Bayerisches Landesamt für Umwelt Bayerisches Landesamt für Umwelt Untersuchungen bayerischer Gewässer und Kläranlagenausläufe zur Erfassung estrogener Wirkungen Julia Schwaiger & Hermann Ferling Bayerisches Landesamt für Umwelt Bayerisches Landesamt für Umwelt Bayerisches Wirkungsmonitoring i.R. der Technischen Gewässeraufsicht (tGewA) Belastung von Oberflächengewässern und Kläranlagenabläufen mit estrogen wirksamen Stoffen 2 © LfU / Referat 73 / Schwaiger / 11.11.2015 Bayerisches Landesamt für Umwelt Substanzen mit potentiell estrogener Wirkung Hormone • 17ß-Estradiol • 17α-Ethinylestradiol • Phytoöstrogene Industriechemikalien • Alkylphenole • Bisphenol A • PCB • Phthalate Pestizide • DDT • Methoxychlor • Atrazin Frage: Wie hoch ist die estrogene Aktivität in bayerischen Gewässern und Kläranlagenabläufen? 3 © LfU / Referat 73 / Schwaiger / 11.11.2015 Einflussfaktoren auf die Fischgesundheit im Freiland Veränderungen chemischphysikalischer Wasserparameter Viren, Bakterien, Pilze, Parasiten Bayerisches Landesamt für Umwelt Organische und anorganische chemische Stoffe, z.B. Umwelthormone Veränderungen des Lebensraumes Klimatische Veränderungen 4 © LfU / Referat 73 / Schwaiger / 11.11.2015 Bayerisches Landesamt für Umwelt Monitoring estrogene Wirkung Strategie Seit 2002 bayernweites Monitoring auf estrogene Wirkungen an Oberflächengewässern und Kläranlagen in Form eines aktiven Fischmonitorings i. R. der tGewA Methodik Erfassung estrogener Wirkungen anhand des Biomarkers Vitellogenin Ziele → → Frühzeitiges Erkennen einer Belastung mit bereits in Spuren wirksamen Stoffen Überwachung von Maßnahmen 5 © LfU / Referat 73 / Schwaiger / 11.11.2015 Bayerisches Landesamt für Umwelt Biomarker Vitellogenin Was ist Vitellogenin? • Ein Vorläufer des Dotterproteins, der normalerweise nur von weiblichen Individuen aller eierlegenden Tiere unter Estrogen-Einfluss gebildet wird und später im Ei dem heranreifenden Embryo zur Ernährung dient. Vitellogenin als Parameter für estrogene Wirkungen • Vitellogenin wird unter Einfluss estrogen aktiver Umweltchemikalien auch von männlichen Tieren gebildet. Sein Nachweis im Blut ist spezifisch und stellt ein eindeutiges Indiz für eine Belastung des Wassers mit estrogen wirksamen Nachweismethode: ELISA (Enzyme-linked-immunoStoffen dar. sorbent assay 6 © LfU / 02.03.2015 Bayerisches Landesamt für Umwelt Prinzip: Aktives Monitoring 4-wöchige Exposition von Fischen (Regenbogenforellen) Vitellogenin – Nachweis im Blutplasma Vitellogenin-Konzentration vor Exposition Vitellogenin-Konzentration nach Exposition Maß für estrogene Wirkung: VG-IF 7 © LfU / Referat 73 / Schwaiger / 11.11.2015 Bayerisches Landesamt für Umwelt Begleituntersuchungen an Wasser- und Abwasserproben ISWA, Uni Stuttgart • E-Screen-Assay (MCF-7 Zellen; Estradioläquivalente) • GC/MS-Screening (hormonell aktive Umweltchemikalien, Arzneimittelwirkstoffe u.a.) Landeswasserversorgung Langenau • Steroidanalytik 17α-Estradiol, 17ß-Estradiol (E2), Estron (E1), Estriol (E3), Ethinylestradiol (EE2) 8 © LfU / Referat 73 / Schwaiger / 11.11.2015 Monitoring estrogener Wirkungen/tGewA Untersuchungsstellen 2002 - 2015 9 Bayerisches Landesamt für Umwelt © LfU / Referat 73 / Schwaiger / 11.11.2015 Ergebnisse Wirkungsmonitoring 2002 - 2014 Bayerisches Landesamt für Umwelt 1000000 Induktionsfaktoren 448245 Kläranlagen Fließgewässer 144471 100000 