Planetare Dynamos Planetary Dynamos - Max-Planck

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Jahrbuch 2005/2006 | Christensen, Ulrich; W icht, Johannes; Fränz, Markus | Planetare Dynamos
Planetare Dynamos
Planetary Dynamos
Christensen, Ulrich; W icht, Johannes; Fränz, Markus
Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung, Göttingen
Korrespondierender Autor
E-Mail: w [email protected]
Zusammenfassung
Fast alle Planeten in unserem Sonnensystem besitzen oder besaßen ein Magnetfeld. Die Verschiedenartigkeit
der Felder lässt auf unterschiedliche dynamische Vorgänge in den Planeten schließen. Ihre Erforschung mittels
Planetenmissionen und Computersimulationen ist darum ein w ichtiges Werkzeug, das uns Einblicke in die
inneren Vorgänge der Himmelskörper ermöglicht. Diese kurze Einführung bietet einen Einblick in die Aktivitäten
am Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung und legt den Schw erpunkt auf Computermodelle, bei
denen in den letzten Jahren große Fortschritte erzielt w urden.
Summary
Nearly all the planets in our solar system possess a magnetic field or had one at some time in the past. The
diversity of the planetary fields reflects interesting differences in interior dynamics. Their exploration by space
missions or computer simulations is an important tool to provide insight into the otherw ise shielded planetary
interiors. This short introduction gives an overview of activities at the Max Planck Institute for Solar System
Research concentrating mainly on computer models, w here considerable progress w as achieved during the
past years.
Das Magnetfeld der Erde
Das Magnetfeld der Erde w ird seit vier Jahrhunderten mit zunehmender Präzision vermessen. Aufgrund seiner
Bedeutung für die Navigation begann man recht früh, seine Richtung zu kartieren. Heute vermessen drei
Forschungssatelliten das geomagnetische Feld mit nie gekannter Präzision. Im Wesentlichen entspricht es
dem Feld eines leicht gegen die Rotationsachse geneigten Stabmagneten, dem klassischen Dipolfeld. Genauer
betrachtet lassen sich jedoch auch Beiträge höherer Multipole identifizieren, die zu einer komplexeren Struktur
führen. W ir w issen auch, dass sich das Erdmagnetfeld im Zeitraum von Jahrzehnten bis Jahrhunderten
merklich verändert. Besonders auffällig ist, dass der Dipolanteil in den letzten 150 Jahren um etw a 10%
schw ächer gew orden ist. Setzt sich dieser Trend fort, so w äre er in etw a 2000 Jahren ganz verschw unden.
Paläomagnetische Untersuchungen an magnetisierten Gesteinen erlauben es, die Kenntnis über das
Erdmagnetfeld bis in die ferne geologische Vergangenheit auszudehnen. Kleine Mengen von eingelagerten
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ferromagnetischen
Mineralien
konservieren
Richtung
und
Stärke
des
bei der Bildung
des
Gesteins
herrschenden Erdmagnetfeldes. Gesteine aus verschiedenen Epochen der Erdgeschichte bilden ein w eit
zurück reichendes geomagnetisches Archiv. Dieses Archiv belegt, dass sich das Magnetfeld im Laufe der
Erdgeschichte viele Male umgepolt hat. Umpolungen sind jedoch kurze, seltene Ereignisse. Sie dauern
typischerw eise
nur
einige tausend Jahre, w ährend Perioden mit einer stabilen Dipolrichtung mehrere
hunderttausend Jahre andauern können.
Magnetfelder anderer Planeten
Unbemannte Raumsonden haben gezeigt, dass Magnetismus ein im Planetensystem häufiges, aber kein
allgemeines Phänomen ist. Unsere planetaren Nachbarn, Venus und Mars, besitzen kein globales Magnetfeld.
Die starke Magnetisierung von sehr alten Teilen der Marskruste legt aber nahe, dass der Planet in seiner
Frühgeschichte ein starkes inneres Magnetfeld besaß. Beim kleinen Merkur fand man unerw arteterw eise ein
Dipolfeld, allerdings ist die Feldstärke an der Planetenoberfläche hundert Mal schw ächer als bei der Erde.
