84 KAPITEL III DAS SCHEITERN DER ALTEN AUFFASSUNG VOM ANFANG UND DIE BEGRÜNDUNG DES KONKRET-ALLGEMEINEN BEGRIFFES DER MATERIE Die Fragestellung des Anfangs in der materialistischen Dialektik unterscheidet sich bedeutend von dieser Fragestellung in der früheren Philosophie, die diese als Wissenschaft über die Welt als Ganzes betrachtete. In seiner „Kritik…“ hat Kant richtig erkannt, dass zu jener Zeit der Philosophie die Erkenntnis und die Untersuchung des absoluten Anfangs, der unbedingten Natur der Seele usw. für das wichtigste Problem gehalten wurden. Das Bestreben, diese Aufgabe zu lösen, kennzeichnet die gesamte Geschichte der Philosophie. Alle diese philosophischen Systeme setzten die Rolle der konkreten Wissenschaften beträchtlich herunter und behielten sich die Bedeutung der „Wissenschaft der Wissenschaften“ vor. Das war eine Zeit grandioser philosophischer Systeme, die einander ununterbrochen abwechselten. Kant war der erste, der die Lösung dieser enorm umfangreichen Aufgabe bis zu der Zeit aufschob, in der die Möglichkeit des allgemeinen und erweiterten Wissens begründet würde. Die Möglichkeit sowie die Unmöglichkeit der Metaphysik hängen laut Kant von der Möglichkeit der Begründung der allgemeinen und der synthetischen Grundlagen der Philosophie ab. Die Philosophie von Kant hat die alte metaphysische Philosophie, ihre Lehre von der Welt als Ganzes und vom absoluten Anfang hart getroffen, obwohl Kant die Möglichkeiten einer solchen Wissenschaft im Prinzip noch nicht bestritt. Eine endgültige Niederlage erlitt die gesamte frühere Philosophie erst durch die materialistische Dialektik. Hier ist die materialistische Weltanschauung prinzipiell und vollständig begründet, der konkret-allgemeine Begriff der Materie ausgearbeitet. Gegenstand der Philosophie sind die allgemeinen Gesetze der Natur, der Gesellschaft und des menschlichen Denkens, in denen die gesamte Geschichte der Erkenntnis, der Kultur und der praktisch-reformierenden Tätigkeit des Menschen akkumuliert sind. In der dialektischen Auffassung werden die Verhältnisse vom Ganzen und vom Teil konkret und dialektisch untersucht. Das Ganze existiert nicht getrennt von seinen Teilen und die Teile selbst bilden in ihrem inneren Zusammenhang ein reales Ganzes. Jede Wissenschaft untersucht ein bestimmtes Gebiet, eine bestimmte Form der Bewegung der Materie, doch alle Wissenschaften in ihrer Einheit sind im Stande, eine ungeteilte Anschauung der Welt darzustellen, obwohl auch sie historisch ist und einem bestimmten Niveau der Kenntnisse entspricht. Deswegen kann es keine Wissenschaft über den absoluten Anfang, über die endgültige Anschauung der Welt als Ganzes geben. Selbst eine solche Aufgabenstellung ist historisch begrenzt, sie ist ein Produkt der metaphysischen Weltauffassung. In der materialistischen Dialektik ist im Prinzip die Frage des absoluten Anfangs der Welt im ontologischen Sinne aufgehoben, da die wissenschaftliche und die philosophische Unlösbarkeit des Problems des absoluten Anfangs in Bezug auf die endlose objektive Welt bewiesen sind. Die Entdeckung des Anfangs des Unendlichen würde eigentlich die Beendung des Unendlichen bedeuten. Selbst der Versuch, diese Frage zu stellen, führt zur Theologie. Eine der Offenbarungen der Eingeschränktheit des alten, metaphysischen Materialismus ist sein Bestreben, den absoluten materiellen Anfang der objektiven Welt zu entdecken. Ein grundsätzlicher Unterschied der materialistischen Dialektik besteht in der konsequent vorgenommenen materialistischen Weltanschauung, im grundsätzlichen 84 85 Aufwerfen und der Lösung der Frage der materiellen Einheit der Welt, in der Ausarbeitung der allgemeinen konkreten Auffassung der Materie und in dem ausführlichen Erarbeiten der Formen der Materie. In der objektiven Wirklichkeit existieren die Materie und ihre Formen in einem untrennbaren inneren Zusammenhang. Deswegen wird die Materie hier nicht als ausdruckslose abstrakte Grundlage, sondern als objektive Welt behandelt, die in ihrem Wesen betrachtet wird. W.I. Lenin schrieb: „Einerseits muss man die Erkenntnis der Materie bis zur Erkenntnis der Substanz vertiefen, um die Ursachen der Erscheinungen aufzudecken. Andererseits ist die wirkliche Erkenntnis der Ursache eine vertiefte Erkenntnis von der Außenseite der Erscheinung zur Substanz.“(1) In der dialektischen Auffassung werden die endlichen Formen nicht ins Absolute umgestaltet, es offenbart sich ihr Platz in der Einheit der Natur, der Gesellschaft und des menschlichen Denkens. Im Laufe der Entwicklung der Wissenschaft und des theoretischen Denkens erkennt der Mensch konkret die endlichen Formen, die konkreten Tatsachen der objektiven Realität, was unvermeidlich zur Erkenntnis des Unendlichen führt. Nur bei metaphysischem Herangehen an die Frage trennt sich das Endliche endgültig von dem Unendlichen, doch bei einer dialektischen, konkreten Untersuchung sind sie eine ungeteilte Einheit. So offenbart sich das Absolute in unerschöpflicher Vielfalt relativer, endlicher Erscheinungen. Die materielle Wirklichkeit wird nicht auf ihre endlichen Formen zurückgeführt, sie ist eine Einheit des Endlichen und des Unendlichen, des Relativen und des Absoluten. Der Positivismus, der Existentialismus sowie andere philosophische Strömungen sind bestrebt, die marxistische These über die Einheit der Welt umzustoßen. Avenarius hat zu seiner Zeit geschrieben, dass er weder das Physische noch das Psychische kenne, sondern nur das Dritte. Somit wird von ihm die abstrakt-allgemeine Vorstellung von der Existenz im Allgemeinen dem Begriff über die materielle Einheit der Welt, dem konkret-allgemeinen Begriff der Materie entgegengesetzt. Der Neopositivist Schlick nimmt die Einheit der Welt als Erkenntnistätigkeit wahr. Einer der Hauptvertreter des Existentialismus, Jaspers, behauptet, indem er die Einheit der Welt bestreitet, dass die Welt zumindest aus vier unabhängigen und primären Welten besteht. Jaspers macht einen Fehler, indem er die Philosophie des dialektischen Materialismus kritisiert, weil er den modernen Materialismus mit dem mechanischen Materialismus verwechselt. Obwohl die Leitsätze der modernen Naturwissenschaft den materiellen absoluten Anfang des ursprünglichen metaphysischen Materialismus wirklich umstoßen, bestätigen sie gleichzeitig die Wahrhaftigkeit des konkret-allgemeinen Begriffes der Materie des modernen Materialismus, der ein Ergebnis der Geschichte der Erkenntnis und der Kultur ist. Im Laufe ihrer Entwicklung bestätigt die moderne Wissenschaft die Lehre von der materiellen Einheit und der Unerschöpflichkeit der Welt. Außerdem beansprucht die dialektisch-materialistische Philosophie die Schöpfung eines universalen Weltbildes nicht, weder eines naturell-mechanischen noch eines physischen. Sie untersucht die allgemeinen Gesetze der Natur, der Gesellschaft und des menschlichen Denkens, ist die Logik und die Theorie der Erkenntnis. Im Laufe ihrer Entwicklung schaffen verschiedene Wissenschaften verschiedenartige Weltbilder – mechanische, elektromagnetische usw. Aber keines dieser Bilder ist das letzte und erschöpfende Bild der Welt als Ganzes. Sie sind alle historisch bedingt und ändern sich entsprechend der Entwicklung der Erkenntnis. Ausgehend von der Tatsache der Veränderlichkeit des Weltbildes und wegen des Unverständnisses der Dialektik bestreiten die Positivisten die Objektivität der Kategorien und der Begriffe 85 86 der Wissenschaft und bezweifeln selbst die Möglichkeit der wahrhaften Erkenntnis der Welt. Im Gegensatz zum Positivismus stellt die materialistische Dialektik die Frage dialektisch, konkret. Jedes naturwissenschaftliche Weltbild ist bestimmt eingeschränkt, aber es widerspiegelt einen Aspekt, eine Seite der unendlichen Materie, der Natur. In der Entwicklung der Wissenschaft wird die Widerspiegelung der objektiven