Programmhinweis - phoenix Presse

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PROGRAMMHINWEIS
Montag, 18.November 2013, ab 18.30 Uhr
Kriegskinder (1/4 bis 4/4)
18.30 Uhr Kriegskinder
1/4: Vater muss an die Front
„Seit 5:45 Uhr wird zurück geschossen!“ Dieser Satz bedeutete für Millionen von
Kindern den Anfang vom Ende ihrer Kindheit. Die 4teilige Reihe „Kriegskinder“
geht auf Augenhöhe: Sie sucht die Sicht der Jungen und Mädchen, deren
Kindheit der Zweite Weltkrieg verschlang. Doch im Fokus stehen nicht allein die
Kinder in Deutschland. Erstmals erzählen auch die damals Jüngsten aus anderen
europäischen Ländern von dem, was sie während des Krieges erlebten, was sie
taten und was sie bis heute prägt.
Interviews und Auszüge aus privaten Schmalfilmen zeigen ungeschönte Eindrücke
aus dem Alltag der Hitlerjugend. Tagebuch-Aufzeichnungen von Hitlerjungen und
persönliche Fotos aus den Kindertagen der Zeitzeugen zeichnen alle Facetten des
Krieges abseits der Front: erschreckende, tragische und absurde Momente,
ebenso wie Alltägliches und Kindliches inmitten des Chaos.
In Deutschland erleben Kinder den Kriegsbeginn zunächst als willkommenes
Abenteuer. Wolfgang Pickert, damals neun Jahre alt, deutete die Kriegsmeldung
ganz wörtlich: „Es hieß doch 'zurückgeschossen'! Also: Wir sind bedroht von den
bösen Feinden, von den Polen und jetzt wird zurück geschossen. Ganz einfach.“
Pickert war wie viele Kinder dank der emsigen Propagandamaschinerie von
schmissigen Liedern, Hetzfilmen und dem Krieg als heroischem Leinwandspektakel
regelrecht elektrisiert: „Lass den Krieg so lange dauern, dass ich auch noch Soldat
werden kann!“, schicken Mädchen wie Jungen in den ersten Kriegsmonaten
Stoßgebete gen Himmel.
Für den Film erinnert sich auch Joachim Fuchsberger, Jahrgang 1927, an seine
Erlebnisse im Krieg. In Schwaben geboren, erlebt er jedoch seine Jugend im
Rheinland. Er erzählt: „Wenn wir ins Zeltlager gezogen sind, haben wir das sehr
romantisch gefunden. Wenn wir nachts am Lagerfeuer saßen und die schönen
Lieder sangen, von 'Schwarz-braun muss mein Mädel sein und schwarz-braun bin
auch ich' und lauter so einen Blödsinn. Das war die Zeit, die endete am 1.
September 1939, denn da wurde es ernst.“
Mädchen freuten sich über die Abenteuer des „Jungmädel-Daseins“ und warfen
den Soldaten, die gutgelaunt gen Front fuhren, Blumen zu. Alles, was sie über den
Krieg wussten, war wohldosierte Propaganda und schürte ihren kindlichen Eifer,
am liebsten selbst den Heldentod fürs Vaterland zu sterben. Anders dagegen die
Kinder, die von Hitlers Außenpolitik direkt getroffen wurden. Seit jenem Morgen im
September mussten die Kinder der „deutschen Feinde“ erwachsen werden und
ums Überleben kämpfen.
Dokumentation von Martin Hübner und Gabriele Trost, MDR/ SWR/2009
19.15 Uhr Kriegskinder
2/4: Mit den Bomben kam die Angst
Mit den Bomben kommt die Angst. Der Krieg greift nun massiv ins Leben der
Kinder ein. Die Nächte verbringen sie in düsteren Kellergewölben, am Tag
schreiben sie Aufsätze über die „heroischen Taten ihrer Soldaten“. Der Krieg rückt
näher und mit all seinen Eindrücken, Bildern, Gerüchen und Gefühlen frisst er sich
in die Seelen der Kinder.
Fliegeralarm schreckt die Menschen aus dem Schlaf, schlaftrunken stolpern Kinder
hinab in die Kellergewölbe. „Oft haben wir die ganze Nacht im Keller verbracht,
ohne Bettchen, ohne Schlaf. Und wenn dann die Erwachsenen anfingen zu beten
oder zu schreien...“ - Wolfgang Pickert ist damals elf Jahre und erlebt die
Bombennächte in Berlin.
