bwlv – Seminar: Borderline-Persönlichkeitsstörung Borderline Persönlichkeit Störung Organisation Borderline-Persönlichkeitsstörungen stellen spezielle Herausforderungen an die therapeutische Stabilität und Flexibilität dar: VT-orientierte Ansätze nehmen vermehrt die Beziehungsperspektive in den Blick, Psychodynamiker "erlauben" sich ein aktiver strukturiertes Vorgehen in Diagnostik und Behandlung. So sind vertragstherapeutische Interventionen in der strukturbezogenen Borderline-Therapie ebenso wichtig wie die Selbstreflektion der auftretenden therapeutischen Gefühle, Impulse und Konflikte durch die einzelnen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen wie auch durch das gesamte Team. bwlv-Seminar Renchen, 11.6.2015 Auf die wesentlichen diagnostischen, teamdynamischen und therapeutischen Aspekte wird anhand von Fallvignetten und Übungen zum praktischen Vorgehen eingegangen. Dipl. Psych. Volker Bracke 0 1 PS-Diagnosen nach ICD-10 Forschungskriterien (1) bwlv – Seminar: Borderline-Persönlichkeitsstörung I) Die charakteristischen inneren Erfahrungs- und Verhaltensmuster weichen insgesamt deutlich von kulturell erwarteten und akzeptierten Vorgaben („Normen“) ab, und zwar in mehr als einem der folgenden Bereiche: • Kognition (Wahrnehmung und Interpretation von Dingen, Menschen und Ereignissen; Einstellungen und Vorstellungen von sich und anderen) • Affektivität (Variationsbreite, Intensität und Angemessenheit der emotionalen Ansprechbarkeit und Reaktion) • Impulskontrolle und Bedürfnisbefriedigung • Umgang mit anderen/Handhabung zwischenmenschl. Beziehungen Inhalt • Persönlichkeitsstörungen als Beziehungsproblematik • Bindungstheoretische Grundlagen zum Umgang mit Emotionen und Bedürfnissen • Innere Konflikte, Ich-Struktur und Beziehungsmuster als psychodynamische Basis • zur therapeutischen Beziehung und „Gegenübertragung“ als zentralem Arbeits-„Material“ der übertragungsfokussierten Psychotherapie bei BPS II) Die Abweichung ist so ausgeprägt, dass das daraus resultierende Verhalten in vielen persönlichen und sozialen Situationen unflexibel, unangepasst oder auch auf andere Weise unzweckmäßig ist. • Elemente der Vertragstherapie in der stationären Behandlung Dipl.-Psych. Volker Bracke Dipl.-Psych. Volker Bracke 2 Dipl.-Psych. Volker Bracke 4 PS-Diagnosen nach ICD-10 Forschungskriterien (2) Persönlichkeitsstörungen in DSM-5 / ICD-11 die »neue« PS: dimensionale Tiefe statt kategorialer Diagnosekriterien III) Persönlicher Leidensdruck, nachteiliger Einfluss auf die soziale Umwelt oder beides durch das beschriebene Verhalten. war es bislang so, dass eine bestimmte Anzahl x von y Kriterien zutreffen musste, damit eine Diagnose gestellt werden konnte (bei der Borderline-PS sind das z. B. 5 von 9 möglichen Kriterien), müssen künftig im ersten Schritt zwei Kriterienarten näher bestimmt werden, um zunächst eine Persönlichkeitsstörung zu diagnostizieren: IV) Nachweis, dass die Abweichung stabil, von langer Dauer ist und im späten Kindesalter oder der Adoleszenz begonnen hat. V) Die Abweichung kann nicht durch das Vorliegen oder die Folge einer anderen psychischen Störung des Erwachsenenalters erklärt werden. VI) Eine organische Erkrankung, Verletzung oder deutliche Funktionsstörung des Gehirns müssen als mögliche Ursache für die Abweichung ausgeschlossen werden. Dipl.-Psych. Volker Bracke 5 Kriterium A beschreibt das »personality functioning«, also die Funktionsfähigkeit der Persönlichkeit im Hinblick auf 1) selbstbezogene (u.a. Selbstbild und Zielsetzung) und 2) zwischenmenschliche (u.a. Wunsch nach Nähe und Empathiefähigkeit) Aspekte. Kriterium B beschreibt pathologische (sprich: krankhafte) Persönlichkeitsmerkmale (z.B. Antagonismus, negative Affektivität, Distanziertheit und Enthemmung/ Impulsivität). Bei beiden Kriterien muss eine schwere Beeinträchtigung vorliegen, um eine PS diagnostizieren zu können. Dipl.-Psych. Volker Bracke 6 Problematik von PS-Diagnosen Persönlichkeitsstörungen in DSM-5 / ICD-11 die Art und Ausprägung der pathologischen Persönlichkeitsmerkmale sowie die Funktionsfähigkeit machen den Unterschied unter den einzelnen PS aus Generelle Kriterien (ICD-10) sind kaum oder nur sehr zeitintensiv beurteilbar: G1 Normabweichung: klinische oder moralische Relevanz? (subjektiv→ ignorieren!) statt der vormals 11 DSM PS-Diagnosen (paranoid, schizoid, schizotypisch, Borderline, histrionisch, dissozial, narzisstisch, selbstunsicher, dependent, passivaggressiv und zwanghaft) wird es »nur« noch 6 (antisocial, avoidant, borderline, narcissistic, obsessive/ compulsive and schizotypal) geben G2 Unflexibel, unzweckmäßig: Für wen oder was? Frage stellen: Blockiert der Patient mit dem Verhalten/Denken/Gefühl wichtige eigene Wünsche oder die Befriedigung von Grundbedürfnissen? Ist die Beeinträchtigung ich-dyston oder ich-synton? G3 Persönlicher Leidensdruck und/oder negativer Einfluss auf Umwelt Als siebte PS übernimmt die PDTS (Personality Disorder Trait Specified Persönlichkeitsstörung Merkmalspezifiziert) die Rolle der PDNOS (Personality Disorder Not Otherwise Specified - Persönlichkeitsstörung nicht anders spezifiziert) Diese Reduktion wird aber nicht die Anzahl an diagnostizierten Störungen verringern, da die dimensionale Einteilung gleichzeitig die Diagnoseschwelle aufweicht. Die Aufnahme neuer »niedrigschwelliger« Diagnosen, wie das »abgeschwächtes Psychose-Syndrom«, mit der vormaligen Risikogruppen eine passende Diagnose gebastelt wird, ist einer der Hauptkritikpunkte am neuen Manual Dipl.-Psych. Volker Bracke 7 Wichtig: Jedes einzelne Kriterium sollte zu klinisch relevantem Leiden führen, bei sich und/oder der Umwelt G4 Langandauernde Abweichung und Beginn ab 12-18. Lebensjahr (seit wann leidet Patient und/oder Umwelt unter einigen der PS-Kriterien? Beachten: PS sind instabiler als vermutet; kaum valide klärbar!) G5+G6 Spezifität (PS-Kriterien treten unabhängig von klinischen Syndromen auf – oft kaum valide beurteilbar, z.B. bei Schmerzstörung, chronischer Depression) (Mestel, R. (2009) in Haltenhof et al. (Hrsg.): „Persönlichkeitsstörungen im therapeutischen Umfeld“) Dipl.-Psych. Volker Bracke 8 Persönlichkeitsstörung – Interaktionsstörung Persönlichkeitsstörung – Interaktionsstörung Störung in der Beziehungsgestaltung (Interaktion) zu anderen Menschen, dominiert durch … Misstrauen und Argwohn Distanziertheit in sozialen Beziehungen Starkes Unbehagen in nahen Beziehungen Soziale Hemmung Instabilität zwischenmenschlicher Beziehungen Missachtung der Rechte anderer Ständige Suche nach Aufmerksamkeit Bedürfnis danach, bewundert zu werden Anklammerndes Verhalten Beispiele: die abhängige Persönlichkeitsstörung, die durch ein Muster von abhängigen und sich selbst hilflos machenden Verhaltensweisen gekennzeichnet ist die ängstlich-vermeidende Persönlichkeitsstörung, mit tiefgreifender Angst vor negativer Beurteilung durch andere Menschen in fast allen Lebensbereichen die narzisstische Persönlichkeitsstörung, mit durchgängiger Tendenz zu Selbstüberschätzung, Mangel an Einfühlungsvermögen in andere Menschen und Überempfindlichkeit gegenüber Kritik durch andere Menschen die zwanghafte Persönlichkeitsstörung, gekennzeichnet durch ein durchgängiges Muster an übermäßiger Rigidität und übermäßigem Perfektionismus die schizoide Persönlichkeitsstörung, mit einem durchgängigen Muster an mangelnder emotionaler Erlebnis- und Ausdrucksfähigkeit, Gleichgültigkeit gegenüber sozialen Beziehungen und Einzelgängertum die Borderline – Persönlichkeitsstörung mit Impulsivität in Beziehungen und Selbstumgang, emotionaler Instabilität, Wechsel zw. Idealisierung u. Entwertung These: In jeder Einseitigkeit von Persönlichkeits-typischen Ausdrucksformen steckt ein unbewusster Appell an das Gegenüber. Dipl.