestaltungsmöglichkeiten durch Frauen.
Daß erweiterte Möglichkeiten zur Teleheimarbeit alleine noch keine Veränderungen
bewirken zeigt Elisabeth Klaus auf. Sie geht der Frage nach, inwieweit Teleheimarbeit zu
einer Veränderung geschlechtsspezifischer Arbeitsteilung beiträgt und kommt zum
Schluß, daß die Verteilung von Reproduktionsaufgaben nicht unbedingt damit
zusammenhängt, ob Frauen oder Männer zu Hause arbeiten. „Das ist nicht zwingend,
469Dorer, Johanna, 1997, S. 26
470Winker, Gabriele, 1997, S. 97f.
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aber in vielen Fällen scheint es so zu sein, daß Heimarbeit – ob Tele oder nicht spielt
dabei gar keine Rolle – die bestehenden Rollenverteilung kaum berührt. Im Gegenteil, die
existierende Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern bestimmt mit, welche Formen
Teleheimarbeit annimmt.“471
Susan Geideck und Martina Hammel betrachten die Chancen für Frauen im Sektor der
Telearbeit nicht nur im Hinblick auf die geschlechtshierarchische Arbeitsteilung, sondern
auch im Bezug darauf, ob die Veränderungen im Arbeitsbereich den Abbau von
Geschlechterhierarchien innerhalb des Arbeitsmarktes ermöglichen. Sie gehen jedoch
davon aus, daß die Kategorie Geschlecht weiterhin als Strukturkategorie und Trennlinie
im Arbeitsmarkt vorhanden sein wird. Das führen sie zum einen auf das schon oben
beschriebene Verhältnis von Geschlecht und Technologie zurück, das sich vor allem auf
Zuweisungen im Bereich der qualifizierten Telearbeit auswirkt. Zum anderen weisen sie
darauf hin, daß dem wachsenden Qualifikationsniveau von Frauen noch immer
geschlechtshierarchische betriebliche Einsatzmuster gegenüberstehen. „Telearbeit als
technikzentrierte Arbeitsform hat zur Voraussetzung, daß die zukünftigen Beschäftigten
sich permanent technische Kompetenzen vor allem im Multimediaspektrum aneignen. Mit
Hinweisen auf Zuschreibungsverhältnisse, den ‚Qualifikationsmythos’ und Befunden zu
Reproduktion von Ungleichheitsverhältnisse im Zuge von Rationalisierungsprozessen
werden die Möglichkeiten zur gleichberechtigten Teilhabe von Frauen und Männern
relativiert.“472 Auch Geideck und Hammel fordern eine Politisierung der
Umgestaltungsprozesse im Bereich der Arbeit, um sozialstrukturelle Benachteiligungen zu
berücksichtigen. „In diesem Sinne können Frauen in partizipativen Verfahren in
betrieblichen Rationalisierungsprozessen zum Teil der Lösung werden. Dadurch
entstehen Chancen, die Geschlechterarrangements im Interesse von Frauen in
Bewegung zu halten – Garantien für das politische Ergebnis dieser Bewegung können
nicht gegeben werden.“473
Ein weiterer Aspekt ist der Wandel des Verhältnisses von Öffentlichkeit und Privatheit, der
mit der Einführung neuer Medientechnologien verbunden ist. Für Elisabeth Klaus stellen
471Klaus Elisabeth, 1997, S. 13
472Geideck, Susan/Hammel, Martina, 1997, S. 55
473Ebd. S. 62
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die Informations- und Kommunikationstechnologien eine neue Stufe des
gesellschaftlichen Prozesses dar, in dem sich Öffentlichkeit immer mehr privatisiert.
Öffentlichkeit wird zunehmend medial vermittelt, wobei der Konsum der Medien in die
häusliche Sphäre verlagert wird. Dadurch verliert der außerhäusliche Raum an
Bedeutung.474 Heidi Schelhowe sieht darin eine weitere Krise patriarchal-bürgerlicher
Gesellschaften, deren eine Grundlage das Verhältnis von Öffentlichkeit und Privatheit
darstellt, welches eng mit dem Geschlechterverhältnis verwoben ist.475 Mit der
Herausbildung der bürgerlichen Gesellschaft im 18. Jahrhundert galt die neu entstehende
bürgerliche Öffentlichkeit476 als Raum des Mannes, während das Private den Frauen
zugeordnet wurde. Dadurch werden Frauen den Sphären des Politischen ferngehalten,
während die privaten Bereiche dem gesellschaftlichen Einfluß und dessen Regelungen
entzogen sind. So lautete in den 70er Jahren eine zentrale Aufforderung der
Frauenbewegung, Privates öffentlich zu machen und ihm politischen Charakter zu
verleihen. Durch die öffentliche Diskussion und Politisierung privater Probleme hofften die
Frauen auf eine kollektive Lösung individualisierter Probleme.
Mit den globalen Computernetzen entstand nun ein virtueller Raum, der u.a. dazu genutzt
wird, sich mit unbekannten Personen über alle möglichen Themen auszutauschen. Für
Heidi Schelhowe könnten damit alte Forderungen in Erfüllung gehen: „Ein interessantes
Merkmal dieser Art von Netzkommunikation scheint mir, daß sich dort unter anderem
auch eine eigenartige und in dieser Form relativ neue öffentliche Diskussion privater,
persönlicher Dinge entwickelt hat. Die von der Frauenbewegung geforderten und
produzierten neuen Formen von Öffentlichkeit könnten mit den elektronischen Netzen
eine interessante Perspektive gewinnen, wenn sie politisch verstanden und gewendet
werden können.“477
Irene Neverla und Irmi Voglmayr sind diesbezüglich jedoch skeptisch: „Realiter existieren
gegenwärtig im globalen Dorf viele kleine Gemeinschaften. Noch recht abgeschottet
voneinander tauschen sie ihre Mitteilungen aus in mehr oder weniger geschlossenen,
474Vgl. Klaus, Elisabeth, 1997, S. 8ff.
475Vgl. Schelhowe, Heidi, 1997, S. 82f.
476Vgl. Kapitel 5.1
477Schelhowe, Heidi, 1997, S. 83 (Hervorhebungen im Original)
137
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halböffentlichen Gruppen (Newsgruppen, Mailboxen, Chat-Gemeinschaften) und
tangieren die gesellschaftlichen Machtverhältnisse nicht.“478 Sie sprechen in
Zusammenhang mit Netzgemeinschaften nicht von einer öffentlichen Diskussion, sondern
eher von einem halböffentlichen Bereich, der vielleicht gerade Kennzeichen einer
veränderten Öffentlichkeit ist und mit einer Fragmentierung der Öffentlichkeit einhergehen
könnte. Ob in diesem Rahmen eine Politisierung der Inhalte erreicht werden kann und ob
dies dann Auswirkungen auf gesellschaftliche Machtverhältnisse haben werden, ist
natürlich die große Frage.
Insgesamt stellen sich die Veränderungsprozesse auf dem Weg zur
Informationsgesellschaft ambivalent dar. „Das Netz-Medium ist androzentrisch und wird
es mittelfristig auch bleiben. Das neue Medium trägt und vermittelt die traditionelle
Geschlechterordnung, es bietet allerdings auch gewisse Potentiale, die traditionelle
Geschlechterordnung zu unterminieren. Über deren Ausschöpfung wird aber nicht im
Netz, sondern außerhalb entschieden.“479 Um diese Problematik bei Entscheidungen, die
mit den gesellschaftlichen Umbrüchen zusammenhängen, zu berücksichtigen, müssen
Aspekte des Geschlechterverhältnisses in die öffentliche Diskussion um die neuen
Medien einfließen und Frauen müssen auf den verschiedenen Ebenen der
Entscheidungsprozesse beteiligt sein.
„In diesem vergleichsweise neuen Spiel werden zur Zeit die Karten gerade neu gemischt
und verteilt und die Regeln ausgehandelt. Wenn wir die Chance zum Mitreden nicht
ergreifen, werden wir in Zukunft nur noch Patiencen legen dürfen.“480
6. Direktere Einflußmöglichkeiten auf Gesellschaft
und die Politik?
Bahnen sich nun möglicherweise aufgrund der Möglichkeiten der Computernetze bessere
Partizipationsmöglichkeiten für die Menschen an? Können Online-Angebote der großen
staatlichen Akteure im Verhältnis zwischen staatlichen Institutionen und den BürgerInnen
zu mehr Macht und Mitsprache der BürgerInnen führen? Wo sind momentan die Stärken
478Neverla, Irene/Voglmayr, Irmi, 1996, S. 245
479Neverla, Irene, 1998, S. 148
480Tangens, Rena, 1996, S. 375
138
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der Online-Angebote uns wie können die BürgerInnen davon profitieren? Was wäre
verbesserungswürdig? Diesen Fragen wollen wir im Folgenden an konkreten Beispielen
nachgehen.
Helmut Scherer nimmt ein einfaches, „bürgerorientiertes Kommunikationsmodell“,481 das
uns in diesem Zusammenhang sinnvoll erscheint, um solche Fragestellungen zu
strukturieren. Er geht von drei Funktionen der Medien in der Demokratie aus: Artikulation,
Information und Organisation. „Allgemein gesprochen ermöglichen diese Funktionen erst
die Partizipation der Bürger; nur so kann der Bürger den Politikprozeß beobachten und
feststellen, welche Themen und welche Akteure dort eine Rolle spielen; und nur durch die
Artikulationsleistung der Medien kann er seine eigenen Vorstellungen mit Aussicht auf
Erfolg in den Politikprozeß integrieren. Überdies nehmen die Medien eine
Organisationsfunktion wahr, denn sie ermöglichen kollektives Handeln.“482 Auf das
Medium Internet bezogen muß also betrachtet werden, inwiefern es diese Funktionen für
die BürgerInnen erfüllt, beziehungsweise geeignet ist sie zu verbessern. Welche der
genannten Aspekte erfahren mit dem Internet eine Verbesserung beziehungsweise
bedeuten eine Stärkung der BürgerInnen im Kommunikationsprozeß? Wir wollen die
Funktionen der Artikulation, Information und Organisation im Hinterkopf behalten, um die
folgenden Beispiele auf eine Stärkung dieser Funktionen hin zu betrachten.
Eine weitere Betrachtungsweise, die uns sinnvolle Hinweise für die Einordnung der
Angebote geben kann, sehen wir in den von Herbert Kubicek und Martin Hagen
beschriebenen „Anschlußmöglichkeiten zwischen Internet und politischer Beteiligung“.483
Ob eine politische Beteiligung mittels Internet gelingen kann, hängt ihrer Meinung nach
von drei Faktoren ab, dem rechtlich-institutionellen Kontext, dem inhaltlich-motivationalen
Rahmen und dem technischen Anschluß. „Das Medium wird entsprechend den
bestehenden sozialen und politischen Rahmenbedingungen eingesetzt. Wenn es zu
neuen Formen oder stärkerer Nutzung vorhandener Formen politischer Beteiligung
eingesetzt werden soll, dann muß der Technikeinsatz an entsprechende Reformen und
481Scherer, Helmut, 1998, S. 171ff.
482Ebd. S. 174
483Kubicek, Herbert/Hagen, Martin, 1999, http://www.fgtk.informatik.unibremen.de/hagen/partizipation/home.html
139
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Initiativen anknüpfen.“484 Der rechtlich-institutionelle Kontext gibt den Rahmen vor, in dem
die Beteiligung von BürgerInnen an Entscheidungsprozessen rechtlich verankert ist. Der
inhaltlich-motivationale Kontext bezieht sich auf die Subjekte politischer Beteiligung, die
BürgerInnen nach der Bereitschaft der BürgerInnen sich für bestimmte Inhalte zu
engagieren, beziehungsweise sich bei bestimmten Formen der Partizipation zu beteiligen.
Diese Bereitschaft hängt nach Kubicek und Hagen stark von den Inhalten der
Entscheidungen ab, denn Menschen sind vor allem dann bereit sich zu engagieren, wenn
es um Themen geht, die sie direkt betreffen und für wichtig befinden. Die eher
themenbezogene Engagementbereitschaft scheint den BürgerInnen momentan näher zu
liegen als beispielsweise die kontinuierliche Mitarbeit in politischen Parteien. Als
technischen Anschluß bezeichnen Herbert Kubicek und Martin Hagen den
Vernetzungsgrad der Bevölkerung mit Informations- und Kommunikationstechniken.
Dieser Vernetzungsgrad ist noch relativ gering und es sind vor allem bestimmte
Personengruppen, die einen Internetanschluß haben. Selbst wenn niemals eine
universelle Verbreitung erreicht werden kann, sehen Kubicek/Hagen in bestimmten gut
vernetzten Nischen, wie vernetzten Gemeinschaften, oder beispielsweise in vernetzten
Firmen oder Universitäten, durchaus sinnvolle Einsatzmöglichkeiten.
Festzuhalten ist, daß es auf der institutionellen und informellen Ebene grundsätzlich keine
völlig neuen Partizipationsmöglichkeiten alleine aufgrund der zunehmenden OnlinePräsenz von Institutionen, Kommunen, Initiativen und Interessengruppen geben wird. Alle
legalen Partizipationsformen werden sich natürlich auch im Internet innerhalb des
gesetzlich abgesteckten Rahmens bewegen. Wenn beispielsweise mehr direkte
Demokratie auf Bundesebene erwünscht wäre, dann müßten zuallererst politische
Entscheidungen die Grundlage für solche Möglichkeiten schaffen. Wir gehen allerdings
davon aus, daß unter günstigen Bedingungen485 durchaus vorhandene
484Ebd.
485Gemeint ist hier die noch ungelöste Frage, wie beispielsweise allen Menschen ein Zugang zum Netz
ermöglicht werden kann und die nötigen Kompetenzen vermittelt werden können. Diese Fragen werden
spätestens dann höchst wichtig, wenn es eines Tages Angebote gibt, die nur noch über die
Computernetze zu erreichen sind. Aber auch die „Bereitschaft der EntscheidungsträgerInnen,
Definitions-, Entscheidungs- und Verfügungsmacht mit Betroffenen zu teilen„ ist zumindest bei offiziellen
Behördenangeboten ein wichtiger Faktor der darüber bestimmt, ob wirkliche Partizipation ermöglicht wird
oder nur Scheinpartizipationsverhältnisse geschaffen werden. Herrmann, Franz, 1995, S. 173
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Partizipationsmöglichkeiten in einer neuen Form effektiver genutzt und mit weniger
Zeitaufwand für die BürgerInnen als bisher verbunden sein könnten.
Die Einsatzmöglichkeiten des Netzes im Hinblick auf Partizipation sind trotz aller
beschriebener Einschränkungen differenziert und vielfältig und deshalb kaum auf einen
Nenner zu bringen. So beziehen sich unsere folgenden Beispiele hauptsächlich auf legale
Partizipationsformen und lassen auch die in Kapitel 5.2 angedeuteten globalen
Interaktions- und Kommuniaktionsmöglichkeiten außer acht.
Jedoch auch für illegale Partizipationsformen, beziehungsweise „elektronischen zivilen
Ungehorsam“, könnte der virtuelle Raum, indem sich die Macht ja zunehmend
manifestiert, geeignet sein.486 Da wir diesen Aspekt nicht weiterverfolgen werden, soll an
dieser Stelle kurz angedeutet werden, auf welche Annahmen sich die Ideen zu illegalen
Formen der Partizipation mittels neuer Medien stützen.
