Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg Fachdidaktik Physik SS 2007 Dozent: Dr. Erwin-Klaus Haberkant Referentin: Judith Wilhelmi 23.04.2007 Energie, Arbeit, Wärme: Hausgemachte Probleme im Physikunterricht Von Prof. Dr. Helmut Hilscher 1. Motivation •Die Vermittlung des Energiekonzeptes und der Energieerhaltung ist sehr schwierig. •Eine Ursache stellt die verwirrende Herleitung in Schulbüchern dar. •Hilscher hat aufgrund einer Schulbuchanalyse die standardmäßige Einführung des Themengebietes „Energie, Arbeit und Wärme“ untersucht und eine Zirkeldefinition der Begriffe „Arbeit“ und „Energie“ festgestellt. •Um die zentrale Rolle des Arbeitsbegriffes zu vermeiden, gibt er einen Vorschlag zur konsequenten Unterrichtsbehandlung des Stoffes. 2. Definition „Energie“ ? •Die Größe „Energie“ lässt sich nicht durch andere Größen definieren bzw. lässt sich nicht operationalisieren. •Die Energie ist eine Konstante in einem abgeschlossenen System. Als solche stellt sie eine universelle Erhaltungsgröße dar. 3. Energiekonzept der Physik •Es handelt sich um reale Körper mit innerer Struktur und nicht um Massepunkte. •Innere Energien EI beziehen sich auf den Energieanteil, der in den Körpern des Systems steckt. N N •Gesamtenergie E: E ES EI wobei ES ESkin Eipot i i 1 i 1 i i i •Eipot ist Summe von Wechselwirkungsenergien. Wechselwirkungsenergien können nur auftreten, wenn mindestens zwei Körper vorhanden sind. •Greifen äußere Kräfte an, ändert sich der Energieinhalt des Systems: dE F ds W N i 1 i i dE N Fi vi P dt i 1 (W=Arbeit) (P=Leistung) dE 0 •In abgeschlossenen System gilt die Energieerhaltung dt •Arbeit und Wärme sind Formen ausgetauschter Energie •Die Autoren Falk, Ruppel nehmen eine Unterscheidung von Energieanteil (Bsp.: kinetische und potentielle Energie) und Energieform vor. Diese hat sich in der Schulliteratur allerdings nicht durchgesetzt. •Energieformen Energieänderung •Wärme und Arbeit sind Energieformen und keine Energieanteile 4. Umdefinition und Zirkelargumentation •1.Schritt: Arbeit definiert als W = F s •Die Einführung erfolgt ausgehend von den Aspekten: - Umgangssprache (Mit dem Begriff „Arbeit“ kann jeder etwas anfangen) - Goldene Regel der Mechanik: Gailileo Galilei: „Was man an Kraft spart, muss man an Weg zusetzen „ (Bsp. Flaschanzug) •Die Strecke s wird häufig mit der Verschiebungsstrecke des Körpers gleichgesetzt; dies ist falsch Es handelt sich bei s um die Strecke, die der Angriffspunkt des Kraftvektors zurücklegt. •2.Schritt: Energie = Fähigkeit, Arbeit zu verrichten bzw. = Arbeitsfähigkeit •Energiebegriff damit operationalisiert (Widerspruch) •„Fähigkeit“ ist eine Eigenschaft und keine Menge, wie es die Energie ist •Energie und Arbeit sind durch diese Definitionen verschieden. Dass die Arbeit eine Form der Energieübertragung ist, geht damit verloren •Diese Definition stellt einen Widerspruch zum 2. Hauptsatz der Wärmelehre dar: Energie ist nicht in beliebigem Maße in andere Arten umwandelbar. •3.Schritt: Arbeit = übertragene Energie •Einsetzen in die Definition von Energie (II) Energie = Fähigkeit, Energie zu übertragen Arbeit = übertragene Arbeitsfähigkeit 5. Probleme aufgrund des zentralen Arbeitsbegriffes •Keine Unterscheidung von Energietransfer (Arbeit) und Energieumwandlungen •Keine Unterscheidung von offenen und abgeschlossenen Systemen •Häufig Beispiele aus geschlossenen Systemen (Pendel, freier Fall) mit Arbeit erläutert Problematik am Beispiel des Fadenpendels Höhenenergie Körper Bewegungsenergie Bei einem Fadenpendel wird die Umwandlung von potentieller Energie in kinetische Energie dadurch erläutert, dass das Pendel an sich selbst Beschleunigungsarbeit verrichtet. Bei der Umwandlung von Bewegungsenergie in Höhenenergie verrichtet das Pendel dementsprechend an sich selbst Hubarbeit: Höhenenergie => Bewegungsenergie => Höhenenergie => Bewegungsenergie (Beschleunigungsarbeit) (Hubarbeit) (Beschleunigungsarbeit) Dass dies für einen Schüler verwirrend sein muss, ist gut nachvollziehbar, denn er kennt die Arbeit als eine am Körper angreifende Kraft. Dass hier keine Kraft angreift ist offensichtlich. 6. Traditionelle Unterrichtseinheit zur Wärmelehre Gemäß den meisten Schulbüchern erfolgt die Einführung der Wärmelehre unabhängig von der Energie. Stattdessen wird von der Fühlbarkeit der Temperatur ausgegangen und Temperatureffekte behandelt. Erst die relativ spät erfolgende Einführung des Teilchenmodells lässt die Temperatur als kinetischen Energieanteil der inneren Energie identifizieren. Temperatur als Wärmezustand, T-Messung T-Ausdehnung von Körpern, Gasgesetze Innere Energie, Teilchenmodell Spezifische Wärmekapazität Änderung von Aggregatzuständen Wärmeübertragungsmechanismen Wärmekraftmaschinen und Wärmekraftwerke Kritik an traditioneller Unterrichtseinheit Ein Kritikpunkt bei dieser Unterrichtsabfolge liegt darin, dass vermeintliche Energieverluste wegdiskutiert werden und nicht zur Überleitung in Wärmelehre genutzt werden. 7. Vorschlag für Unterrichtseinheit Folgende Sequenz zur Behandlung von Energie, Arbeit und Wärme schlägt Prof. Hilscher vor. Ausgehend von der Energie als Konstante im abgeschlossenen System nutzt er diese als zentralen Begriff in der Unterrichtseinheit. Energie als Konstante im abgeschlossenen System (Bsp. Fadenpendel) Formen mechanischer Energien Arbeit W = F•s Arbeit als übertragene Energie „Energieverlust“ → innere Energie; Exkurs: Struktur der Materie; Temperatur als kinetischer Anteil der inneren Energie Wärme als Form übertragener Energie, 1. Hauptsatz der Wärmelehre, spez. Wärmekapazität Andere Energieformen, Universalität der Energieerhaltung Phasenübergänge, latente Energie in Form von potentieller Energie Maschinen, Kraftwerke, Umgang mit Energie, Energieentwertung 8. Zusammenfassung • Versuche, Energie in der Schule zu operationalisieren, scheitern • Arbeit als zentraler Begriff mit Problemen verbunden, v.a. bei abgeschlossenen Systemen • Energie als zentraler Begriff verhindert Zirkeldefinition • „Energieverluste“ sollte als Übergang zur Wärmelehre genutzt werden • Frühzeitige Einführung des Teilchenmodells ermöglicht Verständnis der Wärmelehre und nicht nur Behandlung von Wärmeeffekten