1 Afrika als rein geistige Konstruktion des Europäers

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1 Afrika als rein geistige Konstruktion des Europäers
In seinem Buch The Invention of Africa (1941) setzt sich V. Y. Mudimbe mit der Frage der
Erfindung von Afrika auseinander und illustriert dies am Beispiel der Gnosis, der Philosophie
und der Ordnung des Denkens. Damit schneidet er eine brennende Frage an, die nicht nur
Philosophen, Afrikanisten, sondern auch Literaturwissenschafter, Kunstästhetiker beschäftigt.
Sicherlich ist die banalste Definition Afrikas die folgende:
“Afrika ist ein Kontinent“, also eine neutrale und geographische. Vielleicht hat es einmal bei
dem deutschen Philosophen Hegel den Versuch gegeben, Afrika in allen Facetten zu
bestimmen. In seinen Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte gibt er eine Definition
Afrikas an, die mehr als eine geographische, also eine komplexere Definition ist, die alle
Aspekte umfaßt. Sein Verständnis Afrikas war vor allem geographisch:
“Afrika hat zum Hauptprinzip das Hochland, Asien den Gegensatz der Flußgebiete zum
Hochland, Europa die Vermischung dieser Unterschiede. Afrika ist in drei Teile zu
unterscheiden: der eine ist der südlich von der Wüste Sahara gelegene, das eigentliche Afrika,
das fast unbekannte Hochland mit schmalen Küstenstrecken am Meere; der andere ist der
nördliche Teil von der Wüste, sozusagen das europäische Afrika, ein Küstenland; der dritte ist
das Stromgebiet des Nils, das einzige Talland von Afrika, das sich an Asien anschließt.“
(Hegel, S. 152f.)
Hegels geographisches Afrikakonzept läßt eine Differenzierung zwischen dem eigentlichen
und dem uneigentlichen Afrika auftreten. Dahinter steckt die Opposition zwischen “Schwarz“
und “Weiß“ oder genauer formuliert zwischen dem Vertrauten und dem Fremden:
“Jenes Afrika ist, so weit die Geschichte zurückgeht, für den Zusammenhang mit der übrigen
Welt verschlossen geblieben; es ist das in sich gedrungene Goldland, das Kinderland, das
jenseits des Tages der selbstbewußten Geschichte in die schwarze Farbe der Nacht gehüllt ist.
Seine Verschlossenheit liegt nicht in seiner tropischen Natur, sondern wesentlich in seiner
geographischen Natur.(...) Hieraus folgt nach innen fast ebenso allgemein ein sumpfiger
Gürtel von der aller üppigsten Vegetation, die vorzüglichste Heimat von reißenden Tieren,
Schlangen aller Art - ein Saum, dessen Atmosphäre für die Europäer giftig ist“ (ebd, S. 153).
Aus Hegels Beschreibung geht deutlich hervor, daß Gold, Kinder, Nacht, Schwärze und
Gefahr mit Afrika zu assoziieren sind. Daß hier Afrika und der Afrikaner dadurch nicht
attraktiv gemacht werden, ist klar. Hegel war nicht der erste Europäer, der derartige
Behauptungen machte. Vor ihm hatten schon viele europäische Aufklärer wie Voltaire,
Herder oder noch Montesquieu Ähnliches formuliert. Es handelt sich jedes Mal um die
Wiederaufnahme des ethnologisch-ethnographischen, des missionarischen und
abenteuerliterarischen Afrikadiskurses. Dieser Diskurs wurde sehr oft in literarischen Werken,
in Essays, im Theater, in Kirchen, Büchern, Enzyklopädien, in der Geschichtsschreibung, in
Messen und in Schulcurricula reproduziert und gepflegt. Das Überraschende für den
deutschen Philosophen ist der unkritische Umgang mit dem Gelesenen und Gehörten, auch
wenn der Philosoph per definitionem als Verfechter der Wahrheit gilt. Sein Wissen über
Afrika war also fremden Ursprunges, ein Wissen, das er unüberprüft übernahm. Seine
Beschreibung Afrkas ist eine Metakonstruktion, das Ergebnis seiner Phantasie, also ein
Konstrukt. Neben der geographischen Erfassung besteht die historische. Die Geschichte
Afrikas faßt er unter den Kategorien der Barbarei, der Rohheit, des Unmenschlichen,
Ekelhaftesten und des Kriegerischen. Auch wenn er der ägyptischen Kultur einen
priviligierten Status zuerkennt, so ist dies nur, um sie dann als europäisch zu bezeichnen (ebd,
S. 154). Bei der Beschreibung des Afrikaners heißt es:
“Bei dem Neger ist nämlich das Charakteristische gerade, daß ihr Bewußtsein noch nicht zur
Anschauung irgendeiner festen Objektivität gekommen ist, wie zum Beispiel Gott, das
Gesetz, bei welcher der Mensch mit seinem Willen wäre und darin die Anschauung seines
Wesens hätte. Zu dieser Unterscheidung seiner unterscheidungslosen, gedrungenen Einheit
noch nicht gekommen, wodurch das Wissen von einem absoluten Wissen, das ein anderes
höheres, gegen das Selbst wäre, ganz fehlt. Der Neger stellt, wie schon gesagt worden ist, den
natürlichen Menschen in seiner ganzen Wildheit und Unbändigkeit dar; von aller Ehrfurcht
und Sittlichkeit, von dem, was Gefühl ist, muß man abstrahieren; es ist nichts Anklingendes in
diesem Charakter zu finden. Die weitläufigsten Berichte der Missionare bestätigen dies
vollkommen.(....)“ (ebd, S. 156f.).