Das Critical Art Ensemble487 ist der Auffassung, daß die herkömmlichen
Widerstandsformen, welche sich oft auf die materiellen Zentren der Macht konzentrierten,
in den heutigen spätkapitalistischen Zeiten wirkungslos geworden sind, denn „an die
Stelle eines einstmals soliden Sediments der Macht treten nomadisierende Formen, ein
elektronischer Datenfluß, die computerisierte Verwaltung des Wissens und der
Information, in der die institutionellen Zentren des Kommandos und der Kontrolle kaum
mehr auszumachen sind“.488 Das Konzept eines „elektronischen zivilen Ungehorsams“
geht davon aus, daß man (globale) Institutionen nur noch ernsthaft in ihrer Arbeit
beeinträchtigen kann, indem man die Bewegungen des Kapitals und der Information
selbst unterbricht oder stört. Diskussionen in den USA über die Möglichkeiten
elektronischer Kriegsführung (beispielsweise Hackerangriffe auf wichtige Systeme und
486In der Tat ist eine Gesellschaft, in der Kommunikation und Information immer wichtiger werden, auf
diesem Wege relativ leicht wirkungsvoll anzugreifen. Diesen Sachverhalt könnten sowohl NGOs wie
Greenpeace für aufsehenerregende Aktionen nutzen, aber auch militärische Angriffe sind hier denkbar,
wie der Golfkrieg und der sogenannte ‚humanitäre Einsatz‘ der Nato im Kosovo gezeigt hat. „Von jedem
Punkt der Erde aus könnte ein Hacker oder Cyberterrorist plötzlich und überraschend im Auftrag einer
feindlichen Macht aus dem Off der Netze auftauchen, und die Informationsinfrastruktur Amerikas,
beispielsweise die Transaktionswege von Börsen, Großbanken und Versicherungen, die Strom und
Wasserversorgung ganzer Landesteile die Behördendateien der US-Administration (...) die
Kommunikation unterbrechenden oder unmerklich verändernden Codes lahmlegen.“, Maresch, Rudolf,
1999, S. 130
487Vgl. Critical Art Ensemble, 1997, S. 37-47
488Critical Art Ensemble, 1997, S. 37
141
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Schaltstellen) und die Anstrengungen die unternommen werden, vernetzte
Computersysteme vor Eindringlingen zu schützen, läßt solche Protest- und
Widerstandsformen auch wenn sie futuristisch klingen mögen in einem durchaus reellen
Licht erscheinen.489 Was früher die ,Kontrolle der Straße’ bedeutete könnte in Zukunft die
Unterbrechung des Zugriffs auf Information sein, denn das Funktionieren des
gegenwärtigen Kapitalismus hängt entscheidend von elektronischer Kommunikation ab.
„Die Unterbrechung der Information ist mithin eines der wirkungsvollsten Mittel, um
Institutionen, seien sie Teil militärischer oder ziviler, privater oder staatlicher
Unternehmen, zu lähmen“.490
Im Folgenden stellen wir nun Beispiele dar, die unserer Einschätzung nach Ansatzpunkte
für eine verbesserte Partizipation bieten können. Dabei beschränken wir uns auf drei
Bereiche. Zuerst betrachten wir das Online-Angebot des deutschen Bundestags, dann die
Partizipationsmöglichkeiten die sich durch Bürgernetze auf kommunaler Ebene ergeben
und schließlich gehen wir auf die Rolle des Internets für Initiativen und Interessengruppen
am Beispiel der StudentInnenproteste im WS 97/98 ein.
6.1 Online-Angebote großer politischer Institutionen
Die Enquete-Kommission „Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft“
diagnostiziert heute schon durch die Informations- und Kommunikationstechnologien
bewirkte konkrete Veränderungen im Verhältnis der BürgerInnen zum Staat und zur
Verwaltung. Die einfachste und damit auch heute schon am meisten verbreitete
Anwendung für die neuen Informations -und Kommunikationstechniken sieht sie in den
vielfältigen Möglichkeiten der Information der BürgerInnen. „Sie öffnen vor allem die
Chance, das Verhältnis zwischen Staat und Bürgern partnerschaftlicher zu gestalten.“491
Bund, Länder und Kommunen sind zunehmend im Internet präsent und stellen ihre Texte
und Veröffentlichungen ins Internet. Hier finden sich unter anderem Beschlüsse,
489Die Praxis, hohe Strafen für relativ kleine Vergehen, wie das unerlaubte Eindringen in Computersysteme
ohne daß großer Schaden entstanden ist, auszusprechen stützen die These, daß sich Macht zunehmend
in virtuelle Räume verlagert. Vgl. Critical Art Ensemble, 1997, S. 41f.
490Critical Art Ensemble, 1997, S. 40
491Es ist mit Sicherheit wünschenswert, daß der Staat die BürgerInnen besser über seine Aktivitäten
informiert und Entscheidungen transparenter macht. Partnerschaftlichkeit beeinhaltet jedoch ein
gleichberechtigtes Moment was durch diese doch recht einseitige Weitergabe von Informationen kaum
erfüllt sein dürfte. Vgl. Enquete-Kommission Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft, 1998,
S.78
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Gesetzesentwürfe, Protokolle, Reden, Pressemitteilungen, Programme und andere
Veröffentlichungen deren Kenntnisnahme für die (zumindest politisch interessierten und
engagierten) BürgerInnen interessant oder wichtig ist. „Die Zeit ist absehbar, in der alle
wichtigen, öffentlich zugänglichen Dokumente im Netz stehen werden.“492
Die neuen Techniken ermöglichen so zum einen den öffentlichen Einrichtungen ihr
Verwaltungshandeln aufgrund von optimaler Informationsbereitstellung transparenter zu
machen. Zum anderen wird oft darauf hingewiesen, daß die Arbeit von Regierungen,
Parlamenten und Verwaltungen mit Hilfe der neuen Informations- und
Kommunikationstechniken effektiver, billiger aber auch kundenfreundlicher werden wird,
und damit auch den BürgerInnen zugute kommt. Etwa wenn vermehrt Anträge und
Formulare aus dem Netz beziehbar sind oder gar Steuererklärungen online eingereicht
werden können. Es ist natürlich begrüßenswert wenn die Verwaltungen und Behörden
kundenfreundlicher werden. Wenn aber die ,Transformationen’ des politischen Systems
durch die neuen Technologien auf die Verwaltungsrationalisierung begrenzt wird, und sich
damit auf das Herunterladen oder Ausfüllen von Formularen, oder das online begleichen
von Gebühren, Mahnungen und Abschlagzahlungen beschränken, hat das mit
Partizipation in unserem Verständnis jedenfalls sehr wenig zu tun.493 Auf jeden Fall läßt
eine Beschränkung auf diese Formen des Medieneinsatzes viele sinnvollen
Einsatzmöglicheiten außer acht. Allerdings fällt diese Entwicklung hin zur elektronischen
Abwicklung von Behördenkontakten mit den Wünschen der BürgerInnen zusammen. Die
Ergebnisse mehrerer Studien, in denen die BürgerInnen nach gewünschten OnlineAngeboten befragt wurden haben gezeigt, daß Behördenkontakte und
Arbeitsplatzangebote an erster Stelle der Wunschliste stehen. Politische Angebote
rangierten dagegen auf den hinteren Plätzen.494 „Die Bürger haben überwiegend eine
Konsumentenrolle eingenommen und wollen – ähnlich wie homebanking – den Besuch
auf dem Amt so effektiv wie möglich gestalten.“495 Martin Hagen und Herbert Kubicek
weisen aber darauf hin, daß diese Ergebnisse nicht bedeuten, daß „entsprechende
492Ebd. S.78
493Vgl. Maresch, Rudolf, 1999, S.148
494Vgl. Kubicek, Herbert/Hagen, Martin, 1999, http://www.fgtk.informatik.unibremen.de/hagen/partizipation/home.html
495Ebd.
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Beteiligungsformen, werden sie erst einmal angeboten, nicht genutzt würden. Hohe
Teilnehmerquoten an Umfragen und ‚Mitmachaktionen’ zum Beispiel im Fernsehen
zeigen, daß die Bürger durchaus Interesse haben, sich an gesellschaftlichen Aktionen
und Prozessen zu beteiligen. Es kommt allerdings auf die richtige Einbettung an“.496
Der Zugang zu wichtigen Informationen497 an einer oder mehreren zentralen Stellen im
Internet ermöglicht eine einfache und umfassende Recherche, die Arbeit der jeweiligen
Institution betreffend. Wenn nun jeder Mensch, wenn er es wünscht auf einfache und
schnelle Weise Einsicht in Originaldokumente nehmen kann und damit zum Beispiel
politische Äußerungen überprüft oder Einsicht in Protokolle von Sitzungen und Debatten
nehmen kann, dann kann diese unmittelbare Überprüfbarkeit zu größerer Sorgfalt und
Sachlichkeit sowohl bei der Medienberichterstattung aber auch bei den Akteuren der
jeweiligen Institution führen. Auf diese Weise wird also die Kontrollfunktion von
Öffentlichkeit gestärkt. „Es kann schon ein Gewinn an Demokratisierung bedeuten, wenn
Politiker und Behörden in ihrem Verhalten antizipieren müssen, daß sie unter Umständen
wohlinformierten Bürgern gegenüberstehen.“498 Diese heute schon verstärkt
vorangetriebene Informationsbereitstellung kann allerdings nur ein erster Schritt sein, „den
Bürger optimal an der politischen Willensbildung zu beteiligen“,499 was der EnqueteKommission „Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft“ zufolge ein Ziel des
staatlichen Handelns beim Einsatz dieser neuen Möglichkeiten ist.
Auch Helmut Scherer betont die Vorteile, die den BürgerInnen aus der Nutzung von
politischen Artikulations- und Informationsmöglichkeiten entstehen. „Politik und
Verwaltung können partiell ihren Informationsvorsprung, der ein wesentliches Element
ihrer Herrschaft darstellt, verlieren“.500 Leichtere Zugänge zu politisch relevanten
Informationsmöglichkeiten können nach Scherer dazu führen, daß engagierte
BürgerInnen bei Konflikten mit staatlichen und politischen Stellen besser vorbereitet sind
und damit machtvoller und nachdrücklicher auftreten können. Dabei genügt es Helmut
497Prinzipiell sind die veröffentlichten Dokumente auch schon vor der Veröffentlichung im Internet öffentlich
zugänglich gewesen.
498Scherer, Helmut, 1998, S.185
499Enquete-Kommission Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft, 1998, S.79
500Scherer, Helmut, 1998, S.185
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Scherer zufolge, wenn einzelne AkteurInnen oder Gruppierungen diese
Informationsmöglichkeiten zur Stärkung ihrer Position gezielt nutzen.501 Die massenhafte
Nutzung politischer Information ist sogesehen zumindest für eine partielle,
themenbezogene Einflußnahme nicht nötig. Scherer zufolge genügt es, wenn man sich
der Möglichkeiten bedient, wenn Handlungsbedarf vorhanden ist.
6.1.1. Bundestag online: www.bundestag.de
Wir haben als Beispiel für ein Online-Angebot einer großen politischen Institution den
Deutschen Bundestag ausgewählt. Das Angebot ist sehr groß und ermöglicht den
Interessierten, sich ein umfassendes Bild von der Arbeit, den Strukturen und den
Abgeordneten des Bundestags zu machen. Neben dem riesigen Informationsangebot sind
auch interaktive Elemente verwirklicht worden.
Der Bundestag ging im Januar 1996 online. Auf elektronischem Wege ist er schon seit 20
Jahren über BTX erreichbar. Das Angebot umfaßt insgesamt 22000 Seiten.502 Wenn man
die Drucksachen und Plenarprotokolle mitrechnet, so dürfte die Zahl laut einer offiziellen
Verlautbarung der Online-Redaktion des Bundestags mindestens zehnmal größer sein.503
Die Zugriffszahlen der Bundestagsseite sind die letzen drei Jahre kontinuierlich gestiegen.
„3,5 Millionen Zugriffe wurden im ersten Jahr gezählt, im zweiten Jahr waren es mit 10,1
Millionen schon dreimal so viele. 1998 hat sich die Zahl der Zugriffe noch einmal auf rund
30 Millionen verdreifacht.“504 In der Zeit der Bundestagswahl 1998 gab es eine deutliche
Zunahme der Zugriffe. Es wurden allein im September 1998 ca. 4,5 Millionen Zugriffe
registriert.505 Damit erfreuen sich die Bundestagsseiten einer großen Beliebtheit mit
steigender Tendenz.
Das Informationsangebot der Homepage ist unterteilt in die Rubriken „Im Blick“,
„Aktuelles“ (zum Beispiel Tagesordnungen, „Woche im Bundestag“, etc.), „Gremien“,
„Abgeordnete“,
501Vgl. Scherer, Helmut, 1998, S.185
502Deutscher Bundestag, 1999, www.bundestag.de/aktuell/bp9902/9902084.html
503Ebd.
504Ebd.
505Ebd.
145
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„Europa“, „Berlin“, die „Infothek“ und „Datenbanken“. Unten auf der Seite sind Links zu
den verschiedenen Fraktionen des Bundestags. Mithilfe dieser Links ist es möglich,
Stellungsnahmen der jeweiligen Fraktion zu aktuellen politischen Themen einzusehen,
oder auch allgemeine politische Leitvorstellungen in Erfahrung zu bringen. Die
Fraktionsseiten können auch als Sprungbrett (durch angebotene Linksammlungen) zu
allen möglichen der Partei angehörigen Gruppierungen (über Landesverbände bis zu
jeweiligen Ortsgruppen) dienen. Der Punkt „Aktuell“ enthält aktuelle Presseinformationen
und Berichte aus dem deutschen Bundestag, Tagesordnungen der jeweiligen Ausschüsse
und der Plenarsitzungen, sowie Protokolle der Plenarsitzungen. Informationen zu den
zahlreichen Gremien des Bundestags (beispielsweise Präsidium, Ausschüsse,
Fraktionen...) lassen sich unter dem Punkt „Gremien“ finden. Der Punkt „Abgeordnete“
enthält unter anderem Informationen über die Abgeordneten (Biographien, Liste mit
Homepages und E-Mail-Adressen, Wahlkreisergebnisse...). Der Punkt „Europa“ enthält
alles Wissenswerte über Europa, das Europaparlament und seine Abgeordneten. Unter
„Berlin“ finden sich unter anderem Daten und andere Informationen zum Umzug des
Bundestags nach Berlin und ein Überblick über die Berlin-Debatte. Unter der Rubrik
„Infothek“ kann man sich über die Geschichte des Parlaments, den Ablauf
parlamentarischer Prozesse und über die Geschichte der Parteienfinanzierung
informieren. Seit 1997 haben die Internet UserInnen auch Zugriff auf die hausinternen
Datenbanken des Bundestags (DIP, PARFORS und GESTA),506 über die alle öffentlichen
Dokumente, wie Drucksachen, Protokolle, Reden sowie der Stand aller
Gesetzgebungsverfahren nach Personen und Sachgebieten recherchierbar sind.
Alle Reden sind zudem über eine verschlagwortete Video Datenbank abrufbar und auch
als Mitschrift erhältlich. Auf diese Weise lassen sich beispielsweise alle Redebeiträge
eines bestimmten Abgeordneten auflisten. So ist es möglich, sich ein ziemlich genaues
Bild von der Arbeit eines bestimmten Abgeordneten zu machen. Seit der 14. Wahlperiode
werden Plenardebatten außerdem live per Web TV übertragen und sind auch jederzeit
über die Datenbank einsehbar und abrufbar. „Wer in der Tagesschau einen kurzen
Ausschnitt aus einer Rede sieht und mehr wissen will, kann sich die gesamte Rede
506PARFOR: Bundestags-Drucksachen und -Plenarprotokolle ab der 13. Wahlperiode als PDF- oder ASCIIDateien. DIP: Informationssystem für parlamentarische Vorgänge. GESTA: Gesetzesvorhaben (ohne
Redebeiträge)
146
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jederzeit im Internet anschauen.“507 Dies ist ein schönes Beispiel dafür, wie
unterschiedliche Medien in digitaler Form immer mehr zu einer Einheit verschmelzen und
somit aus einer Hand genutzt werden können.
An interaktiven Möglichkeiten gibt es ein themengebundenes und moderiertes
Diskussionsforum, dessen Themen etwa alle sechs Wochen wechseln. Die Themen
werden allerdings von Seiten des Bundestags vorgegeben. Die Diskussionen werden
jeweils durch Beiträge der fachpolitischen SprecherInnen aller Fraktionen eröffnet und
sind auch danach unterteilt. Nach der Eröffnung ist es Interessierten möglich, ihre
Meinungen zu den Standpunkten der jeweiligen Fraktionen kundzutun, sowie
untereinander zu diskutieren. Die FraktionssprecherInnen selbst scheinen sich nicht
weiter zu beteiligen. Außerdem gibt es pro Thema noch eine allgemeine
Diskussionsgruppe. Die Beiträge der TeilnehmerInnen erscheinen allerdings erst nach der
Freigabe durch die ModeratorInnen, was bis zu zwei Arbeitstagen dauern kann.508 Alle
abgeschlossenen Diskussionen sind auch weiterhin über das Archiv für alle einsehbar.
Gelegentlich werden Online-Konferenzen mit Abgeordneten zu bestimmten
Fragestellungen durchgeführt. Im Jahr 1999 wurden bis zum 1.12.99 insgesamt fünf
solcher Konferenzen durchgeführt.509 Hier ist es interessierten BürgerInnen möglich, in
direkten Austausch mit den beteiligten Abgeordneten zu treten. Sie können Fragen an die
Abgeordneten stellen, die dann sofort beantwortet werden. Das Interesse an diesen
Aktionen scheint immerhin so groß zu sein, daß in der kurzen zur Verfügung stehenden
Zeit in der Regel nicht alle Fragen beantwortet werden können.510 Auch diese Beiträge
werden alle im Archiv gespeichert und sind für alle Interessierten einsehbar.
