Behandlung von Suizidenten im Universitätsklinikum Leipzig und Analyse der daraus resultierenden Kosten Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades Dr. med. an der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig eingereicht von: Sören Dölling geboren am 09.01.1985 in Oelsnitz/Vogtland angefertigt an: der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig in der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Betreuer: Prof. Dr. med. Ulrich Hegerl Dipl.-Psych. Nicole Koburger Dr. rer. biol. hum. Dipl.-Psych. Roland Mergl Beschluss über die Verleihung des Doktorgrades vom: 17.12.2013 S e i t e | II Gewidmet meiner Frau und meinen Eltern, ohne deren Rückhalt ich dieses Ziel wohl nicht erreicht hätte. S e i t e | III Bibliographische Beschreibung Sören Dölling Behandlung von Suizidenten im Universitätsklinikum Leipzig und Analyse der daraus resultierenden Kosten Universität Leipzig, Dissertation 131 S., 195 Lit., 16 Abb., 20 Tab., 6 Anhänge Referat: Suizidale Handlungen, also Suizide und Suizidversuche, sind mit großem Schmerz, großer Trauer und auch großem Schamgefühl verbunden. Dies betrifft nicht nur die Suizidenten selbst, sondern auch Angehörige und Freunde. Weltweit sterben etwa eine Million Menschen jährlich durch Suizid und in Deutschland steht der Suizid auf Platz sieben der häufigsten Todesursachen. Schätzungen zu Folge ist die Anzahl der Suizidversuche pro Jahr, im Vergleich zu den Suiziden, bis zu 30-fach höher. Dies zeigt, dass suizidale Handlungen zusätzlich eine hohe Relevanz für das Gesundheitssystem darstellen. Diese Arbeit entstand im Zuge des OSPI-Projektes in Leipzig. Einem europäischen Projekt zur Einführung eines Präventionsprogramms gegen suizidale Handlungen. Es wurden alle Suizidenten, die innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren im Universitätsklinikum Leipzig behandelt wurden, erfasst. Die elektronischen Patientenakten wurden dafür, unter Verwendung der entsprechenden ICD-Kodierungen für Selbstverletzungen bzw. Selbstvergiftungen, durchsucht. Ziel war es, neben der lückenlosen Erfassung und epidemiologischen Auswertung aller Fälle, Aussagen über die Art der Behandlung von Suizidenten und den damit verbundenen direkten und indirekten Kosten zu machen. Es zeigten sich, im Vergleich zu bereits bestehenden Studien aus anderen Ländern, keine signifikante epidemiologischen Unterschiede, während deutlich mehr Patienten intensivmedizinisch versorgt und psychiatrisch untersucht wurden, als dies in anderen Ländern der Fall war. Im Hinblick auf die Gesamtkosten, in Höhe von rund 3,9 Millionen Euro, konnte diese Arbeit, abgesehen vom menschlichen Aspekt, die ebenfalls wichtige gesundheitsökonomische Bedeutung solcher Fälle aufzeigen. S e i t e | IV Inhaltsverzeichnis 1 Einführung .................................................................. 1 1.1 Präventive Maßnahmen ............................................................................................3 1.2 Ausgewählte präventive Projekte gegen Suizidalität .................................................4 1.2.1 „Nürnberger Bündnis gegen Depression“ ...........................................................4 1.2.2 „Optimizing Suicide Prevention programs and their Implementation in Europe” (OSPI Europe) ..........................................................................................5 1.3 Grundsätzliche Fragestellungen ................................................................................5 2 Theorie ....................................................................... 6 2.1 Definition Suizid und Suizidversuch .........................................................................6 2.2 Motive des Suizidversuchs .......................................................................................6 2.2.1 Parasuizidale Pause............................................................................................7 2.2.2 Parasuizidale Geste ............................................................................................7 2.2.3 Parasuizidale Handlung mit Autoaggression ......................................................7 2.3 Unterschiede zwischen Suizid und Suizidversuch .....................................................7 2.4 Der Weg zum Suizidversuch ....................................................................................8 2.5 Gründe für den Suizidversuch ..................................................................................8 2.6 Epidemiologie von Suizid und Suizidversuchen .......................................................9 2.7 Einflussfaktoren auf suizidales Verhalten ............................................................... 10 2.7.1 Psychische Erkrankungen ................................................................................ 10 2.7.1.1 Depression ................................................................................................ 11 2.7.1.2 Schizophrenie ........................................................................................... 12 2.7.1.3 Angststörungen ......................................................................................... 13 2.7.2 Alter und Geschlecht ....................................................................................... 14 2.7.2.1 Suizidversuche im Alter ............................................................................ 15 2.7.3 Body Maß Index .............................................................................................. 15 2.7.4 Serumcholesterinkonzentration/Triglyceride .................................................... 17 2.7.5 Wohnort: Stadt versus Land ............................................................................. 17 2.7.6 Risikoerhöhung durch vorausgehendes suizidales Verhalten ............................ 18 2.7.7 Suchterkrankungen - Abhängigkeit ..................................................................19 2.7.7.1 Alkoholmissbrauch/ -abhängigkeit ............................................................ 20 2.7.7.2 Drogenkonsum.......................................................................................... 20 2.7.7.3 Rauchen .................................................................................................... 21 2.7.8 Testosteronspiegel ........................................................................................... 21 Seite |V 2.7.9 Geographische Lage der Population ................................................................. 22 2.7.10 Einfluss der Medien: „Papageno versus Werther Effekt“................................ 22 2.7.11 Körpergröße ..................................................................................................23 2.7.12 weitere Faktoren ............................................................................................ 23 2.8 Saisonalität von Suizidversuchen ............................................................................ 24 2.9 Methoden des Suizidversuchs ................................................................................. 25 2.10 verwendete Medikamente beim Suizidversuch...................................................... 26 2.10.1 Vergleich zwischen TCA-Intoxikation und SSRI-Überdosierung ................... 27 2.11 Versorgung nach Suizidversuch: ambulant vs. stationär ........................................ 27 2.11.1 Wer sucht Hilfe? ............................................................................................ 28 2.11.2 Wo wird behandelt? ....................................................................................... 28 2.11.3 Wie wird behandelt? ...................................................................................... 29 2.12 Psychiatrische Untersuchung eines Suizidenten im Krankenhaus .......................... 29 2.13 Management bei Suizidrisiko ............................................................................... 30 2.14 Zeitraum bis zum Eintreffen in die Notaufnahme nach Suizidversuch ................... 32 2.15 stationäre Behandlungskosten für einen Suizidenten ............................................. 32 2.16 Verweildauer von Suizidenten im Krankenhaus .................................................... 33 2.17 Kostenanalyse im Gesundheitssystem ...................................................................34 2.17.1 Humankapitalansatz ....................................................................................... 34 2.17.2 Friktionskostenansatz..................................................................................... 35 3 Fragestellungen der Studie ....................................... 36 3.1 Hauptfragestellung ................................................................................................. 36 3.2 weitere Fragestellungen .......................................................................................... 37 3.2.1 Wie erfolgt die Behandlung? ........................................................................... 37 3.2.2 Wie hoch sind die Gesamtkosten? .................................................................... 37 4 Methodenteil............................................................. 38 4.1 Grundsätze der Datenerhebung ............................................................................... 38 4.2 Einschlusskriterien ................................................................................................. 38 4.3 Ausschlusskriterien ................................................................................................ 39 4.4 gesundheitsökonomische Aspekte .......................................................................... 39 4.4.1 direkte Kosten ................................................................................................. 39 4.4.2 indirekte Kosten .............................................................................................. 39 4.5 statistische Analyse ................................................................................................ 40 4.6 erhobene Daten ...................................................................................................... 41 4.7 Ethikantrag ............................................................................................................. 41 S e i t e | VI 5 Ergebnisse ................................................................ 42 5.1 Epidemiologische Analyse der Daten .....................................................................42 5.1.1 Alter, Geschlecht und Familienstand................................................................ 42 5.1.2 Zeitpunkt des Suizidversuchs ........................................................................... 43 5.2 vorausgegangene Suizidversuche............................................................................ 43 5.3 Ursachen des Suizidversuchs .................................................................................. 44 5.4 Methoden des Suizidversuchs ................................................................................. 45 5.2.1. Verwendung mehrerer Mittel/Medikamenten .................................................. 46 5.2.2. Verwendete Medikamente .............................................................................. 47 5.2.3. Alkohol als zusätzliches Mittel ....................................................................... 47 5.3 Behandlung ............................................................................................................ 48 5.3.1 Behandlungsart – ambulant vs. stationär .......................................................... 48 5.3.2 Art der Kontaktaufnahme mit dem UKL .......................................................... 48 5.3.3 Kontakt mit dem Rettungswagen .....................................................................48 5.3.4 Zeitpunkt des Eintreffens in die Notaufnahme ................................................. 49 5.3.5 Verbleib in der Notaufnahme ........................................................................... 49 5.3.6 ICD – Kodierungen ......................................................................................... 50 5.3.7 Aufnahme auf unterschiedliche Stationen ........................................................ 51 5.3.8 Verlegung in die klinikinterne Psychiatrie ....................................................... 52 5.3.9 psychiatrische Untersuchung ........................................................................... 53 5.3.9.1 ambulante Fälle......................................................................................... 53 5.3.9.2 stationäre Fälle .......................................................................................... 53 5.3.10 Behandlungsende ........................................................................................... 54 5.3.11 Todesfälle ...................................................................................................... 55 5.3.12 Verweildauer der stationären Fälle ................................................................. 55 5.3.12.1 Verweildauer in Abhängigkeit zur Methode ............................................ 57 5.4 Grunderkrankungen zum Zeitpunkt des Suizidversuchs .......................................... 58 5.5 Erkrankungen nach dem Suizidversuch (nach Entlassung) ...................................... 59 5.5.1 Gesundheitliche Probleme/Erkrankungen nach Suizidversuch mit weichen Methoden ...................................................................................................59 5.5.2 Gesundheitliche Probleme/Erkrankungen nach Suizidversuch mit harten Methoden ...................................................................................................... 59 5.6 Kosten für das Gesundheitssystem.......................................................................... 60 5.6.1 direkte Kosten ................................................................................................. 61 5.6.1.1 Gesamtkosten ........................................................................................... 61 5.6.1.2 direkte Kosten in Abhängigkeit zum Ausgang des Suizidversuchs ............ 62 5.6.1.3 direkte Kosten in Abhängigkeit vom psych. Konsil ...................................62 S e i t e | VII 5.6.1.4 direkte Kosten in Abhängigkeit von der Methode des Suizidversuchs ....... 63 5.6.1.5 direkte Kosten durch Intoxikationen abhängig von Medikament ............... 64 5.6.1.6 direkte Kosten von Mono- und Polyintoxikationen .................................... 65 5.6.2 indirekte Kosten .............................................................................................. 66 5.6.2.1 indirekte Kosten durch Arbeitsunfähigkeit ................................................ 66 5.6.2.2 indirekte Kosten durch vorzeitigen Tod..................................................... 67 5.6.2.3 indirekte Gesamtkosten ............................................................................. 69 6 Diskussion ................................................................ 70 6.1 Probleme der Datenerhebung .................................................................................. 70 6.2 Diskussion der epidemiologischen Ergebnisse ........................................................ 71 6.3 Diskussion der Behandlungscharakteristika ............................................................ 73 6.4 Diskussion der Kostenanalyse ................................................................................ 76 6.4.1 direkte Kosten ................................................................................................. 76 6.4.2 indirekte Kosten .............................................................................................. 80 6.5 Fazit ....................................................................................................................... 82 7 Zusammenfassung der Arbeit ................................... 84 8 Verzeichnisse ........................................................... 88 8.1 Tabellenverzeichnis ................................................................................................ 88 8.2 Abbildungsverzeichnis ........................................................................................... 89 8.3 Literaturverzeichnis ................................................................................................ 90 9 Anhang ................................................................... 102 10 Anlagen ................................................................ 121 10.1 Erklärung über die eigenständige Abfassung der Arbeit ...................................... 121 10.2 Erklärung über die Vorbehaltlichkeit der Verfahrenseröffnung zur Verleihung des Titels Dr. med. ................................................................................... 122 10.3 Lebenslauf .......................................................................................................... 123 10.4 Danksagung........................................................................................................ 124 Seite |1 1 Einführung „Die meisten Menschen, die Selbstmordhandlungen begehen, wollen nicht entweder sterben oder leben. Sie wollen beides gleichzeitig, gewöhnlich das eine mehr als das andere.“ (Stengel, 1969; Seite 74) Zwar konnte in den vergangenen 20 Jahren, durch Präventivprogramme, durch die Therapie von psychischen Störungen und durch eine Vielzahl weiterer Faktoren, die Anzahl der vollendeten Suizide in Deutschland deutlich verringert werden (Felber & Winiecki, 2008), doch wird das Thema Suizid, trotz seiner weiterbestehenden, hohen Relevanz in allen Gesellschaften tabuisiert (Bronisch, 2007). Jährlich sterben etwa eine Million Menschen durch Suizid. Dies entspricht weltweit, statistisch gesehen, einem Suizid aller 40 Sekunden (Rübenach, 2007). Seit vielen Jahren übersteigt die Anzahl der Suizidtoten die der Verkehrsopfer um das doppelte (Bronisch, 2007). Der Suizid ist damit in Deutschland auf Platz sieben der häufigsten Todesursachen (Schweikart & Ueberschär, 2010). Felber und Winiecki konnten zwar aufzeigen, dass die Anzahl der Suizide im Jahr 2008 den absoluten Tiefststand seit mehr als 100 Jahren aufwiesen, doch diese Tatsache wird durch die unbekannte Dunkelziffer getrübt. Die Schätzungen über diese Dunkelziffer liegen, so ergab eine Recherche von Schmidtke et al. (2008), in der internationalen Literatur zwischen 1,8 und 400 Prozent. Nahezu jede dritte Person hat, zu einem beliebigen Zeitpunkt im Leben, einmal Suizidgedanken (Hirschfeld & Russell, 1997) und die Beobachtungen von Mitchell und Dennis (2006) und Devrimci-Ozguven und Sayil (2003), die im Gegensatz zur abnehmenden Suizidrate immer mehr Selbstverletzungen und Suizidversuche, die zur Behandlung ins Krankenhaus kommen, wahrgenommen haben, verstärken die Dringlichkeit weiterer, ergänzender Präventionsmaßnahmen. Es handelt sich bei Suiziden, obwohl der Verlust eines Menschen dramatisch genug erscheint, nicht nur um ein abruptes Ende eines Lebens. Vielmehr müssen viele weitere Faktoren betrachtet werden. So zum Beispiel die unmittelbare Umwelt des Suizidenten, die Familienangehörigen, die Freunde und andere involvierte Menschen, die durch den Suizid oder Suizidversuch gewiss ebenfalls traumatisiert werden. Auch sie leiden nach dem Ereignis oft unter der emotionalen Belastung, Schamgefühlen und der eventuell unbeantwortbaren Frage nach dem Warum (Séguin et al., 1995). Die Gesellschaft, die als Seite |2 soziales Netzwerk dem Suizidenten eigentlich andere Lösungswege aufzeigen sollte, tabuisiert das Thema Suizid (Bronisch, 2007) und ist somit ein Teil der Problematik. Nicht zu Letzt haben Suizidversuche aber auch wirtschaftliche Konsequenzen. Es existieren bereits mehrere Studien, die sich mit genau dieser Frage beschäftigt haben. Man findet verschiedene Veröffentlichungen über die wirtschaftlichen Konsequenzen von Suizidalität, je nachdem, welche Fälle (Suizide oder Suizidversuche) und welche Kosten (direkte und /oder indirekte) in den jeweiligen Studien betrachtet wurden. Zum Beispiel beschrieben Ferris et al. (2007) exemplarisch, mit einer detailierten Einzelfallanalyse der Behandlung einer Suizidentin, welche enormen Kosten (etwa 300.000 Euro) durch Suizidversuche im Gesundheitssystem entstehen können und zu welcher finanziellen Entlastung eine adäquate Prävention führen würde (siehe Abschnitt 2.15). Während einige Studien, wie zum Beispiel die von Sut und Memis (2008) lediglich die direkten Kosten der Behandlung (711 US $ +/- 695 pro Fall) analysierten, so versuchten andere Studien auch Schätzungen über die indirekten Kosten, in Form von Produktivitätsausfall, zu berechnen. Bei Corso et al. (2007) beliefen sich die Kosten, die durch die Behandlung von suizidalem Verhalten im Jahr 2000 in den USA entstanden auf insgesamt etwa 33 Milliarden US-Dollar. Davon entfielen, vor allem durch die fatalen Fälle bedingt, 32 Milliarden auf Produktivitätsausfälle (indirekte Kosten). Bei dieser Studie verstarben nur neun Prozent der Patienten an den Folgen ihres Suizidversuchs, was aber mehr als 90 Prozent der Gesamtkosten ausmachte. Betrachtet man die Suizidversuche (nichtfatal) separat, so entstanden im Schnitt 7.234 US-Dollar direkte Kosten und 9.726 US-Dollar indirekte Kosten pro Fall. Das zeigt zu welchen enormen Konsequenzen, aus volkswirtschaftlicher Sicht gesehen, Suizide und Suizidversuche führen. Es muss erwähnt werden, dass keine dieser bisher veröffentlichten Studien aus Deutschland stammt. Ziel dieser Untersuchung war es somit, anhand der Daten aus Leipzig ein entsprechendes Ergebnis für Deutschland bzw. das deutsche Gesundheitssystem zu ermitteln. Eng verbunden mit den Kosten, die durch eine Krankheit oder deren Behandlung entstehen, ist natürlich die Frage nach der Art der Behandlung. Es ist wichtig zu wissen auf welchen Stationen die Patienten behandelt wurden, da die Behandlung von Patienten die zur Therapie oder Überwachung auf eine Intensivstation verlegt wurden, deutlich mehr Kosten verursacht, als dies auf einer Normalstation der Fall ist (Sut & Memis, 2008). Und den Ergebnissen von Gasquet und Choquet (1994) zur Seite |3 Folge, hat die Art der behandelnden Station auch einen Effekt auf das „outcome“ der Patienten. Kapur et al. (2003) untersuchten die Behandlung von Suizidenten in sechs Krankenhäusern in England und stellten dabei signifikante Unterschiede fest, was den Anteil der ambulant behandelten Fälle und die Durchführung einer psychiatrischen Untersuchung angeht. Dies führte dementsprechend auch zu deutlichen Unterschieden bei den entstandenen Behandlungskosten. Da bis zum jetzigen Zeitpunkt keine Daten aus Deutschland bekannt sind, die Auskunft über die Behandlung von Suizidenten und die daraus resultierenden Kosten im deutschen Gesundheitssystem geben, war es das Ziel dieser Studie, Informationen dieser Art zu gewinnen. 1.1 Präventive Maßnahmen Sowohl der Schutz des menschlichen Lebens und die Verhinderung des menschlichen Leides, welches mit suizidalem Verhalten eng verbunden ist, als auch die geschilderten enormen wirtschaftlichen Konsequenzen erfordern den Aufbau, die Durchsetzung und die Weiterentwicklung präventiver Maßnahmen, um der Suizidalität entgegen zu wirken. Bronisch (2007) erarbeitet in seinem Werk „Der Suizid - Ursachen, Warnsignale, Prävention“ geeignete Maßnahmen und gliederte diese, wie üblich, in primäre, sekundäre und tertiäre Prävention. Demzufolge versteht er unter primärer Prävention die Verhinderung eines erstmaligen Suizidversuchs durch strukturelle und kommunikative Methoden. Kommunikativ gilt es, eine umfassende Aufklärung der Bevölkerung über Krankheitsbilder wie Depression und Sucht durchzuführen und zusätzlich Personal zu schulen (Bsp. Hausärzte), welches in Kontakt mit Suizidenten kommt. Strukturell, im Sinne von „closing the exits“, sollten die Möglichkeiten für einen Suizidversuch verringert werden. Hierunter fallen zum Beispiel der Ausbau der psychiatrisch-psychologischen Versorgung und Zugangsbeschränkungen zu Pestiziden. Unter sekundärer Prävention versteht Bronisch die Verhinderung eines Wiederholungssuizidversuchs. Hier spielen Institutionen wie Telefondienste und Suizidpräventionszentren eine große Rolle. Auch moderne Medien, wie das Internet könnten hier Wirksamkeit zeigen, was bisher jedoch schlecht nachweisbar ist. Unter tertiärer Prävention versteht Bronisch eine Art „Individualprävention“ (Bronisch 2007; Seite 97). Seite |4 1.2 Ausgewählte präventive Projekte gegen Suizidalität Bereits 1993 verfasste die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sechs Ziele um die Suizidalität zu verringern. Dabei handelte es sich um die Behandlung von Patienten mit psychischen Störungen (1), Kontrolle von Waffenbesitz (2), Entgiftung von Gasen die im Haushalt verwendet werden (3), Entgiftung von Autoabgasen (4), Kontrolle über die Zugänglichkeit von toxischen Substanzen (5) und Verringerung von Pressemitteilungen über Suizide (6). Dabei sollte sich jedes Land auf die Dinge fokussieren, die in den jeweiligen Ländern das größte Problem darstellten (Goldney, 2002). Die Einführung präventiver Maßnahmen ging in einigen Ländern mit einer Verringerung der Suizidzahlen einher. So konnten Studien in Kanada, Australien, Neuseeland, Österreich und Großbritannien aufzeigen, dass es nach der Einführung bzw. Verschärfung von Waffengesetzen zur Verringerung der waffenabhängigen Suizide kam (Rodríguez & Hempstead, 2011). Althaus und Hegerl (2003) verweisen allerdings darauf, wie schwierig es ist die Effizienz solcher Präventionsmaßnahmen zu prüfen, da der Einfluss von unspezifischen, in den Studien nicht erhobenen Variablen schwer zu erfassen ist. Des Weiteren verfügte keine der oben genannten Studien über eine Kontrollgruppe, so dass zufällige Effekte, wie zum Beispiel zeitliche Schwankungen, nicht sicher ausgeschlossen werden können. Im Folgenden sollen nun das „Nürnberger Bündnis gegen Depression“ und das Projekt OSPI Europe1 vorgestellt werden. Es handelt sich um Projekte, bei denen jeweils eine Kontrollregion (ohne suizidpräventive Maßnahmen) einer Interventionsregion (mit suizidpräventiven Maßnahmen) gegenübergestellt wurde, um neben der Verringerung der suizidalen Handlungen auch die Effizienz der Maßnahmen im Interventionsgebiet zu untersuchen. Diese Arbeit entstand im Zuge des OSPI-Projektes in Leipzig. 1.2.1 „Nürnberger Bündnis gegen Depression“ Im Jahre 2001 wurde das Nürnberger Bündnis gegen Depression gegründet. Gemäß den Zielen der WHO initiierte man eine Intervention auf vier Ebenen. Erstens Schulung von Hausärzten, zweitens öffentliche Aufklärung, drittens Fortbildung von Multiplikatoren (= nicht-medizinisches Personal wie Pfarrer, Polizisten usw.) über Depression und Suizidalität und viertens, spezielle Angebote für Risikogruppen. Besonders ist die Tatsache hervorzuheben, dass es sich um eine kontrollierte Studie handelt. Als Kontrollregion diente die Stadt Würzburg. Man konnte somit zeigen, dass auf Grund der Interventionen die 1 „Optimizing Suicide Prevention programs and their Implementation in Europe” Seite |5 suizidalen Handlungen (Suizidversuche und Suizide) signifikant um mehr als 20 Prozent gesenkt werden konnten. Seit 2004 wird das Projekt, gefördert durch die Europäische Kommission, als „European Alliance Against Depression (EAAD)" in 17 europäischen Ländern umgesetzt. 2007 wurde es mit dem "European Health Forum Award" ausgezeichnet (Informationsdienst Wissenschaft, 2007). 1.2.2 „Optimizing Suicide Prevention programs and their Implementation in Europe” (OSPI Europe) Die Grundlage für das OSPI Projekt wurde durch die Arbeit der EAAD gelegt. In Deutschland wurde Leipzig als Interventionsregion und Halle/Saale als Kontrollregion auserwählt. Ziel ist es, im Zeitraum zwischen 2008 und 2012, ein modernes Konzept für Suizidprävention zu erarbeiten, dieses in vier europäischen Ländern zu testen und zu evaluieren um schlussendlich diese Interventionen für ganz Europa einzuführen. Zusätzlich zu den vier Ebenen des „Nürnberger Bündnisses gegen Depression“ wurde das OSPI Projekt um eine weitere Ebene ergänzt. Der Zugang zu letalen Suizidmethoden soll eingeschränkt werden (Hegerl et al., 2009). Dass dies ein weiterer Erfolg in Richtung optimierte Suizidprävention ist konnten Florentine und Crane (2010) darstellen. Demnach zeigt sowohl die Limitierung des physischen Zugangs zu Suizidmethoden durch Waffengesetze oder Entgiftung von Haushaltsgasen, als auch die Begrenzung des kognitiven Zugangs, in Form von eingeschränkter Berichterstattung durch die Medien, einen Erfolg. 1.3 Grundsätzliche Fragestellungen Diese Arbeit entstand im Rahmen des OSPI-Projektes. Das Hauptziel war, zu untersuchen, welche Kosten durch die Behandlung von Suizidenten am Universitätsklinikum Leipzig entstanden und wie diese Behandlung erfolgte. Weiterhin war es das Ziel zu analysieren, ob sich die direkten Kosten der Akutbehandlung in Abhängigkeit zur Methode des Suizidversuchs unterschieden. Wie viele Patienten wurden also ambulant, wie viele stationär behandelt? Und wie lange war die Verweildauer? Wie hoch war der Anteil der Intensivstationspatienten und erhielten alle eine psychologische Betreuung oder ein psychiatrisches Konsil? Alle diese Fragen haben einen Einfluss auf die Gesamtkosten und sollten daher auch beantwortet werden. Seite |6 2 Theorie 2.1 Definition Suizid und Suizidversuch Der Begriff Suizid leitet sich vom neulateinischen „sui-cidium“ (aus dem Präfix „sui“ = sich und „caedere“ = töten) ab (Pajonk & D´Amelio, 2009). Die WHO definiert Suizid als “act of deliberately killing oneself.” 