Laut Hegel ist der Afrikaner nicht in der Lage, Abstraktes zu fassen, soweit er kein
Bewußtsein hat. Die Kategorien der Ehrfurcht, Sittlichkeit und Gefühl sind ihm unbekannt.
Sie sind offenbar Kategorien der deutschen Aufklärung und Klassik, mit denen Hegel die
Menschlichkeit des Afrikaners mißt. Diese Logik besagt, daß der Afrikaner keine Religion,
keine Kunst und keine Literatur haben kann, weil hier das Abstraktes maßgeblich ist. Dies ist
offensichtlich die Legitimation der sogenannten Zivilisierungsmission. Hegel führt die
Menschenfresserei an, um die Barbarei des Afrikaners zu verdeutlichen und die schon in
Afrika existierende Sklaverei, um den Sklavenhandel zu legitimieren. Dies faßt er unter der
Kategorie der Menschenverachtung auf. Ferner setzt sich Hegel mit der afrikanische
Kosmogonie auseinander. Dabei sind ihm Afrikaner nur Zauberer. In den afrikanischen
Religionen findet er, daß nicht Gott, sondern der Mensch im Mittelpunkt steht. Er besitzt
magische Kräfte (ebd, S. 156-163). Dies ist offenbar eine Unfähigkeit oder genauer eine
Ablehnung, sich kritisch mit afrikanischen Traditionen auseinanderzusetzen. Zweifellos war
Hegel dank seiner Ausbildung und Kenntnisse imstande, die Relativität in Religionssachen zu
beachten. Hier erfindet er, wie schon oben angedeutet, Afrika. Meine Auseinandersetzung mit
Hegels eurozentrischer Afrikakonstruktion bedeutet keineswegs, daß er der einzige war, der
zum eurozentrischen Afrikadiskurs im Laufe der Weltgeschichte beigetragen hat. Im
Gegenteil ist er nur ein Beispiel unter anderen. Für meinen Zusammenhang genügt es darauf
hinzuweisen, daß er hier das von Jean Jacques Rousseau entworfene Konzept des edlen
Wilden in einen barbarischen und unmenschlichen umfunktioniert. In beiden Fällen ist das
Ergebnis die Legitimation der Kolonisierung, der sogennanten Modernisierung der Sitten der
afrikanischen Barbaren. Jean Pierre Rufin zufolge hat diese Erfindung des Anderen bis hin in
die Zeit des kalten Krieges und in der Gegenwart gewirkt. Sein Buch Die Neuen Barbaren
(1991) gibt eine Erklärung darüber, wie der Erfindungsprozeß geschieht. Er fängt damit an,
daß der Feind konstruiert wird. Ausgangspunkt dieser Konstruktion ist zweifellos die Angst,
die Bedrohung und die Repräsentation der Gewalt außerhalb der eigenkulturellen Sphäre. Es
besteht offensichtlich ständig ein Mangel an Feinden. Sollten sie nicht existieren, so müssen
sie geschaffen werden. Es handelt sich in der Weltgeschichte um Rivalitäten zwischen
Mächten, aber auch um einen Kampf der Kulturen und schließlich um Machtverhältnisse.