Es ist weiterhin möglich, zwei Mailing Listen zu abonnieren. Allerdings dienen diese
Mailinglisten nicht wie viele andere der Diskussion. Sie transportieren selbst keine
interaktiven Elemente, sondern dienen der Information. Eine der Mailinglisten
507Deutscher Bundestag, 1999, www.bundestag.de/aktuell/bp9902/9902084.html
508Vgl. die Startpage der Online-Foren: http://www.bundestag.de/forum/index.htm
509Vgl. hierzu die Auflistung aller Online-Konferenzen auf dem Bundestagsangebot
http://www.bundestag.de/blickpkt/arch_onl/konf.htm
510So konnte beispielsweise der Präsident des Deutschen Bundestages Wolfgang Thierse bei der OnlineKonferenz "Demokratie online: Neue Medien - ein Weg zur direkten Demokratie" von 120 Fragen nur 38
beantworten. Vgl. Thierse, Wolfgang, 1999, http://www.bundestag.de/blickpkt/arch_trs/thierwo.htm
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veröffentlicht die hib-Pressemeldungen des deutschen Bundestags.511 Die andere gibt
Aktivitäten der Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit bekannt. Hier werden beispielsweise
Online Konferenzen, Telefonaktionen oder das Erscheinen elektronischer Publikationen
angekündigt. Zudem gibt es die Möglichkeit für eine Online Anmeldung zum Besuch im
Bundestag, einen E Mail Briefkasten der es auch Menschen ohne E-Mail-Adresse
ermöglicht an Mitglieder des Bundestags oder auch der Online-Redaktion eine Nachricht
zukommen zu lassen und mit ihnen in Austausch zu treten, ein Online Bestellformular für
gedrucktes Informationsmaterial, die Möglichkeit zum Herunterladen digitaler Broschüren,
sowie eine Volltextsuche, die ca. 22.000 Dokumente der Datenbanken auf dem Server
erschließt.
6.1.2 Zur NutzerInnen-Gruppe
Interessant sind die Ergebnisse einer im Januar und Februar 1999 durchgeführten OnlineBefragung unter den NutzerInnen des Online-Angebots des Bundestags. Die Zahlen sind
zwar nicht repräsentativ, da die Daten aufgrund freiwilliger Teilnahme erhoben wurden512,
sie geben aber sicherlich trotzdem interessante Hinweise auf das Profil der NutzerInnen.
Insgesamt gab es 2752 Zuschriften, die ausgewertet wurden. Wie aus den Zahlen
hervorgeht, dominieren unter den befragten NutzerInnen ganz klar jene Menschen, die
einen überdurchschnittlich hohen Bildungsabschluß aufweisen können.
Frage: Ihre Ausbildung?
Anzahl
Prozent
Hauptschulabschluß
158
5,7%
Realschulabschluß
431
15,7%
Abitur
646
23,4%
Studium Fachhochschule
1076
39,1%
Studium Universität
411
14,9%
Quelle: Internet Redaktion des Deutschen Bundestags, 1999,
http://www.bundestag.de/blickpkt/arch_bpk/frage.htm
511hib ist der laufende Pressedienst des Deutschen Bundestages. Er wird vom Pressezentrum des
Deutschen Bundestages herausgegeben und berichtet über die inhaltliche Arbeit des Deutschen
Bundestages, zum Beispiel welche Beratungen in den Ausschüssen oder anderen Gremien stattfinden.
512 Wir beziehen uns in diesem Teil auf folgendes Dokument, das die Ergebnisse der
Erhebung vorstellt: Internet-Redaktion des Deutschen Bundestages, 1999,
http://www.bundestag.de/blickpkt/arch_bpk/frage.htm
148
http://www.mediaculture-online.de
Insgesamt 23,4 Prozent Befragten haben das Abitur und 54 Prozent studieren oder haben
ein abgeschlossenes Studium. Das sind 77,4 Prozent mit einem hohen Bildungsniveau.
NutzerInnen mit Hauptschulabschluß sind demgegenüber mit 5,7 Prozent kaum vertreten.
Frage: Ihr Geschlecht?
Anzahl
Prozent
Männlich
2372
82,2
Weiblich
363
13,2
Quelle: Internet Redaktion des Deutschen Bundestags, 1999,
http://www.bundestag.de/blickpkt/arch_bpk/frage.htm
Die Frage nach dem Geschlecht zeigt, daß bei der Online-Nutzung des Bundestags die
Männer gegenüber den Frauen stark dominieren. Insgesamt 86, 2 Prozent Männern
stehen 13, 2 Prozent weibliche Nutzerinnen gegenüber.
Frage: Verraten Sie uns Ihr Alter?
Anzahl
Prozent
Bis 20 Jahre
339
12,3 %
bis 25 Jahre
529
19,2 %
Bis 35 Jahre
865
31,4 %
Bis 45 Jahre
538
19,5 %
Bis 55 Jahre
329
12,0 %
56 Jahre und älter
141
5,1 %
Quelle: Internet Redaktion des Deutschen Bundestags, 1999,
http://www.bundestag.de/blickpkt/arch_bpk/frage.htm
Bei der Altersstruktur der NutzerInnen ist die Gruppe der 25-30jährigen mit 31,4 Prozent
am stärksten vertreten.
Insgesamt sind die Ergebnisse der Fragen zur Person nicht sonderlich überraschend. Es
ergibt sich ein Nutzerprofil, wie es in vielen Untersuchungen zur Internetnutzung bestätigt
wird (der Durchschnittsnutzer ist ca. 30 Jahre alt, hat einen überdurchschnittlichen
149
http://www.mediaculture-online.de
Bildungsabschluß...).513 Diese Ergebnisse deuten auch darauf hin, daß auch hinsichtlich
dieses Angebots, zumindest momentan, die „männliche Elite“ der Gesellschaft von den
verbesserten Möglichkeiten der Informationsbeschaffung und der daraus resultierenden
verbesserten Transparenz profitieren und insofern die Gefahr der Verstärkung von
bestehenden Ungleichheiten besteht. Die Gründe für dieses im Internet vorherrschende
NutzerInnenprofil sind sicherlich vielfältig.514 Untersuchungen deuten allerdings auf die
Tendenz „für allgemeine demographische Ausgleichsprozesse“515 hin, das heißt, daß sich
das Profil der InternetnutzerInnen vermutlich langsam an den allgemeinen
Bevölkerungsdurchschnitt annähert. Doch selbst wenn sich ein solcher Ausgleichsprozeß
einstellen sollte, wird die Art der Nutzung vermutlich noch immer von strukturell bedingten
Ungleichheitsverhältnissen beeinflußt sein.
6.1.3 Versuch einer Einordnung
Wie es am Beispiel des Online-Angebots des deutschen Bundestags zu sehen ist, liegt
der Schwerpunkt momentan erwartungsgemäß auf der Informationsbereitstellung. Wer es
wünscht kann sich in der Tat sehr umfassend über die Arbeit von Abgeordneten, über
rechtliche Hintergründe und die komplizierten Verfahren der Gesetzgebung informieren.
Diese Informationsangebote helfen zweifellos, die Transparenz und damit die Kontrolle
durch die Öffentlichkeit zu verbessern. Allerdings bezieht sich diese verbesserte
Transparenz in erster Linie auf schon getroffene Entscheidungen. Rainer Rilling zufolge
ist eine solch umfassende Informationsbereitstellung zudem geeignet, ExpertInnenwissen
allgemein zugänglich und damit auch kritisierbar zu machen. Netzkommunikation ist damit
in der Lage, „ein notorisches Problem der Demokratie zu mildern: die Präsenz des
Expertenwissens.“516
Rudolf Maresch zeigt jedoch auf, daß die freie Informationsbereitstellung im Netz auch
eine „neue Renaissance der Geheimhaltungspolitik“ erschafft. Er weist darauf hin, daß
Information eben nicht gleich Information ist. Durch die propagierte, vermeintlich absolut
öffentliche Informationsbereitstellung läßt sich auch sehr gut von nach wie vor nicht
öffentlicher Information ablenken. „User oder Bürger bekommen zwar vieles was sie
513Vgl. Enquete-Kommission Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft, 1998, S.86ff. und Kapitel
5.4 dieser Arbeit.
514Vgl. Kapitel 5.4 dieser Arbeit
515Enquete-Kommission Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft, 1998, S.90
516Rilling, Rainer, 1998a, S. 375
150
http://www.mediaculture-online.de
wünschen, aber nicht alles, was sie brauchen“.517 Wird Informationsbereitstellung zum
Ablenken von wirklich wichtigen Informationen benutzt, so dient sie nicht der Kontrolle von
unten, sondern dient der Herrschaftssicherung und Festigung der Macht und ist im
Hinblick auf Partizipation eine Alibiveranstaltung.518 Zu bedenken ist somit, daß vermutlich
auch die Seiten des Bundestagsangebots sicherlich nicht alle Informationen preisgeben,
die für die BürgerInnen interessant und wichtig wären. Auch in der Frankfurter Erklärung
zur Informationsgesellschaft wird auf diesen kritischen Punkt hingewiesen. „(...) solange
die Gefährlichkeit von Atomtransporten jahrelang verheimlicht werden kann, ist die Rede
von der ‚Informationsgesellschaft’ blanker Hohn.“519 Katja Diefenbach kritisiert zudem das
Stereotyp der Netzdebatte „Mehr Kommunikation – mehr Wissen – mehr Demokratie“.
Automatisch wird damit angenommen, daß mehr Wissen auch mehr Demokratie bedeutet
und „damit auf das Versprechen der Aufklärung verwiesen, daß Wissen die Subjekte
befreie“.520 Diefenbach verweist jedoch darauf, daß Wissen und Information selbst
Herrschaftssysteme sind, welche durch die massenhafte Verbreitung seit dem 18.
Jahrhundert nicht zum Abbau von Macht, sondern zur Institutionalisierung derselben
geführt haben.521
An den eigentlichen Machtverhältnissen hinsichtlich der Entscheidungsmacht, und damit
dem Prinzip der Repräsentation, verändert die Netzpräsenz des Bundestags natürlich
nichts. Die Berichte und Gesetze werden mit Ausnahme von Gesetzesinitiativen erst
veröffentlicht, wenn Entscheidungen schon gefallen sind. Die Abschriften der jeweiligen
Online-Diskussionen werden zwar den beteiligten PolitikerInnen nach Abschluß der
Diskussion zur Verfügung gestellt,522 ob die Wünsche der BürgerInnen damit allerdings
besser vertreten sind als zuvor ist zumindest fraglich.
Martin Hagen und Herbert Kubicek kommen zudem aufgrund von Umfrageergebnissen zu
dem nicht sonderlich überraschenden Schluß, daß eine „unverbindliche Diskussion mit
517Rudolf Maresch, 1997, S. 207
518Vgl. hierzu auch Hermann, Franz, 1995, S. 145-147
519Vgl. Frankfurter Erklärung zur Informationsgesellschaft, 1998, http://staff-www.unimarburg.de/~Rillingr/imd/IMD98/98erklaerung.htm
520Diefenbach, Katja, 1997, S. 78
521Vgl. ebd.
522Vgl. Das Archiv der Online-Diskussionen: http://www.bundestag.de/forum/archiv.htm
151
http://www.mediaculture-online.de
einem Politiker (...) für die Mehrzahl der Bürger offenbar keine effektive Form der
politischen Beteiligung“523 darstellt. Hier ist der Partizipationsgrad angesprochen, der sich
auf unverbindlichem Niveau bewegt und damit negative Effekte auf die
Engagementbereitschaft der BürgerInnen haben dürfte.524 Mitsprache ist zwar möglich,
hat aber zunächst keine Auswirkungen. Direkte und interaktive Formen der Beteiligung
sind zudem nur in Ansätzen vorhanden, beziehungsweise unserer Einschätzung nach
zumindest stark verbesserungsfähig und bewegen sich bei diesem Angebot auf völlig
unverbindlichem Niveau. Das bedeutet, man kann sich sehr gut informieren und ab und zu
ist es möglich die eigene Meinung kundzutun. Inwiefern sich Abgeordnete durch solche
Online-Kommunikation in ihren Haltungen oder gar in ihrem Abstimmungsverhalten
beeinflussen lassen ist offen. Zu befürchten ist allerdings, daß die BürgerInnen durch
solche Foren keinen großen Einfluß auf die Arbeit des Bundestags gewinnen können.
Hans J. Kleinsteuber ist gar der Meinung, daß es den BerufspolitikerInnen beim Einsatz
von neuen Medien wie Internet und CD-ROM um „Business as usual“ geht. Die
Möglichkeiten zur Öffentlichkeitsdarstellung werden genutzt, an der „Stärkung einer
zweiseitigen, weniger asymetrischen politischen Kommunikation“525 sind sie Kleinsteuber
zufolge eher nicht interessiert.
Wirklich interaktive, kommunikative Elemente gibt es bis auf die Online-Diskussionen in
den thematischen Foren, den gelegentliche Online-Konferenzen mit Abgeordneten oder
der Möglichkeit eine E-Mail zu schreiben keine. Dazu kommt, daß die Diskussion in den
Foren zeitlich begrenzt ist und die Online-Konferenzen (wahrscheinlich auch aus
zeitlichen Gründen der Abgeordneten526) nur selten angeboten werden. Die Moderation
der Foren ist wohl zur Qualitätssicherung der Diskussion gedacht, trotzdem bleibt das
ungute Gefühl, daß über die Moderation auch Zensur geübt werden könnte. Inwiefern
allerdings gekürzt oder zensiert wird ist uns nicht bekannt. Warum die Diskussionsforen
irgendwann geschlossen werden und damit die laufende Diskussion regelrecht
‚abgewürgt’ wird, ist eigentlich nicht einzusehen. Sicher wäre es besser offene Strukturen
523Vgl. Kubicek, Herbert/Hagen, Martin, 1999,
http://www.fgtk.informatik.uni-bremen.de/hagen/partizipation/home.html
524Vgl. Herrmann, 1995, S. 174f.
525Kleinsteuber, Hans J., 1999, S.60f.
526Zur Zeit Problematik im Zusammenhang mit Online-Präsenz von Abgeordneten vgl. Tauss Jörg/Kollbeck
Johannes, 1998, S. 285f.
152
http://www.mediaculture-online.de
zu schaffen, wie sie im Usenet zu finden sind. Wünschenswert wären allerdings auch
regelmäßigere Beiträge der Abgeordneten zu den Diskussionsgruppen, die bislang fehlen.
Angesichts der relativ hohen Zugriffszahlen527 auf das Bundestagsangebot ist die
momentane Beteiligung an diesen Diskussionen als eher gering einzustufen. Die höchste
Zahl der Beiträge unter den sieben, im Jahr 1999 durchgeführten und bis zum 1.12.99
abgeschlossenen, Diskussionsforen hat mit 154 Beiträgen die Diskussion mit dem Thema
„Integration von Ausländern“. Insgesamt bewegt sich die Anzahl der Beiträge an den
sieben Diskussionen bis zum 1.12.1999 zwischen 33 bis 154 Zuschriften. Auch hier
drängt sich der Verdacht auf, daß viele Menschen aufgrund der Unverbindlichkeit des
Angebots von einer Nutzung desselben absehen. Eine Tendenz die die
Partizipationsforschung bestätigt.528 Aufgrund des vergleichsweise regen Zuspruchs bei
der direkten Kommunikation mit den Abgeordneten (Online-Konferenzen) wäre es sicher
eine weitere sinnvolle Bereicherung des Angebots, wenn die interaktiven Potentiale der
Mailinglisten als Orte der Diskussion genutzt werden könnten und die Online-Konferenzen
häufiger durchgeführt werden würden. Ein direktes Gespräch mit Abgeordneten scheint
zumindest interessanter zu sein als die Diskussion in den Diskussionsgruppen. Unser
Hauptkritikpunkt an den angebotenen Interaktionsmöglichkeiten ist der insgesamt zu
geringe Umfang. Damit bleibt das Angebot weit hinter den denkbaren Möglichkeiten
zurück, nämlich die interaktiven Möglichkeiten zu nutzen, um einen regen Austausch
zwischen den Mitgliedern des Bundestags und der Bevölkerung zu ermöglichen.
