1 Bayreuth, den 15.3.15 Johannes 12,20-26 Liebe Gemeinde! Bücher und Filme über Zeitreisen sind "in". Da geht es um Personen, die in die Vergangenheit oder in die Zukunft reisen können und dort irgendwelche Abenteuer erleben. Das wäre natürlich sehr aufregend, wenn solche Reisen wirklich möglich wären! Ich habe einmal ein sehr faszinierendes Buch über einen Zeitreisenden gelesen. Es heißt "Zurück" und ist von dem Theologen Fabian Vogt geschrieben. Ein Mann muss jeden Tag - für ihn unerklärlich - ein Jahr zurück in die Vergangenheit reisen. Ziel dieser Reise war die Zeit, in der Jesus lebte. Nach 2000 Tagen etwa war er dort. Manche Menschen wünschen sich das ja: Zur Zeit Jesu zu leben, die Geschichten des Neuen Testaments hautnah miterleben zu dürfen, die Wunder aus nächster Nähe sehen zu dürfen. Auch zweifelnde Menschen sagen manchmal: Ja, wenn wir das hätten sehen können, was Jesus getan hat, wenn wir dabei gewesen wären, dann würden wir glauben. Auch bei Konfirmanden taucht immer wieder die Frage auf: "Woher wissen Sie denn, Herr Opitz, dass das stimmt, was Sie uns da erzählen: von Gott, von Jesus und der Bibel?" Würde auf diese Frage wirklich eine Reise in die 2 Zeit von Jesus weiterhelfen? Stellen wir uns einmal vor: Die nächste Konfirmandenfreizeit ginge nicht nach Haidenaab wie letztes Wochenende sondern nach Israel ums Jahr 30 herum, also in das Land und in die Zeit, in der Jesus gelebt hat. Und stellen wir uns vor: Wir könnten die Geschichten von Jesus wirklich alle miterleben. Würde das wirklich euch, die ihr vielleicht noch zweifelt, und uns allen auch, die so ihre Fragen und Zweifel haben, weiterhelfen? Und stellen wir uns vor, wir würden diese Griechen, von denen unser Predigttext erzählt hat, in Jerusalem treffen. Die erzählen euch: "Wir wollen Jesus sehen. Der soll zur Zeit in Jerusalem sein." Und ihr antwortet: "Das trifft sich gut. Genau das wollen wir auch: Einmal den sehen, von dem wir schon so oft gehört haben. Wir wollen wissen, ob es ihn gibt, und ob er wirklich der ist, der er zu sein beansprucht: der Sohn Gottes." Durch eine glückliche Fügung trefft ihr einen Anhänger von Jesus, einen seiner Jünger. Und ihr stellt ihm euer Anliegen vor: "Wir würden gern Jesus sehen!" Wenn ihr aufgepasst habt, wisst ihr, wie die Geschichte weiterging: Die Jünger Philippus und Andreas leiten eure Bitte an Jesus weiter. Und der gibt eine merkwürdige Antwort. Er vergleicht sich selber mit einem Weizenkorn. 3 Das wird in den Acker gesät und mit Erde bedeckt. Es sieht so aus, als ob es unter der Erde verloren ist, wie tot. Aber das ist nicht der Fall. Nach wenigen Wochen sieht man einen Halm aus dem Erdboden sprießen. Dieser Halm wächst und wächst. Schließlich bildet sich eine Ähre mit neuen Weizenkörnern. Frucht ist entstanden, weil ein Weizenkorn gesät worden ist. Es musste gewissermaßen sterben, damit dieses Wunder entstehen kann: eine mit Weizenkörnern besetzte Ähre. Was soll dieses merkwürdige Bild? Jesus weist damit auf seinen eigenen Tod hin. Er wusste ja, dass er sterben musste. Ein paar Tage später war es soweit. Jesus wurde wie ein Verbrecher lebendig an ein Kreuz genagelt und starb dort. Das wusste Jesus. Er vergleicht seinen Tod mit einem Weizenkorn, das in die Erde gelegt wird. Aber dieses Weizenkorn bringt zur gegebenen Zeit Frucht. So ist auch der Tod von Jesus nicht sinnlos. Sondern er bringt ein wunderbares Ergebnis hervor. Jesus starb am Kreuz stellvertretend für die Sünde aller Menschen. Die Strafe für die Sünde lag auf ihm, so sagte es schon der Prophet Jesaja voraus. Und jeder, der Vergebung seiner Sünden haben will, der braucht nur an den gekreuzigten Jesus zu glauben. Dann hat er Vergebung, hat das ewige Leben. Nun werdet ihr euch fragen: Was haben denn diese Worte 4 mit der Bitte, Jesus sehen zu wollen, zu tun? Die Antwort lautet: Was nützt es dir, wenn du Jesus siehst? Damit kommst ihm auch nicht näher. Du begreifst auch nicht, wer er ist, wenn du hautnah ein Wunder von ihm erleben würdest. Die Gegner von Jesus haben seine Wunder nicht leugnen können und haben trotzdem nicht an ihn geglaubt. Für sie war er im Bunde mit finsteren