Schutz vor der Sonne

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Hintergrund
An der Todesgrenze – Leben in extremer Umwelt
Autor: Florian Hildebrand
Überleben in eisiger Kälte
Die Antarktis im Winter: schwärzeste Finsternis und eine große, weiße Einöde. Dazwischen
überall Flecken, in denen es immer etwas Bewegung gibt. Es sind Haufen von
Kaiserpinguinen, die hier dichtgedrängt auf ihren Eiern brüten. Wie kommen die Tiere dazu,
ihre Kinder dort großzuziehen, wo es auf der Erde so ziemlich am ungemütlichsten ist? Sie
müssen Stürme von zum Teil 180 Stundenkilometern und Temperaturen bis zu 80 Grad minus
aushalten. Es gibt nichts zu fressen, denn das Meer mit seinen reichen Fischgründen ist
Hunderte von Kilometern entfernt.
Tiere in der Antarktis haben sich zum Teil ausgefallene Lösungen einfallen lassen, um mit
solchen extremen Umweltsituationen fertig zu werden. Nicht allein auf Fett und Federn
konzentrieren sich dabei die Anpassungsleistungen. So schicken Robben und Pinguine
gezielt Blut in die Körperregionen, die auch bei schärfster Kälte immer warm bleiben müssen.
Fische haben Gefrierschutzmittel im Blut.
Die Weddellrobbe – Meisterin im Tauchen
Alle Tiere der Antarktis leben vom Meer, das unerwartet reich an Nahrung ist. Eine
Weddellrobbe taucht bis zu 700 Meter tief, um sich fette Fische schnappen zu können. In
einer halben Stunde ist sie wieder an der Oberfläche, ohne in der Zwischenzeit atmen zu
können. Ihren Energieverbrauch muss sie dabei so gut einteilen, dass sie vom Fischfang mehr
hat als sich nur gerade das wieder zuzuführen, was sie beim Tauchen verbraucht hat. Doch
wie findet sie das Loch im Eis wieder, durch das sie in die Tiefe geglitten ist?
Dieser Frage gehen Wissenschaftler am Alfred-Wegener-Institut für Polar- und
Meeresforschung in Bremerhaven nach. Sie fahren mit dem institutseigenen Forschungsschiff
“Polarstern” in den antarktischen Sommer, um an Ort und Stelle den Überlebenstricks der
Tiere nachzugehen. Da ist zum Beispiel Joachim Gutt, der mit seiner Unterwasserkamera
gerne am Meeresboden gründelt. Er war selbst überrascht, dass sich dort unten bei beständig
knapp unter null Grad stellenweise ein atemberaubender, geradezu tropischer Reichtum an
Arten und Formen entfaltet hat. Was da in Hunderten von Metern unter der Wasseroberfläche
im Einzelnen alles sitzt, kriecht, filtriert, saugt, schwebt, wühlt und lauert, kann er trotz
elektronischer Kamera nur ahnen.
Eis wohin das Auge blickt
Eine bis zu 4.000 Meter dicke Gletscherschicht presst Antarktika tief in die Erdkruste. Die
Kontinentalränder stürzen daher meist unvermittelt 600, 700 Meter tief ab. Vom Licht der
Oberfläche dringt kaum ein Strahl bis zum Meeresboden vor. Die Saison biologischer
Aktivität dauert nur zwei bis drei Monate im Jahr. Da im langen, dunklen Winter die
Produktion von Biomasse praktisch ruht, schwebt in dieser Zeit kaum organisches Material zu
den Lebewesen am Boden hinunter. Das Nahrungsangebot ist also begrenzt. Was in der Tiefe
gedeiht, wächst langsamer und in geringerer Stückzahl als in gemäßigteren Breitengraden.
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Bisher haben Gutt und seine Kollegen weltweit allenfalls ein Prozent des Artenspektrums auf
dem antarktischen Meeresboden erfasst. Erst in den beiden letzten Jahrzehnten ist überhaupt
das wissenschaftliche Interesse für diesen kalten unterseeischen Lebensraum erwacht. Heute
treibt die Suche nach neuen Naturstoffen und biotechnologisch verwertbaren Genen die
Forscher ins tiefe, kalte Wasser.
