Probeschuss – Januar 2013 ...unerhört... D ie britische Musik wird im Allgemeinen im (mittel) europäischen Musikleben ziemlich schnöde übergangen. Abgesehen von Purcell, Elgar oder Britten kann man nicht wirklich behaupten, dass die Musik von der Insel gerade im deutschsprachigen Raum besonders gepflegt würde. Arnold Bax muss man selbst unter den wenig bekannten englischen Komponisten als Geheimtipp bezeichnen. Er lebte viel in Irland und war von der keltischen Kultur fasziniert, die um seine Zeit – exemplarisch etwa in der Lyrik William Butler Yeats’ – eine ganze Generation von Künstlern prägte. Hiervon sind auch seine frühen Tondichtungen geprägt: Cathaleen-Ni-Hoolihan, In the Twilight, November Woods. Groß angelegte, spätromantische Tongemälde was Besetzung und Form betrifft, die Instrumentierung Schon mehrere Male gingen bei uns Beschwerden von Studierenden ein, die sich über die Krallen an den Flügeln und die lange Schlange an der Pforte beklagten. Das Problem: In vielen Zimmern stehen »nur« ein Flügel und ein Klavier, wobei der Flügel »gekrallt« ist. Diese Zimmer entfallen für viele als Klavierüberaum. Darüber hinaus steigt die Zahl der Studierenden an der Hochschule wieder. Daher die lange Schlange. Der StuRa ist um eine gemeinsame und für alle Beteiligten trag- Probeschuss Probeschuss on Demand unter www.hfmdd.de/probeschuss Erster Teil unserer Serie zur Vorstellung bisher eher unbekannter Komponisten, Bands oder Musikstücke. Diesmal: Arnold Bax (1883-1953) aber ist bemerkenswert »modern« und originell. Seltsam gedeckte und dumpfe Klangfarben, Verwendung von unterschiedlichen Dämpfern, sul ponticello-Effekte, gestopfte Hörner. Dies alles unterscheidet Bax auch in seinen frühen Stücken entscheidend vom typischen, irgend­ wie kolonialen Empire-Sound von Edward Elgar und Konsorten. In seinem qualitativ sehr unter­ schiedlichen Schaffen finden sich Merkwürdigkeiten und Gelegenheits­werke, (etwa »Christmas Eve«, ein wahrhaft schauderhaftes Werk), aber auch extrem eigen­ständige und komplexe Musik, wie etwa die Symphonie Nr. 2, ein unglaublich depressives Stück mit dumpf brütenden Solopassagen, immer wieder unterbrochen von brutalen, lärmenden Ausbrüchen, oder auch ein wunderschönes Cellokonzert. In den letzten Jahren Neuste Zeitung für studentisches Leben an der Hochschule für Musik Dresden seines Lebens schrieb Arnold Bax nichts mehr und verstummte allmählich, darin seinem großen Vorbild Jean Sibelius nicht unähnlich. 14. Ausgabe Unbedingt mal spielen: Sieben große Klaviersonaten warten auf ihre Wiederentdeckung und fordern pianistisch und gestalterisch maximal heraus. Und: Kein*e Bratscher*in sollte sich die Bax-Sonate entgehen lassen! Es muss ja nicht immer Brahms, Hindemith und Walton sein... Nicolas Kuhn Versuch einer Differenzierung von Nicolas Kuhn V Krallt euch die Klaviere! bare Lösung bemüht und arbeitet fleißig daran. Ein erster Schritt: Unsere Plakat- und Flyeraktion »Auch Du musst dich abmelden, Genosse!« Darüber hinaus bemühen wir uns darum, dass die Krallenverteilung in Zukunft »moderater« gestaltet wird. So soll es Räume, in denen alle vorhandenen Tasteninstrumente gesperrt sind, nicht mehr geben, und überprüft werden, inwiefern in Räumen, in denen kein Hauptfachunterricht Klavier stattfindet, die Krallen tatsächlich notwendig sind. Und auch ihr könnt aktiv werden: Gemeinsam mit allen Interessierten wollen wir eine AG gründen, die neue Ideen zur weiteren Verbesserung der Überaumsituation entwickelt. Schreibt euch einfach in die entsprechende Liste an der Pforte ein. Wir freuen uns auf eure Mitarbeit! Kathleen Eiselt Der Probeschuss ist eine Monatszeitung von Studierenden für Studierende, herausgegeben vom Studierendenrat der Hochschule für Musik Carl Maria von Weber, Wettiner Platz 13, 01067 Dresden. Offene Redaktion: L. Börner, F. Junk, N. Kuhn, F. Schwandtke Herstellung: Felix Schwandtke Kontakt und Service: (0351) 49 