-Psych. Volker Bracke 10 Persönlichkeitsstörungen und -stile Persönlichkeit und Individualität • Persönlichkeitsstruktur oder -Stil in ihrer Einzigartigkeit mit Fähigkeiten, Stil, Charakter, Temperament (Antrieb), Traits (Verhalten) und States (Gefühle) – in gesunder Ausprägung • Neurosenstruktur (Schultz-Hencke, Dührssen) patiententaugliche Version von Riemann: „Grundformen der Angst“: Grundlage der analytischen Richtlinien-Diagnostik • Neurosendisposition (Boessmann/Remmers) bevorzugter Modus der Konfliktverarbeitung und Selbstwertkompensation, im Konflikt erkennbar (Ich-dyston) • Persönlichkeitsstörung (mit Krankheitswert) (starrer) Modus des regelmäßigen Verhaltens in Beziehungen (Ich-synton) auch ohne Konflikt, welches zu Störungen der Beziehungen und der eigenen Funktionsfähigkeit führt (als Verlegenheitsdiagnose auch „-akzentuierung“) • Persönlichkeitsänderung Änderung der strukturellen Fertigkeiten infolge einschneidender Erlebnisse • Transkulturelle Sicht der Persönlichkeit: an der jeweiligen Wertekultur gemessene Persönlichkeitsbewertung – das „Original“, der Sonderling, der Weise, der Andere, der Erleuchtete Dipl.-Psych. Volker Bracke 11 Dipl.-Psych. Volker Bracke 14 Sonderbarexzentrische Gruppe (Cluster A) Extravertiertdramatische Gruppe (Cluster B) Ängstlichintrovertierte Gruppe (Cluster C) 1. Paranoid .................. 2. Schizoid .................. Ungesellig 3. Schizotypisch .................. Exzentrisch 4. Narzisstisch .................. Selbstbewusst 5. Histrionisch .................. Dramatisch 6. Borderline .................. Sprunghaft 7. Antisozial .................. Abenteuerlich 8. Zwanghaft .................. Gewissenhaft 9. Selbstunsicher .................. Sensibel 10. Abhängig .................. Anhänglich Störung Dipl.-Psych. Volker Bracke Wachsam Kontinuum Stil 15 Gewissenhafter Stil – Kurzer Exkurs: „wie konstruktiv ist Destruktivität?“ Zwanghafte Persönlichkeit (ICD-10: F60.5) • vorsichtig, genau, detailliert, leistungsbezogen, pflichtbewusst, „Der destruktive Charakter sieht nichts Dauerndes. Aber eben darum sieht er überall Wege. Weil er aber überall einen Weg sieht, hat er auch überall aus dem Weg zu räumen. Nicht immer mit roher Gewalt, bisweilen mit veredelter. Weil er überall Wege sieht, steht er selber immer am Kreuzweg. Kein Augenblick kann wissen, was der nächste bringt. Das Bestehende legt er in Trümmer, nicht um der Trümmer, sondern um des Weges willen, der sich durch sie hindurchzieht.“ normorientiert, perfektionistisch, Entscheidungsschwierigkeiten • Die Fähigkeit, das Leben und Beziehungen unter dem Gesichtspunkt der Ordnung zu erleben, sich nur auf sich selbst verlassen • Unbewusster Appell: „Gib mir Halt durch das Einhalten meiner Ordnung, lasse sie mir“ • Impuls in Therapeut/in, den Ordnungsanforderungen nicht genügen zu können, mit Schuldgefühlen und Ärger • Folgen für Therapie: Affekte und inneres Erleben der Patienten in respektvoller und kreativer Atmosphäre ansprechen; das Geschehen in der therapeutischen Beziehung als Beispiel für andere Kontakte bearbeiten; Arbeit an dysfunktionalen Kognitionen (v.a. Ansprüchen) Walter Benjamin, „Der destruktive Charakter“ (1931) Dipl.-Psych. Volker Bracke 16 Sozial-sensibler Stil – Machen Sie das Beste aus Ihrem Persönlichkeitsstil! Selbstunsichere Persönlichkeit (ICD-10: F60.6) Bsp.: Gewissenhafter Stil • zurückhaltend, empfindsam, kränkbar, vorsichtig im Kontakt, bevorzugt vertraute Situationen und Kontakte • Hinterfragen Sie Ihre rigiden Lebensregeln! (Perfektionismus; „Ich weiß für alle, was das Beste, das Richtige ist“) • Überschreiten Sie ab und zu diese Regeln! • Üben Sie zu improvisieren! • Erfülle Aufträge „gut genug“! • Welcher Mensch ist fehlerlos? – Bewusste Fehler einplanen … • Wo gibt es die richtige Gestalt, Form, Aroma in der Natur? • Ich „sollte/müsste“ umformulieren in → „ich will, möchte“! • Entscheidungstraining: Würfeln; Sofort tun – delegieren wegwerfen • Freizeit: Üben Sie sich ab und zu in reinen Spaßaktivitäten! Dipl.-Psych. Volker Bracke 17 Dipl.-Psych. Volker Bracke • Die Fähigkeit, sich ständig um die Entdeckung der eigenen Inkompetenz zu sorgen • Unbewusster Appell: „Hilf mir, meine Fähigkeiten zu erkennen und anzunehmen, hilf mir, mich und meine Schwächen zu schützen“ • Impuls in Therapeut/in, dem Gegenüber „auf die Sprünge zu helfen“ • Folgen für Therapie: Die Angst vor Entdeckung und Verletzbarkeit verhindert emotionale Nähe; Stärkung von Konfliktfähigkeit und Autonomie als Ziel ; Konfrontation von Vermeidungsverhalten; Modifikation automatischer Gedanken (Selbstentwertung); Vorsicht vor Überfürsorge! 18 Dipl.-Psych. Volker Bracke 19 Anhänglicher, loyaler Stil – Abhängige Persönlichkeit (ICD-10: F60.7) • anpassungsbereit, selbstkritisch, hilfsbereit, fürsorglich • Die Fähigkeit, anderen zu vertrauen und sie für sich entscheiden zu lassen • Unbewusster Appell: „Stütze mich, entscheide für mich, sei immer für mich da, denn alleine kann ich nicht leben“ • Impuls in Therapeut/in, Rat zu geben, für Patienten Partei zu ergreifen und eine elterliche fürsorgliche Rolle anzunehmen; unzufrieden werden, wenn keine Eigenaktivität zustande kommt • Folgen für Therapie: Frühzeitiger Hinweis auf Begrenztheit und Ende der Therapie; ständiger Reflexion der Abhängigkeitsbedürfnisse in der therapeutischen Beziehung 20 Dipl.-Psych. Volker Bracke Dramatischer Stil – Selbstbewusster Stil – Histrionische Persönlichkeit (ICD-10: F60.4) Narzisstische Persönlichkeit (ICD-10: F60.8) • lebhaft, temperamentvoll, emotional offen, unterhaltsam, attraktiv • Die Fähigkeit, mit dem ganzen Körper zu kommunizieren und als aufregende Person alle Emotionen einzusetzen • Unbewusster Appell: „Nimm mich an und zeige mir, dass ich ganz wichtig für Dich bin“ • Impuls in Therapeut/in, durch die Emotionalität im Anschluss an die erste Faszination zu ermüden und zu ignorieren bzw. zu kränken • Folgen und Ziele für Therapie: durch die aufgeladene Emotionalität kann die rationale Klärung scheitern, deshalb: Verstehen der Affektivität als nonverbale Kommunikationsverstärkung; Balance zwischen Akzeptieren von Bedürftigkeit und der Förderung eigener Kompetenz; differenzierender Umgang mit Affekten statt Dramatisierung/Katastrophisierung; Klärung von Bedürfnissen/Gefühlen/Gedanken, um Diskrepanzen zwischen Fantasie und Realität zu erkennen und die Entwicklung und Erprobung angemessener Verhaltensmuster zum Erreichen realistischer Ziele zu erleichtern Dipl.-Psych. Volker Bracke 21 Dipl.-Psych. Volker Bracke 22 • ehrgeizig, wettbewerbsorientiert, beeindruckend selbstsicher • Die Fähigkeit, sich stets als besonderen und überlegenen Menschen zu erleben • Unbewusster Appell: „Erkenne meine Besonderheit an, lobe und bewundere mich“ • Impuls in Therapeut/in, zunächst zu idealisieren, dann abzuwerten • Folgen für Therapie: Beziehungsabbruch bei Kritik, deshalb: Förderung einer „milden positiven Übertragung“; häufiges Erwähnen der Fähigkeiten - vor der Relativierung durch den Patienten selbst; Kurzzeitpsychotherapie kann sinnvoll sein für verbesserte Anpassung des Patienten ohne Anspruch auf strukturelle Änderungen; stationäre Behandlung bei Suizidalität, depressiver Dekompensation oder bei Vorliegen komorbider Störungen, z.B. Substanzmissbrauch Dipl.