2, also als Akt der vorsätzlichen Selbsttötung und kann daher weitergehend vom Opfertod abgegrenzt werden. Ein Suizidversuch ist „ein selbstinitiiertes, gewolltes Verhalten eines Patienten, der sich verletzt oder eine Substanz in einer Menge nimmt, die die therapeutische Dosis oder ein gewöhnliches Konsumniveau übersteigt und von welcher er glaubt, sie sei pharmakologisch wirksam“ (Kreitman, 1986). Diese Definition zeigt ein aktives Handeln und Wollen des Menschen und schließt ein suizidales Handeln aus Versehen heraus, wie zum Beispiel häufig bei Kindern, aus. Andere veraltete Definitionen von Suizidversuchen beinhalten zum Beispiel Abhängigkeiten (Alkohol, Drogen, Medikamente), Risikosportarten und Risikoverhalten. Dabei wird dem Menschen der dies tut ein unbewusster Todeswunsch, jedoch kein aktives Verlangen danach zugeschrieben (Menninger, 1989). Abzugrenzen davon ist der Begriff des Parasuizids, bei dem der Wunsch nach dem Tod nicht im Vordergrund steht. Stengel (1969, S.74) schrieb dazu: „Die meisten Menschen, die Selbstmordhandlungen begehen, wollen nicht entweder sterben oder leben. Sie wollen beides gleichzeitig, gewöhnlich das eine mehr als das andere.“ Die Person die einen Suizidversuch begeht wird, in Anlehnung an die Arbeit von Bronisch (2007), im Folgenden als Suizident bezeichnet. 2.2 Motive des Suizidversuchs Ein Motiv ist „ein subjektiver Beweggrund für ein bestimmtes Verhalten“ (Pschyrembel, 2002; S.1087). Bronisch (2007) unterscheidet drei wesentliche Motive eines Suizidversuchs. Die parasuizidale Pause, parasuizidale Geste und die parasuizidale Handlung mit Autoaggression. 2 http://www.who.int/topics/suicide/en/; geprüft am 02.06.2011 Seite |7 2.2.1 Parasuizidale Pause Hier steht beim Patienten der Wunsch nach einer Unterbrechung im Vordergrund. Die betroffenen wollen Ruhe haben. Der direkte Wunsch zu sterben ist nicht vorhanden. Allerdings begehen viele Betroffene im Verlauf weitere Suizidversuche, welche gegebenenfalls erfolgreich enden. 2.2.2 Parasuizidale Geste Steht der Appell an den Mitmenschen im Vordergrund spricht man von einer parasuizidalen Geste. Oft wird der Suizidversuch mit weniger toxischen Mitteln oder gefährlichen Methoden durchgeführt und der Zeitpunkt wird so gelegt, dass mit einem rechtzeitigen Auffinden zu rechnen ist. Meist ist die Person, die den Suizidenten auffindet auch derjenige, dem dieser Appell gilt (Beispiel: Ehepartner). 2.2.3 Parasuizidale Handlung mit Autoaggression Bronisch (2007) definiert dieses Motiv als missglückten Suizid bzw. erfolglosen Suizidversuch, bei dem vor allem die Autoaggression im Vordergrund steht. Der Suizident will sterben und der Zeitpunkt wird so gelegt, dass ein rechtzeitiges Auffinden weniger realistisch ist. Des Weiteren werden hier, im Gegensatz zur parasuizidalen Pause und Geste, eher „harte Methoden“ verwendet, so die Meinung des Autors. 2.3 Unterschiede zwischen Suizid und Suizidversuch Nach Erwin Stengel (1969) unterscheiden sich Suizid und Suizidversuch in einigen Punkten: 1. Es gibt Unterschiede bezüglich des Alters und des Geschlechts. Suizide begehen eher Männer und ältere Personen. Suizidversuche hingegen eher Frauen und Personen jüngeren Alters. 2. Der fatale Suizid ist der Endpunkt des Lebens, wobei hingegen der reine Suizidversuch häufig zu entscheidenden Veränderungen im Leben des Patienten führt. Es ist jedoch unklar, ob dies immer eine positive Veränderung ist, da mit häufigeren Suizidversuchen die Wahrscheinlichkeit eines vollendeten Suizides steigt (Bronisch, 2007). 3. Die Anzahl der Suizidversuche ist deutlich höher als die der vollendeten Suizide. Des Weiteren ist bekannt, dass Suizidenten, die einen eigentlich sehr schweren und im Normalfall letalen Suizidversuch überlebten, in ihrem klinischen und psychosozialen Profil Seite |8 eher Patienten gleichen, die einen fatalen Suizid vollführten als Patienten mit weniger schweren Suizidversuchen (Mann, 2002). 2.4 Der Weg zum Suizidversuch In den seltensten Fällen handelt es sich bei der Durchführung eines Suizidversuchs um eine spontane Entscheidung. Vielmehr durchläuft der oder die Betreffende eine Entwicklung (Abb. 1), so Pajonk und D´Amelio (2009). Zunächst erwägt der Patient einen Suizidversuch, da er sich in einer ausweglosen und für ihn schwierigen Situation befindet. Eine Phase, in der ein zunächst niedriges Risiko besteht, das allerdings nach außen hin versteckt ist. Im folgenden AmbivalenzStadium ist der Betroffene zwischen dem Wunsch dem Leid ein Ende zu setzen und Abbildung 1 – Stadien der suizidalen Entwicklung nach W. Pöldinger. Aus Pajonk & D´Amelio, (2009) dem Gedanken des Weiterlebens hin- und hergerissen. Erst im dritten Stadium steht der Entschluss fest, sich das Leben zu nehmen. Problematisch ist in dieser Situation, dass der Patient eine gewisse Ruhe ausstrahlen kann, welche dem Umfeld eine Beurteilung der kritischen Situation erschwert. Eine ähnliche Schilderung findet sich bei Althaus und Hegerl (2004). Die beiden Autoren fügen hinzu, dass es sich bei dieser Entwicklung keinesfalls um ein Kontinuum handeln muss und dass nur wenige, die im ErwägungsStadium an einen Suizid denken, diesen dann auch wirklich ausführen. 2.5 Gründe für den Suizidversuch „Man muss wohl davon ausgehen, dass der Trennungsschmerz beim Kind wie beim Erwachsenen einen der intensivsten seelischen Schmerzen darstellt und soziale Isolation als eine der größten Bedrohungen menschlichen Seins erlebt wird. Trennungsschmerz und Angst vor sozialer Isolation scheinen demnach so stark ausgeprägt zu sein, dass sich die menschliche Natur mit ihrem Überlebenswillen nicht mehr durchsetzen kann.“ (Bronisch, 2007; Seite 82) Nach einem Suizid (-versuch) stellt sich für Angehörige und Freunde, aber auch für die Polizei und das hinzu gerufene medizinische Personal häufig die Frage nach dem „Warum?“. Seite |9 Die Studienlage ist hier recht eindeutig. Nahezu alle Studien, die Suizidenten nach der Tat diesbezüglich befragten, liefern das Ergebnis, dass vorrangig wegen zwischenmenschlichen Konflikten, wie zum Beispiel die Trennung vom Lebenspartner, Familienkonflikte, romantische Enttäuschungen oder Untreue des Partners der Suizidversuch begangen wurde. Dies scheint vor allem bei jüngeren Menschen der Fall zu sein (Ferris et al., 2007; Farzaneh et al., 2010; Gasquet & Choquet, 1994; Marks, 1979). Erst an zweiter Stelle stehen psychische Erkrankungen, wie zum Beispiel Depressionen (Fürst & Habscheid, 1993; Harkavy-Friedman et al., 1999). Richtungsweisend für eine Verbesserung der Prävention könnte sein, dass diese Tatsache seit vielen Jahren unverändert ist, denn bereits 1982 veröffentlichten Hawton et al. identische Ergebnisse. Kurz et al. (1982) konnten durch ihre Studie zeigen, dass Menschen bei einem Wiederholungssuizidversuch meist Probleme in mehreren Lebensbereichen nebeneinander aufwiesen, während Patienten beim ersten Selbsttötungsversuch bei der Befragung eher nur ein Problem angegeben hatten (p < 0,01). Suizidversuche im Alter sind häufig durch „Partnerverlust, Verlust des sozialen Netzwerkes, Angst vor den Folgen physischer Erkrankungen und Verlust von Handlungsfreiheitsgraden.“ bedingt (Schmidtke et al., 2008). 2.6 Epidemiologie von Suizid und Suizidversuchen Im Jahr 2009 verstarben in Deutschland 9616 Menschen durch Suizid. Diese Anzahl ist mehr als doppelt so hoch, wie die Todesopfer durch Verkehrsunfälle, Mord, AIDS und malignem Melanom zusammengenommen (Statistisches Bundesamt, 2010). Vor allem im Alter zwischen 15 und 20 Jahren stellt der Suizid damit die zweithäufigste Todesursache dar (Bronisch, 2007; Mann, 2002; Möller-Leimkühler, 2003). Die Schätzungen über das Verhältnis zwischen Suizid und Suizidversuch liegen in der Literatur zwischen 1:10 (Althaus & Hegerl, 2004) und 1:30 Abbildung 2 – Altersverteilung von Suizidversuchen. Aus Schmidtke et al. (2008) (Bronisch, 2007). Die Anzahl der Suizide die während einer stationären Behandlung in einem Krankenhaus durchgeführt werden ist 4- bis 5-fach höher als die Suizidrate in der Allgemeinbevölkerung. 250 von 100.000 Patienten einer Psychiatrie begehen während des Aufenthalts Suizid, so Martelli et al. (2010). S e i t e | 10 Suizidversuche im Alter sind seltener, steigen jedoch bei den sehr alten Menschen wieder an (Abb. 2). Generell aber sind die Raten, auf Grund eines hohen Anteils indirekter Methoden, also Unterlassungshandlungen, stark unterschätzt (Schmidtke et al., 2008). 2.7 Einflussfaktoren auf suizidales Verhalten In der Literatur werden viele Faktoren beschrieben, die Einfluss auf das suizidale Verhalten eines Patienten haben sollen. Dabei sind einige Faktoren, wie zum Beispiel vorbestehende psychiatrische Erkrankungen, wissenschaftlich gesichert (Hirschfeld & Russell, 1997), während über andere Faktoren, zum Beispiel die Körpergröße, große Diskussionen geführt werden. Fest steht, es handelt sich um ein komplexes, multifaktorielles Geschehen. Mann et al. (1999) entwickelten daher, auf der Grundlage ihrer prospektiven Studie, das „Stress-Diathese-Modell“ welches besagt, dass ein Suizidversuch meist nicht nur auf einer psychischen Erkrankung (Stressor) beruht, sondern zeitgleich ein zweiter Faktor vorhanden sein muss (Diathese), wie zum Beispiel ein erhöhtes Aggressionspotential oder Impulsivität. Dieses Model entwickelte Heeringen (2001) weiter. Demnach kommt es bei Menschen mit genetischer und biologischer Vulnerabilität durch Stressoren zu suizidalen Krisen. Mögliche Stressoren sind ein oder mehrere der im Folgenden genannten Faktoren, die in der Literatur beschrieben und hier teilweise näher beleuchtet werden. Allerdings kann kein Anspruch auf Vollständigkeit bestehen. 2.7.1 Psychische Erkrankungen „Der große französische Psychiater des 19. Jahrhunderts, Jean Etienne Dominique Esquirol, sah in dem Suizid alle Merkmale der Geisteskrankheiten versammelt. In dieser Ansicht folgten ihm viele Psychiater nach“ (Bronisch, 2007; Seite 10). Bis zu 90 Prozent aller Suizide sind assoziiert mit psychischen Erkrankungen und nahezu alle Patienten, die einen Suizidversuch begehen haben eine psychische Störung (Foster et al., 1997; Lineberry, 2009; Mann, 2002). Dieser Zusammenhang wurde genauer untersucht und man stellte fest, dass affektive Störungen, Abbildung 3 – Verteilung von Psychiatrischen Erkrankungen bei Patienten mit Suizidversuch außerhalb von stationären Einrichtungen. Aus Bertolote & Fleischmann (2002) S e i t e | 11 hauptsächlich Depressionen, die führende Begleit- bzw. Grunderkrankung von Suizidenten darstellen. Gefolgt von „Substanz-bezogenen Störungen“ (vorrangig Alkohol), Persönlichkeitsstörungen und Schizophrenie (siehe Abb. 3). Die Komorbidität zwischen affektiven und Substanz-bezogenen Störungen wurde mit Abstand am häufigsten beschrieben (Bertolote & Fleischmann, 2002). Diese Verteilung scheint jedoch abhängig vom Alter, Wohnort und Geschlecht der betreffenden Personen zu sein. So diagnostizierten Farzaneh et al. (2010) bei Suizidversuchen von Schülern nur in 23,6 Prozent eine psychische Störung. Führend waren hier vorrangig Anpassungsstörungen (84,3 %) im Vergleich zu Depressionen (18,1 %). Diese Thematik ergänzend, untersuchten Groholt und Ekeberg (2009) Jugendliche 8 bis 10 Jahre nach ihrem Selbsttötungsversuch und diagnostizierten dort allerdings bei 79 Prozent eine psychiatrische Störung. Eine chinesische Studie ergab eine signifikant geringere Inzidenz der Depression bei Suizidversuchen im asiatischen Raum (Bi et al., 2010) und Nordentoft und Branner (2008) zeigten auf, dass Männer im Vergleich zu Frauen bei Suizidversuchen ein besseres Selbstwertgefühl und eher weniger depressive Symptome zeigen. Viele weitere Autoren sehen in den psychischen Erkrankungen den größten Prädiktor für einen Suizid (-versuch) (Adams, 1986; Beghi & Rosenbaum, 2010; Hirschfeld & Russell, 1997; Möller-Leimkühler, 2003; Tidemalm et al., 2008). Das relative Risiko eines Patienten mit psychischen Störungen für die Durchführung eines Suizidversuchs im Laufe seines Lebens ist doppelt so hoch, wie für vergleichbare Personen ohne eine solche Erkrankung (Magnusson et al., 2006). Mann (2002) sieht die Lebenszeitmortalität durch einen Suizid bei Patienten mit bipolarer Störung bei etwa 20 Prozent, für Alkoholabhängige bei 18 und für Patienten mit Depression bei 15 Prozent. Die Risikofaktoren Depression, Schizophrenie und Angststörungen sollen nun an dieser Stelle näher beleuchtet werden. 2.7.1.1 Depression Unter einer Depression versteht man eine Verstimmung und/oder Freudlosigkeit, die länger als 2 Wochen anhält sowie eine Anzahl von begleitenden Symptomen wie zum Beispiel Gewichtsabnahme, Schlaflosigkeit, Unruhe, Appetitmangel, Müdigkeit, Gefühl der Wertlosigkeit, Schuldgefühle, verminderte Denk-, Konzentrations- oder Entscheidungsfähigkeit, sowie wiederkehrende Suizidideen ohne einen genauen Plan (Bronisch, 2007). S e i t e | 12 Studien zeigen ein erhöhtes Risiko für Suizidgedanken und –versuche bei Patienten mit Depression. Die Stärke dieses Zusammenhangs wird in der Literatur mit einer Odds Ratio zwischen 7,6 (Legleye et al., 2010) und 33 (Brunner et al., 2006) angegeben. Dennoch begehen weniger als die Hälfte aller Depressiven einen Suizidversuch (Mann, 2002). Mann (2002) erklärt diese Problematik mit zwei Theorien. Zum einen vermutet er, dass diejenigen, die einen Suizidversuch begehen im Gegensatz zu den Nichtsuizidenten eine subjektiv stärkere depressive Stimmung, größere Hoffnungslosigkeit und mehr Suizidgedanken aufweisen. Eventuell durch persönliche Erfahrungen in Zeiten von Krankheit und/oder Stress begründet. Zum anderen vermutet er eine größere Aggressivität bei den Suizidenten. Bezüglich der subjektiven depressiven Stimmung fanden Malone et al. (1995) jedoch keinen Unterschied im Vergleich zwischen beiden Gruppen. Sie stellten allerdings eine Hypothese auf, dass das Risiko für einen Selbsttötungsversuch abhängig von der Schwere der Depression ist. Sie selbst konnten diese These in ihrer Studie nicht beweisen. Dies gelang 15 Jahre später aber Holma et al. (2010). Erwartungsgemäß zeigten die Autoren auf, dass das Risiko eines Versuches in einer depressiven Episode am höchsten und in vollständiger Remission nur noch geringgradig erhöht war. Sie registrierten 73 Prozent aller Versuche innerhalb einer depressiven Episode. Generell war das Risiko umso größer, je länger ein Patient depressiv war. Im Gegensatz dazu fanden Nakagawa et al. (2009) keinen Zusammenhang zwischen der Schwere der Depression und der Planung eines Suizidversuchs. Malone et al. (1995) berichteten, dass das größte Risiko in ersten drei Monaten nach Beginn der Episode beziehungsweise in den ersten fünf Jahren nach dem Einsetzen der depressiven Erkrankung besteht. Auch scheint sicher zu sein, dass Patienten mit affektiven Störungen häufiger, im Vergleich zu Suizidenten ohne affektive Störung, nach einem Suizidversuch in einem Krankenhaus behandelt werden und dass sie bereitwilliger über ihre Suizidgedanken berichten (Pompili, Innamorati, Giupponi et al., 2010). 2.7.1.2 Schizophrenie Bei der Schizophrenie handelt es „sich um eine psychische Störung/Erkrankung, die durch einem hohen Grad von Realitätsverlust gekennzeichnet ist. Der Realitätsverlust äußert sich in Symptomen wie Wahn, Halluzinationen, Denkstörungen, einer abnormen Psychomotorik und einem abnormen Affekt.“ (Bronisch, 2007; Seite 46) Laut Fenton et al. (1997) lautet die häufigste Todesursache bei Patienten mit Schizophrenie: Suizid. In einer schwedischen Studie mit knapp 40.000 untersuchten Personen war das Suizidrisiko für Schizophrene am größten (Tidemalm et al., 2008). S e i t e | 13 Schätzungen zu Folge begehen etwa 25 Prozent aller schizophrenen Patienten im Laufe ihres Lebens einen Suizidversuch (Shrivastava et al., 2010). Problematisch scheint vor allem die Tatsache zu sein, dass diese Patienten zu Selbsttötungsmethoden mit höherer Letalität tendieren (Harkavy-Friedman et al., 1999) und dass sie ihre suizidale Intention weniger stark gegenüber Dritten äußern (Fenton et al., 1997). Entscheidend für die Behandlung und Prävention der Suizidalität scheint auch hier die Frage zu sein, durch welche Variablen diejenigen Personen charakterisiert sind, welche ein besonders hohes Risiko haben. Während einige Studien hier keine sozio-demographischen oder klinischen Variablen ausfindig machen konnten (Harkavy-Friedman et al., 1999; Shrivastava et al., 2010) gelang es Fenton et al. (1997) die Abhängigkeit der Suizidalität vom Vorhandensein von Negativ- und Positivsymptomen zu zeigen. Demnach scheint das Langzeitrisiko durch eine stark ausgeprägte Negativsymptomatik verringert, während die beiden von Fenton et al. beschriebenen Positivsymptome Misstrauen („suspiciousness“) und Wahn („delusions“) das Risiko erhöhen. Dementsprechend hat der paranoide Subtyp der Schizophrenie das höchste Risiko für die Durchführung eines Suizidversuchs. 2.7.1.3 Angststörungen Nakagawa et al. veröffentlichten 2009 eine Studie mit dem Ergebnis, dass depressive Patienten die gleichzeitig unter Angst- oder Panikstörungen leiden einen protektiven Effekt, was die Planung von Suizidversuchen angeht, aufweisen. Ausgenommen sind Phobien und posttraumatischer Stress. Angststörungen könnten auch die Letalität von Suizidversuchen vermindern, so die Autoren. Dem widersprechend zeigten andere Studien, dass auch ein großer Anteil der Suizidversuche von Patienten mit Panikstörungen durchgeführt wird. Angaben dazu liegen in der Literatur zwischen 37,6 Prozent (Ma et al., 2009) und 42 Prozent (Groholt & Ekeberg, 2009). S e i t e | 14 2.7.2 Alter und Geschlecht Während bei den Suiziden vorrangig Männer im mittleren und vor allem im höheren Alter betroffen sind (Möller-Leimkühler, 2003), zeigt sich bei den Suizidversuchen ein anderes Bild. Das Statussymbol „Männlichkeit“, geht bei Männern mit einem erhöhten Risikoverhalten, schlechteren Problemlösungsstrategien und einem mangelnden Ausdruck von Emotionen einher. Diese Faktoren und weitere, wie zum Beispiel Alkoholmissbrauch, können wiederum suizidales Verhalten fördern (Möller-Leimkühler; 2003). Untersucht man hingegen die Alters- und Geschlechterverteilung bei den Suizidversuchen, stellt man fest, fast alle Studien zeigen, dass hier vorrangig jüngere Menschen und meist Frauen betroffen sind. Die Altersangaben liegen in der Literatur zwischen 16,1 und 40,2 Jahren (Adams, 1986; Barr et al., 2005; Bittner et al., 2010; Farzaneh et al., 2010; Gasquet & Choquet, 1994; Güloğlu & Kara, 2005; Kapur et al., 1999; O´Donovan et al., 1993; Serinken et al., 2008; Slama et al., 2009; Yeo, 1993). Slama et al. (2009) konnten zeigen (Abb. 4), dass zwei Gauss´sche Kurven die Verteilung von Suizidversuchen wiedergeben. Er fand das erste Maximum bei 19,5 Jahren (SD = 4,3) und das zweite Maximum bei 38,5 Jahren (SD = 12,4). Während beim ersten Maximum hauptsächlich Personen mit Angststörungen, Cannabismissbrauch und anamnestisch (sexuellen) Missbrauch betroffen waren, waren dies beim zweiten Maximum vornehmlich Personen mit Abbildung 4 – Altersverteilung bei Suizidversuchen. Aus Slama et al. (2009) Depression. Der deutlich höhere Peak bei 19,5 Jahren konnte durch weitere Studien bestätigt werden. Cengiz et al. (2006) untersuchten 86 Fälle mit Vergiftung in suizidaler Absicht auf einer Intensivstation und errechneten, dass über 50 Prozent der Patienten zwischen 15 und 24 Jahren alt waren. Ähnliche Ergebnisse veröffentlichten Islambulchilar et al. (2009), Güloğlu und Kara (2005) und Serinken et al. (2008). Auch die Tatsache, dass mehr Frauen einen Suizidversuch begehen wurde bislang durch viele Studien bewiesen. Das Verhältnis Mann:Frau liegt je nach Studie zwischen 1:1,1 und 1:6,3 (Barr et al., 2005; Farzaneh et al., 2010; Gasquet & Choquet, 1994; Güloğlu & Kara, 2005; Islambulchilar et al., 2009; Kapur et al., 2004; Serinken et al., 2008; Slama et al., 2009; Yeo, 1993). S e i t e | 15 Lediglich Kapur et al. (1999) und Bittner et al. (2010) haben in ihren Studien mehr Männer erfasst, wobei Bittner et al. (2010) den Unterschied zwischen Suizidversuchen mit und ohne Waffenverwendung untersuchte. Mehr als die Hälfte der von ihm erfassten Fälle verwendeten Waffen, was die Abhängigkeit des Geschlechts von der Methode des Suizidversuchs aufzeigt. 2.7.2.1 Suizidversuche im Alter Suizidversuche im Alter werden häufig mit „harten“ Methoden, wie Erhängen (55 %), begangen. Damit sind diese Versuche mit einer wesentlich größeren Letalität verbunden. „Für die Altersverteilung der Suizidziffern findet sich immer noch das so genannte „ungarische Muster“, d.h. die Suizidgefährdung nimmt mit dem Alter sowohl für Männer als auch für Frauen deutlich zu“ (Schmidtke et al., 2008). Schaller (2008) liefert hierfür das „transaktionale Erklärungsmodel des Alterssuizids“, in das „Umwelt-, biologisch-somatische, persönlichkeitsspezifische sowie (kompensatorische) Verhaltensaspekte“ einfließen. 2.7.3 Body Maß Index (BMI) Der Body-Maß-Index, kurz BMI, wird berechnet als Körpergewicht in Kilogramm geteilt durch Körpergröße in Metern zum Quadrat. Als Normwerte werden, so auch in den meisten Studien, Ergebnisse zwischen 18,5 und 25 kg/m2 angesehen. Darunter spricht man von Untergewicht. Bei größeren Werten spricht man bis 30 kg/m2 von übergewichtig, während Ergebnisse > 30 kg/m2 der Kategorie Fettleibigkeit entsprechen (nach Batty et al., 2010). Viele neuere Studien kamen zu dem Ergebnis, dass ein hoher BMI einen protektiven Effekt auf das suizidale Verhalten einer Person hat. Magnusson et al. (2006) errechneten eine Risikominimierung für einen Suizid zwischen 10 und 15 Prozent je BMI-Zuwachs um 5 kg/m2, unabhängig vom Vorhandensein bzw. Nicht-Vorhandensein einer psychischen Störung. Grundlage dieses Ergebnisses waren Daten, die bei der Musterung von über einer Million junger Männer aus Schweden erhoben und über 31 Jahre hinweg, hinsichtlich der Todesursache, nachbeobachtet wurden. Weitere Studien konnten dieses Ergebnis bestätigen (Bjerkeset et al., 2008; Kaplan et al., 2007). Mukamal et al. (2007) zeigten, dass in ihrer Studie die Suizidrate von Männern in der Gruppe mit einem BMI < 21 kg/m2 mit 52 je 100.000 deutlich höher lag, als bei Männern in der Gruppe mit einem BMI > 30 kg/m2 (13 je 100.000). Einen gleichartigen Effekt konnte Kaplan et al. (2007) für fettleibige Frauen aufzeigen. S e i t e | 16 Während sich alle diese Studien nur mit Suizid als Endpunkt beschäftigten, untersuchten Batty et al. (2010) erneut die gleiche Population wie Magnusson et al. (2006) hinsichtlich von Suizidversuchen. Die Autoren fanden einen nahezu linearen Zusammenhang zwischen dem BMI und den durchgeführten Suizidversuchen. Je höher der BMI bei der Datenerfassung war, desto geringer war das Risiko für einen Suizidversuch in den Folgejahren (Abb. 5). Kritisiert wurde diese Darstellung von Mukamal und Miller (2010) hinsichtlich der geringen Beachtung von psychischen Erkrankungen und den, wie bereits bei Magnusson et al. (2006), fehlenden BMI-Messungen im Verlauf. Allerdings existieren auch wissenschaftliche Arbeiten, die diesen Ergebnissen widersprechen. Abbildung 5 – relatives Suizidversuchsrisiko in Abhängigkeit zum BMI. Aus Batty et al. (2010) Dong et al. beschrieben 2006 ein erhöhtes Suizidrisiko für Patienten mit Fettleibigkeit (bestätigt durch Mather et al., 2009) und Eaton et al. (2005) konnten zeigen, dass eher das subjektive Gefühl über das eigene Körpergewicht wichtig zu sein scheint. Laut den Autoren neigen Menschen die sich sehr unter- oder übergewichtig fühlen eher zu Suizidversuchen (Odds Ratio 3,04 bzw. 2,74) und Suizidgedanken (Odds Ratio 2,29 bzw. 2,5). Wie bereits erwähnt, handelt es sich bei dem Krankheitsbild der Depression um einen Hauptrisikofaktor für suizidales Verhalten. Dementsprechend haben einige Autoren untersucht, ob dieses Krankheitsbild eher bei Personen mit niedrigen oder höheren BMI zu finden ist. Da eine Depression den Appetit sowohl vermindern als auch steigern kann, hätte dies Einfluss auf dem BMI. Aber auch hier finden sich kontroverse Ergebnisse (Bjerkeset et al., 2008). Carpenter et al. (2000) konnten eine U-Verteilung aufzeigen. Demnach sind höhere und niedrige BMI-Werte mit dem Krankheitsbild der Depression assoziiert. Abschließend muss erwähnt werden, dass dicke Menschen auf Grund von kardiovaskulären Risiken, Diabetes mellitus und Krebserkrankungen eine höhere Sterblichkeit aufweisen (Allebeck & Bergh, 1992). In einigen Studien weist zwar ein hoher BMI einen protektiven Effekt gegenüber suizidalem Verhalten auf, jedoch kann es nicht in unserem Interesse liegen, im Sinne einer Suizidprävention, eine Gewichtszunahme zu empfehlen (Magnusson et al., 2006). S e i t e | 17 2.7.4 Serumcholesterinkonzentration/Triglyceride Die These, dass ein hoher BMI das Risiko für die Durchführung eines Selbsttötungsversuchs vermindern könnte führte zu der Annahme, dass bedingt durch den höheren Fettanteil freie Fettsäuren im Blut erhöht sind. Diese wiederum erhöhen den Serumspiegel der Aminosäure Tryptophan , die für die körpereigene Produktion des Neurotransmitters Serotonin erforderlich ist (Bjerkeset et al., 2008; Magnusson et al., 2006). Ein Mangel an Serotonin scheint suizidales Verhalten zu fördern (Asberg et al., 1976). Muldoon, Manuck und Matthews (1990) konnten in einer Metaanalyse eine höhere Mortalität durch Suizide und Unfälle bei Patienten mit lipidsenkenden Medikamenten (Statine) aufzeigen. Kritisiert wurde dieses Ergebnis von Brunner et al. (2002), da in allen der sechs beteiligten Studien unterschiedliche Medikamente verwendet wurden und die Blutfettwerte nur um 10 Prozent gesenkt werden konnten, während eine andere Studie ein erhöhtes Risiko für Suizidversuche erst unter einem Wert von 160 mg/dl feststellten konnten (Kaplan et al., 1997). 2001 führten Muldoon et al. erneut eine Metaanalyse, diesmal mit 19 Studien durch und konnten keine Erhöhung der Suizidraten unter einer Therapie mit Statinen nachweisen. Dennoch existieren Arbeiten, die diese These untermauern. Perez-Rodrigues et al. (2008) veröffentlichten ihre Studie mit dem Ergebnis, dass niedrigere Cholesterol- und Triglyceridwerte mit einem erhöhten Risiko für Suizidversuche einhergehen. Das Risiko ist demnach, im Falle des zeitgleichen Vorliegens einer psychiatrischen Erkrankung, noch größer. Eventuell besteht auch ein Geschlechtsunterschied, denn Golier et al. (1995) konnten diesen Effekt nur bei Männern aufzeigen. Des Weiteren scheint der Cholesterolwert bei Patienten mit Depressionen, Persönlichkeitsstörungen und Schizophrenie, die einen Suizidversuch begingen niedriger zu sein als bei Gesunden oder vergleichbaren Patienten ohne Suizidversuch (Kim et al., 2002; Marcinko et al., 2008). Kontroverse Ergebnisse stammen von Studien aus Deutschland und Italien, in denen entweder der gegenteilige Effekt (Brunner et al., 2006) oder kein Zusammenhang nachgewiesen werden konnte (Pompili, Innamorati, Lester et al., 2010). 2.7.5 Wohnort: Stadt versus Land „In die Städte wandern instabile Individuen, und der Stress eines Großstadtlebens spiegelt sich in den hohen Suizidraten wider“, so Bronisch (2007; Seite 70). Des Weiteren berichtet er von einer Wohnortanalyse in Mannheim, die ergab, dass die Suizidversuchsrate für einzelne Straßen deutlich erhöht war, teilweise doppelt so hoch. Bronisch sieht hier ein Zeichen für Imitationssuizide. Bestätigung findet dieser Verdacht durch einen Bericht des S e i t e | 18 „Centers for Disease Control (CDC)“ (1988) aus New Jersey. Hier kam es nach dem Suizid von 4 Jugendlichen, trotz erheblicher Sicherheitsvorkehrungen, wie Aufklärung in den Schulen, Überwachung von nahestehenden Freunden und Personen mit einem anamnestischen Suizidversuch und der Einrichtung einer Beratungshotline, sechs Tage später zu einem weiteren Suizidversuch von zwei Teenagern. Dieser fand in derselben Garage und durch die gleiche Methode statt. Die folgende 5-Jahres-Suizidrate der betroffenen Gemeinde, lag nach den Vorfällen deutlich höher, als die der betreffenden Altersgruppe des gesamten Landes. Bewohner von Städten scheinen einem entsprechend höherem Risiko ausgesetzt zu sein. Bei Islambulchilar et al. (2009) kamen 81 Prozent der Suizidenten aus städtischen Gebieten. Ähnliche Ergebnisse lieferten Afshari et al. (2004). Während diese beiden Arbeiten Daten aus dem Iran hervorbringen, so kamen bei einer Studie in Hongkong 85 Prozent der Suizidenten aus ländlichen Gebieten (Chandrasekaran & Gnanaselane, 2008), was die Abhängigkeit von unterschiedlichen regionalen Bedingungen aufzeigt. 