23 643 oder [email protected] Redaktionsschluss: 7. März 2013 h f m d r e s d e n Januar 2013 GEMABashing und YouTubeStreit Unbedingt mal anhören: Symphonie Nr. 6 Ein gewaltiges Stück mit einem energischen, ruppigen ersten Satz, einer endlosen Bratschenkantilene im langsamen Satz und einem Finale, das nach einer wahren Blechorgie in sich zusammenfällt und in einem friedlichen Epilog endet. Insgesamt sehr melancholisch, herbstlich, bratschig, dabei aber polyphon sehr gekonnt gearbeitet. Bild: www.funfire.de 4 on Komponisten, zumal klassischen, kann man allgemein behaupten, dass sie im öffentlichen Bewusstsein doch eher eine marginale Rolle spielen. Inzwischen gilt das nur noch eingeschränkt, wobei sie allerdings weniger auf Grund ihrer Werke im Gespräch sind als vielmehr durch ihre offizielle Interessensvertretung. Die GEMA ist seit einiger Zeit in aller Munde, sei es durch den zähen Streit mit YouTube um die finanzielle Beteiligung der Urheber an den Werbeeinnahmen des Konzerns, durch Erfahrungen, die viele von uns ständig bei der Organisation von Konzerten machen, oder vor kurzem durch den Aufschrei zahlreicher Clubbesitzer, die ihre Existenz durch die jüngsten Beitragserhöhungen bedroht sahen. In den letzten Wochen fanden sogar Anti-GEMA-Demonstrationen statt, wenn auch ähnlich schlecht besucht wie so manches Neue Musik-Konzert. von 16 Prozent für ihren Verwaltungsaufwand. Die Frage, ob eine solche Institution mit schwerfälligem Regelwerk und einer strikten Trennung von sogenannter U- und E-Musik noch zeitgemäß ist, wurde in den letzten Jahren vor allem angesichts der Entwicklungen im Internet vermehrt diskutiert. Die Probleme, die die GEMA mit sich bringt, sind vielfältig: Wie wird mit Musik umgegangen, die in einer Kneipe nur »nebenher« gespielt wird, die ich als Nutzer also gar nicht bewusst ausgewählt habe? Wie lässt sich vermeiden, dass Komponisten ihren Familien­ mitgliedern in einer Garage ihr neustes Stück vorspielen und diese Veranstaltung dann bei der GEMA anmelden? Was tun, wenn rotzdem muss man fest- Playlists in Clubs schwerlich in halten: Die GEMA ist eine einzelne Titel zu gliedern sind, Treuhand, d.h. sie schüttet wenn jedes Zitat als Fremdmateihre Einnahmen vollständig an ihre Mitglieder aus – abgesehen Fortsetzung auf Seite 2 »Eins ist klar: die GEMA ist kein Wohltätigkeitsverein, sondern eine Interessensvertretung; letztlich macht sie Lobbyarbeit, so wie alle anderen Interessensvertretungen auch«, sagt Franz Martin Olbrisch. Er ist Kompositionsprofessor und Leiter des Studios für Elektronische Musik an der HfM, außerdem GEMA-Mitglied, und sitzt im Bundesfachausschuss des Deutschen Musikrates zu Fragen des Urheberrechts. Es kann also etwa im YouTube-Streit nicht von einem Kampf im Stil »David gegen Goliath« gesprochen werden, auch wenn der Umsatz der GEMA natürlich deutlich unter dem von YouTube liegen dürfte. »Das ist schon eher Pepsi gegen Cola«, meint Olbrisch. T Probeschuss – 14. Ausgabe Fortsetzung von Seite 1 rial angemeldet werden muss? Die GEMA reagiert auf derlei Probleme seit Jahren damit, immer neue Ausnahmeregelungen und Klauseln einzuführen. Damit wird der Vielfalt der heutigen Verwendung von Musik zwar Rechnung getragen, jedoch entsteht ein quasi unüberschaubares bürokratisches Regelwerk. Das Problem bei einer möglichen Reform der GEMA ist aber, dass eine nationale Neuregelung in einem offenen, globalen Markt mindestens ebenso wenig Sinn macht wie die bisherige Struktur. Manche politische Akteure fordern sogar die komplette Abschaffung der GEMA. Das Internet böte ihrer Ansicht nach genug Möglichkeiten zur Selbstvermarktung, sodass die Kunstprodukte nach Aufhebung des Urheberrechts ihre Überlebensfähigkeit selbst unter Beweis stellen sollten. Dass dieser Lösungsansatz letztlich zu kurz gedacht ist, erklärt Olbrisch anhand des folgenden Beispiels: »Wenn ich ein neues Stück komponiere, bekomme ich in der Regel