-Psych. Volker Bracke 23 Wachsamer Stil – Selbsthilfetipps bei akzentuierten narzisstischen Zügen Paranoide Persönlichkeit (ICD-10: F60.0) • Schwächen und Fehler aufschreiben, ggf. bei anderen nachfragen. • Notiere, wo du besser und wo schlechter als andere bist. • Versuche, die Dinge aus der Sicht anderer wahrzunehmen. Wie wirkst du auf andere? • Übe im Gespräch, dich in den anderen einzufühlen. • Lass den anderen auch zur Geltung kommen, er hat etwas Interessantes mitzuteilen (wer sich für andere interessiert, wirkt interessant!). • Übe kooperative Freizeitbetätigungen wie Rudern im Team, Mannschaftssportarten oder Spiele bei denen alle die Sieger sind. • Wenn du kritisiert wirst ist das eine gute Gelegenheit, den Umgang mit Kritik zu üben. • Grübel-Stopp bei destruktiven Gedanken nach vermeintlichem Ignoriertwerden oder Zurückweisung • vorsichtig, misstrauisch, eifersüchtig, fester Standpunkt • Die Fähigkeit, mit größter Bedachtsamkeit die Welt zu beobachten und in anderen versteckte Motive und Ursachen für Erniedrigung, Ärger und Konflikte zu aufzuspüren • Unbewusster Appell: „Behandele mich gut, denn das habe ich nie wahrgenommen, beweise mir, das ich vertrauen kann“ • Impuls in Therapeut/in, dem Fehler, der Kränkung, der Unehrlichkeit gar nicht aus dem Wege gehen zu können • Folgen für Therapie: An kleinsten Missverständnissen kann die Begegnung scheitern, deshalb: Ehrlichkeit und Auftragsklärung; Selbstwertstabilisierung hat lange Vorrang vor Konfrontation; soziale Fertigkeiten trainieren; Nähe-Ängste des Patienten berücksichtigen 28 Dipl.-Psych. Volker Bracke Dipl.-Psych. Volker Bracke 29 Ungeselliger Stil – Schizoide Persönlichkeit (ICD-10: F60.1) • emotional distanziert, von Lob/Kritik unabhängig, gern allein • Die Fähigkeit, unter allen Umständen zu Gefühlen und zu Menschen Distanz zu halten, das Leben in der Rolle des kühlen Beobachters wahrzunehmen • Unbewusster Appell: „Erkläre mir die Situation, aber lasse mir meine eigene logische Beobachter-Welt, in der ich allein sein kann“ • Impuls in Therapeut/in, dem Patienten die Schönheit der Welt, Gefühle und Beziehung nah bringen zu wollen, und ihn schließlich frustriert abzuweisen • Folgen für Therapie: Zusammenarbeit und Annahme fallen schwer, Therapeuten werden nicht wertgeschätzt und müssen dies aushalten; Distanz- und Autonomiebedürfnisse respektieren; soziale Fertigkeiten trainieren; Stärkung von Affekt- und Selbst-Objekt-Differenzierung (Frankfurter Rundschau 2004) Dipl.-Psych. Volker Bracke 30 Dipl.-Psych. Volker Bracke 31 Abenteuerlicher Stil – Sprunghafter Stil – Antisoziale Persönlichkeit (ICD-10: F60.2) Emotional-instabile Persönlichkeit (ID-10: F60.3) • gegenwartsorientiert, risikofreudig, unabhängig (von Beziehungen, Normen, Schuldgefühlen etc.) • Die Fähigkeit, das eigene Handeln gegen Regeln zu rechtfertigen, dem eigenen Gefühl absolut zu vertrauen und Folgen als bedeutungslos zu sehen • Unbewusster Appell: „Auch dich versuche ich zu manipulieren, halte mir durch deine eigene Selbstsicherheit stand, zeige mir wie das geht“ • Impuls in Therapeut/in, sich zu engagieren, zu solidarisieren, sich schließlich manipuliert zu fühlen und sich enttäuscht abzuwenden • Folgen für Therapie: Stützend, neutral und kooperativ zu sein fällt schwer bei ständiger „Prüfung“ der eigenen Regeln durch den Patienten; Nutzen psychotherapeutischer Maßnahmen insgesamt fraglich; stationäre Behandlung ist nur zu empfehlen, wenn eine stabiles Setting gewährleistet werden kann Dipl.-Psych. Volker Bracke 32 • begeisterungsfähig, lebendig, spontan • Die Fähigkeit, intensive Gefühle zu entwickeln und emotional intensiv zu werten, zu idealisieren, oder zu entwerten. • Unbewusster Appell: „Sei fasziniert von mir, halte mich aus, ertrage meine Ungebremstheit und setze mir Grenzen, die ich mir nicht setzen kann.“ • Impuls in Therapeut/in, zu werten, auf die Idealisierung und Entwertung heftig zu reagieren und die kurze intensive Beziehung nach kurzer Zeit abzubrechen. • Folgen für Therapie: Ein Bündnis mit klaren Zielen ist erforderlich, um die schwierigen Phasen der Wertungen zu Lernphasen werden zu lassen. 33 Dipl.-Psych. Volker Bracke Bewältigung konflikthafter Emotionen Emotional instabile Persönlichkeitsstörung F60.3 Internalisierung pathogener, negativer Überzeugungen • Zentrales Anliegen der Therapie ist eine Verbesserung der Emotionsregulierung, der Affektdifferenzierung und der Impulssteuerung • ein klar strukturiertes Setting bei gleichzeitiger Flexibilität ist nötig, um bei rasch wechselnden Affektlagen des Patienten eine haltende Funktion zu gewährleisten • Selbst- und fremddestruktive Verhaltensweisen sind frühzeitig zu konfrontieren und zu begrenzen • im stationären Setting ist die Gefahr einer malignen Regression zu beachten • komorbider Substanzmissbrauch muss diagnostiziert und behandelt werden bzgl. Selbst/Objekt/Beziehung, inkl. emotionaler Bedürfnisspannung Abwehr Maladaptive Bewältigung gg. deren Wahrnehmung z.B. Rückzug, Isolation, scheinbare Autonomie Vermeidungsschema Labilisierung der Abwehr und Symptombildung in aktuellen Lebenssituationen Negative Lern-/ Beziehungserfahrung Frustration, Entbehrung, Verlust, Angst, Scham, Schuld, Abwertung Kindlich-altersspezifische Bedürfnisse und Wünsche Adaptive Bewältigung z.B. Aufbau stabiler Beziehungen, Rückversicherung Trotz schwieriger biographischer Erfahrung und dysfunktionaler Schemata ist ein normales, gesundes Leben möglich. z.B. nach Geborgenheit (Bindung) nach Rudolf (2010): Psychodynamische Psychotherapie Dipl.-Psych. Volker Bracke 34 Dipl.-Psych. Volker Bracke 35 Störung als Mangel an Bindung Grundbedürfnisse und Bindungsstile John Bowlby Bindung (1969), Trennung (1973) Verlust, Trauer, Depression (1980) Sichere Bindung Ein Säugling entwickelt im Laufe des ersten Lebensjahres eine spezifische emotionale Bindung an eine Hauptbindungsperson Schutzfaktor bei Belastung Mehr Bewältigungsmöglichkeiten, inkl. sich Hilfe holen Mehr gemeinschaftliches Verhalten, mehr Beziehungen Empathie für emotionale Situationen anderer Menschen Mehr Kreativität, Flexibilität und Ausdauer Bessere Gedächtnisleistung, besseres Lernen Die emotionale Bindung sichert das Überleben des Säuglings Die Bindungsperson ist der „sichere emotionale Hafen“ für den Säugling Werden Bindungswünsche des Kindes unter Belastungssituationen ignoriert (wenn das Bindungssystem aktiviert ist), führt das zu Vermeidungsverhalten gegenüber den Bindungspersonen. Unzuverlässige, unvorhersagbare mütterliche Reaktionsmuster führen zu einer „Angstbindung“. Widersprüchliche Reaktionsmuster führen zu Desorientierung. Häufig wechselnde Betreuung und Vernachlässigung führen zu Bindungslosigkeit. Dipl.-Psych. Volker Bracke 36 Dipl.-Psych. Volker Bracke 37 Grundannahmen zum Umgang mit Bedürfnissen Grundbedürfnisse und Bindungsstile Neben der „normalen“ authentischen Handlungsregulation gibt es eine zweite Ebene, die von Grundannahmen gesteuert wird: Annahmen über sich Selbst, vor allem in Hinblick auf andere; Annahmen über Beziehungen Bei Menschen mit Persönlichkeitsstörungen überwiegend negativ: Ich bin nicht liebenswert Ich bin für andere nicht akzeptabel Ich bin für andere nicht wertvoll, ob ich da bin oder nicht, spielt für andere keine Rolle bzw. Beziehungen (andere Menschen) sind nicht verlässlich Beziehungen stören nur Beziehungen sind gefährlich In Beziehungen wird man ausgebeutet In Beziehungen wird man kontrolliert Un-sichere Bindung Risikofaktor bei Belastung weniger Bewältigungsmöglichkeiten Lösung von Problemen eher alleine Rückzug aus gemeinschaftlichen Aktivitäten weniger Beziehungen Mehr Rigidität im Denken und im Handeln Weniger psychosoziale Verhaltenweisen schlechtere Gedächtnisleistungen und Lernen „Ein unsicherer Bindungsstil (...) ist der größte Risikofaktor für die Ausbildung einer psychischen Störung......