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http://sciencev1.orf.at/science/news/156566
Ein Universum ohne Dunkle Energie?
Matthias Gräbner 21.08.2009
Das Hilfskonstrukt der Dunklen Energie wird womöglich gar nicht gebraucht, um die
beschleunigte Expansion des Weltalls zu erklären
Die Struktur des Weltalls gibt uns eine Menge Rätsel auf. Kaum hatte man die Dunkle Materie
eingeführt, um von den Astronomen beobachteten Wirkungen der Schwerkraft auch eine
physikalische Quelle geben zu können, da bedurfte man auch noch der mysteriösen Dunklen
Energie zur Erklärung der beschleunigten Expansion eines Weltalls, dessen Ausdehnung sich
eigentlich verlangsamen müsste, bestünde es nur aus normaler und dunkler Materie.
Erst kurz vor dem Ende des 2. Jahrtausends wurde den Kosmologen klar, dass zwischen ihren
Modellen und der Wirklichkeit eine Diskrepanz besteht. Bei systematischen Beobachtungen fernster
Supernovae hatte sich herausgestellt, dass das Universum nicht wie vermutet immer langsamer
expandiert. Denn eigentlich müsste seine eigene Masse über die ihr innewohnende Gravitation diese
vom Urknall gestartete Ausdehnung mit der Zeit abbremsen.
Überreste einer Typ-Ia-Supernova. Bild: NASA
Doch die Messungen von Astronomen an so genannten Typ-Ia-Supernovae zeigten etwas anderes.
Dieser Supernova-Typ hatte sich deshalb für menschliche Beobachter als sehr interessant erwiesen,
weil er eine kosmische Referenz darstellt. Ein von einem Begleitstern Masse absaugender Weißer
Zwerg wird unter recht genau bekannten Bedingungen instabil und damit zur Supernova – wie
Standard-Leuchtkerzen erglühen solche Typ-Ia-Sternexplosionen regelmäßig im ganzen Weltall. Weil
aber jede Beobachtung einer fernen Supernova gleichzeitig ein Blick zurück die die ferne
Vergangenheit ist, kann man auf diese Weise sehr genau feststellen, wie schnell sich das Universum
zu jedem Zeitpunkt ausgedehnt hat.
Vorausgesetzt natürlich, dass Typ-Ia-Supernovae auch vor Milliarden Jahren schon auf die gleiche
Weise wie heute abgelaufen sind. Ob das der Fall ist, versuchen Astronomen heute noch durch
Beobachtung einer Vielzahl von Exemplaren herauszufinden, alle Zeichen sprechen bisher dafür, dass
dem so ist. Mit Hilfe des Hubble-Teleskops gelang es schon, mehr als neun Milliarden Lichtjahre in
die Vergangenheit zu blicken – auch damals, also im nicht einmal fünf Milliarden Jahre alten
Universum, muss es die ominöse Dunkle Energie schon gegeben haben, die das Weltall nun immer
schneller auseinander treibt.
Eine physikalische Erklärung, was diese Dunkle Energie ist, gibt es bisher allerdings nicht. Sie lässt
sich in Form der so genannten kosmologischen Konstante immerhin als Konstrukt aus der
Allgemeinen Relativitätstheorie Albert Einsteins ableiten. Einstein selbst hatte die kosmologische
Konstante benutzt, um die Theorie in Einklang mit der damals vermuteten Wirklichkeit eines
statischen Universums zu bringen. Als Edwin Hubble 1929 über den Nachweis der Rotverschiebung
bewies, dass sich das Weltall ausdehnt, erklärte Einstein das Konstrukt der kosmologischen Konstante
für unnütz, gar für eine Eselei.
Die Entdeckungen ab 1998 bewirkten, dass die kosmologische Konstante wieder gebraucht wurde.
Man stellt sie sich als eine Art Eigenschaft des leeren Raums vor. Das Universum, zunächst von der
Wucht des Urknalls auseinander gerissen, dehnt sich mehr und mehr aus – dabei von der Gravitation
seiner eigenen Masse gebremst. Mit steigender Ausdehnung wächst allerdings auch die abstoßende,
der Gravitation entgegen gerichtete Kraft, die aus der kosmologischen Konstante resultiert.
Irgendwann, vermutlich vor fünf bis sechs Milliarden Jahren, könnte die Wirkung der Dunklen
Energie dann die Oberhand gewonnen haben.
Wenn nicht die beiden Mathematiker Recht haben, die sich jetzt in den Veröffentlichungen der USAkademie der Wissenschaften ( PNAS) der Einstein-Gleichungen angenommen haben. Die
renommierten Forscher Joel Smoller und sein Schüler Blake Temple befassen sich schon länger mit
dem Problem der Stoßwellen in der Allgemeinen Relativitätstheorie. In ihrem Artikel leiten sie aus der
Allgemeinen Relativitätstheorie spezielle Lösungen ab, die anomal beschleunigte Stoß- oder
Schockwellen beschreiben. Solche Stoßwellen, meinen die Mathematiker, könnten in den höchst
nichtlinearen Verhältnissen kurz nach dem Urknall entstanden sein.
