Gertrud Pechmann / Matrikola: 153850 c/o Sgra Tiezzi Via Margutta, 1a 00187 Roma Tel. 06 3219330 [email protected] Pontificia Università Gregoriana Facoltà di Teologia Seminario: Einführung in die Ökumene Dozent: Dr. Niels Christian Hvidt 15.11.2002 P. Neuner, Ökumenische Theologie, 39-74 Den Punkt „Die Vollversammlungen und ihre Wirkungsgeschichte“ finde ich deshalb interessant, weil er die Entwicklung des Ökumenischen Rats der Kirchen (ÖRK) dokumentiert – und auch die vorsichtigen Schritte der Katholischen Kirche im ökumenischen Prozess. Amsterdam 1948, Lund 1952 und Evanston 1954 In Amsterdam gründet sich der ÖRK 1948 als „Gemeinschaft von Kirchen, die ... Jesus Christus als Gott und Heiland anerkennen“. In Lund tagt 1952 Faith and Order und vollzieht eine „kopernikanische Wende“: Die Kirchen wollen nun zusammen eine Ekklesiologie entwickeln. Ausgangspunkt soll der gemeinsame Glauben an Jesus Christus sein. Wichtig finde ich, dass die direkten Vorläufer des ÖRK, „Faith and Order“ und „Life and Work“, ihre Arbeit im ÖRK weiterführen. Denn für mich kann die Einheit der Kirchen nur gelingen, wenn beides zusammenkommt: Gemeinsame Praxis muss einhergehen mit dem Bemühen, auch auf kirchenrechtlicher und dogmatischer Ebene zusammen zu finden. Bemerkenswert finde ich, dass die Katholische Kirche zur Weltkonferenz von Faith and Order 1952 in Lund – also noch vor dem Vatikanum II – vier Beobachter entsendet. Zur Vollversammlung des ÖRK in Evanston schickt die Katholische Kirche erstmals Beobachter. Neu-Delhi 1961 Bei dieser Vollversammlung des ÖRK integriert sich der Internationale Missionsrat (IMR). Wichtig ist hier meines Erachtens, dass die Gemeinschaft der Kirchen im ÖRK schon ab der dritten Vollversammlung Belastungen aushält: Nämlich die Integration des evangelisch geprägten IMR. Vor allem für die orthodoxen Kirchen dürfte dies problematisch gewesen sein, da sie Übertritte orthodoxer Christen zu anderen Konfessionen befürchteten. Oder die Aufnahme von Kirchen aus der Dritten Welt, für die die gemeinsame Praxis infolge ihrer politischen und sozialen Probleme wichtiger ist als Fragen des Glaubens und der Kirchen-verfassung. Der ÖRK ergänzt seine christologische Formel trinitarisch: „... zur Ehre des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes.“ Das ökumenische Ziel wird genau definiert: Einheit aller Christen an jedem Ort. Die Erweiterung der christologischen Formel und die Formulierung des ökumenischen Ziels bewerte ich als positiv, da beides eine Präzisierung des „gemeinsamen Nenners“ der ÖRK-Mitglieder darstellen. Die Mitglieder rücken sozusagen näher zusammen. Die Erwartungen, dass die katholische Kirche dem ÖRK beitritt, erfüllen sich nicht. Allerdings sind die Katholiken nun durch Beobachter auf allen weiteren Konferenzen vertreten. Nach dem Vatikanum II (1962-65) arbeiten ÖRK und Katholische Kirche ab 1968 erstmals offiziell in einem gemeinsamen Ausschuss für Gesellschaft, Entwicklung und Frieden (SODEPAX) zusammen. Seit 1968 gehört die katholische Kirche „Faith and Order“ als Vollmitglied an. Für mich zeigen Rom und der ÖRK ein echtes Bemühen um eine Annäherung. Sehr positiv! Uppsala 1968... ...bezieht die 68er-Bewegung der Studenten mitein. Es entsteht eine Kontroverse zwischen „Horizontalisten“ (sehen