2.7.6 Risikoerhöhung durch vorausgehendes suizidales Verhalten Unter suizidalem Verhalten werden alle eindeutigen vollendeten Suizide sowie Suizidversuche, unabhängig vom Grad der Letalität, zusammengefasst (Mann, 2002). Unterscheiden kann man demnach, so der Autor, zwei Dimensionen. Erstens, den Grad der Letalität der Methode und zweitens die Stärke der suizidalen Intention, also wie der Suizidversuch vorbereitet ist und welche Hoffnung oder Möglichkeit für eine Rettung besteht. Viele Arbeiten konnten zeigen, dass vorausgegangenes suizidales Verhalten das Risiko für einen folgenden Suizid oder erneuten Suizidversuch erhöht (Beghi & Rosenbaum, 2010; Borg & Ståhl, 1982; Høyer et al., 2009; Kuo & Gallo, 2005). Zwischen 6 und 86 Prozent aller Suizidenten begehen innerhalb eines Jahres erneut einen Suizidversuch, so das Ergebnis der Übersichtsarbeit von Nordentoft (2007). In einer europaweiten Studie von Schmidtke et al. (1996) waren mehr als 50 Prozent „Wiederholungstäter“. Wobei, in einer weiteren Studie untersucht, kein signifikanter Unterschied zwischen den beiden Geschlechtern zu bestehen scheint (Nordentoft & Branner, 2008). Wong et al. (2008) konnten mit ihrem „crescendo-Modell“ zeigen, dass ein Suizidversuch Depressionen, Angst, Suizidgedanken und Familienverhältnisse verschlechtert und somit das Risiko für einen weiteren Selbsttötungsversuch erhöht. Meistens findet der Folgeversuch innerhalb eines Jahres statt (Bronisch, 2007; Schmidtke et al., 1996). Gunnell et al. (2008) konnten in einer repräsentativen Untersuchung mit S e i t e | 19 75.400 Suizidenten das höchste Risiko auf die ersten vier Wochen nach der Krankenhausentlassung eingrenzen. Besonders für einen Folgeversuch gefährdet scheinen junge Patienten zu sein, wie auch Patienten mit Depression, Schizophrenie, bipolaren Störungen, Abhängigkeit, größerer Hoffnungslosigkeit, sozialer Isolation, kürzerer Verweildauer im Krankenhaus und Arbeitslose (Chandrasekaran & Gnanaselane, 2008; Gunnell et al., 2008; Høyer et al., 2009; Kurz et al., 1982). Mehr als die Hälfte der Suizidenten, die einen erneuten Suizidversuch begehen, wählen dabei eine Methode die vermutlich letaler ist, als beim ersten Versuch (Malone et al., 1995). Ein Aufsehen erregendes Ergebnis veröffentlichten Runeson et al. (2010). Demnach kann man das Risiko für einen Suizid, der einem Suizidversuch folgt, anhand der Methode des vorausgegangenen Suizidversuchs abschätzen. Menschen die „harte Methoden“ nutzen, sind den Ergebnissen zu Folge mehr gefährdet, als Suizidenten die sogenannte „weiche Methoden“ für ihren Suizidversuch nutzten (Abb. 6). Abbildung 6 – Risiko für Suizid abhängig von der Methode des vorausgegangenen Suizidversuchs. Aus Runeson et al. (2010) 2.7.7 Suchterkrankungen - Abhängigkeit Viele Menschen versuchen mit Alkohol oder Tabletten ihre Probleme zu lösen oder zu verdrängen, weil sie auf diese Art und Weise eine zumindest subjektive Erleichterung erleben (Battegay, 1965). Da dies allerdings zur Abhängigkeit führt und die Problematik auf Grund von sozialem Abstieg, Arbeitslosigkeit, Verschuldung, depressiven Episoden usw. sich noch verschlimmert, sind jene Menschen durch die Summe der Risikofaktoren einem besonders hohen Suizidrisiko ausgesetzt (Bronisch, 2000; Murphy et al., 1992). Diese enge Verbindung zwischen Abhängigkeit und Suizidalität beschreiben da Silva et al. S e i t e | 20 (2009) mit der Aussage: „Alkoholmissbrauch bei Männern kann eine Alternative zum Suizidversuch sein“. Im Folgenden, werden Alkohol-, Drogen und Tabakabhängigkeit und deren Assoziation zu Suizidversuchen näher beschrieben. 2.7.7.1 Alkoholmissbrauch/ -abhängigkeit In Deutschland geht man derzeit von etwa 9,5 Mio. Menschen aus, die Alkohol in gesundheitlich riskanter Weise trinken, davon sind circa 1,3 Mio. alkoholabhängig. Etwa 2 Prozent aller Krankenhausaufnahmen sind allein wegen Alkohol bedingt und verursachen geschätzte Kosten in Höhe von 8,4 Mrd. Euro jährlich. Jeder fünfte Todesfall einer Person zwischen 35 und 65 Jahren ist, statistisch gesehen, alkoholbedingt (Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.V, 2010 - Alkohol). Bei Jugendlichen in ländlicher Gegend ist der Alkoholkonsum weiter verbreitet als in Stadtgebieten (Donath et al., 2011). Alkoholabhängigkeit bzw. – missbrauch ist einer der größten Risikofaktoren für einen Suizidversuch (Battegay, 1965; Bittner et al., 2010; Mann et al., 1999; Tidemalm et al., 2008; Uzun et al., 2009). Cherpitel et al. (2004) konnten in ihrer Übersichtsarbeit nachweisen, dass zwischen 10 und 73 Prozent aller Suizidversuche unter dem Einfluss von Alkohol stehen. Vor allem betroffen sind hier Männer (Battegay, 1965; Boenisch et al., 2010; Hovda et al., 2008), wobei alkoholabhängige Männer eher niedrig letale Methoden verwenden (Boenisch et al., 2010). Auch die Entstehung einer Depression durch den Alkoholkonsum ist denkbar. Öfters jedoch ist die Abhängigkeit durch die Depression bedingt, so das Ergebnis von Möller-Leimkühler (2003). 2.7.7.2 Drogenkonsum Laut Bundeskriminalamt wurden 2009 18.139 Menschen als sog. „Erstauffällige Konsumenten“ illegaler Drogen erfasst. Der Hauptteil der Betroffenen war zwischen 21 und 29 Jahren alt. Hauptdrogen waren Amphetamine (53 %). Deutschlandweit geht man von etwa 2,4 Mio. Cannabiskonsumenten und 645.000 Konsumenten anderer illegaler Drogen aus (Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.V., 2010 – Illegale Drogen). Demnach hat jeder fünfte der 18-39 jährigen mindestens schon einmal illegale Drogen konsumiert, wobei meist Alkohol, Antidepressiva oder Tranquilizer zusätzlich eingenommen werden (Wirtz, 2004). Laut Legleye et al. (2010) haben Drogenkonsumenten ein deutlich erhöhtes Risiko für suizidales Verhalten (OR 4,01). Auch andere Studien konnten diese Einschätzung bestätigen (Brunner et al., 2006). In der Studie von Battegay (1965) führte jeder zweite S e i t e | 21 Drogenabhängige einen Suizidversuch durch. Angaben anderer Studien liegen bezüglich der Prävalenz von Drogenkonsum beim Suizidversuch zwischen 7 und 42 Prozent (Bittner et al., 2010; Hovda et al., 2008; Roesler et al., 2009). Auch das Wiederholungsrisiko für solche Patienten ist deutlich erhöht (Battegay, 1965). 2.7.7.3 Rauchen Etwa 32 Prozent aller Deutschen sind Raucher. Dies entspricht 16,6 Mio. Menschen. Aufgegliedert in Altersgruppen zeigt sich jedoch, dass rund 40 Prozent aller 18- bis 29jährigen, also derjenigen, die altersbedingt der Risikogruppe für Suizidversuche zuzurechnen sind, rauchen (Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.V., 2010 - Tabak). Während in einigen Studien, wie zum Beispiel bei Farzaneh et al. (2010) nur 15 Prozent der Suizidenten Raucher waren, konnten viele andere Untersuchungen zeigen, dass Rauchen mit einem erhöhten Risiko für suizidales Verhalten verbunden ist (Clarke et al., 2010; Fergusson et al., 2003; Frank & Dingle, 1999; Kessler et al., 2007; Legleye et al., 2010; Riala et al., 2009). Einer neuen Studie zu Folge haben auch noch Ex-Raucher ein erhöhtes Risiko (Clarke et al., 2010), während 2007 Kessler et al. dies nicht aufzeigen konnten. Laut Hemmingsson und Kriebel (2003) zeigt sich auch ein klarer Trend. Je mehr Zigaretten pro Tag konsumiert werden, desto höher das Risiko, vor allem in Zusammenhang mit hohem Alkoholkonsum. Dies wurde durch Kessler et al. (2007) bestätigt (OR 3,5). Einen Hinweis auf die Ursache für die Suizidalität bei Rauchern konnte Mitchell (1999) geben, der bei Nikotinabhängigen eine größere Impulsivität nachwies und diese ist, ähnlich der Aggression, ein Prädiktor für suizidales Verhalten (Mann, 2002). Des Weiteren kann auch das Rauchen, analog zur Alkoholabhängigkeit, zur Entstehung von depressiven Störungen beitragen (Fergusson et al., 2003). 2.7.8 Testosteronspiegel Aggression ist ein Verhalten, welches mit hohen Testosteronwerten in Verbindung zu stehen scheint (Brooks & Reddon, 1996) und es wurde suggeriert, dass suizidales Verhalten eine Art Aggression gegen sich selbst ist (Bronisch, 2007). Tripodianakis et al. (2007) untersuchten daher den Zusammenhang zwischen Suizidversuchen und Serumtestosteronwerten. Überraschenderweise waren aber die Werte bei Suizidenten niedriger als in der Kontrollgruppe. Markianos et al. (2009) konnten dies bestätigen und fanden zusätzlich heraus, dass keine begleitende Erhöhung der LH Konzentration (Luteinisierendes Hormon) vorlag. Die Autoren vermuten daher eine Fehlfunktion in der S e i t e | 22 hypothalamisch-hypophysären Achse bei Suizidenten. Alle diese Daten beziehen sich jedoch nur auf Männer, da für Frauen vergleichende Studien fehlen. 2.7.9 Geographische Lage der Population Dieser Punkt wird kontrovers diskutiert. Beghi und Rosenbaum (2010) zeigten auf, dass die Suizidversuchsrate abhängig zur geographischen Lage einer Population ist. Sie fanden in Europa, diesbezüglich ein deutliches Nord-Süd-Gefälle. Auch die Wiederholungsrate schien in den nördlichen Ländern höher zu sein als in den mediterranen Gebieten. Schmidtke et al. (1996) kamen mit ihrer Studie zu ähnlichen Ergebnissen. Bronisch (2007) berichtet im Gegensatz dazu eher von einem Ost-West-Gradienten und bezieht sich auf die Suizidzahlen der deutschen Bundesländer. Die Zahlen von SchleswigHolstein und Bayern unterscheiden sich kaum, was Felber und Winiecki (2008) beweisen konnten. Jedoch besteht ein erheblicher Unterschied zwischen Sachsen und zum Beispiel Niedersachsen. Auch die Ergebnisse von Schweikart und Ueberschär (2010) stützen diese These. Über die grundlegende Ursache kann nur spekuliert werden. Kulturelle, religiöse und genetische Hintergründe müssen in Betracht gezogen werden (Felber & Winiecki, 2008). 2.7.10 Einfluss der Medien: „Papageno versus Werther Effekt“ Unser Leben wird stark von den Medien geprägt. So auch, wenn diese über Suizid (-versuche) berichten. Beispielhaft soll hier die Arbeit von Schmidtke und Häfner (1988) bertachtet werden, die diesen Zusammenhang aufzeigt. Anfang der 80er Jahre wurde in der BRD eine Serie ausgestrahlt, die vom fiktiven Eisenbahnsuizid eines Schülers handelte. Rund um den Zeitraum der Ausstrahlung konnte eine Erhöhung der Suizidzahlen, in der vergleichbaren Altersgruppe (15-19 jährige), um bis zu 175 Prozent registriert werden. Dieser Effekt wurde bereits nach der Veröffentlichung von Goethes Roman „Die Leiden des jungen Werther“ erkannt und wird seitdem als Werther-Effekt bezeichnet (Ziegler & Hegerl, 2002). Pressemitteilungen über Suizide sollten demnach abstrakt und ohne große Details, nüchtern und emotionslos sein, nicht über Motive oder Hintergründe Auskunft geben, um so Imitationen zu verhindern (Ziegler & Hegerl, 2002). Dennoch können Medien durch eine geeignete Berichterstattung, wie zum Beispiel durch Beiträge über die Bewältigung von suizidalen Krisen, dazu beitragen die Suizidalität zu verringern. Dieser Effekt wird, in Anlehnung an den Vogelfänger Papageno aus Mozarts Zauberflöte, der sich in letzter Sekunde auf das Leben besinnt, Papageno-Effekt bezeichnet (Niederkrotenthaler et al., 2010). S e i t e | 23 2.7.11 Körpergröße Studien, die eine Korrelation zwischen der Körpergröße eines Menschen und seinem suizidalen Verhalten aufzeigen, stammen hauptsächlich von Untersuchungen, die ein und denselben Datensatz auswerteten. Sie beziehen sich auf schwedische Männer, deren Daten durch die Musterung erhoben und gespeichert wurden (siehe Kapitel 3.6.3.). Unterschiede finden sich lediglich im Beobachtungszeitraum. Während bei Allebeck und Bergh (1992) zunächst eine größere Sterblichkeit bei Personen unter 165cm festgestellt wurde, so zeigten Jiang et al. (1999) eine Risikoerhöhung für Suizidversuche bei kleineren Männern innerhalb von 2 Jahren nach der Datenerhebung. Magnusson et al., mit 15 Jahre „followup“, beschrieben daraus 2005 einen nahezu linearen Zusammenhang. Je Größenzunahme um 5 cm sinkt, so die Autoren, das Suizidrisiko um 9 Prozent. Diesen Effekt konnten, wenn auch nur im geringen Ausmaß, Song et al. (2003) in einer anderen Population in Südkorea bestätigen. Bjerkeset et al. (2008) und Mann et al. (1999) konnten in ihren Studien jedoch keinen Zusammenhang zwischen Körpergröße und Suizidversuchen herstellen. 2.7.12 weitere Faktoren In der Literatur werden viele weitere Faktoren genannt, die häufig bei Suizidenten registriert werden. Sie sollen hier, um das Gesamtbild und die Komplexität der Suizidalität aufzuzeigen, ergänzend erwähnt werden: Demnach besteht größere Gefahr bei allein Lebenden, Unverheirateten, Geschiedenen oder Verwitweten (Bronisch, 2007; Dong et al., 2006; Goldney, 2002; Güloğlu & Kara, 2005; Islambulchilar et al., 2009; Legleye et al., 2010). Auch (chronische) Erkrankungen wie zum Beispiel Krebs, AIDS; Chorea Huntington, Migräne, Epilepsie, Multiple Sklerose und Querschnittslähmungen erhöhen das Risiko (Dong et al., 2006; Hirschfeld & Russell, 1997; Kaufmann & Struck, 2010; Mann, 2002). Ebenso ist das bei Patienten der Fall, denen häusliche Gewalt widerfährt oder die (sexuell) missbraucht werden (Legleye et al., 2010; Frank & Dingle, 1999; Sheikholeslami et al., 2008). Auch Homosexuelle, Transsexuelle und Menschen mit sexueller Abstinenz unterliegen einem erhöhten Risiko (Goldney, 2002; Legleye et al., 2010). Weitere solche Faktoren sind die Zugehörigkeit zur weißen Rasse (Mann et al., 1999; Mann, 2002), niedriger Intellekt (Jiang et al., 1999; Osler et al., 2008), Waffenbesitz (Mann, 2002); Stress (Hu et al., 2010) und ein niedriges Geburtsgewicht (Magnusson et al., 2006; Mittendorfer-Rutz et al., 2004). Ebenso unterliegen Jugendliche, die regelmäßig weniger als 5 h oder mehr als 10 h schlafen einem höheren Risiko (Fitzgerald et al., 2011). S e i t e | 24 Gefängnisinsassen (Goldney, 2002) und Menschen, deren Eltern eine schlechte Beziehung hatten (Legleye et al., 2010) werden als Risikogruppen beschrieben. Da Suizidversuche meist gehäuft in Familien vorkommen, muss auch eine Art Vererbung oder erworbene, neurobiologische Veränderung in Betracht gezogen werden (Mann, 2002). Veränderungen im noradrenergen System im Locus coeruleus (Arango et al., 1996) und im serotonergen System (Mann et al., 2001) wurden bei Suizidenten identifiziert. Viele Autoren sehen in der Arbeitslosigkeit einen weiteren Risikofaktor (Bronisch, 2007; Chandrasekaran & Gnanaselane, 2008; Høyer et al., 2009; Legleye et al., 2010; Stuckler et al., 2009). Dem widersprechen aber die sinkenden Suizidzahlen bei steigender Arbeitslosigkeit (Felber & Winiecki, 2008). Die beiden Autoren führen dies auf die anscheinend gut funktionierende soziale Absicherung zurück. Generell wurde aber ein niedriger sozioökonomischer Status, charakterisiert durch ein schlechteres soziales Netzwerk, Armut oder eine schlechtere Schulbildung, gehäuft bei Suizidenten beschrieben (Batty et al., 2010; Dong et al., 2006; Osler et al., 2008; Schmidtke et al., 1996; Steenland et al., 2003; Veiel et al., 1988). Das Vorhandensein von Kindern wird einerseits als protektiv (Bronisch, 2007), an anderer Stelle als bedeutungslos (Mann et al., 1999) beschrieben. Weiterhin wird die Religion als protektiver Faktor diskutiert (Mann et al., 1999), ebenso wie eine Insulinresistenz ohne Manifestation eines Diabetes mellitus, da diese den Serumserotoninwert (siehe Kapitel 3.6.4) beeinflusst (Lawlor et al., 2003). 2.8 Saisonalität von Suizidversuchen Entgegen der Meinung der Allgemeinbevölkerung, die den höchsten Peak der Suizide in den „dunklen, kalten“ Wintermonaten vermutet, konnte in einigen wissenschaftlichen Studien belegt werden, dass die meisten Suizide in den „hellen, warmen“ Sommermonaten durchgeführt werden. Als beispielhafte Studie soll hier die Arbeit von Güloğlu und Kara (2005) erwähnt werden. Sie untersuchten 170 suizidale Selbstvergiftungen, die im Jahr 2000 in ein türkisches Universitätsklinikum in Diyarbakir eingeliefert wurden. 93 Fälle wurden dabei zwischen April und Juli aufgenommen (= 54,7 %). Ähnliche Ergebnisse wurden im Iran registriert (Islambulchilar et al., 2009). Dem widerspricht eine deutsche Studie (Mergl et al., 2010). Hier wurden insgesamt knapp 2300 Suizidversuche in Bayern untersucht. Die Autoren kamen zu dem Ergebnis, dass keine „Saisonalität“ der Suizidversuche bestand. Sie erhielten lediglich eine um 13,1 Prozent, unter dem Erwartungswert liegende Suizidversuchsrate für Frauen im Frühling. S e i t e | 25 Long et al. (1991) berichten hingegen in ihrer mexikanischen Studie in den Jahren 1986 bis 1989 über eine verminderte Rate an Suizidversuchen in den Monaten Juni, Juli und August. 2.9 Methoden des Suizidversuchs Generell kann man „harte“ (erhängen oder erschießen) und „weiche“ Methoden (Tabletteneinnahme, Drogenkonsum, oberflächliches Ritzen der Handgelenke) voneinander unterscheiden (Bronisch, 2007), wobei dies nicht bedeutet, dass „weiche Methoden“ nur ein geringes Potential für einen fatalen Ausgang haben (Mann, 2002). Bereits Ende der 70ger Jahre untersuchte Marks (1979) die Methoden des Suizidversuchs. Die meisten Suizidenten vollzogen bei ihm damals ihren Versuch mittels Intoxikation. Dieses Ergebnis deckt sich mit denen von anderen und auch aktuellen Studien (Adams, 1986; Batty et al., 2010; Borg & Ståhl, 1982; Cengiz et al., 2006; D´Mello et al., 1995; Devrimci-Ozguven & Sayil, 2003; Islambulchilar et al., 2009; Yeo, 1993). Die zweithäufigste Methode ist laut einer europaweiten Studie von Schmidtke et al. (1996) die Verletzung mit scharfen Gegenständen. Bestätigung fand dies durch Runeson et al. (2000), Batty et al. (2010) und Boenisch et al., (2010), wobei das Aufschneiden der Pulsadern am Handgelenk die meist frequentierte Lokalisation für eine selbstzugefügte Verletzung darstellt (Batty et al., 2010). Studien die gegen diese Aussagen sprechen wurden hauptsächlich in Amerika durchgeführt. So konnten Kuo und Gallo (2005), in ihrer Längsschnittstudie über 17 Jahre, eine Verwendung von Waffen, bei 57 Prozent berechnen. Gefolgt von Tod durch Erhängen (29 %) und Intoxikationen (14 %). Diese Daten wurden aus dem Todesursachenregister entnommen und beziehen sich daher auf Suizide. Bittner et al. (2010) kamen in ihrer retrospektiven, amerikanischen Studie, über Suizidversuche auf vergleichbare Ergebnisse. Die Sterberate lag bei den Personen mit Waffenverwendung erwartungsgemäß am Höchsten (84 %). Auffällig ist, dass in diesen beiden Studien deutlich mehr Männer erfasst wurden (71 und 83 %). Männer scheinen demnach stärker letale Methoden zu nutzen (Boenisch et al., 2010; Hanna, 2004; Mann, 2002; Sam et al., 2009). Dieser Unterschied zwischen den Geschlechtern zeigt sich auch beim Vergleich der Mittel, die Männer und Frauen zur Vergiftung nutzen. Nordentoft (2007) beschreibt dies exemplarisch für Dänemark. Während Männer, im Jahr 2000, vorrangig Autoabgase inhalierten um sich zu vergiften, nahmen Frauen meist Tabletten. Ein weiterer Unterschied zwischen den Geschlechtern besteht in der Fatalität der jeweiligen Suizidversuche. Cibis et al. (2012) konnten mit den Daten des erwähnten Projektes „Nürnberger Bündnis gegen Depression“ aufzeigen, dass weniger Frauen als S e i t e | 26 Männer, trotz gleicher Methode, bei den Selbsttötungsversuchen sterben. Dieser Unterschied war signifikant für die Methoden Erhängen, Intoxikation mit Tabletten oder anderen Mitteln, Verletzungen mit scharfen Gegenständen und bei Suizidversuchen mit „bewegten Objekten“ (Autos etc.). 2.10 verwendete Medikamente beim Suizidversuch Abbildung 7 zeigt, dass abhängig von Zeit und Region, unterschiedliche Medikamente zum Suizidversuch verwendet werden. Generell sind jedoch Paracetamol, NichtsteroidaleAntirheumatika (NSAR) und Benzodiazepine führend. Devrimci-Ozguven und Sayil (2003) schätzen, dass sich jede zweite Frau und etwa jeder dritte Mann beim Suizidversuch mit Analgetika, vorrangig Paracetamol (Kapur et al., 1999), überdosiert. Aber auch andere Medikamente, wie Antibiotika (Serinken et al., 2008) und Opioide, werden genauso wie Drogen und Alkohol angewendet (Hovda et al., 2008). Bei älteren Patienten stehen Benzodiazepine an erster Stelle (Hu et al., 2010). Myers et al. 1981 (England) O´Donovan et al. 1993 (Irland) Hovda et al. 2008 (Norwegen) Islambulchilar et al. 2009 (Iran) Serinken et al. 2008 (Türkei) 0% 20% NSAR incl. Paracetamol Antidepressiva Benzodiazepine Andere 40% 60% 80% 100% Neuroleptika Abbildung 7 – Literaturangaben über verwendete Medikamente beim Suizidversuch In den genannten Arbeiten liegen die Angaben über die zeitgleiche Einnahme von 2 Medikamenten zwischen 28 und 55,6 Prozent (Adams, 1986; Islambulchilar et al., 2009; Serinken et al., 2008). Eddleston (2000) kam zu der Erkenntnis, dass Pestizide eher in der ländlichen Gegend und in Entwicklungsländern, vor allem in Teilen Afrikas und Asiens (hier vor allem Indien), für Selbsttötungsabsichten verwendet werden und häufiger zu einem letalen Ausgang führen. Hingegen werden in städtischen Gebieten eher Medikamente verwendet und haben S e i t e | 27 auf Grund der Verfügbarkeit von Antidots, in den meisten Fällen, eine geringere Letalität. Dieses Ergebnis lieferten auch O´Donovan et al. (1993) und Islambulchilar et al. (2009). 2.10.1 Vergleich zwischen TCA-Intoxikation und SSRI-Überdosierung Einige Studien beschäftigten sich mit dem Unterschied zwischen Intoxikationen mit trizyklischen Antidepressiva (TCA) und neueren Selektiven-SerotoninReuptakeinhibitoren (SSRI). Wong et al. (2010) konnten zeigen, dass immer mehr SSRI verschrieben werden und dass dieser Trend einen Effekt auf die Suizidversuche hat. So wurden zunehmend mehr Fälle mit SSRI-Intoxikationen registriert. Zu diesem Ergebnis kamen bereits 2002 von Mach und Weilemann. Diese beiden Arbeitsgruppen untersuchten auch den Effekt, beziehungsweise die Schwere der Intoxikation, in Abhängigkeit zum verwendeten Medikament. Demnach führen Intoxikationen mit SSRI, im Vergleich zu TCA und auch Serotonin-NoradrenalinReuptakeinhibitoren (SNRI), zu weniger Komplikationen (von Mach & Weilemann, 2002; Whyte et al., 2003) und weniger Symptomatik (Chan et al., 2010; Wong et al., 2010). Diese Ergebnisse decken sich mit denen von Naderi-Heiden et al. (2009 ). Allerdings ist das Risiko für einen Suizidversuch beim Absetzen der Medikamente für SSRI und TCA gleich (Yerevanian et al., 2004). Man weiß auch, dass Antidepressiva eine prosuizidale Nebenwirkung aufweisen, welche vorrangig bei TCA beschrieben ist, da hier zunächst die psychomotorische Aktivität gesteigert und erst danach, mit etwas Zeitverzug, die Stimmung des Patienten verbessert wird (Mihanovic et al., 2010). Zwar sind solche Effekte auch unter der Therapie mit SSRI beschrieben worden, aber Ludwig et al. (2009) konnten deutlich zeigen, dass der Einsatz von SSRI die Suizidraten senkt. Weiterhin haben diese Medikamente auch im therapeutischen Bereich weniger Nebenwirkungen wie zum Beispiel Mundtrockenheit, Schläfrigkeit oder kardiale Rhythmusstörungen. 2.11 Versorgung nach Suizidversuch: ambulant vs. stationär Bronisch (2007) unterscheidet bei der Therapie drei Bereiche. Erstens, die akute Krisenintervention zur Lebensrettung, zweitens, die Pharmakotherapie mit Antidepressiva, Anxiolytika usw. und drittens, die psychiatrische und psychotherapeutische Behandlung zum Aufbau einer vertrauensvollen Beziehung, die einer Weiterbehandlung mit guter Patientencompliance dienen soll. Das Problem ist, das diese Compliance bei einer rein ambulanten Therapie schlecht ist. Mehr als 50 Prozent entziehen sich einem regelmäßigen „follow-up“, wobei bestehende Suizidgedanken, depressive Symptome und S e i t e | 28 vorausgegangene Suizidversuche als Prädiktoren für eine schlechte Compliance identifiziert wurden (Stewart et al., 2002). Wenn es um die Behandlung von Suizidenten geht, stellen sich generell drei Fragen: 1. Wer sucht Hilfe? 2. Wo wird behandelt? 3. Wie wird behandelt? Die sich anschließende vierte Frage: „Wann empfiehlt sich eine stationäre Aufnahme?“ wird im Kapitel 2.13 abgehandelt. 2.11.1 Wer sucht Hilfe? Milner und Leo (2010) konnten herausarbeiten, dass es sich bei Patienten die Hilfe suchen meist um weibliche Suizidenten handelt, welche größere Mengen Tabletten einnahmen, vorher suizidale Intentionen zeigten, bereits früher psychische Probleme hatten und/oder bereits früher einen Suizidversuch durchführten. Im Unterschied dazu suchen Männer, die noch nie Hilfe in Anspruch genommen hatten und meist harte Methoden (Strangulation) verwenden, keine ärztliche Hilfe auf. 2.11.2 Wo wird behandelt? Während vor gut 20 Jahren noch viele Patienten nach einem Suizidversuch stationär aufgenommen wurden, geht heute der Trend zu einer ambulanten Betreuung. Adams untersuchte dies bereits 1986 in England und stellte fest, dass nur 24,7 Prozent (N = 828) eine ambulante medizinische Behandlung erhielten. Bei Lechleitner et al. (1983) waren dies rund 30 Prozent. Jüngere Studien zeigen hier deutliche Unterschiede (Gunnell et al., 2005; Hovda et al., 2008). Serinken et al. (2008) berichteten, dass 88,5 Prozent ambulant behandelt wurden. Einige Studien behaupteten, dass eine stationäre Aufnahme keinen präventiven, protektiven Effekt im Sinne eines nachfolgenden Wiederholungsversuchs zeigt (Kennedy et al., 2004; Stewart et al., 2002; Waterhouse & Platt, 1990). Andere Studien wiederum beweisen sehr wohl einen solchen Effekt durch eine stationäre Behandlung (Gunnell et al., 2008; Høyer et al., 2009; Malone et al., 1995). So sehen Gunnell et al. (2008) einen der größten Risikofaktoren für einen Wiederholungssuizidversuch in einer kürzeren Verweildauer im Krankenhaus. S e i t e | 29 2.11.3 Wie wird behandelt? Die Behandlung ist natürlich abhängig von der Schwere einer Vergiftung bzw. generell von der Methode des Suizidversuchs. Meist erhalten die Patienten ein Monitoring, Sauerstoff, eine Blutabnahme und eine intravenöse Flüssigkeitszufuhr. Je nach klinischem Erscheinungsbild gehören eine Magenspülung oder eine Magensonde, die Applikation von Medizinalkohle oder Antidots, sowie eine chirurgische Behandlung zu den häufigsten Therapieoptionen in der Akutversorgung (Adams, 1986; Runeson et al., 2000; Serinken et al., 2008; Yeo, 1993). Der Anteil der intensivpflichtigen Suizidenten an allen stationären Patienten variiert, je nach Studie zwischen 2,1 Prozent (Yeo, 1993) und 90 Prozent (Prescott et al., 2009; Serinken et al., 2008). Generell zeigt sich jedoch der positive Trend, dass, innerhalb der letzten 20 Jahre, immer mehr Patienten mit suizidalem Verhalten (Gedanken, Pläne) einer Therapie zugeführt werden, was die Anzahl der Versuche weiter minimieren kann (Kessler et al., 2005). 2.12 Psychiatrische Untersuchung eines Suizidenten im Krankenhaus Es wird empfohlen, dass jeder Patient, der wegen einem Suizidversuch oder einer Selbstverletzung in einer Notaufnahme behandelt wird, eine psychiatrische Begutachtung erhält, um psychische Störungen, Suizidrisiko und weitere Probleme zu evaluieren (Barr et al., 2005). Die Realität sieht allerdings anders aus. Je nach Studie, erhalten nur zwischen 30 und 66 Prozent aller Suizidenten eine psychologische Einschätzung, wobei sich innerhalb der letzten 20 Jahre kaum eine Veränderung zeigt (Adams, 1986; Barr et al., 2005; Gunnell et al., 2005; Hickey et al., 2001; Kapur et al., 1999; Reulbach & Bleich, 2008; Runeson et al., 2000; Yeo, 1993). Den größten Unterschied konnten Runeson et al. (2000) nachweisen. Sie verglichen die Versorgung von Suizidenten in Schweden und Italien, und stellten fest, dass in Schweden signifikant mehr Suizidenten eine psychiatrische Untersuchung erhielten (92 vs. 30 %; p < 0,001). Die Durchführung einer psychosozialen Begutachtung verringert allerdings signifikant die Wiederholungsrate (p < 0,005), so die Ergebnisse von Kapur et al. (2003). Auch bei Hickey et al. (2001) vollführten, innerhalb des Folgejahres nach dem Suizidversuch, 37,5 Prozent der Patienten ohne psychiatrische Behandlung einen weiteren Selbsttötungsversuch, im Vergleich zu 18,2 Prozent der Patienten mit einer solchen Behandlung. Nur die wenigsten Patienten (10 – 22 %) werden nach einem Suizidversuch stationär in einer Psychiatrie behandelt (Adams, 1986; Gunnell et al., 2005; Marks, 1979). Auch hier zeigen sich internationale Unterschiede (Runeson et al., 2000). S e i t e | 30 Sicher ist jedoch, dass die stationäre Aufnahme in eine Psychiatrie und den damit verbundenen Kontakten zu anderen suizidalen Patienten das eigene suizidale Verhalten des Patienten nicht erhöht (American Academy of Child and Adolescent Psychiatry, 2001). Laut Studien sind Patienten, die eine psychiatrische Begutachtung erhalten vorrangig ältere Menschen, mit fehlendem sozialem Netzwerk, aktuell bestehender Abhängigkeit (jeder Art) und anamnestischen Suizidversuchen (Barr et al., 2005; Kapur et al., 2004). Patienten, die zwischen 17 und 9 Uhr aufgenommen werden und ein schwieriges Verhalten in der Notaufnahme zeigen, erhalten hingegen seltener eine solche Begutachtung (Hickey et al., 2001). Russell und Owens (2010) widmeten sich der Frage, wer eine solche psychologische Einschätzung vornehmen sollte. Im Gegensatz zu speziell ausgebildetem Pflegepersonal, konnten in Gesprächen mit Psychiatern sowohl höhere stationäre Aufnahmeraten, als auch eine höhere Compliance zur ambulanten „follow-up“-Therapie erzielt werden. Ähnliche Ergebnisse lieferten Barr et al. (2005). Die Effizienz dieser „follow-up“-Therapie belegten Kapur et al. (2004). Generell besteht die größte Herausforderung darin, die Compliance des Patienten zu sichern, eine weiterführende psychologisch/psychiatrische Behandlung in Anspruch zu nehmen. Bei Runeson und Wasserman (1994) wurden zwar 96 von 97 Patienten an einen Psychiater überwiesen, aber nur 34 Prozent stellten sich auch wirklich bei einem entsprechenden Facharzt vor. Dies scheint auch abhängig vom Ort der Behandlung zu sein. In einer französischen Studie wurde untersucht, ob es Unterschiede im „outcome“ von jugendlichen Suizidenten gibt, wenn diese auf einer Normalstation oder einer Kinderstation behandelt werden. Ein „follow-up“-Termin wurde bei 87 Prozent der Patienten der Kinderstation und nur bei 63 Prozent (p < 0,001) der Normalstation geplant (Gasquet & Choquet, 1994). 2.13 Management bei Suizidrisiko Die Fragen „Wann empfiehlt sich eine stationäre Aufnahme?