“ (Grawe, 2004, S.216). Dipl.-Psych. Volker Bracke z. B. ist psychosoziale Unterstützung nach einem traumatischen Ereignis die wichtigste Schutzmaßnahme vor späterer PTBS, sichere Bindungsfähigkeit bietet also ein breites solides Fundament und guten Schutz bei Belastungen. 38 Dipl.-Psych. Volker Bracke 39 Komplementarität zu zentralen Beziehungsmotiven Bindungsmuster und Behandlungsstrategien Lit.: R. Sachse - Persönlichkeitsstörungen verstehen (2013) (Grossmann & Grossmann 2007) Ambivalenz braucht therapeutisch stringente Führung, Wertschätzung von Autonomie innerhalb der Bindung Vermeidung braucht Akzeptanz von Schwäche, Wertschätzung natürlicher Bindungsgefühle Sicherheit einfühlsame, sachliche Information zum Finden eigener Lösungen braucht Dipl.-Psych. Volker Bracke 40 Persönlichkeiten ?! Dipl.-Psych. Volker Bracke 41 Psychodynamik Achse I - Krankheitserleben und Behandlungsvoraussetzungen Achse II - Beziehungsmuster Achse III - innere Konflikte Achse IV - Ich-Struktur Dipl.-Psych. Volker Bracke 4242 Dipl.-Psych. Volker Bracke 43 Psychodynamische Therapie = „Arbeit an Konflikt, Struktur und Trauma“ Psychodynamisches Therapiemodell dysfunktionale Muster der Beziehungsgestaltung Reaktualisierung in Beziehungskonflikten Psychische Störungen als … • … Folge der Internalisierung unlösbar schwieriger Beziehungserfahrungen und abwehrbedingter Einschränkungen Internalisierung/Abwehr unbewusster Konflikte Kompensation im Umgang mit sich und Anderen Konfliktmodell Strukturmodell Emotionale bzw. Bedürfnisspannung Strukturelles Defizit durch beeinträchtigte Persönlichkeitsentwicklung interpersonelle Verarbeitung durch Externalisierung Intrapsychische Verarbeitung durch Internalisierung (Konfliktmodell) • … Folge einer beeinträchtigten Persönlichkeitsentwicklung mit strukturellen Defiziten (Strukturmodell) Negative Beziehungserfahrungen • … Folge überwältigender Belastungserfahrungen (Traumagenetisches Modell) • 44 Dipl.-Psych. Volker Bracke Lebensgeschichtlich geprägte (traumatische) Beziehungserfahrungen • Modell des reaktualisierten inneren Konfliktes (Konflikt-Modell) • Modell des dekompensierten Entwicklungsdefizits (Struktur-Modell) Modell der traumabedingten Belastungssymptomatik (Traumagenese-Modell) 45 Dipl.-Psych. Volker Bracke Psychodynamik: Konflikte Psychodynamik: Konflikte Individuation vs. Abhängigkeit Unterwerfung vs. Kontrolle Versorgung vs. Autarkie Selbstwertkonflikt Schuldkonflikt Ödipaler Konflikt Identitätskonflikt K. Eidenschink (2003) Dipl.-Psych. Volker Bracke 46 Dipl.-Psych. Volker Bracke 47 Konflikt: Abwehr und Kompensation Konflikt: Abwehr und Kompensation Innerpsychische Abwehrmechanismen: Neurotischer (Krankheits-) Gewinn: Humor Verdrängung (des eigenen Wunsches) Sublimierung, Rationalisierung, Verschiebung, Reaktionsbildung Introjektion (von Regeln, Normen etc.) Identifikation mit dem Aggressor, Wendung gegen sich selbst Projektion (eigener Wünsche und Impulse) Primär: innere Konfliktentlastung Sekundär: vorübergehende Bestätigung (für Leistung, Hilfsbereitschaft etc.), Schonung ( Vermeidung!) Hilfe und Unterstützung (Verstärkung für Kranksein) Verfestigung von Hilfssystemen („Co-Abhängigkeit“) „Projektionen dienen dazu, den inneren Feind im negativen Bild des anderen festzunageln“ (Hans Keilson, 1909-2011) Interpersonelle Abwehr durch Externalisierung eines Konfliktanteils auf Beziehungspartner: Spaltung Idealisierung, Entwertung Projektive Identifikation Dipl.-Psych. Volker Bracke 48 Dipl.-Psych. Volker Bracke 49 Psychodynamik: Beziehung Stabile Kompensation? Achse II - Beziehungen Das zentrale repetitive, dysfunktionale Beziehungsmuster wird aus zwei Blickwinkeln beschrieben: - aus der Perspektive des Patienten - aus der des Interaktionspartners "Wir werden zu uns selbst durch die Blicke der Anderen, die von Männern und die von Frauen." Siri Hustvedt Dipl.-Psych. Volker Bracke 50 Dipl.-Psych. Volker Bracke 51 ”The heart of darkness“ bei Persönlichkeitsstörungen Cyclic maladaptive pattern CMP (Strupp & Binder 1991) (Benjamin 2011) “The key diagnostic issue is to discover how problem patterns (described in SASB language) are the result of one or more of three copy processes started in relation to an important early caregiver (parent, sibling, others having close contact- like a babysitter) …” Inneres Modell früherer Bezugspersonen Verhalten relevanter früher Bezugspersonen negative Erwartungen Mit sich genauso umgehen, wie er/sie früher Genauso sein wie er/sie Identifikation Introjekt Selbstbild Introjektion So tun, als sei er/sie noch da Verhalten des Patienten Verhalten der anderen Rekapitulation 52 Dipl.-Psych. Volker Bracke Dysfunktionaler Interaktionszirkel Beispiel 1: abhängige Persönlichkeit Überzeugung „ich bin schwach und hilflos“ „ich schaffe es nicht“ „ich brauche Hilfe / Ermutigung“ positive Erwartungen blockiert Erwartungen an andere intrapsychisch interpersonell 54 Dipl.-Psych. Volker Bracke Dysfunktionaler Interaktionszirkel Beispiel 2: selbstunsichere Persönlichkeit Überzeugung „ich bin schwach und hilflos“ „wenn Andere sehen, was mit mir los ist, bin ich unten durch“ Eigenes Verhalten appellierend, hilflos, klammernd Eigenes Verhalten Zurückhaltend, schweigsam, vermeidet Bewertungssituationen Verhalten des Mitmenschen I fürsorglich, zupackend Wahrnehmung des Mitmenschen I überlegen, in Kompetenz und Stärke angesprochen Verhalten des Mitmenschen I bemüht, schonend, besonders freundlich Wahrnehmung des Mitmenschen I interessiert, hilfsbereit Verhalten des Mitmenschen II Verweigerung, Kritik Wahrnehmung des Mitmenschen II ärgerlich, ausgenutzt zu werden Verhalten des Mitmenschen II zieht sich zurück, verliert Interesse und Lust am Kontakt, gibt auf Wahrnehmung des Mitmenschen II gelangweilt, verärgert, fühlt sich zu sehr in Anspruch genommen Dipl.-Psych. Volker Bracke 55 Dipl.-Psych. Volker Bracke 56 Dysfunktionaler Interaktionszirkel Beispiel 3: narzisstische Persönlichkeit Überzeugung „ich bin außergewöhnlich, einzigartig“ „ich bin überlegen, stehe über den Regeln“ Verhalten des Mitmenschen I bewundernd, ordnet sich unter Verhalten des Mitmenschen II kritisiert den Anderen, wehrt sich, konkurriert Psychodynamik und Gegenübertragung Definition Gegenübertragung: Eigenes Verhalten demonstriert eigene Überlegenheit und Unantastbarkeit, benutzt Andere, Konkurrenz die Gesamtheit aller emotionalen Reaktionen des Therapeuten auf den Patienten, aller – auch leibnahen – Empfindungen, aller Handlungsimpulse und Fantasien gegenüber dem Patienten Wahrnehmung des Mitmenschen I beeindruckt durch Qualitäten und Selbst-Sicherheit Vier Quellen der GÜ (nach Kernberg u.a. 2008): • die Übertragung des Patienten • die Übertragungs-Disposition des Therapeuten • die Realität im Leben des Patienten • die Realität im Leben des Therapeuten Wahrnehmung des Mitmenschen II fühlt sich zu benutzt und ausgenutzt, überfahren Dipl.