Realität immer vollständiger. Wenn eine gesonderte Wissenschaft die erschöpfende Auffassung der Welt als Ganzes beansprucht, so versetzt sie sich in die Position der ursprünglichen Philosophie, der Ontologie. Der moderne Materialismus gibt eine konsequente Lösung der Frage der Unmöglichkeit einer Wissenschaft über den absoluten Anfang, über die absolute und ungeteilte Struktur der Welt. In diesem Zusammenhang ist es notwendig, den Gegenstand der Kosmologie klarzustellen, der von einigen ihrer Vertreter als Lehre vom Universum und der Welt als Ganzes behandelt wird. Solche Auffassung ruft eine Mehrzahl von Schwierigkeiten hervor. Sie ergibt, dass ein Zweig der Naturwissenschaften real die Möglichkeit in Anspruch nimmt, als allgemeine Wissenschaft aufzutreten. In Wirklichkeit hat es jede Wissenschaft, darunter auch die Kosmologie, mit einem endlichen, historisch bestimmten Weltbild zu tun. Sie untersucht lediglich einen begrenzten Teil des Universums, das uns umgibt, und ihre Theorien sollen sich nur auf diesen Teil beziehen. Das Universum, die Welt als Ganzes sind im philosophischen Sinne nicht Gegenstand der Kosmologie. Die Kosmologie ist eine Wissenschaft über die kosmische Materie, die ein innerlich verbundenes Ganzes bildet. Sie bildet ein bestimmtes objektives Gebiet, für das eigene spezifische Gesetze gelten. Das Bestreben, die kosmische Materie (die mit der philosophischen Auffassung der Welt, des Universums nicht übereinstimmt) zu verstehen, ist die wichtigste Aufgabe der Kosmologie. Die Kosmologie ist, wie alle Wissenschaften, historisch bedingt. Ihre Vorstellung von der Welt, der kosmischen Materie hat sich ständig geändert. Im Laufe der Entwicklung der Kosmologie, wie auch der anderen Wissenschaften, werden die dialektisch-materialistischen Leitsätze über die Einheit der Welt, die konkretallgemeine Auffassung der Materie und die Idee der Unerschöpflichkeit der Welt immer vollständiger bestätigt. Die erweiterte Auslegung des Gegenstands der Kosmologie ergibt auch Schwierigkeiten anderer Art. Viele produktive, wissenschaftlich begründete Schlussfolgerungen der modernen relativistischen Kosmologie, wie: die Erweiterung des Weltalls, die Endlichkeit der kosmischen Welt usw., stießen und stoßen auf ernsthafte Einwände einiger Philosophen und Gelehrten, weil in diesen Schlussfolgerungen die kosmische Auffassung der Welt mit der Vorstellung vom Universum, von der Welt als Ganzes identifiziert wird. Infolge solcher Verwechslung der Auffassungen sahen einige Vertreter der relativistischen Kosmologie in den Schlussfolgerungen ihrer Wissenschaft die Widerlegung des philosophischweltanschaulichen Prinzips über die Unendlichkeit der Welt als Ganzes. Besonders eifrig ist in dieser Hinsicht die neotomistische Philosophie, die bestrebt ist, die wissenschaftlich-philosophische Weltauffassung durch die theologische zu ersetzen. Die sorgfältige Analyse der Angaben der modernen Kosmologie bestätigt die Wahrhaftigkeit des philosophischen Leitsatzes über die Einheit der Welt, der Materie. 1965 hat das Akademiemitglied G.I. Naan auf einem Symposium in Moskau, das den Problemen der Kosmologie gewidmet war, betont, dass in der theoretischen Behauptung, die Kosmologie beweise, dass das Universum unendlich (endlich) sei, 86 87 unklar bleibt, was unter der Kosmologie, dem Universum und der Unendlichkeit verstanden wird. Dieser Umstand ruft viele Diskussionen hervor. Zurzeit haben sich drei Standpunkte bezüglich des Gegenstands der Kosmologie und ihrer Position im System anderer Wissenschaften herausgebildet. Nach dem ersten Standpunkt ist die Kosmologie eine naturwissenschaftliche Disziplin. Ihre Hauptprobleme, darunter auch das Problem der Endlichkeit sowie der Unendlichkeit des Universums, können mit Hilfe naturwissenschaftlicher Methoden, durch die Auswahl eines räumlich geschlossenen oder eines offenen Modells gelöst werden. Die Vertreter dieser Konzeption lehnen die Beteiligung der Philosophie an der Lösung dieses Problems ab. Der zweite Standpunkt kennzeichnet die Kosmologie als Wissenschaft, die am Berührungspunkt der Astronomie, der Physik, der Mathematik und der Philosophie entsteht. Die Methoden der Kosmologie sind die Methoden aller dieser Wissenschaften. Nach dem dritten Standpunkt ist die Kosmologie eine Wissenschaft über das Universum, doch wird angenommen, dass das Hauptproblem, die Endlichkeit und die Unendlichkeit des Universums mit naturwissenschaftlichen Methoden nicht lösbar ist. Es kann nur mit Hilfe der Philosophie gelöst werden. Den ersten Standpunkt vertreten die meisten Gelehrten, die sich mit konkreten Wissenschaften beschäftigen (Astronomen, Astrophysiker, Physiker und Mathematiker). Den zweiten Standpunkt haben G.I. Naan und teilweise A.L. Selmanow entwickelt. Den dritten Standpunkt behaupten die Philosophen S.T. Maljuchin, W.I. Swiderski, A.S. Karmin u.a. Zur effektiven Lösung des Meinungsstreits sollte man davon ausgehen, dass im modernen Materialismus im Gegenteil zur Naturphilosophie die Auffassung des absoluten Anfangs, die Möglichkeit der Philosophie, das Bild der Welt als Ganzes zu geben, bestritten wird. Sollten auch konkrete Weltbilder existieren, so werden sie von speziellen Wissenschaften geschaffen (unter anderem auch von der Kosmologie). In seiner Kritik des „Weltschematismus“ von Dühring hat Engels folgende Meinung geäußert: „Wenn der Schematismus nicht aus dem Kopf, sondern nur mit dem Kopf aus der realen Welt, und die Prinzipien des Daseins aus dem, was es gibt, abgeleitet werden, so brauchen wir dafür nicht die Philosophie, sondern positive Kenntnisse der Welt und dessen, was in ihr geschieht; was wir im Ergebnis einer solchen Arbeit bekommen, ist auch keine Philosophie, sondern eine positive Wissenschaft.“ (2) Und weiter: „Wenn die Philosophie als solche nicht mehr gebraucht wird, so wird auch kein System gebraucht, nicht einmal das Natursystem der Philosophie. Die Auffassung dessen, dass sich die Gesamtheit der Prozesse in der Natur in einem systematischen Zusammenhang befindet, bewegt die Wissenschaft, diesen systematischen Zusammenhang überall zu erkennen, sowohl in Einzelheiten als auch im Ganzen. Eine erschöpfende wissenschaftliche Darstellung dieses Zusammenhangs, die vollkommen ihrem Gegenstand entspricht, der Aufbau eines präzisen Denkabbildes des Weltsystems, in dem wir leben, bleibt sowohl für unsere Zeit als auch für alle Zeiten unmöglich.“(3) Die Kosmologie ist eine positive Naturwissenschaft. Sie untersucht die Welt nicht im traditionellen philosophischen Sinne, sondern als Gebiet der kosmischen Materie. Die Philosophie bezieht sich auf die Kosmologie genau so, wie auf die Physik, die Biologie, die Chemie, die politische Ökonomie. Der Unterschied der Kosmologie von den anderen konkreten Wissenschaften besteht im Spezifikum ihres Gegenstandsgebietes. Die Kosmologie untersucht ein bestimmtes Gebiet – den Endteil des Universums, der Welt. Im Laufe ihrer Entwicklung wird die Kosmologie erweitert, vertieft und sie nähert sich immer mehr der Widerspieglung der Welt, wird aber nie zu ihrer 87 88 endgültigen Kenntnis. Jede naturwissenschaftliche Darstellung der Welt ist relativ, aber in ihr kommt auch Absolutes zum Ausdruck, da das Absolute nicht außerhalb des Relativen existiert. Aus diesem Grunde ist die erweiterte Auffassung der Kosmologie als Wissenschaft von der Welt als Ganzes nicht gerechtfertigt. W.I. Swiderski und A.S. Karmin unterstreichen: „Solche rückhaltlose Extrapolation der Veränderlichkeit, die sich bis zur Behauptung der Möglichkeit der Entstehung sowie der Vernichtung der Materie im Allgemeinen ausdehnt, ist für die idealistische philosophische Interpretation der endlichen kosmologischen Modelle kennzeichnend. Im Ergebnis werden diese Modelle als „wissenschaftliche“ Begründung der Endlichkeit des Universums (und nicht nur der Metagalaxis) behandelt… Aus der Endlichkeit einzelner konkreter Formen und Zustände der Materie folgt keinesfalls die Endlichkeit der materiellen Welt, des Universums.