Hier soll der Verlust eines Feindes kompensiert werden. Dies ist nicht nur wahr für Rom nach
dem Brand Khartagos, als ein Vakuum sich konstituierte und ein neuer Umbruch nötig war,
sondern auch für die Rivalitäten zwischen europäischen Nationalstaaten um beide Weltkriege,
für den kalten Krieg, für den Nord-Süd-Konflikt, für die Weltkonstellation nach dem
Zusammenbruch der Sowjetunion (Rufin, S. 12-16). Weitere Beispiele kann man leicht in der
Weltgeschichte finden...
Elias Canetti kennzeichnet das Bestehen einer ständigen Gegenerschaft als “Doppelmasse“:
“Die sicherste und oft die einzige Möglichkeit für die Masse, sich zu erhalten, ist das
Vorhandensein einer zweiten Masse, auf die sie sich bezieht. Sei es im Spiel einander
gegenübertreten und sich messen, sei es,daß sie einander ernshaft bedrohen, der Anblick oder
die starke Vorstellung einer zweiten Masse erlaubt der ersten, nicht zu zerfallen.“
Die Zerstörung der einen Masse bedeutet eine Erfahrung des Verlustes für die andere. Für die
letztere entsteht ein zivilisatorisches Vakuum, das sehr oft mit dem eigenen Tod, mit der
Angst einhergeht. Und diese tragische Wahrnehmung des eigenen Endes wird sehr oft in die
Gewißheit eines neuen Anfangs umgewandelt: die Veränderung der Perspektive der
Geschichte (Canetti, S. 18). Die neue Legitimation ist sehr oft der Universalismus und die
Verbreitung zivilisatorischer Werte, wobei fremde Werte als barbarisch disqualifiziert
werden. Dies bedeutet, die Rolle des Barbaren ist eine erfundene, die derjenigen Masse
zukommt, die die Macht besitzt. Hier taucht die Theorie des Limes auf. Sie präzisiert die
ideologische, militärische, kulturelle und sogar wirtschaftliche Grenze zwischen mächtigen
Massen und den schwächeren, also die Grenze zwischen Zivilisation und Barbarei: Dieser
Rückgriff auf die Theorie der Doppelmassen und die Ideologie des Limes soll klarstellen, daß
Afrika wie andere außereuropäische Länder Konstrukte der Europäer sind. In einem Beitrag,
der den Titel Kultur als Zeichensystem (1991) trägt, geht Roland Posner auf die
Semiotisierungsprozesse der Kulturen ein, in denen die dominanten Kulturen sich als Zentren
definieren, während die dominierten sich als Peripherien verstehen. Dies ist charakteristisch
für die Subkulturen innerhalb einer und derselben Kulturen, kann aber wahr sein für die
Beziehungen zwischen verschiedenen Kulturen (Posner, S. 63).
Wichtig bei der Beschreibung von Entsemiotisierungs- und Semiotisierungsprozessen ist der
Ausgrenzungsmechanismus. In der Tat, so Posner, tendiert jede Kultur dazu, sich eine
Gegenkultur zu konstruieren. Dies ist wahrscheinlich das, was Canetti und Rufin als
Doppelmasse und Feindbildungsprozeß verstehen. Der einzige Unterschied hier liegt darin,
daß der interkulturelle Semiotisierungsprozeß über den Feindbildungsprozeß hinausreicht. Es
handelt sich um einen Austausch, in dem Werte, Ikone, Zeichen, Kategorien, Gedanken und
alle kultursemiotischen Zeichen ins Spiel kommen. Daß jede Kultur zum Überleben eine
Gegenkultur verlangt, kann in der Weltkulturgeschichte dokumentiert werden. Die
griechische Kultur definierte sich im Gegensatz zu den Barbaren, die religiöse Kultur des
Mittelaltters im Gegensatz zum Heidentum, die orthodoxen Kulturen der Reformationszeiten
im Gegensatz zur Häresie, die europäischen Kulturen des Zeitalters der Entdeckungen im
Gegensatz zur Exotik und zum Primitivismus. Auch im zwangizsten Jahrhundert häufen sich
Beispiele dieser Art. Vielleicht ist das prägnanteste Beispiel des Gegensatzes jenes zwischen
Afrika und Europa, zwischen Schwarzafrika und Europa, oder kurzum zwischen Schwarz und
Weiß. Dieser Kontrast ist auffallend. Das Etikett “Gegenkultur“, mit dem eine Kultur eine
andere Kultur versieht, deutet darauf hin, daß bestimmte Kultursegmente der so
ausgeschlossenen Kultur verdrängt oder sogar bewußt übersehen werden. Der Gegensatz ist
dort augenfällig, wo ein Kontrast von Werten und Ideen auftaucht. Eine Ausgrenzung von
Arte- und Mentefakten liegt vor. Sie repräsentiert schon an sich eine Bedrohung, für
kulturspezifische Arte- und Mentefakte und für die Identität der betroffenen Kultur:
"Durch die Ausgrenzung wird eine mögliche Bedrohung für die kulturspezifischen
Mentefakte abgewendet und damit die Identität der betreffenden Kultur gefestigt. Das
Verhältnis zwischen Kultur und Gegenkultur ist dementsprechend ambivalent. Einerseits
wendet man sich von der Gegenkultur ab und bewertet sie negativ, andererseits versucht man
sie in die eigene Kultur umzuwandeln. Jede Kultur hat die Tendenz, die von ihr konstruierte
Gegenkultur entweder zu eliminieren oder zu integregrieren."