-Psych. Volker Bracke 57 Psychodynamik und Gegenübertragung • • • • 58 Umgang mit Gegenübertragung … das Erleben anderer (inkl. Diagnostiker, Beraterin, Therapeutin) - dem Klienten gegenüber als externalisierte „Partei“ des inneren Konflikts als Träger abgespaltener Anteile des Klienten (konkordant) als Partner in einem gewohnten Beziehungsmuster (komplementär) als Beobachter struktureller Defizitsymptome Was kennzeichnet einen unverstrickten (nach J. Kind: „un-depressiven“) Therapiestil? • Fragen aufrechterhalten • bei Konfrontationen / Grenzen bleiben • nicht allzu schnell „schöne“ Erklärungen annehmen „Aha, so erlebt/reinszeniert der Kl. die Situation, und so geht es mir damit …“ • nicht für das Gegenüber denken und lösen • evtl.: Erleben fremder, auch unangenehmer Gefühle (Containing und spätere Verbalisierung/Spiegelung) • Bsp: Traumafolgen, Bulimie, narzisstische Struktur Dipl.-Psych. Volker Bracke Dipl.-Psych. Volker Bracke 59 • „Peinlichkeit“ oder „Obszönität“ des eigenen Nachfragens ertragen Dipl.-Psych. Volker Bracke 60 Psychodynamik und Gegenübertragung Teamdynamik und Gegenübertragung (Gegen-) Übertragungsaspekte bei Bulimie-Patientinnen: Harmonisierung und Konfliktvermeidung („Sucht der Braven“) Stagnation und Vorwurf: viel Ratschläge und Theorie ohne Umsetzung, was letztlich in vorwurfsvolle Verlängerungswünsche mündet Projektion – mit dem Wunsch, das interne Problem durch Änderung äußerer Strukturen (z.B. der Therapie) zu lösen Kanalisierung innerer Spannung in symptomatisches Essverhalten, v.a. bei anstehender konkreter Veränderung, Gefahr therapeutischer Überaktivität Überidealisierung und narzißtische Verführung („Parade-Patientin“) (gegenseitig: wie lange verbleibt eine attraktive Patientin in der Therapie ?!) „Unersättlichkeit“ als Verwertungsstörung – therapeutische Begrenzung ermöglicht erstmals eine bedeutungsvolle Beziehung (Vorsicht vor Ärger als komplementärer GÜ!) 61 Dipl.-Psych. Volker Bracke Dipl.-Psych. Volker Bracke Dipl.-Psych. Volker Bracke 62 Zum Konzept der Gegenübertragung und seiner ideengeschichtlichen Entwicklung: … kennt die eigene, interne Rollenverteilung: vs. vs. vs. … unterstützt und konfrontiert … sorgt für Be- und Entschleunigung … sichert Räume der (Selbst-) Reflektion und Metakommunikation … setzt gestörte Kommunikation und Beziehung wieder in Gang … steht bei Konflikten als „Dritter im Bunde“ zur Verfügung … ist Container für alles, was wichtig, aber gegenwärtig nicht bearbeitbar und zu lösen ist Psychodynamik und Gegenübertragung Teamdynamik und Gegenübertragung einfühlsam bewahrend aktiv Ein gut funktionierendes Team … analytisch kreativ ruhig Andrea Gysling (1995): Die analytische Antwort 63 Dipl.-Psych. Volker Bracke 64 Psychodynamik: Struktur Psychodynamik: Struktur 1. Selbstwahrnehmung und Selbstwahrnehmung und Objektwahrnehmung Objektwahrnehmung 2. Selbststeuerung und Das Selbst wahrnehmen Das Objekt wahrnehmen Selbstbild reflektieren und ausdifferenzieren Selbst-Objekt-Differenzierung: eigene Gedanken, Bedürfnisse, Impulse von denen anderer unterscheiden Eigene Affekte differenzieren Andere in ihren verschiedenen Aspekten, d.h. ganzheitlich wahrnehmen Regulierung des Objektbezugs 3. Emotionale Kommunikation Ein realistisches Bild von anderen Eigene Identität entwerfen und entwerfen können, deren Reaktion weiterentwickeln einbeziehen intern/extern 3. Bindung an innere und äußere Objekte 65 Dipl.-Psych. Volker Bracke Psychodynamik: Struktur 66 Dipl.-Psych. Volker Bracke Psychodynamik: Struktur Emotionale Kommunikation Steuerung Das Selbst regulieren Den Bezug zum Objekt regulieren Emotionale Kommunikation nach innen Emotionale Kommunikation mit anderen Sich von Impulsen distanzieren, Impulse steuern und integrieren Die Beziehung vor eigenen störenden Impulsen schützen; intrapsychische statt interpersonelle Abwehr Eigene Affekte erleben, ertragen, differenzieren Gefühle anderen gegenüber zulassen und verbalisieren, Gefühle anderer entschlüsseln, Wir-Gefühl erreichen (Reziprozität) Sich von Affekten distanzieren, das innere Erleben regulieren In Beziehung die eigenen Interessen aufrechterhalten und die Interessen anderer angemessen berücksichtigen Eigene Phantasien entwerfen und nutzen Eigene Affekte zum Ausdruck bringen, sich von den Affekten anderer erreichen lassen Sich von Kränkung distanzieren, Selbstwert regulieren Die Reaktionen anderer antizipieren („Mentalisierung“) Die eigene Körperwahrnehmung bzw. das Körperselbst emotional beleben Empathie erleben Therapeutisch: Containing und emotionales Coaching Dipl.-Psych. Volker Bracke 67 Dipl.-Psych. Volker Bracke 68 Psychodynamik: Struktur Die Fähigkeit zu Selbstwahrnehmung, … Bindung An innere Objekte gebunden sein An äußere Objekte gebunden sein Internalisierung: positive Selbstund Objektrepräsentanzen, positive objektbezogene Affekte aufbauen und erhalten können Bindungsfähigkeit: sich emotional an andere binden können (Fürsorge, Dankbarkeit, Schuld, Trauer) Hilfe annehmen: Unterstützung, Positive Introjekte: für sich sorgen, Versorgung, Sorge, Anleitung, sich beruhigen, trösten, helfen, Entschuldigung von anderen schützen, für sich eintreten annehmen können Variable u. trianguläre Bindungen: unterschiedliche innere Objektqualitäten; Zuwendung zum einen ist nicht Abwendung vom anderen Sich aus Bindungen lösen und Abschied nehmen können Dipl.-Psych. Volker Bracke 69 … Identität und Kommunikation Dipl.-Psych. Volker Bracke 71 Strukturbezogene Intervention Diagnostische Ebenen: Strukturniveau strukturelle Einschränkungen (Foki) Bewältigungsmuster (Grundlage für die therapeutische Zielsetzung) Therapeutische Haltung: Ein entwicklungsförderndes Gegenüber zur Verfügung zu stellen Sich nicht entmutigen zu lassen (von den destruktiven Impulsen des Patienten) Beim Patienten auch positive Seiten zu entdecken Abgegrenztheit, Rücksicht, Anteilnahme, Respekt, Interesse, Ernstnehmen des Pathogenen, Hoffnung, Beelterung, Aktivität. Dipl.-Psych. Volker Bracke 72 Dipl.-Psych. Volker Bracke 75 Strukturbezogene Intervention: Abfolge im Therapieprozess Therapeutische Positionen 1. Sich hinter den Patienten stellen: Identifizierung (die Sicht des Pat. teilen) Containing (die Klage aufnehmen u. emotional verarbeiten) Erbarmen (Annehmen des fremden Leids) Hilfs-Ich (Ich-Funktionen zur Verfügung stellen) Sorge (Schaden vermeiden durch Vorsorgen) Unterstützung (Hilfestellung als Mentor, Coach, Elternersatz) 2. Sich neben den Patienten stellen: Geteilte Aufmerksamkeit für die Situation des Pat. Zusammen mit dem Pat. dessen Situation als „Drittes“ untersuchen 3. Sich dem Patienten gegenüberstellen: Spiegelung (eigene Wahrnehmung zur Verfügung stellen) Antwort (eigene emotionale Resonanz erkennen lassen) Alterität (das Anders-Sein des Gegenübers anerkennen) Konfrontation (mit der Realität und eigener Verantwortung) 4. Dem Patienten vorangehen: Antizipation von Entwicklung Prof. Dr. Gerd Rudolf Heidelberg Dipl.-Psych. Volker Bracke 76 Strukturelle Kriterien für gute Behandlungsergebnisse (Rudolf, 2004) Spiegeln, Containing Antworten, Hilfs-Ich-Funktionen Muster herausarbeiten Ziel: gemeinsame Wahrnehmung Muster im Beziehungskontext betrachten (Dritte-Person-Perspektive) Erklärungshypothesen für die Muster finden Ziel: Selbstverständnis, Selbstempathie Strukturellen Fokus verabreden Alternative Muster suchen (Selbstkompetenz) Neue Muster in eigener Verantwortung erproben Antizipieren von künftiger Schwierigkeiten und Lösungen Ziel: Selbstverantwortung, Selbstkompetenz Dipl.