“ und „Was sollte ein Arzt diesbezüglich in einer Notaufnahme tun“, sind wohl eine der wichtigsten im klinischen Alltag. Hier werden in der Akutsituation drei Schritte empfohlen. Zum einen die systematische Suche und anschließende Behandlung psychischer Erkrankungen. Die Beurteilung des Suizidrisikos, inklusive einem Screening auf Alkohol- und Substanzabusus und zum anderen die Eliminierung der Ursachen des suizidalen Verhaltens sowie die Einschätzung und Begrenzung der Verfügbarkeit von Waffen und toxischen Mitteln (Hirschfeld & Russel, 1997; Lineberry, 2009; Mann, 2002). S e i t e | 31 Zur Abschätzung des Risikos empfehlen Pajonk und D´Amelio (2009) direkte Fragen, nach Suizidgedanken, Plänen, vorausgegangenen Suizidversuchen, Hoffnungslosigkeit, und der Qualität und Quantität des sozialen Netzwerks des Patienten. Die Mehrzahl würde ehrlich antworten und fühle sich durch das Ansprechen erleichtert, so die Autoren. Kennedy et al. (2004) empfehlen eine stationäre Aufnahme bei psychiatrischen Erkrankungen, Drogen- oder Alkoholabhängigkeit, Verletzungen jeglicher Art, vorausgegangenen Suizidversuchen, bei einem schlechten sozialem Netzwerk des Patienten, wenn keine vertrauensvolle Beziehung zum behandelnden Arzt aufgebaut wird oder wenn keine Compliance zur weiterführenden ambulanten, psychologischen Betreuung vorhanden zu sein scheint. Die American Academy of Child and Adolescent Psychiatry (2001) fügt in ihren Richtlinien ergänzend hinzu, dass bei Kindern und Jugendlichen stets der Kontakt zu den Erziehungsberechtigten zu suchen ist und vorher keine Entlassung stattfinden soll. Einen abschließenden Überblick sollen die Empfehlungen der International Association for Suicide Prevention (IASP) in Abbildung 8 geben (Goldney, 2002). Erster Kontakt: offene Fragen durch geschultes Personal Suizidrisiko beurteilen: Bestehen Pläne? Sind (letale) Methoden verfügbar? Initiales Management: medikamentöse Therapie; je nach Risiko - stationäre oder ambulante Versorgung; "follow-up" vereinbaren weiterführende Betreuung: In Kontakt bleiben; Familie oder Freunde mit einbeziehen; Problemlösungsstrategien entwicklen Langzeitbetreuung: vor allem bei Patienten mit psychischne Erkrankungen; Ziel: Behandlung der Krankheit + Problemlösungsstrategien Abbildung 8 – Empfehlungen der IASP bei suizidalem Verhalten. Nach Goldney (2002) S e i t e | 32 2.14 Zeitraum bis zum Eintreffen in die Notaufnahme nach Suizidversuch Einige Studien untersuchten auch die Länge des Zeitintervalls, welches zwischen Einnahme einer toxischen Substanz und der Vorstellung in einer Notaufnahme liegt. Die Angaben aus fünf unterschiedlichen Ländern (Türkei, England, Indien, Italien und Schweden) besagen, dass sich der Großteil der Patienten zwischen 3,3 und 8 Stunden nach dem Suizidversuch bei einem Arzt vorstellt, wobei die Tendenz zu erkennen ist, dass die ärztliche Hilfe bei Vergiftungen mit sehr toxischen Substanzen (Pestizide) früher in Anspruch genommen wird (Adams, 1986; Güloğlu & Kara, 2005; Runeson et al., 2000; Sam et al., 2009; Serinken et al., 2008). 2.15 stationäre Behandlungskosten für einen Suizidenten Wie bereits einführend erwähnt ist jeder Suizidversuch ein persönliches Drama, von dem, neben dem Suizidenten, vor allem Freunde und Familienangehörige betroffen sind. Doch auch wirtschaftliche Aspekte müssen in Betracht gezogen werden. Um hier einen Vergleich zu erleichtern wurden alle Angaben, mit den entsprechenden Wechselkursen, in „Euro“ umgerechnet (Deutsche Bundesbank, 2007, 2011). Für Angaben vor der Einführung des Euros am 01.01.2002 in Deutschland gilt: 1 EUR = 1,95583 DM 3. Angaben über die Durchschnittskosten für die stationäre Behandlung von Patienten, welche sich durch eine Tablettenüberdosierung das Leben nehmen wollten, liegen in der Literatur umgerechnet zwischen 115 ( 72) und 626 Euro (Kapur et al., 1999; Serinken et al., 2008; Yeo, 1993). Vergiftungen mit toxischeren Substanzen, wie Pestiziden, führten zu deutlich höheren Kosten, genauso wie dies bei Suizidenten, die auf einer Intensivstation behandelt werden mussten, der Fall war (Serinken et al., 2008; Sut & Memis, 2008). Suizidenten verursachten in einer Studie von Hu et al. (2010), im Vergleich zu Personen mit einer unbeabsichtigten Vergiftung, höhere Kosten bei der Versorgung in der Notaufnahme (p < 0,001) und bei D´Mello et al. (1995) war die Versorgung von TCAIntoxikationen viermal so teuer wie die Behandlung von SSRI Überdosierungen (p < 0,05). Auch eine bessere bzw. intensivierte Therapie, das heißt: Stationäre Behandlung und psychiatrisches Konsil, zeigt wirtschaftliche Konsequenzen. Kapur et al. (1999) gelang der Vergleich von vier Krankenhäusern in England was die Behandlung von Suizidenten betrifft. Während in Manchester nur 1/3 stationär behandelt wurden und weniger als 40 Prozent ein psychiatrisches Konsil erhielten, wurde in Leeds die Mehrheit aufgenommen 3 http://de.wikipedia.org/wiki/Deutsche_Mark; geprüft am 22.01.2011 S e i t e | 33 und mehr als 2/3 erhielten eine psychiatrische Begutachtung. Die mittleren Fallkosten waren in Leeds dadurch doppelt so hoch (260 Euro vs. 520 Euro). Die größte wirtschaftliche Ersparnis kann jedoch nur mit effektiver Prävention erreicht werden. So beschreiben Ferris et al. (2007) einen Suizidversuch eines Teenagers mittels Paracetamol. Die Gesamtkosten der Therapie beliefen sich umgerechnet auf mehr als 300.000 Euro. Die Prävention, also die Diagnose und anschließend adäquate Therapie der Depression, hätte monatliche Kosten in Höhe von etwa 105 Euro verursacht. 2.16 Verweildauer von Suizidenten im Krankenhaus In den letzten Jahren sank in Deutschland die mittlere Verweildauer von Patienten in einer Psychiatrie um etwa 40 Prozent auf 24 Tage. Diese Veränderung zeigt sich auch international, wobei Verweildauern von unter 14 Tagen, vor allem bei Suchtpatienten mit einer erhöhten Wiederaufnahmerate verbunden sind (Spießl et al., 2006). In Akutkrankenhäusern zeigt sich eine große Spanne der Verweildauer, die für Suizidenten angegeben wird. Sie liegt zwischen 2,3 und 14 Tagen, wobei sich in den aktuellsten Studien die Tendenz zu kürzerer stationärer Behandlung hin zeigt (Adams, 1986; Bittner et al., 2010; Gasquet & Choquet, 1994; Islambulchilar et al., 2009; Marks, 1979; Runeson et al., 2000; Runeson & Wasserman, 1994; Serinken et al., 2008). Vergiftungen mit Pestiziden führten jedoch, genauso wie eine notwendige, intensivmedizinische Betreuung zu längeren stationären Aufenthalten (Cengiz et al., 2006; Serinken et al., 2008). D´Mello et al. (1995) konnten zeigen, dass die Dauer des stationären Aufenthalts bei Suizidenten mit Intoxikation durch trizyklischen Antidepressiva im Vergleich zu Suizidenten mit SSRI-Intoxikationen mehr als doppelt so lang war (7 vs. 3 Tage). Bratberg (1997) führte eine Studie in einer Psychiatrie in Norwegen durch und stellte fest, dass Patienten mit Suizidversuch eine etwas kürzere Verweildauer als Patienten ohne Suizidversuch hatten. Dies wurde durch eine weitere Studie in Australien bestätigt (Smith et al., 2002). S e i t e | 34 2.17 Kostenanalyse im Gesundheitssystem Im Gesundheitssystem können direkte, indirekte und sogenannte intangible Kosten unterschieden werden. Unter direkten Kosten versteht man die monetäre Bewertung des Ressourcenverbrauchs, der unmittelbar im Zusammenhang mit einer erbrachten Leistung, wie zum Beispiel eine Entgiftung nach Intoxikation oder eine chirurgische Wundversorgung nach Schnittverletzungen, entsteht. Auch Personal- oder Medikamentenkosten oder Kosten, die durch diagnostische Maßnahmen entstehen (Bsp. Computertomographie) werden als direkte Kosten bezeichnet. Indirekte Kosten (auch Produktivitätsausfall bezeichnet) hingegen zeigen den Effekt einer Krankheit oder deren Behandlung auf die Volksgemeinschaft. Hierbei handelt es sich vorrangig um die Verringerung der gesamtwirtschaftlichen Produktivität, die auf Grund von Arbeits- und/oder Erwerbsunfähigkeit oder vorzeitigen Tod eines Patienten entsteht. Voraussetzung hierfür ist die Annahme, dass durch die Behandlung von Patienten, deren Fähigkeit einen Beruf auszuüben wiederhergestellt bzw. verlängert wird. Somit stellen Behandlungskosten auch immer eine Investition in das Humankapital dar. Am schwersten oder gar nicht zu erfassen sind die intangiblen Kosten einer Krankheit, welche als mit der Krankheit verbundenen Leiden, Einschränkungen und Schmerzen des Patienten definiert sind. Schlussfolgernd kann man die Kosten einer Krankheit aus mehreren Perspektiven betrachten. So zum Beispiel aus Patientensicht oder aus der Sichtweise des Leistungserbringers, wie zum Beispiel den Krankenkassen. (Greiner, 2008) Indirekte Kosten können mit zwei unterschiedlichen Methoden berechnet werden. Dem Humankapitalansatz und dem Friktionskostenansatz. 2.17.1 Humankapitalansatz Beim Humankapitalansatz werden alle potentiellen, zukünftigen Produktivitätsverluste, die durch Arbeits-, Erwerbsunfähigkeit und vorzeitigen Tod eines Patienten entstehen zusammenaddiert und auf den Gegenwartszeitpunkt diskontiert (abgezinst). Zur Berechnung wird die gesamte Ausfallzeit mit einem Lohnsatz (Durchschnittslöhne oder geschlechts- und altersadaptierte Löhne) multipliziert. Rentenzahlungen und Krankengeld stellen keine Zahlungen im Sinne von indirekten Kosten dar. Es handelt sich hierbei aus volkswirtschaftlicher Sicht nicht um Kosten, die auf Grund eines Ressourcenverbrauchs entstehen, sondern um eine staatlich geregelte, soziale Absicherung. S e i t e | 35 Zwar weist dieses Modell einige Probleme auf, wie zum Beispiel die Diskriminierung von Erwerbslosen und Arbeitsmarktteilnehmern mit niedrigen oder geringfügigen Einkommen, es stellt aber dennoch auf Grund der guten Durchführbarkeit die zur Zeit meist genutzte Methode zur Berechnung von indirekten Kosten dar. (Greiner, 2008) 2.17.2 Friktionskostenansatz Da in den meisten Industrieländern keine Vollbeschäftigung vorliegt, geht man im Friktionskostenansatz davon aus, dass eine freie Stelle auf dem Arbeitsmarkt nach einer gewissen Zeit (Friktionsperiode) neu besetzt wird. Eine weitere Annahme in diesem Modell ist, dass ein kurzfristiger Ausfall eines Arbeitnehmers von anderen teilweise kompensiert werden kann. Diese Methode misst daher den tatsächlichen Produktivitätsverlust, der durch eine Krankheit entsteht. Allerdings weist auch diese Methode Probleme auf. So sind zum Beispiel Angaben über die korrekte Dauer der Friktionsperiode (branchen-, alters-, geschlechtsabhängig) schwer zu treffen. Auch werden die Kosten durch den vorzeitigen Tod eines Patienten nicht adäquat berücksichtigt und die Annahme, dass nach dem Ablauf der Friktionsperiode keinerlei indirekte Kosten mehr anfallen ist empirisch nicht belegbar. (Greiner, 2008) Zusammenfassend kann man sagen, dass mit dem Humankapitalansatz die indirekten Kosten eher überschätzt werden, während der Friktionskostenansatz dazu neigt, den Produktivitätsverlust zu unterschätzen. S e i t e | 36 3 Fragestellungen der Studie Im folgenden Abschnitt sind die detailierten Fragestellungen dieser Arbeit aufgeführt. 3.1 Hauptfragestellung Wie unterscheiden sich die direkten Kosten in der Akutbehandlung von Suizidenten, abhängig von der Methode des Suizidversuchs? Hinweise auf die Unterschiede der Behandlungskosten geben die Ergebnisse von Serinken et al. (2008). Die Autoren beschrieben einen signifikanten Unterschied in den Behandlungskosten zwischen Patienten mit Tablettenintoxikation und Inhalation von Gasen, wie Kohlenmonoxid (p < 0,001). Dies wurde durch die Arbeit von Sut und Memis (2008) bestätigt (p = 0,003). D´Mello et al. (1995) und Ramchandani et al. (2000) untersuchten die Behandlungskosten zwischen Patienten mit TCA-Intoxikationen im Vergleich zu Intoxikationen mit moderneren Antidepressiva (SSRI). Ihren Ergebnissen zu Folge entstehen erstens, bis zu vierfach höhere Kosten in der Versorgung von TCA-Intoxikationen und zweitens resultiert aus diesen Vergiftungen eine längere Verweildauer im Vergleich zu suizidalen SSRIEinnahmen. Corso et al. (2007) beschreiben, dass Männer eher zu harten Methoden beim Suizidversuch greifen und daher auch mehr Kosten bei deren Behandlung entstehen. Auf der Grundlage dieser Ergebnisse sollen, im Kontext des deutschen Gesundheitssystems, die Unterschiede in den Behandlungskosten der folgenden Gruppen untersucht werden: 1. Direkte Kosten in Abhängigkeit zur Methodenklasse (hart vs. weich) 2. Direkte Kosten in Abhängigkeit zum outcome (fatal vs. nonfatal) 3. Direkte Kosten zwischen unterschiedlichen Medikamentengruppen 4. Direkte Kosten zwischen Antidepressiva (TCA vs. SSRI) 5. Direkte Kosten zwischen Poly- und Monointoxikationen von Tabletten. S e i t e | 37 3.2 weitere Fragestellungen 3.2.1 Wie erfolgt die Behandlung? Wie bereits einführend erwähnt sind die Behandlungskosten eng mit der Art und Weise der Behandlung verbunden. Es stellt sich also grundsätzlich die Frage, wie diese im Universitätsklinikum Leipzig erfolgte. Folgende Schwerpunkte sollen deskriptiv beschrieben werden: Wie viele Patienten werden ambulant, wie viele stationär behandelt? Wie lange ist die Verweildauer der Patienten im Uniklinikum? Auf welchen Stationen werden die Suizidenten behandelt und wie groß ist der Anteil der intensivpflichtigen Patienten, da dies deutliche Auswirkung auf die Gesamtkosten zeigt (Prescott et al., 2009). Wie hoch ist der Anteil der Patienten, die eine psychiatrische Untersuchung erhielten? Die theoretischen Grundlagen dazu wurden bereits in den Abschnitten 2.11.2, 2.12 und 2.16 besprochen, auf die hier verwiesen wird. Fest steht, sowohl der Ort, als auch die Art der Behandlung zeigen einen Effekt auf das outcome (siehe Kapitel 2.12) der Patienten (Gasquet & Choquet, 1994) und die daraus resultierenden Behandlungskosten (Kapur et al., 1999). 3.2.2 Wie hoch sind die Gesamtkosten? Betrachtet man Kosten im Gesundheitssystem, so kann man zwischen direkten, indirekten und intangiblen Kosten unterscheiden (Greiner, 2008). Beispielhaft soll hier die Studie von Corso et al. (2007) vorgestellt werden, welche die Kosten für suizidales Verhalten in den USA im Jahr 2000 im „top down-Ansatz“ (Schöffski, 2008) untersuchte. Die Autoren berechneten, auf der Grundlage offizieller Statistiken, Gesamtkosten in Höhe von 33 Milliarden US-Dollar, wovon etwa 32 Milliarden durch Produktivitätsausfälle entstanden. Auf Grund der hohen Relevanz der indirekten Kosten, war es Ziel dieser Studie, neben der Analyse der direkten Kosten eine Berechnung des potentiellen Produktivitätsverlustes in Folge der Behandlung, der Arbeits-, und/oder Erwerbsunfähigkeit sowie dem gegebenenfalls vorzeitigem Tod der Patienten durchzuführen. S e i t e | 38 4 Methodenteil Im Folgenden finden sich detailierte Informationen zum Studiendesign dieser Arbeit. 4.1 Grundsätze der Datenerhebung Die in der Studie verwendeten Daten wurden im Universitätsklinikum Leipzig erhoben. Es handelt sich um ein Krankenhaus der Maximalversorgung mit 1273 Betten im vollstationären Bereich. Diese Studie ist ein Teil des bereits erwähnten OSPI-Projektes, welches einen Zeitraum von 4 Jahren (01.10.2008 – 30.09.2012) umfasst. In Leipzig wurden die Interventionen zur Suizidprophylaxe ab 01.06.2009 (bis März 2011) implementiert und in einer anschließenden 22-monatigen follow-up-Untersuchung evaluiert (bis 31. März 2011). In dieser Arbeit wurden retrospektiv, über einen Zeitraum von 3 Jahren (01. Juni 2008 – 31. Mai 2011), alle Patienten erfasst, die auf Grund eines suizidalen Verhaltens ambulant oder stationär innerhalb des Klinikums behandelt wurden. Die Datenerhebung beinhaltet somit 1 Jahr „Baseline“ und Daten aus 2 Jahren nach der Einführung der OSPI – Intervention. Eine Übersicht über diese Interventionen befindet sich im Anhang (A1). 4.2 Einschlusskriterien Erfasst wurden zunächst alle Suizide und Suizidversuche (Definition siehe Abschnitt 2.1). Zur Datenerfassung wurde die klinikinterne Krankenhaussoftware „SAP ERP 6.0 – Produktivsystem PRD“ verwendet. Zur Filterung der Daten dienten die in der ambulanten und stationären Versorgung verwendeten ICD-10-GM-Kodierungen (Versionen 2008 – 2011)4. Im genannten Zeitraum wurden, neben den für „Selbstschädigung“ entsprechenden Codes „X84.9“ und „Z91.8“, zusätzlich die T - Kodierungen (T71; T75.1; T75.4 und T36 bis T60; ohne T41 und T56) untersucht. Ziel dieser Erhebung war es, anhand der Daten (Arztbrief; psychologische Begutachtung etc.) zu untersuchen, wie viele suizidale Handlungen als T-Code dokumentiert wurden. Dies ermöglichte eine Schätzung darüber, ob auf Grund von Dokumentationsvarianten, von einer höheren Inzidenz von suizidalen Handlungen ausgegangen werden muss. Eine genaue Gliederung der Kodierungen findet sich im Anhang (A2). 4 http://www.dimdi.de/static/de/klassi/diagnosen/icd10/ls-icdhtml.htm; geprüft am 11.07.2011 S e i t e | 39 Die Daten wurden von den jeweiligen behandelten Ärzten und dem Pflegepersonal erfasst und dokumentiert. 4.3 Ausschlusskriterien Durch die angegebenen Suchkriterien konnten insgesamt 377 Fälle identifiziert werden. Alle diese Fälle wurden zur Analyse der epidemiologischen Daten verwendet. In zwei Fällen begingen die Patienten während der stationären Behandlung einer anderen Grunderkrankung im Uniklinikum Suizid. Da es bei diesen beiden Fällen, auf Grund des fatalen Ausgangs, zu keiner Behandlung kam, wurden diese beiden Fälle bei der Analyse der Behandlungscharakteristika ausgeschlossen (N = 375). Für die Analyse der Kosten, die durch die Akutbehandlung von Suizidenten abhängig von der Methode entstanden, wurden weitere 41 Patienten ausgeschlossen (N = 334). Davon 10, die noch während der Behandlung verstarben und weitere 31 Patienten, die zur Akutbehandlung direkt in der Psychiatrie behandelt wurden (siehe 5.6.1). 4.4 gesundheitsökonomische Aspekte 4.4.1 direkte Kosten Die direkten Kosten beziehen sich auf den Erlös, den das Uniklinikum für die einzelnen Fälle gegenüber den entsprechenden Versicherungsträgern geltend gemacht hat. Hierzu wurde den jeweiligen Fallnummern der entsprechende Erlös zugeordnet und dann, für die angegebenen Kategorien, gemittelt. Erfasst wurden die Kosten für die akute ambulante und/oder stationäre Versorgung der Patienten. Die Daten wurden vom „Bereich 3 – Finanzen, Planung und Controlling“ des Universitätsklinikums bereitgestellt. 4.4.2 indirekte Kosten Die Berechnung der indirekten Kosten erfolgte, entsprechend der Empfehlung der deutschen AG Reha-Ökonomie (Krauth et al., 2005) mittels Humankapitalansatzmethode (siehe Kapitel 2.17.1). Verwendet wurde der bottom up-Ansatz. Das heißt, es wurden direkte Patientendaten akquiriert und verdichtet, um aus der Gesamtheit der Patienten so eine Aussage über die indirekten Kosten der 377 Fälle machen zu können (Schöffski, 2008). Hierzu wurden zunächst alle Fälle in fünf Gruppen eingeteilt. Jeweils eine Gruppe für ambulant behandelte Männer und Frauen und jeweils eine Gruppe für stationär behandelten Männer und Frauen. Die Patienten, die definitionsgemäß einen Suizid vollzogen oder deren Suizidversuch im Verlauf der Behandlung einen fatalen Ausgang S e i t e | 40 nahm, wurden der fünften Gruppe zugewiesen. Innerhalb dieser Gruppe wurden dann die Arbeits- bzw. Erwerbsunfähigkeitstage der Patienten addiert, die sich im erwerbsfähigen Alter (18-65 Jahre)5 befanden. Eine ambulante Behandlung wurde dabei mit einem Tag Arbeitsunfähigkeit berechnet. Die Dauer der Erwerbsunfähigkeit durch den vorzeitigen Tod eines Patienten wurde, auf Grund der Anhebung des Renteneintrittsalters ab 2012, individuell berechnet 5. Als Grundlage für die Berechnung diente die Veröffentlichung der Verdienststrukturerhebung, des Arbeitsvolumens und der Arbeitslosenqote im Freistaat Sachsen (Statistisches Landesamt des Freistaates Sachsen, 2008; 2009 und 2011), sowie die Veröffentlichung der Verdienste und Arbeitskosten 2008 (Statistisches Bundesamt, 2009). Als jährliche Diskontierungsrate wurden, entsprechend den deutschen Empfehlungen zur gesundheitsökonomischen Evaluation der Hannoveraner Konsensgruppe, 5 Prozent angesetzt und die Ergebnisse im Rahmen einer Sensitivitätsanalyse mit höheren und niedrigeren Diskontierungssätzen (0 %; 3 %; 8 % und 10 %) überprüft (Graf v.d. Schulenburg et al., 2007). 4.5 statistische Analyse Die Auswertung der Daten erfolgte unter der Verwendung der Software SPSS („Statistical Package for the Social Sciences“) Version 17.0.0 (vom 23.08.2008). Das Signifikanzniveau wurde auf α = 0,05 festgelegt. Zur Anwendung kamen der X2-Quadrat-Test, zur Überprüfung von Häufigkeitsverteilung bei Variablen mit nominalem Skalenniveau und die observed-to-expected-ratio6 (OER) zum Vergleich von beobachteten und erwarteten Ereignissen, sowie die Effektstärke. Die Testung der Variablen auf Normalverteilung erfolgte mittels Kolmogorow-SmirnowTest. Zur Überprüfung der Signifikanz, bei nicht-normalverteilten Variablen, wurde der Kruskal-Wallis-Test beziehungsweise bei nur 2 Variablen der Mann-Whitney-U-Test verwendet. Zur Überprüfung der Variablen auf Varianzhomogenität (als Voraussetzung für eine univariate Varianzanalyse) kam der Levene-Test zum Einsatz. 5 6 http://www.planetsenior.de/renteneintrittsalter; Zugriff am 09.02.2012 http://www.sph.emory.edu/~cdckms/exact-midP-SMR.html S e i t e | 41 4.6 erhobene Daten Die Daten die erhoben wurden, werden in folgender Tabelle 1 aufgeführt. Tabelle 1 – erhobene Daten Projektbezogene Stammdaten (OSPI-Europe) 1. Laufende Nummer 2.Land (der Datenerhebung) 3. Region (der Datenerhebung) 4. Notfallkarte ausgegeben 5. Info über Branddirektion Daten für diese Studie 1. OSPI-Code 2. Geschlecht 3. Geburtstag 4. Alter 19. Klassifizierung des Suizidversuchs 20. Kontakt mit Gesundheitssystem nach aktuellem Suizidversuch 21. Kontakt mit Notarzt/RTW 22. vorausgegangener Suizidversuch 5. Geburtsort 23. Art der Behandlung 6. Staatsangehörigkeit 7. Geburtsland 24. Behandlungsende 25. Aufnahme auf welche Stationen 8. Ständiger Wohnsitzes zur Zeit des SV 26. Verweildauer je Station 9. Religionszugehörigkeit 27. Gesamtverweildauer im Krankenhaus 10. Familienstand 28. psychologisch-psychiatrisches Konsil 11. Fallnummer 12. Zeitpunkt des Suizidversuchs 13. ICD-Code 14. Medikament 15. mehrere Medikamente verwendet? 29. Begleiterkrankung 30. Suizidversuchs abh. Komplikationen bei der stationären Versorgung 31. Suizidversuchs abhängige Erkrankungen nach/bei Entlassung 32. Ursache des Suizidversuchs 33. Fallnummer (in der Psychiatrie) 16. Name weitere(s) Medikament(e) 17. Eintreffen in die Notaufnahme 34. Erlös 35. Bemerkungen 18. Verbleib in der Notaufnahme (Dauer) Weitere Details zeigt die Kopie des verwendeten Datenerhebungsbogens im Anhang (A3). 4.7 Ethikantrag Der Ethikantrag für die „Evaluation eines suizidpräventiven Awareness-Programms in Leipzig“ wurde mit allen seinen Erweiterungen von der Ethik-Kommission der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig genehmigt. S e i t e | 42 5 Ergebnisse Im Beobachtungszeitraum wurden mit den angegebenen Suchkriterien (siehe Kapitel 4.2) 2720 Fälle identifiziert und analysiert. Bei 377 dieser Fälle (13,9 %) wurde im Entlassungsbrief die Krankheitsursache als suizidale Handlung dokumentiert, so dass diese Fälle in die Studie eingeschlossen wurden. Bei den ausgeschlossenen Fällen handelte es sich um unbeabsichtigte Intoxikationen oder akzidentelle Ereignisse, weswegen die Behandlung im Universitätsklinikum Leipzig erfolgte. 5.1 Epidemiologische Analyse der Daten 5.1.1 Alter, Geschlecht und Familienstand Von 377 Suizidversuchen wurden 65,8 Prozent (N = 248) von Frauen vollzogen. Das Durchschnittsalter betrug 37,7 Jahre (SD = 19,9) mit einem Minimum von 13 Jahren und einen Maximum von 93 Jahren. Der Median liegt bei 32 Jahren. Abbildung 9 zeigt die Verteilung der Suizidversuche nach Alter und Geschlecht. Abbildung 9 – Verteilung der Suizidversuche nach Alter und Geschlecht S e i t e | 43 Ein Großteil der Patienten (N = 151; 40,0 %) war zum Zeitpunkt des Suizidversuchs ledig. Allerdings konnte bei einem erheblichen Anteil (40,6 %), auf Grund einer fehlenden Dokumentation, keine Aussage zum Familienstand gemacht werden. 5.1.2 Zeitpunkt des Suizidversuchs In dieser Datenerhebung konnten keinerlei signifikante Unterschiede bzgl. des Zeitpunktes der Suizidversuche aufgezeigt werden. Untersucht wurde eine Häufung an den Wochentagen, innerhalb der Quartale und innerhalb eines 30-tägigen Intervalls vor und nach dem Geburtstag der jeweiligen Suizidenten. Auch dieser, in der Literatur als „birthday-blues“ beschriebene Effekt (Reulbach et al., 2007) konnte bei dieser Datenerhebung nicht nachgewiesen werden. Auch lies sich keine signifikante Häufung spezieller Suizidversuchsmethoden (hart/weich) über das Jahr nachweisen. Detailierte Angaben hierzu finden sich im Anhang (A4). 5.2 vorausgegangene Suizidversuche Bei 78,2 Prozent (N = 295) handelte es sich bei dem erfassten Fall um den ersten Suizidversuch. Dem entsprechend hatten 21,8 Prozent bereits einen oder mehrere Suizidversuche in ihrer Anamnese. Das Maximum lag bei 5 vorausgegangenen Suizidversuchen. Bei 7 Patienten war die genaue Anzahl unbekannt und wurde lediglich als „mehrere“ dokumentiert. Abbildung 10 zeigt die Verteilung. Anzahl vorausgegangener Suizidversuche Mehrere 7 5 4 4 3 3 8 2 13 1 47 0 10 20 30 40 50 Häufigkeiten Abbildung 10 – Anzahl der Patienten mit Suizidversuchen in der Anamnese S e i t e | 44 5.3 Ursachen des Suizidversuchs Auf Grundlage der Dokumentation konnte bei 211 Fällen (56 %) die Erhebung der Ursache des Suizidversuchs durchgeführt werden. In 2 Fällen wurden jeweils zwei Gründe dokumentiert, so dass es sich um insgesamt 213 Gründe handelt, deren Verteilung in Tabelle 2 dargestellt ist. Tabelle 2 – Gründe des Suizidversuchs Männer Frauen Gesamt 20 51 71 Verlust o. Erkrankung eines Angehörigen, Partners, etc. 4 17 21 finanzielle Schwierigkeiten 2 0 2 körperliche/sexuelle Misshandlung 0 7 7 körperliche Erkrankung 14 15 29 psychische Erkrankung 16 44 60 juristische Schwierigkeiten 2 0 2 Sonstige 4 17 21 Gesamt 62 151 213 interpersoneller Konflikt (Familie; Partner, etc.) Unter „Sonstige“ sind folgende Gründe zusammengefasst: Angst vor kommenden Ereignissen, wie Abitur oder Operation (N = 4), Transsexualität (N = 1), Umzug ins Pflegeheim (N = 1), Liebeskummer (N = 1), Mobbing (N = 2), (drohender) Arbeitsplatzverlust (N = 4), Schwangerschaft (N = 3) und nicht näher bezeichnete Belastungssituationen (N = 5). Wie aus Tabelle 2 hervorgeht, stellen Probleme im zwischenmenschlichen Bereich, im Sinne von Konfliktsituationen oder dem Verlust von Familienangehörigen, Partnern oder Freunden die Hauptursache für Suizidversuche dar (43,2 %). S e i t e | 45 5.4 Methoden des Suizidversuchs Mit 83 Prozent stellten in dieser Datenerhebung die Intoxikationen die häufigste Methode des Suizidversuchs dar. Am zweithäufigsten (6,6 %) wurden Patienten mit suizidalen Selbstverletzungen durch Schnitte an Handgelenken oder am Hals behandelt (N = 25). 13 Patienten versuchten durch einen Sprung in die Tiefe sich das Leben zu nehmen. Tabelle 3 zeigt die Verteilung der Methoden in Abhängigkeit zum Geschlecht. Tabelle 3 – Methoden in Abhängigkeit vom Geschlecht Methode Männer Frauen Gesamt (%) 1) Intoxikation mit Tabletten 83 197 280 (74,3 %) 2) Intoxikation mit Chemikalien o.ä. 3 8 11 (2,9 %) 3) Intoxikation mit Alkohol (ausschließl.) 9 13 22 (5,8 %) 4) Schnittwunde Unterarm/Hals 9 16 25 (6,6 %) 5) Stich in(s) Abdomen/Thorax 6 0 6 (1,6 %) 6) Insulin s.c. spritzen 0 4 4 (1,1 %) 7) Inhalation von Kohlenmonoxid 2 1 3 (0,8 %) 8) Strangulation 6 0 6 (1,6 %) 9) Sprung in die Tiefe 6 7 13 (3,4 %) 10) vor Zug werfen 1 0 1 (0,3 %) 11) Andere 4 2 6 (1,6 %) Unter “Andere“ wurden folgende Methoden zusammengefasst: Injektion von Luft in den Port (zentraler, venöser Zugang), mehrere Hammerschläge auf den Hinterkopf, der Versuch sich unter Alkoholeinfluss zu ertränken, Verletzung mit Bolzenschussgerät am Hinterkopf und Ingestion von Rasierklingen (N = 2). In Anlehnung an die in Deutschland, durch das „Nürnberger Bündnis gegen Depression“, erhobenen Daten werden im Folgenden die Methoden 1 - 6 als „weiche“ und die Methoden 7 – 11 (siehe Tabelle 3) als „harte“ Methoden des Suizidversuchs bezeichnet (Althaus, 2004). Hinsichtlich weicher und harter Selbsttötungsmethoden zeigen sich folgende Unterschiede, welche Tabelle 4 zusammenfasst. S e i t e | 46 Tabelle 4 – Unterschiede zwischen harten und weichen Methoden N= Weiche Methode Harte Methode 348 (92,3 %) 29 (7,7 %) 238/110 10/19 37,2 Jahre (SD = 19,8) 44,4 Jahre (SD = 21,0) 32,0 Jahre 43,0 Jahre Frauen/Männer Altersdurchschnitt Alter (Median) Behandlung *A Psychiatrische Untersuchung *B ambulant 75 stationär 273 ambulant 4 stationär 23 Erhalten 313 (89,9 %) Nicht erhalten 35 (10,1 %) Erhalten 23 (79,3 %) Nicht erhalten 4 (13,8 %) Kontakt mit Ja Nein Ja Rettungswagen *C 301 45 25 * hier wurden die 2 Suizide, die im Krankenhaus stattfanden ausgeschlossen A weiche vs. harte Methode: x2 (1) = 0,684; p = 0,408 B weiche vs. harte Methode: x2 (1) = 0,609; p = 0,435 C weiche vs. harte Methode: x2 (1) = 0,872; p = 0,647 nein 2 Signifikant mehr Männer (14,7 %), im Vergleich zu Frauen (4,0 %), begingen einen Suizidversuch mittels harter Methode (x2 (1) = 13,674; p < 0,001). Demnach nutzten 96 Prozent der Frauen eine weiche Methode bei ihrem Suizidversuch. 5.2.1. Verwendung mehrerer Mittel/Medikamenten Von den 317 Patienten, die sich durch Intoxikation (Medikamente/Chemikalien/Alkohol und Insulin) das Leben nehmen wollten, verwendeten 47,3 Prozent (N = 150) mehrere Mittel oder Medikamente beim Suizidversuch. Männer nutzten, im Vergleich zu Frauen (55,8 % vs. 43,7 %), signifikant häufiger mehrere Medikamente (x2 (1) = 3,905; p = 0,048). Maximal wurden 4 Medikamente gleichzeitig verwendet. Durchschnittlich fielen auf jeden Suizidversuch durch Intoxikation 1,67 Medikamente (SD = 0,820). S e i t e | 47 5.2.2. Verwendete Medikamente Abbildung 11 gibt einen Überblick über die Verteilung der genutzten Medikamente beim Suizidversuch. Diese wurden entweder allein oder in Kombination mit anderen Mitteln oder Methoden verwendet. Benzodiazepine 18% Antikonvulsiva unbekannt Antihistaminika 2% 1% 8% andere 5% NSAR 7% Antibiotika 1% Analgetika 22% TCA 5% Paracetamol 8% ASS 3% Alkohol 18% moderne Antidepressiva 5% Neuroleptika 10% Antihypertensiva 5% Opiate 4% Abbildung 11 – beim Suizidversuch verwendete Medikamente Es wird deutlich, dass Analgetika, Benzodiazepine und Alkohol, mit einem Gesamtanteil von 58 Prozent, zu den am häufigsten genutzten Substanzen gehören. Bei den Analgetika stehen Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) und Paracetamol im Vordergrund. 