10000 1000 100 10 1 0 10 © LfU / Referat 73 / Schwaiger / 11.11.2015 Ergebnisse Wirkungsmonitoring 2002 - 2014 Bayerisches Landesamt für Umwelt Kläranlagen Vorfluter 1000000 Induktionsfaktoren 100000 448245 1000000 144471 Induktionsfaktoren 100000 10000 10000 1000 1000 100 Median = 91,9 100 10 10 Median = 2,1 1 1 0 0 11 © LfU / Referat 73 / Schwaiger / 11.11.2015 Darstellung der Vorgehensweise am Beispiel einer Kläranlage in Bayern Bayerisches Landesamt für Umwelt 2012: Monitoring estrogener Wirkungen 2015: Weiterführende Untersuchungen zur Ermittlung der Quelle 12 © LfU / Referat 73 / Schwaiger / 11.11.2015 Bayerisches Landesamt für Umwelt Expositionseinrichtungen Bypass-Exposition im KA-Ablauf Exposition unterhalb der KA-Einleitung 13 © LfU / Referat 73 / Schwaiger / 11.11.2015 Bayerisches Landesamt für Umwelt Ergebnisse Wirkungstests In vivo Wirkungsmonitoring Fische In vitro E-Screen Assay (ISWA, Uni Stuttgart) 10000000 1000000 18,0 *** IF = 144471 16,0 14,0 EEQ in ng/L 100000 10000 1000 100 *** 12,0 10,0 8,0 6,0 4,0 IF = 6,8 2,0 10 0,0 1 Chemische Analytik (ISWA, Uni Stuttgart; LW Langenau) Begleitende chemische Analysen ergeben keine Hinweise auf die verantwortlichen estrogen wirksamen Substanzen! 14 © LfU / Referat 73 / Schwaiger / 11.11.2015 Problematik - Ursachenermittlung Bayerisches Landesamt für Umwelt Chemische Analysenergebnisse von Wasser- und Abwasserproben stellen eine Momentaufnahme dar. • Analysen umfassen nicht das gesamte Spektrum estrogen wirksamer Stoffe. • Einleitung estrogen aktiver Stoffe erfolgt oft nicht kontinuierlich. Beispiel Estron (E1) im Kläranlagenablauf: Tages-, Wochengang (24 bzw. 6h-Mischproben) 15 © LfU / Referat 73 / Schwaiger / 11.11.2015 Problematik - Ursachenermittlung Bayerisches Landesamt für Umwelt • Die Konzentrationen estrogen aktiver Stoffe im Vorfluter variieren in Abhängigkeit von Frachten und Abflussraten. E-Screen Assay: Estrogene Aktivität im Vorfluter vs. Abflussrate 16 © LfU / Referat 73 / Schwaiger / 11.11.2015 Vorteile des Biomarkers Vitellogenin Bayerisches Landesamt für Umwelt • Ermittelt eine Estrogen-Rezeptor-vermittelte spezifische Wirkung. • Reagiert schnell und empfindlich und dient deshalb als Frühwarnsystem. • Stellt biologische Reaktion auf die Gesamtheit aller bioverfügbarer, estrogen wirksamer Chemikalien dar (estrogen wirksame Einzelstoffe können sich in ihrer Wirkung z.T. aufaddieren!). • Integriert eine Belastung über längere Zeiträume. • „Belastungsspitzen“ werden mit erfasst. 17 © LfU / Referat 73 / Schwaiger / 11.11.2015 2015: Ermittlung der Quelle estrogener Wirkungen Bayerisches Landesamt für Umwelt Teilstrom „Industrie“ Zulauf Teilstrom „Klinikum“ Kläranlage Ablauf 18 Untersuchungsprogramm • E-Screen • Steroid-Analytik • GC/MS-Screening © LfU / Referat 73 / Schwaiger / 11.11.2015 EEQ in ng/L Teilströme, Zulauf und Ablauf Kläranlage E-Screen Assay: Estradiol-Äquivalente EEQ 250 240 230 220 210 200 190 180 170 160 150 140 130 120 110 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 Bayerisches Landesamt für Umwelt KA-Ablauf: 0,21–8,29 ng/l 19 © LfU / Referat 73 / Schwaiger / 11.11.2015 Steroid-Konzentrationen in ng/l Teilströme, Zulauf und Ablauf Kläranlage Steroid-Konzentrationen & Verhältnis E2 : E1 1000 950 900 850 800 750 700 650 600 550 500 450 400 350 300 250 200 150 100 50 0 Bayerisches Landesamt für Umwelt 17-alpha-Ethinylestradiol (EE2) 17-alpha-Estradiol 17-beta-Estradiol (E2) Estron (E1) 1:2 Estriol (E3) 1:3 1:26 20 © LfU / Referat 73 / Schwaiger / 11.11.2015 Teilströme, Zulauf und Ablauf Kläranlage Bayerisches Landesamt für Umwelt 4t-Octylphenol/4-Nonylphenol-Konzentrationen 15 4t-Octylphenol 14 4-Nonylphenol 4t-Octylphenol / 4-Nonylphenol in µg/L 13 12 11 10 9 8 7 6 5 4 3 KA-Ablauf: NP-Konz.: 0,018 – 0,066 µg/l OP-Konz.: 0,008 – 0,020 µg/l 2 1 0 21 © LfU / Referat 73 / Schwaiger / 11.11.2015 Teilströme, Zulauf und Ablauf Kläranlage DEHP-Konzentrationen Bayerisches Landesamt für Umwelt 140 130 120 110 DEHP in µg/L 100 90 80 70 60 50 40 KA-Ablauf DEHP-Konz. 4,8 – 6,9 µg/l 30 20 10 0 22 © LfU / Referat 73 / Schwaiger / 11.11.2015 Teilströme, Zulauf und Ablauf Kläranlage Bayerisches Landesamt für Umwelt „Benzalkonium-Verbindung C14/Phenoxyethanol 3200,0 Benzalkonium-Verbindung C14 Benzalkonium-C14 / Phenoxyethanol in µg/L 3000,0 Phenoxyethanol 2800,0 2600,0 2400,0 2200,0 2000,0 1800,0 1600,0 1400,0 1200,0 1000,0 KA-Zulauf Benzalkonium-Vbg. 22-64 µg/l Phenoxyethanol 43-162 µg/l 800,0 600,0 400,0 200,0 0,0 23 © LfU / Referat 73 / Schwaiger / 11.11.2015 Bayerisches Landesamt für Umwelt Fallbeispiel Kläranlage - Fazit Wirkungsmonitoring mit Fischen und in vitro Testsystem E-Screen Assay ergeben 2012 auffällig hohe estrogene Aktivität im gereinigten Abwasser; auch im Vorfluter ist eine, wenn auch deutlich geringere, estrogene Aktivität nachweisbar. 2015 nur 30% der estrogenen Aktivität des Jahres 2012 im gereinigten Abwasser; I.R. weiterführender Untersuchungen im Zulauf der Kläranlage wurde der Teilstrom „Klinikum“ als relevante Quelle für die estrogene Aktivität identifiziert: • Relativ hohe Konzentrationen von 17ß-Estradiol (E2), Estron (E1) und Estriol (E3) • Andere Xenoestrogene (NP, OP) ebenfalls in z.T. wirksamen Konzentrationen nachweisbar; • Auffällig hohe Konzentrationen von Desinfektionsmitteln (z.B. BenzalkoniumVerbindungen, Phenoxyethanol) → Möglichkeit der Beeinträchtigung von Belebtschlammorganismen? Im Teilstrom „Industrie“ keine estrogene Aktivität nachweisbar. • Konzentrationen einzelner Industriechemikalien (z.B. DEHP) unterhalb der Wirkschwelle; DEHP-Konzentrationen variieren stark → diskontinuierlicher Eintrag. 24 © LfU / Referat 73 / Schwaiger / 11.11.2015 Kläranlagen und Vorfluter in Bayern Beurteilung der estrogenen Wirkung Bayerisches Landesamt für Umwelt • Die Untersuchung von gereinigten Abwässern bayerischer Kläranlagen ergab nur in Ausnahmefällen eine sehr hohe estrogene Aktivität. • In Gewässern/Vorflutern ist aufgrund der dort herrschenden Verdünnungsverhältnisse in der Regel nur eine geringe estrogene Aktivität vorhanden. • Eine akute Gefährdung des Bestandes frei lebender Fischpopulationen ist aufgrund der vorliegenden Daten nicht zu besorgen. • Die vom LfU eingesetzten Testverfahren sind als „Frühwarnsystem“ zu verstehen und lassen keine Rückschlüsse auf ökologische Auswirkungen zu. • Bisher keine gesetzlichen Regelungen zur Begrenzung estrogener Aktivität im Gewässer. • EU-Ebene: estrogene Steroide auf Beobachtungsliste; Diskussion von UQN für 17ßEstradiol (0,4 ng/L),17α-Ethinylestradiol (0,035 ng/L) und Estron 3,6 ng/l. 25 © LfU / Referat 73 / Schwaiger / 11.11.2015 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! 26 Bayerisches Landesamt für Umwelt © LfU / Referat 73 / Schwaiger / 11.11.2015