Ökumene als Auftrag für eine gerechte Gesellschaft) und den „Vertikalisten“ 1 (sehen Ökumene als Auftrag zur Verwirklichung der Einheit der Kirchen). Es entsteht die Tendenz des „Sozialökumenismus“, der vor allem die benachteiligten Kirchen der Dritten Welt zu Wort kommen lässt. Wieder soll vor allem durch Solidarität und gemeinsame Praxis die Ökumene erreicht werden. Die Einbeziehung von Politik finde ich grundsätzlich gut – Kirche existiert ja immer innerhalb bestimmter politischer, wirtschaftlicher und sozialer Rahmenbedingungen. Nur darf dieses Thema nicht das eigentliche Anliegen, nämlich die Einheit, verdrängen. Hier sehe ich eine Gefahr, sich zu verzetteln – was bei den folgenden ÖRK-Konferenzen dann auch passiert. Zum Stichwort Sozialökumenismus: Ich glaube, dass nicht nur die gemeinsame Praxis zur Einheit führt. Und ständige Anklagen gegen die westliche Welt führen zu nichts – die Kirchen sind schließlich nicht für die politischen und wirtschaftlichen Systeme ihrer jeweiligen Länder verantwortlich. Auch im Phänomen des Sozialökumenismus sehe ich die Gefahr, sich aufzureiben und das tatsächliche Ziel der Ökumene darüber aus den Augen zu verlieren. Die weltweite Verpflichtung der Christen wird durch den Begriff „Katholizität“ ausgedrückt. Außerdem wird die trinitarische Formel von Neu-Delhi durch das ökumenische Ziel ergänzt: „Einheit aller Christen an allen Orten.“ In der Folgezeit gewinnt der Säkularökumenismus Übergewicht im ÖRK; es besteht die Gefahr der Spaltung. 6. Vancouver 1983 Für die etwa 4000 Teilnehmer ist es hier wichtiger, gemeinsame Spiritualität zu erleben denn um gemeinsame Erklärungen zu streiten. Leitbegriff wird „eucharistic vision“; Ziel der Bemühungen die Feier des gemeinsamen Abendmahles. Viele Teilnehmer sind keine Experten mehr, da nun vorher nicht repräsentierte Gruppen wie Frauen, Jugendliche und Behinderte eingeladen werden. Vor allem die Gleichberechtigung der Frauen soll nun innerhalb der Kirchen gefördert werden. Ich kann es nur noch einmal betonen: Meiner Meinung nach gehören immer beide Aspekte zusammen. Gemeinsam erlebte Spiritualität ist natürlich wichtig und kann die Einheit fördern. Genauso wichtig ist es aber auch, theologisch um die Einheit zu ringen. Ich halte es außerdem für falsch, zu einer ÖRK-Konferenz zu viele Nicht-Experten einzuladen. Es ist sowieso schon schwer genug, sich auf das Thema Einheit zu konzentrieren – zu viele Nicht-Theologen behindern hier den Dialog. Die Einbeziehung der Basis ist natürlich wichtig; sie sollte aber im Vorfeld stattfinden. Organisatorisch würde ich dieses Problem lösen, indem sich die jeweiligen ÖRKMitglieder vor einer ÖRK-Konferenz mit der Basis in ihrem jeweiligen Heimatland verständigen bzw. bestimmte ÖRK-Arbeitsgruppen zu bestimmten Themen Experten bereits vor der Konferenz hören. 7. Canberra 1991 Nach Canberra kommen noch mehr Besucher als nach Vancouver. Neuner merkt hier an: „Der Charakter eines Weltkirchentags mit einem Markt der Möglichkeiten überwog gegenüber der sachlichen Diskussion von Problemen und Texten.