“(4) Diese Behauptung enthält wirklich die richtige Idee, dass man die Leitsätze, die wissenschaftlichen Angaben der Kosmologie nicht ohne weiteres auf das Universum, auf die Welt als Ganzes extrapolieren darf. Hier machen wohl die Physiker einen Fehler, die die Begriffe der Entwicklung, der Erweiterung und der Endlichkeit des Universums auf die Welt als Ganzes übertragen. In der Grundlage einer solchen Gleichstellung der kosmischen Welt mit der philosophischen Welt als Ganzes ist der bekannte Standpunkt enthalten, wo Stoff und Feld mit der Materie identifiziert werden. Im Grunde genommen ist das ein Versuch, die Naturphilosophie, die die Errichtung eines ungeteilten Systems des Universums, der Welt als Ganzes in Anspruch nimmt, wieder zu beleben. Im Prinzip ist die Schöpfung einer einheitlichen Lehre über die kosmische Welt, die die objektive Realität offenbart, möglich. Doch ist keine Wissenschaft imstande, ein absolutes Bild der Welt als Ganzes (in der philosophischen Auffassung des Wortes) zu schaffen. Das alles verringert den Wert der Kosmologie, ihrer wissenschaftlichen Schlussfolgerungen sowie ihrer Thesen nicht. Die Aufgabe besteht in der Auslegung der Angaben der modernen Kosmologie vom Standpunkt der materialistischen Dialektik aus. Das Universum und die Welt als Ganzes sind auch nicht Gegenstand der Philosophie. Im modernen Materialismus wird die Welt als Ganzes überhaupt nicht untersucht. Solche Auffassung entsteht infolge der Verwechslung des Gegenstands der materialistischen Dialektik mit den Aufgaben der traditionellen Philosophie. In diesem Zusammenhang kann man auf die Leitsätze von W.I. Swiderski und A.S. Karmin nicht eingehen. Sie behaupten: „Wenn die Philosophie mit absolutem „im Allgemeinen“ oder sozusagen mit „absolut Absolutem“ zu tun hat, so befassen sich die konkreten Wissenschaften mit Absolutem unter bestimmten Bedingungen oder sozusagen mit „relativ Absolutem“(5). Oder: „Die Kosmologie unterscheidet sich von der Philosophie dadurch, dass sie nicht die Materie im allgemeinen untersucht, sondern bestimmte konkrete Zustände der Materie und ihre Schlussfolgerungen nicht auf das gesamte Universum, sondern nur auf die Metagalaxis bezieht.“(6) Im gegebenen Fall lassen die Autoren die Besonderheiten der materialistischen Dialektik fast außer Acht. Die alte Philosophie war wirklich eine Lehre über die Welt als Ganzes, sie war bestrebt, ein allgemeines Bild des Universums, der Welt zu schaffen. Das war die Hauptaufgabe der Philosophie von Platon, Aristoteles, Descartes, Leibniz, Hegel u. a. Das war gerechtfertigt, weil sich die Naturwissenschaften damals noch nicht entwickelt und viele Wissenschaften sich noch nicht von der Philosophie abgezweigt hatten. Deswegen schufen die Philosophen grandiose philosophische Lehren über die Welt als Ganzes. Das 88 89 Entstehen konkreter Wissenschaften hat die Naturphilosophie gegenstandslos gemacht. Für sie blieb nur die Übersetzung in die philosophische Sprache dessen, was schon bekannt war, oder die Verteidigung des veralteten, historisch abgestellten Bildes der Naturwissenschaften. Die weitere Entwicklung der konkreten Wissenschaften hat die Ansprüche der Naturphilosophie endgültig abgelehnt. Jetzt bedurfte man keiner besonderen philosophischen Wissenschaft über konkrete Gebiete der Natur und der Gesellschaft. Lenin unterstrich: „Laut Standpunkt von Marx und Engels ist die Philosophie nicht berechtigt, selbständig, separat zu existieren, ihr Material wird zwischen verschiedenen Gebieten positiver Wissenschaften verteilt. Also versteht man unter der philosophischen Motivierung entweder den Vergleich ihrer Voraussetzungen mit den festgelegten Gesetzen anderer Wissenschaften (auch Herr Struve hat erkannt, dass es selbst in der Psychologie Leitsätze gibt, die veranlassen, auf den Subjektivismus zu verzichten) oder die Erfahrungen aus der Anwendung dieser Theorie. Diesbezüglich haben wir die Aussage von Herrn Struve, dass das Verdienst des Materialismus immer darin bestehen wird, dass er einer Reihe sehr wichtiger historischer Fakten eine tief greifende wissenschaftliche und wahrhaft philosophische Auslegung gegeben hat. Diese Aussage des Autors enthält das Bekenntnis, dass der Materialismus die einzig wissenschaftliche Methode der Soziologie ist und deswegen von diesem Standpunkt eine „Überprüfung der Fakten“ notwendig ist.“(7) Es existiert nur eine positive wissenschaftliche Auffassung der materiellen Welt und ihrer Struktur. Alle Wissenschaften stellen in ihrer historischen Entwicklung ein zufrieden stellendes Bild der Welt dar, das historisch und von bestimmten Stufen der Entwicklung der Wissenschaften bedingt ist. Die Rolle des modernen Materialismus besteht nicht darin, dass er endlich das beste Bild der Welt als Ganzes geschaffen hat, sondern darin, dass er allen prätentiösen Bestrebungen der alten Philosophen, die Lehre über die absolute Welt zu schöpfen und den absoluten Anfang zu finden, ein Ende macht. In diesem Lichte gesehen erscheinen einige Leitsätze von W.I. Swiderski und A.S. Karmin unexakt: „Wenn jede konkrete Wissenschaft mit der Untersuchung eines bestimmten Gebiets der Naturerscheinungen beschäftigt ist, so untersucht die Philosophie als allgemeine Theorie der Weltanschauung, als allgemeine Methodologie der Wissenschaft im Gegenteil zu ihnen die Welt als Ganzes, bestimmt die allgemeinen Gesetze der Entwicklung der Materie. Deswegen untersucht die Philosophie den Begriff des Absoluten im weitesten, im allgemeinsten Sinne und hält für absolut nur das, was unabhängig von beliebigen Bedingungen, im Allgemeinen usw. für die Welt „als Ganzes“, für die Materie „überhaupt“ unbestreitbar, unzerstörbar ist.“(8) In der materialistischen Dialektik wird die Frage der Welt als Ganzes nicht gestellt. Man hat konkrete Begriffe der Materie, der Einheit der Welt und deren Materialität, der Abhängigkeit des Bewusstseins vom Sein ausgearbeitet. Gegenstand des modernen Materialismus sind die allgemeinen Gesetze der Natur, der Gesellschaft und des Denkens. Sie werden nicht unmittelbar von der Natur oder der Gesellschaft abgeleitet, sondern als Gesetze des Denkens erarbeitet, die sich im Prozess der Entwicklung der praktischen Tätigkeit sowie der gesamten Geschichte der Erkenntnis herausgebildet haben. Somit ist in der materialistischen Dialektik die gesamte alte Philosophie und ihre Auffassung des Anfangs auf revolutionär-kritische Art bezwungen. Der schlimmste Nachteil des gesamten früheren Materialismus ist die Identifizierung der Materie mit konkreten Formen, solchen wie Wasser, Luft, Atomen usw. Kennzeichnend ist für die 89 90 Geschichte des traditionellen Materialismus das Bestreben, eine allgemeine Form des Materiellen zu finden, doch solcher Versuch konnte nicht erfolgreich sein, weil die Philosophen sie mit konkreten, endlichen, körperlichen Formen der Materie gleichstellten. Außerdem wurde in der Philosophie der früheren Materialisten die Gesellschaft (die gesellschaftlichen Beziehungen) nicht als besondere Form des Materiellen aufgefasst. Deswegen wurde die Grundlage der Entwicklung der menschlichen Gesellschaft im Idealen, in der Vernunft gesucht. Aus diesem Grunde waren die alten Materialisten nicht im Stande, den Ursprung der Ideen, der Begriffe, des Idealen zu erklären, sie konnten ihre sekundäre Bedeutung in Bezug auf die Materie, die Natur nur konstatieren. Dabei waren sie nicht konsequent: Sie erkannten das Primäre und den Ursprung der Ideen in der gesellschaftlich-historischen Entwicklung. Das ist verständlich, weil man die komplizierte gesellschaftliche Entwicklung, die realen Beziehungen der Menschen mit der konkreten sachlichen