5.2.3. Alkohol als zusätzliches Mittel Bei 20,6 Prozent (N = 67) der Fälle, bei denen sich die Patienten mittels weicher Methoden versuchten zu suizidieren, wurde Alkohol als zusätzliches Mittel verwendet. Ebenso erfolgten 24,1 Prozent (N = 7) der „harten Suizidversuchsmethoden“ unter Alkoholeinfluss. Bei 22 Suizidversuchen (5,8 %) wurde ausschließlich Alkohol verwendet. S e i t e | 48 5.3 Behandlung Von insgesamt 377 Suizidversuchen wurden 375 im Universitätsklinikum Leipzig behandelt. 2 Suizidversuche wurden im UKL, während der Behandlung einer anderen Grunderkrankung durchgeführt, endeten beide letal und wurden deswegen für die folgenden Punkte (5.3 bis 5.6.1.2) nicht mit berücksichtigt. 5.3.1 Behandlungsart – ambulant vs. stationär Von 375 Patienten erhielten insgesamt 296 (78,9 %) eine stationäre Versorgung. Von den 79 ambulant behandelten Fällen wurden 25 (31,6 %) direkt in eine externe Psychiatrie überwiesen, 1 Patient (1,3 %) verstarb noch in der Notaufnahme und 9 Patienten (11,4 %) verließen die Notaufnahme gegen ärztlichen Rat, so dass nur 55,7 Prozent (N = 44) aller ambulanten Fälle absichtlich ambulant behandelt wurden. Des Weiteren wurden 7 dieser 44 Patienten einer kontinuierlichen, ambulanten, psychiatrischen Weiterbehandlung zugewiesen. 5.3.2 Art der Kontaktaufnahme mit dem UKL Der Großteil der Patienten (86,4 %) stellte sich in der Notaufnahme des Universitätsklinikums vor bzw. wurde dort hin gebracht (siehe 5.3.3). 8 Patienten wurden zunächst in der Notaufnahme der Psychiatrie behandelt. 43 weitere Patienten (11,5 %) wurden von externen Krankenhäusern übernommen, wobei davon 19 aus einem Krankenhaus, das außerhalb von Leipzig liegt, kamen. 5.3.3 Kontakt mit dem Rettungswagen 86,9 Prozent der 375 Fälle wurden durch den Rettungsdienst in das Universitätsklinikum gebracht. 12,5 Prozent (N = 47) stellten sich aus Eigeninitiative oder in Begleitung von Familienangehörigen oder Freunden im UKL vor und nur bei 2 Fällen (0,5 %) konnte keine Angabe diesbezüglich gefunden werden. Alle Fälle, die aus einem externen Krankenhaus in das UKL eingeliefert worden sind, wurden ebenfalls zu der Gruppe, die mit dem Rettungsdienst in Kontakt kamen, gezählt, da der Transport stets auf diese Weise erfolgte. S e i t e | 49 5.3.4 Zeitpunkt des Eintreffens in die Notaufnahme 43 Fälle wurden von externen Kliniken in das UKL eingeliefert und weitere 2 Patienten begingen ihre Suizidversuche während einer Behandlung im Uniklinikum. Die verbleibenden 332 Fälle wurden in die Erhebung für den Zeitpunkt des Eintreffens in der Notaufnahme mit eingeschlossen. So zeigt sich folgende Verteilung: 28 Prozent (N = 93) erreichten die Notaufnahme zwischen 06 und 14 Uhr, 38,9 Prozent (N = 129) zwischen 14 und 22 Uhr und 33,1 Prozent (N = 110) zwischen 22 und 06 Uhr. Ein durchgeführter x2-Test zeigte, im Vergleich zum Erwartungswert, keinen signifikanten Unterschied zwischen den Zeitintervallen (x2 (2) = 5,861; p = 0,053), jedoch besteht eine statistische Tendenz für Häufungen im Zeitraum von 14 bis 22 Uhr (OER = 1,17 (95% KI [0,98 – 1,38]); p = 0,08). 5.3.5 Verbleib in der Notaufnahme Tabelle 5 gibt einen Überblick über die unterschiedliche Verweildauer in der Notaufnahme in Abhängigkeit zur Behandlungsart. Bei 283 Fällen (75,5 %) konnten Angaben diesbezüglich gemacht werden. Zur besseren Beurteilung sind in der Tabelle die Gesamtfälle je Kategorie und die dazugehörigen „gültigen Fälle“ (= Daten vorhanden) angegeben. Es zeigt sich, für die Gesamtheit der Fälle eine mittlere Verweildauer von 99 Minuten (SD = 187,01). Es fällt weiterhin auf, dass Patienten die ausschließlich ambulant behandelt und regulär entlassen wurden, im Gegensatz zu den stationären Fällen mindestens 73 Minuten (vs. 1 Minute) in der Notaufnahme blieben. Stationäre Fälle wurden durchschnittlich 50,70 Minuten (SD = 124,49), ambulante Fälle hingegen im Schnitt 329,65 Minuten (SD = 254,43) in der Notaufnahme behandelt. S e i t e | 50 Tabelle 5 – Verweildauer in der Notaufnahme, abhängig von Behandlungsart Kategorie Gesamt- gültige fälle Fälle Häufigkeiten Min Max MittelStandardwert abweichung Angaben in Minuten Stationär 296 234 1 960 50,7 124,5 ambulant (alle) 79 49 2 1074 329,7 254,4 Gesamt 375 283 1 1074 99,0 187,0 alle ambulanten Fälle – ohne Fälle mit Entlassung gegen ärztlichen Rat 70 42 2 1074 352,8 262,8 ambulante Fälle mit Überweisung in ext. Psychiatrie 25 16 2 739 258,3 264,5 ambulante Fälle mit regulärer Entlassung 37 22 73 1074 391,6 247,2 7 4 253 855 517,0 268,0 Details ambulante Fälle mit ambulanter Weiterbehandlung Bemerkung: Die Zeiten spiegeln wider, wann die Patienten im Computerprogramm SAP aufgenommen bzw. weiterverlegt/entlassen wurden. Verweildauern unter 15 – 30 Minuten müssen kritisch hinterfragt werden und entsprechen wahrscheinlich nicht dem wahren, organisatorischen Ablauf (siehe Kapitel 6.3). 5.3.6 ICD – Kodierungen Der in Deutschland, in der stationären und vertragsärztlichen Versorgung verwendete ICD–10–GM Katalog beinhaltet 2 Codes, mit denen man „absichtliche Selbstschädigung“ (X84.9) und „versuchte Selbsttötung“ (Z91.8) kodieren kann. Bei dieser Datenerhebung wurden aber nur 38,7 Prozent (N = 146) der Fälle mit diesen Diagnoseschlüsseln versehen. Auf Grund der häufigen Einnahme bzw. Verwendung mehrerer Mittel (s.u.) wurden oft auch mehrere ICD-Kodierungen vergeben. In der folgenden Abbildung 12 sind daher die Kodierungen angegeben, die im Programm SAP als „Hauptdiagnose“ deklariert worden sind. S e i t e | 51 Anzahl 160 140 140 120 100 90 80 60 40 34 26 20 1 4 33 27 3 10 1 1 1 6 0 T38.1 T39.0 T40.1 T42.3 T43.0 T44.3 T45.0 T47.3 T50.6 T51.0 T55.0 T58.0 X84.9 Z91.8 T39.3 T40.2 T42.7 T43.8 T44.7 T45.5 T50.9 T51.9 Abbildung 12 – vergebene ICD-Diagnosen (Hauptdiagnose) Die fünf am häufigsten verwendeten ICD–10–GM–Codes waren „Z91.8“ (N = 140), „T50.9“ (N = 89), „T39.1“ (N = 20), „T51.0“ (N = 17) und „T51.9“ (N = 16). 5.3.7 Aufnahme auf unterschiedliche Stationen Abbildung 13 zeigt die Verteilung der ersten Stationen, auf denen die 296 stationären Fälle primär behandelt wurden. Demzufolge erhielten 77,4 Prozent (N = 229) zunächst eine intensivmedizinische Überwachung. 12,2 Prozent (N = 36) konnten primär auf einer Normalstation betreut werden und nur 10, 4 Prozent (N = 31) wurden direkt stationär psychiatrisch behandelt. Hinsichtlich der intensivmedizinischen Aufnahme zeigen sich, abhängig davon ob es sich um einen Suizidversuch mit weicher oder harter Methode handelte, keine Unterschiede (x2 (1) = 0,170; p = 0,680). Wie erwartet wurden Patienten mit harten Suizidversuchsmethoden vorrangig auf die chirurgische Intensivstation verlegt (OER = 5,65 (95% KI [3,14 – 9,42]); p < 0,001). Eine detailierte Aufschlüsselung der stationären Aufnahme in Abhängigkeit zur genauen Suizidversuchsmethode findet sich im Anhang (A6). S e i t e | 52 Kinder- und Jugendpsychiatrie 1 (0,3%) Psychiatrie 30 10,1% internistische Normalstation 15 5,1% Intensivstation pädiatrisch 36 12,2% Intensivstation interdisziplinär internistisch 164 55,4% chirurgische Normalstation; 6; 2% pädiatrische Normalstation 15 5,1% Intensivstation chirurgisch 29 9,8% Abbildung 13 – primär behandelnde Station Patienten die auf eine pädiatrische Station aufgenommen wurden waren zwischen 13 und 18 Jahren alt und im Durchschnitt 15,65 Jahre (SD = 1,339) alt. Die Patienten, die intensivmedizinisch (ohne pädiatrische Intensivstation) betreut wurden waren im Mittel 41,48 Jahre (SD = 19,003) alt und die Patienten der Normalstation (ohne pädiatrische Normalstation) lagen im Altersdurchschnitt bei 57,76 Jahren (SD = 23,110). 5.3.8 Verlegung in die klinikinterne Psychiatrie 2 Patienten (9,5 %) die zuerst auf einer Normalstation (chirurgisch oder internistisch) behandelt wurden (N = 21), wurden anschließend in die klinikinterne Psychiatrie verlegt. 48 Patienten (24,9 %), die zuerst auf einer Intensivstation behandelt wurden (ohne pädiatrische ITS), wurden direkt im Anschluss an die Intensivtherapie in die klinikinterne Psychiatrie überwiesen. Weitere 31 Patienten (16,1 %) der internistischen und chirurgischen Intensivstation wurden im Anschluss auf eine weitere Station zur Akuttherapie verlegt. Von diesen 31 Patienten wurden 8 anschließend in die Psychiatrie der Uniklinik überwiesen. Fünf (9,8 %) der pädiatrischen Intensivstationspatienten wurden auf der pädiatrischen Normalstation weiterbehandelt. Von beiden Stationen zusammen wurden insgesamt 18 (35,3 %) in die klinikinterne Kinder- und Jugendpsychiatrie überwiesen. S e i t e | 53 Neben den 31 Patienten, die primär in der Psychiatrie behandelt wurden, wurden also weitere 76 Patienten in die klinikinterne Psychiatrie oder Kinder- und Jugendpsychiatrie überwiesen. 5.3.9 psychiatrische Untersuchung 5.3.9.1 ambulante Fälle 55 der 79 ambulanten Patienten (69,6 %) erhielten ein psychiatrisches Konsil während der Behandlung in der Notaufnahme des Universitätsklinikums Leipzig. Bei 18 (22,8 %) dieser Patienten wurde durch das Konsil die Indikation zur stationären Aufnahme in einer Psychiatrie gestellt. Diese Patienten wurden an eine externe Psychiatrie überwiesen. 7 weitere Patienten (8,9 %) wurden, ohne Konsil, direkt in eine Psychiatrie überwiesen und erhielten dort die Behandlung durch einen entsprechenden Facharzt. 17 ambulante Patienten (21,5 %) erhielten keine Begutachtung durch einen Psychiater. 5.3.9.2 stationäre Fälle Bei den stationären Fällen (N = 296) erhielten insgesamt 226 (76,4 %) eine psychiatrische Begutachtung während der Behandlung im Universitätsklinikum. Weitere 48 Patienten (16,2 %) wurden auch ohne ein solches Konsil nachfolgend in eine Psychiatrie überwiesen und dort einem entsprechenden Facharzt vorgestellt. Durch die Untersuchung wurde bei 124 Patienten (41,9 %) die Indikation zur stationären Therapie in einer Psychiatrie gestellt, während dies bei 102 Fällen (34,5 %), nach Einschätzung des jeweiligen Psychiaters, nicht nötig war. 22 stationär behandelte Patienten (7,4 %) erhielten keine psychiatrische Untersuchung. Von 375 Patienten wurden also insgesamt 39 (10,4 %) nicht bei einem Facharzt für Psychiatrie vorgestellt. Von diesen 39 Patienten wurden 5 (12,8 %) in ein anderes externes Krankenhaus überwiesen. 10 Patienten (25,6 %) verstarben noch in der Akutphase bevor ein Konsil möglich war. Ein Patient (2,6 %) wurde in die ambulante Weiterbehandlung entlassen und weitere 11 Patienten (28,2 %) verließen das Krankenhaus auf eigene Verantwortung entgegen des ärztlichen Rates. Insgesamt wurden also nur 12 von 375 Patienten (3,2 %) ohne eine psychiatrische Begutachtung regulär aus der Klinik entlassen. S e i t e | 54 5.3.10 Behandlungsende Eine Aufschlüsselung über den Behandlungsverlauf bzw. das Behandlungsende der ambulanten Fälle wurde im Kapitel 5.3.1 dargelegt, so dass hier ausschließlich auf die stationären Fälle eingegangen wird. Abbildung 14 stellt das Ergebnis graphisch dar. reguläre Entlassung mit ambulanter Weiterbehandlung; 45; 15% Tod; 11; 3% reguläre Entlassung; 125; 42% Entlassung gegen ärztlichen Rat; 29; 10% Überweisung extern; nicht näher bezeichnet; 17; 6% Überweisung in externe Psychiatrie ; 71; 24% Abbildung 14 – Behandlungsende der stationären Fälle Demnach wurden 42 Prozent aller stationären Patienten regulär nach Hause entlassen. Insgesamt 30 Prozent wurden in externe Häuser überwiesen und 15 Prozent wurden einer ambulanten, psychiatrischen Weiterbehandlung zugewiesen. Tabelle 6 zeigt den weiteren Verlauf bei der Behandlung der Patienten in Abhängigkeit zur erstversorgenden Station. S e i t e | 55 Tabelle 6 – Behandlungsende in Abhängigkeit zur primären stationären Versorgung Pädiatrie ITS u . Normalst. Häufigkeiten Normalst. chir. + intern. ITS chir. u. intern. Psychiatrie (+ KJP) verlegt in externes Krankenhaus 9 75 4 0 reguläre Entlassung 9 81 17 18 ambulante Weiterbehandlung 1 18 26 0 Entlassung gegen ärztlichen Rat 1 12 3 13 verstorben 1 7 1 0 21 193 51 31 Gesamt (chir. = chirurgisch; intern. = internistisch; KJP = Kinder- und Jugendpsychiatrie; ITS = Intensivstation; Normalst. = Normalstation). 5.3.11 Todesfälle Insgesamt verstarben im Beobachtungszeitraum von 3 Jahren zwölf Patienten an den Folgen ihres Suizidversuchs. Bei allen Fällen handelte es sich jeweils um den ersten Suizidversuch des Patienten. Weitere Informationen zu den einzelnen Fällen finden sich im Anhang (A5). 5.3.12 Verweildauer der stationären Fälle Die mittlere Gesamtverweildauer aller stationären Patienten betrug 13,8 Tage (SD = 21,3). Ein Patient wurde maximal 127 Tage lang stationär behandelt. Unterscheiden muss man hier jedoch zwischen der Verweildauer in der Akutbehandlung (ohne Psychiatrie) und der reinen Verweildauer bei der nachfolgenden stationären, psychiatrischen Behandlung. Von 296 stationären Patienten wurden 265 zunächst auf einer somatischen Intensiv- oder Normalstation behandelt. Die restlichen 31 Patienten wurden direkt zur Akutbehandlung in die klinikinterne Psychiatrie überwiesen. S e i t e | 56 Tabelle 7 zeigt die Verweildauer (Akutphase) der Patienten, die zunächst auf einer Intensiv- oder Normalstation behandelt wurden in Abhängigkeit zum Behandlungsende. Tabelle 7 – Verweildauer der zuerst auf Intensiv- oder Normalstation behandelten Patienten (Akutphase) Kategorie Gesamtfälle Anzahl Min/Max MittelStandardwert abweichung in Tagen Patienten mit „ambulanter Weiterbehandlung“ 45 1/20 3,2 3,2 Patienten mit „regulärer Entlassung“ 107 1/66 5,4 9,0 Patienten mit „Überweisung in externe Krankenhäuser“ 88 1/57 6,2 11,0 Patienten mit „Entlassung gegen ärztlichen Rat“ oder „Tod“ 25 1/22 3,6 4,2 alle Patienten (Gesamt) 265 1/66 5,1 8,7 Die „bereinigte“ Verweildauer der Akutbehandlung aller Patienten betrug im Schnitt also 5,1 Tage (SD = 8,7). Die Verweildauer der 31 Patienten, die direkt, zur Akutbehandlung, in der Psychiatrie des Uniklinikums stationär behandelt wurden, betrug im Mittel 20,6 Tage (SD = 28,8) und die Verweildauer aller 107 Patienten, die in der klinikinternen Psychiatrie behandelt wurden, betrug im Mittel 25,6 Tage (SD = 26,6), mit einem Maximum von 124 und einem Minimum von 1 Tag. Die mittlere Verweildauer der Patienten, die zwar stationär behandelt wurden aber dennoch an den Folgen ihres Suizidversuchs verstarben, betrug 5,7 Tage (SD = 6,4). S e i t e | 57 5.3.12.1 Verweildauer in Abhängigkeit zur Methode Im Folgenden wurde auf Unterschiede in der Verweildauer in Abhängigkeit zur Methode des Suizidversuchs untersucht. Hierzu wurde die Verweildauer während der Akutbehandlung, also der Behandlung auf einer Intensiv- oder Normalstation (ohne Psychiatrie) betrachtet (N = 265), da wie angegeben die stationäre Verweildauer der psychiatrisch aufgenommenen Patienten deutlich höher ist und die tatsächliche Verweildauer von Patienten, die in eine externe Psychiatrie überwiesen wurden, unbekannt ist. Zunächst zeigte ein Kolmogorov-Smirnov-Anpassungstest dass die Variable „Verweildauer während Akutphase“ nicht normalverteilt ist (Z = 5,455; p < 0,001). Nachfolgend konnte, mittels einem Mann-Whitney-U-Test, ein signifikanter Unterschied (Z = -4,37; p < 0,001) zwischen Suizidenten mit Einsatz weicher Suizidmethoden und Suizidenten mit Einsatz harter Suizidmethoden in der stationären Verweildauer während der Akutbehandlung (Median 2,0 Tage vs. 6,0 Tage) aufgezeigt werden. Demnach ist die Verweildauer bei harten Suizidversuchsmethoden signifikant länger. In Anlehnung an das Kapitel 2.10.1 war ein zusätzliches Ziel dieser Untersuchung, einen Unterschied im Behandlungsverlauf zwischen Intoxikationen mit trizyklischen (TCA) und moderneren Antidepressiva zu untersuchen. Hierzu wurden 4 Gruppen gebildet (siehe Tabelle 8). Tabelle 8 – Verweildauer Akutphase in Abhängigkeit bestimmter Antidepressiva Gruppe Anzahl Fälle Verweildauer Akutphase (in Tagen) Mittelwert (SD) Median TCA allein eingenommen 12 4,33 (3,87) 3,00 TCA in Kombination mit anderen Mitteln eingenommen 5 2,40 (0,55) 2,00 5 3,40 (2,07) 3,00 9 2,67 (0,71) 3,00 Modernes Antidepressiva allein eingenommen Modernes Antidepressiva in Kombination mit anderen Mitteln eingenommen Mit einem anschließend durchgeführten Kruskal-Wallis-Test konnten keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen aufgezeigt werden, was die Verweildauer in der Akutphase betrifft (x2 nach Kruskal-Wallis (3) = 3,373; p = 0,338). S e i t e | 58 5.4 Grunderkrankungen zum Zeitpunkt des Suizidversuchs Von 377 Patienten hatten lediglich 56 (14,9 %) keine Grunderkrankung. Bei 3 weiteren Patienten (0,8 %) war die Anamnese (laut Entlassungsbrief) diesbezüglich unbekannt. 64 Patienten litten an kardiovaskulären Erkrankungen, 32 an endokrinologischen Störungen und 13 Patienten hatten anamnestisch eine maligne Krankheit. 33 weitere Personen hatten Erkrankungen, die unter „Sonstige“ zusammengefasst wurden. Dabei handelte es sich um chronische Schmerzen, Epilepsien, Niereninsuffizienz, chronisch entzündliche Darmerkrankungen und weitere zerebrale Erkrankungen. Der größte Anteil der Patienten (N = 277) hatte eine psychiatrische Grunderkrankung. Die Abbildung 15 zeigt die detaillierte Verteilung der psychiatrischen Grunderkrankungen. Alkoholabusus 14% Andere 1% Drogenabusus 8% Schizophrenie 10% schizoaffektive Störung 3% bipolare Störung 2% Störung des Sozialverhaltens 1% Depression 29% sonstige Persönlichkeitsstörung 2% emotional instabile Persönlichkeit 18% Essstörungen akute 2% Belastungssituation Anpassungsstörung 3% 5% Angststörung 2% Abbildung 15 – Verteilung der psychiatrischen Grunderkrankungen bei den Suizidenten Unter „Andere“ (Abb. 15) wurden die Erkrankungen Demenz, Hirnorganisches Psychosyndrom und Transsexualität zusammengefasst. Der Formenkreis der depressiven Erkrankungen zusammen mit Substanzmissbrauch und den Persönlichkeitsstörungen waren somit die häufigsten psychiatrischen Grund- bzw. Begleiterkrankungen. Unter den Persönlichkeitsstörungen war die emotional instabile Persönlichkeitsstörung (= Borderline-Erkrankung) die häufigste Diagnose. S e i t e | 59 5.5 Erkrankungen nach dem Suizidversuch (nach Entlassung) Generell konnten bei insgesamt 19 Patienten gesundheitliche Probleme nach der stationären Versorgung erfasst werden. Sechs dieser Patienten vollführten ihren Suizidversuch mittels weicher Methoden, 13 nutzten harte Methoden. 5.5.1 Gesundheitliche Probleme/Erkrankungen nach Suizidversuch mit weichen Methoden (N = 6) Zwei der 6 Patienten nutzten Rohrreiniger bei ihrem Suizidversuch. Bei beiden kam es dabei zu großflächigen Verätzungen der Schleimhäute des Verdauungssystems, was bei einem der Patienten dazu führte, dass auf Grund der vernarbten oberen Atemwege die dauerhafte Indikation für ein Tracheostoma bestand. Bei dem anderen Patienten kam es zur großflächigen Darmischämie mit zusätzlichem hypoxischen Hirnschaden auf Grund eines septischen Schocks. Auf Grund der notfallmäßigen Darmresektion entstand ein Kurzdarmsyndrom. Ein weiterer Patient nutzte WC-Reiniger beim Suizidversuch und entwickelte im Verlauf eine chronische Dysphagie. Ein Patient steht seit seinem Suizidversuch mit Paracetamol und anschließender Lebertransplantation unter Immunsuppression, und der fünfte Patient (Diphenhydraminintoxikation) behielt eine obere Plexuslähmung zurück, die auf die zu lange Liegezeit in unphysiologischer Lage bis zum Auffinden des komatösen Patienten zurückzuführen ist. Ein weiterer Patient litt noch nach der stationären Behandlung unter Parästhesien im Bereich seiner Einstichstelle (Suizidversuch durch Stich ins Abdomen). 5.5.2 Gesundheitliche Probleme/Erkrankungen nach Suizidversuch mit harten Methoden (N = 13) Eine Übersicht über die gesundheitlichen Probleme nach dem Suizidversuch mit harten Methoden zeigt Tabelle 9. S e i t e | 60 Tabelle 9 – Erkrankungen nach Suizidversuch mit harten Methoden Methode vor Zug werfen (N = 1) Notwendige Behandlungen/Erkrankungen Rehabilitation - Gehprobleme, Metallentfernungen (Frakturversorgung) nötig Hammerschläge auf Hinterkopf (N = 1) V.a. Entwicklung eines hirnorganischen Psychosyndroms Sprung (N = 9) Infertilität (N = 1) Rehabilitation – Bewegungsapparat (N = 4) Coxarthrose (N = 1) weitere Operationen (elektiv) nötig (N = 5) neurologische Defizite (N = 3) Aphasie (N = 1) Amputaion (N = 1) Strangulation (N = 1) Rehabilitation, Training der kognitiven Fähigkeiten und Maßnahmen zur Alltagsbewältigung Bolzenschuss Wirbelsäule (N = 1) Parese rechter Arm Bei 1,72 Prozent der Suizidversuche mit weichen Methoden bestanden zum Zeitpunkt der Entlassung noch, durch den Selbsttötungsversuch bedingte, behandlungsbedürftige Erkrankungen, während dies bei 44,8 Prozent der Suizidversuche mit harten Methoden der Fall war. Ein durchgeführter x2-Test konnte einen signifikanten Unterschied diesbezüglich aufzeigen (x2 (1) = 103,922; p < 0,001). 5.6 Kosten für das Gesundheitssystem Zu den einzelnen Fällen wurde der jeweilige Erlös, definiert als die Kosten, die dem entsprechenden Versicherungsträger in Rechnung gestellt wurden, erfasst. Dies diente zur Berechnung der direkten Kosten. Die indirekten Kosten wurden gemäß dem Abschnitt 4.4.2 berechnet. Da die Variable „direkte Kosten“ keine Normalverteilung (Kolmogorov-Smirnov-Test Z = 7,946; p < 0,001) und in den folgenden Untergruppen auch keine Varianzhomogenität (Test mittels Levene-Statistik) zeigte, wurde für die Vergleiche der entsprechenden Kategorie der Mann-Whitney-U-Test oder der Kruskal-Wallis-Test für nicht-parametrische Variablen verwendet. S e i t e | 61 5.6.1 direkte Kosten Mit Ausnahme der Berechnung der Gesamtkosten (Abschnitt 5.6.1.1) ging es bei der Berechnung der direkten Kosten in den folgenden Abschnitten darum, Kostenunterschiede zu untersuchen, die durch die Akutbehandlung entstanden sind. Daher wurden zunächst die Fälle bei der Analyse ausgeschlossen, die primär in der Psychiatrie behandelt wurden (N = 31), da es sonst durch die deutlich längere Verweildauer und ein anderes Kostenerstattungsprinzip zu Verzerrungen bei den Ergebnissen gekommen wäre. Weitere zwei Fälle, bei denen der Suizid während der Behandlung einer anderen Erkrankung im Krankenhaus vollzogen wurde, wurden nicht mit betrachtet, da die Behandlungskosten nicht durch die suizidale Handlung entstanden waren. 5.6.1.1 Gesamtkosten Insgesamt entstanden in den 3 Jahren durch die 375 Fälle Behandlungskosten in Höhe von 1.698.239,16 Euro. Dies entspricht einem gerundeten Wert von 4.529 Euro pro Fall. Tabelle 10 gibt einen Überblick über den Unterschied zwischen den stationären und ambulanten Fällen. Tabelle 10 – direkte Kosten für das Gesundheitssystem aller Fälle Anzahl Mittelwert SD Angaben in Euro 82,61 Summe ambulante Fälle 79 92,15 stationären Fälle 296 5.712,70 11.527,61 1.690.959,17 Gesamt 375 4.528,64 10.492,13 1.698.239,16 7.279,99 Bemerkung: SD = Standardabweichung Die Gesamtkosten die durch die stationäre, psychiatrische Behandlung entstanden sind (N = 107 Fälle) belaufen sich auf 711.344,10 Euro. Dies entspricht im Schnitt 6.648,08 Euro (SD = 6944,75) pro entsprechendem Fall. S e i t e | 62 5.6.1.2 direkte Kosten in Abhängigkeit zum Ausgang des Suizidversuchs Hier zeigte ein Mann-Whitney-U-Test (Z = -3,255; p < 0,001), dass es signifikante Unterschiede zwischen den Kosten gab, abhängig davon ob es sich um einen Suizid (fataler) oder um einen Suizidversuch (nicht-fatalen Ausgang) handelte. Tabelle 11 verdeutlicht dies. Tabelle 11 – direkte Kosten abhängig vom Ausgang des Suizidversuchs Gruppe fatal non-fatal N Mittelwert 10 334 15.453,06 2.488,98 SD Angaben in Euro 21.915,84 8.972,59 Median 5.239,19 781,05 Auf Grund der geringen Fallzahl (N = 10) der Gruppe mit fatalem Ausgang, aber der dennoch starken Beeinflussung der direkten Kosten wurden bei den folgenden Kostenvergleichen diese Fälle ebenfalls ausgeschlossen, so dass es sich bei den folgenden Ergebnissen um Kostenvergleiche von Suizidversuchen während der Akutbehandlung (ohne Psychiatrie) handelt (N = 334). 5.6.1.3 direkte Kosten in Abhängigkeit vom psych. Konsil Tabelle 12 zeigt die unterschiedlichen Kosten in der Akutbehandlung abhängig davon, ob bei den Fällen eine psychiatrische Untersuchung durchgeführt wurde oder nicht. Bei den stationären Fällen „mit Konsil“ handelt es sich nur um Patienten, die ihre psychiatrische Begutachtung während der Akutbehandlung erhielten, nicht aber um Patienten, die erst während der folgenden stationären, psychiatrischen Behandlung einem entsprechenden Facharzt vorgestellt wurden. Tabelle 12 – direkte Kosten abhängig vom psychiatrischen Konsil ambulant mit Konsil (N = 55) Ambulant ohne Konsil (N = 23) stationär mit Konsil (N = 223) Min / Max Spannweite 49,77 / 721,08 671,31 49,77 / 128,18 78,41 421,09 / 68.327,90 67.906,81 stationär ohne 521,25 / 100.303,81 Konsil 99.782,56 (N = 33) Bemerkung. Angegebene Werte in Euro; Mittelwert (SD) Median 99,06 (97,79) 77,34 75,39 (17,53) 77,34 3.022,35 (8.601,31) 1.072,12 4.550,71 (17.439,71) 743,48 S e i t e | 63 Demnach liegt der Mittelwert bei stationären Fällen ohne Konsil höher, als bei Fällen mit psychiatrischer Untersuchung. Dieser gering ausgeprägte Effekt lässt sich auf das Vorhandensein von „Ausreißern“ zurückführen (cohens d = 0,15; 95% KI = [-0,22; 0,52]). Die deutlich höhere Spannweite bei den Fällen „ohne Konsil“ verdeutlicht diese Problematik. Betrachtet man hingegen den Median beider Gruppen, so zeigt sich, genauso wie bei den Mittelwerten der ambulanten Fällen, die Tendenz, dass Fälle mit psychiatrischen Konsil, wie erwartet, mehr Kosten verursachen. 5.6.1.4 direkte Kosten in Abhängigkeit von der Methode des Suizidversuchs Zur Berechnung von Unterschieden in den Behandlungskosten während der Akutphase in Abhängigkeit von der Methode des Suizidversuchs wurden nun die Fälle gefiltert, bei denen ausschließlich eine Methode oder ein Medikament beim Selbsttötungsversuch verwendet wurde (N = 171). Die Tabelle 13 zeigt die Details zu den einzelnen Methoden. Tabelle 13 – Unterschiede der direkten Behandlungskosten verschiedener Methoden Methode 1 Intoxikation Tabletten N 120 Mittelwert Median (SD) Angaben in Euro (gerundet) 1.907 (± 7.197) 788 Ambulante Behandlung Absolut (%) 28 (23,3 %) 2 Intoxikation Chemikalien 5 12.061 (± 22.834) 1.645 1 (20 %) 3 Alkohol (ausschließlich) 21 602 (± 503) 559 7 (33,3 %) 4 Schnitt (Armen/Hals) 7 744 (± 901) 707 3 (42,9 %) 5 Stich (Abdomen/Thorax) 5 2.564 (± 1.058) 2.236 0 (0 %) 6 Insulin s.c. 3 6.913 (± 9.357) 1.962 0 (0 %) 7 Kohlenmonoxid 2 381 (± 467) 381 1 (50 %) 8 Strangulation 2 1.956 (± 1.463) 1.956 0 (0 %) 9 Sprung 5 18.432 (± 16.904) 11.984 0 (0 %) 10 Zug 1 63.737 0 (0 %) Nun wurde untersucht, inwieweit sich die Behandlungskosten von weichen (Nr. 1-6, Tabelle 13) und harten (Nr. 7-10, Tabelle 13) Methoden unterschieden. Tabelle 14 stellt dies deskriptiv dar. S e i t e | 64 Tabelle 14 – Kostenunterschiede harter und weicher Methoden Methode N weiche Methode 161 Mittelwert Median (SD) Angaben in Euro (gerundet) 2.115 (± 7.529) 781 harte Methode 10 16.057 (± 21.950) Ambulante Behandlung Absolut (%) 39 (24,2 %) 6.069 1 (10 %) Mittels Mann-Whitney-U-Test konnte ein signifikanter Unterschied zwischen beiden Gruppen nachgewiesen werden (Z = -2,883; p = 0,004). Demnach entstehen in der Akutbehandlung signifikant mehr Kosten durch die Therapie von Suizidenten die ihren Suizidversuch mittels harter Methode vollführten. Innerhalb der weichen Selbsttötungsmethoden wurden nun 3 Gruppen (Intoxikation mit Tabletten [N = 120]; Intoxikation durch Chemikalien, Alkohol oder Insulin [N = 29] und Schnitt- und Stichverletzungen [N = 12]) gebildet. Nach Testung mit einem Kruskal-Wallis-Test konnten hier keine signifikanten Unterschiede bezüglich der Behandlungskosten zwischen diesen drei Gruppen festgestellt werden (x2 nach Kruskal-Wallis (2) = 1,812; p = 0,404). 5.6.1.5 direkte Kosten durch Intoxikationen abhängig von Medikament Bei dieser Fragestellung wurde geprüft, ob sich die Behandlungskosten abhängig von den verwendeten Medikamenten unterschieden. Die hierfür gebildeten Gruppen und deren Details zeigt Tabelle 15. Tabelle 15 – Unterschiede der Behandlungskosten verschiedener Medikamentengruppen Medikament N Mittelwert Median (SD) Angaben in Euro (gerundet) 3.977 (± 13.116) 1.067 Ambulante Behandlung Absolut (%) 6 (21,4 %) Analgetika (incl. Opiate) 28 Benzodiazepine 18 602 (± 660) 131 10 (55,6 %) Neuroleptika 19 2.781 (± 8.419) 990 3 (15,8 %) Antidepressiva 17 1199 (± 802) 1.082 2 (11,8 %) Antihistaminika 23 867 (± 439) 733 2 (8,7 %) Andere 13 864 (± 672) 742 4 (30,8 %) S e i t e | 65 Auch hier konnten keine signifikanten Unterschiede aufgezeigt werden (x2 nach KruskalWallis (5) = 6,651; p = 0,248). Ein weiteres Ziel dieser Untersuchung war es zu prüfen, ob innerhalb der Gruppe der Intoxikationen mit Antidepressiva (Monointoxikation), die Behandlungskosten während der Akutphase Unterschiede aufzeigten. Verglichen wurden ältere Antidepressiva (TCA) versus modernere Antidepressiva (AD) wie zum Beispiel SSRI (Tabelle 16). Tabelle 16 – Unterschiede der Behandlungskosten verschiedener Antidepressiva Gruppe (Monointoxikationen) N ältere AD 11 Modernere AD 6 Mittelwert Median (SD) Angaben in Euro (gerundet) 1.429 (± 810) 1363 776 (± 645) Ambulante Behandlung Absolut (%) 0 (0 %) 760 2 (33,3 %) Mittels Mann-Whitney-U-Test (Z = -1,66; p = 0,097) konnte hier kein signifikanter Unterschied aufgezeigt werden. Dies liegt jedoch wahrscheinlich in der geringen Fallzahl begründet. Dennoch zeigt sich die Tendenz, dass Intoxikationen mit moderneren Antidepressiva, trotz keinem signifikanten Unterschied in der Verweildauer (siehe Abschnitt 5.3.12.1), eher geringere Behandlungskosten verursachen als Intoxikationen mit älteren Antidepressiva (cohens d = 0,86; 95% KI = [-0,22; 1,85]). 