Beispiele sind in der Geschichte zu finden. Die Griechen wollten die Barbaren kultivieren, die
Christen die Heiden taufen, die orthodoxen religiösen Kulturen wollten die Häretiker
bekehren, die Europäer des Entdeckungszeitalters setzten sich zum Ziel, die Exoten zu
integrieren, die Unzivilizierten bzw. die Wilden zu zivilisieren. Auch hier sind zahlreiche
Beispiele aus der Weltgeschichte zu nennen. Doch der Autausch innerhalb der
Semiotisierungs- und Entsemiotisierungsprozesse kann nur gegenseitig sein; denn das, was
heute als kulturelles Zentrum gilt, kann morgen zur Peripherie werden und umgekehrt. Ein
derartiger Wechsel bringt Veränderungen mit sich. Sie können grammatischer, bildlicher oder
schriflicher Art sein. Dies rechtfertigt offenbar die verschiedenen Grammatiken des
Fremdkulturellen in der europäischen Geschichte. Speziell für das afrikanisch
Fremdkulturelle kennt sie verschiedene Variationen: Neger, Schwarze, Mohr, Alper, Nigger,
Negerlein, Tier, Affe, Dunkler und Farbiger. Das semantische Feld des afrikanisch
Fremdkulturellen ist noch beträchlich. Jede Phase der afrikanisch-europäischen Geschichte
kennt ihre eigene Semantik. Jede epochenspezifische Semantik ist allerdings das Produkt der
Imagination und der Phantasie des Europäers. Diese semantische Rekurrenz wurzelt in dem
Paradigmawechsel innerhalb der Wissenschaft im 18. Jahrhundert. Zu diesem Zeitpunkt war
der Mensch im Zentrum wissenschaftlicher Erforschungen. Die Kolonialanthropologie, die
Ethnologie oder die Ethnographie dienten dazu, mehr Wissen über den Afrikaner zu besorgen.
Das war sicherlich eine positive Aufgabe der Wissenschaften. Die Kritik an der
kolonialanthropologischen Praxis liegt darin, daß alle ihre Zweige ethnozentrisch verfuhren.
Es ging sehr oft um das Verstehen des Afrikaners aus eurozentrischer Sicht. Das heißt, die
Europäer identifizierten und interpretierten allzu schnell die Arte-und Mentefakte des
Afrikaners nach eigenen Maßstäben und Kategorien und assimilierten die Afrikaner, ohne
afrikanische Denk- und Lebenskategorien adäquat wahrzunehmen. Aber damit war sicherlich
der Weg zum interkulturellen Austausch geebnet.
Sicherlich ist die ethnozentrische Interpretation fremdkultureller Fakten das
Grundcharakteristikum der Kolonialanthropologie. Mudimbe weist auf einige eurozentrische
Interpretationen und Ansichten hin, die die europäischen Kulturwissenschaftler kennzeichnen.