“ Die hier geschilderte Situation der Konferenz ist für mich äußerst bedenklich. Die Vollversammlungen ufern aus: Sowohl organisatorisch und finanziell als auch thematisch. Das ursprüngliche Anliegen der Ökumene kann so nicht erreicht werden. Das Leitthema war das erste Mal nicht christologisch formuliert. Das Referat der reformierten Chung Hyun-Kyung provozierte z.B. durch die Anrufung des Geistes der Hagar etc.. Der Vortrag von Prof. Hyun-Kyung finde ich daneben; er hat bestimmt nicht zur eigentlichen Absicht der Versammlung, Ökumene zu treiben, beigetragen, sondern die Konferenz in zwei Lager gespalten. Insbesondere wurde Wert auf das Thema Schöpfung und Umwelt gelegt. Auch die Problematik der australischen Aborigines wird behandelt. 2 Das die Ureinwohner Australiens bei einer Konferenz in Australien einbezogen werden, ist ein Zeichen der Integration. Doch wenn, wie Neuner schreibt, „die unmittelbare Betroffenheit in der persönlichen Anschauung dominierte“, ist das für mich bedenklich. Außerdem hat diese Thematik wahrscheinlich nicht zur Lösung des Einheits-Problems beigetragen und nichts mit Ökumene zu tun. Die orthodoxe Kirche war belastet, weil sie das Frauen-und Laien-Quorum nicht erreicht hatte. Speziell zur Frauenquote möchte ich anmerken: Generell finde ich sie insofern gut, wenn es Frauen dadurch überhaupt ermöglicht wird, in einer sonst von Männern dominierten, aber universal wichtigen Versammlung mitzuarbeiten. Schließlich tragen Frauen die Ökumene an der Basis mindestens genauso mit wie Männer, zum Beispiel in gemischt-konfessionellen Ehen. Natürlich darf die Frauenquote aber nur für Frauen gelten, die auch wirklich qualifiziert sind, an einer derartigen Veranstaltung teilzunehmen. Sonst werden sie ohnehin nicht ernstgenommen! Wenn nun weniger Frauen Theologie studieren und es demzufolge weniger theologische Expertinnen gibt, dann sollte man meiner Meinung nach dieses Verhältnis nicht künstlich anheben (es gibt ja auch keine Männerquote). Vielmehr sollte man die Berufsperspektiven für Frauen in der Kirche schaffen, um ein Theologiestudium auch für Frauen attraktiv zu machen. Sollten also nur wenige Frauen orthodoxe Theologie studieren, kann man den orthodoxen Kirchen keinen Vorwurf machen, wenn sie die Frauenquote nicht erfüllen konnte. Wenn die orthodoxen Kirchen allerdings einfach kein Interesse an der Mitarbeit von Frauen haben, sollte man dies im ÖRK durchaus ansprechen – weil Ökumene zur Hälfte auch von Frauen verwirklicht wird. Ausdrücklich angestrebt wurde vor allem die volle Abendmahlsgemeinschaft, was vor allem die orthodoxen Kirchen unter Druck setzte, die sich daraufhin von der Entwicklung des ÖRK distanzieren. Aus der Gemeinschaft der Kirchen des ÖRK darf kein Gruppenzwang werden. Und wenn die orthodoxen Kirchen – die eine starke Stimme innerhalb des ÖRK haben – diese Abendmahlsgemeinschaft noch nicht verwirklichen können, muss weiter nach einer gemeinsamen Lösung gesucht werden. Dagegen verwirklichten sich aber auch Anliegen der orthodoxen Kirchen, z.B. im Dokument „Die Einheit der Kirchen als Koinonia: Gabe und Berufung“. Das ökumenische Anliegen wird mit dem Begriff Koionia noch einmal gebündelt. Bei der Weltkonferenz von Faith and Order 1993 wird vorgeschlagen, der ÖRK und der Päpstliche Rat für die Förderung der christlichen Einheit sollten gemeinsam eine ökumenische Versammlung anlässlich des 50jährigen Bestehens des ÖRK einberufen. Ein schöner Vorschlag. Was ist aus ihm geworden? Wurde er verwirklicht oder nicht? 3