Insgesamt bleibt der Eindruck, daß der Stellenwert, der der Interaktion beigemessen wird,
nicht sonderlich hoch zu sein scheint.
Die verfügbaren (und nicht repräsentativen) Zahlen zum NutzerInnenprofil deuten darauf
hin, daß es dem Profil der typischen InternetnutzerInnen folgt. Das bedeutet, daß große
Gruppen der Bevölkerung das Angebot nicht nutzen. Die Zahlen lassen sich aber auch
dahingehend interpretieren, daß es ein wohlbekanntes Phänomen in der
Partizipationsforschung darstellt, daß ohnehin privilegierte Menschen auch politisch
aktiver sind. „Egal ob es Wahlen, Parteien oder Bürgerinitiativen sind: Politisch aktiv
527Pro Tag besuchen ca. 2000 bis 2200 NutzerInnen das Angebot. Vgl. Kubicek, Herbert/Hagen, Martin,
1999, http://www.fgtk.informatik.uni-bremen.de/hagen/partizipation/home.html
528Vgl. Leggewie, Claus, 1998, S. 45
153
http://www.mediaculture-online.de
werden vor allem die Gebildeten und Reichen.“529 Die Alterstruktur der NutzerInnen des
Bundestagsangebots folgt ebenfalls den Erkenntnissen der Partizipationsforschung. „Für
die Anschlußmöglichkeiten politischer Beteiligung über Computernetzwerke wichtig ist
eine hohe Korrelation zwischen denjenigen, die sich am wahrscheinlichsten politisch
beteiligen und denjenigen, die Computer benutzen. Die gemeinsame Schnittmenge sind
die 25 bis 45jährigen.“530 Der Einsatz von Computer kann insofern die
Beteiligungsbereitschaft von jungen Menschen erhöhen, denn „junge Leute haben eher
Erfahrung mit Computern“ und lehnen konventionelle Beteiligungsverfahren eher ab,
„ältere Leute beteiligen sich eher auf konventionellem Wege, haben aber weniger
Erfahrung mit Computern“.531
Das könnte bedeuten, daß möglicherweise umgekehrt eine Erhöhung der
Medienkompetenz von älteren Menschen zu einer Erhöhung der Beteiligung mittels
Computern führen könnte.
Am Online-Angebot des Bundestags wird zudem ein interessanter und wichtiger Aspekt
im Hinblick auf die gesellschaftliche und politische Partizipation von behinderten
Menschen im Zusammenhang mit Online-Angeboten deutlich. Die Online-Redaktion hat
das Internetangebot gezielt auf die immer größer werdende Gruppe von sehbehinderten
und blinden NutzerInnen zugeschnitten um sehbehinderten NutzerInnen einen Zugriff auf
die Seiten zu ermöglichen.532 So wurde beispielsweise auf aufwendige Design-Elemente533
verzichtet und auch an anderer Stelle gezielt darauf geachtet Zugriffsbarrieren zu
vermeiden. Online Angebote können nämlich für viele behinderte Menschen eine gute
Möglichkeit darstellen trotz ihres Handicaps Partizipationsmöglichkeiten zu erschließen,
529Vgl. Kubicek, Herbert/Hagen, Martin, 1999,
http://www.fgtk.informatik.uni-bremen.de/hagen/partizipation/home.html
530Ebd.
531Ebd.
532Für diese erfolgreichen Bemühungen erhielt Bundestagspräsident Wolfgang Thierse am 1. Dezember
1999 vom Verein Behinderte in Gesellschaft und Beruf - BiGuB den Gordischen Web-Knoten in Gold
überreicht. Nähere Informationen finden sich hierzu auf der Web-Seite des BiGuB:
http://www.bigub.de/presse/pm1499.htm
533WWW Seiten mit Frames und aufwendigen Grafiken können momentan von entsprechenden Geräten
nicht blindengerecht aufgearbeitet werden und stellen für Blinde damit eine unüberwindliche
Zugangsbarriere dar.
154
http://www.mediaculture-online.de
wenn bei der Seitenerstellung gewisse Grundsätze beachtet werden. Dies hat die OnlineRedaktion in beispielhafter Weise verwirklicht.
Das Angebot des Bundestags kann insgesamt als erster und durchaus gelungener Schritt
gesehen werden, den BürgerInnen vor allem über bessere Informationsmöglichkeiten
mehr Partizipation zu ermöglichen. Die Stärken des Angebots liegen darin, daß eine sehr
große Menge an unterschiedlichen Informationen über die Bundestagsseiten zentral
zugänglich ist. Ein weiterer Vorteil ist, daß die Information direkt eingesehen werden
kann, ohne daß durch die Selektionsfunktion der Medien Verfälschungen oder
Bewertungen entstehen. Die Interessierten können sich aufgrund der ungefilterten
Informationen eine eigene Meinung bilden. Die momentanen informationslastigen
Angebote sind auf das Vorfeld der Partizipation zugeschnitten und damit geeignet, die
Bedingungen für eine weitergehende Partizipation zu schaffen. „Das Internet bietet nun
erstmals die Möglichkeit, Gesetzesvorlagen, Beratungsprozesse und individuelle
Verhaltensweisen der Legislatoren in vollem Umfang allen Interessierten ohne Aufwand
zugänglich zu machen und dadurch die kognitiven Voraussetzungen herzustellen, die für
eine rationale Ausübung der politischen Rechte (zum Beispiel für Wahlentscheidungen
oder die Teilnahme an Petitionen und Protestbewegungen) unerläßlich sind.“534 Insgesamt
werden mit diesem und ähnlichen Angeboten die Möglichkeiten geschaffen, daß
möglichst viele BürgerInnen die Entscheidungstätigkeit der regierenden Instanzen
wahrnehmen und beurteilen können und damit zumindest einen besseren informellen
Einfluß ausüben können.535 Nachdenklich stimmt allerdings der Befund der
sozialwissenschaftlichen Technikforschung, der von Verwaltungswissenschaftlerinnen
bestätigt wird, daß der Einsatz von Informationstechnologien in Organisationen vor allem
die bestehenden Strukturen stärkt und damit als Trendverstärker gelten kann.536 Diese
Tendenz läuft den für eine größere und unserer Auffassung nach wünschenswerten
direkteren Beteiligung nötigen Reformen zuwider. Die Zukunft wird erst noch zeigen, ob
sich tatsächlich auch, wie von verschiedenen Seiten gehofft wird, Veränderungen des
gesamten politischen Systems ergeben werden, beziehungsweise ob sie von den
534Geser, Hans, 1996b, http://www.uniz.cg/~geserweb/komoef/ftext.html
535Vgl. ebd.
536Vgl. Kubicek, Herbert/Hagen, Martin, 1999,
http://www.fgtk.informatik.uni-bremen.de/hagen/partizipation/home.html
155
http://www.mediaculture-online.de
EntscheidungsträgerInnen gewollt werden. Von einer Cyberdemokratie (oder ähnlichen
Visionen), in der die BürgerInnen auf elektronischem Wege direkte und rechtlich verbürgte
Einflußmöglichkeiten auf politische Entscheidungsprozesse haben, sind wir vor allem
aufgrund der fehlenden rechtlichen Grundlagen und den fehlenden Zugängen großer
Bevölkerungsgruppen auf jeden Fall noch weit entfernt.
6.2 Bürgernetze – bessere Partizipationsmöglichkeiten auf kommunaler
Ebene?
6.2.1 Anschlußmöglichkeiten der Partizipation im kommunalen Bereich
Wenn es um konkrete Möglichkeiten der politischen und gesellschaftlichen Partizipation
mit Hilfe von Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten geht, werden viele
Chancen für bessere Partizipationsmöglichkeiten vor allem auf kommunaler Ebene
gesehen. Das neue Medium Internet steht für die weltumspannende Kommunikation und
gilt als wichtiger Motor der Globalisierung; im Diskurs um das Internet wird viel von
virtuellen Gemeinschaften gesprochen, in denen sich Menschen unabhängig von ihrem
realen Aufenthaltsort treffen. Im Gegensatz dazu setzen Bürgernetze und digitale Städte
oder Gemeinden auf die Abbildung örtlicher Gemeinschaften im virtuellen Raum.
Warum sich gerade die kommunale Ebene dafür eignen könnte,
Partizipationsmöglichkeiten von BürgerInnen mit Hilfe neuer Technologien zu verbessern,
liegt hauptsächlich in den oben beschriebenen „Anschlußmöglichkeiten zwischen Internet
und politischer Beteiligung“ nach Herbert Kubicek und Martin Hagen.537
Was den rechtlich-institutionellen Kontext betrifft, sind die Partizipationsmöglichkeiten auf
kommunaler Ebene vergleichsweise groß. Denn in der Bundesrepublik sind hauptsächlich
auf Länderebene und auf kommunaler Ebene direkte Einflußmöglichkeiten an politischen
Entscheidungen vorgesehen. Deshalb sieht auch die Enquete-Kommission des
Bundestags hier besondere Chancen: „Eine bessere Beteiligung der Bürger an der
politischen Willensbildung dürfte sich jedoch vor allem auf lokaler Ebene zeigen. Hier gibt
es zum Beispiel im Planungsverfahren große Möglichkeiten. Durch eine Kombination von
Offenlegung der Plangungsunterlagen und Nutzung von geographischen
537Vgl. Kubicek, Herbert/Hagen, Martin, 1999, http://www.fgtk.informatik.unibremen.de/hagen/partizipation/home.html
156
http://www.mediaculture-online.de
Informationssystemen kann man den Bürger besser an den Planungsprozessen teilhaben
lassen.“538
Auch der inhaltlich-motivationale Aspekt bietet Anknüpfungspunkte auf kommunaler
Ebene. So weist Fritz von Korff auf das starke Interesse der Menschen gerade an
regionalen Belangen hin, in dem er sich auf verschiedene Untersuchen bezieht:
„Nachweisbar rangiert das Interesse der Bürger an kommunalen Ereignissen und lokaler
Politik über dem nationaler oder internationaler Politik; auch ist das politische
Kompetenzgefühl hier am ausgeprägtesten.“539 Dies zeige sich auch darin, daß sich die
absolute Mehrheit an Bürgerinitiativen kommunalen Themen widmen.
Der technische Anschluß, mit dem Herbert Kubicek und Martin Hagen den
Vernetzungsgrad der Bevölkerung ansprechen, ist natürlich auch auf kommunaler Ebene
gering. Hier setzen jedoch viele Bürgernetze an, indem sie versuchen, einen günstigen
Zugang sowohl für Einzelpersonen als auch für Gruppen oder Organisationen zu
schaffen. Über öffentlich zugängliche Terminals zum Beispiel in Bibliotheken soll weiter
versucht werden, möglichst viele BürgerInnen zu erreichen. Kombiniert wird dieser Ansatz
teilweise noch mit Projekten zur Förderung der Medienkompetenz.
Das heißt es gibt gute Gründe, die Städte oder Kommunen als Anknüpfungspunkte für
Partizipationsbestrebungen zu nehmen. Bisher sind die Umsetzungen solcher Ideen
allerdings wenig fortgeschritten. Hier kann ein Blick auf die USA interessant sein, denn
dort gibt es schon seit etwas längerer Zeit sogenannte Community Networks, die als
Vorbild für den Aufbau von Bürgernetzen gelten können. Schon Ende der 70er Jahren
wurde dort auf der Basis von Mailboxsystemen begonnen, lokale Netzwerke aufzubauen.
„Heute sind in den USA die meisten Community Networks ein ernsthafter Faktor der
lokalen oder regionalen Öffentlichkeit. Auffällig sind hier die hohe Dichte an vertretenen
Gruppen, die nahezu selbstverständliche Präsenz kommunaler Politiker im Netz und die
engagierten Projekte, Netzkompetenz zu vermitteln.“540
In Europa nahm vor allem die Digitale Stadt Amsterdam (DDS) eine Vorreiterrolle ein, die
bereits 1994 ans Netz ging. Dort hat sich inzwischen eine sehr lebendige virtuelle
538Enquete-Kommission Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft, 1998, S. 80f.
539v. Korff, Fritz, 1999, S. 192
540v. Korff, Fritz, 1999, S. 195
157
http://www.mediaculture-online.de
Stadtkultur gebildet.541 Geert Lovink, einer der Mitbegründer der digitalen Stadt
Amsterdam, sieht einen der Gründe für die Lebendigkeit der virtuellen Stadt, in der auch
viele Subkulturen ihren Platz finden konnten, in der Unabhängigkeit des Systems, bei dem
die Stadtverwaltung nicht mehr als ein wichtiger Kunde ist. Im Gegensatz zu den Ideen
der InitiatorInnen, nimmt die Politik im Amsterdamer Bürgernetz jedoch keinen großen
Stellenwert ein: „Politik spielt in der DDS nur eine untergeordnete Rolle, was durchaus
nicht von Anfang an so beabsichtigt war. Aber es stellte sich sehr schnell heraus, daß die
meisten Politiker weder in der Lage noch willens waren, sich mit dem neuen Medium
vertraut zu machen, und daß unsere Anstrengungen sie zum Online-Dialog mit ihren
Wählern zu bewegen, pure Zeitverschwendung waren. Und auch die Nutzer waren mehr
daran interessiert, miteinander in Gespräch zu kommen als sich auf eine Diskussion mit
engstirnigen Politikern einzulassen.“542 Geert Lovink ist sich auch nicht sicher, ob das
Netz der geeignete Ort ist für tiefgreifende, öffentliche Diskussionen ohne die lenkende
Hand von ModeratorInnen ist, so daß es sich erst noch zeigen wird, ob die Digitale Stadt
Amsterdam ein Medium wie jedes andere ist, „mit Redakteuren, die die Diskussionen
organisieren und für die Veröffentlichung bearbeiten (und damit auch zensieren), oder ob
sie eine digitale Version des Speaker’s Corner im Hyde Park ist.“543
Zwar sind auch in Deutschland viele Städte im WWW präsent, aber mit der Idee von
Bürgernetzen oder der Verwirklichung von Partizipationsbestrebungen auf lokaler Ebene
hat das in der Regel wenig zu tun. „Was heute von Städten und Gemeinden auf dem
Internet angeboten wird, ist zumeist immer noch nicht mehr als eine höchst phantasielose
und interaktionsarme Präsentation eingescannter Informationen offizieller Broschüren.“544
Die Interaktivität beschränkt sich dabei häufig auf das Vorhandensein einer E-MailAdresse.
Die Idee von Bürgernetzen und virtuellen Städten ist es dagegen, einen virtuellen Raum
zu schaffen, in denen sich das Leben der Stadt widerspiegelt. Es soll Informations- und
Kommunikationsmöglichkeiten für die BürgerInnen bieten und damit die Gemeinschaft
541Vgl. Lovink, Geert, 1997, S. 193ff.
542Ebd. S. 294
543Ebd. S. 298
544Brönnimann, Christoph, 1996, http://www.datacomm.ch/~cbro/text1.html
158
http://www.mediaculture-online.de
stärken, zu einer Demokratisierung beitragen, indem es kommunale Politik transparent
macht und BürgerInnen die Beteiligung an politischen Diskursen ermöglicht. „Mehr
Transparenz bedeutet in erster Linie mehr und bessere Information. Die
Partizipationsforschung bezeichnet die ‚Informiertheit’ als wesentliche Voraussetzung für
die Bereitschaft der Bürger, sich auf lokaler Ebene zu beteiligen.“545 Bürgernetze könnten
als eine moderne Form der Bürgerarbeit bezeichnet werden.546
Rudolf Maresch vermutet allerdings, das die Motivation beim Einrichten von Bürgernetzen
nicht in der Verbesserung von Partizipationsmöglichkeiten liegt. Vielmehr glaubt er, daß
Firmen auf diese Weise virtuelle Märkte und Kunden erschließen wollen. Eine andere
Motivation sieht er in der dadurch möglichen Verschlankung der Verwaltung.547 Die
angesprochene Ähnlichkeit der meisten Stadtpräsentationen im Internet mit
Hochglanzbroschüren scheint ihm recht zu geben.