Die größte Überraschung erlebten die Forscher erst vor wenigen Jahren, als sie genauer
untersuchten, warum das Schelfeis vor der Küste des sechsten Kontinents von braunen
Schlieren durchzogen ist. Sie fanden nicht Staub oder Gesteinsmehl, sondern winzige Algen
und Krebschen, die im, am und vom Eis leben. Sie entdeckten auch, dass der Krill – kleine
Leuchtgarnelen, die im antarktischen Sommer zu riesigen Teppichen verhakt auf der
Meeresoberfläche treiben – im Winter von den Algen an der Eisunterseite ernährt. Bisher war
nämlich ungeklärt, wie die Krebschen die kalte Jahreszeit überleben. Selbst sind sie
Lebensgrundlage für Bartenwale und unzählige Fischarten. Der Krill gilt heute als gefährdet;
japanische Fischtrawler wollen ihn wie Sahne abschöpfen und zu Tierfutter verarbeiten. Für
die antarktischen Lebensgemeinschaften wäre das eine Katastrophe.
Überleben bei 50 Grad im Schatten
“Allah”, sagt ein arabisches Sprichwort, “hat alles überflüssige Leben aus seinem Garten, der
Wüste, entfernt, um in Frieden lustwandeln zu können.” ‚Überflüssig‘ ist in der Tat in der
Wüste nichts. Nur eins gibt es dort in Hülle und Fülle: Hitze. Wer also tagsüber durch die
Wüste “lustwandelt”, wird sie öde und leer vorfinden. Doch in der Dunkelheit wird sie
lebendig.
Um vor der Hitze zu fliehen, gehen die meisten Tiere in den Untergrund, schlafen dort und
kommen erst nachts an die Oberfläche. Dann freilich ist es zum Beispiel in der Sahara sehr
kalt. Die Lebenssäfte von Insekten und Käfern werden da gallertartig, die Tiere erstarren. In
der Wüste fordern die zum Teil extremen Temperaturschwankungen von über 80 Grad
innerhalb von 24 Stunden viele Tiere mehr heraus als die schiere Hitze.
Schutz vor der Sonne
Wer tags aktiv ist, muss sich der Hitze stellen, ohne von ihr erschlagen zu werden. Eine
Taktik ist, Licht an der Körperoberfläche abzuweisen. Wüstenraben zum Beispiel glänzen mit
ihren Federn und viele Insekten mit ihrem Chitinpanzer, darunter auch Ameisen der Gattung
Cataglyphis. Sie leisten sich außerdem in ihrem Staat einen eigenen Berufsstand, den der
Thermometer. Jeden Morgen sind die lebenden Wärmefühler die ersten, die vor den in den
Sand gegrabenen Bau treten und die Temperatur messen. Ist die Umgebung richtig temperiert,
benachrichtigen sie die Stammesgenossen, und schlagartig schwärmen Tausende Ameisen
aus, um Nahrung zu suchen.
Echsen wie Skink und Wüstenwaran tragen ein Thermometer in der Gestalt eines dritten
Auges auf dem Scheitel. Dieses Auge enthält lichtempfindliche Zellen, mit denen die Tiere
die Intensität der Sonneneinstrahlung messen.
Um ein Leben in der Wüste zu führen, müssen Tiere und Pflanzen drei Probleme lösen: wie
halte ich die Hitze aus? Wie beschaffe ich mir meine Nahrung in einer Umgebung, die
prinzipiell arm an Biomasse ist? Und: Wie komme ich mit dem Wassermangel zurecht? Die
letzte Frage interessiert natürlich am meisten Amphibien und Fische, die es in kleineren
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Wüsten tatsächlich gibt. Sie haben zum Teil abenteuerlich ausgeklügelte Verfahren
entwickelt, wie sie in dieser für sie absolut lebensfeindlichen Umgebung ihre Art über die
Runden bringen.
