Recht und Gerechtigkeit am Beispiel der Theorien des Geistigen

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Harfst, Recht und Gerechtigkeit
Essay
Freilaw 2/2014
Recht und Gerechtigkeit
am Beispiel der Theorien des Geistigen Eigentums
Wilko Harfst*
Juristisch gesehen findet sich die legale Gerechtigkeit in den
Prinzipien der Legitimität, Verhältnismäßigkeit und Rechtmäßigkeit wieder. Die legale Gerechtigkeit kann als Ausformulierung ethischer Gerechtigkeit in positivem Recht gesehen werden. Im Folgenden soll am Beispiel vierer grundlegender Theorien des Geistigen Eigentums gezeigt werden, dass die legale
Gerechtigkeit, verkörpert in positivem Recht, oft aus der ethischen Gerechtigkeit resultiert, die am einfachsten vom Gesetzgeber umgesetzt werden kann. Inwiefern das positive Recht
der ethischen Gerechtigkeit dabei gerecht wird, ist fraglich.
A. Einleitung
Das Recht des Geistigen Eigentums besteht seit Mitte des 18.
Jahrhunderts. Ziel des Geistigen Eigentums ist es, den Erschaffern eines ursprünglichen Werkes einen Anreiz in Form eines
zeitlich begrenzten Monopols für ihre Bemühungen zu geben.
In der Theorie soll dadurch die allgemeine Kreativität und
Innovation der Menschheit belohnt und somit gefördert werden. Dieser kommerzielle Anreiz galt zunächst allerdings nur
als zusätzlicher Faktor zum akademischen und wissenschaftlichen Ruhm. In der heutigen Zeit bestimmt jedoch genau dieser
kommerzielle Faktor maßgeblich das Recht des Geistigen
Eigentums, da Forschung immer teurer wird und Investoren
lieber in Forschung mit kommerziellen Anwendungen investieren.
B. Theorien
Zunächst sollen hier die vier Theorien zur Rechtfertigung des
Geistigen Eigentums, nämlich der
Utilitarismus, gefolgt von der Social Planning Theory, der
Persönlichkeitstheorie nach Kant und Hegel, und der Labour
Theory nach John Locke, vorgestellt werden, in denen die
unterschiedlichen Zielsetzungen sichtbar werden.
I. Utilitarismus
Im Allgemeinen sieht der Utilitarismus diejenigen Dinge als
gut an, die den größtmöglichen Nutzen für die größtmögliche
Zahl von Menschen. Übertragen auf das Recht des Geistigen
Eigentums bedeutet das, dass diejenigen Geistigen Eigentumsrechte als gerecht gelten können, welche einen gesellschaftlichen Nettogewinn mit sich bringen. Hierbei muss beachtet
werden, dass der Anreiz des Geistigen Eigentums für Kreativität und Innovation größer sein soll als der Verlust, den die
Gesellschaft durch die Exklusivität der Eigentumsrechte in
Kauf nehmen muss. Im angloamerikanischen Raum wird der
Utilitarismus als Hauptgrundsatz des Rechts des Geistigen
Eigentums gesehen und ist durch kulturellen Export des ame-
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rikanischen Urheberrechts zur global meistgenutzten Theorie
des Geistigen Eigentums geworden.
II. Social Planning Theory
Diese Theorie ähnelt dem Utilitarismus insofern, dass Geistiges Eigentum dann gerecht ist, wenn es den größtmöglichen
Nutzen für die größtmögliche Anzahl bringt. In der Social
Planning Theory wird jedoch statt eines gesellschaftlichen
Nettogewinns als Ziel jeglichen Rechts die Schaffung einer
gerechten und attraktiven Gesellschaft gesehen. Der größtmögliche Nutzen wird also, anders als im Utilitarismus, mit einer
vordefinierten Wertung belegt.
III. Kant und Hegel: Persönlichkeitstheorie
Die Persönlichkeitstheorie, welche auf den Werken von Kant
und Hegel beruht, definiert diejenigen Geistigen Eigentumsrechte als gerecht, die einen Ausdruck der Person als Vernunftwesen darstellen. In diesem Sinne wird das Geistige Eigentumsrecht als ureigene Insignie des Urhebers verstanden.
Nach der Persönlichkeitstheorie darf daher auch kein Transfer
des Eigentumsrechts stattfinden. Im Grunde genommen wäre
hierfür kein geschütztes Eigentumsrecht notwendig; die Rational dafür ist jedoch, dass das Eigentum dann geschützt ist,
wenn es der Fortentwicklung der menschlichen Bedürfnisse
und Interessen dient.
IV. John Locke: Labour Theory
Die Labour Theory basiert auf den Werken John Lockes, der
dafür plädierte, Eigentumsrechte nur dort zu gewähren, wo
durch die Investition von Arbeit am Gemeingut ursprünglich
Neues geschaffen wird, solange hinterher das Gemeingut
durch die Gewährung des Eigentumsrechtes nicht verkleinert
wird. Der Zuwachs am Gemeingut wäre demzufolge das Eigentum des Urhebers. Obwohl aus den Aufzeichnungen Lockes nicht hervorgeht, ob auch Geistiges Eigentum in seine
Theorien eingeschlossen werden sollte, gibt es kein überzeugendes Argument, warum man Lockes Gedankengänge nicht
auch auf Geistiges Eigentum anwenden sollte. Allerdings sollte es Erwähnung finden, dass Locke unveränderliche, unveräußerliche und unendliche Eigentumsrechte vorsah. Allerdings
entsteht bei unendlichen Eigentumsrechten jedoch aus Lockes
Argumentation selbst ein Widerspruch, da derjenige nach dem
Gewähren eines Geistigen Eigentumsrechtes schlechter gestellt
wäre, der unabhängig die gleiche Arbeit am Gemeingut leistet.