5.6.1.6 direkte Kosten von Mono- und Polyintoxikationen Ebenfalls wurde auf einen Unterschied geprüft im Vergleich zwischen Patienten mit Polyund Monointoxikation mit Tabletten. Tabelle 17 zeigt die deskriptiven Daten. Tabelle 17 – Kostenunterschiede von Mono- und Polyintoxikationen Gruppe N Monointoxikationen 120 Polyintoxikationen 136 Mittelwert Median (SD) Angaben in Euro (gerundet) 1.907 (± 7.197) 788 964 (± 1.730) 742 Ambulante Behandlung Absolut (%) 28 (23,3 %) 34 (25 %) Die Mittelwerte der Gruppen zeigen zwar die anscheinende Tendenz, dass die Kosten der Akutversorgung von Patienten mit Tablettenpolyintoxikation geringer sind, doch erweist sich im Mann-Whitney-U-Test dieser Unterschied als nicht signifikant (Z = -1,194; p = 0,233). Auch die Effektstärke dieser Tendenz ist gering (cohens d = 0,19; 95% KI = [-0,06; 0,43]). S e i t e | 66 5.6.2 indirekte Kosten Die Berechnung der indirekten Kosten erfolgte, entsprechend der Empfehlung der AG Reha-Ökonomie (Krauth et al., 2005) mittels Humankapitalansatzmethode (siehe Kapitel 2.17.1). Die Vorgehensweise wurde im Abschnitt 4.4.2 dargestellt. Verwendet wurden die Angaben der statistischen Ämter (Statistisches Landes- bzw. Bundesamt) für das Jahr 2008, da nur für dieses Jahr, welches innerhalb des Zeitraums der Datenerhebung liegt, alle benötigten statistischen Angaben zur Verfügung standen. Eine Ausnahme stellt die Verdienststrukturerhebung des Statistischen Landesamtes Sachsen dar, welche in aktuellster Form aus dem Jahr 2006 vorliegt. 5.6.2.1 indirekte Kosten durch Arbeitsunfähigkeit Zunächst wurden ambulante und stationäre Fälle, getrennt nach Geschlecht, in 4 Gruppen eingeteilt und der Anteil der Patienten im arbeitsfähigen Alter (18-65 Jahre)7 ermittelt (siehe Tabelle 18). Anschließend wurden die Arbeitsunfähigkeitstage addiert. Bei den stationären Fällen entspricht die Summe der AU-Tage der Summe der Behandlungstage (stationäre Verweildauer). Ambulante Fälle wurden mit jeweils einem AU-Tag berechnet. Tabelle 18 – Altersgruppen nach Geschlecht und Behandlungsart Unter 18 Jahre Frauen – ambulant 2 Männer ambulant 1 Frauen – stationär 47 Männer – stationär 8 Über 65 Jahre 4 4 32 10 Im Arbeitsalter 40 28 123 76 Summe AU-Tage 40 28 2084 1116 In einem nächsten Schritt wurde die Summe der AU-Tage innerhalb der jeweiligen Gruppen entsprechend der Arbeitslosenquote des Landes Sachsen korrigiert. Die Arbeitslosenquote entspricht dem „Anteil der Arbeitslosen an den abhängigen zivilen Erwerbspersonen (sozialversicherungspflichtig und geringfügig Beschäftigte, Beamte, Arbeitslose sowie ab Mai 2007 Personen in Arbeitsgelegenheiten der Mehraufwandsvariante)“ (Statistisches Landesamt Sachsen, 2009; Seite 4) und lag 2008 in Sachsen für Frauen bei 14,7 Prozent und für Männer bei 14,0 Prozent. Dieser korrigierte Wert wurde dann mit dem Arbeitsvolumen multipliziert. Das Arbeitsvolumen gibt Auskunft über die tatsächlich geleistete Arbeitszeit aller Erwerbstätigen (Arbeitnehmer, Selbstständige und mithelfende Familienangehörige) die einer Tätigkeit, im 7 http://www.planetsenior.de/renteneintrittsalter; Zugriff am 09.02.2012 S e i t e | 67 wirtschaftlichen Sinne nachgehen8 und wird für das Jahr 2008 mit 5,8 Stunden je Kalendertag angegeben (Statistisches Landesamt Sachsen, 2011). Die so ermittelte Arbeitsausfallzeit in Stunden, wurde mit den Arbeitskosten pro Stunde in Höhe von 29,60 Euro multipliziert (Statistisches Bundesamt, 2009). „Die Arbeitskosten umfassen die Gesamtheit aller den Arbeitgebern im Zusammenhang mit der Beschäftigung von Arbeitskräften entstehenden Aufwendungen.“ (Statistisches Bundesamt, 2009; Seite 27). Tabelle 19 zeigt die Ergebnisse. Tabelle 19 – indirekte Kosten durch Arbeitsunfähigkeit Gruppe Ambulante Männer Ambulante Frauen Stationäre Männer Stationäre Frauen Summe AUTage korrigierte Summe AU-Tage (abzgl. Arbeitslosenquote) korrigierte AUTage x Arbeitsvolumen Verlorene Arbeitszeit x Arbeitskosten 28 24,08 139,66 h 4.134,05 € 40 34,12 197,90 h 5.857,72 € 1116 959,76 5.566,6 h 164.771,60 € 2084 1777,652 10.310,4 h 305.187,84 € Gesamt 479.951,22 € Die indirekten Kosten, durch die, in Folge der ambulanten oder stationären Behandlung im Uniklinikum Leipzig bedingte Arbeitsunfähigkeit, betragen also 479.951,22 Euro. 5.6.2.2 indirekte Kosten durch vorzeitigen Tod Innerhalb des Zeitraumes der Datenerhebung verstarben 12 Personen durch Suizid. Zur Berechnung der daraus resultierenden indirekten Kosten, im Sinne des Humankapitalansatzes, wurden auch hier die Fälle gefiltert, bei denen sich die Patienten noch im arbeitsfähigen Alter befanden (N = 5). Bei den sieben anderen Fällen handelte es sich bereits um Patienten im Rentenalter. Für die 5 verbleibenden Patienten wurde das Renteneintrittsalter individuell berechnet. Bei jedem dieser Patienten wurde dann ein jährlicher, alters- und geschlechtsabhängiger Durchschnittsverdienst (Statistisches Landesamt Sachsen, 2008) gemäß dem Humankapitalansatz mit der verlorenen Arbeitszeit multipliziert. Als jährliche Diskontierungsrate wurden, entsprechend den deutschen Empfehlungen zur gesundheitsökonomischen Evaluation der Hannoveraner Konsensgruppe, 5 Prozent angesetzt und die Ergebnisse im Rahmen einer 8 http://www.statistik.sachsen.de/html/543.htm S e i t e | 68 Sensitivitätsanalyse mit höheren und niedrigeren Diskontierungssätzen (0 %; 3 %; 8 % und 10 %) überprüft (Graf v.d. Schulenburg et al., 2007). Tabelle 20 zeigt das Ergebnis für die fünf Patienten und Abbildung 16 demonstriert die Summe der indirekten Kosten durch vorzeitigen Tod in Abhängigkeit zur gewählten Diskontrate. Tabelle 20 – indirekte Kosten durch vorzeitigen Tod Geschlecht Alter (Jahre/Monat) Jahrgang Renteneintritt (Jahre/Monat) Verlorene Arbeitszeit in Monaten (Jahren) jährlicher BruttoDurchschnittsverdienst indirekte Kosten 0 % diskontiert indirekte Kosten 3 % diskontiert indirekte Kosten 5 % diskontiert indirekte Kosten 8 % diskontiert Indirekte Kosten 10 % diskontiert Frau Mann Mann Mann Mann 15/0 23/1 32/5 43/0 59/6 1993 1987 1977 1965 1951 67/0 67/0 67/0 67/0 65/5 588 (49) 527 (43,916) 415 (34,583) 288 (24) 71 (5,916) 13.836 19.800 28.332 29.976 29.100 677.964,00 869.550,00 979.815,00 719.424,00 172.175,00 363.426,15 494.181,35 622.751,81 522.889,60 160.289,35 263.951,56 367.009,50 484.892,36 434.309,49 153.215,03 182.484,89 258.197,49 355.769,33 340.858,86 143.682,26 150.769,86 214.486,73 300.112,51 296.259,36 137.959,49 S e i t e | 69 4.000.000 € 3.418.928,00 € 3.500.000 € 3.000.000 € 2.163.538,26 € 2.500.000 € 1.703.377,94 € 2.000.000 € 1.280.992,83 € 1.099.587,95 € 1.500.000 € 1.000.000 € 500.000 € 0€ 0% 3% 5% 8% 10% Summe der indirekten Kosten durch vorzeitigen Tod, abhängig von der Diskontrate Abbildung 16 – Summe der direkten Kosten durch vorzeitigen Tod, abhängig von der Diskontrate 5.6.2.3 indirekte Gesamtkosten Die indirekten Kosten, durch die Arbeitsunfähigkeit, beliefen sich auf 479.951,22 Euro. Hinzu kommen, wie gezeigt, noch weitere 1.703.377,94 € (basierend auf der empfohlenen 5 % Diskontrate), die durch den vorzeitigen Tod von 5 Patienten entstanden. Neben den direkten Kosten der Behandlung in Höhe von 1.698.239,16 Euro, entstanden also durch die 377 Fälle, die auf Grund von suizidalem Verhalten im Uniklinikum behandelt wurden, weitere 2.183.329,16 € an indirekten Kosten. Die Todesfälle machten in dieser Berechnung etwa 78 Prozent der indirekten Kosten aus. Addiert ergibt dies Kosten in Höhe von 3.881.568,32 Euro. Das bedeutet, dass sich bei jedem Fall, neben den mittleren direkten Behandlungskosten in Höhe von 4.528,64 Euro, die durchschnittlichen indirekten Kosten auf weitere 5.791,32 Euro belaufen. S e i t e | 70 6 Diskussion 6.1 Probleme der Datenerhebung Bei dieser Studie gab es mehrere Probleme, welche die Auswertung der Daten erschwerten. Zum einen gibt es keine lückenlose Erfassung von Suizidversuchen in Deutschland. Da nicht jeder Suizidversuch in einem Krankenhaus behandelt wird, sollte man davon ausgehen, dass die Dunkelziffer deutlich höher liegt, als die erfassten Fälle. Althaus und Hegerl (2004) schätzen, dass allein die Dunkelziffer der vollendeten Suizide 10-fach höher ist, als die registrierten Fälle. Für Suizidversuche schätzt Bronisch (2007) diesen Anteil auf 20 bis 30 Prozent. Zum anderen ergeben sich Schwierigkeiten durch die zunehmende Komorbidität, vor allem der älteren Patienten. So lässt es sich zum Beispiel nur schwierig klären, ob ein alter Mensch der seine Tabletten nicht mehr nimmt, dies in suizidaler Absicht tut oder nur die Einnahme vergessen hat (Bronisch, 2007). Natürlich ergeben sich auch Probleme durch die retrospektive Auswertung. Fälle unklarer Intoxikationen oder Verletzungen konnten nicht mehr objektiv bewertet oder weiterführend untersucht werden. Somit konnten unerkannte Suizidversuche, im Sinne einer fehlenden Dokumentation, nicht berücksichtigt werden. Umgedreht war es aber natürlich auch möglich, dass eine akzidentielle Verletzung als Suizidversuch kodiert wurde und so in diese Studie eingeschlossen wurde. Diese Problematik konnten Hovda et al. (2008) in ihrer prospektiven Studie aufzeigen. Dort wurden 947 Fälle auf Grund akuter Intoxikation stationär aufgenommen, von denen im Nachhinein 95,9 Prozent als „absichtliche Selbstvergiftung“ identifiziert werden konnten. Allerdings wurde in etwa 40 Prozent der Fälle die Ursache der Intoxikation aus ärztlicher Sicht als „Unfall“ eingeschätzt. Hinzu kommt noch das Problem, dass nicht alle Patienten ehrliche Angaben machen, was den Zeitpunkt der Einnahme, die Menge und den Namen des verwendeten Mittels angeht (Adams, 1986). Ein weiteres Problem stellten in dieser Datenerhebung auch die geringen Fallzahlen dar. So konnten die Voraussetzung für eine univariate Varianzanalyse (Varianzhomogenität und Normalverteilung) bei allen Kostenvergleichen nicht erfüllt werden. Deutlich wurde dies vor allem bei dem Vergleich der Behandlungskosten von Patienten mit Intoxikation durch ältere oder modernere Antidepressiva. Während hier doch eine deutliche Effektstärke zu sehen war (cohens d = 0,86; 95% KI = [-0,22; 1,85]), so konnte trotzdem kein signifikanter Unterschied aufgezeigt werden. Ein Ergebnis, welches durch höhere Fallzahlen zumindest denkbar erscheinen würde. S e i t e | 71 6.2 Diskussion der epidemiologischen Ergebnisse In dieser Studie konnten retrospektiv, anhand der angegebenen Suchkriterien 377 Fälle identifiziert werden, die auf Grund von suizidalen Handlungen im Universitätsklinikum Leipzig behandelt wurden (davon 365 Suizidversuche und 12 Suizide). In 65,8 Prozent der Fälle handelte es sich um weibliche Patienten, was, basierend auf der Tatsache, dass größtenteils Suizidversuche registriert wurden, zu erwarten war. Das Verhältnis Mann: Frau betrug damit 1:1,9. Dieses Ergebnis und der relativ junge Altersdurchschnitt von 37,7 Jahren (SD = 19,9) ist konform mit den Ergebnissen früherer Studien (Adams, 1986; Barr et al., 2005; Bittner et al., 2010; Farzaneh et al., 2010; Gasquet & Choquet, 1994; Güloğlu & Kara, 2005; Kapur et al., 1999; O´Donovan et al., 1993; Serinken et al., 2008; Slama et al., 2009; Yeo, 1993). Weiterhin konnte in dieser Arbeit kein signifikanter Unterschied gezeigt werden, was den Zeitpunkt der Suizidversuche betrifft. So wurden keine Häufungen an bestimmten Wochentagen (p = 0,285) oder in bestimmten Quartalen (p = 0,810) registriert. Auch eine, über das Jahr verteilte, unterschiedliche Häufung von weichen und harten Methoden konnte nicht belegt werden (p = 0,382). Dies ist konform mit aktuellen Studienergebnissen von Mergl et al. (2010) und Prescott et al. (2009). Des Weiteren wurde untersucht, ob es einen Anhalt für den in der Literatur als „birthdayblues“ beschriebenen Effekt gab, dass suizidale Handlungen vermehrt innerhalb eines Intervalls um den Geburtstag des jeweiligen Suizidenten vollzogen werden. Die Grundlage für diese Annahme lieferten Barraclough und Shepherd im Jahr 1976. Sie beschrieben eine derartige Häufung von Suiziden bei älteren Suizidenten. Ein Effekt, den Shaffer (1974) bereits bei Kindern beschrieben hatte. Eine neuere Studie von Williams et al. (2011) beschränkt das erhöhte Risiko für Suizid zumindest auf Männer und den Tag des Geburtstages (IRR = 1.39, 95% CI = 1.18-1.64, p < .01). Reulbach et al. (2007), die hierfür 11.378 Suizidfälle untersuchten konnten diesen Effekt nicht nachweisen. In dieser Arbeit wurde bei jedem der Fälle überprüft, ob der Suizid oder Suizidversuch innerhalb eines Intervalls von 30 Tagen vor und nach dem Geburtstag der jeweiligen Suizidenten vollzogen wurde. Es zeigten sich aber keine Häufungen innerhalb dieses Intervalls (OER = 1,048 (95% KI [0,82 – 1,33]); p = 0,70) und auch kein geschlechtsspezifischer Unterschied (x2 (1) = 0,476; p = 0,490). Diese Ergebnisse sprechen eher dafür, dass Suizidversuche den Effekt des „birthday-blues“ nicht aufweisen. S e i t e | 72 Als häufigste Ursache für den Suizidversuch wurden von den Patienten in dieser Studie vorrangig Probleme im zwischenmenschlichen Bereich angegeben (43,2 %). Meist handelte es sich um Konfliktsituationen mit oder den Verlust von nahen Bezugspersonen, wie Partnern oder Freunden. Situationen wie diese scheinen derartig belastend, dass Menschen die entsprechend vulnerabel sind in solchen Fällen keinen anderen Ausweg mehr sehen, als ihrem Leben ein Ende zu setzen. Das Ergebnis bestätigt die Arbeiten von (Gasquet & Choquet, 1994; Ferris et al., 2007; Farzaneh et al., 2010; Marks, 1979). Mit 313 Fällen (83 %) stellten in dieser Datenerhebung die Intoxikationen (Tabletten, Chemikalien, Alkohol) die meist genutzte Suizidversuchsmethode dar. An Stelle 2 stehen hier die selbstzugefügten Schnittverletzungen an Hals und Armen und die Stichverletzungen (6,6 %). Diese Ergebnisse decken sich exakt mit den in der Literatur beschriebenen (siehe Theorie, Abschnitt 2.9) Hauptmethoden und entsprechen damit den Erwartungen. Analog zu den Ergebnissen von Batty et al. (2010) waren die Schnittverletzungen meist im Bereich der Handgelenke lokalisiert. Über den hohen Anteil von Polyintoxikationen bei Suizidversuchen (bis zu 55,6 %) berichteten bereits Islambulchilar et al. (2009) und Serinken et al. (2008). Auch in dieser Datenerhebung nutzte fast jeder zweite mehr als ein Medikament, wobei Frauen signifikant häufiger polyintoxikiert waren (p = 0,048). Analog zu den Ergebnissen von Prescott et al. (2009) entfielen auf jeden Intoxikationsfall etwa 1,7 Medikamente. Auch die Angaben über die unterschiedlichen Häufigkeiten der verwendeten Medikamente unterscheidet sich nicht deutlich von vorhergehenden Studien (Hovda et al., 2008). Im Gegensatz zu amerikanischen Studien (Bittner et al., 2010; Kuo & Gallo, 2005) wurde kein einziger Fall, bei dem eine Schusswaffe verwendet wurde, registriert. Dies kann neben dem erschwerten Zugang zu Feuerwaffen (auf Grund des deutschen Waffengesetzes) auch daran liegen, dass Verletzungen mit Schusswaffen eine höhere Letalität aufweisen (Bittner et al., 2010) und dementsprechend seltener noch in die Klinik zur Behandlung gebracht werden. Nur etwa 4 Prozent der Frauen begingen ihren Suizidversuch mittels harter Methode, während dies bei etwa 14,7 Prozent aller Männer der Fall war (p < 0,001). Eine Tatsache, die in der Literatur bereits häufiger beschrieben wurde (Boenisch et al., 2010; Hanna, 2004; Mann, 2002; Sam et al., 2009). S e i t e | 73 Bei etwa jedem vierten harten und jedem fünften weichen Suizidversuch stand der Suizident zusätzlich unter dem Einfluss von Alkohol. Ähnliche Angaben (mit etwa 25 %) finden sich in der norwegischen Studie von Hovda et al. (2008). 6.3 Diskussion der Behandlungscharakteristika Wie im Kapitel 5.3.1 ersichtlich wird, wurden nur 21,1 Prozent aller Patienten ambulant versorgt. Dieses Ergebnis unterscheidet sich deutlich von den in der Literatur aktuell beschriebenen Angaben von Serinken et al. (2008 - Türkei) mit 88,5 Prozent und von Hovda et al. (2008 - Norwegen) mit 69 Prozent. Zwar untersuchten diese beiden Studien nur Patienten mit Intoxikationen, aber auch wenn man die Ergebnisse dieser Arbeit auf die Fälle mit selbstinduzierten Vergiftungen (N = 317) beschränkt, so wurden trotzdem immer noch 77 Prozent stationär behandelt. Bei Prescott et al. (2009 – Großbritannien) beträgt dieser Anteil 59 Prozent. Diese Ergebnisse scheinen die Studie von Runeson et al. (2000) zu bestätigen, welche europäische Unterschiede in der Versorgung von Suizidenten aufzeigte. Entsprechend den Ergebnissen von Baca-Garcia et al. (2004) empfiehlt sich aber generell eine stationäre Aufnahme, wenn die Patienten Äußerungen über einen geplanten erneuten Versuch machen, dabei besonders tödliche Methoden nutzen wollen oder vorher bereits in stationärer, psychiatrischer Behandlung waren. Ebenso sollte ein Fehlen eines sozialen Netzwerkes oder ein Suizidversuch im vorausgegangen Jahr zur Aufnahme führen, so die Autoren. Durch das retrospektive Design dieser Arbeit, konnten jedoch diese Variablen nicht erhoben werden. Somit ist unklar, ob in dieser Studie vorrangig Patienten mit den benannten Risikofaktoren im Klinikum versorgt wurden oder ob andere Gründe für den deutlich höheren, stationär behandelten Anteil vorlagen. Rund 87 Prozent der Patienten wurden mit dem Rettungswagen/Notarzt in das Uniklinikum gebracht. Hier stehen deutsche Daten aus Würzburg zum Vergleich zur Verfügung. Bei Fürst und Habscheid (1993) betrug der Anteil 86 Prozent, der durch den Hausarzt oder den Notarzt eingewiesen wurde. In anderen europäischen Ländern (Schweden: 62 %; Italien: 44 %) sind es tendenziell weniger (Runeson et al., 2000). Prescott et al. (2009) beschrieben den Effekt, dass Patienten, die auf Grund von Suizidversuchen in der Notaufnahme behandelt wurden, eher in den späteren Tagesstunden dort vorgestellt wurden. Ähnliche Daten veröffentlichten Gunnell et al. (2005). Die Ergebnisse aus Leipzig stützen diese These. Zwar konnten keine signifikanten tageszeitlichen Schwankungen gezeigt werden (p = 0,053), aber es bestand die Tendenz für Häufungen suizidaler Fälle zwischen 14 und 22 Uhr (OER = 1,17 (95% KI [0,98 – 1,38]); p = 0,08). S e i t e | 74 Die Zeit, die Patienten in der Notaufnahme verbrachten, variierte erwartungsgemäß zwischen stationären und ambulanten Patienten. Allerdings war die Analyse dieser Zeiträume sehr anfällig für Fehler, da die Zeiten lediglich aussagen, wann die betreffenden Patienten im Computerprogramm SAP auf die nächste Station verlegt oder entlassen wurden. Im Normalfall sollte dies natürlich den wahren Verlauf der Behandlung abbilden, jedoch sollten Verweildauern in der Notaufnahme von weniger als 15 bis 30 Minuten kritisch bewertet werden. Bei Serinken et al. (2008) verbrachte die Mehrheit der Patienten zwischen 4 und 8 Stunden, bei Prescott et al. (2009) etwa 3,5 Stunden in der Notaufnahme. Allerdings finden sich dort keine genauen Unterteilungen zur Abhängigkeit der weiteren Behandlung der Patienten. Im Uniklinikum Leipzig zeigt sich die Tendenz, dass stationäre Patienten kürzer als ambulante Patienten in der Notaufnahme verweilen und betrachtet man den Zusammenhang, dass sich die Patienten eher in den Abendstunden in der Notaufnahme zur Behandlung vorgestellt haben oder vorgestellt wurden, so erklären sich die mittleren Verweildauern ambulanter Patienten von etwa 5,5 Stunden. Dies lässt darauf schließen, dass auch bei vielen solcher Patienten eine Überwachung in der Notaufnahme bis zum nächsten Morgen stattgefunden hat. Innerhalb dieser Studie wurde auch untersucht, durch welche ICD-Codes die Suizidversuche codiert wurden. Es fiel auf, dass nur 38,7 Prozent mit den entsprechenden Codes (X84.9 und Z91.8) versehen waren. Prinzipiell muss man daher von einer deutlich höheren Inzidenz von Behandlungen suizidaler Patienten ausgehen, insofern man eine retrospektive Analyse nur auf die beiden erwähnten Codes beschränkt. Mehr als 77 Prozent aller stationären Patienten mussten primär auf einer Intensivstation versorgt werden. Waren dies bei Yeo (1993) nur 2,1 Prozent, so berichten aktuelle Studien über ähnliche Ergebnisse (Prescott et al., 2009; Serinken et al., 2008). Es zeigten sich aber keine Unterschiede zwischen Suizidenten mit harten oder weichen Methoden, was die Häufigkeiten der intensivpflichtigen Überwachung angeht (p = 0,680). Harte Suizidversuchsmethoden wurden jedoch, wie erwartet, vorrangig auf einer chirurgischen Intensivstation behandelt (OER = 5,65 (95% KI [3,14 – 9,42]); p < 0,001). Eine psychiatrische Untersuchung erhielten insgesamt 89,6 Prozent aller Patienten. Betrachtet man nur die Fälle, die regulär aus dem Krankenhaus entlassen wurden, so waren es 96,8 Prozent aller Patienten, die von einem Facharzt für Psychiatrie hinsichtlich ihrer Suizidalität eingeschätzt wurden. Es war auf Grund der retrospektiven Datenerhebung allerdings nicht möglich zu erheben, ob bei einigen Patienten die primäre Versorgung eventuell schon durch einen Psychiater erfolgte und daher eine weitere, dokumentierte, psychiatrische Begutachtung nicht nötig war. S e i t e | 75 Die Ergebnisse verweisen aber, entsprechend den Forderungen von Barr et al. (2005), dass jeder Suizident einem entsprechendem Facharzt vorgestellt werden sollte, auf eine gute Behandlungsstruktur am Universitätsklinikum Leipzig. Eine ähnlich hohe Rate an psychiatrischen Konsilen ermittelten Runeson et al. (2000) in Schweden (92 %), während viele andere Studien diesbezüglich deutlich geringere Zahlen (im Schnitt 55 %) veröffentlichten (Gunnell et al., 2005; Barr et al., 2005). Die Verweildauer der stationären Patienten, die nicht in der klinikeigenen Psychiatrie behandelt wurden betrug im Mittel 5,1 Tage (SD = 8,7) und gleicht damit den Angaben anderer aktueller Studien (Islambulchilar et al., 2009; Runeson et al., 2000; Serinken et al., 2008). Die Verweildauer der 107 Patienten, die in der klinikinternen Psychiatrie behandelt wurden, betrug im Mittel 25,6 Tage (SD = 26,6), was dem deutschlandweitem Schnitt entspricht (Spießl et al., 2006). Es konnte jedoch gezeigt werden, dass die Verwendung von harten Methoden zu einer signifikant längeren Verweildauer führte (p < 0,001). Der Median beider Gruppen lag für weiche Methoden bei 2 versus 6 Tagen für harte Methoden. Dieses Ergebnis ist konform mit vielen anderen Veröffentlichungen wie zum Beispiel von Cengiz et al. (2006) und Serinken et al. (2008). Demnach ist die Behandlungsdauer von Suizidenten mit harten Methoden oder toxischeren Substanzen im Vergleich zu weichen Methoden länger, was die Arbeiten von Bittner et al. (2010) und O'Donovan et al. (1993) bestätigt. Laut Bronisch (2007) verlassen zwischen 68 bis 80 Prozent aller stationär behandelten Suizidenten ihre Suizidgedanken innerhalb von weniger als 2 Tagen und 90 bis 99 Prozent in weniger als 10 Tagen. Eine mittlere Verweildauer von 5,1 Tagen scheint demnach eine adäquate Zeitspanne für eine Beobachtung der Patienten darzustellen. In Anlehnung an die Arbeit von D´Mello et al. (1995), der die unterschiedliche Verweildauer von Intoxikationen mit älteren und moderneren Antidepressiva untersuchte, wurde auch in dieser Studie eine dementsprechende Analyse durchgeführt. Es konnte jedoch kein signifikanter Unterschied diesbezüglich aufgezeigt werden (p = 0,338). Problematisch war hier die geringe Fallzahl von 17 Patienten (12 TCA- und 5 SSRI-Monointoxikationen). Allerdings beziehen sich die Berechnungen von D´Mello et al. (1995) auch nur auf 24 Fälle, so dass ein Vergleich beider Ergebnisse möglich ist. Bei 73,5 Prozent aller Patienten wurde zum Zeitpunkt ihres Suizidversuchs eine psychische Grunderkrankung diagnostiziert. Analog zu anderen Studien stellt also das Vorhandensein einer solchen Erkrankung eines der größten Risiken dar (Bertolote & Fleischmann, 2002; Foster et al., 1997; Groholt & Ekeberg, 2009; Lineberry, 2009; Mann, 2002). S e i t e | 76 6.4 Diskussion der Kostenanalyse 6.4.1 direkte Kosten In dieser Arbeit wurden die Kosten betrachtet, die durch die Behandlung von Suizidenten im Uniklinikum entstanden. Dabei handelt es sich jedoch nur um einen Teil der finanziellen Konsequenzen von Suizidversuchen für das Gesundheitssystem, da die Kosten, die durch den Einsatz von Polizei, Feuerwehr oder dem Rettungswesen entstanden, keinen Einfluss in die Auswertung hatten. Auch konnte keine Aussage über die Kosten der poststationären, weiterführenden ambulanten Versorgung getroffen werden, obwohl klar ist, dass hier durch folgende ambulante Arztbesuche oder Rezepteinlösungen in Apotheken weitere Kosten anfielen und anfallen. Dementsprechend fehlen auch die Versorgungskosten der Behandlung der bleibenden Schäden oder Erkrankungen, wie in Kapitel 5.5 dargestellt. Aus ganzheitlicher Sicht betrachtet, müssen die tatsächlichen direkten Kosten für das Gesundheitssystem also höher geschätzt werden. Die in der Studie ermittelten, durchschnittlichen, direkten Gesamtkosten pro Fall, in Höhe von etwa 4.529 Euro, können jedoch nicht ohne weiteres für Deutschland verallgemeinert werden, da, wie dargestellt, diese Angaben sehr abhängig von der Art der Behandlung sind. Kapur et al. (2003) konnten dies exemplarisch, mit ihrem Vergleich von 6 Krankenhäusern in Großbritannien zeigen. Es müssen also weitere Untersuchungen in Deutschland erfolgen um die hier berechneten Kosten, im Hinblick auf ihre Aussagekraft, zu prüfen. Dennoch unterscheiden sich die berechneten Kosten von entsprechenden Veröffentlichungen anderer Studien und liegen deutlich höher als zum Beispiel bei Prescott et al. (2009). Die Autoren schätzten, mittels Fallpauschalen, die Kosten für 1.598 Patienten mit suizidalem Verhalten in Großbritannien auf etwa 1,9 Millionen Euro, was einem Durchschnitt von etwa 1.196 Euro pro Fall entspricht. Dies sind deutlich weniger als in dieser Arbeit, obwohl die Populationen beider Studien, was den Anteil stationärer (59 % vs. 79 %) und überwachungs- bzw. intensivpflichtiger Patienten angeht (90 % vs. 77,4 %), miteinander vergleichbar sind. Die Arbeitsgruppe von Corso et al. (2007) berechneten für die USA, auf der Grundlage von repräsentativen Datenbanken, durchschnittliche Kosten in Höhe von 7.234 Dollar und kommen damit dem Ergebnis dieser Studie am nächsten. Eingeschlossen wurden in dieser Arbeit sowohl harte als auch weiche Suizidversuchsmethoden, doch finden sich keine Angaben über die genaue Behandlung der Patienten. S e i t e | 77 Beim Vergleich der Behandlungskosten zwischen den verschiedenen Gruppen zeigte sich zunächst, dass signifikant mehr Kosten bei der Versorgung von Suizidopfern, im Gegensatz zu Fällen mit nicht-fatalem Ausgang, entstanden (p < 0,001). Während durch die Arbeit von Corso et al. (2007) diesbezüglich genau das Gegenteil aufgezeigt werden konnte (non-fatale Fälle verursachten im Schnitt das 2,8-fache an Kosten), so fanden Sut und Memis (2008) keinen signifikanten Unterschied zwischen beiden Gruppen. Der Hintergrund dieser Unterschiede ist schwer zu evaluieren, denn in keiner der beiden Arbeiten finden sich detailierte Angaben über die Behandlung der fatalen Fälle. Die Autoren Sut und Memis (2008) berichten lediglich, dass die täglichen Kosten für alle ihrer Fälle gleich waren und Kostenunterschiede demnach nur durch längere Verweildauern entstanden. Vor dem Hintergrund betrachtet, dass in der vorliegenden Arbeit die mittlere Verweildauer der fatalen Fälle höher ist, als die aller stationären Patienten (5,7 vs. 5,1 Tage), so stellt dies einen möglichen Ansatzpunkt dar, warum fatale Fälle bei dieser Datenerhebung im Schnitt etwa sechs mal höhere Kosten verursachten. Weiterhin ist auch anzunehmen, dass durch eine intensivere Versorgung (Operationen, Intensivüberwachung etc.) der lebensbedrohlich verletzten Patienten, die später doch verstarben, höhere Kosten entstanden. Auf Grund dieser Tatsache wurden für die weiteren Vergleiche, die fatalen Fälle ausgeschlossen, so dass es sich folgend nur um Behandlungskosten von Suizidversuchen handelt. Basierend auf der Arbeit von Kapur et al. (1999) wurde weiterhin erwartet, dass die Behandlungskosten abhängig von der Durchführung eines psychiatrischen Konsils variieren. In Leipzig konnte diesbezüglich kein signifikanter Unterschied zwischen Patienten mit und ohne psychiatrische Untersuchung gezeigt werden. Im Gegenteil, die Kosten stationärer Fälle mit einer solchen Untersuchung waren im Mittel niedriger. Allerdings war dieser Effekt sehr gering ausgeprägt (cohens d = 0,15; 95% KI = [-0,22; 0,52]) und verschwand bei der Betrachtung des Medians beider Gruppen, der erwartungsgemäß bei Fällen ohne Konsil niedriger lag (743 vs. 1.072 Euro). Es ist anzunehmen, dass die geringe Fallzahl der Fälle ohne Konsil (N = 33) zu einer statistischen Verzerrung führten, worauf die hohe Spannweite der Behandlungskosten in dieser Gruppe einen Hinweis gibt (99.782,56 Euro). Wie bereits in anderen Studien dargelegt, kostet die Versorgung von harten Methoden (oder high-risk-Methoden), mehr als die Behandlung weicher Suizidversuchsmethoden (Serinken et al., 2008; Sut & Memis, 2008). Die vorliegende Arbeit führte diesbezüglich zu dem gleichen Ergebnis. Begründet ist diese Tatsache sicherlich auch darin, dass, wie S e i t e | 78 beschrieben, Patienten mit harten Methoden deutlich länger im Klinikum