(Ein)Blick ins Gehirn

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(Ein)Blick ins Gehirn
Von Martin Lindner-Effland, Bernhard Pasdzierny, Christiane Reurink und Jens Christoph Schletter
Ein Schweinegehirn ist prinzipiell ähnlich aufgebaut wie das Gehirn eines Menschen:
Die relative Lage der Gehirnteile zueinander ist bei allen Säugergehirnen gleich.
Beim Blick in ein Schweinegehirn lassen sich beispielsweise Parallelen ziehen zu
Lage und Aufbau des Hippocampus, dem Aufbau des Rückenmarks und dem Feinbau des Kleinhirns beim Menschen.
Schweinegehirne fallen als Abfallprodukt bei der Schlachtung an und können daher
zu Präparationszwecken in ausreichender Anzahl und meist kostenlos von Schlachthöfen bezogen werden. Da in kleineren Betrieben nicht täglich geschlachtet wird,
sollte man sich vorher über den Schlachttermin informieren und den Bedarf anmelden. Die Schweine werden bei der Schlachtung längs aufgeschnitten, so dass man
keine ganzen Gehirne, sondern Gehirnhälften erhält.
Schweinegehirne enthalten keine bislang bekannten auf den Menschen übertragbaren Krankheitserreger. Es sollte aber trotzdem immer mit Handschuhen gearbeitet
werden.
An Schweinegehirnen können u.a. folgende Strukturen betrachtet werden:
-
Großhirn (Telencephalon oder Cerebrum) und die Faltung seiner Rinde (Cortex)
Kleinhirn (Cerebellum) und Faltung seiner Rinde
Thalamus (im Medianschnitt ist nur die Massa intermedia zu erkennen, die linken
und rechten Thalamus verbindet
Ansätze der Hirnanhangsdrüse (Hypophyse)
Brücke (Pons)
Mittelhirn (Mesencephalon) mit Vierhügelplatte (Tectum mesencephali)
Verlängertes Mark (Medulla oblongata)
Balken (Corpus callosum)
Ventrikel (innere Liquorräume)
Blutgefäße des Gehirns
Riechkolben (Bulbus olfactorius)
Hippocampus ("Seepferdchen")
Rückenmark (Medulla spinalis)
Material
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Schweinegehirnhälften vom Schlachthof bzw. vom Schlachter:
1 Gehirnhälfte für eine Arbeitsgruppe von 2-3 Personen
ca. 1 Liter 4 %ige Formaldehydlösung
(900 ml Leitungswasser + 100 ml 40 %iges Formol)
Einmalhandschuhe aus PE
Schalen
scharfe Küchenmesser oder Skalpelle
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Präpariernadeln
Vorbereitung
1. Fixierte Gehirnhälften lassen sich besser handhaben und schneiden als frische.
Aus diesem Grund werden die Hirnhälften gleich nach der Entnahme in einer 4
%igen
Formaldehydlösung
eingelegt
(siehe
Sicherheitshinweis!).
Schweinegehirne sind bereits nach 20 bis 24 Stunden ausreichend fixiert. Sie
sollten nicht länger als 3 Wochen im Fixiermittel lagern, da sie sonst zu hart und
brüchig
werden.
Um die weiche Konsistenz des Organs und seine natürliche Farbe betrachten zu
können, sollte man ein oder zwei Gehirnhälften unkonserviert aufbewahren. Sie
sind im Kühlschrank in Wasser oder in physiologischer Kochsalzlösung bei 4° C
einige Tage haltbar.
2. Ein Tag vor Verwendung der Schweinegehirne werden diese aus der Formaldehydlösung genommen und in einem Behälter mit Leitungswasser gewässert. Um
das Formalin zu entfernen, sollte man das Wasser 3-4 mal wechseln und die Gehirne über Nacht im Wasser lassen.
Um Vergleiche ziehen zu können, sollte man Modelle von menschlichen Gehirnen
bereitstellen.
Sicherheitshinweis
Im Handel ist Formaldehyd als 30-40 %ige Lösung unter dem Namen Formol erhältlich. In dieser Konzentration wirkt Formaldehyd giftig beim Einatmen, Verschlucken
und bei Berührung mit der Haut. Die Verdünnung auf 4 % sollte deshalb von der
Lehrperson unter dem Abzug mit Schutzhandschuhen vorgenommen werden. Als 4
%ige Lösung gilt Formaldehyd nicht mehr als giftig, aber wegen einer möglichen
krebserregenden Wirkung noch als gesundheitlich bedenklich. Da Formaldehyd erst
bei Konzentrationen unter 1 % nicht mehr in der Gefahrstoffliste aufgeführt ist, sollte
man - auch mit Schutzhandschuhen - nur mit gut gewässerten Gehirnen in Berührung kommen.
Anleitung zur Präparation eines Schweinegehirns
Legen Sie die Hirnhälfte so vor sich hin, dass Sie auf die Außenseite des Gehirns
sehen. Vergleichen Sie nun die vor Ihnen liegende Hirnhälfte mit Abbildung 1. Beachten Sie dabei, dass der Riechkolben (Bulbus olfactorius) meist ganz fehlt oder nur
ansatzweise vorhanden ist.
1. Welche Teile des Gehirns sind erkennbar? Handelt es sich um eine linke
oder eine rechte Gehirnhälfte? Welche Strukturen ermöglichen es Ihnen,
diese Entscheidung zu treffen?