Auffassung des Anfangs nicht gleichstellen kann. Diese Fragen sind von der materialistischen Dialektik alle tiefgehend erarbeitet und gelöst, weil hier die Materialität der gesellschaftlichen und der Produktionsbeziehungen der Menschen entdeckt und theoretisch bewiesen sind. Davon werden rationell und konsequent alle Formen des Idealen abgeleitet. Der marxistischen Auffassung der Materie sind die Nachteile, die für die Anfänge der alten Materialisten kennzeichnend waren, nicht eigen. Im modernen Materialismus wird unter der Materie nicht ein Teil verstanden, sondern das, was mit der universalen Bestimmtheit der Dinge verbunden ist. Wenn es für den alten Materialismus schwierig war, von der Materie, welche in materieller Form aufgefasst wurde, die geistigen Erscheinungen, das Ideale zu deduzieren, so wird dieses Problem in der materialistischen Dialektik grundsätzlich gelöst. Hier wird das Ideale und seine Formen nicht als etwas äußerst selbständiges behandelt, sie werden auf Grund einer bestimmten gesellschaftlich-historischen Tätigkeit erklärt und deduziert. Im modernen Materialismus wird nicht nur die Entstehung sowie die Entwicklung idealer Beziehungen theoretisch erklärt, sondern auch konsequent gezeigt, unter welchen gesellschaftlichen Bedingungen reale Voraussetzungen für das Loslösen bestimmter Formen idealer Beziehungen von ihrer materiellen und Produktionsgrundlage geschaffen werden. Bekanntlich trat neben dem Entstehen des Privateigentums eine reale Möglichkeit für das Loslösen des unmittelbaren Produzenten von den Produkten seiner Tätigkeit auf. Diese Entfremdung tritt als realer Grund für die Hypertrophie der idealen geistigen Formen und ihrer Umwandlung in selbständige Wesen auf. Das reale Faktum des Privateigentums ist ein Grund für die Umwandlung des wirklichen Subjekts in ein Prädikat und des Prädikats in ein Subjekt. Die idealistische Philosophie fasst dieses Faktum lediglich empirisch zusammen. Der wahre Grund, der Mechanismus der gegebenen Umwandlung wurden erst im modernen Materialismus erklärt. In Wirklichkeit existiert im gesellschaftlichen Leben, außerhalb der einzelnen Individuen, ein bestimmtes, innerlich zusammenhängendes, ausgeprägtes System idealer Beziehungen, Normen, die das Individuum in seinem alltäglichen Leben berücksichtigen muss. Für das Individuum sind sie eine objektive, spontane, äußerliche Kraft. Für die Menschen, die in einer Gesellschaft leben, die sich auf das Privateigentum stützt, hat dieses System idealer Beziehungen denselben spontanen Charakter wie die Naturkräfte. Und die Frage ist, worin die Grundlage dieser, auf eigene Art zusammenhängender idealer Beziehungen besteht. 90 91 In der Philosophie von Hegel wird das alles von der Selbstentwicklung der objektiven, absoluten Idee abgeleitet, die der wahrhaftige Anfang der hegelschen Philosophie ist. Die Logik von Hegel ist zweifellos die höchste Form des Idealismus als Idealismus. Hier wurde ein grandioses und künstliches System mit spekulativer Konstruktion geschaffen. Und nicht zufällig kommt nach der Herrschaft der hegelschen Philosophie zuerst der Materialismus von Feuerbach auf die historische Arena, dann die dialektisch-materialistische Philosophie von Marx und Engels. In der materialistischen Dialektik werden die wichtigsten Errungenschaften der hegelschen Dialektik nicht aufgegeben, sondern auf der Grundlage des konsequenten Materialismus, der materialistischen Auffassung der gesellschaftlichen Entwicklung kritisch bewältigt. Hier erweist sich eingehend, dass die Idee, das theoretische Denken nicht unabhängig existieren: Sie sind die Widerspiegelung tief greifender gesellschaftlicher Produktionsverhältnisse. Doch ist das kein totes, mechanisches Spiegelbild, sondern eine dialektische Widerspiegelung der Wirklichkeit. Die materialistische Dialektik begründet konsequent die Haltlosigkeit des subjektiven Idealismus, der die Außenwelt, die Natur von den Gefühlen, den Vorstellungen des Subjekts trennt. In Wirklichkeit ist der Mensch ein Produkt der Gesellschaft, der gesellschaftlichen Produktionsverhältnisse. In der Gesellschaft werden nicht nur die Ideen, die Gedanken der Menschen von der Praxis, den gesellschaftlichen Produktionsverhältnissen determiniert, sondern auch die Gefühle und Vorstellungen der Menschen in der Gesellschaft sowie im Prozess der historischen Entwicklung gestaltet. Der konkrete Mensch ist selbst ein Produkt der gesellschaftlichen Beziehungen. In der materialistischen Dialektik wird entsprechend der modernen Wissenschaft unterstrichen, dass alle menschlichen Eigenschaften als solche zweifellos ein Ergebnis der sozialen Entwicklung sind. Nach Aussage der Psychologen ist selbst die aufrechte Gangart ein Produkt der Arbeit. Das alles zeugt noch einmal davon, dass die idealen, geistigen Beziehungen der Menschen nicht übernatürlich und kein unmittelbares Produkt der physiologischen Gestaltung des Hirns sind, sondern als Produkt der gesellschaftlichen und der Produktionsverhältnisse der Menschen entstehen und geprägt werden. Hier ist dieser Aspekt der Frage prinzipiell und konsequent untersucht, das heißt, man hat bewiesen, dass keine einzige Form idealer Verhältnisse ungeachtet ihrer scheinbaren Selbständigkeit außerhalb der sozialen Bedingungen entsteht. Dadurch wird nämlich erklärt, dass keine Tierart imstande ist, irgendeine Form der menschlichen Vorstellung zu formulieren. Die menschlichen Organe unterscheiden sich neben ihrer Ähnlichkeit wesentlich von den gleichartigen Organen der Tiere. Somit liefert die marxistische Philosophie die Erklärung der Natur des idealen, theoretischen Denkens ausgehend vom sozialen Leben, und dadurch ist die idealistische Auffassung des Anfangs, die Gegenüberstellung der Idee der Materie, des Geistes der Natur kritisch überwunden. Im Ergebnis ist auch das Hypostasieren der Idee, des Begriffes behoben. Die Illusion der Selbständigkeit der Ideen gründet darauf, dass in der Gesellschaft, unabhängig vom einzelnen Individuum, ideologische Formen existieren, deren Berücksichtigung für die Individuen unvermeidlich ist. Doch zeugt diese Tatsache nicht von der Übernatürlichkeit der geistigen Formen, sondern nur davon, dass die idealen Beziehungen eine Form der gesellschaftlichen Produktionsverhältnisse sind. Also sind die ideologischen Beziehungen keine selbständigen Wesen. Ungeachtet ihrer Objektivität und Unabhängigkeit von einzelnen Menschen, leben sie nicht ein unabhängiges Leben und sind umso weniger eine Form der Selbstentwicklung 91 92 irgendeiner absoluten, außer der Zeit existierenden Idee, sondern die Widerspiegelung des wahren realen Subjekts, der Gesellschaft. Von diesem Standpunkt aus ist die materielle, praktische Tätigkeit der Menschen letztendlich der Schlüssel zum Verständnis der Formen der geistigen und der ideologischen Tätigkeit. Mit der Erkennung der welthistorischen Rolle der Arbeitstätigkeit in der Entwicklung der Gesellschaft ist die Möglichkeit der Fetischisierung und der Mystifikation endgültig liquidiert. Von nun an werden die Geheimnisse der übersinnlichen, geistigen Tätigkeit in der Sphäre der sinnlich-praktischen Tätigkeit ermittelt. Daraus folgt, dass die Ideen, die Gedanken, die geistigen Beziehungen nicht selbst existieren, dass sie von wirtschaftlichen und von Produktionsverhältnissen abhängen und selbstverständlich nicht den Anfang von Dingen und Erkenntnissen bedeuten können. Somit sind in der marxistischen Philosophie die ideologischen Beziehungen, die Ideen ihrer wahren Grundlagen, das heißt der wirtschaftlichen und der Produktionsverhältnisse, dialektisch zusammengefasst. Alle Materialisten vor Marx fassten die Gesellschaft idealistisch auf und führten die gesellschaftlichen Beziehungen der Menschen auf die Ideen, den Verstand zurück. Selbst die französischen Materialisten, die die