Jupiters Magnetfeld hingegen ist etw a zehnmal stärker als das der Erde, die Neigung des Dipols gegen die
Rotationsachse beträgt jedoch bei beiden Planeten etw a 10°. Saturns Magnetfeld w iederum ist zw ar ähnlich
stark w ie das der Erde, Dipolachse und Rotationsachse scheinen jedoch übereinzustimmen, zudem ist das
gesamte Magnetfeld fast rotationssymmetrisch. Auch die Felder von Uranus und Neptun haben eine
vergleichbare Amplitude, w erden aber nicht vom Dipolanteil dominiert, zudem ist der Dipol stark gegen die
Rotationsachse verkippt.
Der Dynamo
W ie entsteht das Magnetfeld der Erde und der übrigen Planeten? Was bestimmt seine Stärke? Lassen sich die
Eigenschaften der verschiedenen Magnetfelder im Detail verstehen? Im 20. Jahrhundert hat sich in einem
langw ierigen Prozess die Dynamotheorie zur Erklärung natürlicher Magnetfelder im Kosmos durchgesetzt. Im
Inneren der Planeten gibt es fluide und elektrisch gut leitende Regionen. Bei der Erde und den anderen
erdähnlichen Planeten ist es der flüssige Eisenkern, bei Jupiter und Saturn Wasserstoff in seiner metallischen
Hochdruckform und im Inneren von Uranus und Neptun ein Gemisch aus Wasser, Ammoniak und anderen
Komponenten, das bei hoher Temperatur und hohem Druck eine gute Ionenleitfähigkeit aufw eist. Fließt ein
solches Medium in einem bereits vorhandenen Magnetfeld, so w erden durch elektromagnetische Induktion
elektrische Ströme erzeugt. Wenn das mit diesen Strömen verbundene Magnetfeld gerade das zur Induktion
benötigte Feld reproduziert, spricht man von einem selbsterhaltenden Dynamo. Angetrieben w erden die
Fließbew egungen durch Konvektion, also durch thermische oder chemische Dichteunterschiede in der
Dynamoregion.
Alle Generatoren w ie auch der Fahrraddynamo beruhen auf dem gleichen Prinzip, funktionieren aber nur
w egen der zw eckmäßigen Anordnung des elektrischen Leiters, etw a in Form von Spulen. Die Kerne der
Planeten stellen dagegen nahezu homogen leitende Kugeln oder Kugelschalen dar. Die verschiedenen Teile
des Dynamos sind sozusagen kurzgeschlossen. Ob solche homogenen Dynamos überhaupt funktionieren
können w ar längere Zeit unklar. Erst um 1960 w urden die ersten theoretischen Beispiele für funktionierende
homogene
Dynamos
gefunden.
Weitere
35
Jahre
mussten
vergehen,
bis
die
ersten
realistischen
Computersimulationen für den Geodynamo publiziert w urden. In den letzten zehn Jahren befindet sich die
Modellierung planetarer Dynamos in einer raschen Entw icklung, zu der Arbeiten am Max-Planck-Institut für
Sonnensystemforschung einen w esentlichen Anteil geleistet haben.
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Da s obe re Bild ze igt die Ve rtik a lk om pone nte de s
Erdm a gne tfe lde s im Ja hr 1990 a n de r Gre nze de s Erdk e rns,
be re chne t a us Be oba chtunge n a n de r O be rflä che und von
Sa te llite n a us. Struk ture n m it Ausde hnunge n k le ine r a ls 3000
k m we rde n nicht ge ze igt, da sie sich nicht a us de n Da te n
be re chne n la sse n. Die Be iträ ge höhe re r Multipole sind a n de r
Ke rngre nze vie l stä rk e r a ls a uf de r Erdobe rflä che . Da s m ittle re
Bild ze igt da s Ma gne tfe ld e ine s Dyna m om ode lls in volle r
Auflösung. Es e nthä lt za hlre iche k le inrä um ige Struk ture n.
Da sse lbe Ma gne tfe ld ist im unte re n Bild so ge glä tte t, da ss
se ine Auflösung de r de s Erdm a gne tfe lde s im obe re n Bild
e ntspricht. In ihre r prinzipie lle n Struk tur ä hne ln sich die se
be ide n Bilde r sta rk .
