Pressekonferenz anläßlich der 38. Wiesbadener Tagung des BVA

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Pressekonferenz
anläßlich der 38. Wiesbadener Tagung des BVA, 19.11.98
Wenn Symptome falsche Wege weisen
Seit Wochen schon litt der 48-jährige Herbert W. an einer chronischen
rezidivierenden Entzündung des Augeninneren, die therapeutisch nicht zu
beeinflussen war. Erst durch eine Glaskörperbiopsie und die internistische
Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung der Blutwerte konnte
nachgewiesen werden, daß es sich um eine Mitbeteiligung der Augen im Rahmen
einer Leukämie handelte.
Diese Detektivarbeit gehört sehr oft dazu, um einen Krankheitsfall zu lösen, und
gerade Augensymptome können äußerst irreführend sein. Die besondere
Problematik liegt darin, daß sich die Symptome vieler Erkrankungen überschneiden.
Hinter einem roten Auge kann sich eine banale Bindehautentzündung verbergen,
aber auch ein Herpes der Hornhaut, eine Regenbogenhautentzündung oder gar ein
akuter Grüner Star.
Wenn die Sehschärfe nachläßt, hat sich vielleicht nur die Brechkraft des Auges
geändert. Die Ursache kann aber ebenso ein Grauer Star sein, eine
Netzhauterkrankung oder die heute immer häufiger auftretende Makuladegeneration.
Jede Herabsetzung der zentralen Sehschärfe muß immer so lange als
krankheitsbedingt angesehen werden, bis durch eine augenärztliche Untersuchung
das Gegenteil bewiesen ist.
Die Dakryostenose zum Beispiel, ein Verschluß der ableitenden Tränenwege, der zu
vermehrtem Tränenfluß führt, ist ein oft gesehenes Symptom in der augenärztlichen
Praxis. Meist wird dieser Verschluß durch eine einfache Verdickung der
Tränensackschleimhaut hervorgerufen. Es kommt jedoch leider auch vor, daß für das
so harmlos scheinende Tränenträufeln ein Tumor in den Tränenwegen verantwortlich
ist oder gar Wucherungen, die von der Nase oder den Nasennebenhöhlen ausgehen.
Chronische Entzündungen des Augeninneren sind ebenfalls nicht selten. Vor allem
bei Rheumapatienten treten sie auf, sogar schon im Kindesalter. Auch in diesen
Fällen zeigt sich "nur" ein rotes Auge, das unter Umständen schmerzt und etwas
lichtempfindlich ist. Und doch kann ein Tumor, der sich im Auge ausbreitet, die
Ursache sein.
Allein durch die "Detektivarbeit" des Augenarztes, bei der er aus verschiedenen
Einzelheiten ein Ganzes, nämlich die Diagnose, formen muß, ist Früherkennung
möglich. Grundlagen dieser Arbeit sind:
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Die Erhebung der Familien- und Eigenanamnese (Krankengeschichte),
die Beurteilung der subjektiven Symptomatik,
die Überprüfung objektiver Symptome durch die Untersuchung und
nicht zuletzt die Erfahrung des Augenarztes
Das sogenannte Screening, das von einigen Angehörigen nicht medizinischer
Gesundheitsberufe angeboten wird, ist für die Früherfassung von Augenkrankheiten
keinesfalls nützlich, da der Fachverstand für die medizinische Beurteilung der
Befunde fehlt. Patienten werden verunsichert oder schlimmer noch: Durch ein
falsches negatives Ergebnis werden sie im Glauben gehalten, ihre Augen seien
gesund. Die Gefahr ist groß, daß sie viel zu spät zum Augenarzt kommen, so daß er
keine Chance mehr hat, das Sehvermögen des Patienten zu retten. Nicht selten
droht der Verlust eines Auges oder gar des Lebens.
Prof.Dr.med. Holger Busse
Direktor der Augenklinik und Augenpoliklinik
der Westfälischen Wilhelms-Universität
Domagkstraße 15
48149 Münster
Tel (0251) 8356004
Fax (0251) 8356003
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