Nach Fritz von Korff erfordern Bürgernetze bestimmte Strukturmerkmale für eine positive
Wirkung auf die Kommunikationsstrukturen einer Stadt oder Gemeinde.548 Zum einen
sollten im Bürgernetz möglichst alle kommunalen Akteure vertreten sein, wobei sie sich
jedoch im Gegensatz zur Realität auf einer gleichberechtigten Ebene darstellen und
ausdrücken können müssen. Denn der Austausch sollte in einem virtuellen Raum
stattfinden, der für alle sichtbar und zugänglich ist. „Existieren abgeschottete Foren, so
besteht die Gefahr des Ausweichens auf ‚Informationsinseln’, was die Chance auf
konstruktive Diskurse mindern würde.“549 Des weiteren verweist er auf die Bedeutung der
„unvermittelten Anwesenheit der Bürger“550, die dadurch ihre eigenen Interessen und
Anliegen ohne Selektion von Organisationen oder Medien öffentlich machen können. So
können eventuell Themen diskutiert werden, die ansonsten eher unter den Tisch fallen
würden. „Die Veröffentlichung und Diskussion eines unter normalen Umständen eher
nicht berücksichtigten Themas erhöht die Wahrscheinlichkeit seiner Wahrnehmung im
545Floeting, Holger/Grabow, Busso, 1998, S. 269
546Vgl. Kapitel 2.1.5
547Vgl. Maresch, Rudolf, 1999, S. 148
548Vgl. v. Korff, Fritz, 1999, S. 195f.
549Ebd. S. 195
550Ebd. S. 196
159
http://www.mediaculture-online.de
politischen Entscheidungsprozeß.“551 Aber genau hier liegt ein Problem, das auch durch
die neuen Medien nur schwer gelöst werden kann. Zu beachten ist die zum Teil fehlende
oder beschränkte Ausdrucks- und Artikulationsfähigkeit von bestimmten
Interessengruppen, was zu Verzerrungen in vermeintlich gleichberechtigten öffentlichen
Diskursen und Partizipationsprozessen führt. Franz Herrmann weist darauf hin, daß die
Fähigkeit zur Beteiligung unter Umständen erst entwickelt werden muß. Gerade der
Artikulationsfähigkeit kommt hierbei eine zentrale Rolle zu. „Der von Oskar Negt und
Alexander Kluge (1992) geprägte Begriff des ,Ausdruckvermögens’ verweist auf
geschlechts-, schicht-, alters-, und nationalitätenspezifische Unterschiede in
Teilhabemöglich-keiten an Partizipationsverfahren, auf unterschiedliche lebensweltliche
Artikulationsformen und Wissensbestände, die unter dem Ziel gelingender Partizipation
berücksichtigt werden müssen.“552 Aber auch die Ungleichheiten bei Zugang und Nutzung
der Informations- und Kommunikationsmedien haben eine eigene Selektionsfunktion
bezüglich dessen, wer sich hier auf welche Weise artikulieren kann. Es mag durchaus
möglich sein, daß sich im Internet Menschen und Gruppierungen zu Wort melden, die
normalerweise wenig Gehör finden, aber wie wir in Kapitel 5.4 zeigen konnten, können
auch im Netz bestehende gesellschaftliche Ungleichheiten zum Beispiel bezüglich
Geschlecht oder ökonomischem Status nicht ausgeglichen werden. Trotzdem stimmen wir
Fritz von Korff natürlich zu, daß der Anspruch nach Gleichheit der Menschen bei Fragen
der Partizipation nicht aus den Augen verloren werden darf.
6.2.2 Das „Publikon“ in Münster: www.muenster.de
Als Beispiel für ein Bürgernetz in Deutschland haben wir das „Publikon“ in Münster
ausgewählt, weil es, im Vergleich zu vielen anderen Städten die im Internet vertreten sind,
positiv auffällt. Zumindest geht es über eine bloße Präsentation der Stadt hinaus, indem
es interaktive Momente integriert und schon vom Ansatz her versucht, das Netz zur
Förderung der Partizipation der BürgerInnen zu nutzen.553 Wir möchten hier die
Entstehung des Bürgernetzes und seine Inhalte darstellen und anschließend diskutieren,
welche Aspekte der Partizipation damit verwirklicht werden können.
551Ebd.
552Herrmann, Franz, 1995, S. 144 und S. 180
553Die Informationen über das Publikon in Münster stammen aus folgenden Quellen: dem Publikon selbst,
http://www.muenster.de; den Seiten des Bürgernetzvereins büne e.V., http://www.buene.org; Böhm,
Helga/Hertewich, Vera, 1997, http://alf.zfn.uni-bremen.de/~hboehm/index.html
160
http://www.mediaculture-online.de
Bereits 1995 entstand eine Initiative zum Aufbau eines Bürgernetzes. Ein Hauptakteur war
der ebenfalls 1995 gegründete Verein Bürgernetz (büne e.V.), der im studentischen
Umfeld entstanden war. Des weiteren gab es einen von der SPD und der Grünen
Alternativen Liste initiierten Ratsbeschluß für eine „digitale offene Stadt Münster (D.O.M.)
“. Kooperationspartner waren zum Beispiel die Stadtwerke und die Universität Münster.
Das heißt das Bürgernetz Münster entstand auf der Basis einer breiten Zusammenarbeit,
sowohl von engagierten BürgerInnen als auch von Institutionen der Stadt. Neben Zielen
wie die Stärkung der Wirtschaft stand von Anfang an auch die Idee der Demokratisierung
und Förderung von Medienkompetenz, sowohl von BürgerInnen als auch von
Institutionen, im Vordergrund. Es sollte eine gleichberechtigte Kommunikation der
BürgerInnen untereinander und zwischen BürgerInnen, Politik und Verwaltung der Stadt
ermöglichen.
Das Publikon ging 1996 ans Netz und bietet vielfältige Informationen. Es ist in drei
größere Bereiche aufgegliedert: das Bürgernetz, Firmen im Netz und die Digitale Offene
Stadt Münster (D.O.M.). Letzteres sind die offiziellen Seiten der Stadtverwaltung, in denen
die Stadt sich und ihre Angebote präsentiert. Dort sind zum Beispiel Erklärungen zur
politischen Struktur der Stadt zu finden oder es können Ratsbeschlüsse des Stadtrats
eingesehen werden. Münster ist auch um eine bürgernahe Verwaltung bemüht, indem es
Informationen zu verschiedenen Ämtern bietet und erforderliche Formulare im Netz zum
Downloaden bereitstellt.
Das Bürgernetz ist vor allem eine Plattform für verschiedene Gruppen und Initiativen, die
dort sehr zahlreich mit eigenen Homepages vertreten sind. Es sind Beratungsstellen,
Bürgerinitiativen, Parteien, Vereine, usw., so daß vom ‚Vogelspinnen- und
Insektenstammtisch Münster’ über den Verein ‚Mehr Demokratie e.V.’ bis zum ‚Deutschen
Gewerkschaftsbund (DGB)’ alle möglichen Gruppierungen präsent sind. Der Verein
‚Frauen und neue Medien e.V.’ hat das Projekt ‚Münsters Frauen online’ initiiert, ein
Bereich im Bürgernetz, der verschiedene Informationen und Anlaufstellen für Frauen und
Mädchen bereitstellt.
So scheint das Publikon tatsächlich das soziale, politische und kulturelle Leben der Stadt
widerzuspiegeln. Um den Zugang aller BürgerInnen zum Stadtnetz zu ermöglichen
wurden ein paar öffentlich zugängliche Terminals aufgestellt.
161
http://www.mediaculture-online.de
Kommunikationsmöglichkeiten im Bereich der Politik werden über ein offenes Forum in
der Form eines elektronischen Schwarzen Brettes geboten. Hier ist allerdings, wenigstens
zur Zeit (Dezember 1999), nicht besonders viele los. So gab es zum Beispiel im
November 1999 gerade mal 7 Einträge.
Zwischen 1996 und 1997 gab es zwei Bürgerbegehren in Münster.554 Der
Bürgernetzverein stellte dazu Hintergrundinformationen und Stellungnahmen zusammen
und bot ein Diskussionsforum zum jeweiligen Thema an. Es gab auch die Möglichkeit
einer elektronischen Stimmabgabe, bei der – zumindest probeweise – im Internet zum
Bürgerbegehren abgestimmt werden konnte. Das war kein rechtlich gültiges
Abstimmungsverfahren, sondern eher die Herstellung eines Meinungsbildes ohne
Auswirkungen auf das Ergebnis des Bürgerbegehrens. Trotzdem war es ein interessanter
Versuch, auch diese Form elektronischer Demokratie einzubinden. Schließlich ist es
technisch durchaus vorstellbar, daß es irgendwann möglich ist, ein rechtlich bindendes,
sicheres Wahlverfahren im Netz durchzuführen.
6.2.3 Versuch einer Einordnung
Wie ist dieses Beispiel eines Bürgernetzes nun im Bezug auf die Möglichkeiten einer
erweiterten oder verbesserten Partizipation zu sehen? Die Entstehung des Bürgernetzes
selbst könnte schon als Beispiel für ein indirektes, kooperatives Partizipationsverfahren555
stehen, da es aus der Zusammenarbeit von Stadtverwaltung und organisierten
BürgerInnen entstanden ist. Und der Aufbau eines virtuellen Raumes, in dem sich auch
die offiziellen Organe einer Stadt repräsentieren, könnte durchaus von politischer
Bedeutung sein. Insgesamt handelt es sich aber beim Aufbau eines Bürgernetzes nicht
um die Erweiterung bestehender, verfaßter Partizipationsmöglichkeiten. Die Frage kann
sich daher nur darauf beziehen, inwieweit vorhandene Teilhabemöglichkeiten in dieser
Form besser wahrgenommen werden können.
Was die Diskursebene betrifft ist zu fragen, welche Auswirkungen das Bürgernetz auf die
Kommunikationsstrukturen in Münster hat, soweit dies bei alleiniger Betrachtung des
virtuellen Raums möglich ist, ohne mehr über Münster selbst zu wissen. Wenn wir die
554Helga Böhm und Vera Hertewich interviewten zu diesem Thema Mitglieder des Verein büne e.V. Vgl.
Böhm, Helga/Hertewich, Vera, 1997, http://alf.zfn.uni-bremen.de/~hboehm/index.html.
555Vgl. Kapitel 2.1
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Kriterien von Fritz von Korff heranziehen, stellen wir fest, daß, auch wenn wir nicht
beurteilen können ob alle kommunalen Akteure vertreten sind, zumindest sehr viele
Gruppierungen mit eigenen Homepages im Netz präsent sind. Dabei sind auch Gruppen
vertreten, die mit Sicherheit nicht zu den dominantesten Akteuren Münsters gehören wie
eine Hörgeschädigtengruppe oder auch Frauen- und Mädchengruppen, und alle können
sich in einem gleichen Rahmen präsentieren. Allerdings kann damit noch nicht von einer
Kommunikation zwischen den verschiedenen Gruppen ausgegangen werden. Als
Gruppierung im Netz präsent zu sein hat ja einerseits die Funktion, interessierte und
betroffene Personen auf sich aufmerksam zu machen und nützliche Informationen
weiterzugeben. Andererseits geht es auch darum, in der Öffentlichkeit mit den jeweiligen
Anliegen Aufmerksamkeit zu bekommen, zumindest wenn es sich um Gruppierungen mit
gesellschaftlich-politischem Anspruch handelt. Das Publikon in Münster hat außerdem
den Anspruch, die Kommunikation zwischen den BürgerInnen und damit auch zwischen
organisierten BürgerInnen zu stärken. Ob auch diese Dimension im Bürgernetz stattfindet
läßt sich von außen kaum beurteilen, allerdings entsteht der Eindruck, daß das
Bereitstellen von Informationen eher gewährleistet ist als der Austausch zu bestimmten
Fragestellungen. Welche Vernetzungen und Kooperationen tatsächlich stattfinden läßt
sich beim Betrachten des Bürgernetzes nicht sagen, aber im Netz selbst sind zumindest
keine Hinweise auf einen regen Austausch im virtuellen Raum zu finden.
Die unvermittelte Anwesenheit der BürgerInnen ist in offenen Diskussionsforen möglich,
wobei diese nicht sehr zahlreich sind, so daß die interaktiven Momente deutlich hinter den
Informationsangeboten zurückbleiben. Außerdem werden vorhandene Möglichkeiten, wie
beispielsweise das offene politische Diskussionsforum, zumindest zum gegenwärtigen
Zeitpunkt nur wenig genutzt. Über die Gründe läßt sich in diesem Fall nur spekulieren;
einerseits könnte es daran liegen, daß das Forum von der Thematik zu offen ist. Die
Offenheit ermöglicht zwar, daß über jedes Thema gesprochen werden kann, das die
Menschen interessiert, aber es ist vielleicht trotzdem nicht sehr motivierend sich ohne
thematischen Bezug ‚einfach so’ zu äußern. Schließlich gibt es im Usenet massenweise
Newsgroups zu allen möglichen, auch politischen Themen, die durchaus Zulauf haben, so
daß nicht davon ausgegangen werden kann, daß die Menschen prinzipiell kein Interesse
haben, sich im Netz auszutauschen. Beispiele von amerikanischen community-networks
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wie sie Christoph Brönnimann beschreibt,556 weisen jeweils mehrere Diskussionsforen zu
verschiedenen Themenbereichen auf, in denen konstant oder über einen bestimmten
Zeitraum zu einem Thema diskutiert werden kann. Möglicherweise könnte ein solches
Vorgehen BürgerInnen und Gruppieren verstärkt zu Äußerungen motivieren, da unter
Umständen davon ausgegangen werden kann, daß solche thematischen Foren eher von
denen beachtet werden, die (politische) Entscheidungen im entsprechenden Bereich zu
treffen haben.
Franz Herrmann weist in diesem Zusammenhang auf verschiedene Faktoren hin, die die
Bereitschaft oder vielmehr die Nicht-Bereitschaft zu Beteiligung und Engagement von
BürgerInnen betreffen. Sie setzen vorhandenes Ausdrucksvermögen aus
unterschiedlichen Gründen nicht ein: „Aktive Verweigerung aufgrund von Frustration,
Pessimismus etc; Nichtteilnahme aufgrund von fehlenden Informationen, von Kritik am
Verfahren als ‚Alibiveranstaltung’, subjektiv ungünstiger Aufwand – Nutzen –
Abwägungen, fehlender Relevanz des Themas im eigenen Lebenskontext, oder auch
deshalb, weil die aktuelle Lebenssituation keine oder wenig Spielräume für Engagement
läßt.“557 Gerade was solche Diskussionsforen angeht, muß danach gefragt werden,
inwieweit es sich hier um ‚Alibiveranstaltungen’ handelt, d.h. finden Äußerungen hier
wirklich Beachtung bei denen, die die Entscheidungsmacht haben? Bereitschaft zu
Beteiligung und Engagement hängt ganz wesentlich damit zusammen, ob BürgerInnen
das Gefühl haben, tatsächlich etwas bewegen zu können oder nicht. „Die Analyse der
Experimente zeigt, daß das Interesse an Beteiligung zunimmt, wenn sie auf eine
verbindliche Konklusion zulaufen, wenn es mit anderen Worten tatsächlich ‚um etwas
geht’.“558
Was die Entscheidungsebene betrifft, ist ein Bürgernetz wie oben beschrieben auf den
rechtlich-institutionellen Rahmen einer Stadt oder Gemeinde beschränkt. Das
Ausschöpfen bestehender, rechtlich verankerter Partizipationsmöglichkeiten, zum Beispiel
in Form von Bürgerbegehren, kann jedoch durchaus neue Impulse bekommen. Franz
Herrmann weist auf die Schwierigkeiten hin, die sich vielfach mit der Wahrnehmung
556Vgl. Brönnimann, Christoph, 1996, http://www.datacomm.ch/~cbro/text1.html
557Hermann, Franz, 1995, S. 180
558Leggewie, Claus, 1998, S. 45
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vorhandener Einflußmöglichkeiten verbinden: „Einige Partizipationsrechte (zum Beispiel
Bürgerbegehren oder – entscheid) ziehen komplexe, langwierige Verfahren nach sich und
werden deshalb auch kaum genutzt bzw. setzen aufwendige Aktivitäten der BürgerInnen
voraus.“559 Unter Umständen kann das Internet hier dazu beitragen, diesen Prozeß zu
vereinfachen. Auch wenn bisher die Verfahren zur elektronischen Stimmabgabe noch
nicht ausgereift sind, so könnten sie doch in naher Zukunft eingesetzt werden. Dies ist
besonders ein Anliegen der VerfechterInnen direkter Demokratie, die jedoch nicht bei
allen EntscheidungsträgerInnen beliebt ist. Abfällig wird in diesem Zusammenhang häufig
von ‚Knopfdruckdemokratie’ gesprochen. Claus Leggewie betont jedoch, daß es konkret
eher darum geht, „eine Dosis direkter Bürgerentscheidung in das System der
repräsentativen Demokratie einzufügen – und genau dazu bietet das Internet, zunächst
auf lokaler Ebene und bei genau definierten und eingeschränkten
Entscheidungsalternativen, ein probates technisches Mittel.“560
Trotz aller aufgeführten Einschränkungen ist mit dem Publikon ein öffentlicher Raum
entstanden, der andere Strukturen aufweisen kann als die herkömmliche Öffentlichkeit,
beziehungsweise herkömmliche Öffentlichkeiten in Münster. Die zahlreiche Präsenz
verschiedenster lokaler AkteurInnen zeigt, daß das Konzept der OrganisatorInnen auf
großes Interesse bei der Bevölkerung in Münster stieß. So kann es durchaus als eine
Bereicherung der kommunalen Demokratie gesehen werden, daß die Organisation und
Artikulation von BürgerInnenanliegen erleichtert wird. Alexander Roesler betont ebenfalls
den Vorteil des Internets im Vergleich zu anderen Medien, indem es die Einmischung der
einzelnen Menschen in öffentliche Diskussionen einfacher und bequemer macht.