ein Auftragshonorar. So wird das zwar genannt, heute ist aber klar, dass das kein Auftragshonorar sondern eine Uraufführungsgebühr darstellt. Denn das Auftragshonorar steht in keinem Verhältnis zum Zeitaufwand; man käme da am Ende auf einen Stundenlohn von vielleicht einem Euro – und dafür muss man schon schnell gewesen sein. Dieses Honorar ist also keine wirkliche Bezahlung. Die Hoffnung in so einem Fall ist immer, dass das Stück wiederaufgeführt wird und dann Geld über die GEMA fließt. Wenn man diese aber abschaffen und die Bezahlung komplett über die Honorare regeln würde, könnte man den Komponisten schlicht empfehlen, sich einen neuen Beruf zu suchen. Das schafft dann Wolfgang Herzliche Einladung zur 2. Studentischen Vollversammlung Rihm alleine in Deutschland. Auch könnten z.B. B-Orchester es sich nicht mehr leisten zeitgenössische Musik zu spielen; und alle anderen fingen auch an zu rechnen.« Für die Sparte der zeitgenössischen klassischen Musik wäre das wohl das Ende, im Jazz/Rock/ Pop-Bereich wären aber ähnliche Probleme zu erwarten: »Wenn eine Band, die in irgendeiner Kneipe eigene Stücke spielt, neben den Eintrittsgeldern noch Geld vom Veranstalter sehen will, bekommen die aber was zu hören.« Das heißt also: Wenn ein Komponist einen Auftrag erhält, ist im geringen Honorar schon eingepreist, dass die Bezahlung im Nachgang über die GEMA weiterläuft. Auch das pauschale Beitragsverfahren hat also große Vorteile, etwa den, dass über die Bezahlung von einzelnen Werken nicht mehr verhandelt werden muss. »Wenn man mit einem Redakteur darüber spricht, ob ein Stück eventuell im Radio gesendet wird, gibt es einen Pauschalvertrag des Senders, und man diskutiert nicht immer wieder über Beträge und Honorare.« Z uletzt wäre noch zu bemerken, dass die GEMA auch als Solidargemeinschaft funktioniert. Dies ist ein Punkt, der immer wieder vergessen wird, aber doch eine soziale Errungenschaft darstellt. Wer die Verteilungspläne studiert, stellt fest: Es gibt Transferleistungen, etwa von erfolgreicheren zu weniger erfolgreichen Komponisten. »Das lässt sich am ehesten mit unseren gesetzlichen Sozialsystemen vergleichen. Als Besserverdiender zahlt man mehr ein, bekommt aber die gleiche Behandlung, wie etwa ein Hartz IV-Empfänger.« Dies könnte man sogar als eine Art Schutzmechanismus vor den Gesetzen der Kulturindustrie begreifen. Außerdem werden lebende Komponisten den Erben am Mittwoch, dem 30. Januar, um 1800 im Senatssal! von Lorenz Grau W enn man dieser Tage durch Dresden geht, kommt man an Richard Wagner kaum vorbei. Überall wird man mit dem spätromantischen Musikdramatiker konfrontiert; ob man will oder nicht – Dresden präsentiert sich zum 200. Geburtstag als Wagnerstadt. Die Stadt selbst wirbt auf ihrer Homepage mit dem Slogan »DRESDEN – Wo Wagner WAGNER wurde.«, die Semperoper meint: »Wir feiern unseren Richard Wagner« und die W ie soll es also zukünftig weitergehen mit Urhebern, Nutzern und verändertem Musikkonsum? »Man kann über alles reden, jedes System hat seine Schwachstellen. Was aber bedacht werden muss: Nicht alles ist for free. Gerade das wird von der Internetgeneration immer leicht übersehen. Auch im Netz ist eigentlich nichts kostenlos, die Bezahlung erfolgt nur anders. YouTube zum Beispiel ist nicht kostenlos, sondern verdient sehr viel Geld mit Werbung von Unternehmen, die diese Kosten wieder auf ihr jeweiliges Produkt umlegen. Es findet also lediglich eine Sozialisierung der Kosten statt. Natürlich kann man sagen: Weg mit der GEMA und der Staat zahlt eine Art Lebens­apanage an alle Komponisten. So ist das etwa in Finnland gelöst worden. Das wäre eine Möglichkeit. Aber irgendeine Art der Finanzierung muss da sein. Das Komponieren von Musik ist eine Dienstleistung, ein Beruf. Ohne Finanzierung geht es nicht.