-Psych. Volker Bracke 77 Diagnosen – Klassifikationen (Historische) Konzepte der Borderline – PS Affektdifferenzierung Die Fähigkeit, Gefühle wahrzunehmen und zu differenzieren (nach Herpertz & Saß, Handbuch der Borderline-Störungen) Selbstwert BPS als Grenzphänomen „zwischen Neurose und Psychose“ Die Fähigkeit, den eigenen Selbstwert emotional zu regulieren Affekttoleranz BPS als subschizophrene Störung („Mini-Psychosen“ etc.) Die Fähigkeit, eigene Gefühle zu akzeptieren und mit ihnen angemessen umzugehen Impulssteuerung BPS als subaffektive Störung (Stimmungsschwankungen) Die Fähigkeit, eigene Gefühle wahrzunehmen und mit ihnen angemessen umzugehen Kernberg: „Borderline-Persönlichkeitsorganisation“, Borderline-Niveau (Identitätsdiffusion, „primitive Abwehrmechanismen“, intakte Realitätsprüfung) Objektbezogene Affekte Die Fähigkeit, objektbezogene Gefühle wie Trauer, Dankbarkeit, Scham, Schuld, Freude, Wut Angst, Schmerz Liebe zu erleben und auszudrücken Verstehen fremder Affekte BPS als Impulskontrollstörung (Selbstverletzung, Aggression, Suchtverhalten) „Frühe Störung“ / „Schwierige Patienten“ BPS als Traumafolgestörung Die Fähigkeit, die Gefühle Anderer differenziert wahrzunehmen Mitteilen eigener Affekte BPS als Ich-strukturelle Störung (vgl.OPD) Die Fähigkeit, die eigenen Gefühle zutreffend und angemessen auszudrücken Dipl.-Psych. Volker Bracke 78 Dipl.-Psych. Volker Bracke 80 Checkliste DSM-IV Struktur-Diagnostik der BPS • deskriptiv • symptomorientiert Dipl.-Psych. Volker Bracke 8181 Struktur-Diagnostik der BPS Dipl.-Psych. Volker Bracke Dipl.-Psych. Volker Bracke 82 Struktur-Diagnostik der BPS 83 Dipl.-Psych. Volker Bracke 84 Struktur-Diagnostik der BPS Dipl.-Psych. Volker Bracke Struktur-Diagnostik der BPS 85 Struktur-Diagnostik der BPS Dipl.-Psych. Volker Bracke Dipl.-Psych. Volker Bracke 86 Struktur-Diagnostik der BPS 87 Dipl.-Psych. Volker Bracke 88 Psychodynamik Dipl.-Psych. Volker Bracke Psychodynamik 89 Fallbeispiel: 23.6.2011, New York Times 90 Fallbeispiel: 23.6.2011, New York Times • “Radical Acceptance” • Age 17, 1961 • ‘I Was in Hell’: She learned the central tragedy of severe mental illness the hard way, banging her head against the wall of a locked room. • The girl attacked herself habitually, burning her wrists with cigarettes, slashing her arms, her legs, her midsection, using any sharp object she could get her hands on. At least one suicide attempt. • Biography: feeling deeply inadequate compared with her attractive and accomplished siblings; “I don’t think my parents had any idea what to do with Marsha. No one really knew what mental illness was.” • “My whole experience of these episodes was that someone else was doing it; it was like ‘I know this is coming, I’m out of control, somebody help me ... I felt totally empty; I had no way to communicate what was going on, no way to understand it.” • diagnosis of schizophrenia; dosed with Thorazine, Librium and other powerful drugs, as well as hours of Freudian analysis; strapped her down for electroshock Dipl.-Psych. Volker Bracke Dipl.-Psych. Volker Bracke 91 • “One night I was kneeling in there, looking up at the cross, and the whole place became gold — and suddenly I felt something coming toward me,” she said. “It was this shimmering experience, and I just ran back to my room and said, ‘I love myself.’ It was the first time I remember talking to myself in the first person. I felt transformed.” • But something was different. She could now weather her emotional storms without cutting or harming herself. • The only way to get through to them was to acknowledge that their behavior made sense: Thoughts of death were sweet release given what they were suffering. • She could get people off center, challenge them with things they didn’t want to hear without making them feel put down. • Patients accept who they are, that they feel the mental squalls of rage, emptiness and anxiety far more intensely than most people do. In turn, the therapist accepts that given all this, cutting, burning and suicide attempts make some sense. Dipl.-Psych. Volker Bracke 92 Übertragungsfokussierte Psychotherapie (TFP) Spezifische Behandlungsansätze Grundprinzipien Übertragungsfokussierte Psychotherapie – TFP (Manual von Clarkin, Yeomans & Kernberg; dt. Lohmer 2005) Strukturbezogene Psychotherapie (Rudolf) Dialektisch-Behaviorale Therapie – DBT (Linehan) Trauma-ätiologische Modelle (Wöller) Mentalisations-basierte Therapie – MBT (Bateson/Fonagy) Schematherapie (Young) Stationäre Psychotherapie (Bad Grönenbach u.a.) 94 Dipl.-Psych. Volker Bracke Aufbau eines stabilen Behandlungsrahmens Vermeiden einer passiven therapeutischen Haltung Haltenden Raum bieten („containing“) Konfrontativer, aktiver Umgang mit selbstzerstörerischem Verhalten Verbindung zwischen Gefühlen und Handlungen („Ausagieren“) herstellen Setzen und Einhalten von (flexiblen) Grenzen Wahrnehmen der Gegenübertragung Interventionen mit Focus im „Hier und Jetzt“ M. Lohmer (2005), siehe Literaturverzeichnis 95 Dipl.-Psych. Volker Bracke Übertragungsfokussierte Psychotherapie (TFP) Übertragungsfokussierte Psychotherapie (TFP) Grundprinzipien Grundprinzipien Beachtung einer Hierarchie von spezifischen Problemen, die in jeder Sitzung eine Arbeit in der Übertragung erschweren oder gefährden können: Selbst- und Fremdgefährdung Gefährdung der Fortsetzung der Therapie Vertragsbrüche Acting-out zwischen und während der Sitzungen Unehrlichkeit oder Verschweigen wichtiger Informationen Trivialisierung von Themen Übertragungsmanifestationen Dipl.-Psych. Volker Bracke Therapeuten wird empfohlen, sich stets der drei Zugangswege (oder „Kanäle“ der Kommunikation) gegenwärtig zu sein, die ihnen einen intellektuellen und einfühlenden Zugang zum Patienten ermöglichen: Verbale Mitteilungen („was sagt der Patient?“ - Assoziationen, Träume) Nonverbales Verhalten und Affekte („wie sagt es der Patient?“ Mimik, Gestik) Gegenübertragung des Therapeuten („was löst der Patient in mir aus?“ - Gefühle, Impulse, Fantasien) 96 Dipl.-Psych. Volker Bracke 97 Übertragungsfokussierte Psychotherapie (TFP) Interventionstechnik Klärung (genau verstehen, was besprochen wird): Die subjektive Wahrnehmung des Patienten wird minutiös erfragt. Besonders Bereiche, die vage oder konfus wirken, werden solange geklärt, bis der Therapeut versteht, was der Patient meint und der Patient den Therapeuten versteht. Konfrontation (Aufgreifen von Widersprüchen): Durch Klärung angesprochene Bereiche, die widersprüchlich oder konflikthaft erscheinen, werden dem Patienten taktvoll konfrontierend mitgeteilt. Auch Bereiche, die weiterer Klärung bedürfen, werden angesprochen. Häufig werden auch Diskrepanzen zwischen den drei Kommunikationskanälen des Patienten (verbal, nonverbal, Übertragung/Gegenübertragung) aufgezeigt. Deutung (Interpretation im „Hier-und-Jetzt“, z.B. metaphorisch, der Übertragungsbeziehung zwischen Therapeut und Patient): Auch die Deutungen erfolgen im Hier-und-Jetzt und sind vorwiegend bezogen auf die Therapeuten-Patienten-Beziehung. Sie dienen dem Bewusstmachen von zunächst noch unbewusst wirksamen Objektbeziehungen, die entweder agiert oder als Symptom wahrgenommen werden. Dipl.-Psych. Volker Bracke 98 Übertragungsfokussierte Psychotherapie (TFP) Strategische Prinzipien Um sich den Repräsentanzen der inneren Welt des Patienten, die immer nur indirekt beobachtbar sind, möglichst bald nähern zu können, ist es hilfreich, sich das Geschehen in der Therapie als eine Art Inszenierung mit Schauspielern vorzustellen, die in verschiedene Rollen geraten. In der Regel lassen sich eine ganze Reihe von typischen „Rollen“ des Patienten, aber auch eigene Rollen des Therapeuten erkennen und identifizieren. Beispiele für die Metaphorik von Übertragungs-/Gegenübertragungspaaren, die in der Therapie wechselnd reaktiviert und gedeutet werden können, sind: Destruktives, bösartiges Kind ↔ Bestrafende, sadistische Eltern Ungewolltes Kind ↔ Vernachlässigende, selbstbezogene Eltern Mißbrauchtes Opfer ↔ Sadistischer Angreifer Ungezogenes, sexualisierendes Kind ↔ „Kastrierende“ Eltern Sexuell angegriffenes Opfer ↔ Vergewaltiger Außer-sich-stehendes, wütendes Kind ↔ Hilflose Eltern Dipl.