3.2.6.3 Maßnahmen gegen ausgebrochene Tiere Der sicherheitsrechtliche Auffangtatbestand des Art. 7 Abs. 2 LStVG kann auch die Befugnisnorm für behördliche Maßnahmen sein, mit denen der Gefahr durch ausgebrochene gefährliches Tiere begegnet werden soll, etwa wenn im Wege der Ersatzvornahme unter Zuhilfenahme von Polizeikräften (Art. 48 ff. PAG), der gemeindlichen Feuerwehr oder Fachkräften aus einem Zoo eine entschwundene Giftschlange oder ein entlaufener Zirkuslöwe oder Kampfhund eingefangen oder – als ultima ratio – zur Abwehr von Gefahren getötet werden sollen. Gleiches gilt z. B. auch für eine ausgebrochene Rinderherde, die Gefahren für den Straßenverkehr darstellen kann. Freilich wird in derartigen Fällen wegen der Eilbedürftigkeit ein unmittelbares Handeln der Polizei (vgl. Art. 3 PAG) gefragt sein 1, der Zwangsmaßnahmen nach den Art. 60 ff. PAG zur Verfügung stehen (siehe unten 4.4). 3.2.6.4 Maßnahmen gegen störendes Hundegebell Sorgt ein Hund, der im Garten eines Wohnhauses umherläuft, durch übermäßiges Bellen für Störungen der Nachbarn, kann unter Umständen eine ordnungsrechtliche Verfügung getroffen werden, die es dem Hundehalter auferlegt, den Hund nachts im Wohnhaus zu halten2. So hat das VG Stade3 eine ordnungsrechtliche Verfügung als rechtmäßig erachtet, mit der ein Hundehalter, dessen Hund öfters und auch ohne erkennbaren Anlass (im entschiedenen Fall bis zu 60 mal am Tag) zu bellen pflegte, verpflichtet wurde, das Tier von 19.00 Uhr bis 8.00 Uhr morgens und zwischen 12.00 Uhr und 15.00 Uhr nicht im Garten herumlaufen zu lassen. Nach Ansicht des Gerichts ist es dabei unerheblich, ob der durch Hundegebell belästigte Nachbar sein Haus erst später als der Hundehalter bezogen hat, weil niemand bei Einzug in ein Wohnhaus mit übermäßigem, nach der vorhandenen Rechtsordnung nicht zulässigen Lärm rechnen oder diesen gar dulden muss. Die Wesentlichkeit einer Lärmstörung durch Hundegebell entfällt nach Auffassung des VG Stade nicht deshalb, weil sich nur ein Nachbar bei der Behörde über die Lärmstörungen beklagt und der Tierhalter eine Unterschriftenliste weiterer Anwohner vorlegt, wonach diese sich durch den Hund nicht übermäßig belästigt fühlen. Sich im Rahmen des allgemein Zumutbaren haltendes Gebell von Hunden in der Nachbarschaft ist hingegen als eine Begleiterscheinung des täglichen Lebens einzuordnen und daher hinzunehmen4. Ermächtigungsgrundlage für ordnungsbehördliches Einschreiten in den genannten Fällen ist Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG, da es eine Ordnungswidrigkeit nach § 117 OWiG (unzulässiger Lärm) darstellt, wenn jemand das übermäßige Bellen seines Hundes duldet5 (siehe auch oben 2.12.2.1); im Falle einer gemeindlichen Verordnung nach Art. 14 BayImSchG kann auch eine Ordnungswidrigkeit nach Art. 18 Abs. 2 Nr. 5 BayImSchG vorliegen (siehe oben 2.11.3.3). Für das Vorliegen der Ordnungswidrigkeit kommt es nach Auffassung des BayVGH nicht darauf an, dass das zu einer erheblichen Belästigung der Allgemeinheit führende Hundegebell die in Regelwerken wie der TA-Lärm und den einschlägigen VDI-Richtlinien für die Bestimmung der Erheblichkeit gesundheitsschädlicher Umwelteinwirkungen festgelegten Immissionsrichtwerte überschreitet. In dem entschiedenen Fall, in dem es um Störung der Nachtruhe der Patienten eines nahe gelegenen Krankenhauses und den Bewohnern einer benachbarten Wohnanlage durch häufiges länger anhaltendes Hundegebell ging, hat der 1 Allgemein zum Verhältnis zwischen allgemeinen Sicherheitsbehörden und Polizei siehe unten 4.1.3. Vgl. BVerwG, Beschl. v. 20.12.1991, NVwZ 1993, 268 = NuR 1993, 158. 3 VG Stade, Urt. v. 3.8.1989, DWW 1990, 249. 4 OVG Hamburg, Beschl. v. 20.7. 2000, Az. 2 Bf 476/98 (juris). 5 BayVGH, Urt. v. 1.12.1988, Az. 21 B 88.01683 (juris); siehe auch Neumüller, in: Bengl/Berner/Emmerig, Art. 18 Rn. 113. 2 BayVGH sogar das Verbot der Hundehaltung (zwei Schäferhunde) als rechtmäßig erachtet, da weniger einschneidende Maßnahmen nicht in Betracht kamen6. 6 BayVGH, Urt. v. 1.12.1988, Az. 21 B 88.01683 (juris).