Wie schreibe ich eine Rezension? Ein Exzerpt aus Thomas Anz. Literaturkritik – Geschichte, Theorie, Praxis. München, 2004. S. 208-219 und S. 223-232. „Die Kunst des Rezensierens besteht nicht zuletzt darin, selbst über langweilige Bücher fesselnd zu schreiben.“ (S. 230) Grundsätzliches: - Hier geht es um die „klassische Rezension“, die über die häusliche Lektüre verfasst werden soll. - Eine Rezension ist ein journalistischer, kein literaturwissenschaftlicher Text. Daher kann die Argumentation nicht sehr differenziert sein (aber dennoch sollten Werturteile begründet werden), Fachbegriffe sind zu vermeiden oder zumindest zu erläutern. - Andererseits steht literaturkritisches Schreiben allgemein zwischen Literaturwissenschaft, Journalismus und Literatur. Bei aller Vereinfachung und allem Verzicht auf differenzierende Details zugunsten der Konzentration auf das Wesentliche (=das für die Leser Interessanteste) darf das Niveau nicht zu sehr leiden! Sachlichkeit und Genauigkeit sind neben Anschaulichkeit, Witz, Begeisterungsfähigkeit, Urteilsfreude und Engagement nicht zu vergessen! - Man sollte einen zentralen Gesichtspunkt auswählen, damit der Text nicht in unverbundene Einzelteile zerfällt. Einleitung (vgl. S. 230f.): - „Umständliche Einleitungen sind zu vermeiden… Schon die ersten Sätze sollten den Leser neugierig auf das Kommende machen.“ Das heißt: „Das Buch…. von… erschienen im Jahre….“ wäre kein guter Anfang! Diese Informationen müssen anders untergebracht werden. - Mögliche Einleitungen sind z. B.: provokative These, markantes Zitat, gewitzter Spruch, Interessante Frage (die erst am Ende beantwortet wird), extremes o. überraschendes Werturteil - Noch keine negative Gesamtbewertung an dieser Stelle ! Diese ans Ende stellen, sonst wird man nicht weiter lesen. Hauptteil und Schluss: - Konstituierende Bestandteile: 1. Inhalt und Thema des Buches, jedoch nicht zu lange und detaillierte Inhaltsangabe oder Nacherzählung komplizierter Handlungsverläufe. Leser nicht ermüden! Sogar Namen der Figuren sind meist überflüssig. Eher detaillierte Ausführungen über exemplarische Textteile, um dem Leser einen angemessenen Gesamteindruck zu verschaffen. Hier kommt es auf „die essayistische Kunst des Weglassens, die Konzentration auf wenige wichtige Aspekte an“ (S. 227). 2. Hinweise auf Konstruktion, Sprache und Stil des Werkes. Dabei können gut ausgewählte Zitate anschauliche Kostproben geben. Sie sollen aber das eigene Charakterisieren der Eigenarten eines Werkes nicht ersetzen. 3. Interpretationsvorschläge besonders bei schwierigeren Texten. 4. Der Vergleich des Werkes mit Werken anderer Autoren, aber nicht um eigene Belesenheit zu demonstrieren, sondern funktional. (Als Schüler ist es verständlich, wenn man dies noch nicht leisten kann.) 5. Die Wertung! Diese muss zwar nicht dominant sein, aber vorhanden. Mindestanforderung: Die eigene Wertung wird durch Merkmale und Wirkungen des Textes begründet (wobei nahe liegt, dass die Merkmale ihrerseits die Wirkung begründen). Gute Leistung: Rezensionsfloskeln werden vermieden. Die Kritik erschöpft sich auch nicht im Gebrauch wertender Adjektive, sondern vermittelt dem Leser die Wertung individuell und interessant. Auch Übertreibung, Polemik, Ironie, Sarkasmus sind erlaubt. - Optionale Bestandteile: Biografische Informationen über den Autor, wenn dieser relativ unbekannt ist oder sie dazu beitragen, bestimmte Aspekte des Werkes zu erhellen. Informationen über vorangegangene Werke oder andere Äußerungen des Autors, wenn es interessant ist, auf Kontinuitäten, Brücke oder Qualitätsschwankungen aufmerksam zu machen. Informationen über die bisherige Einschätzung des Autors in der Öffentlichkeit, wenn die eigene Beurteilung diese korrigiert oder bestätigt.