Fallibilismus - von Joachim Stiller

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Joachim Stiller
Fallibilismus
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Der Fallibilismus (vom Lateinischen fallibilis, "verpflichtet zu irren") ist eine
erkenntnistheoretische Position, nach der es keine absolute Gewissheit geben kann und sich
Irrtümer niemals ausschließen lassen. Eine Strategie der Begründung oder Rechtfertigung mit
dem obersten Ziel, eine Letztbegründung zu geben, kann niemals zum Erfolg führen. Daher
verbleibt nur, Überzeugungen, Meinungen oder Hypothesen immer wieder auf Irrtümer hin zu
überprüfen und nach Möglichkeit durch bessere zu ersetzen (siehe Falsifikationismus).
In der Antike sind als Vertreter fallibilistischer Positionen Arkesilaos und Karneades bekannt.
In der neueren Philosophie sind Fries und Peirce zu nennen. Die bedeutendste moderne
fallibilistische Position ist Poppers Kritischer Rationalismus.[1]
Die fallibilistische Position setzt voraus, dass es eine absolute Wahrheit gibt, in deren Bezug
der Irrtum stattfinden kann. Fallibilisten sind demnach keine Relativisten, welche die Existenz
einer absoluten Wahrheit verneinen. Sie sind auch nicht Nihilisten, die vertreten, dass sich der
Mensch immer irrt. Sie behaupten lediglich, dass er sich immer irren kann. Sie müssen auch
nicht unbedingt Wahrheitsskeptiker sein, die vertreten, dass es immer und grundsätzlich
Grund zum Zweifel an allen Überzeugungen gibt.
Die fallibilistische Position besagt zudem nicht, dass es keine gerechtfertigten Überzeugungen
gibt, leugnet also noch nicht die Möglichkeit einer Begründung. Sie besagt nur, dass auch die
beste Rechtfertigung einen möglichen Irrtum niemals ausschließen kann. Fallibilistische
Positionen behaupten demnach noch nicht, dass Überzeugungen niemals Wissen im
klassischen Sinn sein könnten (begründeter, wahrer Glaube), sondern nur, dass es niemals
Gewissheit gibt, ob sie Wissen sind. Dass es keine gerechtfertigten Überzeugungen und damit
kein Wissen im klassischen Sinn gibt, besagt erst der Erkenntnisskeptizismus, den einige
Vertreter des Kritischen Rationalismus (Popper, Miller, Bartley), aber nicht alle, zusätzlich
zum Fallibilismus vertreten.
Popper bezog den Fallibilismus vorwiegend auf die Aussagen der empirischen Wissenschaft
und stellte sich in diesem Zusammenhang gegen die Behauptung, man könne durch logische
Induktion (d.h. der Schluss von einer Einzelaussage auf eine Allgemeinaussage) zu einer
Gewissheit gelangen. Es gibt aber noch andere Aussageklassen, für die sich die Frage stellen
lässt, ob der Fallibilismus dafür gültig ist. Dazu gehören etwa die Performativa („Hiermit
taufe ich Dich 'Hans'“), bestimmte psychologische Selbstauskünfte („Etwas tut mir jetzt
weh“), Aussagen der Logik („p ↔ nicht nicht p“) und der Mathematik („Wurzel 2 ist eine
irrationale Zahl“), sowie Tautologien oder analytische Aussagen („Der Satz: 'Schnee ist weiß',
ist genau dann wahr, wenn Schnee weiß ist.“). Viele Philosophen sind der Ansicht, in einem
oder mehreren dieser Fälle sei absolute Gewissheit sehr wohl zu erreichen. Einige sind auch
der Auffassung, bestimmte Aussagen seien weder wahr noch falsch, weshalb hier von Irrtum
nicht gesprochen werden könne.
In dem von ihm so genannten Münchhausen-Trilemma vertritt Hans Albert die These, dass
der Fallibilismus universell anwendbar sei, ungeachtet der gewählten Erkenntnisform sowie
der gewählten Art und Weise, diese auf ein sicheres Fundament zurückzuführen.[2] Es gibt
auch verschiedene Ansätze, den Fallibilismus auf dem Gebiet der Grundlagen der Mathematik
anzuwenden.[3] Da man selbst die Grundlagen von Logik und Mathematik in Frage stellen
kann, gelangt man somit zur Frage nach einer Kernlogik, d.h. einem Minimum an Regeln, das
erforderlich ist, um überhaupt noch miteinander argumentieren zu können.
Hans Albert bezog den Fallibilismus, verstanden als Methode der kritischen Prüfung unter
Verzicht auf die Suche nach Letztbegründungen und das Streben nach exakter
Vorauskalkulation aller Konsequenzen sozialtechnischer Eingriffe, auch auf das Gebiet einer
rationalen Praxis (d.h. Methodologie, Ethik, Politik, Wirtschaft, ...).
Joachim Stiller
Münster,, 2015
Ende
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