Priorität der Materie, der Natur leidenschaftlich verteidigten, später Feuerbach, waren Idealisten in der Auffassung des gesellschaftlichen Lebens. Die kontemplativen Materialisten verallgemeinerten empirisch die Tatsache, dass die Menschen im Laufe ihrer praktischen Tätigkeit im Gegensatz zu den Tieren zweckmäßig handeln, ihre Tätigkeit planen. Marx beschränkt sich nicht auf die Konstatierung dieser Tatsache, er erschließt den Grund, ihre Basis, als deren Formen diese Erscheinungen auftreten. Marx untersucht nicht einfach die Beweggründe, er dringt tief greifend in die Substanz, in die Motive der Beweggründe in der Entwicklung der Gesellschaft ein. Marx und Engels begründeten die materialistische Auffassung der Geschichte, erkannten das welthistorische Gesetz der gesellschaftlichen Entwicklung. Sie haben wissenschaftlich bewiesen, dass das gesellschaftliche Leben der Menschen nicht eine geistige, ideologische sondern eine tiefgehend materialistische Grundlage hat. Die sinnlich-praktische Tätigkeit der Menschen ist nach ihrem Wesen eine materielle Tätigkeit. Im Vorwort „Zur Kritik der politischen Ökonomie“ unterstreicht Marx: „…die rechtlichen Beziehungen wie auch die Staatsformen können weder aus sich selbst heraus, noch auch aus der so genannten allgemeinen Entwicklung des menschlichen Geistes verstanden werden, im Gegenteil, sie wurzeln in den materiellen Lebensbeziehungen, deren Gesamtheit Hegel, wie auch die englischen und französischen Schriftsteller des 18. Jahrhunderts, als „bürgerliche Gesellschaft“ bezeichnet haben, und die Struktur der bürgerlichen Gesellschaft in der politischen Ökonomie aufzufinden ist.“(9) Seit der Erkennung der Materialität der gesellschaftlichen, ökonomischen Beziehungen der Menschen ist die Wahrhaftigkeit der materialistischen Weltanschauung konsequent bewiesen. Wenn alle Formen der geistigen, ideologischen Beziehungen durch die gesellschaftlich-materielle Grundlage, die ökonomische Gesellschaftsordnung, die eine spezifische Form der Materie ist, determiniert werden, so bleiben keine Zweifel hinsichtlich dessen, dass die Materie, die Natur in Bezug auf das Bewusstsein, die ideologischen Beziehungen primär ist. Zwar kann das Wesen des Bewusstseins, der ideologischen Beziehungen nicht direkt von der Natur abgeleitet werden: sie können lediglich auf Grund besonderer, spezifischer Formen des Materiellen, das heißt ausgehend von der gesellschaftlichen Produktionstätigkeit der Menschen, aufgefasst werden. 92 93 Die materialistische Dialektik hat nicht nur eine besondere Form des Materiellen und die Bedeutung der sinnlich-praktischen Tätigkeit der Menschen erkannt, sie hat der Materie eine tief greifende, universelle Definition gegeben. Eigentlich wurde die universellste und allgemeinste Bestimmtheit der Materie historisch etwas später gegeben, als die besondere Form des Materiellen in gesellschaftlicher und ökonomischer Art der Beziehungen, von denen die geistigen und ideologischen Beziehungen der Gesellschaft real abhängen, entdeckt wurde. In diesem Zusammenhang ist die Behauptung von Marx gerechtfertigt, dass bei der Entwicklung des wissenschaftlichen Denkens die Untersuchung komplizierter Kategorien ihre Reife wesentlich schneller erreicht, als die Auffassung abstrakter Kategorien, das bedeutet, dass die Wissenschaft wesentlich früher herrliche Schlösser baut, als sie das Fundament legt. In ihrer Entwicklung hat die Philosophie die grandiose Logik von Hegel erreicht, erfolgreich verschiedene Formen der geistigen und der materiellen Beziehungen untersucht, doch konnte sie die allgemeine Bestimmtheit der Materie nicht erschließen und wissenschaftlich begründen. Wenn man verschiedene Formen des Materialismus, von Thales bis Feuerbach, analysiert, so identifizieren sie alle den Anfang mit einer konkreten Substanz, Atomen usw. Die methodologischen Prinzipien von Thales, der den Anfang des Wesens im Wasser suchte, oder Demokrit, der ihn im Atom vermutete, blieben bis zur Zeit der französischen Materialisten und Feuerbach erhalten. Der große deutsche Materialist Feuerbach behauptete in seiner Charakteristik der Natur: „Ich verstehe unter der Natur die Gesamtheit aller sinnlichen Kräfte, Dinge und Wesen, die der Mensch im Unterschied zu sich als nicht menschlich bezeichnet. Oder, praktisch gesehen, die Natur ist alles das, was dem Menschen – ungeachtet seiner übernatürlichen Suggestion des theistischen Glaubens – unmittelbar, sinnlich, wie der Grund und der Gegenstand seines Lebens erscheint. Die Natur ist Licht, Elektrizität, Magnetismus, Luft, Wasser, Feuer, Erde, Tier, Pflanze, Mensch, da er ein Wesen ist, das unwillkürlich und unbewusst handelt, - unter dem Wort „Natur“ verstehe ich nichts mehr als dies, nichts mystisches, nichts verschwommenes, nichts theologisches.“ Diesbezüglich unterstrich W.I. Lenin in seinen „Philosophischen Heften“: „Die Natur schließt somit alles ein, außer dem Übernatürlichen. Feuerbach ist hervorragend, aber oberflächlich. Engels hat den Unterschied zwischen dem Materialismus und dem Idealismus tief greifender definiert.“(10) Die Beschränktheit der Auffassung der Materie, der Natur und des gesamten vormarxschen Materialismus von Feuerbach kommt besonders krass zum Vorschein im Vergleich mit der klassischen Definition der Materie im Werk „Materialismus und Empiriokritizismus“ von W.I. Lenin, in dem gnoseologisch der konkret-allgemeine Begriff der Materie erschlossen ist. „Die Materie ist eine philosophische Kategorie“, schrieb Lenin, „zur Bezeichnung der objektiven Realität, die dem Menschen in seinen Gefühlen gegeben ist, die von diesen Gefühlen kopiert, fotografiert, abgespiegelt wird und unabhängig von ihnen existiert.“ (11) Bei aller Ähnlichkeit der Definitionen der Materie von Lenin und Feuerbach, unterscheiden sich diese Definitionen wesentlich. Die Definition von Feuerbach ist nach ihrem logischen Inhalt empirisch, die Definition von Lenin ist theoretisch, dialektisch. Im gegebenen Fall sind die Unterschiede in den logisch-methodologischen Prinzipien der Auffassung des Gegenstands deutlich zu erkennen. Wenn Feuerbach sein Augenmerk auf das abstrakt-allgemeine, auf die quantitative Seite der Natur richtet, so offenbart Lenin das Konkret-Allgemeine. Nach der Beurteilung von Feuerbach schließt die Natur das quantitativ-allgemeine „alles“, ein, und in der Definition von 93 94 Lenin schließt der Begriff der Materie die allgemeine Bestimmtheit des gesamten Natur-Gesellschaftlichen ein. In der Geschichte der Philosophie hat den Unterschied des Qualitativ-Allgemeinen vom Allgemeinen schon Rousseau tiefgründig unterschieden. Er unterstrich, dass der Wille aller noch nicht der allgemeine Wille ist. Hegel hat diese These von Rousseau hoch geschätzt. Die Definition der Natur als „alles“ (Elektrizität, Magnetismus usw.) unterscheidet sich in Wirklichkeit wesentlich von der Definition, in der die allgemeine Bestimmtheit des Materiellen als objektive Realität offenbart wird. Im ersten Fall handelt es sich um die empirische, quantitative Bestimmung der Materie, wogegen die Definition von Lenin qualitativ, theoretisch ist und die allgemeine Bestimmtheit der Natur und der Gesellschaft erfasst. In der Evolution des Anfangsverständnisses, von Thales bis Feuerbach, wurde sie immer mit einem bestimmten materiellen Träger verknüpft. Als solchen materiellen Anfang brachte Thales das Wasser, Anaximenes die Luft, Heraklit das Feuer, Demokrit die Atome und Feuerbach die Gesamtheit aller existierender Körper vor. Wenn man die innere Logik der Auffassung des materiellen Anfangs von Thales bis Feuerbach und dann weiter bis Marx und Lenin eingehend untersucht, so kommt die Entwicklung vom Einzelnen zum Besonderen und von da zum Allgemeinen klar zum Vorschein. Wenn in der ionischen Philosophie die Definition des materiellen Anfangs in Einzelform