„Ich kann bis heute nicht grillen. Ich habe niemals einen Grillabend mitgemacht.
Da kommt dieser Geruch hoch – von verbranntem Holz und Fleisch. So hat das
damals in Köln gerochen ...“ Der siebenjährige Walter Zierold aus Köln wird nach
seinen ersten Erlebnissen aufs Land verschickt, um ihn wie Millionen andere
deutsche Kinder vor dem Bombenhagel in deutschen Großstädten in Sicherheit
zu bringen. Ganz allein, ohne zu wissen, wohin die Reise geht. Ohne zu wissen, wie
lange sie dauern wird. Bis zum Kriegsende wird er von Ort zu Ort verschickt, trifft
seine Mutter nur für wenige Tage.
Viele Kinder versuchen auf ihre eigene Art, mit den schrecklichen Ereignissen
umzugehen. Sie spielen „Fliegeralarm“, sammeln die größten Granatsplitter und
lernen die Namen „heldenhafter deutscher Piloten“ auswendig. In der Schule
kassieren sie gute Noten für besonders überzeugende Aufsätze über den
„heroischen Kampf der Wehrmacht gegen die Bolschewiken im Osten“.
In der Sowjetunion wird der weltanschauliche Vernichtungskrieg grausamer
geführt als je zuvor. Deportationen, Hunger, Angst, Tod bestimmen den Alltag. Im
Oktober 1941 beginnt die Belagerung Leningrads, die über 900 Tage dauern wird.
Unbeschreibliches Elend, unter dem besonders auch die Kinder leiden. Die
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12jährige Tamara Gratschewa erinnert sich noch genau, wie sie zur Bergung von
Leichen eingesetzt wurde: „Einmal kam ich in eine Wohnung und da lag eine tote
Mutter, auf der ihr Kind kroch und weinend 'Mama' schrie.“
Dokumentation von Martin Hübner und Gabriele Trost, MDR/ SWR/2009
20.15/0.45 Uhr Kriegskinder
3/4: Mit dem Teddy auf der Flucht
Mit dem Vormarsch der Alliierten im Westen und der Roten Armee im Osten kehrt
der Krieg dorthin zurück, wo er begonnen hat. Hitlers Tausendjähriges Reich
schmilzt immer weiter zusammen. Im verzweifelten „Totalen Krieg“ werden nun
auch Kinder eingesetzt. Hitlerjungen, die als Luftschutzmelder oder Flakhelfer
Dienst tun, Mädchen, die zu Räumungsarbeiten oder der Betreuung von
Verwundeten herangezogen werden.
Der damals 14jährige Helfried Israel ist geschockt. Seine Träume vom Heldentod
prallen auf die erschütternde Realität: „Ein oder zweimal kam ein Lazarettzug und
da sollten wir Brote austeilen. Das war so furchtbar. Sterbende, schreiende
Soldaten, die zum Teil in ihrem Blut lagen“, erinnert er sich. Familien, vorwiegend
Frauen und Kinder, mussten seit Herbst 1944 ihre Heimat verlassen. Die elfjährige
Jutta Hartwig wurde in den Wirren einer überstürzten Flucht von ihrer Mutter
getrennt. Am Bahnhof packte ein Fremder beherzt das einsame Kind und schob
es in eine Lokomotive. Jutta war gerettet, doch nun begann eine Odyssee durch
unzählige Bahnhöfe und Flüchtlingslager. Ihre Mutter sollte sie nie wieder sehen.
Für jene, die es nicht geschafft haben, den Rotarmisten rechtzeitig zu
entkommen, wurde die Lage dramatisch. Mädchen erlebten, wie ihre Mütter und
Tanten vor ihren Augen vergewaltigt wurden. Und auch sie selbst blieben nicht
verschont, egal wie jung sie waren.
