Umschlagtext: Die Autorin unternimmt einen weiträumigen Streifzug

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Umschlagtext:
Die Autorin unternimmt einen weiträumigen Streifzug durch die
Geschichte der Psychotherapie und deren Vorläufer. Vorrangig
beschäftigt sie, warum das Konzept Seele so alt und die Seelenkunde so
jung ist, und warum die griechischen Philosophen näher an einer
‚Psychologie‘ waren als je die christlich-klerikal dominierten Jahre nach
Roms Untergang..
Ihre Thesen gründet Luna Gertrud Steiner auf die ‚psychiatrische‘
Krankheitslehre Barthélemy Pardoux‘ (Perdulcis‘) De morbis animi
(~1610). Sie übersetzte den lateinischen Text und arbeitete ihn
diskursanalytisch auf, ein Verfahren, das die Kulturrelativität allen
diagnostischen und therapeutischen Unterfangens überdeutlich an Licht
bringt.
Ihren an der Historie geschärften Blick dehnt die Autorin schließlich
auf die gegenwärtige Psychotherapielandschaft und deren Bedingtheiten
aus.
Abstract:
Das Buch ist die überarbeitete Fassung der psychotherapiegeschichtlichen
Dissertation der Autorin.
Die noch sehr junge Psychotherapie(-wissenschaft) muss sich u.a. mit der
Geschichte der Psychiatrie befassen, will sie ihre Vorläufer würdigen,
welche im 19. Jahrhundert zu ihrer eigentlichen Entstehung führten.
Als historische Textgrundlage zog die als Philologin und
Psychotherapeutin tätige Autorin die Nosologie des französischen Arztes
Barthélemy Pardoux‘ Über die Geisteskrankheiten (De morbis animi,
verf. ~ 1610) heran, welche sie 1. aus dem Lateinischen übersetzte und 2.
analysierte und kontextualisierte. Aus dem in der Psychiatriegeschichte
ziemlich unbekannten Text förderte sie per Text- und Diskursanalyse
geschichtliche, kulturelle, politische und soziale Bezüge zutage.
Pardoux‘ Krankheitslehre enthüllt, dass sich Diagnosen, ja Diagnostik
überhaupt und die auf ihr gründende Therapeutik, von den heutigen
grundlegend unterschieden, was wiederum illustriert, dass jegliche
Ordnung (hier: seelisch-geistige Gesundheit) sowie deren Störung zeitund kulturspezifisch definiert sind und den jeweiligen Habitus
(Bourdieu), das Erzeugungsprinzip von Denken, Verhalten und Handeln,
widerspiegeln. Aus dem vordergründig humoralmedizinischen Text
ließen sich eine Reihe weiterer Diskurse und Diskursstränge
herausfiltern, z.B. politische, religiöse, kirchengeschichtliche,
gesellschaftliche, philosophische und literarische. Die Codierung von
Geisteskrankheiten scheint seit jeher in enger Allianz mit literarischen
Herangehensweisen gestanden zu haben, was hier am Beispiel der
Lykanthropie diskutiert wird.
Die Diskrepanz zwischen der Betagtheit der ‚Seele‘ und der
vergleichsweise so jungen Seelen-Kunde liefert der Autorin die erste
Forschungsfrage, die sie, in der griechischen Antike beginnend, diachron
zu beantworten sucht und auf der Grundlage von De mobis animi die
Verhältnisse rund um 1600 näher heranzoomt.
Wer in Perdulcis‘ Text Vorboten ‚tiefenpsychologischer‘ Betrachtung
und entsprechend raffinierter Therapeutik aufzufinden hofft, geht leer
aus, denn die gesellschaftlich-kulturellen Voraussetzungen waren noch
nicht gegeben. Der Autoritarismus, vertreten durch Staat und Kirche,
erlaubte Selbstorientierung und Introspektion und davon abgeleitetes
autonomes Handeln nicht. Das in der sokratischen Philosophie bereits
angedachte selbständige Denken ging in den christlich dominierten
Epochen Mittelalter und Renaissance zu Bruch – ein Rückschritt, der erst
in der Aufklärung wieder aufgeholt wurde.
Die diachrone Tour d‘ Horizon und ideengeschichtliche Reflexion der
Psychiatrie/Psychotherapiegeschichte muss notwendigerweise gerafft und
selektiv ausfallen, weswegen die Autorin sich auf einige wenige
psychotherapeutische Schlüsselbegriffe konzentrierte, welche für die
moderne Psychotherapie konstitutiv sind: Subjektivität, Individualismus,
Selbstreflexion, Introspektion, Zusammenspiel von Geist/Körper/
Emotion, empathiegeleitete Ethik. Unter den mittlerweile 23 in
Österreich anerkannten Psychotherapierichtungen nimmt sie die
humanistischen stärker in den Blick, nicht zuletzt, um die Wechselfälle
und (Dis-)Kontinuitäten des Humanismusbegriffes aufzuzeigen.
Luna Gertrud Steiner, Dr.in Mag.a, Jg. 1954, aufgewachsen in der
Provinz (Niederösterreich). ● Studium der Anglistik, der klassischen
Philologie und der Psychologie an der Universität Wien ● Erst AHSLehrerin, dann Psychotherapeutin in freier Praxis in Baden und in Wien ●
Psychotherapiegeschichtliche Dissertation über die Kulturabhängigkeit
psychiatrischer Diagnosen an der SFU Wien ● Übersetzt Fachbücher,
Romane und Kurzgeschichten aus dem Englischen und aus dem
Neugriechischen ● Schreibt Rezensionen, Essays und literarische
Fragmente, zuletzt ‚Mutterwund’ in: Habringer R/Mautner JP (2006) Der
Kobold der Träume, Picus Wien ● Lebt in Wien und auf Kreta.
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