behandelt wurden (p < 0,001), da diese meist einer intensiveren Therapie zugeführt werden müssen, was die Verweildauer entsprechend verlängert (Bittner et al., 2010). Innerhalb der weichen Methoden wurden 3 Gruppen (Tablettenintoxikation, Intoxikation mit Chemikalien, Alkohol oder Insulin und Schnitt- und Stichverletzungen) hinsichtlich ihrer Behandlungskosten auf Unterschiede überprüft. Im Gegensatz zu zwei Studien, die hier signifikante Unterschiede veröffentlichten (Serinken et al., 2008; Sut & Memis, 2008), kam es in dieser Arbeit zu keinen signifikanten Differenzen zwischen den jeweiligen Behandlungskosten (p = 0,404), obwohl die zu Grunde liegenden Populationen aller 3 Arbeiten, was die Fallzahlen und Geschlechterverteilung betrifft, durchaus vergleichbar erscheinen. Allerdings betrachteten Sut und Memis (2008) bei der Kostenanalyse sowohl suizidale (N = 62) als auch akzidentielle (N = 32) Fälle zusammen. Eine getrennte Darstellung für die Fälle mit suizidalem Verhalten fehlt. Bei den Daten aus Leipzig liegt der Mittelwert der Intoxikationen mit Chemikalien, im Vergleich zu Tabletten, dennoch deutlich höher (12.061 vs. 1.907 Euro), was eher für die Ergebnisse der beiden erwähnten Studien spricht. Kritisch zu bewerten ist hier vor allem die geringe Fallzahl der Gruppe mit Intoxikationen von Chemikalien (N = 5). Allerdings beziehen sich die Ergebnisse von Serinken et al. (2008) auch nur auf 6 Fälle dieser Art. Erwähnenswert ist, dass sich die Versorgungskosten von Tablettenintoxikationen und Stich- und Schnittverletzungen nicht signifikant unterscheiden. Vergleichbare Untersuchungen sind zum derzeitigen Zeitpunkt diesbezüglich nicht bekannt. Ebenfalls neu war die Untersuchung der Behandlungskosten zwischen unterschiedlichen Medikamentenklassen. Auch hier zeigten sich keine signifikanten Unterschiede zwischen Analgetika-, Benzodiazepin-, Antihistaminika-, Antidepressiva- und Neuroleptikavergiftungen (p = 0,248). Auffallend war aber, dass bei fast allen Medikamentenklassen (Ausnahme: Benzodiazepine) die mittleren Behandlungskosten über den in der Literatur beschriebenen Kosten durch Tablettenintoxikationen lagen (> 626 Euro; siehe Abschnitt 2.15). Weiterhin wurde bereits im Theorieteil darauf hingewiesen, dass einige Studien die Unterschiede zwischen Vergiftungen mit älteren und neueren Antidepressiva untersuchten (Kapitel 2.10.1). Ziel dieser Arbeit war ebenfalls ein derartiger Vergleich. Wie bereits dargelegt, unterschieden sich beide Gruppen hinsichtlich ihrer Verweildauer nicht und auch bezüglich der Behandlungskosten wurde der Unterschied zwischen beiden Gruppen im Mann-Whitney-U-Test nicht signifikant (p = 0,097). Betrachtet man jedoch S e i t e | 79 sowohl den Mittelwert als auch den Median beider Kategorien, so zeigen sich nahezu doppelt so hohe Kosten für die Versorgung von Patienten mit Intoxikationen von älteren Antidepressiva. Dieser starke Effekt (cohens d = 0,86; 95% KI = [-0,22; 1,85]) bestätigt die Arbeiten, die die Behandlung von Vergiftungen mit modernen Antidepressiva als kostengünstiger darstellten (D´Mello et al., 1995; Ramchandani et al., 2000), wobei die Ergebnisse von Ramchandani et al. (2000) auf deutlich mehr Fällen basieren (N = 220). Da sich in dieser Arbeit ein derartiger Effekt bei den Behandlungskosten, jedoch aber keine unterschiedliche Verweildauer beider Gruppen, zeigte, spricht dies auch dafür, dass Vergiftungen mit älteren Antidepressiva zu mehr behandlungspflichtigen Komplikationen und Symptomen führen, wie dies bereits durch andere Autoren beschrieben wurde (Chan et al., 2010; von Mach & Weilemann, 2002; Whyte et al., 2003; Wong et al., 2010). Auf Grund des hohen Anteils an Patienten (47,3 %), die bei Tablettenintoxikationen mehr als ein Medikament einnahmen, wurde abschließend untersucht, ob dies Einfluss auf die Behandlungskosten nimmt. Es zeigte sich die Tendenz, dass Polyintoxikationen weniger Kosten bei der Versorgung verursachten. Dieser Unterschied, der im Gegensatz zur Erwartung steht, wurde aber weder statistisch signifikant (p = 0,233) noch zeigte sich eine große Effektstärke (cohens d = 0,19; 95% KI = [-0,06; 0,43]). Über die Ursachen dieser Tendenz lässt sich jedoch nur spekulieren. Zum Beispiel ist es möglich, dass es zu statistischen Verzerrungen, auf Grund von Ausreißern kam. Des Weiteren muss erwähnt werden, dass, wie bei allen Kostenvergleichen vorher auch, nur in wenigen Fällen Informationen über die genaue Menge der eingenommenen Substanzen vorlagen. Diese Variable wurde in den Analysen daher nicht mit bertachtet und erscheint als eine der wichtigsten Störvariablen, die womöglich Einfluss auf den Vergleich zwischen Mono- und Polyintoxikationen zeigte. S e i t e | 80 6.4.2 indirekte Kosten Die indirekten Kosten, die in dieser Arbeit mittels Humankapitalansatz berechnet wurden, belaufen sich für die 377 Fälle mit suizidalem Verhalten auf etwa 2,2 Millionen Euro. Dieses Ergebnis wurde, entsprechend den Empfehlungen der Hannoveraner Konsensgruppe für gesundheitsökonomische Evaluationen, im Zuge einer Sensitivitätsanalyse mit höheren und niedrigeren Diskontierungssätzen (0 %; 3 %; 8 % und 10 %) überprüft (Graf v.d. Schulenburg et al., 2007). Somit ergibt sich bezüglich des Produktivitätsverlustes eine Spannweite zwischen 1,6 (10 % Diskontrate) und 3,9 Millionen Euro (0 % Diskontrate). Pro Fall entstanden damit, basierend auf der empfohlenen Abzinsung mit 5 Prozent (Graf v.d. Schulenburg et al., 2007), neben den direkten Versorgungskosten, weitere indirekte Kosten in Höhe von etwa 5.800 Euro. Angaben über die indirekten Kosten sind natürlich immer stark abhängig von der Anzahl der Fälle die betrachtet wurden und auch von der Methode die zur Berechnung zum Einsatz kam. Zwar existieren in der Literatur einige Studien, die sich mit den indirekten Kosten von Suizidversuchen auseinandersetzten, doch finden sich lediglich bei Corso et al. (2007) Angaben zu den entsprechenden Kosten pro Fall. Wie bereits erwähnt berechneten die Autoren dieser amerikanischen Studie die Kosten anhand von repräsentativen Datenbanken und folgten damit einem anderen Ansatz als in der vorliegenden Arbeit. Allerdings war die Stichprobe dadurch deutlich größer (N = 324.000). Der Produktivitätsverlust wurde pro Fall mit 1 Million Dollar für fatal endende und mit 9.726 Dollar für nicht-fatale Suizidversuche angegeben (Preise basieren auf das Jahr 2000) und unterscheidet sich damit von den Ergebnissen aus dem Universitätsklinikum. Beide Untersuchungen zeigen jedoch, dass die Fälle mit fatalem Ausgang einen sehr hohen Anteil an den indirekten Gesamtkosten verursachten (91 % bzw. 78 %). Allgemein müssen noch einige Faktoren diskutiert werden, die Einfluss auf die Berechnung des Produktivitätsverlustes nahmen. Generell werden die indirekten Kosten, wie bereits bekannt, mit dem Humankapitalansatz tendenziell zu hoch berechnet (Greiner, 2008). Jedoch berücksichtigt diese Methode, im Gegensatz zum Friktionskostenmodel, die Produktivitätsverluste durch den vorzeitigen Tod von Patienten adäquat. In diesen Fällen (N = 5) wurde bei der Berechnung zu Grunde gelegt, dass diese Patienten nicht arbeitslos waren und dies Zeit ihres Lebens bis zum Eintritt in das Rentenalter auch nicht wurden. Studien zeigen hier jedoch ein anderes Bild. Menschen mit psychischen Erkrankungen, wie zum Beispiel Schizophrenie, sind signifikant häufiger arbeitslos, als mental gesunde Menschen. Dies konnte die Studie von S e i t e | 81 Marwaha et al. (2007) zeigen, die unter anderem Daten aus Leipzig diesbezüglich analysierte. Bei dieser Datenerhebung wurde aber versucht, diese Schwachpunkte auszugleichen. So erfolgte durch die Bereinigung mittels Arbeitslosenquote eine Anpassung an den regionalen Arbeitsmarkt und durch die Verdienststrukturerhebung eine alters- und geschlechtsspezifische Ermittlung der regionalen Durchschnittslöhne. Durch die Verwendung des Arbeitsvolumens, welches die tatsächliche Arbeitszeit aller Beschäftigten abbildet, wurden somit auch Berufsgruppen mit Teilzeit oder geringfügiger Beschäftigung in die Analyse integriert. Betrachtet man weiter die Grunderkrankungen der fünf betreffenden Todesfälle dieser Studie, so stellt man fest, dass nur bei zwei Patienten eine psychiatrische Erkrankung bekannt war (Drogenabusus; Borderline-Persönlichkeitsstörung), während ein Patient an keiner derartigen Grunderkrankung litt und bei den zwei weiteren Fällen die Anamnese diesbezüglich unbekannt war. Generell existieren aber auch einige Argumente dafür, dass die potentiellen indirekten Kosten zu niedrig geschätzt wurden. So ist die Dauer der gesamten stationären Behandlung von Patienten, die aus dem Uniklinikum in andere Krankenhäuser verlegt wurden unbekannt. Ebenso, wie dies bei Patienten der Fall ist, die aus externen Kliniken ins Universitätsklinikum gebracht wurden. Auch nahmen Angaben über die Dauer von notwendigen, poststationären Rehabilitationsmaßnahmen keinen Einfluss in die Berechnung, genauso wie Informationen über eine ambulant fortgeführte Arbeitsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit nicht vorlagen. Betrachtet man weiterhin, dass immer mehr Patienten mit psychischen Erkrankungen früher aus dem Arbeitsleben ausscheiden und Frührente erhalten (Wedegärtner et al., 2007) und dass, wie im Theorieteil dargestellt, bis zu 86 Prozent aller Suizidenten einen erneuten Suizidversuch begehen (Nordentoft, 2007; Schmidtke et al., 1996), so muss man tendenziell eher von höheren indirekten Kosten ausgehen, da alle diese Faktoren aus wirtschaftlicher Sicht die Produktivität der jeweiligen Patienten vermindern. Auch die Tatsache, dass bei den fünf Todesfällen im arbeitsfähigen Alter bei der Berechnung keine Lohnsteigerung berücksichtigt wurde, lässt eine Unterschätzung der Kosten vermuten. Es existieren also vielfältige Faktoren, die eine genaue Schätzung der indirekten Kosten beeinflussen und deren genaue Gewichtung nicht klar beurteilt werden kann. S e i t e | 82 6.5 Fazit In einem Zeitraum von drei Jahren wurden 377 Suizide bzw. Suizidversuche erfasst, die im Universitätsklinikum Leipzig behandelt wurden. Es zeigten sich bei diesen Fällen keine großen epidemiologischen Unterschiede zu bereits vorher existierenden Untersuchungen aus anderen Ländern. Auch in dieser Arbeit waren die meisten Suizidenten eher im jüngeren Alter. Frauen nutzten vorrangig weiche und Männer öfters harte Methoden. Generell wurden aber die meisten Fälle auf Grund von Intoxikationen behandelt. Die Behandlung am Uniklinikum erfolgte zum größten Teil stationär. Viele dieser Patienten erhielten eine intensivmedizinische Betreuung. Auch wurden fast alle Patienten bei einem Facharzt für Psychiatrie vorgestellt, um von diesem hinsichtlich der Suizidalität beurteilt zu werden. Dies weißt, im Gegensatz zu anderen Studienergebnissen, auf eine gute Behandlungsstruktur am Uniklinikum hin und zeigt auch eine Sensibilisierung mit dem Thema Suizidalität, die durch den Einfluss der Interventionen des OSPI-Projektes in Leipzig zu erwarten war. Suizide oder Suizidversuche sind mit großem Schmerz, großer Trauer und auch großem Schamgefühl verbunden. Dies betrifft nicht nur die Suizidenten selbst, sondern auch Angehörige und Freunde. Diese Arbeit konnte zeigen, dass neben all´ dem auch große wirtschaftliche Konsequenzen aus solchen Fällen resultieren, die somit Einfluss auf die gesamte Umwelt nehmen. Es zeigten sich im Vergleich zu anderen Studienergebnissen im Durchschnitt relativ hohe direkte Behandlungskosten und tendenziell etwas geringere indirekte Kosten pro Fall. Vor allem bei der Versorgung von Patienten mit harten Suizidversuchsmethoden entstanden hohe Kosten, während innerhalb der weichen Methoden keine signifikanten Unterschiede diesbezüglich festgestellt werden konnten. Es zeigte sich lediglich die Tendenz, dass Intoxikationen mit älteren Antidepressiva, im Vergleich zu Neueren, zu mehr Behandlungskosten führen. Diese Studie, welche zum ersten Mal im Kontext des deutschen Gesundheitssystems, eine Kostenanalyse der Behandlung von Suizidenten untersuchte, zeigt neben dem menschlichen Leid, welches mit dem Selbsttötungsversuch eines Menschen verbunden ist, den ebenfalls wichtigen gesundheitsökonomischen Aspekt solcher Fälle. Ergebnisse wie diese helfen, die Bedeutsamkeit von suizidalem Verhalten aufzuzeigen und sind wichtig für die genaue Planung und Einführung von Präventionsmaßnahmen in einem System mit begrenzten Ressourcen. S e i t e | 83 In Anlehnung an das eingangs erwähnte Zitat von Erwin Stengel muss es, auch in Anbetracht dieser Ergebnisse, eines der größten Ziele im Gesundheitssystem sein, Menschen, die Suizidversuche begehen wollen, zu identifizieren und zu schützen und sie dahin gehend zu motivieren therapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen. S e i t e | 84 7 Zusammenfassung der Arbeit Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades Dr. med. Titel: Behandlung von Suizidenten im Universitätsklinikum Leipzig und Analyse der daraus resultierenden Kosten eingereicht von: Sören Dölling angefertigt an der: Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig in der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie betreut von: Prof. Dr. med. Ulrich Hegerl, Dipl.-Psych. Nicole Koburger Dr. rer. biol. hum. Dipl.-Psych. Roland Mergl Juni 2012 Suizidale Handlungen, also Suizide und Suizidversuche, sind mit großem Schmerz, großer Trauer und auch großem Schamgefühl verbunden. Dies betrifft nicht nur die Suizidenten selbst, sondern auch Angehörige und Freunde die durch solch ein Ereignis ebenfalls traumatisiert werden. Weltweit sterben etwa eine Million Menschen jährlich durch Suizid und besonders in Europa werden hohe Suizidraten registriert. So übersteigt deutschlandweit die Anzahl der Suizide seit vielen Jahren die der Verkehrsopfer um das doppelte. In Deutschland steht der Suizid somit auf Platz sieben der häufigsten Todesursachen und in der Altersgruppe der 15 bis 20-jährigen sogar auf Platz zwei. Schätzungen zu Folge ist die Anzahl der Suizidversuche pro Jahr, im Vergleich zu den Suiziden, bis zu 30-fach höher. Dies zeigt, welche enorm große Relevanz dieses Thema für das deutsche Gesundheitssystem hat. Während bei den Suiziden vorrangig Männer im mittleren und vor allem im höheren Alter betroffen sind, zeigt sich bei den Suizidversuchen ein anderes Bild. Hier sind die Betroffenen vor allem Frauen im Alter zwischen 15 und 30 Jahren. In zahlreichen Studien konnten Risikofaktoren identifiziert werden, die häufig bei Suizidenten festgestellt wurden. Einer der wichtigsten dieser Faktoren sind psychiatrische Grunderkrankungen, die bei bis zu 90 Prozent aller Suizidenten diagnostiziert werden. S e i t e | 85 Vor allem die Depression und die Schizophrenie sollen hier beispielhaft erwähnt werden. Aber auch zahlreiche andere Einflüsse, wie zum Beispiel vorausgegangenes suizidales Verhalten, Suchterkrankungen, Untergewicht und die Auswirkung medialer Berichterstattungen sind in Studien als risikoerhöhende Faktoren für die Durchführung von Suizidversuchen analysiert worden. Weiterhin besteht eine größere Gefahr für suizidales Verhalten bei Alleinstehenden, bei Menschen, denen häusliche Gewalt widerfährt oder die sexuell missbraucht wurden, bei Patienten mit unheilbaren malignen oder neurologischen Erkrankungen und bei Personen mit niedrigem sozioökonomischen Status, charakterisiert durch ein schlechteres soziales Netzwerk, Armut oder eine schlechtere Schulbildung. Alle diese und weitere Faktoren, die in ihrer Gesamtheit das Risiko für die Durchführung eines Suizidversuchs erhöhen, stellen somit einen möglichen Ansatzpunkt für präventive Maßnahmen dar. Diese Arbeit entstand im Zuge des OSPI-Projektes in Leipzig, einem europäischen Projekt dessen Aufgabe es ist, ein modernes Konzept für Suizidprävention zu erarbeiten, dieses in vier europäischen Ländern zu testen und zu evaluieren (darunter auch Deutschland; Region Leipzig) um schlussendlich diese Interventionen für ganz Europa einzuführen. Ziel dieser Arbeit war somit die lückenlose Erfassung aller Fälle, die auf Grund von suizidalem Verhalten im Universitätsklinikum Leipzig behandelt wurden, um Aussagen über die Art der Behandlung und den damit verbundenen direkten und indirekten Kosten machen zu können. Hierzu wurden retrospektiv, über einen Zeitraum von 3 Jahren (01. Juni 2008 bis 31. Mai 2011) alle suizidalen Handlungen erfasst, die ambulant oder stationär im Uniklinikum Leipzig behandelt wurden. Zur Datenerfassung wurde die klinikinterne Software „SAP 6.0 – Produktivsystem“ verwendet. Zur Filterung der Daten dienten die in der ambulanten und stationären Versorgung verwendeten ICD-10-GM Kodierungen für Selbstverletzungen und Intoxikationen. Um Aussagen über den gesundheitsökonomischen Aspekt dieser Fälle machen zu können, wurden die direkten und indirekten Kosten (Produktivitätsausfall) ermittelt. Die direkten Kosten, definiert als den Erlös, den das Uniklinikum gegenüber den entsprechenden Versicherungsträgern geltend gemacht hat, wurden vom „Bereich 3 – Finanzen, Planung und Controlling“ des Universitätsklinikums bereitgestellt. Die indirekten Kosten wurden mittels Humankapitalansatzmethode im bottom-up-Ansatz errechnet und an die Arbeitsmarktsituation im Freistaat Sachsen angepasst. Folgende Fragestellungen sollten untersucht werden: 1.) Wie erfolgte die Behandlung von Suizidenten im Universitätsklinikum Leipzig? 2.) Wie unterscheiden sich die direkten Kosten in der Akutbehandlung von Suizidenten, abhängig von der Methode des Suizidversuchs? 3.) Wie hoch sind die Gesamtkosten (direkte und indirekte Kosten)? S e i t e | 86 Mit den angegebenen Suchkriterien wurden 2720 Fälle analysiert, von denen 377 (13,9 %), anhand der Informationen aus dem Entlassungsbrief, als Suizidversuche identifiziert werden konnten. Bei den restlichen Fällen handelte es sich um unbeabsichtigte Intoxikationen oder akzidentelle Ereignisse. Epidemiologisch zeigten sich keine signifikanten Unterschiede zu bereits bestehenden Studienergebnissen. Beim Großteil der Fälle handelte es sich um Suizidversuche von Frauen (65,8 %) mit einem Durchschnittsalter von 37,7 Jahren (SD = 19,9). Am häufigsten waren Suizidversuche durch Intoxikation mit Tabletten, Alkohol oder Chemikalien (83 %), wobei Analgetika, Benzodiazepine und Alkohol die meist genutzten Mittel waren. Männer begingen im Gegensatz zu Frauen häufiger suizidale Handlungen mit harten Methoden, wie Strangulation, Sprung in die Tiefe oder Inhalation von Kohlenmonoxid (p < 0,001). Es zeigte sich keine Saisonalität der Versuche. Bei der Analyse der Behandlung wurde deutlich, dass im Unterschied zu Studien aus anderen Ländern, ein Großteil der Patienten stationär behandelt wurde (78,9 %). Auch erhielten 77,4 Prozent aller Patienten eine intensivmedizinische Überwachung, wobei hier kein Unterschied zwischen Fällen mit harten und weichen Suizidversuchsmethoden bestand (p = 0,680). Die mittlere Verweildauer in der Akutphase (ohne psychiatrische Station) betrug 5,1 Tage (SD = 8,7). Hier zeigte sich, wie erwartet, der signifikante Unterschied (p < 0,001), dass Patienten mit harten Methoden deutlich länger stationär behandelt wurden, als Patienten die beim Selbsttötungsversuch weiche Methoden nutzten (Median: 6 vs. 2 Tage). Auf der Basis vorbestehender Untersuchungen wurde ebenfalls geprüft, ob Patienten mit Intoxikation mit älteren Antidepressiva (TCA) eine längere Verweildauer aufwiesen, als Patienten mit Selbstvergiftungen mit moderneren Antidepressiva (SSRI). Hier zeigte sich jedoch kein Unterschied (p = 0,338). Eine psychiatrische Grunderkrankung fand sich anamnestisch (Information aus Entlassungsbrief) bei 73,9 Prozent der Fälle. Fast alle Patienten (96,8 %) erhielten zur Einschätzung ihrer Suizidalität ein Konsil bei einem Facharzt für Psychiatrie. Dies weist, im Vergleich zu vielen anderen europäischen Studien, auf eine gute Behandlungsstruktur am Universitätsklinikum Leipzig hin. Insgesamt wurden 107 Patienten (28,5 %) in der klinikeigenen Psychiatrie behandelt und weitere 96 Patienten (25,6 %) in eine externe psychiatrische Klinik überwiesen. Im gesamten Zeitraum verstarben 12 Patienten an den Folgen ihres Suizidversuchs. Insgesamt entstanden in den 3 Jahren durch alle Fälle direkte Behandlungskosten in Höhe von 1.698.239,16 Euro. Dies entspricht einem gerundeten Wert von 4.529 Euro pro Fall. Es zeigte sich jedoch, dass abhängig vom Ausgang des Suizidversuchs (fatal vs. nonfatal) S e i t e | 87 deutliche Kostenunterschiede entstanden. Demnach verursachten Fälle mit fatalem, im Vergleich zu nonfatalem Ausgang, nahezu 7-fach so hohe Kosten (p < 0,001). Ebenso entstanden höhere Behandlungskosten bei der Versorgung von Suizidenten mit harten Methoden (p = 0,004). Wie erwartet führten auch die Fälle, in denen die Patienten eine psychiatrische Untersuchung erhielten zu höheren Kosten. Innerhalb der weichen Suizidversuchsmethoden (Intoxikationen, Insulininjektionen und Schnitt-und Stichverletzungen) und im Vergleich der einzelnen Medikamentengruppen (Analgetika, Benzodiazepine, Neuroleptika, Antidepressiva und Antihistaminika) untereinander, konnten keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich der Behandlungskosten nachgewiesen werden. Allerdings zeigte sich innerhalb der Gruppe der Antidepressiva die Tendenz, analog zu anderen aktuellen Studien, dass Patienten mit Intoxikation mit älteren Antidepressiva (TCA) höhere Kosten verursachten, als Patienten mit Selbstvergiftungen mit moderneren Antidepressiva, wie Selektiven-SerotoninReuptake-Inhibitoren (cohens d = 0,86; 95% KI = [-0,22; 1,85]). Die errechneten indirekten Kosten, auch Produktivitätsausfall genannt, die auf Grund der Arbeitsunfähigkeit während der Behandlung im Uniklinikum entstanden, belaufen sich auf knapp 500.000 Euro. Weitere rund 1,7 Millionen Euro indirekte Kosten entstanden durch den vorzeitigen Tod von fünf Patienten, die sich zum Zeitpunkt ihres Suizides im arbeitsfähigen Alter befanden. Auf Grund fehlender Daten bzw. Informationen konnten keine Angaben zum Produktivitätsausfall in Folge einer Erwerbsunfähigkeit gemacht werden. Addiert ergibt dies Kosten (direkt und indirekt) in Höhe von rund 3,9 Millionen Euro. Diese Studie, welche zum ersten Mal im Kontext des deutschen Gesundheitssystems, eine Kostenanalyse der Behandlung von Suizidenten untersuchte, zeigt neben dem menschlichen Leid, welches mit dem Selbsttötungsversuch eines Menschen verbunden ist, den ebenfalls wichtigen gesundheitsökonomischen Aspekt solcher Fälle. Ergebnisse wie diese helfen, die Bedeutsamkeit von suizidalem Verhalten aufzuzeigen und sind wichtig für die genaue Planung und Einführung von Präventionsmaßnahmen in einem System mit begrenzten Ressourcen. S e i t e | 88 8 Verzeichnisse 8.1 Tabellenverzeichnis TABELLE 1 – ERHOBENE DATEN ........................................................................................ 41 TABELLE 2 – GRÜNDE DES SUIZIDVERSUCHS .....................................................................44 TABELLE 3 – METHODEN IN ABHÄNGIGKEIT VOM GESCHLECHT ......................................... 45 TABELLE 4 – UNTERSCHIEDE ZWISCHEN HARTEN UND WEICHEN METHODEN ...................... 46 TABELLE 5 – VERWEILDAUER IN DER NOTAUFNAHME, ABHÄNGIG VON BEHANDLUNGSART .............................................................................. 50 TABELLE 6 – BEHANDLUNGSENDE IN ABHÄNGIGKEIT ZUR PRIMÄREN STATIONÄREN VERSORGUNG ........................................................................ 55 TABELLE 7 – VERWEILDAUER DER ZUERST AUF INTENSIV- ODER NORMALSTATION BEHANDELTEN PATIENTEN (AKUTPHASE) ..................................................... 56 TABELLE 8 – VERWEILDAUER AKUTPHASE IN ABHÄNGIGKEIT BESTIMMTER ANTIDEPRESSIVA ......................................................................................... 57 TABELLE 9 – ERKRANKUNGEN NACH SUIZIDVERSUCH MIT HARTEN METHODEN ................. 60 TABELLE 10 – DIREKTE KOSTEN FÜR DAS GESUNDHEITSSYSTEM ALLER FÄLLE ................... 61 TABELLE 11 – DIREKTE KOSTEN ABHÄNGIG VOM AUSGANG DES SUIZIDVERSUCHS ............. 62 TABELLE 12 – DIREKTE KOSTEN ABHÄNGIG VOM PSYCHIATRISCHEN KONSIL ...................... 62 TABELLE 13 – UNTERSCHIEDE DER DIREKTEN BEHANDLUNGSKOSTEN VERSCHIEDENER METHODEN ...................................................................... 63 TABELLE 14 – KOSTENUNTERSCHIEDE HARTER UND WEICHER METHODEN ......................... 64 TABELLE 15 – UNTERSCHIEDE DER BEHANDLUNGSKOSTEN VERSCHIEDENER MEDIKAMENTENGRUPPEN .......................................................................... 64 TABELLE 16 – UNTERSCHIEDE DER BEHANDLUNGSKOSTEN VERSCHIEDENER ANTIDEPRESSIVA ....................................................................................... 65 TABELLE 17 – KOSTENUNTERSCHIEDE VON MONO- UND POLYINTOXIKATIONEN................. 65 TABELLE 18 – ALTERSGRUPPEN NACH GESCHLECHT UND BEHANDLUNGSART .................... 66 TABELLE 19 – INDIREKTE KOSTEN DURCH ARBEITSUNFÄHIGKEIT....................................... 67 TABELLE 20 – INDIREKTE KOSTEN DURCH VORZEITIGEN TOD............................................. 68 S e i t e | 89 8.2 Abbildungsverzeichnis ABBILDUNG 1 – STADIEN DER SUIZIDALEN ENTWICKLUNG NACH W. PÖLDINGER. AUS PAJONK & D´AMELIO, (2009) .............................................................8 ABBILDUNG 2 – ALTERSVERTEILUNG VON SUIZIDVERSUCHEN. AUS SCHMIDTKE ET AL. (2008) ..................................................................9 ABBILDUNG 3 – VERTEILUNG VON PSYCHIATRISCHEN ERKRANKUNGEN BEI PATIENTEN MIT SUIZIDVERSUCH AUßERHALB VON STATIONÄREN EINRICHTUNGEN. AUS BERTOLOTE & FLEISCHMANN (2002) ................................................ 10 ABBILDUNG 4 – ALTERSVERTEILUNG BEI SUIZIDVERSUCHEN. AUS SLAMA ET AL. (2009)........................................................................ 14 ABBILDUNG 5 – RELATIVES SUIZIDVERSUCHSRISIKO IN ABHÄNGIGKEIT ZUM BMI. AUS BATTY ET AL. (2010) ........................................................................ 16 ABBILDUNG 6 – RISIKO FÜR SUIZID ABHÄNGIG VON DER METHODE DES VORAUSGEGANGENEN SUIZIDVERSUCHS. AUS RUNESON ET AL. (2010) .................................................................... 19 ABBILDUNG 7 – LITERATURANGABEN ÜBER VERWENDETE MEDIKAMENTE BEIM SUIZIDVERSUCH....................................................................................... 26 ABBILDUNG 8 – EMPFEHLUNGEN DER IASP BEI SUIZIDALEM VERHALTEN. NACH GOLDNEY (2002) ........................................................................... 31 ABBILDUNG 9 – VERTEILUNG DER SUIZIDVERSUCHE NACH ALTER UND GESCHLECHT ......... 42 ABBILDUNG 10 – ANZAHL DER PATIENTEN MIT SUIZIDVERSUCHEN IN DER ANAMNESE ....... 43 ABBILDUNG 11 – BEIM SUIZIDVERSUCH VERWENDETE MEDIKAMENTE ............................... 47 ABBILDUNG 12 – VERGEBENE ICD-DIAGNOSEN (HAUPTDIAGNOSE) ...................................51 ABBILDUNG 13 – PRIMÄR BEHANDELNDE STATION ............................................................ 52 ABBILDUNG 14 – BEHANDLUNGSENDE DER STATIONÄREN FÄLLE ....................................... 54 ABBILDUNG 15 – VERTEILUNG DER PSYCHIATRISCHEN GRUNDERKRANKUNGEN BEI DEN SUIZIDENTEN ............................................................................ 58 ABBILDUNG 16 – SUMME DER DIREKTEN KOSTEN DURCH VORZEITIGEN TOD, ABHÄNGIG VON DER DISKONTRATE ........................................................ 69 S e i t e | 90 8.3 Literaturverzeichnis Adams, R. 