Betrachten Sie nun die Gehirnoberfläche etwas genauer. Sie können deutlich die
Faltung der Großhirn- und Kleinhirnrinde sowie das vielfach verzweigte Blutgefäßsystem erkennen.
2. Überlegen Sie sich, welchen Vorteil diese Einfaltungen bieten. Bedenken
Sie dabei, dass die Faltung beim Menschen noch viel ausgeprägter ist.
Versuchen Sie an einer beliebigen Stelle des Großhirns die Gefäße mit einer Päpariernadel oder einer Pinzette von der Oberfläche abzuheben. Dabei werden Sie bemerken, dass die Blutgefäße in einer dünnen Haut liegen. Es handelt sich um die
weiche Hirnhaut (Leptomeninx). Ihre innere Schicht (Pia mater) kleidet alle Furchen
und Vertiefungen bis zu ihrem Grund aus.
Drehen Sie nun das Gehirn um und betrachten Sie es aus der mittleren Schnittebene
(Medianschnitt). Sollte das Gehirn nicht symmetrisch getrennt sein, sollten also noch
Reste der zweiten Hirnhälfte den Blick auf die Medianebene verdecken, entfernen
Sie bitte das überschüssige Material, so dass Sie nur noch eine Hirnhälfte vor sich
haben.
3.1 Versuchen Sie mit Hilfe von Abbildung 2, die dort beschrifteten Strukturen
in der vor Ihnen liegenden Hirnhälfte zu erkennen und zu benennen.
3.2
Stellen Sie fest, welche Strukturen bei Ihrem Präparat fehlen!
Von den inneren Hohlräumen im Gehirn sind im Medianschnitt der III. Ventrikel im
Zwischenhirn (umgibt die Massa intermedia) und der IV. Ventrikel unterhalb des
Kleinhirns angeschnitten. Die Ventrikel sind beim lebenden Tier mit Flüssigkeit (Liquor) gefüllt und stehen sowohl untereinander als auch mit einem äußeren Liquorraum in Verbindung, der das Gehirn vollständig umgibt.
4.1 Schraffieren Sie in Abbildung 2 die Ventrikel III und IV sowie ihre Verbindung.
4.2 Welche Aufgaben könnte der Liquor haben?
Das Kleinhirn besteht aus zwei Schichten: Aus einer äußeren, je nach Fixierungsgrad
rosa oder grau aussehenden Schicht und einer inneren, weißen Schicht. Die weiße
Schicht besteht hauptsächlich aus Nervenfasern, die zur Kleinhirnrinde führen. Die
einzelnen Fasern sind von Membranfortsätzen der Gliazellen mehrfach umhüllt
(Markscheiden), wodurch sie das Licht weiß reflektieren. In der grauen Substanz befinden sich die Zellkörper der Neuronen (= graue Zellen).
Führen Sie nun im vorderen Bereich des Großhirns einen Schnitt an der in Abbildung
2 markierten Achse durch. Wenn Sie auf die Schnittebene blicken, sehen Sie das
Großhirn im Querschnitt. Auch das Großhirn besteht aus zwei unterschiedlichen
Schichten. Sie haben die gleiche Ursache wie die beiden Schichten des Kleinhirns.
5.1 Erläutern Sie, woraus die zwei Schichten des Großhirns bestehen,
5.2 Überlegen Sie, welche Funktion die weiße Schicht haben könnte. Welche
Funktion erfüllt die in Abbildung 2 als "Balken" markierte Struktur?
Trennen Sie das Kleinhirn vorsichtig mit dem Messer ab. Danach können Sie auf
zwei Hügel der (halbierten) Vierhügelplatte blicken. Die Vierhügelplatte bildet das
Dach (Tectum) des Mittelhirns. Dort werden optische und akustische Informationen
verarbeitet und Orientierungsreaktionen - beispielsweise die Hinwendung zu einem
Geräusch oder einer Lichtquelle - ausgelöst.
Zur Präparation klappen Sie das Stammhirn - wie in Abbildung 3.1 gezeigt - nach
vorne heraus und trennen Sie es vorm Großhirn ab. Dadurch wird der Blick auf die
Hippocampusformation frei. Sie ist an drei parallel verlaufenden, strangartigen
Strukturen zu erkennen: Die Fimbria bildet einen schmalen, weißen, abwärts verlaufenden Strang. Parallel zu ihr liegen zwei Großhirnwülste. Davon gehört nur der Gyrus dentatus zum eigentlichen Hippocampus. Den dritten Strang bildet der Gyrus parahippocampalis, der den Übergang des Hippocampus zur Großhirnrinde darstellt.
Durchtrennen Sie nun die Großhirnhälfte durch einen Schnitt quer zu den drei Strängen entlang der in Abbildung 3.2 markierten Achse. Wenn Sie auf die Schnittebene
blicken, sehen sie den Hippocampus im Querschnitt und seinen Übergang zur Großhirnrinde. Vergleichen Sie das, was Sie in Ihrem Präparat sehen, mit den Abbildungen 3.3 und 3.4.
Der Hippocampus hat eine wichtige Funktion für das Lernen und das Gedächtnis.
Das Wort Hippocampus kommt aus dem Griechischen und bedeutet "Seepferdchen".
Tatsächlich erinnert die Form des Hippocampus im Querschnitt an die Gestalt eines
Seepferdchens.
Quelle: UB 233/22.Jahrg./April 1998
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