-Psych. Volker Bracke 100 Übertragungsfokussierte Psychotherapie (TFP) Strategische Prinzipien Der Fokus ist auf Erkennen und Benennen der internalisierten Objektbeziehungen gerichtet, auf die divergierenden und oszillierend wechselnden Rollen von Patient und Therapeut und auf eine schrittweise Integration der inneren Repräsentanzenwelt. Langfristige strategische Therapieziele: Fokussieren der dominanten Objektbeziehungsmuster, wie sie sich in der Übertragungsbeziehung zwischen Therapeut und Patient darstellen. Analyse des Rollenwechsels, wenn der Patient z.B. unbewusst zwischen Opfer- und Täterrolle hin und her wechselt Fördern der Reflektionsfähigkeit zur Integration positiver und negativer Sichtweisen von sich selbst ( Opfer-Täter) und wichtigen Bezugspersonen Verbesserung der Fähigkeit, Empathie für sich selbst und andere zu empfinden 99 Dipl.-Psych. Volker Bracke Übertragungsfokussierte Psychotherapie (TFP) Taktische Vorgehensweise in jeder Sitzung Der Patient (nicht der Therapeut) bestimmt den Inhalt der Sitzung. Der Therapeut räumt dem Material Priorität ein, bei dem der Affekt des Patienten am intensivsten ist und richtet seine Interventionen auf dieses Material aus. Vorrangig ist auf Material zu achten, das sich direkt oder indirekt auf den Therapeuten bezieht. Oft bringt eher der Affekt des Patienten zum Ausdruck, was sich im Hier-und-Jetzt der Übertragungsbeziehung zum Therapeuten abspielt. Der vom Therapeuten ausgewählte Fokus kann von dem abweichen, was der Patient zu bearbeiten wünscht, da das vom Patienten ausgewählte Thema oft der Abwehr zentraler Affekte und Konflikte dient. Dipl.-Psych. Volker Bracke 101 Mentalisierungskonzept (Fonagy u.a.) Mentalisierungskonzept (Fonagy u.a.) Mentalisierung heißt: Therapeutische Implikationen: sich selbst von außen und andere von innen zu sehen sich bewusst zu machen, was in einem anderen Menschen und in einem selbst vor sich geht (Gefühle, Wünsche, Überzeugungen, Gründe, Vorhaben etc.) Missverständnisse zu verstehen ein kohärentes Bild von sich selbst und anderen zu entwickeln … als grundlegender gemeinsamer Faktor erfolgreicher therapeutischer Interventionen (vgl. Rogers, DBT, KVT, Systemische Therapie, Achtsamkeitsbasierte Verfahren) … eher therapeutische Haltung als Therapietechnik … eher prozessorientiert als inhaltsbezogen 102 Dipl.-Psych. Volker Bracke Schema-Therapie Dipl.-Psych. Volker Bracke 103 Schema-Modi bei Borderline-Patienten (Bewältigungsschemata nach Young 2005) Bewältigungsschemata Primäre Emotionen werden akzeptiert und in eine adaptive Handlung umgesetzt oder • „Verlassenes Kind“ – hilflos darin, eigene Bedürfnisse befriedigt und Schutz zu bekommen • „Ärgerliches und impulsives Kind“ – handelt impulsiv zur Befriedigung eigener Bedürfnisse oder macht seinen Gefühlen in unangemessener Weise Luft vermieden / bekämpft / ertragen Vermeiden und Bekämpfen führt zu sekundären Emotionen, z. B. kann ein Mensch mit der primären Emotion „Scham“ sekundär mit „Angst“ vor Entdeckung der eigenen Minderwertigkeit reagieren (oder die primäre „Angst“ hinter einer „arroganten“ Fassade verbergen). • „Strafender Elternteil“ – bestraft das Kind-Ich für den Ausdruck von Bedürfnissen und Gefühlen oder wenn es Fehler macht • „Distanzierter Beschützer“ – spaltet Bedürfnisse und Gefühle ab; trennt von anderen Leuten („Mauer“) als Schutz vor Verletzung Die sekundäre Reaktion und daraus folgende Einschränkungen führen Menschen oft in die Therapie. Dipl.-Psych. Volker Bracke Die Therapietheorie der Therapeutin ist als persönlich relevante Botschaft wichtig und sollte transparent, konsistent und strukturiert sein Günstig ist eine aktive, nachfragende, „nichtwissende“ therapeutische Haltung („Detektiv Columbo“) Eigene Reflektionen dürfen in geeigneter Form mitgeteilt werden Ziel ist die Erforschung der eigenen Innenweilt, die einfühlsame Erforschung der Welt des anderen und der gemeinsamen Beziehung … … und Neues und Anderes über die soziale Welt zu erfahren sowie alte Überzeugungen in Frage zu stellen • „Gesunder Erwachsener“ – soll Leitfunktion haben 104 Dipl.-Psych. Volker Bracke 106 Schema-Therapie – Bsp. Dialektisch-behaviorale Therapie (DBT) „Emotionale Vernachlässigung“ Konzipiert als ambulante Therapieform mit: Einzeltherapie Fertigkeitentraining in der Gruppe Telefonkontakt im Notfall regelmäßige Intervision der Therapeuten Die Person hat die Erwartung, dass das eigene Bedürfnis nach normaler emotionaler Unterstützung durch andere Menschen nicht ausreichend erfüllt wird - Bereiche: „mangelnde Zuwendung“, „mangelnde Empathie“, „mangelnder Schutz“. Oft ist dieses Schema mit „Selbstaufopferung“ verbunden. Bewältigungsreaktionen: − „erdulden“: wählt Partner oder Bezugspersonen, die emotional nicht verfügbar oder unvorhersagbar sind − „vermeiden“: vermeidet nahe und vertraute Beziehungen völlig aus Angst vor Verlassenwerden − „kompensieren“: verhält sich Partnern oder Bezugspersonen gegenüber emotional fordernd M. Bohus & M. Wolf (2009) M. Linehan 1993: Skills Training Manual for Treating Borderline Personality Disorder. 107 Dipl.-Psych. Volker Bracke Dialektisch-behaviorale Therapie (DBT) Dipl.-Psych. Volker Bracke 108 Dialektisch-behaviorale Therapie (DBT) Fertigkeiten / „Skills“ Innere Achtsamkeit: (Selbst-) Wahrnehmung, Bewusstheit im Alltag, Selbststeuerung Zwischenmenschliche Fertigkeiten: Beziehungen aktiv gestalten, Nähe vs. Distanz, Selbstsicherheit Umgang mit Gefühlen: Beobachten, Beschreiben und Verstehen, emotionale Kommunikation Stresstoleranz: Akzeptieren, Abstand nehmen, Spannung reduzieren. Techniken: Ablenkung durch starke sensorische Reize (z.B. Eiswürfel), Atemübungen, „den Augenblick verbessern“, „Pro und Contra“ (bzgl. selbstverletzenden Verhaltens), Achtsamkeitsübungen, Akzeptieren der Realität Selbstwert: Selbstakzeptanz, Selbstvertrauen Dipl.-Psych. Volker Bracke 109 Dipl.-Psych. Volker Bracke 110 Traumazentrierter Ansatz Dialektisch-behaviorale Therapie (DBT) 2. Aufl. 2013: „RPT – Ressourcenbasierte Psychodynamische Therapie 111 Dipl.-Psych. Volker Bracke „Täter“: die (wieder) überfordernde, zurückweisende, nicht Schutz gewährende, vernachlässigende, bagatellisierende, im Stich lassende (Therapeutenwechsel!), nicht glaubende Bezugsperson konkordant: Übertragung der hilflosen, selbst versorgungsbedürftigen Eltern Nutzung der therapeutischen Potentiale (Kunst, Ergo, Küche etc.) Gefahr: „compassion fatigue“ Burnout „Psychohygiene-Beauftragte“ im Team, Betonung positiver Erlebnisse, Erfolge etc. Anspruchshaltung hinterfragen: „mit dem Patienten sein, nicht ständig viel tun“ (Reddemann) Wichtig ist therapeutischerseits das Bewusstsein der übertragenen Rolle, nicht unbedingt deren Bearbeitung. Dipl.-Psych. Volker Bracke 112 Selbstschutz der TherapeutIn vor „sekundärer Traumatisierung“ Nicht alles, was erzählt wird, sollte man sich als TherapeutIn selbst bildlich vorstellen Pausen machen, bewusster Wechsel zum Feierabend Ablenkung, Ortswechsel, „aktives Vergessen“ Angenehme Gestaltung des Therapieraumes Wichtigster Schutzfaktor (J. Daniels, 2006): kollegiale Unterstützung & Beratung, Supervision „Nährende“ Team-Termine: interne Fortbildung, Sport & Spiel, (Gegen-) Übertragungsmuster bei psychischer Traumatisierung komplementär: „Opfer“ (des Patienten): Misstrauen Opfer (stellvertretend): überfordert Dipl.