Allerdings zeigt er auf, daß das entscheidende Moment im Interesse der BürgerInnen
selbst liegt. „Nur wenn Menschen ein Interesse haben, sich in Diskussionen einzumischen
und für die Belange einer Gemeinschaft aktiv zu werden, entsteht Öffentlichkeit, die für
eine lebendige Demokratie nötig ist. Das wesentliche ist das Interesse – daran wird auch
das Internet nichts ändern. Bequemlichkeit war noch nie der Grund für Engagement.“561
559Herrmann, Franz, 1995, S. 151
560Leggewie, Claus, 1997, S. 46
561Roesler, Alexander, 1997, S. 192.
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Insgesamt gesehen wurde mit dem Publikon in Münster eine ausbaufähige Basis
geschaffen, die, entsprechendes Engagement von Seiten der BürgerInnen und der Stadt
vorausgesetzt, weitere Elemente zu einer gelungenen Partizipation integrieren kann.
6.3 Verbesserte Partizipationsmöglichkeiten für Initiativen und
Interessengruppen?
Hier wollen wir die Nutzung des Internets durch gesellschaftliche Gruppen und
AkteurInnen betrachten, die sich außerhalb eines parteipolitischen Rahmens bewegen.
Damit ist erst einmal eine sehr heterogene Ansammlung von Initiativen,
Protestbewegungen, Nichtregierungsorganisationen usw. gemeint. Jens Schröder
definiert solche Gruppierungen folgendermaßen: „Man könnte sie als kollektive
Handlungssysteme zur gesellschaftlichen Interessenartikulation bezeichnen. Sie
entstehen entlang langfristiger sozialer Konfliktlinien oder in Reaktion auf punktuell
wahrgenommene Mißstände.“562 Auch wenn damit Gruppierungen gemeint sind, die sich
in ihren Organisationsformen und Zielsetzungen stark voneinander unterscheiden, ist
ihnen doch gemeinsam, daß sie versuchen, ihre Interessen über die öffentlich-politische
Kommunikation durchzusetzen und damit stark auf Medien angewiesen sind, die ihre
Anliegen vermitteln. Sie versuchen, Aufmerksamkeit auf ihre Interessen oder Anliegen zu
lenken (Agenda-Setting), so daß die Gesellschaft bestimmte Mißstände wahrnimmt.
Politische EntscheidungsträgerInnen sollen aktiviert werden diese Problemlagen zu
berücksichtigen. Jens Schröder stellt das in besonderem Maße für Protestbewegungen
dar: „Sie kommunizieren, um soziale Konflikte im Lichte bestimmter Deutungsmuster zu
interpretieren. Sie wollen ihre Anliegen zum festen Bestandteil des gesellschaftlichen
Problemhaushaltes machen, so daß die Regierenden einer ernsthaften Beschäftigung mit
ihnen nur noch unter Legitimitätsverslust aus dem Weg gehen können.“563
Wenn wir dem Kommunikationsmodell von Helmut Scherer folgen, können wir feststellen,
daß solche Gruppierungen sich in der Regel, wenn auch mit unterschiedlicher
Schwerpunktsetzung, aller drei Funktionen der Medien bedienen. Die Informationsfunktion
kann zum Sammeln von relevanten Informationen genutzt werden und die
Artikulationsfunktion zum Verbreiten eigener Informationen beziehungsweise zur
562Schröder, Jens, 1999, http://www.politik-digital.de/e-demokratie/forschung/internet.shtml
563Ebd.
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Vermittlung eigener Interessen. Besondere Bedeutung hat in diesem Zusammenhang vor
allem die Organisationsfunktion der Medien, denn politischer Druck entsteht in der Regel
erst, wenn sich genügend Menschen mit ähnlichen Interessenlagen zusammenfinden und
wenn verschiedene Aktivitäten gebündelt werden können.564
Mit Bezug auf das Internet ist hier zu fragen, welche Verbesserungen dieser
Kommunikationsfunktionen das Netz für Initiativen und Interessengruppen bieten kann.
Helmut Scherer weist darauf hin, daß etablierte politische AkteurInnen im Vergleich zu
gesellschaftlichen Minderheiten oder auch einfachen BürgerInnen im Vorteil sind bei der
Koordination von Interessen und der Bündelung von Aktionen, da dazu finanzielle und
organisatorische Ressourcen nötig sind. „Die klassischen Massenmedien können zwar
durchaus die Aufgabe übernehmen, gesellschaftlichen Protest zu organisieren, in der
Regel sind sie aber eher auf die Eliten bezogen.“565 Das Internet benötigt dagegen
vergleichsweise wenige finanzielle Ressourcen, vereinfacht die Vernetzung von
Menschen und die Organisation von Aktivitäten. Alexander Roesler betont im
Zusammenhang mit der Herstellung von Gegenöffentlichkeit566 ebenfalls das Potential des
Internets als kostengünstiges und effektives Mittel für ansonsten weniger dominante
gesellschaftliche AkteurInnen. „Die Herstellung von Gegenprodukten ist aber gerade im
Internet ziemlich einfach; man kann ja nicht nur einen Kommentar direkt abgeben,
sondern selbst seine Interessen emanzipatorisch entfalten, durch Gestaltung einer
eigenen Homepage etwa, durch Mobilisierung via E-Mail, durch eine neue Newsgroup,
oder durch eine Unterschriftensammlung im Netz, wie zum Beispiel gegen die
Atombombenversuch der Franzosen damals.“567
Verschiedene Interessengruppen unterscheiden sich vor allem durch ihre
Organisationsformen, weshalb sie auch sehr unterschiedliche
Kommunikationsbedürfnisse ausbilden. So nutzen eher locker organisierte
Protestbewegungen das Internet natürlich anders als Mitgliederorganisationen wie
564Mit dem Internet sind allerdings auch neue Protestformen wie beispielsweise virtueller ziviler
Ungehorsam entstanden, die nicht auf eine massenhafte Mobilisierung von Menschen angewiesen sind.
565Scherer, Helmut, 1998, S. 183
566Vgl. Kapitel 5.1
567Roesler, Alexander, 1997, S. 148
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beispielsweise große, etablierte Interessenverbände.568 Festzustellen ist auf jeden Fall,
daß es nur sehr wenige Initiativen gibt, die keine Organisationsstrukturen außerhalb des
Internets haben. Wenn überhaupt, dann beschäftigen sie sich mit Themen, die das Netz
selbst betreffen, wie zum Beispiel Initiativen gegen staatliche Zensurmaßnahmen oder
gegen eine repressive Kryptographieregelung.569 Claus Leggewie stellt dabei fest, daß der
Mobilisierungsanreiz solcher Kampagnen mit dem Interesse an diesem Medium selbst
zusammenhängt. „Es zieht Personen an, die vor allem ein ‚technisches’ oder auch
ästhetisches Interesse am Internet zeigen. Nicht zufällig ist die bisher größte
Mobilisierung in westlichen Demokratien um solche Themen herum entstanden, die mit
der Gestalt und Entwicklung der neuen Medien selbst zu tun haben (wie etwa
Kryptographie und Datenschutz); (...)“.570
Die meisten Initiativen und Interessengruppen begründen sich jedoch nicht im virtuellen
sondern im realen Raum und basieren somit auf mehr oder weniger ausgeprägte
realweltliche Organisationsstrukturen. Gerade Initiativen und Bewegungen mit eher
schwach ausgebildeten Organisationsstrukturen können das Internet zur
Binnenkommunikation und zur überregionalen Vernetzung nutzen. „Besondere Vorteile
der kollektiven Organisation ergeben sich vor allem für Gruppen mit geographisch weit
verstreuten Mitgliedern, die ausschliesslich dank Computernetzen in der Lage sind, sich
wechselseitig kennenzulernen und ihre Meinungen und Aktivitäten zu koordinieren.“571
Hans Geser differenziert die Nützlichkeit des Mediums für verschiedene Gruppierungen
mit der These noch weiter aus, daß im Gegensatz zur massenmedialen Vermittlung
Führungsinstanzen für Initiativen an Bedeutung verlieren. „Generell unterstützt das
Internet sehr gut das ausgeprägt sachbezogene Politisieren, wie es für die progressiven
‚Neuen Sozialbewegungen’ (Frauen- Alternativ- Oekologie- und Friedensbewegung u.a.)
kennzeichnend ist. Sehr viel weniger eignet es sich für personenbezogene
Bewegungsgruppen (zum Beispiel – LEGA NORD), weil die charismatische
Integrationswirkung einer Führerperson nicht zur Geltung gebracht werden kann.“572
568Vgl. Schröder, Jens, 1999, http://www.politik-digital.de/e-demokratie/forschung/internet.shtml
569Vgl. Leggewie, Claus, 1998, S. 34f.
570Ebd. S. 35
571Geser, Hans, 1998, http://socio.ch/intcom/t_hgeser06.htm
572Ebd.
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Insgesamt gesehen läßt sich allerdings sagen, daß es bisher kaum möglich ist als
Initiative oder Bewegung auf herkömmliche Massenmedien zu verzichten wenn es darum
geht, öffentlichen Druck auf Politik und Gesellschaft auszuüben. Denn so leicht das
Organisieren von elektronischem Protest auch ist, so leicht läßt sich eine solcher Protest
auch ignorieren573 oder abwehren. „Rasch lassen sich Nutzer für Kampagnen
mobilisieren, die Konzerne, Regierungen oder Organisationen mit politischen
Protestaktionen oder -noten elektronisch unter Druck setzen. Die Möglichkeiten dazu sind
vielfältig, die Abwehrmaßnahmen allerdings auch und leicht.“574 Erst wenn eine breitere
Öffentlichkeit erreicht werden kann, kann wirklich politischer Druck entstehen. Da das
Internet als neues Medium allerdings selbst noch von Interesse für Massenmedien ist und
immer wieder für eine Meldung gut ist, werden aufsehenerregende Netzaktionen auf
diesem Wege weiter verbreitet. Zumal das Internet von JournalistInnen zunehmend für
ihre Recherchen genutzt wird. Aber auch Aktionen, die weniger die Mobilisierung der
Öffentlichkeit im Blick haben, werden immer über den virtuellen Raum hinaus verwiesen,
da politische Entscheidungen nach wie vor im realen Raum getroffen werden. Nach
Christoph Bieber und Eike Hebecker bestehen allerdings „noch immer zu wenige
Schnittstellen, die einen Transfer von Online-Aktivitäten in ‚materielle’ Politikprozesse
erlauben – im Zweifelsfall zieht die Politik den Netzstecker und ignoriert die Stimmen aus
der Tiefe des Datenraumes.“575
6.3.1 Die StudentInnenproteste im WS 97/98
Im Folgenden werden wir die Studierendenproteste im Herbst 1997 näher betrachten,
welche als Beispiel für eine Bewegung mit lockeren Organisationsstrukturen gelten kann,
die die neue Informations- und Kommunikationstechnologie effizient nutzte. Die Proteste
entstanden aus Unmut gegen das Bildungssystem, zu knappe finanzielle Mittel für die
Hochschulen, die Einführung von Studiengebühren und gegen eine geplante Änderung
des Hochschulrahmengesetzes. Wir wollen auf die Inhalte des Protests jedoch nicht
573Zumindest wenn sich der Protest in Massen-E-Mails ausdrückt. Schwieriger dürfte es sein,
beispielsweise Sabotageakte auf Webserver abzuwehren.
574Maresch, Rudolf, 1999, S. 148
575Bieber, Christoph/Hebecker, Eike, 1998a, http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalte/te/3165/1.html
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näher eingehen, sondern uns auf die Organisation und die Art des Widerstands
konzentrieren, der mit Hilfe des Internets stattfand.576
Die Proteste der StudentInnen im Wintersemester 97/98 fanden hauptsächlich im realen
Raum statt und äußerten sich in Aktionen wie Demonstrationen, Besetzungen von
Universitätsgebäuden, Kundgebungen, Streiks usw. Parallel dazu entstanden viele
Homepages auf Universitätsservern, die über das aktuelle Geschehen informierten,
Hintergrundinformationen boten, weitere Aktionen ankündigten, Pressemeldungen
sammelten oder auf Seiten anderer Hochschulen verwiesen. Durch die intensive Nutzung
der Hypertextstruktur zur Verlinkung der verschiedenen Seiten untereinander entstand ein
überregionales Netzwerk an Streik- und Protestseiten. Es wurden sogar eigene DomainNamen für überregionale Seiten beantragt wie www.studentenproteste.org oder
www.streik.de. Betreut wurden diese Seiten meist von einzelnen AktivistInnen oder
kleineren Gruppen sachkundiger StudentInnen. Sie integrierten teilweise auch
multimediale Elemente, indem beispielsweise Dauervorlesungen in Wiesbaden und
Tübingen durch das Internet übertragen wurden. Zur Kommunikation untereinander
wurden Mailing-Listen eingerichtet und ein eigener Chat-Kanal im Internet-Relay-Chat.
Neben der Informations- und Kommunikationsfunktion wurde das Internet auch als
Medium für netzspezifische Protestformen genutzt. So wurden zum Beispiel die E-MailAdressen zuständiger Bundes- und Landespolitiker veröffentlicht, gemeinsam mit
vorgefertigten Beschwerdebriefen.
Die Vorteile der Nutzung des Internets lagen dabei einerseits in der Schnelligkeit des
Mediums beim Übertragen der Informationen und zwar ohne die Mobilisierung großer
finanzieller Ressourcen. So war es möglich, eine größere Menge an Leuten zu erreichen
ohne auf Massenmedien angewiesen zu sein. Andererseits konnte auf die interaktiven
Möglichkeiten des Mediums zurückgegriffen werden. Von Vorteil war dabei auch der
überdurchschnittlich hohe Vernetzungsgrad der StudentInnen. Die Beliebtheit der
Streikseiten im Internet zeigte sich in den hohen Zugriffszahlen während der Hochphase
des Protests. In einem E-Mail-Interview mit Christoph Bieber erzählt der Betreuer der
Asta-Homepage der Uni-Giessen: „Das war unglaublich und im vorhinein unvorstellbar.
576Eine gute Beschreibung der Internet-Aktivitäten der StudentInnen findet sich im Online-Dossier von
Christoph Bieber (http://www.uni-Giessen.de/fb03/vinci/labore/streik_f.thm) mit von ihm verfaßten
Artikeln, E-Mail-Interviews mit in diesem Bereich aktiven Studenten usw.
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Über das Hochschulrechenzentrum kann ich eine Seiten Statistik abrufen. Diese ergab
zum Beispiel allein für einen Tag über 4000 Aufrufe. Am Mittwoch vor der Bonner Demo
saß ich abends am Rechner und es kam durchschnittlich alle 2 Minuten eine e-mail mit
einer neuen streikenden Uni an.“577 Die hohen Zugriffszahlen animierten auch etablierte
Netzakteure wie Suchmaschinen dazu, eigene Kategorien für Streikinformationen
einzurichten, wie zum Beispiel www.yahoo.de/schlagzeilen/streik.html.
6.3.2 Versuch einer Einordnung
Die Doktoranten Christoph Bieber und Eike Hebecker weisen dem Medium Internet in der
Dramaturgie der Studierendenproteste große Bedeutung bei und sprechen von einer
Aktualisierung betagter Protestformen der 68er-Generation.578 Das Internet konnte
nämlich einerseits nach innen gerichtete Funktionen als Identifikations- und
Koordinationsinstrument übernehmen und andererseits nach außen gerichtete Funktionen
durch netzbasierte Aktionsformen erfüllen. Die Vereinfachung der Organisation zeigte
sich zum Beispiel darin, daß Mailinglisten als virtuelle Streikzentralen fungieren konnten.