Eines ist ihnen gemeinsam: Die Ausschließung Afrikas von weltgeschichtlichen Prozessen
und Diskursen. Nach Mudimbe (S. 16) entsteht Afrika dort, wo der anthropologische und
kapitalistische Diskurs ineinandergehen. Die Genese Afrikas als Konstrukt ist mit einem
epistemologischen Ort der Erfindung Afrikas verbunden. Ein derartiger Ort hat eine
Bedeutung für Diskurse über Afrika, über die Anthropologie, über den Kapitalismus und
Imperialismus, die Hand in Hand gehen. Gewiß brauchte die Anthropologie diese Parameter
nicht; sie kann ohne sie funktionieren. Diese Konstruktion Afrikas erweist sich also als das
Ergebnis der Ideoligisierung der Anthropologie, die ethozentrisch verfuhr. Sie operierte
innerhalb des ethnozentrischen Diskurses europäischer Prägung. Hinsichtlich dieser
anthropologischen Intrumentalisierung außereuropäischer Kulturen spricht Roy Wagner von
The Invention of Culture in dieser Disziplin. Der ethnozentrische Diskurs wird von
Anthrologen wie Leiris, Lévi-Brühl, Lévis-Strauss, Magaret Mead, Carl Sagan oder Frobenius
artikuliert, auch wenn diese Autoren in ihren jeweiligen Annäherungsweisen Unterschiede
aufweisen. Paul Ricoeur stellt in seinem Buch History and Thruth (1965) fest:
“The fact that universal civilisation has for long time originated from european center has
maintained the illusion that european culture was, in fact and by right, a universal culture. His
superiority over other civilizations seemed to provide the experimental verification of this
postulate. Morever, the encounter with other cultural traditions was itself the fruit of that
advance and more generally the fruit of occidental science itself. Did not Europe invent
history, geography, ethnography and sociology in their explicit scientific forms?“ (Ricoeur, S.
277.)
Anthroplogische Praxis und Kolonialerfahrung sind miteinander verschränkt. Da es hier um
Macht- und Wissendiskurs geht, wird das anthropologische Unternehmen in einen
Akkulturations- und Dekulturationsauftrag umgewandelt. So lassen sich die Diskurse über
den Kolonialismus, den Universalismus, den Primitivismus, das Heidentum mindestens
verstehen, wenn es um Afrika geht:
“In the colonising experience the mingling of these two aspects of ethnocentrism tended
almost naturally, to be complete in both the discourse of power and knowdledge, to the point
of transforming the mission of the discipline into an enterprise of acculturation(...). What they
propose is an ideological explanation for forcing africans in new historic dimension. Finally
both types of discouses are fundamentally reductionist.They speak neither about africa and
nor the africans, but rather justify the process of inventing and conquering a continent and
naming it “primitiveness“ or “disorder“, as well as the subsequent means of exploitation and
methods for its regeneration“ (ebd, S. 20).
Der Ethnozentrismus als Modus wissenschaftlicher Praxis ist an den Grenzen des
interkulturellen Dialogs. Es ist ein ideologisches Konstrukt, das die fremdkulturelle Erfahrung
bremst oder versperrt. Dieses proklamiert die Universalität der eigenkulturellen Werte und
Kategorien, lehnt aber die Differenzen ab und ignoriert die Spezifität anderer Kulturen
schlechthin. Hier liegt die bewußte Konstruktion des Fremdkulturellen. Diese Konstruktion
des Fremdkulturellen ruft intellektuelle Reaktionen hervor. Ein Beispiel der Konstruktion des
Fremdkulturellen ist, wie schon angedeutet, jenes des afrikanisch Fremdkulturellen.
Auf die Konstruktion Afrikas durch Europäer haben afrikanische Intellektuelle kritisch
reagiert und ihre jeweiligen Reaktionen in Schrift gesetzt. Afrikanische Anthropologen,
Philosophen, Kritiker, Literaturtheoretiker und Schriftsteller haben sich seit der
Jahrhundertwende mit dem europäischen Afrika auseinandergesetzt. Ich möchte im
Folgenden nicht alle diese Reaktionen kritisch sichten, sondern die literarische Wahrnehmung
dieser eurozentrischen Konstruktion Afrikas in den Mittelpunkt meiner Auseinandersetzung
setzen. Dabei geht es mir darum, zu zeigen, daß diese Reaktion unter dem Begriff
“Dekonstruktion“ definierbar ist. Mir geht es hier nicht darum, das immense Oeuvre
afrikanischer Schriftsteller zu analysieren, sondern anhand bisheriger Untersuchungen über
afrikanische Literatur, einen Gesamtblick über die Grundkategorien, die das
dekonstruktivistische Potential (post)kolonialer Literaturen Afrikas fundieren, zu gewinnen.
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