-Psych. Volker Bracke Therapeutische Psychohygiene Therapeutische Beziehung Übertragung einer idealisierten Retterperson Borderline-Persönlichkeitsstörung - „Komplexe posttraumatische Belastungsstörung“ Aber: ca. 10% - 30% der Borderline-Patienten haben verlässlich keine Trauma-Anamnese „Mikrotraumen“ : chronische Bindungs- und Beziehungstraumatisierungen, Grenzüberschreitungen, Erniedrigungen, Schuldzuweisungen, Vernachlässigung Aggressionsäußerungen - Manifestation eines Täterintrojekts Th. als begleitender „Coach“, ohne Bearbeitung der Täter-Opfer-Dynamik im Rahmen der Übertragungsbeziehung z. B. Wöller, Sachsse, Reddemann, Sack 119 Dipl.-Psych. Volker Bracke 120 Stationäre Borderlinetherapie Stationäre Borderlinetherapie z.B. Psychosomatische Klinik Bad Grönenbach 3. Strukturfördernde Strategien: Es geht um die Fähigkeit zur Realitätsprüfung: unterscheiden zw. Innen- und Außenwelt; zw. sich und anderen; zw. verschiedenen Persönlichkeitszuständen; Bewusstheit und dadurch die Möglichkeit innerer Distanz zu typischen destruktiven Reaktionsneigungen (mit Achtsamkeitsübungen nach Linehan u.a., Stabilisierungs-Übungen). Ziel ist auch, das Körperempfinden zu verbessern, Gefühle voneinander zu unterscheiden, Bedürfnisse wahrnehmen und äußern zu lernen. 4. Die Persönlichkeitsintegration fördernde Strategien: Menschen gehen oft so mit sich um, wie sie es durch andere erlebt haben (erlebte Grausamkeit führt zu grausamem Umgang mit sich selbst etc.). Diese sog. negativen Introjekte werden gruppentherapeutisch bearbeitet. Durch positive Neuerfahrungen mit Therapeuten und Mitpatienten können gute, heilsame Bilder von sich und anderen verinnerlicht werden und emotionale Bindungen zu anderen entstehen. Auch abgespaltene (z.B. bedürftige, aggressive, fürsorgliche) Anteile können wieder in das psychische Geschehen integriert werden. Die Verarbeitung von Traumatisierungen kann bei ausreichend erfolgter Stabilisierung ebenfalls gefördert werden. 1. Konfrontative Strategien: Der erste Schritt besteht in der Verringerung des destruktiven (Selbst-) Umgangs über die Arbeit mit Verträgen (Aufgabe destruktiven Verhaltens und Erarbeitung von problemlösendem Verhalten und Denken). 2. Stabilisierende Strategien: Ziel ist ein besserer Umgang mit schwierigen Situationen: Stress aushalten und Krisen überstehen, Gefühle besser verstehen und regulieren. Hierzu werden neben der Vertragsarbeit Techniken des Fertigkeitentrainings (DBT), stabilisierende Imaginationen und emotionales Coaching (nach Greenberg) verwendet. Dipl.-Psych. Volker Bracke 121 Vertragstherapie in der stationären Borderline - Behandlung Dipl.-Psych. Volker Bracke 122 Vertragstherapie in der stationären Borderline - Behandlung „Vertrag“ Behandlungsziel: „Destruktives Ausagieren verringern“ im Sinne einer Vereinbarung zwischen Erwachsenen (Anteilen), mit der Verpflichtung, sich selbst und/oder anderen gegenüber auf eine Veränderung hinzuarbeiten. Symptomverzicht: „Hintertüren schließen“ Entscheidung für neue Erfahrungen: „Vordertüren öffnen“ Ziel- und Konfrontationsvertrag: • Destruktives Verhalten definieren • Konfrontation annehmen • Adäquat auf Konfrontation reagieren • Verhalten anderer aus einer wohlwollenden Haltung heraus konfrontieren • Arbeitsbündnis zwischen PatientIn, Therapeuten und Mitpatienten • Übereinstimmung über Ziele und Maßnahmen • Verlässlichkeit in Vereinbarungen und Absprachen • Betonung der Eigenverantwortlichkeit • Einbeziehung der Therapeutischen Gemeinschaft hinsichtlich Konfrontierbarkeit Dipl.-Psych. Volker Bracke 123 Dipl.-Psych. Volker Bracke 124 Vertragstherapie in der stationären Borderline - Behandlung Vertragstherapie in der stationären Borderline - Behandlung Arbeit mit Non-Verträgen (spezifischer) • Verzichtserklärung: „Hintertüren schließen“ • Analyse des Verhaltens: „ich verletze mich, bin aggressiv etc., indem ich …“ „Dies erkennt man daran, dass ich …“ „Dem destruktiven Verhalten geht voraus, a) b) c) …“ „Mit diesem Verhalten vermeide ich …“ • Aktionen: ressourcenorientierte Verhaltensalternativen • „Positive Sanktionen“: problemlösend, Beziehung wiederherstellend • Umgang mit Vertragsbruch / therapieboykottierendem Verhalten Positive, problemlösende Sanktionen • Grundlegende Einigung, dass bei Vertragsbruch eine Konsequenz im Sinne des Veränderungsziels erfolgt, die auch das Arbeitsbündnis wiederherstellt • Reflexion – Wiedergutmachung – Auflösung der Vermeidung • Ziel: korrigierende Neuerfahrung, z.B. Erleben stabiler Beziehungen auch in kritischen Situationen • Ausführung innerhalb von 24 Stunden • „Boykott“ stellt die Fortsetzung der Therapie in Frage 125 Dipl.-Psych. Volker Bracke Dipl.-Psych. Volker Bracke Vertragstherapie in der stationären Borderline - Behandlung Vertragstherapie in der stationären Borderline - Behandlung Mögliche Schwierigkeiten Therapeutische Effekte Bei der Ausarbeitung des Vertrags: • der Vertrag sollte persönlich, relevant, eindeutig, konkret und kurz sein • er darf nicht überfordern, muss einhaltbar sein „Konfrontieren“ in der Therapeutischen Gemeinschaft: • Solidarisierung mit destruktiven Selbstanteilen anderer • Konfrontation kann attackierend, verfolgend wirken • Vermischung eigener Impulse („gut für mich“) und Konfrontation (für den anderen) Ständige Pflege des Settings: Gemeinschaftskultur und sicherer Rahmen, mit den Patienten und innerhalb des Teams ! Dipl.-Psych. Volker Bracke 126 127 • • • • Sehr aktive Unterstützung von therapeutischer Seite Struktur- und bewusstseinsbildende Wirkung der Vertragsarbeit Aktive Erfahrung alternativer Verhaltensmuster, Schemata etc. Der Vertrag wirkt immer therapeutisch, egal ob er eingehalten oder verletzt wird … • Grundbotschaft: die Person ist in Ordnung, nur bestimmte Verhaltensweisen nicht! • Positive Sanktionen widersprechen Bestrafungserwartungen • Vertrag als „Handwerkszeug“ auch poststationär Dipl.-Psych. Volker Bracke 128 Danke ! Literaturauswahl • Arbeitskreis OPD (Hg., 2006): Operationalisierte Psychodynamische Diagnostik OPD-2. Bern: Huber. • Benjamin, L.S. (2001): Die Interpersonelle Diagnose und Behandlung von Persönlichkeitsstörungen. München: CIP-Medien. • Fonagy, P. et al. (2008): Affektregulierung, Mentalisierung und die Entwicklung des Selbst. Stuttgart: Klett-Cotta. • Hilgers, M. (2006): Scham. Gesichter eines Affekts. Göttingen: V & R. • Mentzos, S. (2010): Lehrbuch der Psychodynamik: Die Funktion der Dysfunktionalität psychischer Störungen. Göttingen: V & R. • Lohmer, M. (2005): Borderline-Therapie. Psychodynamik, Behandlungstechnik und therapeutische Settings. Schattauer, Stuttgart. • Reimer, C. & Rüger, U. (2012). Psychodynamische Psychotherapien: Lehrbuch der tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapieverfahren. Berlin: Springer. • Rudolf, G. (2009): Strukturbezogene Psychotherapie. Stuttgart: Schattauer. • Sachse, R. (2013). Persönlichkeitsstörungen verstehen. Psychiatrie-Verlag. • Saß, H., Wittchen, H.-U. & Zaudig, M. (2003): Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen. (DSM-IV-TR): Textrevision. Göttingen: Hogrefe. • Volkan, V. & Ast, G. (2002): Spektrum des Narzißmus. Göttingen: V & R. • WHO (2009): Internationale Klassifikation psychischer Störungen. ICD-10 Kapitel V (F). Klinischdiagnostische Leitlinien. Bern: Huber. (Weitere siehe Abbildungen) Dipl.-Psych. Volker Bracke 129 Wagnerstr. 2 87700 Memmingen …/seminar.html Kritik, Lob, Nachfragen … 130