Wasser – das wertvollste Gut in der Wüste
Einst hatte der Postflieger und französische Schriftsteller Antoine de Saint Exupéry nach einer
Notlandung in der Sahara Tücher ausgelegt, um seinen Durst wenigstens mit morgendlichem
Tau zu stillen. Auf diese Taktik sind viele Wüstentiere schon lange vor ihm gekommen.
Kleinen Tieren mag das für ihren Tagesbedarf genügen. Ein großes Säugetier wie das Kamel
hat sich hingegen für seinen Wasserhaushalt eine ausgefeilte Strategie einfallen lassen
müssen, denn die wichtigste Regel heißt: sparen. Es ist aber ein ebenso altes wie
unausrottbares Ammenmärchen, ein Kamel saufe den ganzen Wasservorrat in den Höcker.
Dort hat das Wüstenschiff keinen Tank, sondern einen beträchtlichen Fettsteiß.
Einige Vogelarten können bei entsprechend sparsamer Lebensführung sogar Wochen ohne
Wasser auskommen. Die Wüstenläuferlerche zum Beispiel lebt in ihrem Tarngefieder
zwischen Steinen mitten in der Sahara und weitab von jeder Wasserstelle. Auch die
Palmtaube entfernt sich gelegentlich von ihrer Oase und treibt sich viel mehr als einen
Tagesflug entfernt an den trockensten und heißesten Stellen herum. Für einen Vogel mit
seinem durchs Fliegen hohen Energieumsatz und Wasserbedarf ist das schon eine
bemerkenswerte Anpassung ans Leben in der Wüste. Noch weiter treiben es allerdings
Spinnen und Skorpione: die trinken gar nicht.
Dromedar und Co.
Am schwersten tun sich grundsätzlich Säugetiere mit der Wüstenanpassung; sie brauchen eine
Menge Wasser und Energie schon, um ihre Körperwärme auf gleichem Niveau zu halten. Die
Aufgabe wächst mit dem Volumen der Tiere. Daher nimmt in der Wüste die Artenvielfalt mit
der Größe ab. So haben sich mit der Wüste nur wenige Säugetiere anfreunden können: etliche
Mäusearten, der Wüstenfuchs Fennek, ein paar Wildkatzenarten, Mähnenschaf, einige
Gazellen- und Antilopenarten, schließlich Dromedar und Trampeltier.
Wer in der Wüste überleben will, darf mit seinem Speiseplan nicht wählerisch sein. Da die
Wüste nicht von leckeren Pflanzen und Beutetieren überquillt, muss man sich bei Gelegenheit
auch einmal überfressen, denn man weiß nie, wann die nächste Mahlzeit vorbeikommt. Die
Walzenspinne, eine ziemlich urtümliche Gattung unter den Spinnentieren, hat dazu einen sehr
dehnbaren Hinterleib, und wenn sie ein Beutetier überwältigt hat, dann frisst sie es, auch
wenn sie selbst kleiner als das Opfer ist. Diese Spinne hat keinen Reflex, mit dem Fressen
aufzuhören, wenn sie genug hat. Bei einem überreichen Nahrungsangebot kann das sogar
dazu führen, dass das Tier platzt.
Leben in der Tiefsee
In der schwarzen und merkwürdigen Tiefe tun sich die letzten Geheimnisse dieser Erde auf.
Nur ein paar Dutzend Menschen haben sie kennen gelernt, und auch das nur auf Stippvisite.
Der Kosmos tief unter der Meeresoberfläche ist riesig, der größte Lebensraum des Planeten
überhaupt und nahezu unerforscht. Jules Verne hat immer noch Recht: “Das Meer allein, das
sich nie verändert, könnte in seinen unerforschlichen Tiefen noch einige Warenmuster der
urzeitlichen Schöpfungen enthalten.”
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Riesenkraken – Bewohner der Dunkelheit
Die Tiefsee ist der ursprünglichste Lebensraum der Erde. Mochten an der Oberfläche die
Kontinente auseinanderdriften, die Meteoriten einschlagen und fast alles Landleben
auslöschen, die Eiszeiten kommen und gehen, die Ameisen die Welt erobern, die Saurier
aussterben, die Säugetiere immer größer werden – hier unten herrschte und herrscht ewige
Ruhe und kühle Finsternis. In diesem abgeschlossenen schwarzen Universum leben Tiere fort,
die bereits das Erdaltertum geboren hatte: Krebse, Muscheln und andere Weichtiere, und
darunter auch er: Archeteuthis.