auftritt, so gibt Feuerbach eine umfassende Form und die marxistische Philosophie eine allgemeine Form der Definition der Materie. Hier soll betont werden, dass die Begründung der allgemeinen Bestimmtheit des Materiellen, des Begriffes der Materie, ein historisches Ergebnis der langfristigen und schwierigen Entwicklung der Philosophie sowie der Wissenschaft ist. Eigentlich wurden das Erkennen und die Begründung des konkret-allgemeinen Begriffes der Materie erst in einer bestimmten historischen Epoche möglich. Dazu haben auch die bedeutendsten Entdeckungen der einzelnen Wissenschaften beigetragen. Außerdem konnte man die allgemeine Bestimmtheit der Materie erkennen, weil die Materialität der gesellschaftlichen Produktionstätigkeit der Menschen begründet war. Einer der Gründe des Idealismus vor Marx in der Geschichtsauffassung besteht darin, dass man die gesellschaftlich-historische Entwicklung nicht auf irgendeine Materie zurückführen konnte. Die Entdeckung der Radioaktivität, der Elektronen, der Teilbarkeit der Atome haben die prinzipiellen Nachteile des alten Materialismus und die Haltlosigkeit der substanziellen Auslegung der Materie offenbart. Die Gesamtheit dieser objektiven Bedingungen hat eine reale Möglichkeit zur Erkennung und Begründung des allgemeinen Begriffes der Materie geschaffen. Gegenstand der materialistischen Dialektik sind die allgemeinen Gesetze der Natur, der Gesellschaft und des menschlichen Denkens, die in ihrem inneren subordinierten Zusammenhang existieren. Deswegen stellen sie eine ganzheitliche Logik sowie die Methodologie des Erkennens der objektiven Realität dar. Im dialektischen Materialismus sind die Materie und die Bewegung unzertrennlich. Nach Meinung von Engels hat es nie und nirgends eine Materie ohne Bewegung geben können. „Die Bewegung im Weltraum, die mechanische Bewegung weniger bedeutender Massen auf einzelnen Himmelskörpern, die Schwingung der Moleküle als Wärme, als elektrischer oder magnetischer Strom, chemischer Zerfall oder Verbindung, organisches Leben – das sind die Formen der Bewegung, in denen sich – in einer oder in einigen gleichzeitig – jedes einzelne Atom der Materie der Welt in jedem gegebenen Augenblick befindet. Jeder Ruhezustand, jedes Gleichgewicht ist relativ: Sinn haben sie nur in Bezug auf die eine oder die andere bestimmte Form der Bewegung.“(12) In ihrer Bewegung sowie in ihren Änderungen hat die Materie 94 95 zahllose Formenbildungen erlitten. Bezüglich der Lehre Kants über den Anfangsnebel, aus dem die Himmelskörper entstanden sind, hob Engels hervor: „Dieser Nebel ist einerseits der Ursprung der existierenden Himmelskörper und andererseits die früheste Form der Materie, zu der man zurzeit zurückreichen kann. Das schließt keinesfalls aus, sondern im Gegenteil erfordert die Annahme, dass die Materie vor diesem Ausgangsnebel eine unendliche Reihe anderer Formen erfahren hatte.“(13) Die dialektisch-materialistische Auffassung der Materie (Erkennung und Begründung allgemeiner Bestimmtheiten und Formen der Materie) ist dem Dühring’schen „sich selbst gleichen“ und unbeweglichen Zustand der Materie entgegengesetzt. Wenn die konkret-allgemeine Auffassung der Materie ein Spitzenergebnis der Entwicklung der Philosophie und der Wissenschaft ist, so ist die abstrakte Vorstellung Dührings von der Materie das Ergebnis eines gewaltigen Denkfehlers. Laut F. Engels ist „der unbewegliche Zustand der Materie eine der nichtigsten und absurdesten Vorstellungen, eine wahrhafte Wahnphantasie. Um dazu zu kommen, soll man sich das relative mechanische Gleichgewicht, in dem sich der eine oder der andere Körper auf unserer Erde befindet, als absoluten Ruhezustand vorstellen und dann diese Vorstellung auf das Universum als Ganzes übertragen.“(14) Im konkret-allgemeinen Begriff der Materie ist die universale, allgemeine Bestimmtheit der objektiven Wirklichkeit erfasst. Doch kann man trotz ihrer gesamten Bedeutung von der allgemeinen Bestimmtheit die besonderen Formen, die Formen des Bewusstseins, die ideologischen Beziehungen nicht direkt ableiten. Das Bewusstsein, das Denken, das System ideologischer Beziehungen werden nicht direkt von den allgemeinen Bestimmtheiten der Materie abgeleitet, sie bekommen eine Erklärung durch das Auffinden einer besonderen Form der Materie – der gesellschaftlichen Beziehungen der Menschen, in denen Widersprüche zwischen der Materie, der Natur und dem Bewusstsein real zulässig sind. Somit wird die objektive Wirklichkeit durch die Verfolgung vom Abstrakten zum Konkreten erfasst; alles, was in der Natur, in der Gesellschaft, im menschlichen Denken existiert, wird in der materialistischen Dialektik durch die Offenbarung und die Begründung der allgemeinen Bestimmtheit der Materie theoretisch reproduziert. Doch ist das noch nicht alles. Weiterhin wird solch eine besondere Form der Materie entdeckt, wie das System der gesellschaftlichen Beziehungen, von denen alle anderen Formen des Bewusstseins, des Denkens und der ideologischen Beziehungen abhängig sind. In der materialistischen Dialektik werden die Beziehungen zwischen der Natur, der Gesellschaft und dem Bewusstsein nicht als etwas Passives, Einseitiges, sondern als etwas Aktives betrachtet. Deswegen existiert zwischen ihnen nicht die Beziehung des mechanischen Nachfolgens, sondern der Wechselwirkung. Dabei sind die Natur, die gesellschaftliche Produktionstätigkeit der Menschen in Bezug auf das Bewusstsein primär. So wird ein innerlich verbundenes System der objektiven Realität in Form von allgemeinen Gesetzen und Begriffen, von der Bestimmtheit der Materie bis zu den geistigen Beziehungen, reproduziert. Im Ergebnis wird die innere Verbindung der Natur, der Gesellschaft und des menschlichen Denkens erfasst. Die Fortbewegung der Erkenntnis von der allgemeinen Bestimmtheit der Materie zur besonderen Form und von ihr zum Denken ist die theoretische Art und Weise, dank der die allgemeinen Gesetze dieser drei Gebiete reproduziert werden. Wenn in der traditionellen Philosophie die inneren Verbindungen der Natur, der Gesellschaft und des menschlichen Denkens nicht erfasst sind, so ist ihre Einheit in der materialistischen Philosophie erkannt. 95 96 Die frühere Philosophie, sowohl die materialistische als auch die idealistische, verwendete in der Untersuchung der Beziehungen zwischen der Natur und dem Bewusstsein im Grunde genommen die gleiche Methodologie. Die Idealisten führten die Gesetze der Natur und der Gesellschaft auf die idealen Anfänge und die Materialisten mit derselben Einseitigkeit das Ideale auf das Materielle zurück. Selbstverständlich entstanden bei jeder dieser Richtungen unlösbare Schwierigkeiten. Jede der Seiten wies die andere missachtend zurück, blieb im Prinzip aber selbst auch anfechtbar. Obwohl es in der Geschichte der Philosophie immer eine Mehrzahl derer gegeben hat, die erklärten, dass ihre Philosophie „über“ dem Materialismus und dem Idealismus stehe, hat es deren Überwindung nie gegeben und auch nicht geben können. Eine passive Widerspiegelung dessen und der Schwäche der positivistischen Philosophie ist die Anschauung von Karnap, der die Hauptfrage der Philosophie ein „Pseudoproblem“ nennt. Laut R. Karnap gehören alle philosophischen Fragen, die von Bedeutung sind, zur Logik und Syntax der Sprache. Was die Frage der Objektivität der Welt betrifft, so ist sie nicht ein Problem der wissenschaftlichen Philosophie, sondern stellt in Wirklichkeit ein Pseudoproblem dar, das in der traditionellen Philosophie entstanden ist. R. Karnap hebt hervor, „Es ist nicht gerechtfertigt, meine semantische Methode als etwas zu interpretieren, was mit dem Glauben an die Realität abstrakter Objekte verbunden wäre, weil ich Thesen dieser Art als metaphysische Pseudoangebote ablehne. (15) Karnap unterscheidet zwei Arten von Fragen: „innere“ und „äußere“. In die erste Gruppe reiht er solche Fragen ein wie: „Liegt auf meinem Tisch ein Fetzen weißes Papier?