„An verschiedenen Hochschulen wurden so unabhängig voneinander kommunikative
Knotenpunkte errichtet, die jedoch keine programmatische oder personelle Führung
innerhalb der Protestbewegung repräsentierten.“579 Weiter betonen sie die Rolle des
Internets als Beitrag zur Herstellung eines Bewußtseins als kollektiver Akteur, indem die
verlinkten Streikseiten die Reichweite des Protests sichtbar machten und Symbole wie die
„Lucky-Streik“-Grafik oder der grüne „Bildungsknoten“ Solidarität vermittelten. „Während in
den Bonner Straßen T-Shirts mit dem leicht modifizierten Logo einer Zigarettenmarke das
Bild dominierten, hefteten sich die Netz-Protestler das Signet ans digitale Revers – die
eigene Homepage.“580 Hier wird zum einen die nach innen gerichtete Funktion deutlich,
indem das Internet zur Selbstvergewisserung581 der StudentInnen beitrug und zum
anderen ist damit auch schon die nach außen gerichtete Funktion als Instrument zum
577Heinrich, Manuel, 1997, http://www.uni-Giessen.de/fb03/vinci/labore/netz/heinrich.htm
578Vgl. Bieber, Christoph/Hebecker, Eike, 1998b,
http://www.uni-Giessen.de/fb03/vinci/labore/netz/blaetter.htm
579Ebd.
580Ebd.
581Die Kommunikation im Internet erschafft hier (virtuelle) ,Artikulationsräume‘ wie sie von der
Partizipationsforschung als wichtig für partizipative Prozesse erkannt wurden. Hier ist eine
„Selbstvergewisserung im Hinblick auf Ziele, Forderungen, Strategien und Kompromisse möglich„.
Herrmann, Franz, 1995, S. 181, vgl. auch ebd. S. 144
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Erlangen von Aufmerksamkeit mit angesprochen. Denn über die große Präsenz im
virtuellen Raum können nicht nur Menschen erreicht und unter Umständen mobilisiert
werden, es kann auch die Aufmerksamkeit von professionellen MedienmacherInnen
erregen, die den Protest in die Massenmedien tragen, wodurch das Internet zum „Relais
zwischen verschiedenen Öffentlichkeiten“582 wird. Christoph Bieber und Eike Hebecker
vergleichen sogar die Ausbreitung im virtuellen Raum von der Wirksamkeit her mit der
Sichtbarkeit im realen Raum: „Die Besetzung des öffentlichen Raumes der Datennetze
(www.streik.de, www.studentenproteste.org) zieht ähnlichen Aufmerksamkeitsgewinn
nach sich wie die klassische Protestform der Demonstration auf Bonner Boden.“583 Ob
allerdings ein ähnlicher Gewinn an Aufmerksamkeit möglich ist wenn das Internet zur
Normalität wird, muß sich erst noch zeigen. Der Nachrichtenwert netzspezifischer
Ereignisse könnte dann durchaus abnehmen, obwohl das Netz weiterhin ein Sprungbrett
in breitere Öffentlichkeiten sein kann oder vielleicht selbst schon zum Massenmedium
geworden ist.
Knut Hickethier nahm mit einem offenen Brief Stellung zu dem Artikel von Christoph
Bieber und Eike Hebecker und widerspricht ihrer Einschätzung über die Relevanz des
Protests im Datenraum. „Daß studentische Netzbenutzer aus den Streiksites
Informationen, kommunikative Verdichtung und Selbstbestätigung erfahren haben, ist
unbestritten, doch deutlich ist auch, daß es sich hier weitgehend um eine IngroupÖffentlichkeit handelt. Die Presseauswertung der studentischen Streiks in Hamburg hat
gezeigt, daß theatrale Aktionen von Studenten auf Straßen, in Universitätsforen, und in
der Bürgerschaft ungleich viel mehr Aufmerksamkeit breiter Bevölkerungsschichten auf
sich gezogen haben als alle studentischen Netzdarstellungen. (...)
40 000 Studenten in Bonn machen aus dem Protest ein Politikum, 40 000 studentische
Protest-Mails können umstandslos gelöscht werden, ohne daß einer etwas merkt.“584 In
einem Antwortbrief von Bieber und Hebecker stimmen die Autoren Knut Hickethier zu,
daß massenmediale Berichte natürlich breitenwirksamer sind als die stark eingeschränkte
Netzöffentlichkeit. Allerdings betonen sie die Möglichkeit des Internets, der
582Vgl. Bieber, Christoph/Hebecker, Eike, 1998b,
http://www.uni-Giessen.de/fb03/vinci/labore/netz/blaetter.htm
583Ebd.
584Hickethier, Knut, 1998, http://www.uni-Giessen.de/fb03/vinci/labore/netz/knut.htm
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Selektionsfunktion anderer Medien zu entgehen. „Die Studierenden kontrollierten die
medialen Produktionsmittel für eine digitale Öffentlichkeit und ermöglichten so den
Zugang zu ungefilterten Informationen und Berichten über Protestaktionen. So konnte
einerseits die studentische Ingroup bedient werden, andererseits wurde das vernetzte
Protest-Publikum – darunter eine beträchtliche Zahl dankbarer Journalisten – mit
aktuellem Input versorgt.“585 Zumal auch Aktionen im realen Raum wie beispielsweise
große Demonstrationen nur für eine begrenzte Zahl von Menschen direkt sichtbar sind.
Eine wirkliche Aufmerksamkeit erfahren sie erst durch die massenmediale Vermittlung.
Fast könnte gesagt werden, daß solche Ereignisse ohne die Verbreitung durch Medien für
die Öffentlichkeit so gut wie nicht stattgefunden haben.
Was die Protestformen selbst betrifft, sprechen Bieber und Hebecker von einem
produktiven Nebeneinander alter und neuer Protestformen, der ihrer Meinung nach auf
eine „Evolution des Protests“586 hindeutet. Dabei verweisen sie darauf, daß die damals
neuen Protestformen der 68er ebenfalls auf technische Innovationen wie zum Beispiel
Megaphonen beruhten.587 Sie sprechen nicht von einer Verdrängung alter Formen des
Protests, sondern von einer Aktualisierung derselben. „Es sind gerade die
Streikzeitungen, Flugblätter, Protestsongs und Transparente, die nun ihre digitale
Neuauflage erleben – mit zuweilen größerer Effizienz und oft wesentlich höherer
Reichweite bei geringerem Aufwand.“588 Der Vorteil der digitalen Versionen von
Transparenten, Flugblättern usw. liegt vor allem darin, daß sie noch über längere Zeit hin
sichtbar sind. Auch wenn die Streiks schnell beendet waren, der Universitätsbetrieb
wieder aufgenommen wurde und die Anliegen der Studierenden aus den Nachrichten
verschwanden, sind die Streikseiten im Internet nach wie vor vorhanden und bilden somit
gleichsam ein Archiv der Ereignisse im Herbst 1997. „So wirkt die Blockade universitärer
Einrichtungen oder die massive körperliche Präsenz im öffentlichen Raum bereits
eindrucksvoll, aber begrenzt – durch Abbildung und Archivierung im Datenraum wird ihrer
585Bieber, Christoph/Hebecker, Eike, 1998c, http://www.uni-Giessen.de/fb03/vinci/labore/netz/replik.htm
586Vgl. Bieber, Christoph/Hebecker, Eike, 1998b,
http://www.uni-Giessen.de/fb03/vinci/labore/netz/blaetter.htm
587Vgl. Bieber, Christoph/Hebecker, Eike, 1998c,
http://www.uni-Giessen.de/fb03/vinci/labore/netz/replik.htm
588Bieber, Christoph/Hebecker, Eike, 1998b, http://www.uni-Giessen.de/fb03/vinci/labore/netz/blaetter.htm
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Sichtbarkeit unabhängig von Zeit und Ort des Geschehens gewahrt.“589 Dies ist besonders
wichtig bei so losen Verbindungen wie sie die StudentInnen darstellen. Im Gegensatz zu
festen Mitglieder-Organisationen muß hier von einer starken Fluktuation ausgegangen
werden, so daß eine Dokumentation im Datenraum einer der wenigen
Anknüpfungspunkte für mögliche weitere Aktionen dieser Art darstellen kann. Auch die
entstandenen überregionalen Kommunikationsstrukturen wie Mailinglisten bleiben nach
wie vor bestehen oder können bei Bedarf rasch wiederbelebt werden.
Wenn wir den Protest der Studierenden aus dem Blickwinkel der Partizipation betrachten,
muß natürlich gesagt werden, daß die Wirksamkeit solcher Proteste prinzipiell – egal ob
sie im realen oder im virtuellen Raum stattfinden – immer nur sehr begrenzt sein kann. Es
geht hier um das Sichtbarmachen von Problemlagen einer Interessengruppe, was Druck
auf Entscheidungsträger-Innen ausüben kann, vor allem wenn auch andere
Bevölkerungsgruppen diese Anliegen unterstützen, wovon im Falle der
StudentInnenproteste kaum auszugehen ist. Auch 40 000 demonstrierende StudentInnen
können relativ leicht ignoriert oder wirkungsvoller noch mit Solidaritätsbekundungen von
PolitikerInnen ihrer Schlagkraft beraubt werden. Schließlich handelt es sich hier um die
Partizipation an einem diskursiven Prozeß und nicht um die verbürgte Teilhabemöglichkeit
an politischen Entscheidungen. Wie gezeigt wurde, können die neuen
Medientechnologien durchaus hilfreich sein bei der Organisation und Artikulation
kollektiver Interessen. Hinsichtlich des Partizipationsgrades bleibt jedoch festzuhalten,
daß auch netzvermittelte Protestformen im Bereich unverbindlicher Partizipation
angesiedelt sind.
6.3.3. Die „tausend Mark Mailingliste“
Eine interessante Entwicklung, die sich aus den Erfahrungen der netzkoordinierten
StudentInnenproteste ergab, war die landesweite Einführung von Mailinglisten zur lokalen
und überregionalen Organisation und zum Erfahrungsaustausch. Thematisch befassen
sich diese Mailinglisten mit Fragen rund um die Rückmeldegebühren für sogenannte
LangzeitstudentInnen. Es wurden zum einen mehrere Mailinglisten mit lokalem Bezug,
sowie eine Mailingliste für BeraterInnen und KoordinatorInnen gegründet.590 Als
589Ebd.
590Folgende Mailinglisten zur Rückmeldegebühr existieren derzeit in Baden-Württemberg: – Freiburg:
[email protected], Heidelberg: [email protected], Stuttgart:
174
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begleitende ‚Maßnahme’ werden außerdem wichtige Hintergrundinformationen auf
Webseiten591 veröffentlicht. Diese Mailinglisten erfüllen bis heute einen wichtigen Zweck.
Sie ermöglichen die effektive Organisation und Information von betroffenen StudentInnen.
In den entsprechenden Mailinglisten werden unter anderem Termine von
Informationsveranstaltungen und anderen Aktionen bekanntgegeben. Hier finden fast alle
besorgten FragerInnen Antworten auf ihre Probleme, weil sich fast immer Betroffene zu
Wort melden, die schon die gleiche Situation vor sich hatten und aufgrund ihrer
Erfahrungen weiterhelfen können. In der Tübinger Liste finden sich beispielsweise Tips
zur Härtefallregelung oder zum Einreichen einer Klage am Verwaltungsgericht, aber auch
Neuigkeiten aus der Politik und anderen Hochschulstädten werden in die Liste
eingespeist. Die Tübinger Mailingliste wird zudem von Mitgliedern der Fachschaftsräte VV
mit fundierten Kenntnissen der Thematik betreut. Ein wichtiges und zentrales Thema der
Mailinglisten ist der Versuch der StudentInnen, gegen die Rückmeldegebühren rechtlich
vorzugehen. Über die Mailingliste werden vorgefertigte Klagen der GEW verbreitet und
vor allem auf Bedenken und Sorgen von Betroffenen mittels genauen Informationen zu
Vorgehensweise, Konsequenzen und auch möglichen entstehenden Kosten eingegangen.
Dies ist eine sehr effektive Art und Weise für die Betroffenen, Informationen über
rechtliche Möglichkeiten mit minimalem Aufwand und sehr bequem in Erfahrung zu
bringen. Auf Grundlage dieser fundierten Informationen können sich dann die Einzelnen
entscheiden, ob diese Vorgehensweise für sie in Betracht kommt. Eine Teilnehmerin an
der Tübinger Mailingliste bringt ihre Erfahrungen folgendermaßen auf den Punkt: „Mich
persönlich hat sie nicht nur aufgebaut, sondern war u. ist auch meine einzige Anlaufstelle
(man rennt nicht gleich zum Anwalt, wenn man keine zusaetzlichen Infos hat). Sie ist als
Erfahrungsbericht Quelle unersetzlich (...).“592
Kleine Erfolge konnten beispielsweise schon über die Organisation eines „GO-INs“
verbucht werden. Mittels der Mailingliste schlossen sich mehrere StudentInnen
zusammen, die sich ordnungsgemäß rückgemeldet hatten, jedoch die Zahlung der 1000.DM Studiengebühr verweigerten und deshalb von der Universität Tübingen immer noch
[email protected]. Tübingen: [email protected] , Karlsruhe:
[email protected], und die Mailingliste für KoordinantorInnen und Berater : [email protected]
591Beispielsweise in Tübingen: http://www-ti.informatik.uni-tuebingen.de/~schulzke/fsrvv/TK98/DM1k.html
http://www-ti.informatik.uni-tuebingen.de/~schulzke/fsrvv/TK98/Liste.html
592Auszug aus einer E-Mail die im Oktober 99 über die Tübinger Mailingliste verschickt wurde.
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keine Rückmeldeunterlagen bekommen hatten. Die betroffenen Studierenden hatten den
Semesterbeitrag von 85. DM fristgerecht bezahlt, gegen die geforderte
Langzeitstudiengebühr in Höhe von 1000. DM aber Widerspruch eingelegt und deswegen
nicht bezahlt. Den Studierenden war bekannt, daß die ordnungsgemäße Rückmeldung,
kombiniert mit einem noch schwebenden Widerspruchsverfahren und einem Antrag nach
§ 80 VwGO (Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung) beim
Verwaltungsgericht in Sigmaringen, zu einem gesetzlich verbürgten Anspruch auf die
dringend benötigten Rückmeldeunterlagen führt.593 Nachdem das neue Semester schon
vor der Tür stand gab es den Aufruf in bester „68er“ Tradition zum „GO-IN“ in der
Universitätsverwaltung. Tatsächlich konnten die Studierenden auf diese Weise ihrem
Interesse und rechtlich verbürgten Anspruch auf die Rückmeldeunterlagen Nachdruck
verleihen. Knapp eine halbe Stunde nach Abschluß der Aktion wurde von der
Universitätsverwaltung eingelenkt. Die so dringend benötigten Unterlagen konnten schon
am nächsten Tag im Studentensekretariat abgeholt werden.
6.3.4 Versuch einer Einordnung
Die Mailingliste ist ein hervorragendes Beispiel dafür, wie die Möglichkeiten des Mediums
Internet zur Organisation eines kollektiven Widerstands und zur Durchsetzung von
Interessen genutzt werden können. Über die Einrichtung von Mailinglisten wird eine relativ
abgeschlossene themenbezogene Teilöffentlichkeit konstituiert, die Raum für
Erfahrungsberichte, Informationen jeglicher Art und Diskussionen bietet. Die Mailinglisten
sind insofern auch ein Artikulationsraum, in dem Selbstvergewisserung und
Identitätsstärkung stattfinden kann. Für partizipative Prozesse sind solche
Artikulationsräume wichtig, dienen sie doch dazu, sich über Ziele, Forderungen und
Strategien selbst zu vergewissern, und geben Rückhalt.594
Indem fachkundige Fachschafträte-VV Mitglieder die Listen betreuen, die wiederum mit
der GEW in Kontakt stehen, ist es möglich, alle ListenteilnehmerInnen mit ,
Expertenwissen’ zu versorgen. Somit bieten diese Mailinglisten die Möglichkeit, sich über
institutionelle Formen der Partizipation zu informieren. In diesem konkreten Fall ist die
Klage gegen die 1000.- DM eine Möglichkeit eventuell eine Gesetzesänderung zu
593Fachschaftsräte-VV Tübingen, Presseninformation vom 31.3.99
594Vgl. Herrmann, Franz, 1995, S. 144 und S. 181f.
