Die Klonierer und die Philosophen - Hans Jonas

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Die Klonierer und die Philosophen
Von den Schwierigkeiten eines interdisziplinären Diskurses
Ethik
im
Dialog
F. Hucho, FU Berlin
"Don't clone humans!" ruft Ian Wilmut, der Vater des Klon-Schafs Dolly, unermüdlich landauf
landab, kürzlich wieder im Wissensmagazin "Science". Er muß es wissen, er hat die Fakten
beisammen. Das Klonieren von Schafen, Mäusen, Rindern, Ziegen und Schweinen hat gezeigt:
Klonieren funktioniert selten, mit deprimierender Ineffizienz; es führt zu Entwicklungsstörungen
während der Schwangerschaft und danach; bestenfalls einige Prozent der durch Kerntransfer
erhaltenen Embryonen überleben bis zur Geburt, und von diesen überleben nur wenige die
ersten Tage danach. Die wenigen Überlebenden sind häufig ungewöhnlich groß ("large offspring
syndrome"), haben Atmungs- und Kreislaufprobleme, ein schwaches Immunsystem,
Fehlbildungen an Nieren und Gehirn. Das Klonieren von Menschen ist keinesfalls einfacher oder
erfolgversprechender als das von Tieren. Kein Zweifel: Klonieren ist höchst riskant. Und man
weiß auch, warum: Zur Vorbereitung eines neuen Lebewesens muß das Genom der Eltern
"reprogrammiert" werden, d.h. zurückgeführt auf den Anfang, auf die reine Genetik der
Erbsubstanz in den Spermien- und Eizellen. Sie muß gereinigt werden von der "Epigenetik", von
allem was während des Lebenslaufs und der Entwicklung hinzugefügt wird. Die natürliche
Spermatogenese und Oogenese haben dafür Monate bzw. Jahre Zeit. Bei der Klonierung durch
Kerntransfer muß dies in Minuten erfolgen. Im "günstigsten" Fall entsteht durch unvollständige
Reprogrammierung ein nicht lebensfähiger Embryo. Wahrscheinlicher sind subtile epigenetische
Reste, die erst später im Leben zu Abnormalitäten, Fehlentwicklungen, Krankheit und frühem
Tod führen.
Naturwissenschaftler wissen alles dies und sind, wenn sie denn Hirn und
Verantwortungsbewußtsein haben, gegen das reproduktive Klonieren. Sie wissen aber auch noch
mehr: Menschen machen (und nicht zeugen) ist gegen Menschenwürde, ist unethisch und einfach
widerlich... Und schon haben sie ein Problem: Sie wildern in den Revieren der Philosophen und
müssen sich sagen lassen, sie würden über etwas reden, wovon sie nichts verstehen. Schlimmer
noch: Es gibt für manche Ethiker kaum ein ethisches Argument gegen das Klonieren von
Menschen!
Aus Selbstverständlichkeiten, diktiert vom gesunden Menschenverstand, werden in den Augen
professioneller Ethiker Verstöße gegen deren Grundbegriffe. Die ehrenwerte moralische
Entrüstung des Molekularbiologen wird, sobald er seinen Kompetenzraum, das Labor, verläßt,
zur unhaltbaren kategorischen Aussage. Er muß sich sagen lassen, daß seine Einstellung auf
"vorphilosophischer Intuition" beruht, also nicht auf Wissenschaft im Sinne der philosophischen
Disziplinen. Nimmt er jedoch den Anspruch der Philosophie auf Wissenschaftlichkeit ernst, hat
er erst recht ein Problem: Er verliert sich in einem Gestrüpp aus Meinungen und Schulen. Zwar
findet er seine aus der Magengrube kommenden Vorurteile bei Philosophen wieder, die von der
Verantwortung gegenüber dem sprechen, was man da im Reagenzglas macht, gegenüber dem
angehenden Menschen, der zum technischen Projekt wird und zum Instrument für einen Zweck,
sei dieser nun der Ersatz eines Verstorbenen, eines Erben, eines Kuschelkindes oder
Glücksbringers. Andere Schulen können über diese Argumente nur lachen: Die herkömmliche
Zeugung eines Kindes sei doch nichts anderes: geplant, zweckvoll, nur eben ein bißchen
zufälliger.
Der Naturwissenschaftler fühlt sich im Stich gelassen, zurückverwiesen auf sein Fachwissen. Von
dem aber weiß er, daß es für ein kategorisches Klonierverbot nicht ausreicht, bestenfalls für ein
Moratorium bis zur Beseitigung der technischen Schwierigkeiten, die das Klonieren (noch!) so
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riskant erscheinen lassen. So hat er sich jedoch Interdisziplinarität nicht vorgestellt: Will er nicht
einfach die Kollegen der Anderen Kultur für Zyniker, Progressivisten, gar Opportunisten halten,
muß er sich auf ihm fremdes Territorium begeben und sich einlassen auf einen Disput, der heute
in den Feuilletons und philosophischen Seminaren mit schöner, lange nicht mehr dagewesener
Intensität geführt wird, allerdings weitestgehend ohne ihn. Er muß auf die Ethiker zugehen und
fordern.
Zieht uns zu euren Diskursen hinzu. Rümpft nicht die Nase wegen unserer philosophischen
Ungebildetheit.
Laßt euch erkären, was wir unter Risiko verstehen, in welchen Kategorien wir denken, was wir
für technisch machbar halten und was nicht.
Überfordert nicht die Wissenschaftlichkeit eurer Disziplinen. Akzeptiert, daß Außenstehende
Schulenbildung innerhalb eines Faches als Argument gegen die Objektivität des erarbeiteten
Wissens ansehen.
Vor allem aber: Macht eure Hausaufgaben; gebt uns praktikable Kategorien an die Hand.
© 2001 F. Hucho
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