“ „Hat der König Artur wirklich gelebt?“ usw. Laut R. Karnap „ist die Auffassung der Realität, die in diesen inneren Fragen vorkommt, eine empirische, wissenschaftliche, nicht metaphysische Auffassung. Etwas als reales Ding oder Ereignis anzuerkennen – bedeutet es zu verstehen, dieses Ding in ein System von Dingen in eine bestimmte räumlich-zeitliche Lage unter andere Dinge einzufügen, die entsprechend den Regeln des Gerüstes als real anerkannt wurden.“(16) Zu den „äußeren“ gehört laut Karnap auch die Frage der Realität der Welt der Dinge. Er unterstreicht, „Im Gegenteil zu der ersten Art der Fragen ist diese Frage nicht von einem einfachen Menschen und nicht von einem Gelehrten, sondern von Philosophen angeschnitten wurde.“ Und er fügt noch hinzu: „Diese Frage ist unlösbar, weil sie falsch gestellt wird.“ (17) In seiner Kritik derjenigen, die glauben, dass die Anerkennung der Realität der Dinge an sich für die Auffassung des Wesens der Logik notwendig ist, hebt Karnap hervor: „Viele Philosophen erörtern Fragen dieser Art als ontologische Fragen, welche gestellt werden, und auf die eine Antwort vor der Einführung neuer sprachlicher Formen erhalten werden soll.“ (18) Weiterhin behauptet er: „Wir gehen davon aus, dass die Einführung neuer Redensarten keiner theoretischen Rechtfertigung bedarf, weil sie keine Bestätigung der Realität beabsichtigen. Ein Satz, der auf die Bestätigung der Realität eines Systems von Objekten Anspruch erhebt, ist eine Pseudobestätigung ohne Erkenntnisinhalt.“ (19) Derselben Einstellung ist auch M. Schlick, der behauptet, dass Pseudosätze dann entstehen, wenn die Leute versuchen einen Gegenstand festzustellen, der durch ein gegebenes Wort bezeichnet wird, außer Abhängigkeit von dem Wort selbst. Für Schlick ist das ein „sinnloses Problem“. (20) Laut Neopositivismus sind die Fragen vom Objekt Gegenstand der speziellen Wissenschaften, das Problem der Sprache, der Wissenschaft gehört zur Logik; und „Pseudoprobleme“ betreffen den Gegenstand der Philosophie. Die ganze Geschichte der Philosophie sieht den Neopositivismus als eine Kette von Problemen und Fragen, 96 97 die keinen wissenschaftlichen Sinn haben. Daher stammt die neopositivistische Konzeption, die darin besteht, dass aus der ganzen Philosophie nur die Untersuchung „der Logik der Wissenschaft“ und die Theorie der logischen Strukturen und Sätze Sinn hat. In diesem Zusammenhang ist folgende Behauptung von R. Karnap charakteristisch, dass an die Stelle des Problemkomplexes, der sich nicht lösen lässt, der Philosophie genannt wird, die Logik der Wissenschaft tritt (21). Hier wurde die Schwäche der positivistischen Philosophie aufgedeckt, die die Materialität der Bedingungen des gesellschaftlichen Lebens, der sozialen Natur des Denkens nicht wahrnimmt, und somit die Zusammenhänge und Subordination der Natur, der Gesellschaft und des menschlichen Denkens nicht begreift. Die Einseitigkeit der alten Philosophie, des Idealismus, und des alten Materialismus ist nur auf einer prinzipiellen Grundlage zu überwinden. In diesem Zusammenhang hat Marx eine welthistorische Heldentat vollbracht, indem er endgültig eine mechanische Gleichstellung der Natur, des Materiellen mit der Idee und umgekehrt der Idee, des Denkens mit der Natur abgelehnt hat. Die ganze Geschichte der Philosophie zeugt davon, dass auf diesem Wege nichts Vernünftiges erreicht werden kann. Aus diesem Grunde haben Marx und Engels von Anfang an nach der realen Quelle der Ideen gesucht, wie sie in einer systematischen Form in der Hegelschen Logik gegeben sind. Es ist wahr, dass den ersten Schlag auf die Hegelsche spekulative Philosophie der große deutsche Materialist Feuerbach führte. Auch er hat darauf hingewiesen, dass das Geheimnis der Religion und der hegelschen spekulativen Konstruktion in der irdischen Grundlage, in der Natur und im Menschen liegt. Weiter als diese Andeutung ist Feuerbach nicht gegangen. Er versteht den Menschen als ein abstraktes Naturwesen, gleich für alle Zeiten und Epochen. Aus dem Feuerbachschen abstrakten Menschen ist es natürlich unmöglich den ganzen Reichtum der Ideen, der Systeme der ideologischen Beziehungen herauszuziehen und zu verstehen. Es war notwendig weiter zu gehen, das Problem konkret und dialektisch zu betrachten. In der materialistischen Dialektik wird der Mensch konkret als die Gesamtheit der gesellschaftlichen Beziehungen verstanden. Im sinnlich- praktischen System der Produktionsbeziehungen und der Form ihrer Entwicklung wurden das Geheimnis verschiedener Formen und der ideologischen Beziehungen sowie der Charakter ihrer Entfremdung aufgedeckt. Gerade auf solche Weise wurde rationell die idealistische Weltauffassung überwunden. Marx und Engels haben die materialistische Weltanschauung voll entwickelt, sie konsequent bei der Analyse des gesellschaftlichen Lebens verwendet, auf dessen Grundlage sich verschiedene Formen der geistigen Beziehungen formieren und existieren. Als dessen Ergebnis wurde die idealistische Auffassung des Anfangs kritisch überwunden. Ideen, geistige Dinge müssen nicht als etwas Selbstzwingendes, Substantielles, sondern als eine Erscheinungsform der bestimmten, spezifischen Form der Materie ausgelegt werden. Soviel dazu, andererseits haben Marx und Engels den alten metaphysischen Materialismus und seine Auffassung von Anfang an nicht ruhen lassen. Wenn die Rede vom alten Materialismus ist, unterstreicht man gewöhnlich seinen Idealismus bei der Auffassung des gesellschaftlichen Lebens und das Metaphysische in seiner Methode. Mit dieser Frage ist eng die Begrenztheit, das Verstandesmäßige seiner Auffassung des Anfangs verbunden. Die Sache ist die, dass der Materialismus vor Marx nicht den konkreten Begriff der Materie, der allgemeinen Bestimmtheit, der Natur und der Gesellschaft erarbeiten konnte. Die große Rolle der Klassiker des Marxismus besteht darin, dass sie den konkret-allgemeinen Begriff der Materie formulierten, der als der wahre Anfang in der Erkenntnis der objektiven Realität gilt. 97 98 Der konkrete Begriff der Materie hat eine gigantische Bedeutung für die Logik der wissenschaftlichen Erkenntnis, für die theoretische Reproduktion der Natur, der Gesellschaft und des menschlichen Denkens. Er ist frei von den Mängeln, die den Anfängen des alten Materialismus eigen sind. Deshalb wurde in der materialistischen Dialektik der Boden unter den Füßen verschiedener antiwissenschaftlichen spiritualistischen Auffassungen weggezogen. In der philosophischen Literatur der letzten Zeit wurde tiefgründig der Begriff der Materie erörtert. Diese Frage wurde in den Forschungsarbeiten von F.T. Archipzew, I.W. Kusnezow, W.S. Bibler, I.S. Narski u. a. speziell theoretisch untersucht. Sehr ernsthaft wurde diese Frage von den Philosophen Ungarns, der DDR, Polens und anderer Länder behandelt. Im Buch „Die materielle Einheit der Welt“ bemühen sich die polnischen Philosophen H. Eilstein und S. Amsterdamski die Materie als ein „physisches Sein“ vorzustellen, dessen charakteristische Merkmale Struktur, Dynamik, Existenz in Raum und Zeit und die Unendlichkeit sind. Die ungarischen Philosophen J. Schipan und T. Feleschi sind der Meinung, dass Lenin nur eine gnoseologische Definition der Materie gegeben hat, aber die Aufgabe besteht nach ihrer Meinung in der Formulierung der ontologischen Definition, nach der die Materie mit dem physischen Universum identifiziert werden konnte (22). Unseres Erachtens nach sehen diese Kritiker der Leninschen Definition der Materie die Besonderheiten der marxistischen Auffassung der Aufgabe der Philosophie nicht. Davon zeugt ihr Streben zu ontologisieren, die Materie als eine gewisse Grundlage alles Physischen, der Natur vorzustellen. Was die Vertreter der modernen westlichen Philosophie (Wetter, Falk, Hant u. a.) anbetrifft, so versuchten sie in ihrer Kritik der leninschen Definition der Materie zu zeigen, dass sie keine ontologische Definition ist. „Der philosophische Begriff der Materie von Lenin“, schreibt Ch. Wetter, bestimmt die Materie nicht an und für sich, sondern in ihrer Beziehung zum erkennenden Subjekt, er teilt nichts davon mit, was die Materie an und für sich ist (23). Der katholische Philosoph G. Falk verfälscht das leninsche Verständnis von der Materie, indem er behauptet, Lenin habe mit der Trennung des naturwissenschaftlichen Begriffe vom philosophischen „alles das für unmöglich erklärt, was die Naturwissenschaft von der Materie behauptete.