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Fig. 1: The OSPI-Europe multilevel-intervention programme It further takes into account the OSPI-Europe consortium agreement on CORE and OPTIONAL intervention measures. They were installed to assure comparability in between the different intervention countries and can be found in the appendix to this report. Finally, the implementation of the OSPI-Europe intervention is one of the three objectives of WP08. This report focuses on the explanation of how this first of the three objectives listed unterneath are approached and realized. WP 08 – Objectives S e i t e | 104 To implement the OSPI-Intervention as designed in WP 02 in the city of Leipzig, Germany in parallel and comparably with the other intervention regions (WP 06, 07, 09). To collect baseline (T1) and outcome data (T2) in the intervention and control region (Magdeburg) for evaluating effectiveness and efficiency of the multilevel approach to suicide prevention. To investigate the effectiveness of the OSPI-Intervention in Germany, using a pre-post design and comparing intervention and control region on primary and intermediate outcome criteria. Intervention and Control regions in Germany – a short description The city of Leipzig has been selected as the intervention site for implementation of the OSPI-Europe initiative in Germany. It was assured that prior to the intervention no other major suicide or depression prevention programme was conducted at the moment nor prior to the OSPI-Europe intervention. The city of Magdeburg has been selected as the control site in Germany for OSPI-Europe. Leipzig, situated in the Mid-East of Germany and West of the state of Saxony, comprises an area of approximately 297,36 square kilometres. With a population of about 516.430 Leipzig is the biggest city in Saxony and within the states of Germany that have been formed after the reunification of Germany in 1990. The density of population is 1737 inhabitants per square kilometre. Magdeburg is situated in Central Germany and has an area of 200,97 square kilometres. As the capital city of the state of Saxony-Anhalt it has a population of about 230.540, with a population density of 1144 inhabitants per square kilometre. Preparation of intervention At the beginning, according to the German Alliance Against Depression and the European Alliance Against Depression, the German intervention region Leipzig was given the name Leipzig Alliance Against Depression (LAAD). Referring to the success of the national and continental alliance, this term can be seen as a brand. Using it also contributes to the sustainability of this project. At the same time it is always pointed out, that the LAAD is part of the OSPI project, which is funded by the 7th Framework Programme of the European Commission. When beginning the preparation of the campaign, an advisory group has been formed. Due to the number of involved people and the diversity of subjects to deal with, the original advisory group was split into four working groups: public relations (PR) & networking self-help trainings evaluation People from various professions engaged in these working groups (e.g. General Practitioners, psychiatrists, nurses, representatives from local self-help groups, clergy, social workers). Each group was working on its own subject and met regularly. At the very beginning, meetings took place every 2 months. Later this interval was shortened so that key persons met monthly or if demanded. Additionally there have been regular meetings of all partners and people involved in the project. The project staff attended and monitored those meetings and maintained intensive contact to the different working groups, who in turn where exchanging knowledge and process information as well. For further understanding, activities of each working group will be outlined below: S e i t e | 105 1) Working group: Public relations (PR) & networking One important task of the working group “PR & networking” was to support project staff in planning and setting up the launch event as official starting point of the intervention in Leipzig. Later, group members also supported in organizing other public events and in distributing the materials of the awareness campaign. Furthermore, this group gained partners for the project. At the very beginning of the project, different stakeholders have been won to support the intervention and public relation activities in Leipzig: Two initiators (additionally to Professor Hegerl as project leader): o Mrs. Dr. Richter-Werling (head of the registered association “Irrsinnig Menschlich e.V.”) o Mr. Thomas Seyde (coordinator of psychiatry in Leipzig belonging to the local health authority) Two well-known patrons: o Mrs. Christine Clauß (minister of the state of Saxony of Social Affaires and consumer protection) o Prof. Dr. Thomas Fabian (Leipzig mayor for youth, social affaires, health and school) Directive medical specialists from different cooperating clinics and medical practices. Active members of different self-help groups related to depression Coworkers from local churches Coworkers from the research team of the medical faculty of the university of Leipzig Through the outline of the project, among others, the following contacts have been established to local media: Leipziger Volkszeitung as well as BILD Leipzig, daily newspapers Some weekly or monthly newspapers Leipzig Fernsehen, the local TV station MDR, Mitteldeutscher Rundfunk, a local radio and TV station In addition, the following cooperating partners could be won as public supporters of the interventions in Leipzig: AOK Plus (a public health insurance company) Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB, the local transportation company) Passage-Kinos (a cinema) Maternus – Dresdner Hof (a home for caring for the elderly) For the public awareness campaign the German Alliance Against Depression materials were adapted to the local needs of Leipzig. Flyers as well as posters were printed for distribution throughout the intervention period. 2) Working group: Self-help Members of the working group “Self-help” are mainly people concerned, family members of people concerned, or professionals working with those groups. The need for new selfhelp groups, targeting the subject of depression, was analysed as well as how existing groups could be supported within their ongoing activities. S e i t e | 106 3) Working group: Trainings The working group “Trainings” supported the project staff to gain instructors for the GPs and CFs trainings, to analyse the need for trainings in the different professional areas as well as to contact different target groups of trainings. Within the German Alliance Against Depression materials and slide presentations had been developed. Those had been adapted for the Leipzig interventions. In selecting instructors for this project, the professional background of the people to come into consideration, was of importance. All of them have a medical or otherwise health-related education and are professionally dealing with depression and / or suicidality. 4) Working group: Evaluation Core task of the working group “Evaluation” was to support the project staff in establishing a network of hospitals and psychiatrists in private practice, where data assessment of non-fatal suicidal acts was planned to be conducted. Furthermore, contacts to statistical bureaus were established to gather data of fatal suicidal acts. Description of intervention activities in Leipzig Following the OSPI-Europe five level intervention concept, interventions in Germany have been installed. In the very beginning of the intervention phase, the intervention uptake has been comparably slow. Apart from the launch event hold in June 2009, there were hardly intervention activities from June until September 2009. Because of that, the OSPI consortium agreed during the 4 th PCC meeting, held from May 9-11th, 2010 in Budapest, to extend the OSPI-Europe intervention period for Leipzig until March 2011. In the following, intervention activities are described in more detail. The tables summarize the activities on each level, accumulated for the whole intervention phase (June 2009 – March 2011). Implementation of levels 1 and 3: General Practitioner (GP) and community facilitators (CF) training The following actions have been done during this reporting period. Prior to starting the actual training sessions for GPs and CFs in 2009, a Train the Trainer (TTT)-seminar was held to train physicians and other health specialists that have a multiplication function in the local society. This TTT was a full day interactive workshop targeting on content (depression and suicidality) as well as didactical and methodological issues. The so trained 16 instructors then conducted 2,5 - 4 hours interactive workshops. Duration of these workshops depended on the target group. All of them were aimed at optimizing the recognition and treatment of depression and suicidality. Aiming at a wide spreading of relevant knowledge to interested patients and relatives, in GP trainings information materials (e.g. brochures) were handed out and sent to the doctors’ offices after the training. Furthermore, GPs received supporting material for diagnosing depression which could be implemented in their daily work easily. This was to help recognize depression in primary care successfully. Community facilitators received trainings stressing the importance of encouraging people in suspicion of suffering from depression to seek treatment in primary care as soon as possible. In all trainings interactive role-plays to practice addressing the issue of depressive symptoms and those of suicidality were essential. S e i t e | 107 In total, 996 persons (86 GPs and 910 community facilitators) participated in 64 trainings. The following tables list the detailed figures per target group and other activities undertaken on levels one and three. Implementation of level 1: General Practitioner (GP) training Medium Number of trainings Participants CORE GP trainings 11 86 DVDs for non-participants in trainings --- 237 Trainings for other medical professionals 3 24 “Lectures” for other medical professionals 4 300 Offers by the “Psychiatriekonsil” --- --- OPTIONAL Implementation of level 3: community facilitators (CF) training Medium Number of trainings Participants CORE TTT trainings 2 16 Pharmacists 5 51 Priests 3 36 Policemen 6 134 Media guidelines for journalists 1 information session with Leipzig’s local newspaper 20 participants Information seminars Later distribution of guidelines via mail and networking contacts OPTIONAL Information Seminars Hotline Professionals 1 18 Teachers (Youth: 15-19) 7 160 Enterprises Health Care Professionals 2 29 Medical Secretaries 2 37 Mid-wives & paediatric/obstetric nurses 1 14 S e i t e | 108 Other Social Workers / Counselling centre workers 12 181 Carers for the Young 1 14 Carers for the Elderly 8 161 Other: agency of employment 2 50 Other: Collegiate sport 1 10 OTHER Monitoring of media reporting: Friendly reminders in case of non-beneficial reporting / thanks in case of beneficial reporting 8 letters / e-mails to employers of local press Implementation of Level 2: Awareness campaign Due to the fact, that depression has been identified to be the major risk factor for non-fatal suicidal acts, the professional awareness campaign launched in Leipzig was focused on depression. Goals were mainly: - increasing knowledge of depression, - loosen stereotypes and - encouraging help seeking behaviour when feeling depressed or having suicidal thoughts. The awareness campaign included: - the gain of two well-known patrons, - a launch event, - broadcasting a cinema spot, - posting A0-posters on public information pillars in the city region, - posting A1-posters in public spaces as train platforms, - distributing A3-posters in public institutions and via the local transport company, - distributing informational leaflets in public institutions and private households, - public events like talks, discussions, presentations and information tables (among others), - a press conference and regular press releases, - a regional, regularly updated homepage and - a montly distributed newsletter about the events and activities of the Leipzig Alliance Against Depression In the following table those activities are underlined by concrete numbers and illustrated by some photographs (Fig. 5 & 6). Implementation of level 2: Awareness campaign Medium Distribution Number Flyer public institutions, public events, public health institutions 175.200 Poster (large, A0) public areas 625 CORE S e i t e | 109 Poster (small, A3) public transportation, university environment, public health institutions 1.950 Opening Ceremony Gewandhaus Leipzig (concert hall), ca. 250 participants Press conference Title: taboo subject depression - especially in Germany. European suicide prevention project: first research results 6 media representatives Contents: OSPI-Europe project presentation, first results (1st wave of telephone interviews of general public), statement of a concerned person 22 releases Speaker: Prof. Hegerl, Dipl.-Psych. Sabine Schmidt, Cornelia Jurack Well-known patron Christine Clauß, 2 minister for social affairs and consumer protection of Saxony Prof. Dr. Thomas Fabian, mayor of Leipzig for youth, social affairs, health and school Public informational events 45 events OPTIONAL Poster (medium, A1) Platforms (rail station), public swimming pools Brochures see Level 4 (information material) Press kits Cinema spot 173 10 press kits released Passage Kino Leipzig March 2010 – March 2011 Broadcasting of the spot in one cinema OTHER Homepage Information about the Leipzig Alliance against Depression (=OSPI-Germany), current events, addresses of support and consulting, press review (regional) Giveaways Information screen of local student services in cafeterias Press releases 800 ballpens Information about Leipzig alliance against depression Overall: 59 press releases (22 after the press conference) S e i t e | 110 Implementation of Level 4: Help offers for patients and relatives Different means to address patients have been put in practice. To high-risk patients, meaning persons after a non-fatal suicidal act, emergency cards were handed out. A psychiatrist was ready to answer incoming calls to that number 24 hours, 7 days per week. Since Leipzig has a history in social psychiatry, there is already an existing network of self-help groups in the field of depression. It was hence decided to not found new groups. By holding close contact to the working group “Self-help”, made of representatives of different self-help groups, a dense net has been formed for supporting self-help initiatives on the one hand, and receiving advice from this working group on the other hand. Both were contributing to improve the care and supply for patients and their families. Requests reaching the Leipzig Alliance Against Depression by people affected and their relatives were answered in written manner or by phone. Information material for people affected and their relatives were distributed by GPs, CFs, in public events and via the homepage established in cooperation with the German Alliance Against Depression. Some of the public events especially addressed people affected or their relatives. Later on in the intervention period a “running against depression” and a creative group offer for people affected were put into practice. All level 4 activities are summarized in the table underneath. Implementation of level 4: Help offers for high risk groups, patients and their relatives Medium / Activity Distribution /Remark Number CORE Support for self-help groups for depression Was given sporadically, but more in sense of networking activities (more concrete support for self-help groups and people in need for a self-help group is given by a local self-help bureau) Emergency card for high risk patients Medical staff conducting data assessment for primary outcome with patients after suicide attempt were instructed to hand out emergency card to all patients Information material Informational videos for patients The version developed within the Competence Net of Depression was promoted in public events (informational stands) and can be ordered from the webpage of the German Alliance against Depression Informational DVDs for patients Distribution via GPs that participated in the trainings to patients and relatives ca. 500 Informational brochures for patients Distribution: ca. 3000 to GP after training sessions for further distribution to patients / relatives to other training participants if expressed interest in material for further distribution to other associations working in public health sector for further distribution to patients / relatives to patients / relatives / people interested from the general public during public events and requesting information S e i t e | 111 OPTIONAL Self- help group for relatives Close cooperation with a local association dedicated to relatives and friends of mental ill people (cooperative events and regular information exchange; referral of relatives asking for advice to them) OTHER Open running group Offered once per week from 09 – 11 2010 4-7 part. per meeting Open group for creative activities Was offered once per month from 01 – 05 2011 10 part. per meeting Implementation of Level 5: Restriction to lethal means Talking about fighting lethal means several levels had to be taken into account. On the one hand spatial conditions have to be analysed to identify suicide hotspots. Furthermore analysing data of non-fatal suicidal acts have also identified methods and / or substances which are used very often. 1. Suicide hotspots To identify suicide hotspots within the city of Leipzig there has been cooperation with the local police office department. Three buildings have been identified to have a higher risk to be used by people having suicidal tendencies: - a viewing tower in one of the city parks - a skyscraper within the city centre - the “monument of the battle of nations” – a historical monument. Supposedly there are 3 to 4 suicides per site per year. However, exact data is not enregistered by the sites and access to the relevant archives, which is strictly restricted, would be necessary. Talks with responsible authorities took place and opportunities to build additional barriers aiming at restricting unauthorized access to those sites were discussed. 2. Pharmaceuticals used in suicidal acts Based on the analysis of baseline data for primary outcome, pharmaceuticals most used for non-fatal suicidal acts have been identified. Paracetamol, Ibuprofen and Diazepam are those pharmaceuticals most used for this purpose. The table underneath summarizes the activities undertaken within the fifth intervention level. Implementation of level 5: Restrict access to lethal means Activity Remark CORE Identification of suicide hot spots 3 Suicide hot spots for Leipzig(intervention region) have been identified in a personal talk with a local police authority (and confirmed by other local stakeholders of the field) Several authorities in the control region have been questioned about the existence of hotspots Result: no special hot spots known for Magdeburg Number S e i t e | 112 Construction of barriers at jumping sites (if possible) One local hotspot is at represent without any security measures talks with responsible authorities about securing possibilities are still ongoing Two hotspots are partly secured already; contact for monitoring the number of suicides and about further possibilities are regularly hold During CME courses: warnings concerning TCA and other drugs with toxicity on overdose Were given OTHER Poster stemming from first data analysis of non-fatal suicidal acts: “use of medication in suicide attempts” Distribution for sensitization about pharmaceuticals most often used in suicide attempts via post mailing (along with further information material) to all GPs and pharmacists in Leipzig 611 letters were dispatched S e i t e | 113 Anhang A2 – ICD Kodierungen nach ICD 10 Quelle: http://www.dimdi.de/static/de/klassi/diagnosen/icd10/htmlgm2011/index.htm; Zugriff am 16.06.2011) Vergiftungen durch Arzneimittel, Drogen und biologisch aktive Substanzen (T36-T50) Einschließlich: - Irrtümliche Verabreichung oder Einnahme falscher Substanzen - Überdosierung dieser Substanzen T36 Vergiftung durch systemisch wirkende Antibiotika T37 Vergiftung durch sonstige systemisch wirkende Antiinfektiva und Antiparasitika T38 Vergiftung durch Hormone und deren synthetische Ersatzstoffe und Antagonisten, anderenorts nicht klassifiziert T39 Vergiftung durch nichtopioidhaltige Analgetika, Antipyretika und Antirheumatika T40 Vergiftung durch Betäubungsmittel und Psychodysleptika [Halluzinogene] T42 Vergiftung durch Antiepileptika, Sedativa, Hypnotika und Antiparkinsonmittel T43 Vergiftung durch psychotrope Substanzen, anderenorts nicht klassifiziert T44 Vergiftung durch primär auf das autonome Nervensystem wirkende Arzneimittel T45 Vergiftung durch primär systemisch und auf das Blut wirkende Mittel, anderenorts nicht klassifiziert T46 Vergiftung durch primär auf das Herz-Kreislaufsystem wirkende Mittel T47 Vergiftung durch primär auf den Magen-Darmtrakt wirkende Mittel T48 Vergiftung durch primär auf die glatte Muskulatur, die Skelettmuskulatur und das Atmungssystem wirkende Mittel T49 Vergiftung durch primär auf Haut und Schleimhäute wirkende und in der Augen-, der Hals-Nasen-Ohren- und der Zahnheilkunde angewendete Mittel zur topischen Anwendung T50 Vergiftung durch Diuretika und sonstige und nicht näher bezeichnete Arzneimittel, Drogen und biologisch aktive Substanzen Toxische Wirkungen von vorwiegend nicht medizinisch verwendeten Substanzen (T51-T65) T51 Toxische Wirkung von Alkohol T52 Toxische Wirkung von organischen Lösungsmitteln S e i t e | 114 T53 Toxische Wirkung von halogenierten aliphatischen und aromatischen Kohlenwasserstoffen T54 Toxische Wirkung von ätzenden Substanzen T55 Toxische Wirkung von Seifen und Detergenzien T57 Toxische Wirkung von sonstigen anorganischen Substanzen T58 Toxische Wirkung von Kohlenmonoxid T59 Toxische Wirkung sonstiger Gase, Dämpfe oder sonstigen Rauches T60 Toxische Wirkung von Schädlingsbekämpfungsmitteln [Pestiziden] Sonstige und nicht näher bezeichnete Schäden durch äußere Ursachen (T66-T78) T71 Erstickung – einschließlich Erstickung durch Strangulation T75.1 Ertrinken und nichttödliches Untertauchen T75.4 Schäden durch elektrischen Strom Vorsätzliche Selbstbeschädigung (X84.9) Einschließlich: - vorsätzlich selbstzugefügte Vergiftung und Verletzung; - Suizid X84.9 vorsätzliche Selbstbeschädigung auf nicht näher bezeichnete Weise Personen mit potentiellen Gesundheitsrisiken aufgrund der Familienoder Eigenanamnese und bestimmte Zustände, die den Gesundheitszustand beeinflussen (Z80-Z99) Z91.8 Sonstige, näher bezeichnete Risikofaktoren in der Eigenanamnese, anderenorts nicht klassifiziert (einschließlich Parasuizid, versuchte Selbsttötung und weitere) S e i t e | 115 Anhang A3 – Datenerhebungsbogen Seite 1 Seite 2 S e i t e | 116 Seite 3 Der Datenerhebungsbogen wurde mit dem Programm „Epi Info“ Version 3.5.3 (vom 17.07.2008) erstellt. S e i t e | 117 Anhang A4 – Zeitpunkt des Suizidversuchs (Ergebnisse) Verteilung über das Jahr (Quartale) Im Folgenden wurden alle Fälle der drei Jahre in den entsprechenden Quartalen zusammen addiert. 99 Fälle wurden jeweils in den Quartalen April – Juni und Juli – September erfasst. Im Zeitraum von Oktober – Dezember fanden 89 der erfassten Suizidversuche statt und im Quartal Januar – März wurden 90 Fälle registriert. Mittels SPSS wurde zunächst ein Erwartungswert von 94,3 Fällen pro Quartal errechnet und dieser mit den beobachteten Ereignissen je Quartal in einem x2-Test verglichen. Es zeigten sich keine signifikanten Unterschiede im Sinne einer Saisonalität von Suizidversuchen (x2 (3) = 0,963; p = 0,810). Verteilung über Woche (Wochentage) Die unten stehende Tabelle zeigt die Verteilung der Suizidversuche auf die jeweiligen Wochentage. Auch hier wurde mittels SPSS ein Erwartungswert berechnet und dieser mit den beobachteten Ereignissen verglichen. Es zeigten sich hier keine signifikanten Unterschiede im Sinne von Häufungen an vereinzelten Tagen (x2 (6) = 7,406; p = 0,285). Beobachtete Ereignisse Erwartete Ereignisse Differenz Montag 54 53,9 0,1 Dienstag 55 53,9 1,1 Mittwoch 57 53,9 3,1 Donnerstag 42 53,9 -11,9 Freitag 54 53,9 0,1 Samstag 47 53,9 -6,9 Sonntag 68 53,9 14,1 S e i t e | 118 Verteilung der Methoden über das Jahr (Quartale) Hier konnten ebenfalls keine jahreszeitlichen Unterschiede, was die Verwendung von harten und weichen Methoden beim Suizidversuch angeht, aufgezeigt werden (x2 (3) = 3,063; p = 0,382). Folgende Tabelle zeigt das Ergebnis. Methode Hart Beobachtet 7 Frühjahr (Mrz. – Mai) Erwartet 7,4 Beobachtet 9 Sommer (Juni – Aug.) Erwartet 7,9 Beobachtet 10 Herbst (Sept. – Nov.) Erwartet 7,4 Beobachtet 3 Winter (Dez. – Febr.) Erwartet 6,3 Bemerkung: Angaben in absoluten Zahlen Gesamt weich 89 88,6 94 95,1 86 88,6 79 75,7 96 103 96 82 Zeitpunkt des Suizidversuchs in Abhängigkeit zum Geburtstag Dieser, in der Literatur als „birthday-blues“ (Reulbach et al., 2007) beschriebene Effekt konnte bei dieser Datenerhebung nicht nachgewiesen werden. Untersucht wurde ein Intervall von 30 Tagen vor und nach dem Geburtstag der jeweiligen Fälle. Bei insgesamt nur 66 Fällen (17,5 %) fand der Suizidversuch innerhalb dieses Intervalls statt (OER = 1,048 (95% KI [0,82 – 1,33]); p = 0,70). Auch konnte kein signifikanter Unterschied zwischen den Geschlechtern aufgezeigt werden (x2 (1) = 0,476; p = 0,490). S e i t e | 119 Anhang A5 – Details zu den Todesfällen innerhalb des Erhebungszeitraumes Geschlecht Alter Art des Suizidversuchs Kontakt mit dem Gesundheitssystem aufnehmende Station Verweildauer in Tagen männlich 43 Schnitt Hals Notaufnahme Intensivstation (chirurgisch) 2 männlich 84 Benzodiatepinintox. Notaufnahme Intensivstation (chirurgisch) 22 weiblich 15 Opipramolintoxikation Übernahme von externen Krankenhaus Intensivstation (pädiatrisch) 7 weiblich 69 Sprung Übernahme von externen Krankenhaus Intensivstation (chirurgisch) 5 männlich 68 Strangulation Suizidversuch im Krankenhaus männlich 80 Sprung Suizidversuch im Krankenhaus Todesursache - Anmerkungen Schnittverletzung am Hals mit folgender Asystolie und cerebraler Ischämie - Hirntod respiratorische Insuffizienz durch beatmungsassoziierter Pneumonie reanimationspflichtig mit folgendem Koma und hypoxischem Hirnschaden Polytrauma: intraabdominale Blutungen mit kompletter Darmischämie Suizid im Krankenhaus bei Therapieabbruch eines bestehenden Magencarcinoms Suizid im Krankenhaus bei Diagnose: Myokardinfarkt Intensivstation (interdisziplinär internistisch) Intensivstation (chirurgisch) Intensivstation (interdisziplinär internistisch) männlich 32 Opiatintoxikation Notaufnahme 3 männlich 23 Strangulation Notaufnahme weiblich 78 Sarotenintox. Notaufnahme männlich 59 Strangulation Notaufnahme weiblich 71 Farbverdünnerintox. Notaufnahme internistische Normalstation 2 weiblich 88 Benzodiazepinintox. Notaufnahme Intensivstation (chirurgisch) 2 6 2 reanimationspflichtig - Multiorganversagen cerebrale Hypoxie durch septischen Schock bei beatmungsassoziierter Pneumonie Rechtsherzversagen durch terminale Lungenembolie durch prolongierte Hypotonie Patient reanimationspflichtig, verstarb noch in der Notaufnahme genaue Todesursache unklar Urämie: Nierenversagen bei vorbestehender Niereninsuffizienz S e i t e | 120 Anhang A6 – genaue Verteilung 1. Aufnahmestation in Abhängigkeit zur Methode des Suizidversuchs S e i t e | 121 10 Anlagen 10.1 Erklärung über die eigenständige Abfassung der Arbeit Hiermit erkläre ich, dass ich die vorliegende Arbeit selbständig und ohne unzulässige Hilfe oder Benutzung anderer als der angegebenen Hilfsmittel angefertigt habe. Ich versichere, dass Dritte von mir weder unmittelbar noch mittelbar geldwerte Leistungen für Arbeiten erhalten haben, die im Zusammenhang mit dem Inhalt der vorgelegten Dissertation stehen, und dass die vorgelegte Arbeit weder im Inland noch im Ausland in gleicher oder ähnlicher Form einer anderen Prüfungsbehörde zum Zweck einer Promotion oder eines anderen Prüfungsverfahrens vorgelegt wurde. Alles aus anderen Quellen und von anderen Personen übernommene Material, das in der Arbeit verwendet wurde oder auf das direkt Bezug genommen wird, wurde als solches kenntlich gemacht. Insbesondere wurden alle Personen genannt, die direkt an der Entstehung der vorliegenden Arbeit beteiligt waren. ................................. Datum .......................................... Sören Dölling S e i t e | 122 10.2 Erklärung über die Vorbehaltlichkeit der Verfahrenseröffnung zur Verleihung des Titels Dr. med. Der erfolgreiche Abschluss des letzten Staatsexamens oder die Approbation zum Arzt ist Voraussetzung für den Abschluss des Promotionsverfahrens und damit der Verleihung des akademischen Grades. Die Zulassung zum Promotionsverfahren ist insoweit nur vorläufig und steht unter der auflösenden Bedingung des Nichtbestehens des letzten Staatsexamens oder der Approbation zum Arzt. Dieser Abschluss ersetzt nach Regelung im § 12 der Promotionsordnung das Rigorosum. Das Rigorosum ist essentieller Bestandteil und notwendig zum erfolgreichen Abschluss des Promotionsverfahrens. Entsprechend den Reglungen in § 12 wird das eröffnete Promotionsverfahrens bei Nichtbeendigung des Studiums durch die Promotionskommission ohne Titelvergabe eingestellt. Hiermit erkläre ich, dass mir dieser Sachverhalt im Rahmen der Eröffnung meines Promotionsverfahrens bekannt ist und ich im Falle des Fehlens der Voraussetzung des Abschlusses meines Promotionsverfahrens keine rechtlichen Ansprüche an eine Vergabe eines akademischen Grades oder Titels stelle. ................................. Datum ............................................ Sören Dölling S e i t e | 123 10.3 Lebenslauf S e i t e | 124 10.4 Danksagung Ich möchte mich bei meinem Betreuer Herrn Prof. Dr. med. Ulrich Hegerl für die freundliche Überlassung des Themas, das mir entgegengebrachte Vertrauen und sein, für meine Fragen, zu jeder Zeit offenes Ohr bedanken. Mein besonderer Dank geht an Frau Dipl.-Psych. Nicole Koburger, die mir mit ihrer schnellen Hilfe bei entstandenen Fragen und Problemen stets zur Seite stand. Vor allem danke ich für die organisatorische Betreuung, die einen exzellenten Informationsaustausch innerhalb des OSPI-Projektes ermöglichte! Ebenso möchte ich mich bei Herrn Dr. rer. biol. hum. Dipl.-Psych. Roland Mergel für die freundliche und ausdauernde Beratung bedanken, welche mich zur statistischen Auswertung der Ergebnisse befähigte. Mein Dank geht auch an Frau Dr. Rüya-Daniela Kocalevent, Dipl.-Psych. Sabine Schmidt und Dipl.-Psych. Katrin Gottlebe, die mir in den Doktorandenkolloquien viele Anregungen gaben und mich so an das wissenschaftliche Arbeiten heranführten. Desweiteren gilt mein Dank dem Leiter des Bereichs 3 des Universitätsklinikums Leipzig (Finanzen, Planung und Controlling) Herrn Lothar Krüger und seinen Mitarbeitern Herrn D. Nikelski, Herrn P. Busch und Frau M. Seriferth, durch deren Hilfe, die Erlöse der einzelnen Fälle ermittelt und bereitgestellt wurden. Ich möchte mich auch bei meinen Eltern bedanken, die mich ständig ermutigten diese Arbeit voran zu bringen und mir durch ihre Fürsorge, neben vielen anderen Dingen, diesen beruflichen Weg ermöglichten. Abschließend danke ich meiner Frau Katrin, für ihren Rückhalt und vor allem ihr Verständnis in den letzten zwei Jahren, in denen ich häufig dem Computer und der Dissertation mehr Aufmerksamkeit schenkte. Sören Dölling