Mächten. Die große Masse hat seine Wunder gesehen. Sie war begeistert. Aber sie begriff nicht, wer Jesus war: kein Wundertäter, der alle ihre Probleme lösen will, sondern der Heiland der Welt, der für ihre Sünde stirbt. Auch du, der du zweifelst, würdest nicht durch ein erlebtes Wunder zum Glauben an Jesus kommen. Das reicht zumindest nicht aus. Pfarrer Alexander Garth hat dazu einmal eine eindrückliche Geschichte erlebt. Er war Pfarrer in Sonneberg. Margarete, eine junge Frau, kommt zum Glauben an Jesus. Ihr Mann Stefan läst sich aber durch das Vorbild seiner Frau nicht in seinem Unglauben beirren. Immer im August findet in dem Ort eine große Tombola statt. Halb Sonneberg kauft sich ein Los. Auch Stefan kauft sich eins. Der Hauptgewinn: ein VW-Polo, den der der schlecht bezahlte Arbeiter gut gebrauchen könnte. Er verkündet: "Wenn ich den Polo gewinne, dann 5 glaube ich an Gott!" Alle Christen, die den Satz gehört hatten, beteten: "Lass doch den Stefan den Polo gewinnen!" Auch Pfarrer Garth flehte: "Gott, tu's für ihn!" Und tatsächlich: Stefans Los gewinnt den Hauptgewinn! Die Christen freuen sich: Jetzt wird der Stefan sicher auch glauben! Aber genau das Gegenteil geschieht. Der Gewinner fährt mit dem waldgrünen Polo nach hause - und bricht den Kontakt zur Gemeinde und den Christen ab. Nichts konnte ihn in seiner Meinung erschüttern: Gott gibt es nicht. Es kann ihn nicht geben. Alles Zufall. Du kannst Jesus sehen. Du kannst seine Wunder sehen und doch nicht glauben. Stellen wir uns weiter vor: Wir könnten bei unserer Zeitreise einige Tage in Jerusalem bleiben und würden den Weg von Jesus weiter verfolgen. Und wir hätten mitbekommen: Heute, an einem Freitag, wird er hingerichtet. Draußen vor der Stadt auf dem Hügel Golgatha soll er an einem Kreuz sterben. Und wir wären dabei und würden den qualvollen Tod von Jesus hautnah miterleben. Ihr könnt es euch ungefähr vorstellen, wie das sein würde. Die Meisten von euch haben ja Filme gesehen, in denen die Kreuzigung gezeigt wird. Würdet ihr an Jesus glauben, wenn ihr bei seiner Kreuzigung dabei sein könntet? Eher nicht. Wahrscheinlich wäret ihr von 6 dem Geschehen geschockt, weil ihr noch nie bei einer Hinrichtung dabei gewesen wart. Vielleicht hättet ihr Mitleid mit dem Mann am Kreuz, mit Jesus, der so grausam sterben muss. Aber das ist kein Glauben. Glauben heißt zu begreifen und für sich zu ergreifen: Dieser Jesus ist für meine Sünde am Kreuz gestorben. Für mich. Ich hätte verdient, dass ich da hänge und sterbe, als Strafe für meine Sünde. Aber Jesus hat diese Strafe auf sich genommen. Aus Liebe zu mir. Er hat alles für mich getan. Er hat sein Leben für mich geopfert und möchte nun auch, dass ich ihn liebe und alles für ihn tue, so wie er für mich. Vom Maler Domenico Feti wird erzählt, wie er aus seiner Gleichgültigkeit Jesus gegenüber herausgerissen wurde. Dieser findet bei einem Spaziergang ein hinreißendes Modell, ein junges Mädchen. Sie geht mit ihm ins Atelier und lässt sich von ihm malen. Dort entdeckt sie eine andere, nahezu fertige Arbeit des Malers, ein Altarbild, das die Kreuzigung Jesu darstellte. Neugierig stellt sie Fragen. „Wer ist das?“ „Christus“, antwortete Feti gleichgültig. „Was geschieht mit ihm?“ „Er wird gekreuzigt.“ Sie stellt Fragen um Fragen. Widerwillig beantwortet sie Feti, er hat ja nur sein neues Bild im Kopf. Und schließlich erzählt er ihr die ganze Geschichte der 7 Kreuzigung. Das Mädchen ist tief bewegt. Schließlich, nach dem letzten Besuch im Atelier, steht sie vor dem Altarbild und kann sich nicht von ihm trennen. Aber dann wandte sich das Mädchen langsam um und sagte zum Maler: „Nicht wahr, Herr, Ihr liebt ihn sehr, weil er das alles für Euch getan hat?