Karfreitag

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Nr.
Datum
28
22. 04. 2011
Titel
Untertitel
Lied vor der Predigt
Lied nach der Predigt
Anlass
Predigttext
Autor
Wieland
Karfreitag
Lk. 23, 33–49
Schubing
Karfreitag-auch eine Gelegenheit, mal über
uns nachzudenken
EG 391, 1-4 Jesu geh voran
-
Liebe Gemeinde!
Eines der ältesten Zeichen, das man in Rom gefunden hat und das beweist, wie früh es dort schon
Christen gab, ist eine Wandkritzelei von einem nichtchristlichen Römer, die das Christuszeichen
mit einem Eselkopf zeigt. Darunter steht: Chrestos betet seinen Gott an.
So also sah das ein gewöhnlicher Römer. Er hatte mitbekommen: da waren fromme Leute aus der
Provinz Judäa, irgendwie Juden, die ja schon lange unter den Römer lebten. Aber diese Juden
glaubten, ihr Gott habe einen Sohn und den hätte er auf die Erde geschickt und das sei ein Mensch
aus Galiläa gewesen mit Namen Jesus.
Nun: das bringt einen Römer noch nicht aus der Ruhe. Sie kannten das, dass man Helden,
wie Herkules und Romulus vergöttlicht. Auch bei Kaisern war das üblich. Allein 36 von 60 Kaisern
Roms – von Augustus bis zu Konstantin- wurden vergöttlicht- und einige davon sogar schon zu
Lebzeiten, wie z.B. Caligula, Claudius, Nero und Diokletian.
Göttliche Menschen und Göttersöhne, das kannte man in Rom; daran glaubte die ganze antike Welt
schon lange vor den Christen:
Und die mussten verehrt, angebetet und ihnen musste in Tempeln geopfert werden.
Und schon den Griechen, wie auch dann den Römern kam es auf einen Gott oder einen Gottessohn
mehr oder weniger nicht besonders an. So konnte jeder seine eigenen Volksgötter, ja sogar Familien
und Hausgötter haben- Hauptsache: man machte auch den offiziellen Götter- und Kaiserkult mit.
Bis jetzt ist für unseren gewöhnlichen Römer noch alles im Rahmen des ihm Vertrauten.
Und trotzdem war diese neue Religion für ihn eine einzige „Eselei“ und deshalb setzte er dem
Christuszeichen einen Eselskopf auf.
Bei all seiner römischen Toleranz bei religiösen Fragen und Vorstellungen- diese neumodische
Religion ist für ihn eine einzelne „Eselei“ und ihre Anhänger müssen deshalb für ihn auch Esel sein.
Über Gott und Gottes Sohn und dessen Predigten und Wunder hätte unser Römer ja noch mit sich
reden lassen.
Aber: an einen Menschen zu glauben, der ohne Macht und ohne Anhängerschaft war und von dem
die Christen selbst ausführlich erzählten, wie verlassen und schrecklich er an seinem Lebensende
leiden musste und ganz offensichtlich mit seinen Vorstellungen scheiterte und letztendlich von der
jüdischen Geistlichkeit und der römischen Besatzungsmacht wie ein- genauer gesagt- als
Gotteslästerer und Verbrecher verurteilt wurde und am Kreuz einen ehrlosen sterben musste.
Für einen halbwegs aufgeklärten Römer also ein klarer Fall:
- Menschen, die sichtbar ohne Erfolg sind, die leiden und so sterben,
braucht niemand zu verehren.
- Gottessöhne, die leiden und so sterben- unvorstellbar.
- Und dann „Auferstehung“, wenn man erst drei Tage tot war- das ist sowieso Aberglaube.
Soviel sei vorneweg, als allgemeine Einleitung zum heutigen Karfreitag gesagt.
Worüber wir heute nachdenken wollen- den Tod Jesu am Karfreitag zu „feiern“ klingt ja
missverständlich- ist die Schilderung, die uns Lukas von diesem Ereignis gibt und von dem viele
Theologen und nicht nur unser Römer meinen, dass es uns ganz zentral von allen anderen
Religionen unterscheidet.
Und so steht mit Recht in den Karfreitagpredigten meist die Kreuzigung Jesu und ihre Bedeutung
für unseren Glauben im Mittelpunkt.
Doch gerade bei Lukas kann man noch andere Aspekte finden, über die es sich lohnt, zu predigen
und nachzudenken. Deshalb wollen wir heute einmal nicht in erster Linie über Jesus nachdenkensondern über uns, um dann so doch auch über Jesu Passion- und dabei natürlich, wie es sich gehört,
vom Predigttext ausgehen.
Lukas berichtet nämlich auch einiges über die Menschen, die bei der Kreuzigung dabei warenüber die damaligen Zuschauer.
Wir haben heute morgen im Predigttext von diesem Ereignis gehört, d.h. Wir betrachten sozusagen
Jesu letzte Stunden, zeitlich von ferne- in einem Abstand von fast zweitausend Jahren. Man könnte
deshalb sagen, wir sind Zuschauer, die rückblickend auf diese Geschichte schauen.
Und so gesehen gehören auch wir zu dem „Volk“ über das Lukas schreibt: Das Volk stand dabei
und sah zu, viele sind nur aus Schaulust gekommen und am Ende gingen sie betroffen weg.
Was sie hier sehen, verstehen sie nicht. Für viele wird Jesus- um im Anfangsbild zu bleiben,- wie
ein Esel vorgekommen sein: da stirbt einer als Verbrecher am Kreuz, von dem man so viele tolle
Sachen gehört hat- Wunder, Heilungen, Reden, Predigten und Taten, mit denen er Menschen
geholfen hat und mit denen er sich mit den Frommen und der Geistlichkeit seiner Religion angelegt
hat, von dem man sich so viel noch erhofft hatte, von dem manche sogar glaubten, er sei der König
der Juden, der verheißene Messias, der das versprochene Reich Gottes bringen würde. Und dieser
Mensch- Prophet, Menschensohn, Messias oder wie immer er sich oder andere ihn genannt haben
mögen,- dieser Menschen hängt jetzt leidend zwischen zwei Verbrechern den Tod vor Augen.
Das macht viele Unbeteiligte- eben Zuschauer- neugierig und schaulustig. Dass reizt zu Spott und
Widerspruch.
Mir scheint, hier hält Lukas uns auch heute noch einen Spiegel vor- und ich sage bewusst uns.
Ich glaube irgendwie können wir uns alle in diesen Zuschauern selbst erkennen und wiederfinden.
Mir scheint, wir müssen nicht lange nachdenken, um Beispiele zu finden, wo auch wir über andere
schon Vergleichbares gedacht haben:
z.B.:

„Da hast Du Dich selbst reingeritten, wenn Du wirklich so ein toller Kerl bist, dann hilf Dir
selbst“, oder

„Das geschieht Dir gerade Recht.“ oder

abwertend, wenn z.B. ein Arzt an einer schweren Krankheit leidet oder stirbt: den andern hat er
geholfen, sich selbst kann er nicht helfen.- oder

Wie viel Schadenfreude empfindet man oft, wenn ein selbstbewusster und siegessicherer
Politiker oder Sportler eine saftige Niederlage erleidet. Oder

Wie leicht schlägt Verehrung und Wohlwollen in Hohn, Spott und Vorwürfe um, wenn uns
jemand enttäuscht, von dem wir anderes und mehr erwartet haben (das kann sogar den
Ehepartner und die eigenen Kinder treffen).
(Hier können beliebig mehr oder andere Beispiele eingefügt werden)
Diese Haltung der Zuschauer und Spötter betont Lukas ganz besonders- und entlarvt sie: und jetzt
hat sich das Ganze umgedreht: jetzt sind die Zuschauer die Esel. Sie sind zu dumm und
voreingenommen, um überhaupt zu begreifen, was sie da tun. Und deshalb betet Jesus „Vater
vergibt ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“.
Ich glaube, hier betet Jesus auch für uns. Oft ist es uns auch nicht wirklich bewusst, wie und warum
wir Mitmenschen mit Hohn, Spott, mit Häme, Ironie und Sarkasmus begegnen. Ich vermute, da
geht es gar nicht immer um Schadenfreude, eben um die Freude einen anderen leiden zu sehen.
Viele Psychologen vermuten, dass da mehr dahinter steckt, dass eine solche Haltung besonders
typisch ist für unsere heutige Zeit. Sie meinen, es geht in Wahrheit um uns selbst. Wir selbst sind
das Problem, denn im Grunde wollen wir alle im Grunde keine Verlierer, keine Schwächlinge,
keine Loser und keine Leidenden sein und schon gar nicht an den eigenen Tod denken.
Mit allen psychologischen und medizinischen Tricks versuchen wir uns Ohnmacht, Schwäche und
Leiden vom Leibe zu halten und orientieren uns deshalb an den Reichen und Schönen, den
Mächtigen und Erfolgreichen.
Unsere Leitbilder, die uns täglich eingeredet werden sind Stärke, Stabilität, Erfolg und Geld,
Anerkennung und ewige Jugend.
Und entsprechend negativ ist unsere Einstellung gegen uns und andere, wenn wir und andere
diesem Bild nicht entsprechen.
Und so läuft bei Lukas in der Kreuzigungsszene alles auf diese Wahrheit zu: Im Gegenüber zu dem
am Kreuz hängenden ohnmächtigen „Gerechten“ zeigt sich die tiefe Entfremdung des Menschen,
der mit aller Macht am Leben hängt, genauer- an dem, was er unter Leben versteht.
Wir wollen von Niederlagen, Leiden und Tod möglichst nichts wissen, obwohl wir täglich davon
hören und sehen, versuchen wir es uns nicht zu nahe kommen zu lassen, bleiben wir lieber
„Zuschauer“.
Und so verweigern wir uns oft, fremdes Leiden überhaupt erst ernsthaft wahrzunehmen, uns davon
betroffen machen zu lassen und noch mehr- uns darüber Gedanken zu machen, ob wir etwas falsch
machen, oder ob wir etwas dagegen tun könnten.
Dagegen zeigt uns Lukas Jesus als Beispiel und Vorbild, wie er unschuldig – Leiden erduldet und
annimmt und dabei noch seinen Peinigern und Gaffern vergibt.Aber Lukas weiß natürlich auch, dass Jesus als der leidende und sterbende Herr für uns Christen ein
Vorbild ist, dass durch kein anderes ersetzt werden kann und, dass wir ihn nie darin erreichen
können.
Aber dieser Jesus kann uns in einer Welt Orientierung geben, in der sich Menschen über ihr eigenes
Wesen und Leben täuschen und Illusionen machen.
Erfahrungen von Enttäuschungen, Misserfolgen, Leiden und Sterben zeigen uns mehr über das
wirkliche Wesen unserer Welt und über unser Leben, als die angebeteten Idole, die Leitbilder und
die Versprechungen, die man uns heute von allen Seiten zeigt und macht.
Und indem Jesus diesem Verbrecher, dem die Augen aufgehen und der in Jesus die Wahrheit über
sein und unser Leben erkennt, das Paradies verspricht, drängt der Text auf Annahme unseres
Lebens, wie es eben in Wirklichkeit oft ist, ja sogar auf Kreuzesnachfolge.
In der Kreuzesnachfolge gewinnt für Lukas die Gemeinschaft mit Christus Gestalt. Und diese
Nachfolge verwirklicht sich dann eben auch als Solidarität mit den Schwachen und Ohnmächtigen,
indem wir akzeptieren, dass auch wir oft schwach und ohnmächtig sind.
Wir brauchen das Schwache und das Leiden bei uns und anderen nicht mehr verdrängen, wir
können es annehmen und uns ihm stellen.
Und wenn wir dieses unser Leben als Geschenk von Gott verstehen, dann werden und können wir
das Menschenmögliche machen, damit es für uns und andere gelingt. Aber eben im Rahmen des
Menschenmöglichen.
Deshalb lohnt es sich weiter darüber nachzudenken, wer der Esel ist und was die Eseleien unseres
Lebens und Glaubens sind. Im Blick auf die Passion Jesu könnte uns da manches Licht aufgehenund als Trost für uns alle- auch die Jünger Jesu haben noch über Ostern hinaus ziemlich lange
gebraucht, bis ihnen ein Licht aufgegangen ist, bis sie dem Leiden und Sterben Jesu einen tieferen
Sinn geben konnten.
Amen.
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