Seine Ahnengalerie ist beeindruckend, sie geht 540 Millionen Jahre zurück bis ins Kambrium.
Paläontologen, die seine geradezu mythische Geschichte verfolgen, finden keine Tiergruppe,
die sich länger auf der Erde halten konnte. Der Riesenkrake, keine Legende, existiert wirklich,
er hat es im Lauf seiner Entwicklung zu so gewaltigen Ausmaßen gebracht, dass er selbst dem
Kampf mit dem Pottwal nicht aus dem Weg geht.
Bizarre Landschaften am Meeresgrund
4.000 Meter unter dem Meeresspiegel: vom Boden wachsen haushohe Schlote nach oben,
Kamine, aus denen es schwarz herauskocht. Hier reiben die Kontinentalplatten der Erdkruste
aneinander, Magma quillt aus dem Meeresboden, und Meereswasser verschwindet im
Untergrund, mit ungeheurem Druck durch die Schlote wieder herausgeschossen zu kommen.
Bakterien wachsen hier, die statt von Sauerstoff von Schwefel leben und nur bei kochendem
Wasser existieren können. ‚Hyperthermophile Archäen‘ hat sie deshalb ihr Entdecker, der
Regensburger Mikrobiologe Karl Stetter, genannt.
Die nächste Überraschung wartet um die Ecke, wo das vulkanische Tiefenwasser auf
tropische Wärme abgekühlt ist - wo die Temperatur normalerweise bei gerade einmal 1,4
Grad liegt. Da wiegen sich, am Boden angewachsen, meterhohe Röhrenwürmer im Wasser.
Es gibt aber auch festsitzende Krebse, Schnecken, riesige Muscheln und Fische. Der
vulkanische Untergrund setzt eine ungeheure Menge anorganischer Energie frei, die die Tiere
mit Hilfe Schwefel liebender Bakterien ausnutzen. Überall sonst ist die Tiefsee nämlich
außerordentlich arm an Nährstoffen.
6.000 Meter. So tief liegt gewöhnlich der Meeresboden des Pazifischen Ozeans. Oberhalb des
Marianengraben ist aber auf dieser Ebene freier Ozean, belebt mit einer schweigenden,
leuchtenden und bizarren Tierwelt in abenteuerlichsten und märchenhaftesten Gestalten. Hier
schwebt eine zaghaft blinkende, fast immaterielle Wolke vorbei, ein riesiger Verband von
Leuchtbakterien. Dort steht ein zartes Gespinst im Wasser, das wie eine ferne Stadt glitzert.
So genannte Staatsquallen, Megaorganismen, zusammengesetzt aus einer riesigen Anzahl
winziger und ganz verschiedener durchsichtiger Polypen, von denen jeder eine andere
Aufgabe hat: manche durchkämmen das Wasser nach Nahrung, andere erledigen die
Verdauung, beleuchten den ganzen Staat oder sorgen für den Nachwuchs.
Leuchten im Dunkeln
In der Tiefsee hat sich beinahe jede Tiergruppe ein Leuchtorgan zugelegt. Die Tiere halten
sich Licht abgebende Bakterien, die sie nach Bedarf an- oder ausschalten können. Sie
benutzen sie, um Beutetiere und Geschlechtspartner anzulocken.
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11.000 Meter. So tief ist der Marianengraben, tiefer als der Mount Everest hoch. Jacques
Piccard war der Pionier, der 1962 soweit hinunter tauchte. Das erste, was er entdeckte, war
ein Plattfisch, etwa 30 Zentimeter lang, der die Tauchkugel mit seinen runden Augen wohl
etwas verwundert anstarrte und dann gemächlich von dannen zog, womit Piccard schon gleich
ein Indiz dafür hatte, dass es selbst dort noch Lebewesen gibt.
© Bayerischer Rundfunk 2001
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