Als letztes Aufgebot wurden Jungen als Volkssturm-Soldaten verheizt. Mit
Panzerfaust und Karabiner sollten sie an der Seite der Großväter den Feind
stoppen. Für den 15jährigen Hitlerjungen Artur Führer eine Bewährungsprobe, für
die er sich freiwillig gemeldet hat. Doch seine Mutter bricht beim Abschied in
Weinkrämpfe aus. „Du bist doch noch so jung“, hat sie geschrien. Und da hab' ich
mich losgerissen und gesagt, „Mutter, ich muss da hin', und dann bin ich
gegangen und hab' mich nicht mehr umgedreht.“
Je näher der Krieg auf Deutschland zurollt, desto weiter rückt er aus dem
unmittelbaren Blickfeld der Kinder in den befreiten bzw. zurückeroberten
Gebieten in der Sowjetunion, Frankreich und Polen. Aber wie nach alle dem
zurückfinden in die Normalität des Lebens - und wer weiß überhaupt noch, was
das eigentlich ist?
-3-
Dokumentation von Gabriele Trost, MDR/ SWR/2009
21.00/1.30 Uhr Kriegskinder
4/4: Von der Schulbank ins Gefecht
Ab September 1944 werden per Führer-Erlass „alle waffenfähigen Männer von 16
bis 60 Jahren“ zum „Deutschen Volkssturm“ einberufen. Mit „allen Waffen und
Mitteln“ sollen sie nun „den deutschen Heimatboden“ verteidigen. Doch die Alten
und Jungen waren schlecht ausgebildet und noch schlechter ausgerüstet. Mit
Panzerfäusten und Karabinern sollen sie den weiteren Vormarsch der Alliierten
stoppen - ein Selbstmordkommando…
Einer von ihnen ist der damals 16jährige Gregor Dorfmeister. In einem Wald nahe
seiner Heimatstadt Bad Tölz wird er in Stellung gebracht. Er soll mit seinen
Schulkameraden eine Brücke gegen amerikanische Panzer verteidigen. Und
plötzlich ist er mitten im Gefecht: „Da denkt man nur eins: Ich möchte treffen. Und
dann ist man auf befriedigt, wenn man getroffen hat.“ Der jahrelange Drill zeigt
Wirkung. Doch er hilft nicht gegen die Angst, wenn es ums eigene Leben geht:
„Man könnte vor Angst in die Hose machen. Aber selbst das geht nicht mehr, weil
die Angst so groß ist. Man betet. Man betet kein Vater Unser, weil man gar nicht
fertig werden würde. Aber man betet: 'Lieber Gott, hilf mir.'“
Oft sind es nur wenige Tage, die die Jungen im Gefecht erleben. Doch es sind
Tage, die sie bis heute prägen. „Ich hab Jungs gesehen, bei denen der Kopf weg
war, wo die Beine zerschmettert waren. Die sind neben mir verblutet. Und ich
konnte denen nicht helfen! Die haben nicht 'Hilfe!' geschrien, die haben 'Mutter!'
geschrien“, erinnert sich der damals 15jährige Artur Führer. Und plötzlich merkt er,
dass sein hoch dekorierter Vorgesetzter schon das Weite gesucht hat. Wie in
vielen anderen Stellungen auch. „Da hab ich nicht mehr ans Töten gedacht. Da
wollte ich nur noch mein eigenes Leben retten. Ich wollte 16 werden! Für Führer,
Volk und Vaterland? Alles vergessen!“ Er türmt. Ein riskantes Unternehmen, denn
wer desertiert, wird erschossen.
Joachim Fuchsberger gerät am 2. Mai 1945 in russische Kriegsgefangenschaft.
Den russischen Lagern eilt kein guter Ruf voraus, doch der 18Jährige hat Glück.
Aufgrund seiner Kenntnisse als Fallschirmjäger wird er bei den Amerikanern gegen
andere Gefangene „eingetauscht“. Kurz darauf wird er an die Engländer
„weitergegeben“ und entlassen, weil er sich freiwillig für die Arbeit im Bergwerk
meldet.
Zu Kriegsende müssen die meisten Familien den beschwerlichen Alltag ohne die
Väter meistern. Sie sind gefallen, vermisst oder in Kriegsgefangenschaft. Etwa
3.630.000 Soldaten der Wehrmacht sind insgesamt inhaftiert. Die Amerikaner
beginnen bereits Mitte Mai 1945 mit den Entlassungen. Zwischen Frühjahr 1947
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und Dezember 1948 entlassen dann auch die anderen Siegermächte sämtliche
deutsche Kriegsgefangene.
Dokumentation von Gabriele Trost, MDR/ SWR/2009
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