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Die meisten numerischen Simulationen beziehen sich auf den Geodynamo, da das Erdmagnetfeld am besten
bekannt ist. Verschiedene seiner Eigenschaften w erden von den Modellen gut reproduziert. Abbildung 1 zeigt,
dass über den dominierenden Dipolanteil hinaus viele Details denen des Erdmagnetfeldes nahe kommen. Auch
die zeitlichen Variationen des geomagnetischen Feldes, von Schw ankungen im Bereich von Jahrhunderten bis
hin zu Umpolungen, w erden von einigen Modellen überzeugend w iedergegeben.
Skalierung zum Erfolg
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Die Erfolge der Simulationen sind etw as überraschend, da die Computermodelle mit einigen unrealistischen
Annahmen arbeiten müssen. Beispielsw eise w ird eine um viele Größenordnungen zu hohe Zähigkeit
angenommen, um die kleinräumigen turbulenten W irbel in der Strömung zu unterdrücken, die sich auf den in
heutigen Computern realisierbaren Modellgittern nicht darstellen lassen. Andererseits w issen w ir, dass die
Viskosität in den Dynamoregionen der Planeten vernachlässigbar klein ist. Kann es sein, dass manche
Eigenschaften der Modelle nur durch einen glücklichen Zufall mit der Beobachtung übereinstimmen, w ährend
man anderen Aspekten vielleicht nicht trauen kann?
Um diese Frage zu klären w ird am Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in umfangreichen
Modellserien
untersucht,
w ie
sich
die
charakteristischen
Eigenschaften
des
Dynamos
mit
den
Kontrollparametern ändern. Dabei zeigt sich, dass die Viskosität, obw ohl sie viel zu groß gew ählt w urde,
keinen entscheidenden Einfluss
auf die
Magnetfelderzeugung hat. Eine
w ichtige
Kenngröße
ist der
Energiebedarf eines homogenen Dynamos. Die Vielzahl der Modelle erlaubte es, hierfür ein Gesetz
aufzustellen, das sich anhand des Karlsruher Dynamoexperiments verifizieren ließ (Abb. 2). Dieses Experiment
arbeitet mit flüssigem Natrium, dessen Viskosität der des flüssigen Eisens im Erdkern ähnelt. Die gute
Übereinstimmung des Energiebedarfs des Karlsruher Dynamos mit der Vorhersage aus den Modellen legt
nahe, dass die Turbulenz in der Natriumströmung keine w esentliche Rolle spielt. Für den Geodynamo sagt das
Gesetz einen Energiebedarf in Höhe von 200 – 500 GW voraus, so viel w ie einige Hundert Kraftw erke
erzeugen. Dies ist deutlich w eniger als in früheren Abschätzungen und lässt sich mühelos aus der langsamen
Abkühlung des Erdkerns gew innen. Besondere Energiequellen sind nicht nötig.
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Da s Ka rlsruhe r Dyna m oe x pe rim e nt. Flüssige s Na trium wird
durch e in Syste m von Sta hlröhre n ge pum pt. Die e le k trische
Le itfä higk e it de r zylinde rförm ige n Anordnung ist na he zu
hom oge n. Be i hohe r P um ple istung e ntste ht e in
se lbste rha lte nde s Ma gne tfe ld, da s um e in vie lfa che s stä rk e r
ist a ls da s Erdm a gne tfe ld.
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Was bestimmt die Stärke des erzeugten Magnetfeldes? Das ist eine der Schlüsselfragen der Dynamotheorie.
Bisher
w urde
meist
angenommen,
dass
das
Magnetfeld
gerade
so
stark
w ird,
dass
sich
die
elektromagnetische Kraft und die rotationsbedingte Corioliskraft die Waage halten. Unsere Modellergebnisse
bestätigen dies nicht. Vielmehr legen sie nahe, dass der zur Verfügung stehende Energiefluss die magnetische
Feldstärke kontrolliert. Wenn man diese Regel auf die Planeten Erde und Jupiter anw endet, bei denen sich die
Energieflüsse abschätzen lassen, ergeben sich plausible Feldstärken im Inneren der jew eiligen Dynamoregion.
Beim Jupiter liegt sie um einen Faktor acht höher als bei der Erde in Übereinstimmung mit der etw a zehn Mal
höheren Feldstärke an der Oberfläche jenes Planeten.
