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Wie Firmen Kunden zu nachhaltigem Verhalten bewegen können
TUE GUTES UND REDE DARÜBER
Eine Kiste Krombacher ist gut für den Regenwald. Diese Botschaft vermittelt die Brauerei in einer Kampagne mit
der Naturschutzorganisation WWF, bei der sie für jeden gekauften Kasten Krombacher einen Quadratmeter
Regenwald schützt. Die meisten großen Firmen setzen sich heute für soziale oder Umweltschutzprojekte ein, auch
wenn sie das ganz unterschiedlich kommunizieren. Welche Informationen wollen die Kunden eigentlich
bekommen, und welches Engagement erwarten sie von den Firmen? Was können die Firmen tun, um ihre Kunden
zu nachhaltigem Handeln zu bewegen? RUB-Marketingforscher haben zu diesem Thema die umfassendste
Befragung durchgeführt, die es je gab.
Firmen tragen soziale Verantwortung, Fachleute sprechen von Corporate Social Responsibility, kurz CSR. CSRMaßnahmen können jedoch ganz unterschiedlich ausfallen. Neben Umweltprojekten spenden Firmen häufig für die
Dritte Welt oder setzen sich für soziale Projekte im unmittelbaren Umfeld oder für die eigenen Mitarbeiter ein. „Viele
Unternehmen kommunizieren nur über ihre Spendenaktivitäten“, erzählt Dr. Laura Marie Schons vom Marketing
Department der RUB. „Aber unsere Umfragen zeigen, dass das die Maßnahme ist, die die Kunden eigentlich am
wenigsten schätzen“. Am wichtigsten ist ihnen, dass Firmen sich für ihre eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
einsetzen, etwa ein familiengerechtes Umfeld schaffen. Am zweitwichtigsten bewerteten die Befragten Maßnahmen
zum Umweltschutz, an dritter Stelle folgten Projekte, die lokale Gemeinden unterstützen – auf dem letzten Platz
rangierten die Spendenaktionen. Für diese Studie kooperierte das Team um Laura Marie Schons (Abb. 2) mit IKEA
Deutschland; mit dem gleichen Industriepartner führten die Wissenschaftler nun eine große Befragung durch. „Diese
Forschungskooperation sprengt so ziemlich alles, was bislang in unserem Fach da gewesen ist“, meint Schons.
Innerhalb eines Jahres schickten sie und ihre Kollegen achtmal einen Online-Fragebogen an die „IKEA Family“-Kunden.
225.794 Personen machten in allen Runden mit. „Es gibt eigentlich keine anderen Datensätze, die damit konkurrieren
können“, sagt die RUB-Forscherin.
In jeder Fragerunde gab es einen Themenschwerpunkt. Doktorandin Gina Mende (Abb. 2) untersucht zum Beispiel,
wie Unternehmen ihre Kunden zu nachhaltigem Verhalten anregen können. Sie wertete insgesamt 33.511
Rückmeldungen aus, die sie in 107 Gruppen einteilte. Verschiedene Gruppen beantworteten Fragen zu verschiedenen
IKEA-Produkten, zum Beispiel Frischhaltedosen, Bettwäsche oder der LED-Lampe „LEDARE“. Jedes Produkt machte
Gina Mende den Befragten auf unterschiedliche Weisen schmackhaft. Dann analysierte sie, wie sich die gegebene
Information auf die Kaufbereitschaft des Kunden auswirkte (Info).
Manche Befragten erfuhren zum Beispiel, dass man mit der LED-Lampe „LEDARE“ (Abb. 3) Strom spart und somit die
Umwelt schont. Anderen Kunden wurde nicht dieser moralische Nutzen vermittelt, sondern der ökonomische Vorteil
des Stromsparens: Eine Lampe, die weniger Energie verbraucht, kostet den Kunden auf Dauer auch weniger.
Wiederum andere wurden motiviert, die Lampe zu kaufen, um mit gutem Beispiel voranzugehen und Freunden und
Verwandten zu zeigen, dass sie etwas Gutes für die Umwelt tun. In diesem Fall sprechen die Forscher von einem
Image-Nutzen.
Für jedes Produkt erstellte Gina Mende 15 bis 16 Informationstexte, in denen einzelne oder mehrere der oben
aufgeführten Aspekte auftauchten (Info). Jeden Umfrageteilnehmer konfrontierte sie mit einem Informationstext zu
einem von insgesamt sieben Produkten. Auch eine Reihe von Fragen, die sich nicht auf das Produkt bezogen, mussten
die Teilnehmer beantworten, zum Beispiel wie sie zum Thema Umweltschutz stehen, wie umweltfreundlich sie sich
verhalten und was sie von IKEA als Unternehmen denken.