« Und was könnte man denen entgegnen, die einfach gerne günstig in Clubs feiern wollen? »Die Leute könnten auch mal in Clubs gehen, die kein Mainstream sind. Die Beitragserhöhungen betreffen nämlich gerade diejenigen Clubs, die mit kommerzieller Musik extrem viel Geld verdienen.« Auch hier gilt also: Nicht gerade David gegen Goliath – eher Pepsi gegen Cola. Der Artikel basiert auf einem Interview mit Prof. Franz Martin Olbrisch, geführt von Luise Börner und Nicolas Kuhn. Januar 2013 – Probeschuss Gedanken über Wagner und Sprache der verstorbenen Komponisten gegenüber bevorzugt – ein wichtiger Bestandteil des GEMA-Systems. »Der lebende Komponist braucht das Geld und nicht die Erben. Ob also die Wagner-Enkel da noch ein paar Euro mehr oder weniger bekommen, kann mir – auch im Wagner-Jahr – ziemlich egal sein.« Quelle: Reiss-Engelhorn-Museen Mannheim, Foto: Jean Christen 2 Reihe »Wagner & Folgen« der HfM Dresden ist mit den Worten »Wagner-Ehrung« untertitelt. Die Idee, Jubiläen von bekannten Künstlern öffentlich und ausgiebig zu feiern, ist eine altbewährte – man erinnere sich an das Mozart-Jahr (2006), das Mendelssohn-Jahr (2009) oder auch das Cage-Jahr (2012). Lediglich die extreme Kommerzialisierung und der damit verbundene Vermarktungsapparat wächst scheinbar stetig an. Vom Aufkleber bis zum Zitat-T-Shirt des jeweiligen Jubilars ist alles käuflich zu erwerben. Auffällig bei der Dresdner Wagner-Marke­tingkampagne ist vor allem ein seltsam anmutender Sprachgebrauch, der sich beispielhaft in den drei genannten Slogans finden lässt. »Wo Wagner WAGNER wurde.« Was sagt dieser Satz eigentlich? Überhaupt nichts! Was könnte dieser Satz sagen wollen? Vielleicht will die Rheingold-Alliterations-Anlehnung darauf aufmerksam machen, dass Richard Wagner in Dresden unter anderem als Hofkapellmeister gewirkt hat, einige seiner Werke hier uraufgeführt wurden und das Dresden das Sprungbrett für seine Karriere war?! Vielleicht möchte die onär? Einen Visionär? Einen Lebemann, der Luxus liebte? Einen Romantiker? Ein selbsternanntes Genie? Einen Größenwahnsinnigen? Einen Komponisten? Einen Dirigenten? Einen Antisemiten? Wenn Institutionen Wagner feiern und ehren wollen, sollte Stadt Dresden aber vor allem noch den Verantwortlichen vorher mehr Touristen und zahlendes klar sein, dass Wagner zu Teilen Publikum in ihre Museumsku- alle diese Eigenschaften in sich vereint hat und schon zu Lebzeiten eine höchst umstrittene Persönlichkeit war, auf die sich lissen locken und einmal mehr Jahre später leider auch führendarauf hinweisen, dass Dresden de Nationalsozialisten berufen ein wichtiges kulturelles Zentrum haben. Deshalb ist im Jahr 2013 war, mit dessen altem Glanz sich auch schon im sprachlichen Umauch noch 2013 ganz gut Geld gang mit Wagner eine gewisse verdienen lässt?! Man kann es bei Vorsicht geboten, da Sprache als einem dermaßen nichtssagenden Hauptkommunikationsmedium Slogan leider nur erahnen! einen direkten Einfluss auf geKonkreter, ja geradezu über- sellschaftliche Zustände, Trends schwänglich liest sich im Gegen- und Machtverhältnisse hat und satz dazu der Leitsatz der Semper­ es daher wichtig ist, Missveroper (»Wir feiern unseren Richard ständnisse zu vermeiden. Wagner!«) und der Untertitel der Dies scheint aber in Dresden HfM-Reihe (»Wagner-Ehrung«). nahezu niemanden zu interesWährend die Marketingabteilung sieren – wie sonst soll man die der Semperoper Wagner vollends Slogans und Leitsätze deuten? vereinnahmt, ihn zum Teil der Vielleicht als Indiz für einen unMusizier-und-Inszenier-Gemein- bewusst bzw. bewusst anachrode am Theaterplatz macht und nistisch-romantischen Sprachgeihn einfach nur noch feiern will, brauch, der für Marketingzwecke geht die HfM sprachlich sogar der Stadt Dresden so populistisch noch einen Schritt weiter und und platt benutzt wird, dass das ehrt Richard Wagner. ganze Ausmaß dieser Plattheit in Aber was feiert und ehrt man mit Wagner-Konterfeis bedruckeigentlich, wenn man Richard ten Krawatten gipfelt?! Wagner feiert? Einen RevolutiIch hoffe, nicht! 3