Nach dem Utilitarismus wird die Labour Theory vermehrt als
Rationale des Geistigen Eigentums gesehen.
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Freilaw 2/2014
C. Probleme bei der Umsetzung
IV. Utilitarismus
Im Folgenden sollen Probleme der vier Theorien aufgezeigt
werden, die bei der Umsetzung in positives Recht zu beachten
sind. Hierbei soll gezeigt werden, dass verschiedene Gerechtigkeitsbilder zu unterschiedlichem positivem Recht führen
und in der Gesetzgebung die Entscheidung im Endeffekt meist
auf diejenige Rationale fällt, die bei der Umsetzung weniger
Probleme aufwirft.
Auch im Utilitarismus ergeben sich Schwierigkeiten für den
Gesetzgeber, da es empirisch nicht möglich ist, zu überprüfen,
wann der Anreiz für Entwicklung und Innovation einen größeren Nutzen für die Gesellschaft bringt als die Exklusivität der
Geistigen Eigentumsrechte die Gesellschaft einschränkt. Hierbei muss jedoch nicht zwischen philosophisch brisanten
Standpunkten gewählt werden, wie beispielsweise bei der Art
der idealen Gesellschaft für die Social Planning Theory; es
sind lediglich Entscheidungen über Dauer und Umfang der
Geistigen Eigentumsrechte von Nöten. Obwohl auch dies nicht
immer ganz einfach ist, ist es trotzdem diejenige Theorie, die
am leichtesten in geltendes Recht umzusetzen ist.
I. John Locke: Labour Theory
Nach Johne Lockes Auffassung sind Eigentumsrechte dann
gerecht, wenn hinterher niemand schlechter dasteht als vorher.
Da Geistige Eigentumsrechte eine Monopolstellung des Rechteinhabers mit sich bringen, wäre derjenige, der später unabhängig die gleiche Arbeit am Gemeingut leistet, in einer
schlechteren Position. Folgt man Lockes Argumentation also,
ergibt sich hieraus, dass Geistiges Eigentum nur so lange bestehen darf, wie jemand anders gebraucht hätte, um die gleiche
Arbeit am Gemeingut zu leisten. Dies wiederum zieht einige
Probleme für den Gesetzgeber mit sich, da es in der Praxis
unmöglich ist, diese Dauer festzusetzen. Im Bereich der Markenrechte gibt es bereits Regelungen, die Eigentumsrechte
auch für unabhängige Neuerfinder gewähren, wohingegen
solche im Patentrecht vollkommen fehlen.
II. Kant und Hegel
Das Recht des Geistigen Eigentums wird in der heutigen Zeit
vor allem mit wirtschaftlichem Interesse genutzt. Die Persönlichkeitstheorie hingegen propagiert ein Recht des Geistigen
Eigentums, das für den Urheber fast ausschließlich zeremoniell
von Bedeutung ist. Durch die Beschränkung der wirtschaftlichen Nutzung infolge der Unveräußerlichkeit eines solchen
Eigentumsrechtes ist es fast unmöglich, ein umfassendes Recht
des Geistigen Eigentums auf dieser Grundlage zu schaffen,
welches auch den Anforderungen der Gesellschaft sowie der
Wirtschaft gleichermaßen entspricht. Zusätzlich lassen sich die
hochphilosophischen Konzepte von Kant und Hegel zu schwer
konkretisieren, um in positives Recht umgesetzt zu werden,
ohne dabei in ihren Kernaussagen abgewandelt zu werden.
D. Zusammenfassung und Fazit
Wie man sehen kann haben alle vier Theorien ihre Vor- und
Nachteile. Alle vier gehen von einem unterschiedlichen Gerechtigkeitsbild aus und sind doch alle ethisch vertretbar. Dass
sich hauptsächlich der Utilitarismus und zu kleinen Teilen die
Labour Theory nach Locke als Grundlage des Rechts des Geistigen Eigentums herausgebildet hat kann damit erklärt werden,
dass sowohl die Persönlichkeitstheorie als auch die Social
Planning Theory zu sehr auf noch nicht eindeutig geklärte
Konzepte philosophischer Natur beruhen.
Insgesamt kann man sagen, dass unterschiedliche Vorstellungen von Gerechtigkeit oft zu unterschiedlichem positivem
Recht führen und dass im Endeffekt oft der Weg gewählt wird,
der mit der geringsten philosophischen Debatte einhergeht.
Ethische Gerechtigkeit ist nun einmal ein subjektiv empfundenes und ein sich über die Zeit wandelndes Konstrukt und kann
niemals allgemeingültig im positivem Recht verankert werden.
III. Social Planning Theory
Da diese Theorie diejenigen Geistigen Eigentumsrechte als
gerecht ansieht, die helfen, auf eine ideale Gesellschaft hinzuarbeiten, ergeben sich direkt im Ansatz Probleme für den Gesetzgeber. Wie zum Beispiel wird eine ideale Gesellschaft
definiert? Und woran wird gemessen, ob eine Innovation daraufhin arbeitet, um infolgedessen schützenswert zu sein?
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