Die Befragung ergab, dass Kunden ein Produkt am ehesten kaufen wollen, wenn sie einen moralischen Nutzen
kommuniziert bekommen, etwa dass der Einsatz der LED-Lampe Strom spart und somit die Umwelt schont. Auch die
statistische Analyse zeigte: Der Kunde möchte ein nachhaltiges Produkt lieber kaufen, wenn er weiß, was er davon
hat, sei es ein moralischer, ökonomischer oder ein Image-Nutzen (Abb. 4a). Erhält er nur eine Produktinformation,
aber erfährt nichts über den Nutzen seines Kaufs, ist seine Kaufabsicht signifikant geringer.
„Man kann den Kunden aber auch überinformieren“, sagt Gina Mende. Wenn sie ein Produkt nicht nur über den
moralischen Nutzen bewarb, sondern gleichzeitig auch einen ökonomischen Vorteil oder Image-Nutzen
kommunizierte, ging die Kaufabsicht nach unten (Abb. 5a). „Man bezeichnet das als Crowding out-Effekt“, so Mende.
„Der äußere Geld-Anreiz oder imagebezogene Anreiz, das nachhaltige Produkt zu kaufen, verdrängt die moralische
Motivation.“ Schons ergänzt: „Eine gute Tat hinterlässt ein gutes Gefühl. Wenn es neben dem moralischen Nutzen
aber auch noch einen egoistischen Anreiz gibt, wie Geld sparen, ist die gute Tat weniger ‚wert‘.“
Zu viel Information schadet also. Und zwar nicht nur der Kauflust. Auch die Wahrnehmung der ökologischen
Nachhaltigkeit eines Unternehmens leidet unter zu vielen Auskünften (Abb. 5b). Ein überinformierter Kunde weiß die
CSR-Maßnahmen einer Firma nicht so sehr zu schätzen wie ein gezielt informierter Kunde. Das größte Ansehen genoss
das Corporate Social Responsibility-Engagement von IKEA bei solchen Kunden, die einen moralischen Nutzen für den
Kauf des nachhaltigen Produkts kommuniziert bekommen hatten (Abb. 4b).
Auch wenn Überinformation generell schadete, gab es dennoch eine gezielte Information, die die Kaufabsicht
zusätzlich zum moralischen Nutzen steigern konnte, und zwar: „IKEA möchte mit seinen Kunden zusammen etwas
Gutes tun. Deshalb wird diese LED-Glühbirne jetzt zu einem besonders günstigen Preis angeboten, weil es IKEA
wichtig ist, dass die IKEA-Kunden Strom sparen.“ Dieser ökonomische Anreiz, gepaart mit dem moralischen Nutzen,
führte zur größten Kaufabsicht. Warum kommt es hier nicht zum Crowding out-Effekt, wie wenn man dem Kunden
sagt, dass er mit der Lampe Strom und somit auf lange Sicht Geld spart? „Die Preisreduktion ist in diesem Fall für
andere nicht sichtbar und führt nicht direkt zu einer Verdrängung der moralischen Motivation“, spekuliert Gina
Mende.
Aus ihren Daten leiten die Marketingforscherinnen konkrete Empfehlungen für die CSR-Kommunikation von
Unternehmen ab: „Wollen sich Unternehmen als ökologisch nachhaltig positionieren und ihren
Nachhaltigkeitsgedanken auch an ihre Kunden weitergeben, sollten sie besonders über die moralischen
Produktkomponenten informieren und dies nicht mit anderen Botschaften vermischen“, so Mende. Ein zusätzliches
preisliches Entgegenkommen der Unternehmen zeigt den Kunden jedoch, dass auch das Unternehmen sich bemüht,
und wird von den Kunden positiv wahrgenommen.
Julia Weiler
info
BEISPIELE AUS DEM ONLINE-FRAGEBOGEN
„Leuchtdioden benötigen 85 Prozent weniger Energie und halten 20-mal länger als Glühlampen. Die ,LED LEDARE
600 Lumen' kostet 11,99 Euro. Mit dieser LED-Glühbirne kann man seinen Haushaltsstromverbrauch im Jahr um circa
600 Kilowatt reduzieren (im Vergleich zu herkömmlichen 60-Watt-Glühbirnen). Mit dem Austausch von
herkömmlichen 60-Watt-Glühlampen durch LED-Glühlampen kann man mit gutem Beispiel vorangehen und
Freunden und Familie zeigen, dass das Nutzen einer LED-Glühbirne Strom spart und somit umweltfreundlicher ist.“
(Auszug aus dem Fragebogen)
Zu dem vorgestellten Produkt schätzten die Teilnehmer beispielsweise ein, wie sehr folgende Aussagen zutreffen:
– Wahrscheinlich werde ich dieses Produkt bei nächster Gelegenheit kaufen.
– Ich würde dieses Produkt generell weiterempfehlen.
– Wenn ich dieses Produkt benutze, würde das die Art und Weise verbessern, wie ich von anderen
wahrgenommen werde.
– Ich würde dieses Produkt kaufen, um …
 etwas Gutes für die Umwelt oder Gesellschaft zu tun.
 Geld zu sparen.
 meine Gesundheit zu schonen.
 anderen ein Vorbild zu sein.
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