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erzwingen und somit eine für die Betroffenen wichtige Änderung des
Landeshochschulgebührengesetzes zu erreichen. Wie so oft sind auch hier die
Anstrengungen zur Erweiterung der Handlungsmöglichkeiten mit Gefahren verbunden. Es
droht zum einen die Exmatrikulation, aber nur wenn rechtlich bindende Fristen und andere
Formalien nicht eingehalten werden. Gegen diese Sanktionsmöglichkeiten der Universität
sind die ListenteilnehmerInnen aufgrund der Informationsfunktion der Mailingliste
gewappnet. Zum anderen wird durch die Betroffenen eine weitere Gefahr in den
anfallenden Kosten gesehen, sollte das Verfahren in der ersten Instanz verloren werden.
Auch hier konnte die Liste durch fundierte Informationen viele Bedenken zerstreuen, denn
die Kosten belaufen sich auf ungefähr 100.- DM. Durch die Mailingliste wurden vermutlich
viele StudentInnen ermutigt, selbst Klage am Verwaltungsgericht Sigmaringen
einzureichen. Ganz allgemein erfahren die ListenteilnehmerInnen Solidarität und Rückhalt
von StudentInnen in ähnlicher Situation. Wie das Beispiel des „GO-INs“ zeigt, werden
neben den rechtlichen Partizipationsmöglichkeiten aber auch klassische
nichtinstitutionalisierte Partizipationsformen von Bewegungen (beispielsweise
Demonstrationen, kleinere Störaktionen usw...) über die Mailinglisten organisiert. Der
Austausch in den Mailinglisten führt dabei im Idealfall zum Ausdruck des Protests in der
realen Welt und wird mit anderen nach wie vor wichtigen Formen der auf Massenmedien
bezogenen Öffentlichkeitsarbeit wie zum Beispiel Pressemitteilungen unterstützt.
7. Ausblick und Schluß
An den Ausführungen in den vorangegangenen Kapiteln dürfte deutlich geworden sein,
daß die Entwicklung zur Informationsgesellschaft und die zu erwartenden Veränderungen
hinsichtlich der Verbesserung von Partizipationsmöglichkeiten keinesfalls den
hochfliegenden Erwartungen eines neuen „athenischen Zeitalters“ entsprechen werden.
Die Entwicklungen sind widersprüchlicher Natur. Natürlich bewegen wir uns mit
Prognosen, die die zukünftige Entwicklung von Technologien und deren Auswirkungen,
Nutzen und Gefahren für die Gesellschaft betreffen, erfahrungsgemäß auf ‚dünnem Eis’.
Die Mediengeschichte hat mehrfach gezeigt, daß Entwicklungslinien die sich durchsetzen
kaum vorherzusehen waren. Insofern sind Einschätzungen künftiger Entwicklungen immer
mit Vorsicht zu genießen.
177
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Beim Blick auf die Geschichte des Internets wurde deutlich, daß die großen Hoffnungen
auf mehr Partizipationsmöglichkeiten in erster Linie mit der Kultur der Menschen
zusammenhängen, die das Netz in der Anfangszeit nutzten und ausgestalteten. Sie
prägten auch einen Teil der Diskurse, die in der Form von Mythen und Metaphern die
Vorstellungen von den Möglichkeiten der neuen Informations- und
Kommunikationstechnologien beeinflußen. Die technischen Möglichkeiten des Mediums
Internet können jedoch nicht getrennt von der sozio-kulturellen Einbettung des Mediums in
konkrete Gesellschaften betrachtet werden. Denn die Erscheinungsform einer
Technologie spiegelt immer auch die Gesellschaft wider, in der sie zur Anwendung
kommt. Für unsere Gesellschaft heißt das, daß neue Medientechnologien wie das Internet
besonders auch zu kommerziellen Zwecken eingesetzt werden, so daß für andere
Nutzungsformen die Gefahr besteht, ins Abseits gedrängt zu werden. Es ist
beispielsweise nicht auszuschließen, daß aufgrund von wirtschaftlichen Interessen der
Umbau des Internets in ein weiteres „Push-Medium“ erfolgen wird und es damit den
anderen Massenmedien angeglichen wird. Eine weitere Anwendungsmöglichkeit der
neuen Technologien, die unserer Meinung nach der Verbesserung oder gar Entwicklung
neuer Partizipationsmöglichkeiten zuwiderläuft, liegt in den gänzlich neuen Kontroll- und
Überwachungsmöglichkeiten der Behörden. Auch wenn die Inhalte des Netzes selbst
schwer zu kontrollieren sind, so können die neuen Technologien selbst durchaus auch zu
Kontrollzwecken eingesetzt werden. Die Konvergenz der Medien (beispielsweise die
Verschmelzung von Computer- und Videotechnik), die Digitalisierung der Information und
Kommunikation und die allgemeine Vernetzung eröffnet gänzlich neue Dimensionen der
totalen Überwachung.
Wir wollten unseren Blick jedoch nicht nur auf die neuen Informations- und
Kommunikationstechniken richten, die als wichtigstes Werkzeug der
Informationsgesellschaft gelten, sondern auch auf die gesellschaftlichen Veränderungen,
die momentan stattfinden oder erwartet werden. Auch hier muß gefragt werden, wie sich
die Veränderungsprozesse auf die Partizipationsmöglichkeiten der Menschen auswirken.
Eine allumfassende Öffentlichkeit wird sich auch durch die neuen Medien nicht erreichen
lassen. Öffentlichkeit wird sich, wie wir zeigen konnten, wahrscheinlich weiter
ausdifferenzieren und damit fragmentieren. Damit könnten die Öffentlichkeiten die sich
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bilden ein besseres Abbild der in einer Gesellschaft versammelten Meinungen und
Interessen sein als das die herkömmlichen Medien momentan leisten können. Die
Entwicklung hin zu einer Fragmentierung sehen wir somit nicht als negativ an. Denn
kleine und kleinste Teilöffentlichkeiten bieten einen Kommunikations- oder
Artikulationsraum, in dem sich Menschen mit ähnlichen oder gleichen Lebenslagen ein
Forum schaffen können, um sich mit anderen auszutauschen und Gleichgesinnte zu
treffen. Dies kann im Idealfall zur Initiativenbildung führen, um die eigenen Interessen
durchzusetzen. Die idealen Eigenschaften, die Öffentlichkeit Habermas zufolge haben
muß, wird allerdings auch in diesen neuen (virtuellen) öffentlichen Räumen nicht
entsprochen, bedingt durch Ungleichheiten, die den neuen Medien und hier insbesondere
dem Internet eingeschriebenen sind. Deutlich dürfte auch geworden sein, daß je kleiner
die Teilöffentlichkeiten sind, die versuchen gesellschaftlichen Einfluß zu gewinnen, umso
wichtiger wird der Anschluß an andere Teilöffentlichkeiten oder an massenmedial
erzeugte Öffentlichkeit. Dies muß von in virtuellen Räumen agierenden Gruppen mit
politischer Zielsetzung beachtet werden, damit ihre Standpunkte und Meinungen
Aufmerksamkeit erhalten und sich Diskurse entwickeln können.
Die Informationsgesellschaft kann auch nicht getrennt vom Prozeß der Globalisierung
betrachtet werden. Bei dessen Betrachtung wurde deutlich, daß selbst wenn die Chancen
steigen, Einfluß auf nationale politische Prozesse zu nehmen, die Durchsetzungskraft der
nationalen politischen Institutionen selbst sinkt. Deswegen messen wir der globalen
Kooperation von Menschen einen immer größeren Stellenwert zur Durchsetzung von
Interessen bei. Gerade durch die neuen Medien bieten sich hier gute Möglichkeiten für
den globalen Austausch, die globale Vernetzung und Organisation. Deutlich ist sicherlich
auch geworden, daß eine ausschließlich an den wirtschaftlichen Erfordernissen orientierte
neoliberale Politik, die eng mit der Globalisierung zusammenhängt, hinsichtlich der neuen
Informations- und Kommunikationsmedien systematisch die spezifischen Vorteile, die
dem Individuum in einer vernetzten Gesellschaft im Hinblick auf Partizipation, Demokratie
und Öffentlichkeit theoretisch möglich wären, ignoriert.
Die Widersprüchlichkeit der Entwicklungen zeigt sich ebenfalls beim Blick auf die
Veränderungen der Arbeit. So kann beispielsweise die zunehmende Flexibilisierung der
Arbeitsstrukturen eine größere Freiheit der Arbeitenden bedeuten. Gleichzeitig heißt das
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aber auch, daß sich ArbeitnehmerInnen und Selbständige flexibel an die Erfordernisse
und Zwänge des Marktes anpassen müssen. Auch hier müssen politische Konzepte
gefunden werden, die den Wandel bewußt gestalten, so daß die positiven Möglichkeiten
gesellschaftlicher Entwicklungen fruchtbar gemacht werden für die Verfügung oder
Mitbestimmung der Menschen über ihre Arbeitsstrukturen. Wichtig ist vor allem die soziale
Segmentierung der Gesellschaft zu verhindern, indem eine Ökonomie verwirklicht wird,
die das soziale Ganze einer Gesellschaft nicht aus den Augen verliert.
Ungleichheitsverhältnisse werden vermutlich auch das Bild der Informationsgesellschaft
bestimmen, selbst wenn sie unter Umständen eine Modifizierung erfahren. Ungleichheiten
werden gerade durch Liberalisierungstendenzen sowohl global als auch national verstärkt.
Der von Computernetzen geschaffene virtuelle Raum gewinnt auf dem Weg zur
Informationsgesellschaft als Handlungsraum zunehmend an Bedeutung, so daß das
Ausgeschlossensein bestimmter Gruppierungen von diesem Raum, die
Handlungsmöglichkeiten dieser Menschen zunehmend einschränkt. Bestehende
Ungleichheiten dehnen sich zudem auf den virtuellen Raum selbst aus, was besonders
bei der Schaffung von Partizipationsmöglichkeiten mit Hilfe des Internets berücksichtigt
werden muß.
Am Beispiel von Frauen konnten wir zeigen, daß die Entwicklungen für Individuen und
gesellschaftliche Gruppen ambivalente und widersprüchliche Auswirkungen haben.
Neben der Befürchtung, daß neue Ausgrenzungsprozesse stattfinden, bleibt auch die
Hoffnung, daß der gesellschaftliche Umbruch für positive Veränderungen genutzt werden
kann. Dies setzt allerdings voraus, daß Frauen auf verschiedenen Ebenen der
Entscheidungsprozesse beteiligt sind, die mit der Umgestaltung der Gesellschaft
zusammenhängen. Ungleichverhältnisse müssen thematisiert werden und in diesem Fall
Aspekte des Geschlechterverhältnisses in die Diskussion um die neuen Medien und die
Informationsgesellschaft mit einbezogen werden.
Trotz einiger bedenklicher Entwicklungen im gesellschaftlichen Bereich und auf dem
Gebiet der Kommunikations- und Computertechnik ergeben sich für die BürgerInnen
durchaus auch Einsatzmöglichkeiten der Kommunikations- und Informationstechnologien,
von denen sie im Hinblick auf politische und gesellschaftliche Partizipation heute schon
profitieren können. Wir können uns hier allerdings nur Rainer Rillings Meinung
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anschließen, der die momentanen Stärken des Netzes nicht auf der Entscheidungsebene
angesiedelt sieht. Er glaubt jedoch, daß unsere Gesellschaft aus der Verbesserung und
Effektivierung von Kommunikation nutzen ziehen könnte, denn „wenn die Stichworte nicht
das Netz sondern die Netze, oder die Gruppen und nicht Entscheidung sondern
Gouvernance, Deliberation, Diskussion oder auch Diskurs sind, dann zeigen sich die
Stärken des Mediums Netz. Das Netz ist kein Ort allgemeiner demokratischer politischer
Entscheidungen, aber ein Ort der vielfältigen Kommunikation, ohne die Entscheidungen
undemokratisch und ineffektiv sind.“595 Vor allem in der möglichen verbesserten
Interaktion sehen wir die Stärken der neuen Medien. Sie eröffnen damit auch
Möglichkeiten mit deren Hilfe bisherige Formen zivilgesellschaftlicher Politik, die auf
Öffentlichkeit angewiesen sind, erweitert und verbessert werden könnten.596 Neben den
globalen Vernetzungsmöglichkeiten scheinen vor allem im kommunalen Raum große
Nutzungspotentiale vorhanden zu sein. Hier gibt es zum einen entsprechende gesetzliche
Rahmenbedingungen für direkte Partizipationsmöglichkeiten und zum anderen ist die
Engagementbereitschaft der BürgerInnen bei kommunalen Belangen größer. Zudem
erscheint uns der kommunale Raum überschaubarer zu sein, womit die Einbindung
möglichst aller Gruppierungen, in die über das Internet vermittelten politischen
Prozesse,597 eher realisierbar erscheint als auf nationaler Ebene. Das Internet könnte so
als Raum der zweckgerichteten, „entscheidungsvorbereitenden interaktiven
Kommunikation zur Interessenrepräsentation“598 genutzt werden.
Aber auch die Möglichkeit, auf einfache Art und Weise an ungefilterte
Originalinformationen zu gelangen ist im Hinblick auf die Partizipation eine wichtige
Eigenschaft des Mediums Internet. Damit wird ExpertInnenwissen tendenziell pluralisiert
und kritisierbar gemacht. Information ist eine wichtige Voraussetzung für die
Teilhabemöglichkeit der Menschen an politischen Prozessen und damit für Partizipation.
Ein wichtiger Punkt der Diskussion um die Partizipation ganz allgemein ist sicherlich auch
in dieser Arbeit deutlich geworden. Partizipation zuzulassen oder zu fördern bedeutet für
595Rilling, Rainer, Köln 1998a, S.374
596Vgl. Kleger, Heinz, S. 108
597Wie solche Prozesse aussehen könnten hat Benjamin Barber sehr detailliert beschrieben. Vgl. Barber,
Benjamin, 1994
598Rilling, Rainer, Köln 1998a, S. 374
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die EntscheidungsträgerInnen und die Verwaltungen ihre Entscheidungs-, Verfügungsund Defintionsmacht zu teilen und ist daher auch auf die Kooperation dieser Stellen
angewiesen. Für eine effektive Erweiterung der Partizipation muß der rechtliche Rahmen
verändert werden, denn momentane legale Partizipationsformen, vermittelt durch die
neuen Medien, erschließen zunächst keine grundsätzlich neuen Möglichkeiten.
Als Fazit bleibt nur noch zu sagen, daß trotz aller gegenläufiger Entwicklungen, das
Internet momentan besser als jedes andere Medium geeignet ist, „lokale Öffentlichkeiten
zu verdichten und grenzüberschreitende Arenen der Meinungsbildung herzustellen, und
so kann es schließlich dazu dienen, den politischen Prozeß insgesamt wieder mit
größerer Legitimität auszustatten. Bürger gelten im Netz weitgehend als Störenfriede. Das
sollten sie sich nicht zweimal sagen lassen.“599
599Leggewie, Claus, 1998, S. 48f.
182
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Literaturangaben und die Internetadresse angegeben. Falls der betreffende Text nicht in gedruckter Form
vorliegt, oder nur mit unverhältnismäßig großem Aufwand erhältlich ist, wurde nur der Autor und der Titel,
sowie die Internetadresse angegeben. Die Angabe von Seitenzahlen bei Zitaten bezieht sich stets auf die
gedruckte und öffentlich erhältliche Fassung. Bei Zitaten von Online Texten wurde auf die Angabe von
Seitenzahlen (die sich bei unausweichlichen Umformatierungen stets ändern würden) verzichtet.
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Diese Arbeit ist das Produkt unserer Zusammenarbeit. Deswegen ist es nicht möglich
exakt anzugeben, welche Teile einer bestimmten Person zuzuordnen sind. Alle Teile
enthalten Ideen, Anregungen und Teile von beiden beteiligten Personen.
Schwerpunktmäßig wurden die folgende Teile jedoch von den unten genannten Personen
bearbeitet:
Die Kapitel 2.1, Kapitel 3.1, Kapitel 4., Kapitel 5.1 und 5.2, Kapitel 6.1 und 6.3.3 wurden
überwiegend von Tobias Löhnert bearbeitet.
Die Kapitel 2.2, Kapitel 3.2, Kapitel 5.3, 5.4 und 5.5, Kapitel 6.2 / 6.3 wurden überwiegend
von Henriette Carle geschrieben.
Einleitung und Schluß und die anderen hier nicht genannten Teile wurden gemeinsam
erarbeitet.
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