“ Das Gesicht, in das sie sah, wurde dunkelrot. Der Künstler schämte sich. Daran hatte er noch nie gedacht. Diese Frage wurde er nicht mehr los. Er wurde ein Suchender nach der Liebe Christi. Er glaubte zwar an die Lehren der Kirche, hatte aber ein kaltes Herz für Christus. Und schließlich fand er das, was er suchte: einen lebendigen Glauben. Möchtest du auch mit ihm leben, weil er dich so liebt? Es ist deine Entscheidung, eine Entscheidung, die ich niemandem abnehmen kann. Du musst keine Zeitreise unternehmen, um an Jesus glauben zu können. Du musst ihn und seine Wunder nicht gesehen haben. Du hast die Bibel, in der du lesen kannst. Du hast diese Predigt und so manche andere auch, vielleicht sogar sehr viele, gehört. Du kannst glauben. Du kannst nur dann nicht glauben, wenn du nicht glauben willst. Das gibt es natürlich. Meist hat dieses Nicht Glauben Wollen einen Grund: Du meinst, etwas zu verlieren, wenn du an Jesus glaubst, deine 8 Unabhängigkeit, bestimmte Dinge in deinem Leben, die nicht in Ordnung sind, die du aber nicht lassen willst. Mit einem Wort: Du willst lieber mit der Sünde leben als mit Jesus. Wer so leben will, gerade der verpasst sein Leben, sagt Jesus hier. Unabhängig von Gott sein wollen, so leben, wie man es selber für richtig hält, macht nicht glücklich. Eltern wissen es von ihren Kindern: Eigensinnige und bockige Kinder sind nicht glücklich. Sie schaden sich eher selber - und anderen natürlich auch. Du bist nicht glücklich, wenn ein Leben lang nur dein eigenes Ich im Mittelpunkt steht. Du bist es nur dann, wenn du mit Jesus lebst, ein Leben in seiner Nachfolge. "Folge mir nach!" so hat Jesus immer wieder Menschen angesprochen. Und viele Menschen taten es, ließen alles stehen und liegen und gingen mit ihm. Vielleicht fragst du jetzt: "Wie soll das gehen: Jesus nachfolgen? Ich sehe ihn ja nicht!" Auch hier gilt: Du brauchst ihn nicht zu sehen. Jesus nachfolgen heißt in seiner Nähe zu sein, heißt auf das zu hören, was er dir sagt, in der Bibel oder wie heute in dieser Predigt. Es heißt auch immer wieder im Gebet zu fragen: Was willst du, das ich tun soll? Und was soll ich lassen? Wenn du so ehrlich fragst, wird er dir Antwort geben. So habe ich es immer 9 wieder in meinem Leben erfahren. Sicher, das ist nicht immer einfach und angenehm. Wer Jesus nachfolgen will, der wird es immer wieder erfahren, dass er von einem etwas verlangt, was ihm widerstrebt. Es kann mir klar werden, dass ich diese oder jene Sünde aufgeben und nicht mehr mit ihr spielen soll. Oder Jesus lässt mich einen Weg gehen, der mir ganz und gar nicht passt. Wer sich dann auflehnt, wird nur noch unglücklicher und verscherzt sich einen großen Segen. In solchen Lagen sollte er viel lieber beten: „Herr, wenn es dir nicht gefällt, was ich tue, soll es mir auch nicht gefallen. Und wenn es dir gefällt, was mir gerade geschieht, dann soll es mir auch gefallen.“ Wer sich so dem Willen Gottes beugt, der wird immer gesegnet. Was ihm vorher unerträglich schien, das findet er auf einmal nicht mehr zu schwer. Der Weg, den Jesus von uns will, gefällt uns sicher manchmal nicht. Er scheint uns zu schwer und zu hart zu sein. Aber eines dürfen wir wissen: Diesen Weg geht Jesus mit. Er lässt ihn uns nicht alleine gehen. Den Weg, auf dem wir nur unseren Eigensinn ausleben, müssen wir allein gehen - bis zum bitteren Ende. Es ist ein Weg, der von Gott wegführt und nicht in den Himmel. Aber auf dem Weg der Nachfolge begleitet uns Jesus. Er verspricht uns seinen 10 Geist und seine Kraft, wenn wir ihm gehorsam sein wollen. Auf den schwierigsten Wegstrecken will er uns ganz besonders nahe sein. Wo wir am schwächsten sind, will er mit seiner Kraft besonders mächtig sein. Je mehr wir bereit sind, unseren Eigensinn aufzugeben, desto mehr wird er uns mit seiner Liebe erfüllen. Wäre das nicht ein lohnendes Ziel: frei zu werden von dem, was mir wirklich schadet, vor allen Dingen von allem Eigensinn und aller Dickköpfigkeit? Wieso wollen wir das nicht mit Jesus ausmachen, dass er uns diesem Ziel näher bringt? Er wäre sofort bereit. Denn er hat es versprochen: „Siehe, ich mache alles neu!“ Es hängt nun von uns ab, unsere Lebenszeit so zu nutzen, dass sie uns ein Stück dem Reich Gottes näher bringt und nicht weiter weg führt. Ich hoffe, du hast nun gemerkt, dass eine Zeitreise uns Jesus nicht wirklich näher bringt. Wir brauchen ihn nicht sehen, um glauben zu können. Er ist für uns unsichtbar. Aber seine Stimme ist für uns hörbar. Hast du sie heute gehört, jetzt? Und willst du das tun, was sie dir rät, in großer Liebe rät? Amen