“ (24) Die Kritiker des leninschen Begriffs der Materie vereint das Unverständnis der Tatsache, dass sich mit der Entstehung der materialistischen Dialektik der Gegenstand der Philosophie und ihre Vorausbestimmung radikal veränderten. Von nun an ist die Philosophie nicht mehr die Wissenschaft der Welt im Ganzen und baut kein ontologisches System der Welt und des Weltalls. Darum sucht sie nicht den absoluten Anfang der Welt im naturwissenschaftlichen Sinne. Der konkret-allgemeine Begriff der Materie ist keinesfalls der ontologische Anfang der Welt. In diesem Sinne hat die ganze alte Philosophie ein Ende. In der materialistischen Dialektik wird prinzipiell anerkannt, dass es keine philosophische Lehre über die Welt im Ganzen neben der konkret-wissenschaftlichen existieren kann. Real existiert nur das konkret-wissenschaftliche Bild der objektiven Welt. Spezielle Wissenschaften in ihren Zusammenhängen und ihrer Entwicklung widerspiegeln immer komplexer die uns umgebende objektive Welt, und es besteht keine Notwendigkeit in der Schaffung eines besonderen philosophischen Weltbildes. In der alten Zeit schufen die Philosophen eine philosophische Lehre von der Welt im Ganzen, suchten ständig und unermüdlich nach dem absoluten Anfang, auf welchem sie ihre schwergewichtigen Weltsysteme aufbauen mussten. Das alles konnte solange geduldet werden, wie die konkret-wissenschaftlichen Kenntnisse (Physik, Kosmologie, Astronomie, Biologie, Politökonomie usw.) nicht entwickelt waren. 98 99 Die Haltlosigkeit solcher Aufgabenstellung zeigte schon I. Kant. Der Versuch, eine ontologische Definition der Materie zu geben, hätte die Wiederherstellung der alten Metaphysik mit ihrem Anspruch auf eine Weltlehre im Ganzen bedeutet. Der konkrete Begriff der Materie ist eine philosophische Verallgemeinerung der ganzen Entwicklung der menschlichen Erkenntnis und Praxis. Er hat äußerst allgemeinen Charakter und verbindet sich mit keiner konkreten Materieform. Hier ist eine Loslösung des philosophischen, gnoseologischen Materiebegriffs von den naturwissenschaftlichen Angaben, wie das H. Falk behauptet, nicht am Platze, sondern kommt eine tiefere Verbindung zum Vorschein, denn dieser Begriff, der als eine Verallgemeinerung der ganzen Erkenntnisgeschichte auftritt, gibt eine absolute Perspektive für die Entwicklung der Naturwissenschaften. Der grundlegende leninsche Leitsatz von der Unerschöpflichkeit der Materie ist eine notwendige Folge des konkret-allgemeinen Materiebegriffs. In der materialistischen Dialektik sind nicht nur allgemeinste Gesetzmäßigkeiten der Natur, der Gesellschaft und des menschlichen Denkens, sondern auch ihre innere Verbindung, die Logik erfasst. Jeder von diesen Bereichen wiederum besteht aus einer Vielheit von Systemen, die Forschungsobjekte verschiedener Spezialwissenschaften sind. Dabei steigt jede Wissenschaft in ihrer Entwicklung von der empirischen Stufe auf die theoretische auf. In ihrer Entwicklung ordnet sich die Philosophie denselben dialektisch-logischen Gesetzen unter, wie auch andere theoretische Wissenschaftsbereiche. Infolgedessen haben allgemeintheoretische Errungenschaften der Philosophie eine große Bedeutung für alle Spezialwissenschaften und ihre Ergebnisse für die Philosophie. Freilich unterscheiden sich die Wechselbeziehungen der Philosophie mit den Spezialwissenschaften von den Wechselbeziehungen einer Spezialwissenschaft mit der anderen. Wenn die Philosophie allgemeine Gesetze der Natur, der Gesellschaft und des menschlichen Denkens erforscht, ihre Logik aufdeckt und eine methodologische Bedeutung hat, so untersuchen die Spezialwissenschaften strukturelle Wechselbeziehungen und die realen Prozesse der objektiven Welt. Das bestimmt grundsätzlich den Platz der Philosophie unter den anderen Wissenschaften. Während die Philosophie allgemeine Materiebestimmtheiten feststellt, eine Weltanschauung ist, Logik und Erkenntnistheorie, so untersuchen die Spezialwissenschaften die Natur, die Gesellschaft, decken ihre spezifische Gesetze auf. Eine vollständige und konkrete Erkenntnis der materiellen Welt und des Menschen darin ist die Sache aller Wissenschaften in ihrer historischen Entwicklung. Alle Wissenschaften, angefangen von der Mechanik, Astronomie, Physik bis hin zur Psychologie und Ästhetik, schaffen ein ganzheitliches historisches Wirklichkeitsbild, und dieser Prozess ist ebenso unendlich, wie die Welt unendlich ist. Wenn man die Erkenntnisgeschichte betrachtet, so war am Anfange nur eine Wissenschaft (Philosophie) und von ihr zweigten sich andere Wissenschaften ab. Ihr Differenzierungsprozess setzt sich fort, aber ebenso gibt es auch die Tendenz zur Integration. Viele Wissenszweige entstehen in den Grenzbereichen der Wissenschaften. Darum wird die Frage der Wechselbeziehungen der Philosophie und der Spezialwissenschaften immer wieder neu gestellt. Vor allem entsteht folgende Frage, ob die Verstärkung des Integrationsprozesses der Spezialwissenschaften nicht dazu führt, dass sie selbst alle Zusammenhänge und Beziehungen verschiedener Materieformen feststellen können und die Philosophie als besondere Wissenschaft überflüssig machen ? Nach unserer Meinung ist eine solches Vereinnahmen der Philosophie durch die Spezialwissenschaften nicht möglich. Die Sache ist die, dass in der dialektischen 99 100 Logik „Alles“ und „das Allgemeine“ sich prinzipiell unterscheiden. Alle Wissenschaften in ihren Wechselbeziehungen können zur Vorstellung von der Materialität der Natur und Gesellschaft kommen, aber sie sind nicht im Stande, selbständig den konkret-allgemeinen Materiebegriff zu entwickeln, was zur Aufgabe der philosophischen Wissenschaft gehört. Sie bildet den konkret-allgemeinen Materiebegriff auf der Grundlage der Verallgemeinerung der ganzen Erkenntnisgeschichte und Praxis heraus. Außerdem hat sich im Laufe der langen Entwicklung der Philosophie und der konkreten Wissenschaften deutlich der eigene Fachbereich der modernen Philosophie herausgebildet, der durch allgemeine Entwicklungsgesetze der Natur, der Gesellschaft und des menschlichen Denkens vertreten ist. 1. Lenin, W.I. Sämtliche Werke, Bd.29, S.142-143 2. Marx, K., Engels, F. Sammelwerke, Bd.20, S.35 3. Ebenda, S.35-36 4. Swiderkij, W.I., Karmin A.S. Das Endliche und Unendliche, M., 1996, S.240 5. Ebenda, S.219 6. Ebenda, S.235 7. Lenin, W.I. Sämtliche Werke, Bd.1. S.438 8. Swiderskij, W.I., Karmin, A.S., Das Endliche und Unendliche, S.214 9. Marx K., Engels F. Sammelwerke, Bd.13, S.6 10. Lenin, W.I. Sämtliche Werke, Bd.29, S.47 11. Ebenda, Bd.18, S.131 12. Marx, K., Engels, F. Sammelwerke, Bd.20, S.59 13. Ebenda, S.58 14. Ebenda, S.60 15. Karnap, R. Die Bedeutung und die Notwendigkeit, M., 1959, S.315 16. Ebenda, S.301 17. Ebenda 18. Ebenda, S.310 19. Ebenda 20. Schlick, M.Erw.Werk, S.179 21. Karnap, R. Logische Syntax der Sprache, Wien, 1934, S.205 22. Narskij, N.S. Von der philosophischen Bedeutung der leninschen Definition der Materie. In: Philosophische Wissenschaften, 1964, Nr.6, S.37 23. Wetter, G.R. Der dialektische Materialismus, Freiburg, 1960, S.340 24. Falk, H. Die Weltanschauung des Bolschewismus, S.51 100