Griechenland vor Beginn des Feldzuges des Xerxes

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Griechenland vor Beginn des Feldzuges des Xerxes
(Herodot, V II, 1321339 140143, 145)
Diejenigen aber, die auf Verlangen des Xerxes (zum Zeichen der Unterwerfung) Erde und
Wasser gegeben hatten, waren die Thessalier, die Doloper, die Enienen, die Perrhäber, die
Lokrer, die Magneter, die Melier, die Phitiotischen Achäer, Thebaner und Böoter,
ausgenommen die Thespier und Platäer. Gegen jene schlossen die Griechen, die sich mit
den Persern in kein Bündnis einließen, einen Vertrag, den zehnten Teil der Güter von
denjenigen Griechen, die sich den Persern ohne Not, da noch alles wohl gestanden hätte,
ergeben, dem delphischen Gott zu weihen.
Nach Athen und Sparta hatte Xerxes, Erde und Wasser zu fordern, keine Herolde
geschickt, und zwar aus folgendem Grunde: Als Dareios vordem zum gleichen Zwecke
dorthin geschickt hatte, warfen die Athener die Herolde in einen Abgrund, die Spartaner sie
in einen Brunnen und befahlen ihnen, Erde und Wasser von da dem König zu bringen.
Die Athener hatten Abgeordnete nach Delphi geschickt und waren bereit, den göttlichen
Ausspruch zu hören. Als sie nun die üblichen Gebräuche innerhalb des heiligen Bezirks
verrichtet und den Tempel aufgesucht und sich darinnen niedergesetzt hatten, tat Pythia
durch ihre Priesterin Aristonike diesen Ausspruch:
„Ihr Unglücklichen, was sitzet ihr da? Flieht an das Ende der Erde, Verlasset die
Wohnungen und die hohen Hügel der rundgebauten Stadt; Denn weder das Haupt bleibt
ganz, noch der Leib, Noch unten die Füße, noch die Hände, noch etwas aus der Mitte bleibt
übrig; Sondern alles ist hin. Das Feuer und der schnelle Ares, der den syrischen Wagen
Treibt, wirft alles nieder. Er wird aber auch viele andere Burgen verwüsten und Eure nicht
allein, auch viele Häuser der Unsterblichen dem wütenden Feuer übergeben, Welche schon
jetzt vom Schweiße triefend stehen, heftig erbebend in Angst. Herab von der
Giebelbedachung rinnet schwarzes Blut, Vorahnung des schnöden Geschickes. Nun geht
aus dem Heiligtum, macht euch mit dem Unheil vertraut!“
Bei diesen, Worten wurden die athenischen Abgeordneten von tiefer Niedergeschlagenheit
ergriffen, dann wandten sie sich mit folgenden Worten an das Orakel:
„Herrin, tue einen besseren Ausspruch wegen unseres Vaterlandes, Sieh auf die Ölzweige,
mit denen wir zu dir kommen. Denn wir gehen dir nicht aus dem Heiligtum, sondern bleiben
darin, selbst bis zu unserem Tode.“
Auf dieses Gebet tat die Priesterin diesen zweiten Ausspruch:
„Pallas kann den Olympischen Zeus nicht versöhnen, ob sie gleich mit vielen Worten und
häufigen Vorstellungen bittet. Doch sage ich dir dieses Wort; wie Stahl so hart: Wenn alles
andere eingenommen ist, was der Berg des Kekrops Und der geheime Aufenthalt des
Kithairon in sich schließt, So wird der waltende Zeus der Tritogeneia eine hölzerne Mauer
geben, welche allein unzerstört bleibt und dich und deine Kinder erhalten wird. Aber du
musst die Reiterei und das viele Fußvolk, welches vom festen Lande kommt, nicht ruhig
erwarten, sondern weichen Und den Rücken kehren; es kommt die Zeit, um die Stirne zu
bieten. O göttliches Salamis, du wirst Kinder von Weibern verderben, Wenn das Korn
verstreut wird oder gesammelt.“
Diesen Ausspruch, welcher gelinder war und schien als der erste, schrieben sie auf und
gingen wieder nach Athen. Als sie ihn nun dem Volke bekannt gaben, legte man den Sinn
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des göttlichen Ausspruchs auf vielerlei Art aus. Die folgenden Auslegungen widersprachen
sich am meisten:
Einige der Ältesten sagten, der Gott zeige an, die Burg werde erhalten bleiben; denn diese
war von jeher mit einer Dornhecke umgeben; daher vermuteten sie, diese Dornenhecke sei
die hölzerne Mauer.
Andere sagten, der Gott zeige Schiffe an und befehle, dieselben auszurüsten und alles
andere aufzugeben. Aber diese, welche unter der hölzernen Mauer Schiffe verstanden,
machten die zwei letzten Verse der Pythia irre:
O göttliches Salamis, du wirst Kinder von Weibern verderben, Wenn das Korn verstreut
wird oder gesammelt. Denn die Ausleger des Orakels deuteten sie so, dass sie bei Salamis
in, einem See treffen würden überwunden werden.
Es war aber unter den Athenern ein Mann, der erst neuerdings einen Platz unter den
Vornehmsten erlangt hatte, Themistokles, der Sohn des Neokles. Dieser behauptete, dass
die Ausleger des Orakels nicht richtig mutmaßten, indem er sagte:
Wenn der Ausspruch wider die Athener wäre, so würde er nicht so gelinde lauten, sondern
es würde anstatt „göttliches Salamis“ heißen „elendes Salamis“, wenn wirklich die Einwohner
der Insel umkommen sollten. Bei richtiger Auslegung gehe der göttliche Ausspruch wider die
Feinde und nicht wider die Athener. Er gab also den Rat, sich zu einem Seetreffen zu rüsten,
denn das sei die hölzerne Mauer. Die Athener gaben diesem Antrage des Themistokles mehr
Beifall als der Meinung der Ausleger des Orakels, welche die Ausrüstung einer Flotte nicht
zugeben wollten und glaubten, es komme alles darauf an, dass man die Hände nicht gegen
den Feind erhebe, sondern Attika verlasse und sich woanders niederlasse.
Als sich nun die wohlgesinnten Griechen (aus ganz Griechenland) an einem Orte
versammelten und unverbrüchliche Freundschaft schworen, beschlossen sie, vor allen
Dingen alle Feindschaft und allen Krieg untereinander aufzuheben.
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