Saturn ist anders
Für den Saturn ist die Übereinstimmung w eniger gut. Die nahezu achsensymmetrische Struktur des
Magnetfeldes, die unlängst von der Cassini-Mission bestätigt w urde, lässt vermuten, dass hier ein anderer Typ
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von Dynamo am Werke sein könnte, denn ein so einfaches Feld ist untypisch für konvektionsgetriebene
Dynamos. Unsere Simulationen zeigen, dass differentielle Rotation hier die Antw ort sein könnte. Abbildung 3
zeigt das Magnetfeld, das entsteht, w enn man die innere Begrenzung der Dynamoregion schneller rotieren
lässt als die äußere. W ie das Feld des Saturns ist es sehr achsensymmetrisch und einfach strukturiert.
W ährend im Computermodell die unterschiedlichen Rotationsraten einfach vorgegeben w erden, ist nicht völlig
klar, w elcher Effekt differentielle Rotation in Saturn verursachen könnte. Ein möglicher Kandidat ist ein
Heliumregen, der Drehimpuls aus der oberen Atmosphäre in tiefere Regionen transportiert. Differentielle
Rotation ist auch der Mechanismus, der die im Bau befindlichen Dynamoexperimente der nächsten Generation
antreiben soll. Die Simulation dieser Experimente w ar das primäre Ziel unserer Rechnungen, das Modell für
den Saturndynamo ergab sich gew issermaßen als Nebenprodukt.
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Ma gne tische Fe ldlinie n in e ine m Dyna m om ode ll, in de m die
Ström ung durch diffe re ntie lle R ota tion zwische n de r inne re n
Be gre nzung und de r ä uße re n Be gre nzung ge trie be n wird (von
le tzte re r we rde n nur die P olk a ppe n da rge ste llt). Die
Ma gne tfe ldlinie n e ntwe iche n a us de r Dyna m ore gion
ha uptsä chlich in zwe i e ng be gre nzte n m a gne tische n
Flussbünde ln a n de n P ole n. Da s Ma gne tfe ld im Auße nra um ist
da durch se hr sta rk a chse nsym m e trisch, so wie e s im Fa ll de s
P la ne te n Sa turn be oba chte t wird.
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Das Magnetfeld als Schutzschild
W ir sind noch ein gutes Stück von dem Ziel entfernt, die vielfältigen Erscheinungsformen des planetaren
Magnetismus qualitativ und quantitativ vollständig erklären zu können. Numerische Simulationen spielen
inzw ischen aber eine entscheidende Rolle auf dem Weg dorthin. Die planetaren Magnetfelder haben eine
w ichtige Funktion – sie halten die energiereiche Partikelstrahlung des Sonnenw indes ab, w elche unter
anderem eine
Gefahr für technische
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Systeme
darstellt. In Gebieten w ie
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dem Südatlantik, w o das
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Erdmagnetfeld relativ schw ach ist und seine Stärke langsam w eiter abnimmt, sind Satelliten bei heftigen
Eruptionen auf der Sonne einer stark erhöhten Strahlenbelastung ausgesetzt. Da der Marsdynamo vor langer
Zeit aufgehört hat zu arbeiten, kann der Sonnenw ind ungehindert auf die Atmosphäre des Planeten prallen
und Bestandteile der oberen Atmosphäre erodieren. Dies belegen Messungen von Partikelsensoren auf der
Mars- Express-Mission, die mit Beteiligung des MPS gebaut w urden (Abb. 4). Ein Magnetfeld kann also
entscheidend für die langfristige Entw icklung von Planetenatmosphären und somit für das Entstehen
lebensfreundlicher Umw eltbedingungen sein.
Einfa ch ge la de ne Sa ue rstoff-Ione n im Ma rs-na he n W e ltra um
be oba chte t vom Aspe ra -3-Ex pe rim e nt a uf de m e uropä ische n
Ma rs-Ex pre ss-Sa te llite n. Ge ze igt we rde n m ittle re Zä hlra te n
von O + -Ione n in Abhä ngigk e it von Sonne nrichtung (obe n) und
Absta nd von Ma rs. Die Hilfslinie n be ze ichne n die Bugstoßwe lle
de s Sonne nwinde s und die Gre nzschicht de r Ionosphä re
(Ionopa use ) de s Ma rs. De r Abfluss von a tm osphä rische n
Ione n e rfolgt im Scha tte n de s Ma rs und e ntla ng de r
Ionopa use .
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