Smoller und Blake halten es dabei für unwahrscheinlich, dass ihre Lösungen ausgerechnet den
Zustand des kompletten Universums beschreiben – darum geht es aber auch gar nicht. Vielmehr
besteht das Ziel darin, menschliche Beobachtungen zu erklären. Und dass wir eine beschleunigte
Expansion des Universums zu sehen meinen, könnte nun schlichtweg daran liegen, dass wir gerade
einer solchen Welle hinterher schauen. Verhalten wir uns etwa wie ein Surfer, der aus der Betrachtung
der Welle, auf deren Kamm er sich bewegt, die beschleunigte Ausdehnung der Weltmeere
proklamiert? Für die Theorie der beiden Mathematiker spricht jedenfalls, dass sie ohne Ad-hocAnnahmen auskommt: Ihre Gleichungen sind aus grundlegenden und für richtig erkannten
Eigenschaften nicht interagierender Stoßwellen abgeleitet.
Dunkle Energie auf dem Rückzug
Physiker: In unendlichen Zeiten wird es keine Dunkle Energie mehr geben
In unendlichen Zeiten wird es keine Dunkle Energie im Universum mehr geben: Zu dieser Schlussfolgerung
ist jetzt ein Heidelberger Physiker in der Fachzeitschrift „Physical Review Letters“ gekommen. In seiner
neuen Studie hat er die bisher so rätselhafte Dunkle Energie speziell unter dem Gesichtspunkt der
Längenskalen betrachtet.
Das Universum besteht zu etwa 75 Prozent aus Dunkler Energie, doch direkt
beobachtet wurde sie noch nie. Selbst wenn ihre Existenz bisher nur indirekt
bewiesen wurde, so haben die Wissenschaftler bereits einige Eckdaten für diese
mysteriöse Kraft herausgefunden. So wird sie beispielsweise für die immer
schnellere Ausdehnung des Weltalls verantwortlich gemacht. Unklar ist aber
beispielsweise, ob die Dunkle Energie einen konstanten Wert inne hat oder sich
zeitlich verändert.
Längenskalen des täglichen Lebens
Die Welt der Sterne
© NASA
Professor Christof Wetterich vom Institut für Theoretische Physik der Universität
Heidelberg hat die Dunkle Energie speziell unter dem Gesichtspunkt der Längenskalen untersucht. Er postuliert in
seiner neuen Studie, dass Theorien ohne jegliche Längenskalen eine dynamische Dunkle Energie erklären.
„Die Längenskalen des täglichen Lebens sind von der Atomgröße vorbestimmt“, erläutert der Theoretische Physiker.
Die Atomgröße wiederum ist von der Wellenlänge der Elektronen abhängig und diese, so nehmen viele Physiker an,
von dem Higgs-Mechanismus, der die elektromagnetische und die schwache Wechselwirkung vereinheitlicht. Schließlich
hängt alles von der so genannten Planck-Skala ab, die sich in einem Größenordnungsbereich von 10 hoch minus 35
Metern bewegt.
Zwei Modelle
„Für die Herkunft der Skalen gibt es zwei Modelle“, erklärt Wetterich weiter. Entweder gab es schon immer eine
intrinsische Längenskala, wodurch die kleinste mögliche Länge vorbestimmt ist, oder es gibt keine derartige
ursprüngliche Längenskala. Danach wären die heute beobachteten Skalen durch eine so genannte spontane
Symmetriebrechung entstanden, die dazu führte, dass aus den anfangs gleichwertigen Skalen sich eine heraus
entwickelt hat, die nun alle anderen Größen bestimmt. Der Unterschied zwischen den beiden Modellen ist, dass im
zweiten Fall die Skalensymmetrie der alles bestimmende Faktor ist.
Diese Symmetrie ist es, die sich auch in höher dimensionalen Gleichungen mit mehr als drei Raumdimensionen
widerspiegelt und hier die kosmische Konstante beeinflusst, von der die Dunkle Energie einen Teil darstellen soll.
Dunkle Energie verschwindet
„Wenn die exakte Symmetrie alles bestimmt, dann ergeben sich stabile Lösungen nur, wenn Einsteins kosmologische
Konstante gleich Null ist“, beschreibt Wetterich das Ergebnis seiner Berechnungen. Dieser Zustand wird allerdings erst
in unendlich großen Zeiten erreicht. Er bedeutet ebenso, dass es in unendlich großen Zeiten keine Dunkle Energie mehr
geben wird. In endlichen Zeiten, also in dem Zeitraum, den wir gerade beobachten, existiert jedoch die Dunkle
Energie. Verursacht wird das durch eine Verletzung der Skalensymmetrie durch Quantenfluktuation.
Damit entwickelt sich nach den Überlegungen von Wetterich die Dunkle Energie dynamisch, wobei in unserem gut 14
Milliarden Jahre alten Universum nur noch ein geringer Rest an Dunkler Energie vorhanden ist.
(idw - Universität Heidelberg, 21.04.2009 - DLO)
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